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2 2007 LWL-Medienzentrum für Westfalen 2 2007 DVD rückt Skulptur Projekte Münster 07 ins Bild Westfalen aus der Senkrechten – Sammlung Kürten Schlechte Scherze – Cybermobbing in der Schule Filmbildung – Wenn im Unterricht das Licht ausgeht

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    LWL-Medienzentrum für Westfalen

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    DVD rückt Skulptur Projekte Münster 07 ins BildWestfalen aus der Senkrechten – Sammlung KürtenSchlechte Scherze – Cybermobbing in der SchuleFilmbildung – Wenn im Unterricht das Licht ausgeht

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    IM FOKUS Nachrichten aus dem LWL-Medienzentrum für WestfalenHeft 2 – August 2007

    Redaktion: Claudia LandwehrKontakt: [email protected]

    Tel: 0251-591-3966 Titelfoto: Skulptur Projekte Münster 07 – Blume für Münster

    von Marko LehankaGreta Schüttemeyer © MZW

    Layout: Ute HaversInternet: www.lwl-medienzentrum.de

    EDITORIALMEDIENBILDUNG4 Wenn im Unterricht das Licht ausgeht –

    Filmbildung als kulturelle Bildung6 „Jenseits der Literaturverfilmung“ – Ein

    Erfahrungsbericht aus der Lehrerfortbildung 9 Ein ganzer Tag für 30 Sekunden – Empfang

    der Gewinner des Wettbewerbs „TreffpunktBibliothek“ im LWL-Medienzentrum

    10 Jahrestagung des BJF – FilmbegeisterteSpinxx-Reporter fuhren nach Wiesbaden

    11 25. KinderFilmFest Münster – Zum Jubiläumwächst das Fest weiter in die Stadtteile

    11 Auf dem Weg zu einem Leseförderkonzept –Eine Beratungshilfe der MedienberatungNRW

    14 Schlechte Scherze – Cybermobbing in derSchule

    15 Buckower Thesen zur Zukunft der Bildstellenund Medienzentren – Ein aktueller Impuls ausdem Jahr 1997

    16 Schüler-DVD: Medien in Schülerhand18 Ein Bild sagt mehr als 1000 WorteBILD-, FILM- UND TONARCHIV18 Ein wahrer Schicksalsfilm – Zum Kulturfilm

    „Schicksale einer Landschaft“ 21 Westfalen aus der Senkrechten – die

    Bildsammlung Lothar KürtenEIN BILD23 Blick auf Ovenhausen im Kreis Höxter

    INHALT / IMPRESSUMMEDIENPRODUKTION24 Schule unterm Hakenkreuz – Historisches

    Filmdokument macht den Schüleralltag der1930er Jahre lebendig

    25 „Alle Jahre wieder“ – Der münsterscheKultfilm auf DVD

    26 DVD rückt Skulptur Projekte 07 ins Bild27 „Jakobskult in Westfalen“ – CD-Rom begibt

    sich auf die Spuren des Heiligen Jakobus28 Drei Dienststellenbezeichnungen und ein

    „Dauerbrenner“ – Die Wewelsburg 1933 –1945 auf neuem Träger

    29 Comenius-Siegel für Didaktische DVD„Unter deutscher Besatzung“

    30 „Exklusive Sonnenbrillen” – Gesellenprüfungim Fotografenhandwerk

    31 Pressefoto-Training für die LWL-Pressestelle31 Besuch der Fotografen-Berufsschule im

    LWL-Medienzentrum32 „Wilsberg“ im LWL-MedienzentrumAUS DEN WESTFÄLISCHEN MEDIENZENTREN33 Gütersloh: Bildstellenleiter a.D. Gerhard

    Rüter gestorben34 Herford: Mit Medien die eigene Region

    entdecken34 Warendorf: Medienzentrum Kreis Warendorf

    startet mit EDMOND35 Münster: Kinderblick auf die Kunst der

    Erwachsenen – Ein Skulpturreport erklärtKindern moderne Kunst

    TIPPS & TERMINEKONTAKT

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    q Markus KösterKontakt: [email protected]

    Liebe Medienverantwortliche in Westfalen-Lippe,Liebe Freunde des LWL-Medienzentrums für Westfalen,Münster steht in diesem Sommer ganz im Zeichen derKunst. Zum vierten Mal nach 1977, 1987 und 1997 findethier die international renommierte Ausstellung SkulpturProjekte statt. Und selbst aus der Landeshauptstadt Düs-seldorf haben sich Besucher angesagt ... Sicher werdenauch die Kollegen aus dem Medienzentrum Rheinland, dieihren Betriebsausflug in die westfälische Hauptstadt ver-legt haben, mit einer Mischung aus Faszination und Irrita-tion den „ausgegrabenen“ Kirchturm Guillaume Bijls, denStreichelzoo Mike Kelleys und die auf unserem Titelfotoabgebildete sprechende „Blume für Münster“ MarkoLehankas betrachten. Das LWL-Medienzentrum hat die34 Skulpturprojekte der Ausstellung gemeinsam mit demLWL-Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte ineiner umfassenden und exklusiven Filmdokumentationporträtiert, die im August erscheinen wird. Gesa Kok stelltdie Doppel-DVD in diesem Fokus schon einmal vor. Eines der großen pädagogischen Potentiale von Kunstliegt darin, dass Kinder wie Erwachsene mit ihrer Hilfeeigene kreative Fähigkeiten, neue Horizonte und neuePerspektiven entdecken können. Das gilt für die Kunst-gattung Film in ganz besonderem Maße. Der am 30. Juliverstorbene schwedische Regisseur Ingmar Bergman hatdas einmal auf die prägnante Formel gebracht: „Ich weißnämlich, dass wir mit Hilfe des Films in bisher nie gese-hene Welten eindringen können.“ Dieses Wort des Alt-meisters des europäischen Films pointiert einmal mehr dieChancen und die Bedeutung filmisch-kultureller Bildung.Für das LWL-Medienzentrum bildet die Heranführungjunger Menschen an den Film seit vielen Jahrzehnteneinen wichtigen Schwerpunkt seiner Arbeit. Schon in den1950er Jahren hat die damalige Landesbildstelle West-falen unter dem Namen „Westdeutscher Schulfilm“ dasdamals größte Filmbildungsprojekt der Bundesrepublikinitiiert. Jetzt planen das Schulministerium und das LWL-Medienzentrum gemeinsam eine neue Schwerpunktini-tiative, um die Beschäftigung mit Film nachhaltig und flä-chendeckend im Unterricht zu verankern und Nordrhein-Westfalen so zu einem Modell-Land kultureller Filmbil-dung zu machen. Die beiden Eröffnungsbeiträge diesesHeftes zum Themenkreis Filmbildung empfehle ich in die-sem Zusammenhang Ihrer besonderen Aufmerksamkeit.

    Übrigens sind auch mehrere Kunstwerke der skulptur pro-jekte münster 07 Filminszenierungen. Besonders bemer-kenswert ist eine Filmcollage des Künstlerpaares EvaMeyer und Eran Schaerf mit dem Titel „Sie könnte zuihnen gehören“. Die beiden Künstler haben sich im letztenHerbst im LWL-Medienzentrum intensiv über die hierarchivierte Filmüberlieferung der Stadt Münster infor-miert. Insofern kann es nicht überraschen, dass neben demmünsterischen Kultfilm „Alle Jahre wieder“ und einemteilweise im Münster des Zweiten Weltkriegs spielendenUS-amerikanischen Spionagefilm aus dem Jahr 1942(Desperate Journey, Regie: Raoul Walsh – mit RonaldReagan in einer Nebenrolle) auch das 2003 vom LWL-Medienzentrum produzierte Porträt „Zwischen Hoffenund Bangen“ über die jüdische Familie GumprichAufnahme in die „Filmskulptur“ von Meyer und Schaerfgefunden hat.Apropos „Alle Jahre wieder“: Aus Anlass der skulpturprojekte münster 07 hat das LWL-Medienzentrum denKlassiker von Ulrich Schamoni aus dem Jahr 1967 alsDVD-Edition mit einem umfangreichen Begleitheft neuherausgebracht. Wie zeitlos populär die intelligenteMilieusatire ist, lässt sich sowohl an der von einem über-wiegend jungen Publikum bis auf den letzten Platz gefüll-ten Nachtvorstellung am 23. Juni ablesen als auch an derTatsache, dass die ersten 500 DVDs unserer Edition bin-nen weniger Wochen vergriffen waren. Herzlich willkommen heißen können wir in diesen Tageneinige neue Gesichter im LWL-Medienzentrum: JörgWesthoff verstärkt unser Team als pädagogischer Mit-arbeiter der Medienberatung NRW, Katharina Miggeltbeginnt ihre Ausbildung zur Mediengestalterin. Darüberhinaus haben am 1. August auch die beiden Co-Leiterinnen des münsterschen Kompetenzteams UlrikeSchneider-Müller und Ulrike Schmidt-Hölscher ihr Büroim LWL-Medienzentrum bezogen. Allen vieren und natür-lich überhaupt allen nordrhein-westfälischen Kompe-tenzteams wünsche ich einen guten Start in ihr neuesAufgabenfeld!Das Verhältnis von Kompetenzteams und Medienzentrenwird eines der Schwerpunktthemen des diesjährigenNRW-Forums der kommunalen Medienzentren bilden,das vom 22.–24. August in Hilden statt findet. In derHoffnung, möglichst viele von Ihnen dort begrüßen zudürfen, bleibe ich Ihr

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    Wenn im Unterricht das Licht ausgeht Filmbildung als kulturelle Bildung

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    Casablanca – ein Klassiker kehrt zurück auf die Leinwand. Neustart:21. Juni 2007„Mit dem Löschen des Lichts versinkt der Alltag imDunkel, und Einstellung für Einstellung entsteht einekomplette neue Welt. Die Menschen sitzen auf ihrenStühlen, die Motorik stillgelegt. Sie haben Geld gezahltund sich zum Stillhalten verpflichtet. Dafür bekommen siedas Leben in besonderem Glanz und in gesteigerterDramatik. Wie das nächtliche Träumen tauscht das Kinodas alltägliche Leben gegen seine phantastische Ver-wandlungswirklichkeit“. Der das schreibt, ist Psycho-loge: Dirk Blothner bringt die Erlebnisfunktion der Film-rezeption in seinem Buch mit dem Titel „ErlebnisweltKino“ auf den Punkt.Doch Kino ist noch mehr als ein geradezu heilsamerAusbruch aus dem Alltag in die Welt der Fantasie. Es istauch – darauf weist Angelika Hemker in der Festschriftzum 95. Geburtstag des Steinfurter Kinos hin – „ein Ort,der die geistige und kulturelle Entwicklung vieler jungerKinobesucher in entscheidender und positiver Weise“ mitprägt. Gerade für Heranwachsende kann das Kino einFenster öffnen zu einer Welt jenseits der eigenen sozialenund kulturellen Herkunft.Die Faszination der bewegten Bilder nutzt die Schule seitlangem zur Vermittlung von Unterrichtsinhalten, unter-stützt von den Medienzentren, die aktuelle Filme zu zahl-reichen Themen zur Verfügung stellen. Darüber hinauswird in der Schule die Fähigkeit zur Analyse und Kritikgefördert mit dem Ziel, Kindern und Jugendlichen einenkompetenten Umgang mit Medien zu ermöglichen.„Die richtige Antwort auf schlechte Filme ist es, denSchülern andere Orientierungspunkte zu geben...“Dass der Schule auch bei der Vermittlung von Film alsKunst und Kulturgut eine entscheidende Rolle zukommt,

