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reise / KUBA KUB A Havanna ist Kubas tem- peramentvolle Haupt- stadt mit tausend Gesichtern. Foto: ToskanaINC/Shutterstock.com LUST, LEIDENSCHAFT, 56 falstaff mär–apr 2016 57 falstaff mär–apr 2016 Meer, Salsa, Mojito und karibische Lebenslust – Kuba übt eine zeitlose Faszination aus. Aber wie lange noch? Das politische Tauwetter zwischen den USA und Kuba könnte das einzigartige Inselflair völlig verändern. Was bleibt dann übrig? TEXT FRANK HIDIEN

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Meer, Salsa, Mojito und karibische Lebenslust – Kuba übt eine zeitlose Faszination aus. Aber wie lange noch? Das politische Tauwetter zwischen den USA und Kuba könnte das einzigartige Inselflair völlig verändern. Was bleibt dann übrig? TexT FrANK hIDIeN

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Der unvergleichliche Charme vergangener Tage prägt das Stadtbild Havannas.

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In der »Bodeguita del Medio«, früher Stammbar bekannter Künstler, soll der Mojito erfunden worden sein.

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Die Straße als Proberaum: Karibische Rhythmen hallen durch Havannas Gassen.

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d er Bass brummt in tiefen Tönen. Takt für Takt unter-malt er den warmen Klang der Gitarre. Kubanische Musik ist pure Leiden-schaft. Gleichsam mitrei-

ßend ist der Rhythmus des Inselstaats und Havanna sein pulsierendes Zentrum: Salsa tönt aus den Restaurants durch die Gassen, Händler bieten lautstark ihre Ware feil, bun-te Oldtimer brausen durch die Straßen.

Und doch: Die Fassaden an den Häusern bröckeln, das Angebot in den Geschäften abseits der Touristenpfade ist überschaubar. Einkaufen ist für die Kubaner teuer, sie ver-dienen durchschnittlich 24 Euro im Monat. Im ersten Jahr der Annäherung zwischen Kuba und den USA ist die Wirtschaft des kommunistischen Inselstaats zumindest um vier Prozent gewachsen. Kubas Machthaber erwarten sich noch mehr, Touristen hingegen bangen um ihren karibischen Sehnsuchtsort: Kuba könnte von Amerikanern über-schwemmt werden. Es droht ein Ausverkauf. Deshalb zieht es jetzt Touristen aus aller Welt mehr denn je auf die Insel, um die womög-lich letzten Tage des »Originals« zu erleben.

Der MorBIDe ChArMe hAvANNAS

Kuba ist die größte Insel der Karibik, sie erstreckt sich vom Westen nach Osten über 1250 Kilometer. Touristen sollten dies bei ihrer Planung beachten, sofern sie die Insel auf eigene Faust erforschen wollen. Natür-lich kann man vor Ort Wohnmobile oder Pkw mieten und sich auf den Weg nach Santiago de Cuba im Osten machen und auf der Fahrt dorthin Cienfuegos besuchen. Beides sind reizvolle Städte, die einen Besuch lohnen. Aber Tankstellen sind nicht wie in Europa an jeder zweiten Ecke zu finden. Straßenschilder sind rar gesät. Und auf den Autobahnen teilt sich der Autofahrer die Straße mit Fuhrwerken, die von Kühen gezogen werden.

Havanna mit seinen zwei Millionen Ein-wohnern ist das Juwel des Inselstaats. Seine Faszination ist mit Worten schwer zu beschreiben. In jedem Fall trägt eine Archi-tektur dazu bei, wie sie in der Karibik sonst nicht mehr zu finden ist. Fast überall hatten die spanischen Eroberer ihre Prachtbauten hinterlassen. Während diese aber auf den anderen Inseln irgendwann modernen Zweckbauten wichen, stehen sie in der Alt-stadt Havannas noch immer. Erst seit einigen Fo

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havanna ist Kubas Juwel. Jede Straßenecke erzählt ein Stück Geschichte: Prachtbauten der spanischen Kolonisten,

oldtimer auf der Straße, Bars, in denen noch hemingway trank.

Jahren hat das auch mit einem kulturhistori-schen Interesse zu tun. Dass dieses geweckt wurde, ist dem Stadthistoriker Eusebio Leal Spengler zu verdanken. Er gründete 1994 die Firma »Habaguanex S.A.«, die für die Alt-stadt-Restaurierung verantwortlich zeichnet – und notabene auch für die Vermarktung. So hat Leal Spengler beispielsweise das »Flori-da« zu einem der schönsten Hotels der Stadt gemacht.

Die Altstadt, UNESCO-Weltkulturerbe, ist groß, und die finanziellen Mittel für Restau-rierungen sind begrenzt. Daher sieht man vielerorts ein frisch restauriertes Hotel und nebenan ein für europäische Verhältnisse abbruchreifes Gebäude. Manch Tourist nennt das den morbiden Charme Havannas, fühlt sich an Venedig erinnert. Doch weit gefehlt. Havanna ist im Begriff, ein architektonisches Gesamtkunstwerk zu werden.

