Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

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gesundes 15. JAHRGANG NR. 3 | DEZEMBER 2013 MAGAZIN FÜR GESUNDHEITSFÖRDERUNG UND PRÄVENTION P.b.b. 03Z034913 M – Verlagspostamt 1020 österreich Praxis Gesunde Nachbar- schaft in Linz und im Waldviertel Im Interview Antje Richter-Kornweitz, Gerlinde Rohrauer-Näf, Johannes Siegrist Thema Wie soziale Beziehungen die Gesundheit fördern IM GESPRÄCH Wer gute Freunde hat, lebt länger. CHRISTIANA DOLEZAL, VORSITZENDE DES NETZWERKS „GESUNDE STÄDTE ÖSTERREICHS“

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Das Magazin „Gesundes Österreich“ widmete seine Ausgabe 3/2013 den Themen Nachbarschaften, soziale Beziehungen, Engagement. Lesen Sie nach, was Nachbarschaften für die Gesundheit bedeuten, viel vielfältig der soziale Nahraum gestaltet werden kann und holen Sie sich Tipps für die Umsetzung von Projekten.

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Im InterviewAntje Richter-Kornweitz,Gerlinde Rohrauer-Näf,Johannes Siegrist

ThemaWie soziale Beziehungen die Gesundheit fördern

IM GESPRÄCH

Wer guteFreunde hat,lebt länger.

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VORSITZENDE DES NETZWERKS„GESUNDE STÄDTE

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IMPRESSUM

Offenlegung gemäß § 25 MedG

Medieninhaber: Gesundheit ÖsterreichGmbH, Stubenring 6, 1010 Wien, FN 281909y,Handelsgericht Wien

Herausgeber/in:Mag. Georg Ziniel, MSc, Geschäftsführer GÖG,und Mag. Christa Peinhaupt, MBA,Geschäftsbereichsleiterin Fonds GesundesÖsterreich

Redaktionsadresse und Abonnement-Verwaltung:Fonds Gesundes Österreich,Aspernbrückengasse 2, 1020 Wien,Tel.: 01/895 04 00-0, [email protected]

Redaktionsbüro: Mag. Dietmar Schobel,Hietzinger Hauptstr. 136/3, 1130 Wien,www.teamword.at, [email protected],Tel.: 01/971 26 55

Redaktion:Mag. Gudrun Braunegger-Kallinger,Dr. Rainer Christ,Sabine Fisch,Mag. Christian F. Freisleben-Teutscher,Ing. Petra Gajar,Mag. Rita Kichler,Helga Klee,Dr. Anita Kreilhuber,Mag. Harald Leitner,Mag. Hermine Mandl,Mag. Markus Mikl,Mag. Gerlinde Rohrauer-Näf, MPH,Mag. Dr. Klaus Ropin,Mag. Dietmar Schobel (Leitung),Mag. Gabriele Vasak,Dr. Verena Zeuschner

Graphik: Mag. Gottfried Halmschlager

Fotos: DI Johannes Hloch, DI Klaus Pichler,Fotolia, privat

Foto Titelseite: DI Johannes Hloch

Druck: Ferdinand Berger & Söhne Ges.m.b.H.Erscheinungsweise: 3 x jährlichVerlags- und Herstellungsort: WienVerlagspostamt: 1020 Wien.

Blattlinie: Das Magazin „Gesundes Österreich" ist Österreichs Plattform zumThema Gesundheitsförderung. Es präsentiertMenschen und vermittelt Inhalte und Know-how aus den Handlungsfeldern Politik,Wissenschaft und Praxis.