    wurde zuerst im cinéphilen Frankreich erkannt und konse-quent umgesetzt. Im Jahr 2000 arbeitete eine Experten-runde unter dem damaligen Bildungsminister Jack Langan einem Projekt zur Kunst- und Kulturvermittlung in derSchule.Wichtige Impulse gingen dabei von Alain Bergala aus, derals Filmtheoretiker und Filmschaffender schon Jahrezuvor eine von der Schule geweckte und lebenslanggepflegte Liebe zum Film und zum Kino propagierte. DieBegeisterung für den Film als Kunstwerk steht bei ihmnoch vor der Analyse von Konstruktionsprinzipien undWirkungsweisen filmischer Erzählung. Sein Credo:„Wenn es gelingt, mit künstlerisch unstreitig wertvollenFilmen ... wieder etwas zu schaffen, das einem Geschmackähnlich sieht, hat man mehr für den Widerstand gegenschlechte oder gefährliche Filme getan, als wenn manhastig ein paar Instrumente defensiver Kritik zusammen-sucht ... Die beste Antwort auf die Durchschlagskraft desPopcorn-Kinos ist die Begegnung und der ständigeUmgang mit anderen Filmen.“ (vgl. Alain Bergala: Kinoals Kunst – Filmvermittlung an der Schule und anderswo“,Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006.)Dem französischen Vorbild folgend, wird in letzter Zeitdie Vermittlung von Filmkompetenz und die Reflexion derästhetischen Dimension von Film bundes- und europaweitals wichtiges Element des kulturellen Bildungsauftragsvon Schule propagiert. Auch in Nordrhein-Westfalenherrscht Einigkeit über das Ziel, Filmbildung noch stärkerals bisher in den Unterricht der Schulen zu integrieren.Im Dezember 2006 hat die nordrhein-westfälische Landes-regierung die Initiative „Modell-Land Kulturelle BildungNRW“ ausgerufen. Deren wichtigstes Ziel ist es, ein flä-chendeckendes Netzwerk zur Stärkung, Förderung undKoordination der kulturellen Bildung zu schaffen, in demmöglichst alle Partner der kulturellen Bildung vor Ort eng,verlässlich und systematisch zusammenarbeiten. Land undKommunen werden dabei als gleichberechtigte Partnerund Gestalter der kulturellen Bildung betrachtet, beidesollen diese künftig systematisch in einem Gesamtkonzeptihrer Bildungs- und Kulturförderung verankern.Neben dem Kulturstaatssekretariat der Landesregierungund dem Jugendministerium hat sich auch das Minis-terium für Schule und Weiterbildung ausdrücklich dieFörderung kultureller Bildung zur Aufgabe gemacht.Staatssekretär Günter Winands erklärte bei einer Auftakt-tagung in Remscheid: „Kinder und Jugendliche könnenüber die kulturelle Bildung neue Begabungen entdeckenund ihre Persönlichkeit stärken. Eine herausragendeBedeutung kommt dem Unterricht an anderen kulturellenLernorten zu, der Besuch von Theatern, Museen undKonzerten ist gleichwertiger Unterricht in anderer Formund sollte in jeder Schule eine Selbstverständlichkeitsein.“

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    Kinobegegnung der besonderen Art – Peter Lohmeyer mit Schülernim Kino von Marsberg

    Nicht ausdrücklich erwähnt hat Winands den außerschuli-schen Lernort Kino. Trotzdem kann kein Zweifel beste-hen, dass auch die Vermittlung der Fähigkeit, Filme alsKunst zu sehen und zu verstehen, elementar zur kulturel-len Bildung dazugehört. Die Beschäftigung mit Filmweckt, fördert und stärkt die Wahrnehmungsfähigkeit unddie kreativ-produktiven Kräfte von Kindern und Jugend-lichen. Sie ist Persönlichkeitsbildung im besten und um-fassenden Sinne. Mithin ist die Vermittlung der Fähigkeit, Filme als Kunstzu sehen und zu verstehen von ähnlicher Bedeutung wiedie Heranführung von Schülerinnen und Schülern an diebildenden Künste oder an klassische Musik. Das heißt,genauso selbstverständlich, wie wir mit Schülern insMuseum, ins Theater oder ins Konzerthaus gehen, solltenwir sie auch an den Film als Kulturgut und an das Kino alsden Ort filmischen Erlebens heranführen.Filmvermittlung in der Schule – „Nur gucken und dar-über reden?“„Nur gucken“ ist schon mal ein Anfang – denn durch dieKraft seiner Bilder wirkt ein Film immer – auch ohneUnterrichtsgespräch direkt nach dem Abspann. Für die spätere Aufarbeitung des gemeinsamen Film-erlebnisses stehen eine Reihe von Methoden zur Ver-fügung, auch jenseits des klassischen Gesprächs. Zurwirklichen Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk Filmgehört im zweiten Schritt aber auch die Begegnung mitden Menschen, die diese Kunstwerke schaffen, vor undhinter der Kamera. Dass Schülerinnen und Schüler einerKleinstadt im Sauerland mit einem so bekannten Schau-spieler wie Peter Lohmeyer über die Ausgestaltung seinerRolle diskutieren, sollte keine Ausnahme bleiben.Spannend für Kinder und Jugendliche ist auch die Frage,wer was beim Film macht – dass der „Best Boy“ keinKlassenprimus, sondern der Assistent des Oberbeleuchtersist, und dass bei der eigenen Berufswahl auch „Foley-Artist“ (Geräuschemacher) eine Option sein könnte.

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    Komplettiert wird die Filmvermittlung in der Schule durchdie Produktion eigener Filme: Kinder und Jugendliche, dieselbst schon einmal eine einzige Szene zehn Mal gedrehtund zwei Stunden am Schnittplatz verbracht haben, umeine Minute Film fertigzustellen, zollen einem Meister-werk der Filmgeschichte nach dieser Erfahrung mehrRespekt als nach einem noch so engagierten Lehrervor-trag. Da die Filmausrüstungen auch für Laien technischimmer besser und leichter zu bedienen sind, ist derAbstand zu den „Profi-Filmen“ nicht mehr so frustrierendwie bei früheren Schülerproduktionen.Die Einbeziehung von Film in den Unterricht und dieNutzung des Kinos als außerschulischer Lernort setzt abervoraus, dass Lehrkräfte ganzjährig und unkompliziert aufgeeignete Unterrichtsmaterialien, Kontaktadressen undSchulkinoprojekte zugreifen können und kompetent bera-ten und fortgebildet werden.In diesem Zusammenhang wachsen sowohl den Medien-zentren als auch den Kompetenzteams wichtige Aufgabenzu. Deshalb führen Land und LandschaftsverbandWestfalen-Lippe zur Zeit Gespräche mit dem Ziel, die lan-desweiten und ortsnahen Unterstützungsstrukturen vonschulischer Filmbildung zu stärken und Nordrhein-Westfalen so zu einem Modell-Land filmkultureller Bil-dung zu machen. Über den Fortgang dieser Gesprächewerden wir weiter berichten.

    q Marlies Baak-Witjes / Markus Köster Kontakt: [email protected]

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    Das Kino – nicht nur außerschulischer Lernort, sondern der Ort des filmischen Erlebens

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    Der folgende Aufsatz wird in der Dokumentation desBundeskongresses der Kommunalen Kinos erscheinen, dervom 11. – 13. Mai 2007 in Stuttgart zum Thema „Kino-kompetenz. 24x Bildung pro Sekunde“ stattfand.Der Autor Ernst Schreckenberg genehmigte freundlicher-weise einen Vorabdruck.

    „Jenseits der Literaturverfilmung“Ein Erfahrungsbericht aus der Lehrerfortbildung

    Stichwort Literaturverfilmung Film in der Schule, Film als Unterrichtsthema: Das friste-te lange Zeit ein eher kümmerliches Dasein als Anhängseldes Literaturunterrichts in den philologischen Fächern,wenn im Zuge der gerade behandelten Lektüre die ent-sprechende Verfilmung hinzugezogen wurde. DieVideokassette und dann auch die DVD ermöglichten inrelativ unaufwändiger Form das Sehen von Filmen, dasvorher einen gemeinsamen Kinobesuch erfordert hätte.Und so kommt es, dass unzählige Schüler in den Genussvon Viscontis „Tod in Venedig“ oder Fassbinders „EffiBriest“ gekommen sind – um nur die bei Lehrern belieb-testen Literaturverfilmungen zu nennen. Der Vergleichzwischen einem renommierten literarischen Text und sei-ner nicht minder renommierten Verfilmung mag durchaussinnvoll sein, ist aber für die analytische Befassung miteinem Film von untergeordneter Bedeutung. In derUnterrichtspraxis führt das dazu, dass philologischgeschulte Lehrer gar nicht anders können, als die an derLiteratur entwickelten Methoden der Interpretation auchauf die Verfilmungen anzuwenden. Letztere werden danndaran gemessen, inwieweit sie die Dimensionen der litera-rischen Vorlage umsetzen oder ausschöpfen. Unter einersolchen Perspektive läuft alles auf die Frage der Werktreueoder der gelungenen filmischen Umsetzung hinaus.Andere Perspektiven auf den Film, die gar nichts mit sei-nem Status als Verfilmung einer literarischen Vorlage zutun haben, kommen so gar nicht erst in Betracht.

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    Szene aus „Effi Briest“, Regie Wolfgang Luderer, DDR 1968-70

    Schritte zur Professionalisierung Dazu bedürfte es allerdings auch eines analytischenInstrumentariums, über das kaum ein Lehrer, kaum eineLehrerin verfügt. Die Lehrerausbildung ist hier wenig hilf-reich, und autodidaktische Annäherungen an Filmanalysescheitern oft daran, dass die vorliegende Literatur dazusich wenig für die spezifischen Belange des Unterrichtseignet – zumindest was deutsche Veröffentlichungenbetrifft. Es mangelt an allen Ecken und Enden anKompetenz. Die Lehrer sind die letzten, die das nichtzugeben würden. Seit in einigen Bundesländern in denLehrplänen für die Sekundarstufe 2 nun Filmanalyse ver-bindlich gemacht worden ist (ausdrücklich nicht nur alsLiteraturverfilmung), wird von ihnen erwartet, diesesDefizit durch Fortbildung abzubauen. Wer soll das leisten?

    Eine Antwort darauf ist ein Projekt in Sachen filmischerFortbildung für Lehrer gewesen, das vom Kino derVolkshochschule Dortmund und vom Medienzentrum derStadt über viele Jahre hinweg mit großem Engagementund viel persönlichem Einsatz betrieben wurde. Als Leiterdes Kinos und des Medienbereichs der Volkshochschulehabe ich gemeinsam mit Marlies Baak-Witjes vomStädtischen Medienzentrum und später mit ihrer Nachfol-gerin Mechthild Becker seit 1998 etwa 35 Lehrerfortbil-dungen auf die Beine gestellt. Während ich den inhalt-lichen Part übernommen habe, waren sie für den wichtigenorganisatorischen Part verantwortlich: Kontakte mitLehrern und Schulen aufzubauen, die Finanzierung sicher-zustellen und die Seminare als Lehrerfortbildung von derSchulbehörde anerkennen zu lassen. Es war Teamwork imbesten Sinne des Wortes. Die retrospektive Schilderunghat damit zu tun, dass mit meinem Ausscheiden aus demaktiven Dienst bei der Volkshochschule das Projekt in derim folgenden beschriebenen Form erst einmal beendet ist.

    Nach einer gewissen Anlaufphase hatten wir des öfterenmehr als 30 Lehrer und Lehrerinnen in den Veranstaltun-gen – wobei die Lehrerinnen in der Mehrzahl waren. Sehrbald wurden wir ein anerkanntes „Kompetenzzentrum“ fürLehrerfortbildung in Sachen Film in Dortmund und Um-gebung. Die jeweils vierstündigen Seminare im Kinoraumder VHS begannen zu der auf den ersten Blick etwas merk-würdigen Zeit um 12.00 Uhr mittags. Der Grund dafür war,dass die teilnehmenden Lehrer nahtlos vom Unterricht indie Fortbildung wechseln konnten und dafür in der Regelauch die letzte(n) Unterrichtsstunde(n) freibekamen. Aller-dings ließ sich diese Regelung in den beiden letzten Jahrennicht mehr aufrechterhalten, da die Schulleitungen sich sehrviel restriktiver bei der Freistellung vom Unterricht zuZwecken der Fortbildung verhalten haben. Das hatte dannzur Folge, dass wir um erst um 14.00 Uhr begannen undeine Reihe von Lehrern nicht mehr erschien. Insgesamt aberwar der Zuspruch so groß, wie wir es zu Beginn kaumerwartet bzw. erhofft hatten.