Der SToLze KUBANer

Die Geschichte Kubas ist nicht nur aufgrund der Architektur allgegenwärtig. Im 20. Jahr-hundert war Kuba ein beliebter Zufluchtsort vieler Berühmtheiten. Ernest Hemingway leb-te hier über zwanzig Jahre, und man kann immer noch wie er seinen Daiquiri in der Bar

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»La Floridita« oder den Mojito in der »Bode-guita del Medio« nehmen und im Hotel »Ambos Mundos« wohnen.

Nach 1959 gab es in der Karibik und in Mittel- und Südamerika viele Revolutionen samt zahlreicher Aufstände. Aber sie waren entweder erfolglos oder nicht nachhaltig. Nachhaltig heißt für Kuba, dass die Identifi-kation der Bevölkerung mit den Errungen-schaften der Revolution noch sehr hoch ist. Es gibt keinen Anlass zur Romantisierung, auch wenn viele Touristen nach einem Besuch von den lebenslustigen Kubanern

Die Musik zeugt von Kubas Geschichte: spanische Motive mit heißen afro-kubanischen Rhythmen.

erzählen, denen ihre zum Teil schweren Lebensumstände im Alltag nichts ausmachen. Der Kubaner wäre viel zu stolz, einem Frem-den zu sagen, dass es am Morgen mal wieder kein fließendes Wasser gab oder abends viel-leicht der Strom ausfallen könnte. Und dieser Stolz hat seinen Grund.

Tatsache ist nämlich, dass die Analphabe-ten-Rate Kubas niedriger ist als die der USA. Das Gesundheitswesen ist so gut, dass man an Dritte-Welt-Länder Ärzte ausleiht. Und die Kubaner, die alle eine Schule besucht haben, wissen, dass Schulpflicht und ein funktionierendes Gesundheitswesen vieler-orts in der Karibik oder Mittel- und Südame-rika Fremdwörter sind.

KreoLISChe KULINArIK

Die Annäherung zwischen Kuba und den USA macht sich auch für die Touristen bereits bemerkbar. Die Hotelpreise haben heftig angezogen. Anderswo hat sich nicht viel geän-dert: In staatlich geführten Restaurants fühlt man sich in alte DDR-Zeiten zurückversetzt.

Viel spannender sind Paladares – kleine, private Restaurants, die ursprünglich im Wohnzimmer der Gastgeber geführt wurden, heute aber durchaus professioneller in größe-ren Räumen. Der Klassiker unter den Pala-dares ist das »La Guarida«. Es liegt im ersten Stock eines unscheinbaren Gebäudes. Hat man den tristen Innenhof überwunden, emp-fängt den Gast eine Wohnung mit mehreren kleinen Zimmern. Auf den Teller kommen Ceviche, Fisch süß-sauer oder in Weinsauce, Huhn in Honig und Senf mariniert oder Schweinemedaillons in Mango-Sauce.

Vergleichbare Gerichte findet man in vie-len Restaurants der Stadt, aber man sollte keine europäischen Maßstäbe an die Kre-

Von Kunst und Obst bis hin zu Zigarren: Auf den Straßen bieten Händler ihre Ware feil.

OIdtimer und bröckelnde Fassaden aus den 1950er-Jahren: das »originale«, alte Havanna.

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ativität der Köche anlegen, die nie außer-halb der Insel Erfahrungen sammeln konnten.

Pikant und gut gewürzt heißt vielerorts die Devise, und fast immer ist die Küche durch kreolische Elemente beeinflusst. Schwarze Bohnen liebt der Kubaner, und zur kreoli-schen Küche gehören unbedingt eine Vielfalt von Gewürzen, Kochbananen und Süßkar-toffeln. Die Kubaner sind ebenso Genies im Improvisieren. Denn einen Lebensmittel-Großhandel gibt es auf Kuba nicht. Selbst die Beschaffung von Fisch ist schwierig. Die Kubaner legten nie Wert auf Fisch als Nah-rungsmittel. Heute ist es zu spät, denn die kommerziellen Hochseeflotten der Konzerne fischen das Meer leer. Schweinefleisch und Huhn sind ebenso Luxus für den normalen Kubaner. Trifft man auf der Speisekarte Rind oder Kalb an, ist das ebenso ungewöhnlich wie ein Fischangebot.

zIGArreN-eLDorADo

Vor allem für zwei Produkte ist Kuba weltbe-rühmt und -gerühmt: Rum und Zigarren. Letz-tere sollten nicht auf der Straße gekauft wer-den – es sind mit hoher Wahrscheinlichkeit Fälschungen. Stattdessen lohnt sich ein Besuch der »Casa del Habano« in der »Conde de Villnueva«. Hier arbeitet der vielleicht beste Zigarrenroller der Stadt. Zwar bietet er auch reguläre Havanna-Marken an, aber Liebhaber sollten auf Reynaldos eigene Tabakkompositi-

onen zurückgreifen. Die Preise sind übrigens kaum niedriger als hierzulande.