INHALT03/13

MENSCHEN & MEINUNGEN

Drei Porträts:Karin Mezgolich,Michael Stadler-Vida und Elisabeth Wachter4

Kurz & bündig5-6

Das ÖsterreichischeBundesinstitut für dasGesundheitswesen (ÖBIG)kann auf vier erfolgreicheJahrzehnte zurückblicken.8

COVERSTORY:Christiana Dolezal,Vorsitzende desNetzwerks „GesundeStädte Österreichs“im Interview10

Gastbeitrag von MartinOberbauer vom WienerHilfswerk: „Wie gesundist freiwilliges Engage-ment wirklich?“13

1 Frage an 3 Expert/innen: „Heile Welt im Dorf?“14

WISSEN

Kurz & bündig15-16

Thema: Gute sozialeBeziehungen förderndie Gesundheit17-36

Johannes Siegrist: „Wasdas ,soziale Immunsystem’bewirkt.“17

Antje Richter-Kornweitzüber die wichtigsten Strate-gien zur Gesundheitsförde-rung in „Nachbarschaften“21

Daten und Fakten zur sozialen Gesundheit22

Die Initiative „Auf gesunde Nachbar-schaft!“ des FGÖ24

Acht Praxisbeispiele: Von„Völkerverständigung“im Kindergarten biszu Treffen von Jägern,Fischern und Bauern26

FGÖ-Gesundheitsreferen-tin Gerlinde Rohrauer-Näf im Interview29

THEMAImmer Ärger mit den Nachbarn:Weshalb Streit mit den Menschen von nebenanzum Leben gehört, und was Gesundheits-förderung beitragen kann, ihn zu vermeiden.

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Eine Förderschiene desFGÖ ermöglicht eineneinfachen Zugang zur Ge-sundheitsförderung aufGemeindeebene.30

So wird urbaner Raumzum Ort der Begegnung.32

SELBSTHILFE

„Tag der Selbsthilfe 2013“37

Die Adressen der Selbst-hilfe-Dachverbände38

Wirken sich soziale Be-ziehungen in Selbsthilfe-gruppen positiv auf dieGesundheit aus?39

Angehörige psychisch erkrankter Menschen undspeziell Kinder werdenvon der Selbsthilfeorgani-sation „HPE Österreich“unterstützt.40

PRAXIS

Kurz & bündig41-43

Das Projekt „loginclusi-on“ soll vor allem lang-zeitarbeitslosen Men-schen Gemeinschaft undAktivität bieten.44

Bei einem Projekt in Wien bringen zwei-sprachige Tutor/innen Migrant/innen Gesund-heitsthemen nahe.46

Das Projekt „Rundum Gsund“ hat bis Dezember 2013 imöstlichen Weinviertel fast 6.000 Teilnehmer/innen erreicht.48

SERVICEARTIKEL:Das Team von queraumhat die besten Tipps für den Aufbau „gesunderNachbarschaften“ zusammengefasst.50

Der Projekt „ReiferLebensgenuss“ in derSüdsteiermark wirdnachhaltig fortgeführt.52