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    Von vornherein war es die erklärte und vor jederFortbildung dezidiert formulierte Absicht, keine fertigenUnterrichtsmodelle zu liefern, sondern ein filmanalytischesInstrumentarium bereitzustellen, das für Unterrichtszweckenutzbar gemacht werden kann. Dazu konnte ich auf meinelangjährigen Erfahrungen mit filmanalytischen Vorträgenzurückgreifen, die ich inhaltlich und methodisch in dieseArbeit einbrachte. Schon im Vorfeld des Projekts hatte esseit Beginn der neunziger Jahre immer wieder einzelneFortbildungsveranstaltungen in Zusammenarbeit mit demStädtischen Medienzentrum (damals noch als „Stadtbild-stelle“ firmierend) gegeben, deren Erfolg uns ermunterte,dem Ganzen eine systematische und vor allem aufKontinuität abzielende Form zu geben. Die spezifischePräsentationsform der etwa im Rhythmus von zweiMonaten durchgeführten Veranstaltungen, die für alleBeteiligten das inhaltliche Profil und den sinnlichen Reizdieses medienpädagogischen Projekts ausmachten, war derabgestimmte Wechsel zwischen Zeigen (Filmausschnitte inGroßbildprojektion) und einem Kommentieren, das auchetwas von der Faszination des gerade Gebotenen auf derLeinwand in die Analyse einbringen wollte. Mein pädago-gisches Rollenverständnis war in gewisser Weise das einesKinoerzählers aus Stummfilmzeiten, der damals Teil der„performance“ eines Films war. Das erfordert vom Präsen-tator eine intensive Vorbereitung bei der Zusammenstellungder Ausschnitte und große Konzentration während desAblaufs – nicht nur von ihm, sondern auch von denTeilnehmern. Film gegen PC Angesichts der bundesweiten Aktivitäten im Rahmen vonKino und Schule-Projekten, die seit einigen Jahren demKino von Seiten der Schule einen vorher kaum vorhande-nen Stellenwert einräumen, war das schulische Umfeld fürdas Projekt in Dortmund 1998 alles andere als günstig. Angesagt war damals, zur Blütezeit der „new economy“,die flächendeckende Ausstattung der Schulen mitComputern, von denen für den Unterricht sozusagen daspädagogische Heil erwartet wurde – zumindest von Seitender Schulpolitik. Medienpädagogische Aktivitäten, beidenen der PC nicht eine tragende Rolle spielte, waren„out“. Das Dortmunder Projekt hat im DortmunderUmfeld auch ein bisschen dazu beigetragen, durch seineKontinuität und seinem Beharren auf einem scheinbar alt-modischen Begriff von Medienpädagogik einen Quali-tätsstandard zu etablieren. Die Reaktionen der beteiligtenLehrer, die in vielen Fällen regelmäßig teilgenommenhaben, waren eindeutig: Mit dieser Art der Filmbildungkönnen wir nicht nur in der Schule etwas anfangen, son-dern sie stellt auch für uns selbst eine Bereicherung dar.Letzteres macht auch deutlich, dass die Themen undVermittlungsformen der Fortbildungen von allgemeinemInteresse waren, über den eigentlichen Vermittlungs-zusammenhang Lehrerfortbildung hinausreichten.

    Filmthemen Die breite Palette der filmischen Themen, die in neunJahren angeboten wurden, lässt sich fünf Bereichen zuord-nen: Am häufigsten ging es um filmstilistische und film-dramaturgische Mittel, um den manchmal in die (film-strukturalistische) Irre führenden Begriff der Filmsprachezu vermeiden. Das war der eigentliche Kern des Projekts.In diesen Zusammenhang gehört als zweiter Bereich einevierteilige Fortbildung zum Thema „Filmisches Erzählenund Wahrnehmungswandel“, bei der es vor allem um denEinfluss des Hollyoodkinos auf das filmische Erzählenseit den siebziger Jahren ging. Stichwort ist hier:Blockbuster. Im dritten Bereich, in dem jeweils ein einzel-ner Film näher untersucht wurde, ging es deshalb auch umdas erfolgreiche Mainstreamkino aus Hollywood, dasSchülern vertrauter als ihren Lehrern ist. Vom „Club dertoten Dichter“ über „Titanic“ und „Harry Potter“ bis zum„Gladiator“ spannte sich hier der Bogen der Einzelfilm-analysen. Aus den verschiedensten Anlässen standen aberauch immer wieder Filme jenseits des Mainstreamkinosim Mittelpunkt der Analyse, so „Der Wolfsjunge“ vonTruffaut, der „Pianist“ von Polanski, „Eyes Wide Shut“von Kubrick oder „Solino“ von Fatih Akin. Ein vierterBereich, der viel mit meiner weiteren Tätigkeit imRahmen der Politischen Bildung an der Volkshochschulezu tun hatte, war die Auseinandersetzung mit Filmen zumNationalsozialismus – zuletzt anlässlich der Wehrmachts-ausstellung 2004 in Dortmund. Insgesamt dreimal in die-sen neun Jahren gab es dazu sehr gut besuchte Fortbil-dungen. Ein fünfter Bereich hatte viel mit Dortmund unddem Ruhrgebiet zu tun: Es ging um das Ruhrgebiet alsSchauplatz und Thema in den unterschiedlichsten filmi-schen Genres – ein sehr lokalspezifischer Schwerpunkt. Crashkurs: Filmdramaturgie kompakt Auf der Grundlage vieler filmanalytischer Vorträge undSeminare seit Mitte der achtziger Jahre an Volkshoch-schulen, Schulen und Weiterbildungsinstitutionen, aberauch in Kommunalen Kinos habe ich im Rahmen desProjekts dann eine Präsentationsform entwickelt, die ich„Crashkurs Filmdramaturgie“ genannt habe. Der Begriffdes Crashkurs meint, dass hier in sehr kurzer Zeit und insehr konzentrierter Form ein Wissen erworben werdenkann, für das man eigentlich mehr Zeit benötigen würde.Der Crashkurs ist in einer Normalversion auf sechsStunden und in einer erweiterten Fassung auf neunStunden angelegt, alles mit entsprechenden Pausen. DerBegriff „Filmdramaturgie“ ist statt „Filmanalyse“ ge-wählt, weil der rote Faden des Crashkurses die Wirkungfilmischer Mittel im Sinne der Wahrnehmungssteuerungund emotionalen Beeinflussung des Zuschauers ist.Vier Einheiten strukturieren den Kurs: Die sogenanntenfilmischen „basics“ Licht, Ton und Schnitt und die Einheit„Rausch“. Anschaulich gemacht und erläutert wird das an

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    Beispielen aus Mainstreamfilmen und Autorenfilmen (dassind eher Etiketten als analytische Begriffe), die in derRegel dem Zeitraum seit den sechziger Jahren entstam-men. Die Spannbreite reicht hier von Kubrick bisTarkowskij, von Fassbinder bis Spielberg. Ein wenigerinhaltliches als pragmatisches Auswahlkriterium war dieleichte Verfügbarkeit der Filme, aus denen Ausschnittegezeigt werden. Verfügbarkeit meint, dass die meistenFilme auf Video oder DVD vorliegen. Insgesamt umfasstdie sechsstündige Normalversion etwa vierzig Filmaus-schnitte. Der Crashkurs war von vornherein als prinzipiellnie abgeschlossenes „work in progress“ angelegt, was zurFolge hat, dass aus vielerlei Gründen Ausschnitte wegge-fallen, neue hinzugekommen sind. Insofern ist die im fol-gende Vorstellung, die ein anschauliches Bild vermittelnsoll, auch nur eine Momentaufnahme.Licht und TonFür jede Einheit gibt es Leitbegriffe, nach denen das Ma-terial strukturiert ist. Im Falle von Licht sind das „sourcelighting“ als dramaturgische Integration der Lichtquelleins Filmgeschehen sowie die Gegensätze hell vs. dunkel(high key / low key) und künstliches Licht (elektrischesLicht) vs. natürliches Licht (Sonne, Feuer etc.). Kompaktist all das in zwei Szenen enthalten: In der Schlussszenevon Spielbergs „E.T.“ und in der sogenannten „Bunny“-Sequenz in Coppolas „Apocalypse Now“: Source lightingdurch Scheinwerfer, dramatische Hell/Dunkel-Kontraste,künstliches vs. natürliches Licht (Scheinwerfer desRaumschiffs vs. Morgenröte bei Spielberg, Scheinwerferdes Hubschraubers und Flutlicht vs. Tagesdämmerung beiCoppola). Das Wirkungspotential beider Szenen istdadurch aber nicht hinreichend beschrieben: Die jeweiligunterlegte Musik spielt eine entscheidende Rolle für dieemotionale Wirkung. Das ist ein kalkulierter Vorverweis auf die Einheit „Ton“,bei der es weniger um Modelle von Filmmusik als um dendramaturgischen Status der Tonquelle (Leitbegriff beiTon) geht: Die Musik von John Williams ist klassischeFilmmusik aus dem Off, während die Beschallung dernächtlichen Lichtbühne mit Rockmusik bei Coppola akus-tischer Bestandteil der Szenerie ist. Kreativer Umgang mit

    Ton liegt zwischen diesen beiden Polen, vor allem in derEinbeziehung des Tons außerhalb des sichtbaren Bildes.Anschaulich wird das bei dem mit elf Minuten längstenAusschnitt des Kurses: Es geht um die eindrucksvolleOrchestrierung von Geräuschen in der Eröffnungssequenzvon „Spiel mir das Lied vom Tod“, mit dem Quietschendes Windrades als Führungston, als akustischem Leit-faden.Orientierung durch Schnitt Das dauernde Vor- und Zurückverweisen soll deutlichmachen, dass Filme auf sehr vielen visuellen und akusti-schen Ebenen gleichzeitig operieren und das als „geballteLadung“ auf den Zuschauer bzw. Zuhörer einstürmt. Nichtzufällig trägt der kleine Junge in der „E.T“-Szene einenleuchtend roten Pullover, und die Abschiedsszene zwi-schen ihm und dem knuddeligen Alien wird in klassischeSchuss/Gegenschuss-Großaufnahmen aufgelöst – womitwir beim Schnitt wären. Leitbegriff ist hier das „continui-ty editing“ oder der unsichtbare Schnitt, wie er in den drei-ßiger Jahren in Hollywood entwickelt wurde und bis heuteeine ästhetische Norm geblieben ist. Selbst dort, wo in denletzten zwanzig Jahren die Schnittgeschwindigkeit rasantzugenommen hat, gilt das nur für herausgehobeneAktionssequenzen, nicht für den ganzen Film. Die ersteKampfszene in der römischen Arena in Ridley Scotts„Gladiator“ ist ein sehr elaboriertes Beispiel dafür, dasssolche Schnittorgien den Zuschauer lustvoll desorientierensollen, während die wichtigste Aufgabe des „continuityediting“ die unauffällige Orientierung des Zuschauers imfilmischen Raum ist.

    Franka Potente und Moritz Bleibtreu in „Lola rennt“, Regie: TomTykwer, 1998

    Rausch und Filmerlebnis Plakativer im Sinne auftrumpfender filmischer Mittelgeht’s nicht mehr, wenn im „Club der toten Dichter“ in derSchlüsselszene des Films die Schüler ihren Lehrer RobinWilliams beim Fußballspiel vor Begeisterung auf Händentragen, ihn symbolisch erhöhen, in leuchtend rote Trikots

    Szene aus „Apocalypse Now“, Regie: Francis Ford Coppola, 1979 Foto

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    gekleidet, während zur glutrot untergehenden SonneBeethovens „Hymne an die Freude“ ertönt. Oder wenn inCoppolas „Apocalypse Now“ die Hubschrauber zu denKlängen des Walkürenritts aus der „Götterdämmerung“wie in einem orgiastischen Rausch ihre Raketen auf einvietnamesisches Dorf abfeuern. Oder wenn Lola, getrie-ben vom stampfenden Rhythmus der Musik, gegen dieUhr durch Berlin rennt. „Lola rennt“ ist als Film eine drei-fach variierte Rauschszene. Rauschszenen (wozu auch die oben angeführte Szene aus„Gladiator“ oder die „E.T.“-Szene gehören) sind das, wasdie Arien in der Oper sind: Gesungene Höhepunkte derLeidenschaft. Im Kino setzen die „Rausch“-Arien auftotale emotionale Überwältigung, ziehen alle Register derplakativen Effekte, um die Protagonisten und mit ihnendie Zuschauer in einen ekstatischen Zustand zu versetzen.Nicht fehlen darf hier der Hinweis, dass seit LeniRiefenstahls rauschhafter Inszenierung des Führers in„Triumph des Willens“ der filmische Rausch im deutschenKino ästhetisch und moralisch diskreditiert ist.Gerade die Rausch-Einheit ist wichtig, weil sie auf ein ent-scheidendes Defizit fast aller mir bekannten Einführungenin Filmsprache und Filmdramaturgie für Schule undUniversität verweist: Das sich in solchen und anderenSzenen verdichtende emotionale Filmerlebnis, das für dieSchüler den eigentlichen Zugang zum Medium bedeutet,wird nicht als Einstieg in eine analytische Beschäftigunggenutzt. Um es polemisch zu formulieren: Das beliebteKlassifizieren nach Einstellungsgrößen ist reine Fliegen-beinzählerei. Professionalisierung der Lehrer heißt auch,ihnen die Berührungsscheu vor solchen Filmen zu neh-men, mit denen ihre Schüler Filmerlebnisse verbinden.Wenn man das Pferd medienpädagogisch so aufzäumt,kann man ihnen irgendwann auch vermitteln, was für eine„filmische“ Literaturverfilmung Fassbinders „Effi Briest“ist, gerade im Verzicht auf rauschhafte Effekte. Mit höchstkalkuliert eingesetzten filmischen Mitteln, vor allem imBereich der Bildstruktur („interior framing“), zeigtFassbinder die Unterdrückung von Emotionen und derenFolgen für die Protagonistin – was im übrigen auch eingroßes Thema des Kinos ist. Lehrerfortbildung in SachenFilm: Das ist, um den alten Briest zu zitieren, „ein weitesFeld“, von dem wir hier in Dortmund aber schon ein klei-nes Stück beackert haben.