Wer eine Zigarrenmanufaktur besuchen möchte, ist bei »Partagás« richtig. Die Manufaktur befindet sich seit einigen Jahren nicht mehr in dem allseits bekannten Gebäu-de unweit des Capitols, sondern ist in ein nicht minder beeindruckendes Bauwerk umgezogen, das 1902 errichtet wurde und nach einer aufwendigen Restaurierung seine Besucher heute mit einer Fassade in strahlen-dem Weiß empfängt.

KUBAS BUNTe vIeLFALT

Wer Kuba abseits des Hauptstadtdschungels erleben will, findet 120 Kilometer von Havan-

na entfernt den perfekten Strandurlaubsort Varadero mit modernen Hotelanlagen. Oder man macht einen Ausflug in die Provinz Pinar del Rio: Das dortige Viñales-Tal ist ebenfalls UNESCO-Weltkulturerbe, und in der umliegenden Region Vuelta Abajo liegt Kubas Tabakanbaugebiet für die legendären Havanna-Zigarren.

Wenn der Tag zu Ende geht, treffen sich die Einwohner von Havanna am Malecón. Sie genießen die untergehende Sonne, wäh-rend die Touristen nicht nur einen Blick auf das Meer, sondern auch auf die frühere Prachtstraße Havannas mit ihren Gebäuden werfen.

Allein diese besinnlichen Momente lohnen eine Reise nach Kuba.

»Alle für die Revolution«: Die Plaza de la Revolución ist seit 1959 das politische Zentrum in Havanna.

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Karibische Leichtigkeit: Son und Salsa sind in

Havanna allgegenwärtig.

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tipps Und Adressenr e s tAU r A n t s Le Chansonnier (1)Traumhafte villa. Das restaurant hält auch europäi-schen Maßstäben stand, ein »Must« in havanna!Calle J #257, entre Línea y 15, vedadoT: +53 7 8321576, www.lechansonnierhabana.com

eL ChanChuLLero (2)Urbanes, authentisches Tapas-Lokal.Calle Teniente rey #457a, habana vieja T: +53 7 861 0915, www.el-chanchullero.com

eL aTeLier (3)Bereits ein Klassiker unter den Paladares, mit kreativer Küche. Unbedingt Falafel probieren!Calle 5 e/ Paseo y 2, vedado, T: +53 7 8362025

304 o’reiLLy (4)hervorragende Drinks an der Bar, das beste restaurant in der Altstadt.o’reilly #304 e/ habana y Aguiar, La habana viejaT: +53 5 2644725

eL CoCinero (5)eines der besten restaurants havannas, in einer alten Fabrik gelegen. Mit Bar und zwei Terrassen. Das hat Weltstadt-Niveau.Calle 26, e/ 11 y 13, vedado, T: +53 7 832 2355

río Mar (6)Tolle Terrasse mit Meeresblick. Internationale Küche mit guten Fischgerichten.Ave. 3raA y Final #11, La Puntilla, MiramarT: +53 7 2094838

La guarida (7) Wirkt wie ein Abbruchhaus, aber innen erwarten ein

FLorida (10)Kleines, intimes hotel im spanischen Kolonialstil.obispo #252, esq. a Cuba, habana viejaT: +53 7 8624127, www.hotelfloridacuba.com

saraToga (11)Moderne Architektur verknüpft mit kolonialen elementen, sehr zentral, mit Dach-Pool.Paseo del Prado #603 esq. a Dragones, habana viejaT: +53 7 8681000, www.hotel-saratoga.com

t i p p s ParTagás (12)Die einzige für Besucher offene zigarrenmanufaktur. Calle San Carlos 816, ecke Peñalver

PrivaT wohnenwww.casa-particular.dewww.mycasaparticular.com

einzigartiges Ambiente und Top-Speisen die Gäste.Concordia #418 e/ Gervasio y escobar Centro habana, T: +53 7 8669047www.laguarida.com

h o t e L s aMbos Mundos (8)Direkt in der Innenstadt, hier wohnte hemingway; für europäische verhältnisse eher bescheidene zimmer.Calle obispo #153 esq. a Mercaderes, habana viejaT: +53 7 8609529 www.hotelambosmundos-cuba.com

Conde de viLLanueva (9)Lauschiger Innenhof, individuelle zimmer und der beste zigarrenroller der Stadt.Mercaderes #202, esq. a, LamparillaT: +53 7 8629293www.hotelcondedevillanueva.com

Barrio chino

ensenada de atarés

canal de entrada

rio almendares

plaza vieja

plaza de la revolución

terminal decontenedores habana

estación central de ferrocarriles

universidad de la habanael vadado

zapata

arroyonecrópoliscristobal colón

gran caribeHabana-Riviera

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Pool über den Dächern Havannas mit Ausblick auf das Capitol: »Hotel Saratoga«.

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