ute Beziehungenzu anderen Men-schen sind für viele

das Wichtigste im Leben.Und: Wer auf Unterstüt-zung durch die Partnerinoder den Partner, die Fa-milie, Freunde, Bekannte,Kolleg/innen und Nach-bar/innen vertrauen kann,darf auch mit bessererGesundheit rechnen. Dasist durch zahlreiche Untersuchungen belegt undbedeutet auf gesellschaftlicher Ebene: Gesetze undMaßnahmen, die den sozialen Zusammenhalt ver-bessern, fördern auch die Gesundheit aller. Der Zu-sammenhang zwischen sozialen Kontakten und un-serem Wohlbefinden ist deshalb auch Schwerpunkt-thema dieser Ausgabe unseres Magazins „Gesun-des Österreich“. Auf den Seiten 17 bis 36 lesen Sieunter anderem, weshalb uns das „soziale Immun-system“ schützt, wie „soziales Kapital“ entsteht undwarum es für unsere Gesundheit so wichtig ist. Der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) hat vor ei-nem Jahr die Initiative „Auf gesunde Nachbar-schaft!“ gestartet. Wir wollten in den Modellregio-nen Waldviertel und Linz zeigen, wie die Kontaktezwischen Menschen in einem Stadtteil oder einerGemeinde verbessert werden können. Erste Resul-tate der Evaluation machen nun deutlich: Impulsein einem relativ geringen Umfang sind bereits aus-reichend, um eine Vielfalt an bunten, kreativen undnachhaltigen Kleinprojekten entstehen zu lassen –vom „Tag des offenen Gartentors“ in Linz bis zu ei-nem gemeinsamen Fest eines österreichischen undeines tschechischen Kindergartens im Waldviertel.Ab Seite 30 berichten wir, wie die Förderung sozia-ler Gesundheit im Rahmen der Schiene „Gemein-sam gesund in…“ des FGÖ fortgesetzt wird.Weitere Inhalte sind, wie Konflikte zwischen Nach-barn vermieden und geschlichtet werden können,und wie Beteiligung der Bürger/innen bei Pla-nungsprozessen dafür sorgt, dass öffentlicherRaum vermehrt zum Ort der Begegnung wird. Aktuelles aus der Selbsthilfe-Bewegung und Be-richte über erfolgreiche Projekte des Fonds Gesun-des Österreich komplettieren wie immer unserHeft. Und in unserem Serviceartikel auf Seite 50haben drei Expert/innen für Sie die besten Praxis-tipps zum Aufbau gesunder Nachbarschaften zusammengefasst.

Ich wünsche Ihnen eine informative und anregendeLektüre,

Christa Peinhaupt,Geschäftsbereichsleiterin des FGÖ

EDITORIALLiebe Leserin, lieber Leser!

18Der Kitt derGesellschaft.

Wer das „soziale Kapital“ und damit den sozialen Zusammenhalt stärkt, fördert gleichzeitig

die Gesundheit aller Menschen.

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„Wie kann man benachteilig-te Menschen am gesellschaft-lichen Leben teilhaben lassen?– Diese Frage steht für mich imZentrum meiner Arbeit, und ichhabe schon früh versucht, beipraktischen Projekten gute An-worten und Lösungen dafür zufinden“, sagt Michael Stadler-Vida.Der 42-jährige Wiener hatBetriebswirtschaftslehre undPhilosophie studiert und einStudium der Soziologie abge-schlossen. Er war sechs Jahrelang beim „Europäischen Zen-trum für Wohlfahrtspolitik undSozialforschung“ und hat 2005mit Yvonne Giedenbacher dasForschungsbüro „queraum.kul-tur- und sozialforschung“ ge-gründet. Einer der Arbeits-

schwerpunkte der vergange-nen Jahre war etwa die Leitungdes Projektes „Gesunde Leo-poldstadt“ der Wiener Gesund-heitsförderung. Die Zielgrup-pen waren unter anderem einkommensschwache Perso-nen, ältere Menschen oder Mi-grant/innen. „Wir wollten unsnicht Gedanken für jemandenmachen, sondern mit den Men-schen nach neuen Möglichkei-ten suchen, etwas für ihr Grät-zel und gleichzeitig für sichselbst zu tun“, erklärt Stadler-Vida. Das Spektrum der Ideen,die verwirklicht wurden, reich-te von Selbstbehauptungstrai-ning für Mädchen und Bur-schen bis zu kostenlosem TaiChi und einem Frauenlauftreff

im Augarten. Stadler-Vida istverheiratet und hat drei Töch-ter: Anna (17 Jahre), Lisa (12Jahre) und Lilli (7 Jahre). SeineFrau Orsolya ist Ko-Geschäfts-führerin von queraum. SeinHobby ist seit einigen Jahrendas Indoor-Klettern. „Das istein wunderbarer Ausgleich zurArbeit, weil man dabei raschabschalten und auf andere Ge-danken kommen kann“, meintder Sozialexperte.