    q Ernst Schreckenberg, ehemaliger Leiter des ProgrammbereichsPolitik, Kultur, Medien der VHS Dortmund

    Kontakt: [email protected]

    „Film ab“ hieß es am 14. März im LWL-Medienzentrum. 21neugierige Filmemacher reisten für einen eintägigen Trick-boxx-Workshop aus Hattingen an. Die Klasse 4b derGrundschule Bruchfeld hatte den Besuch beim Wettbewerb„Treffpunkt Bibliothek“ der Landesinitiative „Bildungspart-ner NRW – Bibliothek und Schule“ gewonnen.Die 9- bis 10-jährigen Gewinner staunten nicht schlecht,als sie hörten, dass sie im Laufe des Tages eigene Trick-filme produzieren würden. „Kommen wir dann auch insFernsehen?“ fragten die Kinder und hätten am liebstendirekt losgelegt. Doch zuvor wurden die Kinder in dieGeheimnisse des Trickfilm-Drehs eingeweiht. PetraRaschke-Otto machte deutlich, wie lange es dauert einenTrickfilm zu produzieren. An dem Kinofilm „FindetNemo“ wurde beispielsweise zwei Jahre lang gearbeitetund nicht etwa, wie ein Kind sagte: „Zehn Stunden“. In drei Gruppen mit jeweils sieben Kindern sollten ver-schiedene Trickfilme entstehen. Nach einem kleinenProbedreh, in dem ein Gespenster-, Schnecken- undAutorennen entstand, waren die Schüler und Schülerinnenbereit für einen größeren Film. Zunächst musste ein klei-nes Drehbuch geschrieben werden. Filmarbeit ist in ersterLinie Teamwork. Das lernten die Kinder schnell und teil-ten sich die Arbeit auf. Einige bastelten fleißig dieKulissen, andere kümmerten sich um die Technik – lang-weilig wurde es nicht. Am Ende des Tages warteten die stolzen Filmemachergespannt auf die Reaktionen und die Ergebnisse der ande-ren Gruppen, als sie ihre Produktionen vorstellten. Diekreativen Trickfilmproduktionen konnten sich sehen las-sen. „Was ihr in so kurzer Zeit auf die Beine gestellt habt,ist schon allerhand“, lobten Susanne Lindemann undChristine Tovar, die die Trickfilme mitbetreut hatten.

    q Robert GückerKontakt: [email protected]

    Ein ganzer Tag für 30 SekundenEmpfang der Gewinner des Wettbewerbs

    „Treffpunkt Bibliothek“ im LWL-Medienzentrum

    Spannende Teamarbeit mit der Trickboxx Foto

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    Jahrestagung des BJFFilmbegeisterte Spinxx-Reporter fuhren

    nach Wiesbaden

    Seit mehreren Jahren treffen sich in NRW in zahlreichenStädten Redaktionsgruppen mit filmbegeisterten Kindernund Jugendlichen, um auf www.spinxx.de ihre Sichtweisenund Einschätzungen zur aktuellen Filmlandschaft zu ver-öffentlichen. Die Münsteraner Gruppe tagt regelmäßig imLWL-Medienzentrum. Im April waren einige Vertreter derjungen Filmkritiker zur Jahrestagung des BJF, desBundesverbandes für Jugend und Film unter dem Titel:„Jugend, Film, Kultur: Filme drehen – Filme sehen“ nachWiesbaden eingeladen. Hier haben sie in den Diskussions-runden, Workshops und Filmpräsentationen auf vielfältigeArt und Weise ihre Meinung zu dem Thema mitgeteilt. Jan(14 Jahre) aus der Münsteraner Redaktion hat dieGeschehnisse in Form einer kleinen Reportage zusam-mengefasst.

    Vom 20. bis zum 22. April 2007 sind wir – Leonie, Petraund Jan aus Münster, Dominique und Ricarda aus Gelsen-kirchen und Jasmin, Mirjam und Ines aus Düsseldorf – zurTagung des BJF (Bundesverband für Jugend und Film) inWiesbaden gefahren. Nachdem wir viereinhalb Stundenvon Münster über Gelsenkirchen und Düsseldorf bis nachWiesbaden gefahren sind, wurden wir erst mal freundlichbegrüßt. Dadurch, dass wir um 17.30 Uhr erst ankamen,konnten wir unsere Zimmer beziehen und dann direkt zuAbend essen. Danach gab es eine Präsentation zum Thema„Was macht einen besonderen Jugendfilm aus?“Allerdings fand ich den zweistündigen Vortrag definitiv zulang. Das Thema hätte man auch kürzer abhandeln kön-nen, da wir es sowieso in den verschiedenen Workshopsweiter vertieft haben. Darüber hinaus ist in derPräsentation die „angebliche Sichtweise“ von Jugend-

    lichen sehr klischeehaft ausgefallen. Nach dem Vortragkonnten wir einen Film gucken. Der Film „Station 4“behandelt die Problematik von krebskranken Jungen, diezur Behandlung im Krankenhaus liegen. Trotz der ernstenThematik war er sehr lustig. Damit klang der Freitag aus. Am Samstag konnten wir uns für drei verschiedeneWorkshops anmelden. Der erste behandelte das Thema:„Ich mache einen Kurzfilm“. Der zweite ging über „Filmedrehen mit Jugendgruppen“, was allerdings nichts für unsSpinxxer war. Der dritte Workshop, in dem auch ich war,ging über das Thema: „Filme sehen und verstehen“.Dieses Thema wurde am Beispiel „Knallhart“ behandelt.Zuerst haben wir den Film angeguckt und danach zueinem kleinen Teil analysiert. Das war auf jeden Fall vielspannender als Analysen in der Schule.Nach dem Mittagessen gab es einen weiteren Film zusehen. Um 13.30 Uhr hatten wir zwischen „Whole Train“und „Junge Filme“ die Wahl. Dann um 16.00 Uhr durftenwir zwischen „Sonja“ und dem zweiten Teil von „JungeFilme“ wählen. Um 19.00 Uhr gab es wieder einePodiumsdiskussion über das Thema „Kinofilme oderInternet- und Handymovie“. Hier habe ich als Vertreter derSpinxxer versucht zu beschreiben, was wir unter einemguten Film verstehen. Das war gar nicht so leicht…Um 21.00 Uhr gab es den Film „Napoleon Dynamite“ zusehen. Im Anschluss an den Film gab es in der Aula eineParty, wo auch drei Rapper aufgetreten sind. Am nächstenMorgen mussten wir leider schon um 9.30 Uhr mit dem Taxizum Bahnhof. Um 15.30 Uhr waren Leonie, Petra und ichdann wieder in Münster. Fazit: Die Tagung in Wiesbaden wartotal super! Ich würde so was gerne noch mal machen.Allerdings muss ich schon sagen, es waren doch zu vieleFilme, die wir geguckt haben.

    q Jan Albers (Redakteur Spinxx Münster) und Petra Raschke-Otto (Redaktionsleiterin Spinxx Münster)

    Kontakt: [email protected]

    Detlev Bucks Verfilmung des Jugendromans „Knallhart“, 2006, vonGregor Tessnow thematisiert authentisch und ungeschönt die Problemein sozial schwachen Gebieten der Großstadt.

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    Der Film „Station 4“ von Antonio Mercero, Spanien 2004, erzählt miteiner Mischung aus Humor, viel Gefühl und dramatischen Elementen dieErfahrungen von Jugendlichen in einem Krankenhaus.

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    In diesem Jahr geht das KinderFilmFest Münster in die 25.Runde und die Planungen laufen bereits auf Hochtouren.Der Termin steht fest: In der zweiten Herbstferienwoche,vom 30. September bis zum 7. Oktober 2007, findet diebei Kindern und ihren Eltern gleichermaßen beliebteVeranstaltung wieder statt. Hauptveranstaltungsort istauch in diesem Jahr das Schloßtheater im Kreuzviertel undweiterhin werden Film- und Theatervorstellungen imBegegnungszentrum Meerwiese in Coerde gezeigt. Neu ist die erstmalige Teilnahme von fünf weiteren Jugend-einrichtungen: Das Wuddi in Kinderhaus, das FachwerkGievenbeck, das La Vie – Treffpunkt Gievenbeck, dasStadtteilhaus Lorenz-Süd in Berg Fidel und das 37 Grad:Begegnungshaus Hiltrup sind in diesem Jahr erstmals mitvon der Partie und bieten jeweils eine Kinderkinovorstellungmit der bewährten Mischung aus Film plus Begleitpro-gramm. Zusätzlich ist eine Kinotour als Sternfahrt aus denStadtteilen ins Schloßtheater in Planung. Bereits in denSommerferien soll eine Wunschfilm-Aktion die kleinenMünsteraner Filmfans in die Programmplanung einbezie-hen und neben einigen Überraschungen, die jetzt nochnicht verraten werden, bildet eine große Jubiläums-Kinonacht für Kinder ein Highlight. Ein Programmheftmit einer Übersicht über alle Veranstaltungen, das auch anden Schulen verteilt wird, soll bald nach den Sommer-ferien erscheinen.Zur Eröffnungsveranstaltung werden wieder wie in jedemJahr zahlreiche Filmstars ins Schloßtheater spazieren: ent-sprechend verkleidete Kinder erhalten traditionell freienEintritt. Die Veranstalter hoffen, im Jubiläumsjahr darüberhinaus aber auch zahlreiche Darsteller oder Filmemacherzur Präsentation ihrer Filme nach Münster einladen zukönnen. Dank der kontinuierlichen Unterstützung derStadtwerke Münster kann auch im laufenden Jahr wiedereine Kinderjury den besten Film mit dem undotierten„StadtBus Filmpreis JULE“ ehren und der Kinobus vordem Schloßtheater bietet kleinen Filmemachern dieGelegenheit, eigene Trickfilme herzustellen.Zum Jubiläumsjahr können sich die kleinen und großenKinobesucher auf viel Altbewährtes und einige spannendeNeuerungen freuen. Ebenfalls bewährt hat sich die Ver-anstaltergemeinschaft, die das Jubiläums-KinderFilmFestgemeinsam ausrichtet: das Amt für Kinder, Jugendlicheund Familien der Stadt Münster, das LWL-Medienzentrumfür Westfalen, die Stadtbildstelle Münster, der FachbereichSozialwesen der Fachhochschule Münster, das Begeg-nungszentrum Meerwiese und die Münsterschen Filmthea-ter-Betriebe mit dem Schloßtheater.

    q Robert GückerKontakt: [email protected]

    25. KinderFilmFest MünsterZum Jubiläum wächst das Fest weiter in die Stadtteile

    Auf dem Weg zu einem LeseförderkonzepEine Beratungshilfe der Medienberatung NRW

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    Lesekompetenz ist eine Schlüsselqualifikation, die unter-schiedliche Fähigkeiten, Kenntnisse und Strategien zumErschließen von Inhalten bündelt. Fehlt sie, werden alleLernprozesse gebremst, wenn nicht gar unmöglich ge-macht. Kinder und Jugendliche, die nicht richtig lesenkönnen, werden zunehmend von der gesellschaftlichenTeilhabe ausgeschlossen. Im Qualitätstableau zur Quali-tätsanalyse an Schulen in NRW ist festgelegt: Jede Schulemuss ein Konzept zur Leseförderung entwickeln und ver-wirklichen. Welche Schritte kann eine Schule aber tun, umdiese Forderung zu erfüllen?Was versteht PISA unter Lesekompetenz?„Lesekompetenz“ ist mehr als einfach nur lesen zu kön-nen. Unter Lesekompetenz versteht PISA „die Fähigkeit,geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aus-sagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu ver-stehen und in einen größeren Zusammenhang einordnenzu können, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschie-dene Zwecke sachgerecht zu nutzen.“ Lesekompetenz in Bezug zu Lern- und Medienkompe-tenzIm Zusammenhang mit einer allgemeinen Lern- undMedienkompetenz kommt der Lesekompetenz ein beson-derer Stellenwert zu. Das Lesen-Können öffnet die Tür fürviele Bereiche des Lernens, sei es das Verstehen einerTextaufgabe im Mathematikunterricht oder die Entschlüs-selung einer Hypertext-Struktur zur Vorbereitung auf eineThemenarbeit in Geschichte. Fünf Lerntätigkeiten, die dieSchüleraktivität in den Mittelpunkt des Unterrichts stellen,haben auch für den Erwerb von Lesekompetenz grundle-gende Bedeutung:w strukturieren