„Mein soziales Netz sind fürmich jene Menschen, die fürmich da sind – und die umge-kehrt stets damit rechnen kön-nen, dass ich für sie da bin“,sagt Karin Mezgolich und er-gänzt: „Das sind vor allemmeine Familie und der Kreismeiner engsten Freundinnenund Freunde. Diese Menschengeben mir ein Gefühl der Si-cherheit und Geborgenheit.Sie regelmäßig zu treffen istmir wichtig und hilft mir auchdabei, Energie aufzutankenund frische Kraft für meine Arbeit zu sammeln.“Die 40-Jährige ist in Steyr ge-boren, in Urfahr in Linz aufge-

wachsen, hat Soziologie stu-diert und 1998 die Sozialaka-demie des Landes Oberöster-reich absolviert. Praktische Erfahrungen hat sie unter an-derem im „Medien KulturHaus“ in Wels und als Parkbe-treuerin in Wien-Margaretengesammelt. Zudem hat sie imKommunikationszentrum ei-ner Berufsschule, in einem Jugendzentrum und im Kul-turbereich mit und für Jugend-liche gearbeitet.Seit Februar 2009 ist Mezgo-lich für den „VSG – Verein fürSozialprävention und Gemein-wesenarbeit“ in Linz tätig, hatdort unter anderem beim Pro-

jekt „View“ als Stadtteilarbei-terin mitgewirkt und die Initia-tive „Auf gesunde Nachbar-schaft!“ des Fonds GesundesÖsterreich im Süden von Linzgeleitet (siehe auch Artikel aufden Seiten 24 bis 28). Sie in-teressiert sich für BildendeKunst, Literatur, Filme und Fo-tografie und legt Wert darauf,sich regelmäßig gesund zu be-wegen. Außerdem geht diesportliche Linzerin gerne wan-dern, zum Beispiel im TotenGebirge im Salzkammergutoder im Ötschergebiet und zu-mindest zweimal in der Wochesteht Laufen auf dem Pro-gramm.

„Mein soziales Netz sind die Menschen,

die für mich da sind.“

„Wir suchen gemeinsam mitden Menschen neue

Möglichkeiten für eine gesunde Nachbarschaft.“

MENSCHEN & MEINUNGEN

Freundlich zu grüßen und nachzufragen, wiees dem anderen geht: Das ist schon einewichtige Grundlage für eine gute und damit

gesunde Nachbarschaft“, meint Elisabeth Wach-ter (38). Die Landschaftsplanerin, die als Betreue-rin für das Regionalbüro Waldviertel der nie-derösterreichischen Dorf- und Stadterneuerungarbeitet, fügt hinzu: „In dem Dorf, in dem ich le-be, ist es auch nach wie vor so, dass alle mithel-fen, wenn etwas für die Gemeinschaft zu tunist, wie etwa einen neuen Spielplatz für die Kin-der anzulegen.“ Wachter stammt aus der Ge-meinde Großschönau im Waldviertel, hat an derUniversität für Bodenkultur in Wien studiertund sich dabei auf „endogene Regionalentwick-lung“ spezialisiert. Was heißt das genau, Frau Di-plomingenieur? „,Endogen’ bedeutet ,aus demInneren stammend’. In der Praxis beschäftigenwir uns mit allem, was aus der Region selbstkommt und diese verbessern und gleichzeitig dieLebensqualität für die Einwohner erhöhen kann“,erklärt Wachter. Die Regionalentwicklerin hatauch die Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“des Fonds Gesundes Österreich in der Modell-region Waldviertel geleitet (siehe auch Artikel aufden Seiten 24 bis 28). Mit ihrem Gatten, einemProjektmanager, und ihren Söhnen, dem fünfjäh-rigen Johannes und dem vierjährigen Florianwohnt sie in einem Haus neben dem Bauernhofihrer Eltern in Großotten, einer Katastralgemein-de von Großschönau. Ihre drei Brüder leben mitihren Familien ebenfalls in der Waldviertler Ge-meinde. Wachter gärtnert gerne und in ihremNutzgarten gedeihen heimisches Obst und Ge-müse wie Beerenfrüchte, Salate, Radieschen oderKohlsprossen. Außerdem geht die Waldviertle-rin mit ihren Kindern gerne Schwimmen oder SkiFahren und ist Obfrau des 25 Stimmen starkenChores „S[w]ingin‘ Voices“.

„Bei uns im Dorf helfen alle mit.“

ELISABETH WACHTER, BETREUERIN BEI DER DORF- UND STADTERNEUERUNG

IN NIEDERÖSTERREICH

KARIN MEZGOLICH,SOZIAL- UND STADTTEILARBEITERIN

MICHAEL STADLER-VIDA,GESCHÄFTSFÜHRER VON „QUERAUM.KULTUR- UND SOZIALFORSCHUNG“

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MENSCHEN & MEINUNGEN

40 JAHRE AVOS

Vor rund 40 Jahren setzte sichder Primararzt Franz Kainbergerfür eine innovative Idee ein. Ergründete in Salzburg als zwei-tem Bundesland nach Vorarl-berg einen Arbeitskreis für Vor-sorgemedizin, den AVOS. Wasklein begonnen hat, ist heute zueiner Einrichtung mit 64 An-gestellten geworden. Weitere22 Angestellte hat der mitAVOS verbundene AMD Salz-burg – Zentrum für gesundesArbeiten. 2013 hat das Budgetdes AVOS Salzburg insgesamt3,4 Millionen Euro betragen.Davon gehen 50 Prozent in diePrävention, 22 Prozent in dieGesundheitsförderung und 28Prozent werden für Projekteaus dem Bereich der Sozialme-dizin aufgewendet.

„Wir wollen durch Struktur-maßnahmen Prävention undGesundheitsförderung lang-fristig im Land Salzburg veran-kern“, beschreibt AVOS-Ge-schäftsführer Thomas Dillerdas wesentliche Ziel der vonihm geleiteten Einrichtung. Er-folgreiche Beispiele dafür sei-en die Programme für Gesun-de Gemeinden, Gesunde Schu-len und Gesunde Kindergär-ten. Weitere Tätigkeiten vonAVOS sind etwa Impfvorsor-ge, Zahngesundheitserziehungund therapeutische Frühför-derung. Die Förderung der Ge-sundheit in Salzburgs Betrie-ben wird gemeinsam mit denSozialpartnern im Verein AMDabgedeckt. Rauchentwöhnungund Diabetes-Schulungen, Be-treuung von Patient/innen mitHerzinsuffizienz oder die am-bulante Rehabilitation von

Schlaganfallpatient/innen ge-hören ebenfalls zum vielfälti-gen Aufgabenspektrum.Bei einer Feier Mitte Oktoberüberreichte der SalzburgerLandeshauptmann-Stellvertre-ter Christian Stöckl den Eh-renbecher des Landes Salz-burg an den 89-jährigenAVOS-Gründer Kainberger. EinHighlight des Jubiläumsfesteswar eine Showeinlage der Ver-tikaltuch-Truppe „Die buntenHosen“. Sechs Jugendliche imAlter von elf bis 14 Jahren ver-setzten die Zuschauer/innenin Staunen, als sie sich mithil-fe eines Tuchs in schwindeler-regende Höhen schraubten.Geschäftsführer Thomas Dil-ler gibt einen Ausblick auf we-sentliche künftige Aufgabenfür den AVOS: „Dazu zählt, dieGesundheitskompetenz derBevölkerung zu fördern sowie

im Sinne der Chancengerech-tigkeit speziell auch sozioöko-nomisch benachteiligte Grup-pen durch Gesundheitsförde-rung zu erreichen.“

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Buntes Fest zum Jubiläum

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AVOS hat im Bürogebäude inSalzburg den 40. Geburtstag

gefeiert. Im Bild (von links nachrechts): AVOS-Pionier Leopold

Öhler, AVOS-GeschäftsführerThomas Diller, Landeshaupt-mann-Stellvertreter ChristianStöckl, AVOS-Mitbegründerin

Gerheid Widrich, SGKK-Direktor Harald Seiss, AVOS-Gründer Franz Kainberger,

AVOS-Vorstand Peter Kowatsch.