    „Ich verschaffe mir einen Überblick über den zu lesen-den Text und meine damit verbundene Fragestellung.“

    w recherchieren„Ich entnehme Informationen aus unterschiedlichenTexten, vom Sachbuch über das Lexikon bis zumHypertext.“

    w kooperieren„Ich tausche mich mit meinen Mitschülern über ihrTextverständnis aus.“

    w produzieren„Ich setze mich kreativ mit Texten auseinander, setzesie in andere Medienformate um und schreibe auchselbst.“

    w präsentieren„Ich lese vor oder präsentiere meine Ergebnisse imInternet.“

    Wenn diese Lerntätigkeiten, so oft wie möglich, bei derUnterrichtsplanung berücksichtigt werden, wird beglei-

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    tend zum fachlichen Lernen eine kontinuierliche Weiter-entwicklung der Lesekompetenz erreicht, die wiederumandere Lernprozesse unterstützt. Thema für alle SchulformenWenn man früher davon ausging, dass der Prozess desLesen-Lernens am Ende der Grundschulzeit weitestge-hend abgeschlossen ist und in der Sekundarstufe durchLiteraturunterricht abgelöst werden kann, so zeigen heut-zutage Untersuchungen, dass Schülerinnen und Schülerauch in höheren Klassen und an unterschiedlichen Schul-formen in diesem Bereich Förderbedarf haben:w Schülerinnen und Schüler der Hauptschule haben oft

    nur Basiskompetenzen erworben, die der Erweiterungbedürfen.

    w Schülerinnen und Schüler der gesamten SekundarstufeI und auch an berufsbildenden Schulen weisen Verste-hensschwierigkeiten, insbesondere bei Fachtexten auf.

    w gute und motivierte Leser und Leserinnen könnendurch Unterstützung bei der Auswahl geeigneter Lite-ratur weiter gefördert werden.

    w Kinder und Jugendliche mit Migrationhintergrund habenbesondere Probleme bedingt durch Interferenzen mit derMuttersprache, einen unstrukturierten Spracherwerbs-prozess und mangelnde Unterstützung aus der Familie.

    w Jungen schneiden bei allen Tests deutlich schlechter abals Mädchen und benötigen demzufolge speziell auf siezugeschnittene Konzepte.

    Benötigt wird also eine Leseförderung, die sowohl aufSchulformen abgestimmt ist, als auch die Voraussetzungender Schülerinnen und Schüler berücksichtigt und einemethodische Vielfalt enthält. Thema für alle FächerDie Leseförderung wurde und wird in der Regel als urei-genste Aufgabe des Deutschunterrichts angesehen. Dieunzureichenden Ergebnisse im Bereich der Lesekompetenzfordern aber eine Übernahme der Verantwortung für dieVermittlung dieser Basiskompetenz von allen Fächern bzw.Fachbereichen. Aufgabe aller Fachkonferenzen muss esdaher sein, das Thema Leseförderung ausdrücklich mit aufdie Agenda zu nehmen und verbindlich festzulegen, an wel-cher Stelle sich welches Fach sinnvoll einbringen kann. Bei der Entwicklung eines umfassenden Leseförderkon-zepts sollten in verschiedenen Gremien parallel Vorberei-tungsarbeiten geleistet werden. Die Schulleitung über-nimmt die Koordination, bei großen Schulen bietet es sichan, unterstützend eine Koordinierungsgruppe einzurich-ten, die die Beiträge bündelt und in ein Gesamtkonzeptüberführt, das wiederum von der Schulkonferenz verab-schiedet wird.Die Fachkonferenz Deutsch hat dabei eine leitendeFunktion mit mehreren Aufgabenbereichen. Sie ist zustän-dig für eine Bestandsaufnahme zur bisherigen Lesekultur an

    der Schule, für die Feststellung der individuellen Lernstän-de und für Förderkonzepte, die auf die unterschiedlichenAusgangslagen abgestimmt sind. Die anderen Fachkonfe-renzen, pädagogischen Fachkräfte, zum Beispiel Sozialpä-dagogen und Betreuerinnen im Ganztag, Schüler und Elternund ggf. Kooperationspartner aus Bibliotheken sollten mitihren Kompetenzen, Erfahrungen und Wünschen in dieKonzeptentwicklung einbezogen werden. Ein verabschie-detes Gesamtkonzept wird nach Beschluss durch dieSchulkonferenz ein Schuljahr lang durchgeführt. In deranschließenden Evaluationsphase sollten die Bausteineüberprüft, ggf. modifiziert oder ergänzt werden.Eckpunkte des Konzeptsw Ein Leseförderkonzept wird mit allen am Schulleben

    Beteiligten (Lehrerinnen und Lehrern, Betreuern undBetreuerinnen im Ganztag, Bibliothekspersonal, weite-ren Kooperationspartnern) abgestimmt und beschlos-sen.

    w Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern werden amProzess beteiligt, indem sie beispielsweise Themen-wünsche oder Buchvorschläge einbringen.

    w Ankerpunkte mit klaren Kompetenzerwartungen für dieunterschiedlichen Jahrgangsstufen werden im Sinneeines Spiralcurriculums verbindlich festgelegt.

    w Individuelle Konzepte bzw. Projekte für unterschiedli-che Schülergruppen werden vorgesehen.

    w Höhepunkte im Schuljahr wie zum Beispiel Vorlese-wettbewerbe oder Autorenlesungen werden verbindlicheingeplant.

    w Im Raumkonzept der Schule werden, je nach Aus-stattung und Umfeld der Schule, Möglichkeiten zurEinrichtung förderlicher Leseumgebungen (von derBücherecke bis zur Schülermediothek) vorgesehen.

    w Die Ausstattung mit neuen Medien wird für den Prozessder Leseförderung genutzt.

    Bausteine in einem Leseförderkonzept1. Motivation weckenUntersuchungen haben gezeigt, dass viele Jugendlichefreiwillig nur äußerst ungern ein Buch zur Hand nehmen.Die Förderung der Lesemotivation stellt somit das ersteZiel dar. Individuelle Leseerlebnisse, die an den jeweili-gen Lesevorlieben anknüpfen, anerkannte Lesevorbilder,kreativer Umgang mit Literatur und außergewöhnlicheLeseaktionen, die in der Schule etabliert werden, tragendazu bei, Lesehemmungen zu mindern und „Lesehunger“

    „Lesekompetenz“ ist mehr als einfach nur lesen zu können.

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    MEDIENBILDUNGzu wecken. Ein Beispiel hierfür ist das von derMedienberatung NRW initiierte Projekt „2.42 – Literatur-tracks (www.zweizweiundvierzig.de)“.2. Förderliche Leseumgebung schaffenEs muss nicht immer nur im Unterricht und „am Platz“ gele-sen werden. Eine Leseecke im Klassenraum, besser noch,ein gemütlich eingerichtetes „Leseparadies“, das inUnterrichtspausen oder in einer Lese-AG aufgesucht werdenkann, fördern eine positive Einstellung zum Lesen. DieMöglichkeit zur Eigeninitiative bei der Auswahl desLesestoffs, sowie Raum und Zeit für individuelle Rück-zugsmöglichkeiten und Gesprächspartner, um sich über dasGelesene auszutauschen sind weitere wichtige Faktoren.3. Wege zum selbstständigen LesenProjekte, Gruppenunterricht oder Arbeitsgemeinschaftenbieten die Themenstellung für Rechercheaufgaben, die einselbstständiges Erforschen des Bücherangebots erfordern.Hier wird dem Bedürfnis von Jungen nach derBeschäftigung mit Sachtexten Rechnung getragen. Auchdas Internet wird als Informationsquelle einbezogen. DasLesen dient einem Zweck und bekommt dadurch einenanderen Stellenwert. Auch die tägliche Lektüre derTageszeitung dient der Leseförderung. Schon durch einekurze tägliche Lesezeit werden Lesereize geweckt und dasAllgemeinwissen wird gefördert.4. Zielgruppenspezifische LeseförderungIn den Schulklassen treffen sich Kinder bzw. Jugendlichemit verschiedenen Ausgangspositionen, mit unterschied-lichen Erfahrungen und Ressourcen zur Unterstützungihres Leseprozesses und mit unterschiedlichen intellek-tuellen Voraussetzungen. In einem binnendifferenziertenUnterricht lesen die Mädchen z.B. eine Beziehungs-geschichte, während die Jungen die Abenteuer einesPiraten verfolgen. Unterschiedliche Aufgaben werden ineinem Lesetagebuch festgehalten, das später auch anStelle einer Klassenarbeit gewertet werden kann. Auch Schüler mit Migrationshintergrund, die Leseproble-me haben, sind nicht per se schlechte Schüler. Für sie istdie Verbindung der Leseförderung mit einer Systemati-sierung des Sprachenlernens und auch mit eigener Text-produktion besonders erfolgversprechend. Texte sind nicht nur die landläufig darunter verstandenenFließtexte, auch Tabellen und Diagramme müssen alsTexte betrachtet werden. Gerade an Berufskollegs nehmendiese Textarten eine zentrale Rolle ein. Lesekompetenz-förderung an Berufskollegs muss das Verstehen undDeuten dieser Textarten in den Blick nehmen und fördern.5. ElternarbeitDie Mitarbeit der Eltern bei der Leseförderung ist insbe-sondere im Vorschulbereich und in der Grundschule von

    entscheidender Bedeutung. Gerade die Eltern aus bil-dungsferneren Schichten sind hiermit aber häufig überfor-dert. Durch Elternabende zum Thema, die zeitweise auchin der Bibliothek stattfinden, das Angebot zur Ausbildungzum Vorlesepaten für die Eltern der ersten Schuljahre oderBüchertische am Elternsprechtag, lassen sich mancheÄngste auflösen und Mütter und Väter verstärkt in dieschulische Arbeit einbeziehen. 6. Lesen und ComputerInternetdienste wie google oder wikipedia dienen mittler-weile vielen Schülerinnen und Schülern als primäreInformationsquelle. Beliebt bei Jungen sind auchRollenspiele im Netz, die zum Teil hoch komplex sind undnur nach intensiver Lektüre der oft sehr ausführlichenSpielregeln gespielt werden können. Spezielle Angebotezur Leseförderung im Internet oder Online-Wettbewerberund um das Buch fordern Kinder und Jugendliche auf,sich kreativ und handlungsorientiert mit Büchern zubeschäftigen und ihre Ergebnisse durch Veröffentlichungim Internet auch mit andern zu teilen und zu diskutieren.Die motivierenden Eigenschaften des Computers und desInternets zu nutzen und ein Leseförderkonzept zu entwi-ckeln, das in Zusammenhang mit einem Medienkompe-tenzkonzept steht, stellt also eine Herausforderung dar.7. Bildungspartner NRW – Bibliothek und SchuleWenn es um die Förderung der Lese-, Informations- undMedienkompetenz geht, können Bibliotheken undSchulen sich ergänzen und vielfältig voneinander profitie-ren. Eine systematische Zusammenarbeit im Rahmeneiner Bildungspartnerschaft wirkt nachhaltig und für beideSeiten nutzbringend. Kinder und Jugendliche entwickelneine höhere Lesemotivation, Bibliotheken steigern ihreAusleih- und Kundenzahlen, der Unterricht wird spannen-der und vielseitiger.Schulen gewinnen durch die BildungspartnerschaftUnterstützung bei der Förderung von Lese-, Informations-und Medienkompetenz von Seiten der Bibliotheken. Sieprofitieren von den Arbeitshilfen im Internet und von denQualifizierungsangeboten der Initiative. Eine Kooperationmit der Bibliothek ermöglicht zudem unter anderem dieproblemlosen Ausleihe von Bücherkisten und Medien-boxen zu bestimmten Themen, den „Unterricht in derBibliothek“ mit einer systematischen Einführung in unter-schiedliche Recherchetechniken, die Organisation vonBuchwochen, Autorenlesungen und Informationsver-anstaltungen für Eltern.Die komplette Beratungshilfe inklusive eines Rasters zurEntwicklung eines Leseförderkonzepts finden Sie unterwww.bildungspartner.nrw.de/FachThema/Lesefoerderung/lesefoerderkonzept.pdf

    q Dagmar MissalKontakt: [email protected]

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    Schlechte Scherze – Cybermobbing in der Schule

    Irgendwie gehörte es schon immer zum Schulleben dazu,den Lehrern einen Streich zu spielen. Darüber lachen wirbei der Feuerzangenbowle und jeder hat in geselligerRunde eine Anekdote aus der Schulzeit beizusteuern.Durch die Möglichkeiten, die digitale Medien und dasInternet bieten, haben einige dieser Scherze aber ganzneue Dimensionen erreicht. Lehrerinnen und Lehrer wer-den gezielt provoziert und nicht nur die Schulklasse wirdZeuge des Geschehens, sondern es wird gefilmt und insInternet gestellt. Auch durch Videomontagen odergefälschte Namen in Chaträumen oder Foren wird der Rufeinzelner Lehrerinnen und Lehrer geschädigt. Und diessind keine Einzelfälle mehr.Spätestens wenn man den eigenen Kopf in einemHinrichtungsvideo rollen sieht, hört der Spaß endgültigauf. Seelische und körperliche Erkrankungen sind immeröfter die Folgen von Beleidigungen und Diffamierungensolcher Art. Diese Vorkommnisse sollen jetzt nicht längerunter den Teppich gekehrt werden. In den letzten Wochenwurde das Thema durch zahlreiche Pressemeldungen inden Fokus gerückt (z.B. www.spiegel.de/schulspiegel/leben/0,1518,488062,00.html) und die Forderung nach Hilfeund Unterstützung für die Betroffenen wurde laut.Insbesondere der Philologenverband betont, dass jederLehrer und jede Lehrerin Anspruch auf die Wahrung derPersönlichkeitsrechte hat – auch im Internet. Peter Silbernagel, Präsident des Lehrerbundes Nordrhein-Westfalen (NRWL), rät verunsicherten Kollegen, in dieOffensive zu gehen. Sie sollen die Portale „mit Klagenüberziehen“. Der Verband veröffentlicht ein Merkblatt mit„Hinweisen zum Persönlichkeitsschutz von Lehrkräftenim Internet“. (www.dphv.de) Silbernagels Tipp an betrof-fene Lehrer: die Webseiten ausdrucken zur Beweissiche-rung, dann eine einstweilige Verfügung gegen denInternet-Provider erwirken. Weitere Informationen zumThema gibt es auf der Sonderseite des NRWL „GegenGewalt gegen Lehrkräfte“. (www.nrwl.de/sonderseite/gewaltgegenlehrer/)Die Kultusminister haben den betroffenen Lehrern Hilfezugesagt. Schulministerin Barbara Sommer und Justiz-ministerin Roswitha Müller-Piepenkötter wollen in Nord-rhein-Westfalen gemeinsam gegen das Mobbing imInternet vorgehen. Ministerin Sommer wies die Bezirks-regierungen an, die Sperrung von Persönlichkeitsrechtverletzenden Inhalten zu veranlassen und gegebenenfallsStrafanträge gegen die Betreiber solcher Internetseiten zustellen. Diskriminierende und beleidigende Darstellungenvon Lehrkräften dürften keinesfalls als Schüler-Scherzeoder Kavaliersdelikte eingestuft werden. Betroffene

    Lehrerinnen und Lehrer sollen sich an die Bezirksregie-rungen wenden und die Internetseiten dort melden. (Dieausführliche Presseerklärung der Ministerinnen findetman unter www.schulministerium.nrw.de)Sanktionen und rechtliche Schritte sind die eineMöglichkeit, um klare Position zu beziehen und deutlichzu machen, dass hier Grenzen überschritten werden.Sachliche Information kann zur Prävention beitragen.Vielen Schülerinnen und Schülern fehlt sicher das ent-sprechende Unrechtsbewusstsein. Manche verwechselndas Recht auf freie Meinungsäußerung mit dem Recht aufBeschimpfung und Beleidigung. Den meisten ist vermut-lich nicht bewusst, dass das Internet kein rechtsfreierRaum ist und dass Beleidigung und üble NachredeStraftaten sind, die auch eine Zivilklage nach sich ziehenkönnte. Unterrichtsmaterialien zur Sensibilisierung fürdiesen Themenbereich und zur Behandlung von recht-lichen Fragen bietet Lehrer Online in der Rubrik Recht.(www.lehrer-online.de)Gute Unterrichts- und Erziehungsarbeit in der Schule setztauch eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischenSchülern und Lehrern voraus. Um ein gutes Vertrauens-verhältnis in der Schule zu fördern sind Konflikttrainingseine lohnenswerte Maßnahme. Das Miteinander in derSchule wird außerdem bereichert, wenn Raum fürRückmeldungen in beide Richtungen geschaffen wird unddie Möglichkeit besteht, Unzufriedenheiten anzusprechenund konstruktive Kritik zu äußern, ohne verletzend zuwerden. Und warum sollen hierzu nicht die neuen Mediengenutzt werden? Ein Forum im geschützten Raum, zumBeispiel innerhalb einer Lernplattform, gibt die Möglich-keit, die eigene Meinung auch außerhalb eines Klassen-gesprächs zu äußern, ohne dass gleich die ganze Welt mit-lesen kann. Wenn ein solches Forum gut moderiert wird,bietet es zusätzlich die Möglichkeit, sich in der‚Netiquette’ zu üben und dient somit dazu, die Medien-kompetenz der Schülerinnen und Schüler auf positiveWeise weiter zu entwickeln.Auch Schülerinnen und Schüler werden vermehrt zu Opfernvon Mobbing im Internet. Die Aktion „Mobbing – Schlussdamit!“ auf der Webseite www.mobbing.seitenstark.despricht Schüler, Eltern und Lehrer an. Hier werden Ideengegen Mobbing gesammelt, Informationen und Buchtippsrund um das Thema angeboten und man hat dieMöglichkeit, in adressatenbezogenen Foren von der eige-nen Situation zu berichten und sich mit anderenBetroffenen auszutauschen. Auf dieser Seite wird zurzeitauch eine Online-Befragung durchgeführt, die anschlie-ßend von der Uni-Koblenz-Landau ausgewertet wird.Erste Ergebnisse werden im September 2007 erwartet.

    q Dagmar MissalKontakt: [email protected]

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    Buckower Thesen zur Zukunft derBildstellen und Medienzentren

    Ein aktueller Impuls aus dem Jahr 1997

    Vor zehn Jahren, im Oktober 1997, fand im brandenburgi-schen Städtchen Buckow das erste der seitdem zu einerfesten Institution gewordenen Buckower Mediengesprächestatt (vgl. Im Fokus 3/2006, S.10f.). Damals legteFriedemann Schuchardt, langjähriger Geschäftsführerder Matthias-Film gGmbH, zehn Thesen „zur Zukunft derBildstellen und Medienzentren“ vor. Fast alle dieser Thesen sind bis heute von erstaunlicherAktualität. Wir drucken sie deshalb hier mit freundlicherErlaubnis von Friedemann Schuchardt und Klaus-DieterFelsmann als zeitlosen Impuls erneut ab. Mit aufgenom-men worden sind Anmerkungen, die auf der BuckowerTagung im Oktober 1997 von Diskussionsteilnehmerngeäußert wurden.

    1. Nicht auf Konzepte und Vorstellungen von Drittenwarten (die kommen nicht), sondern selbständigeStrategien entwickeln.Anmerkung: Vielfach sind die vorgesetzten Dienststellen,Behörden u.a. oder auch die parlamentarischen Gremien(z.B. Kreistag) nicht informiert über die Sachkompetenzenbzw. Leistungen und Möglichkeiten von Bildstellen undMedienzentren. Bei Einsparungen bzw. Spardiskussionenwird von daher immer gerne auf die Institutionen oderAbteilungen zurückgegriffen, die am wenigsten bekanntsind und von denen man keine Vorstellung hat. Auch gibtes keine Einschätzung, was entsprechende Streichungenfür Schule und Bildungsarbeit, aber auch Kulturarbeit inder Region bedeuten. Aber gerade und auch bei Um- undNeuorganisationen in Städten und Landkreisen fehltEntscheidungsträgern oft die nötige spezifische Sach-kenntnis und Fantasie. Die Folge ist, daß häufig sehr kurz-fristig bzw. wenig konzeptionell gedacht wird. Schnellwerden von daher Sätze geprägt wie: „Die Schulen habendoch sowieso schon alles auf Video mitgeschnitten“ oder„In Zukunft läuft sowieso alles über Datennetze“.Andererseits: Dort, wo Konzeptionen von dritter Seite ent-wickelt werden, wird, wenn nicht rechtzeitig seitens derMedienzentralen „der Finger gehoben“ wird, die Bildstel-le zu einer Unterabteilung einer anderen Organisations-einheit gemacht.Deshalb muß das Medienzentrum als erstes Konzepte undVorstellungen entwickeln und mit strategischen Vorstel-lungen weiterreichen.2. Geld spielt immer nur die zweite Rolle. Es geht umschlüssige Konzeptionen, die allen Steuerbürgern/innenvermittelbar sind.

    Anmerkung: Für den Normalbürger einer Stadt oder einesLandkreises spielt die Bildstelle keine Rolle. Angesichtsder Finanzproblematik wird auch von Bürgern undBürgerinnen immer mehr darauf geachtet, was mit ihremGeld geschieht. Daher sollte die Bildstelle/das Medien-zentrum für den Bürger deutlich machen, welche Leistun-gen sie heute erbringt und welche Leistungen sie ggf. auchin Zukunft für den Bürger/die Bürgerin zusätzlich über-nimmt. Diese Information über die Aktivitäten undLeistungen kann in der Regel nur über die Tageszeitung,das Amtsblatt o.ä. erfolgen.3. Kooperation und Öffnung sind Schlüsselbegriffe fürdie Zukunft.Anmerkung: Die Zeiten des Abschottens sind vorbei. Wernicht mit anderen Organisationen, die zum Teil auchwesentlich mehr Einfluß haben, in Stadt und Landkreisbereit ist zusammenzuarbeiten, wird mittelfristig obsolet.4. Die Bildstelle: Künftiges Kommunikationszentrum.Zusammen mit anderen Einrichtungen wie Bibliothek,Museum, Musikschule, Volkshochschule ist sie offenfür alle Gruppen und Bürger/innen.Anmerkung: Die Zusammenlegung von mehrerenEinrichtungen innerhalb einer Stadt oder eines Landkrei-ses ist voraussehbar bzw. zum Teil schon vollzogen.Wichtig ist, daß der Teil der Bildstelle sehr aktiv vertretenwird und seinen eigenspezifischen Beitrag des Kommuni-kationszentrums zu leisten imstande ist.5. Die Fachstelle für Medienpädagogik ist unverzicht-barer Bestandteil der Stadt und des Landkreises.Anmerkung: Die Bildstelle muß sich als Fachstelle fürMedienpädagogik qualifizieren. Angesichts der Medien-überflutung wird von immer mehr Eltern und Erziehernnach einer medienpädagogischen Beratung gefragt.Unabhängig von der Entwicklung der Medienträger kannhier die künftige „Bildstelle“ ihren unverzichtbarenAuftrag leisten.6. Qualität hat Zukunft. Angebote sind unter kulturel-len und pädagogischen Gesichtspunkten zu unterbrei-ten. Qualität muß als Merkmal nach außen vermittel-bar werden.Anmerkung: Unsere Zeit ist durch die Vielfalt derAngebote in allen Bereichen, insbesondere aber auch imMedienbereich, gekennzeichnet. Auf den zweiten Blickwird es aber deutlich: Es sind nicht vielfältige Medien-angebote, sondern „einfältige, unqualifizierte und für denMenschen keineswegs nützliche“. Deshalb sollte daskünftige Kommunikations- und Medienzentrum mit sei-nen Angeboten Akzente setzen, die der Qualität denVorrang lassen.

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    7. Öffnung nach außen heißt auch, als eigener Ver-anstalter aufzutreten, z.B. Kinderkino, Jugendlite-raturwoche, Dichterlesung etc.Anmerkung: Vielerorts wird geklagt, daß 16mm-Filme fürKinder und Jugendliche im Regal liegen bleiben. Deshalbmuß man selbst aktiv werden, indem man z.B. eigeneVeranstaltungen durchführt (vielerorts geschieht das schonsehr erfolgreich) und z.B. Kinderkino für Schüler vormit-tags in Klassen oder auch nachmittags als Veranstaltunganbietet. Jugendliteraturwochen, Dichterlesungen auf-grund von verfilmten Büchern lassen zudem den gemein-samen Impuls von Bibliothek und Medienzentrum deut-lich werden. Gleichzeitig wird damit das Interesse derÖffentlichkeit und auch der Presse erweckt.8. Das Kommunikationszentrum hat Markenpro-dukte; das künftige Etikett heißt „pädagogisch wert-voll“.9. Auch weiterhin existiert neben anderen Medienträ-gern noch der 16mm-Film! Er gehört gewartet undgepflegt.Anmerkung: Vielerorts gilt der 16mm-Film als ein Fossil,das sich nicht lohnt zu warten und zu pflegen. Das istschade! Denn die Qualität des großen Bildes wird auch inden nächsten Jahren gegenüber anderen Medienträgernunübertroffen gut sein.10. Keine Scheu vor seriösen Sponsoren (z.B. Sparkas-sen). Genau beschreiben, welche Form der Zusam-menarbeit gewünscht wird und warum.Anmerkung: In Zeiten der Geldknappheit ist es wichtig,sich bestimmte Projekte oder auch den Ankauf bestimmterMedien, z.B. für Kinder, finanzieren zu lassen. Auch man-che Veranstaltung, wie z.B. Kinderkino oder Jugendlitera-turwoche, wird nur durch Drittfinanzierung ermöglicht.Geeignet sind gerade auch Sparkassen, da sich diese ja inBesitz der Stadt bzw. des Landkreises befinden. Umge-kehrt könnte auch die Bildstelle, sprich das Kommuni-kationszentrum, bestimmte Ausstellungen der Bildstelleanbieten, z.B. mit alten Filmprojektoren oder Kinder-zeichnungen oder Filmplakaten etc.

    q Friedemann SchuchardtAus: Klaus-Dieter Felsmann (Hg.): Buckower Mediengespräche.Gedanken zur Entwicklung von regionalen Bildstellen und Medienzen-tren; erweiterte Dokumentation, Magdeburg 1998, S. 11-14.