Am Vertikaltuch: Valentin Thalmayrvor staunendem Publikum bei der 40-Jahre-Feier von AVOS Salzburg.

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MENSCHEN & MEINUNGEN

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Im Juli wurde vom Land Kärnten gemeinsammit dem Verein Gesundheitsland Kärnten dieInitiative „Gesunde Küche“ für Einrichtungender Gemeinschaftsverpflegung präsentiert. DieKärntner Landeshauptmann-Stellvertreterinund Gesundheitsreferentin Beate Prettner er-klärte die Hintergründe: „Neben berufstätigenErwachsenen werden heute auch immer mehrKinder schon in sehr frühem Alter außer Hausversorgt. Dazu kommen in Wohneinrichtungenlebende Seniorinnen und Senioren und Patien-tinnen und Patienten in Krankenhäusern.“ Dererste Kärntner Gemeinschaftsverpfleger, der die „Gesunde Küche“ eingeführt hat, ist dasJugend- & Familiengästehaus (JUFA) Bleiburg.Pro Jahr werden hier im Restaurant rund21.000 Mahlzeiten für Schüler/innen, Jugend-liche und Familien zubereitet.

GESUNDHEITSLAND KÄRNTEN

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GIVE SERVICESTELLE

Die GIVE Servicestelle für Gesundheitsbildungwurde 1998 als Initiative von Unterrichtsmi-nisterium, Gesundheitsministerium und Öster-reichischem Jugendrotkreuz gegründet. Sieberät und unterstützt Schulen auf dem Wegzu mehr Gesundheit und hat in eineinhalbJahrzehnten mehr als dreißig Publikationenveröffentlicht, fünfmal Projektwettbewerbefür Schulen betreut, zahlreiche Vorträge undSeminare gehalten und eine umfangreicheWebsite aufgebaut. Aktuell stehen eine On-line-Datenbank, Informationen zu mehrerenSchwerpunktthemen sowie über 100 Mate-

rialien zum Download zu Verfügung. AnfangDezember wurde der 15. Geburtstag gefeiert.Und dazu gibt es jetzt auch online einenRückblick auf eineinhalb Jahrzehnte erfolgrei-che Arbeit, unter: www.give.or.at.

Das Team von GIVE (von links nach rechts im Bild):Dagmar Krems, Leiterin Gabriele Laaber und Sonja Schuch.

Gerhard Reymann vom JUFA Bleiburg, JUFA-Geschäfts-führerin Cornelia Haas, die Kärntner Landessanitäts-direktorin Elisabeth Oberleitner, Landeshauptmann-Stellvertreterin Beate Prettner und die Diätologin Sabine Steiner vom Land Kärnten präsentierten die Initiative (von links nach rechts im Bild).

15 Jahre für mehr Gesundheitin der Schule

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Gesunde Bewegung beim Business Run