    Medien gehören in Schülerhand. Mit diesem einfachenSatz lässt sich die pädagogische Seite von EDMOND aufden Punkt bringen. Dank EDMOND können audiovisuel-le Medien ähnlich den Printmedien an den Arbeitsplatzdes Schülers gebracht werden und stehen dort für indivi-duelle Bearbeitung zur Verfügung. Der Verzicht auf eindigitales Rechtemanagement (DRM) ermöglicht dieNutzung jedweder vorhandener Hardware. Außerdem istnur dadurch gewährleistet, dass die Medien aktiv weiter-verarbeitet werden können.Allerdings sind wir mit EDMOND noch lange nicht amZiel angekommen. Der Lizenzbestand der Medienzentrenmuss deutlich ausgebaut werden. Viele EDMOND-Medien sind ältere Produktionen und haben im Lauf derJahre von ihrer Attraktivität eingebüßt. Das kostet Geld,das in der Regel nicht vorhanden ist.Besonders schlimm ist die Tendenz, bereits heute den tra-ditionellen Verleih aufzugeben und sich nur noch aufEDMOND zu konzentrieren. Das EDMOND-Angebot,die Ausstattung in den Schulen und das Know-how derLehrerinnen und Lehrer ist noch lange nicht so weit, dassein solcher Schritt pädagogisch verantwortbar wäre.Medien in Schülerhand – EDMOND neu denken!Niemand würde ernsthaft bestreiten, dass Schulbücherständige Begleiter der Schülerinnen und Schüler sein müs-sen, damit diese nicht nur in der Schule, sondern auch zuHause damit lernen und arbeiten können. Konsequentweitergedacht muss dies auch für EDMOND-Medien gel-ten. Ist es möglich, dass sich EDMOND vom Lehrerdienstzu einem Lernerdienst weiterentwickelt?Ein kostenpflichtiges Download-Portal – wie es in verein-zelten Köpfen als Modell herumspukt – würde dies zwarermöglichen, ist aber sowohl aus rechtlichen als auch aussozialen Gründen mehr als problematisch.EDMOND-Medien sind, sofern sie in der Hand desSchülers sind, Lernmittel. Als ergänzende Lernmittel sindsie pauschal zugelassen, sie müssen aber von der Schul-konferenz eingeführt werden. Damit haben Schülerinnenund Schüler nach Abzug des gesetzlich vorgeschriebenenEigenanteils Anspruch auf Lernmittelfreiheit. Ein kosten-pflichtiger Download von Lernmitteln über den Eigen-anteil hinaus ist neben sozialen Bedenken rechtlich alsogar nicht zulässig, es sei denn, es geschieht freiwillig.Das Thema „EDMOND-Lizenzen als Lernmittel“ ist kom-plex und wurde viel diskutiert, ohne jedoch zu konkretenErgebnissen geführt zu haben. Die Vorstellung undHoffnung vieler Medienzentren, EDMOND-Lizenzen aus

    Schüler-DVD: Medien in Schülerhand

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    den Lernmitteletats der Schulen zu finanzieren, stößt aufvielerlei Probleme. Der Verfasser dieser Zeilen hält esauch rechtlich für äußerst problematisch, weil EDMOND-Medien weder für den Verbleib beim Schüler gedacht sind,noch von der Schulkonferenz eingeführt werden können –es sei denn, man trifft einen rechtlich wiederum proble-matischen pauschalen Beschluss.Genau diese rechtlichen Bedenken führten im Rhein-Sieg-Kreis zur Idee der „Schüler-DVD“. Warum soll man nichtaus dem Lizenzbestand ein Produkt erstellen, das a) für dieSchülerhand zum langfristigen Verbleib gedacht ist und b)von der Schulkonferenz problemlos als Lernmittel einge-führt werden kann. Warum also sollen wir nicht eineAuswahl unserer Top-Medien aus unserem EDMOND-Angebot auf (Daten-)DVDs bringen und den Schulen alsLernmittel anbieten?Ist die Umsetzung dieser Gedanken realistisch?Eine erste Rechnung bringt Erstaunliches zu Tage: aufeine einlagige DVD lassen sich im EDMOND-Formatleicht 12 bis 13 Stunden Filmmaterial unterbringen. Diereinen Vervielfältigungskosten dafür liegen einschließlichBedrucken, DVD-Box und Cover bei entsprechender Auf-lage unter 3,- Euro. Aber wie sieht es mit den Rechten aus?Würden sich die Urheber auf ein solches Modell einlassen?Anbieter müssen verkaufen und Umsätze generieren – amliebsten an Geld herankommen, das sie sonst nicht ein-nehmen könnten. Nach dem Verkauf einer EDMOND-Lizenz sind die Umsatzerwartungen des Anbieters ausge-schöpft, sieht man vom Verkauf von Einzelscheiben zufast Selbstkosten einmal ab. Würden sich die Anbieter aufdas Modell der Schüler-DVD einlassen, wenn es zusätzli-che Umsätze verspricht?Die Antwort ist ein klares JA – und alles andere wäre auchsehr verwunderlich. Der Rest ist reine Verhandlungssache.Auf die Produktionskosten wird ein Aufschlag für eineUrhebervergütung geschlagen. Diese Vergütung wird nachUmfang der beteiligten Anbieter – die Schüler-DVD istein Kompilat verschiedener Titel unterschiedlicherAnbieter – unter diesen paritätisch aufgeteilt und überwie-sen. Außerdem konnte in den Verhandlungen erreicht wer-den, dass diese zusätzlichen Einnahmen in Form von Gut-schriften in voller Höhe für neue EDMOND-Lizenzen andas Medienzentrum zurückfließen.Es entsteht eine klassische Win-Win-Situation: derUrheber bekommt Geld, das ohne das Projekt nicht er-reichbar wäre und das Medienzentrum kann EDMOND-Lizenzen erwerben, die anders nicht finanziert werdenkönnten. Das beste daran: von Jahr zu Jahr kann dieQualität der Schüler-DVD verbessert werden, da immerneue Titel aufgenommen werden können.

    Zwischenstand 2007Die rechtlichen Vorabklärungen und die Absprachen mitden Urhebern haben sich bis weit ins Frühjahr gezogen.Nach den Osterferien wurden Muster an Schulen im Kreisverschickt. Das Angebot umfasst eine Einzel-Box für dieGrundschule und drei Doppel-Boxen für die Jahrgänge5/6, 7/8 und 9/10. Insgesamt sind rund 200 Titel auf denScheiben enthalten. Der Endpreis für die Einzel-DVDsbeträgt 5,- Euro, für die Doppel-DVDs 7,- Euro. Damitkommen wir auf 26,- Euro für ca. 200 Titel und deckendamit die Grundschule und die Sekundarstufe I jahrgangs-mäßig ab. Kein anderes Modell bietet auch nur annäherndeine derartige Wirtschaftlichkeit der Medienbereitstellung.Wie nicht anders zu erwarten war, taten sich die Schulenin der kurzen Zeit zwischen Osterferien und Schuljahres-ende zwischen Zentralabitur, Abschluss 10 und Lernstand8 sehr schwer mit der Diskussion und der Beschlussfas-sung der Schulkonferenz. Dies wird im nächsten Jahrsicherlich entspannter zugehen.Dennoch bringen wir in diesem Jahr insgesamt rund 2800DVD-Boxen an die Schulen. An die Anbieter fließt einnettes Sümmchen, das diese gut für die Investition in neueProdukte brauchen können und die Schulen im Rhein-Sieg-Kreis freuen sich über rund 20 zusätzliche Neu-erwerbungen für unser EDMOND-Angebot.Und die Schüler?Die können nun zu Hause (oder wo immer ein Computersteht) Stoff wiederholen, Versäumtes nacharbeiten, sichauf den Unterricht vorbereiten, haben Quellen für Referateund jede Menge Material, um daraus eigene Präsentatio-nen zu erstellen. Sie sind die eigentlichen Gewinner desProjekts.Weitere Informationen finden Sie im Internet unter:http://medienzentrum.rhein-sieg-kreis.de

    qWolfgang Dax-Romswinkel, Medienzentrum des Rhein-Sieg-Kreises

    Kontakt: [email protected]

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    Das Foto von Hitlers Geliebten Eva Braun im gleichnami-gen Fernsehfilm zeigt ein historisches Bilddokument, aberzugleich ist es durch die Montage mit Flammerzeichen einElement, das den Eindruck eines Filmbildes erzeugt – mitdiesem Beispiel eröffnete in der Villa ten Hompel Prof.Norbert Nowotsch am 30. Mai 2007 seinen Vortrag über„Medial inszenierte Geschichte als Methode“.Nowotsch lehrt an der Fachhochschule Münster in derAbteilung Design und ist international bekannter Fach-mann für Mediengestaltung, interaktive Systeme undMedientheorie. Höchst anschaulich gelang ihm in diesergemeinsam vom Ev. Forum Münster, der Gesellschaft fürChristlich-Jüdische Zusammenarbeit und dem Geschichts-ort Villa ten Hompel getragenen Veranstaltung, dasLabyrinth heutiger medialer Möglichkeiten zu entwirrenund eine profilierte Position zu entwickeln, „Ein Bild sagtmehr als 1000 Worte“, zitierte Nowotsch, und fügte hinzu:„Aber welche?“ Am Beispiel jüngerer Fernsehproduktionen erläuterteNowotsch Vorzüge und Probleme der heute verwendeten„Formate“: Dokufiction. Dokusoap, Infotainment,Edutainment, Reality-TV. Er betonte, dass besonders beiverschmolzenen „hybriden“ Bildprodukten eine Unter-scheidung zwischen Ausgangsdokument und Zusätzenkaum noch möglich sei. Es gäbe neben einem „rasantenVerbrauch von Bild- und Tonmaterial“ eine fatale „ver-weislose Fragmentierung der historischen Kontexte“zugunsten bloßer Unterhaltungseffekte. Anstelle solchen„medialen Geschichtsfrikassees“ forderte Nowotsch einedeutlichere Kennzeichnung von Zitaten, Kommentarenund erläuterndem Material. Ein Streifzug durch moderne Geschichtsmuseen vermittel-te Beispiele gelungener Ausstellungsinszenierungen – sodie Erinnerungshalle an die ermordeten jüdischen Kinderin Yad Vashem in Jerusalem. Nowotsch klassifizierte alsmisslungenes Exempel das seines Erachtens völlig überla-dene „Haus der Geschichte“ in Bonn. Er riet bei der Prä-sentation von Materialien entschieden zum Weglassen,Beschneiden, Pointieren, damit aus einer „Weg-Führung“nicht eine „Wegführung“ entstünde. Nach dem kürzlichvorgetragenen Werkstattbericht von Heiner Wember überdie Umsetzung von Geschichtsereignissen im Hörfunk(„Zeitzeichen“) war dieser Vortrag ein weiterer höchstinformativer Beitrag in der Veranstaltungsreihe der Villaten Hompel zum aktuellen Umgang mit Geschichte.Mehr zum Geschichtsort Villa ten Hompel in Münster undden Veranstaltungsreihen unter:www.muenster.de/stadt/villa-ten-hompel/

    q Günter Böhm, Vorsitzender des Ev. Forums Münster

    Ein Bild sagt mehr als 1000 WorteEin Vortrag über medieal inszenierte Geschichte

    als Methode

    Es sollte eine große Nummer werden im Jahre 1958: DieExentrik-Film aus Münster mit dem Produzenten HansPeterich und dem Hamburger Regisseur Ule J. R. Eithplante einen Film über Münster und das Münsterland, derinhaltlich wie technisch neue Maßstäbe setzen wollte. DerFilm mit dem Arbeitstitel „Münster – Schicksale einerdeutschen Landschaft“ war als zugkräftiges Instrument inder Tourismuswerbung gedacht und stand damit in einergewissen Tradition von Kultur- und Werbefilmen, dennschon in den 1920er Jahren hatte das Werbe- undVerkehrsamt von Münster Aufnahmen von der Stadt undEreignissen anfertigen lassen, um sie im Vorprogrammnaher und ferner Kinos zu präsentieren. 1938 drehte gardie Berliner Ufa im Auftrag der Stadt einen aufwändigenKulturfilm, der viele Jahre als Werbeinstrument dienensollte.