FONDS GESUNDES ÖSTERREICH

25.638 Läufer/innen und Nordic Walker/in-nen waren Anfang September beim 13.„Wien Energie Business Run“ am Start. Einneuer Teilnahmerekord. Der Fonds GesundesÖsterreich (FGÖ) hatte dazu mit 21 Teilneh-mer/innen beigetragen. Wie der Rest des Feldes, in dem auch die Wiener Gesundheits-förderung mit einer stattlichen Mann- undFrauschaft vertreten war, hatten sie vor allemein Ziel: Gemeinsam durch Bewegung etwasfür ihre Gesundheit zu tun. Am schnellsten

tat dies unter den FGÖ-Starter/innen deren routiniertester, Rainer Christ (55). Mit einerZeit von 17:57,2 lief er auf den beachtlichen2.236. Platz voran. Am eindrucksvollsten ta-ten dies die beiden Nordic Walking-Gruppendes FGÖ mit Gudrun Braunegger-Kallinger,Bettina Grandits und Helga Klee sowie mitGabriele Ordo, Gerlinde Rohrauer-Näf undKlaus Ropin. Sie starteten nicht nur gemein-sam, sondern überquerten nach 4,1 Kilome-tern auch zusammen das Ziel. Damit setztensie den Olympischen Gedanken vorbildlich in die Praxis um – und wohl ebenso jenen derGesundheitsförderung.

Gesunde Gemeinschafts-

küche mit Genuss

Das Team der FGÖ-Business-Walker und -Runner (sitzend von links nach rechts im Bild): Verena Zeuschner,

Sabrina Kucera, Barbara Glasner, FGÖ-Leiterin Christa Peinhaupt,Sandra Ramhapp, Alexander Wallner, Dietmar Schobel;

(stehend von links nach rechts im Bild): Rita Kichler,Martina Lerchner, Sandra Dürnitzhofer, Helga Klee, Rainer

Christ, Gerlinde Rohrauer-Näf, Gabriele Ordo, Klaus Ropin,Bettina Grandits, Petra Gajar, Gudrun Braunegger-Kallinger,

Isabel Stadler-Haushofer, Abdüsselam Özkan, Marianne Mayer.

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Die Nachfrage nach unserenLeistungen war erfreulicher-weise von Beginn an sehr

groß“, beschreibt Beate Atzler die An-fänge des von ihr geleiteten Institu-tes für Gesundheitsförderung undPrävention (IfGP), mit einer Haupt-stelle in Graz und einer Zweigstellein Wien. Es wurde vor fünf Jahren alsTochtergesellschaft der Versiche-rungsanstalt für Eisenbahnen undBergbau (VAEB) gegründet, die da-mit „zukunftsorientiert“ gehandelthabe, meint Atzler. Das rascheWachstum des Instituts für Gesund-heitsförderung und Präventionscheint das zu belegen. 2008 wurdemit fünf Mitarbeiter/innen und demArbeitsschwerpunkt „BetrieblicheGesundheitsförderung“ (BGF) be-gonnen. Heute zählt das IfGP 20 Be-schäftigte, die in den Bereichen BGF,Public Health sowie Forschung undEntwicklung tätig sind.

Drei Tätigkeitsbereiche„Im Bereich BGF initiieren und be-gleiten wir Projekte für Gesundheits-förderung. Letztlich ist uns aber vorallem auch wichtig, dass es dann imBetrieb selbst Verantwortliche fürdieses Thema gibt, die ohne externeUnterstützung die Aktivitäten fort-führen können“, sagt Atzler. VomIfGP werden deshalb unter anderemauch Seminare und Schulungen fürBetriebliche Gesundheitsmanager/innen, Gesundheitszirkelmodera-tor/innen und Gesundheitsvertrau-enspersonen abgehalten. Kunden desIfGP sind die Unternehmen, derenBeschäftigte und Pensionist/innenbei der VAEB versichert sind, weite-re Firmen sowie auch weitere Kran-kenkassen und andere Einrichtun-gen des Gesundheitssystems.Im Bereich Public Health ist „HealthLiteracy“ oder auch Gesundheits-kompetenz eines der Schwerpunkt-themen. „Hier geht es unter anderemdarum beizutragen, dass sich die

persönliche Gesundheitskompetenzverbessert, aber auch darum Einrich-tungen und Angebote des Gesund-heitswesens vermehrt an den Be-dürfnissen der Bevölkerung auszu-richten“, erklärt Atzler. In der Stei-ermark wird aktuell in Kooperationmit Styria vitalis eine Gesundheits-folgenabschätzung zu den Auswir-kungen der Ganztagsschule durch-geführt. Im Bereich Forschung undEntwicklung zählen weiters auchKonzepte, Evaluationen und Netz-werkanalysen sowie statistische Ana-lysen zu den Tätigkeitsfeldern.