    Ein wahrer SchicksalsfilmWie der Kulturfilm „Schicksale einer Landschaft“der Exentrik-Film aus Münster zum Durchbruch

    verhelfen sollte und dabei deren Ruin herbeiführte

    1957 produzierte die Exentrik-Film „Die Paradiese liegen nebenan“.Dieser „Pättkes-Film“ fand vor allem aufgrund der modernen Schnittestarke Beachtung.Doch nach dem Zweiten Weltkrieg ergab sich ein wesent-liches Problem: Die Stadt Münster hatte ihr altes Gesichtverloren und das neue im Wiederaufbau befindlicheAntlitz trug doch deutlich andere Züge. Deshalb warenbald nach dem Krieg verschiedene Personen in derTourismuswerbung daran interessiert, einen neuen Filmüber Münster und das Münsterland zu produzieren.Scheiterten bis 1953 noch viele gute Ideen und Dreh-buchentwürfe an der fehlenden Finanzierung, wurden bis1957 dann gleich mehrere Filme gedreht. Darunter auchder von der Exentrik-Film produzierte Film „DieParadiese liegen nebenan“. Dieser „Pättkes-Film“ –Pättkes sind Pfade abseits der Straßen, die nur zu Fuß oderRad bezwungen werden können – mit seiner Preisung derStadtflucht hatte vor allem aufgrund seiner modernen

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    Schnitte starke Beachtung gefunden und beim Filme-macher Hans Peterich die Hoffnung geweckt, in diesemSog ein größeres Projekt angehen zu können. Hans Peterich war schon 39 Jahre alt, als er erstmals mitdem Filmgeschäft in Berührung kam. Bei der HamburgerWerbefilmfirma „Schrader-Film“ hatte er 1950 als freierMitarbeiter begonnen und Werbefilme für Unternehmengedreht, wobei es ihn auch nach Münster verschlug. Hierwar er mit dem Verkehrsdirektor Theo Breider in Kontaktgekommen, der schon seit einiger Zeit die Idee zu demPättkes-Film mit sich herumtrug. 1955 gründete HansPeterich in Hamburg seine eigene Produktionsfirma„Exentrik-Film“, noch im selben Jahr eröffnete er inMünster eine Niederlassung und übersiedelte schließlich1956 ganz mit seiner Familie an die Aa. Das Geld verdiente die Ein-Mann-Firma zwar weiterhinmit kommerziellen Werbefilmen, doch mit der Produktionvon Kulturfilmen wollte sich Hans Peterich profilieren.Der mit 30.000 Mark nur geringen Finanzierung seinesersten Films „Die Paradiese liegen nebenan“ stelltePeterich seinen Ideenreichtum entgegen. Der kleine, nochin schwarz-weiß gedrehte Film wurde zu einem regelrech-ten „Kassenschlager“ auch außerhalb des Münsterlandes:Selbst Die Zeit berichtete wohlwollend von der Urauffüh-rung, und der mit dem Prädikat „wertvoll“ prämierte Filmlief im Sommer 1958 gar im Deutschen Pavillon derWeltausstellung in Brüssel.Für die Produktion „Münster – Schicksale einer deutschenLandschaft“ wollte der Produzent nun große Geschütze auf-fahren: Der Film sollte nicht nur in Farbe, sondern auch indem kostspieligen CinemaScope-Verfahren gedreht werden,welches den Kinozuschauern eine neue Dimension desSehens versprach. Nach Hamburg sollte Münster die zweiteStadt sein, die einen Stadtfilm in dieser Qualität drehen ließ. Inhaltlich waren sechs geschichtliche Komplexe vorgese-hen: Der Dom, die Wiedertäufer, die Hanse, der westfäli-sche Friede, Residenz im westfälischen Raum undHauptstadt Westfalens 1945-1958. Noch im April 1958wollte Hans Peterich mit den Dreharbeiten beginnen, imOktober war der Kinostart angedacht, vorausgesetzt, dieFinanzierung war gesichert: 60.000 Mark waren für dasGesamtwerk veranschlagt, letztlich kostete der Filmknapp 55.000 Mark. Diese Summe bewegte sich durchausim üblichen Rahmen für Kulturfilme, denn für weniger als40.000 Mark konnte man schon zehn Jahre zuvor kaumeinen professionellen Film mehr erhalten, und nach obenwaren wie immer keine Grenzen gesetzt. Nun begann die Geldeintreiberei: Das Land sollte einenZuschuss geben, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe, die Stadt Münster, einige Landkreise, das BistumMünster und die Wirtschaft – und sie alle gaben, jedochnicht die erhofften 60.000 Mark, sondern zusammen nur41.500 Mark. Hans Peterich erwartete aber offensichtlich,dass die zahlreichen mündlichen Zusagen weiterer

    Landkreise des Münsterlandes in konkrete Zahlungenmündeten, wenn erst einmal der Film fertiggestellt warund beeindrucken konnte.

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    Nach Hamburg sollte Münster die zweite Stadt sein, die einenStadtfilm in dem kostspieligen CinemaScope-Verfahren drehen ließ. Die münstersche Presse berichtete ab August kontinuier-lich von den voranschreitenden Filmaufnahmen in derStadt mit Bildern von den Dreharbeiten sowie einemInterview mit dem Regisseur Ule Eith. Darin schwärmtedieser von den zahlreichen Motiven, die sich in Münsteranböten und filmisch interessant umsetzen ließen. DasMünstersche Tageblatt orakelte dabei schon unbeabsich-tigt: „Fast will der Stoff zu reichlich werden.“Die Uraufführung des Films, nun mit dem Titel„Schicksale einer Landschaft“, fand am 21. Dezember1958 im Roland-Theater in Münster statt. Die heimischePresse war wieder voll des Lobes: „Echtes Zeugnis müns-terscher Geschichte“ und „Viel Beifall bei der Urauffüh-rung. Kulturfilm vornehmer Gestaltung wird ein guterSprecher für Münster sein“. Oberbürgermeister Dr. BussoPeus wird mit den Worten zitiert: „So sind wir, so wollenwir bleiben.“Jenseits von Aa und Werse wurde der Film etwas nüchter-ner beurteilt, so bemängelten die Ruhr Nachrichten, dassdie Schicksale ungestaltet geblieben seien. „In 15 Minutenkann man nicht 1200 Jahre Revue passieren lassen.“Außerdem verliere die Vokabel „Schicksal“ an Bedeutung,wenn das schwerste Schicksal, das die Stadt getroffenhabe, die Zerstörung im letzten Krieg, völlig unbeachtetblieb. „Überhaupt Film! In diesem Falle hätten stehendeFarbdias vielleicht dieselbe Wirkung gehabt.“

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    Damit sprach der Kritiker ein wesentliches Problem an:Der Kulturfilm war vor allem ein Geschichtsfilm undzeigte in großen Teilen museale Artefakte und Bildersowie architektonische Zeugnisse der Vergangenheit, diewenig dynamisch von der Kamera eingefangen wurden.Zugleich war gerade die schicksalsreiche Zeit zwischen1933 und 1945 völlig ausgeblendet worden, selbst derWiederaufbau wurde nicht erwähnt, weil das letzte Kapitelstark gekürzt worden war und nur noch einen knappenBlick auf die Stadt und das Land des Jahres 1958 freigibt.Offensichtlich wollten die Drehbuchschreiber einer Aus-einandersetzung mit den heiklen Phasen der münsterländi-schen Geschichte aus dem Wege gehen, sofern diese nichtsichere Jahrhunderte zurücklagen. Jetzt schienen sich zwei Momente, die stets als Vorteil gelis-tet worden waren, ins Gegenteil zu verkehren. Zum einenhatten sich Produzent und Regisseur wohl selbst von derWirkung der Filmtechnik blenden lassen. In sämtlichenZeitungsartikeln oder Werbeschreiben des Produzenten fin-det sich der Hinweis auf das überragende CinemaScope-Verfahren, das „besondere Möglichkeiten“ böte. Allein dieKameraausleihe für die 20 Drehtage hatte 3.500 Mark gekos-tet, wie Hans Peterich – gewissermaßen als Beleg für dieQualität des Films – betonte. In dieser Erwartung wurde dieinhaltliche Umsetzung wohl vernachlässigt. Zum anderenrächte es sich, dass schon bei der Einwerbung derFördergelder stets auf die mögliche fachkompetenteBeratung eines jeden einzelnen Filmkapitels hingewiesenwurde. Als Folge hatten neben dem Regisseur noch dreiVertreter der Stadt und der Bezirksregierung am Drehbuchmitgewirkt, wobei insbesondere Stadtarchivdirektor Dr.Prinz als enger fachlicher Berater fungierte. Umso verständlicher die Reaktion des Filmemachers eini-ge Monate nach der Uraufführung, als ihm von Seiten derStadt zu Ohren kam, dass man dort den Film inzwischengar nicht mehr so beachtlich fände: „Es muss jedem ver-ständlich sein, dass ich für den Aufbau und die Gestaltungdes Filmes nicht allein verantwortlich zu machen bin.“ Dawaren wohl zu viele Köche am Werk, und keine Seitekonnte mit dem Resultat mehr zufrieden sein. Unter didak-tischem Blickwinkel waren nur einige Höhepunkte derlangen Geschichte herausgepickt, unter filmtechnischerPerspektive waren zu wenig brillante Aufnahmen undSchnitte zu sehen, hinsichtlich der touristischen Wirkung– und das war ja die Hauptsache! – konnte der Film außer-halb des Münsterlandes als überladen und aufgrund desKommentars als trockener Lehrfilm erscheinen – wenn erdenn jemals außerhalb des Münsterlandes gelaufen wäre! Inzwischen war es nämlich richtig eng geworden: DieFilmbewertungsstelle in Wiesbaden verweigerte dem Filmein Prädikat. Für einen Kulturfilm war das eine Katastro-phe. Kulturfilme wurden von den Kinobetreibern nämlichvor allem deshalb ins Vorprogramm genommen, weil sodie fällige Vergnügungssteuer für die abendliche Vorstel-lung gemindert werden konnte. Aber Steuervergünstigun-

    gen wurden nur prädikatisierten Filmen gewährt. Zwarhatte das Urteil der Prüfstelle nach Aussage von HansPeterich „bei allen, insbesondere bei den Film-Expertenund Film-Verleihern größtes Erstaunen und höchsteEmpörung hervorgerufen“, doch es hatte schließlich zurFolge, dass weder der vollmundig angekündigteAuslandsverleih noch ein Inlandsverleih für den Filmzustande kam. Die „Welturaufführung“ im Roland-Theater blieb zunächst die einzige öffentliche Aufführung,im Kino lief der Film nie wieder. Die Stadt Münster sah das investierte Geld in den Sandgesetzt, andere Landkreise, die nur mündliche Zusagenhinsichtlich eines Förderzuschusses gemacht hatten, zahl-ten nicht. Hans Peterich versuchte zu retten, was ging: Erschlug vor, den Film völlig neu zu gestalten, Szenen, diedas Münsterland betrafen, herauszuschneiden und denFilm allein auf die Stadt Münster zu fokussieren. DochPeterichs Bemühungen waren vergeblich, weitere Förder-gelder wurden nicht mehr bewilligt. Für die Exentrik-Filmbedeutete dieser finanzielle Misserfolg das baldige Ende.Zu dem beruflichen Fehlschlag kamen noch privateUnglücksfälle, die Hans Peterich weiter zurückwarfen,sodass er Anfang der 1960er Jahre seine Produktionsfirmaauflöste, sich ganz aus dem Filmgeschäft zurückzog undseine letzten Berufsjahre als Abteilungsleiter eines großenKaufhauses verbrachte. Heute existieren nur noch ein 35 mm-Originalnegativ miteiner Positivkopie sowie eine Handvoll 16 mm-Kopien,letztere waren damals an einige Kreise und die SparkasseMünster zu Vorführzwecken gelangt. Die 35 mm-Filmebefanden sich