Gesundheitsförderung besser verankernWas wünscht sich Atzler zum run-den Geburtstag des von ihr geleite-ten Institutes? „Dass wir uns wei-terhin dynamisch entwickeln undeinen wesentlichen Beitrag leistenkönnen, Gesundheitsförderung imösterreichischen Gesundheitssystem

besser zu verankern“, antwortet dieIfGP-Geschäftsführerin. Ein Durch-bruch sei in dieser Hinsicht bereitserzielt worden. „Neun der zehn 2012vom Ministerrat beschlossenen öster-reichischen Rahmen-Gesundheits-ziele, an denen auch das IfGP mit-wirken durfte, sind auf Gesundheits-förderung und nicht auf Kranken-versorgung ausgerichtet“, freut sichAtzler. Künftig müsse Gesundheits-förderung gegenüber der medizini-schen Prävention jedoch in der Pra-xis ebenfalls noch wesentlich mehrGewicht bekommen. „Nur so kön-nen wir dorthin kommen, wo dieskandinavischen Länder bereits ste-hen“, betont die IfGP-Geschäftsfüh-rerin: „Denn bei einer ähnlich ho-hen Gesamtlebenserwartung dürfenetwa die Menschen in Schweden imVergleich zu den Österreicher/in-nen damit rechnen, rund zehn Jah-re mehr bei guter Gesundheit zu ver-bringen.“

Der Durchbruch ist geschafftDas Institut für Gesundheitsförderung und Prävention wurde vor fünf Jahren gegründet. Es gibt große Nachfrage für seine

Leistungen und Geschäftsführerin Beate Atzler sieht auch insge-samt großes Zukunftspotenzial für Gesundheitsförderung.

Ein Teil des IfGP-Teams bei einer Wanderung am Semmering im Oktober (von links nach rechts im Bild):Martina Bonstingl, Monika Bauer, Jürgen Soffried, Geschäftsführerin Beate Atzler, Stephanie Rath mit Tochter Lillith,Karin Tropper, Heike Füreder, Birgit Wesp, Hubert Langmann, Maria Reiter, Klaus Friedrich.

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Die Gesundheitspolitik hat beifast allen aktuellen Projektenauf Leistungen des ÖBIG und

der Gesundheit Österreich GmbHgesetzt“, sagte GesundheitsministerAlois Stöger bei einer Feier anlässlichdes 40-Jahre-Jubiläums des Österrei-chischen Bundesinstitutes für dasGesundheitswesen (ÖBIG) AnfangSeptember in Wien. Das ÖBIG unddie Gesundheit Österreich GmbH(GÖG) hätten bei allen Institutionenim Gesundheitsbereich Reputationerworben und wesentlich dazu bei-getragen, dass „gemeinsame Sicht-weisen“ erarbeitet und die „patien-tenorientierte Gesundheitsreformmachbar“ geworden sei, erläuterteder Minister und betonte: „Die zen-trale Frage ist dabei: Was brauchendiejenigen, die das Gesundheitssys-tem bezahlen.“„Politik und Verwaltung brauchendie Steuerungsintelligenz von ÖBIGund Gesundheit Österreich GmbH“,sagte auch Clemens Martin Auer, derLeiter der Sektion I, „Gesundheits-system, zentrale Koordination“ desGesundheitsministeriums bei der

MENSCHEN & MEINUNGEN

Festveranstaltung. Das ÖBIG sei eininternational anerkanntes „Centerof Excellence“ und bereits dessenGründung im Jahr 1973 sei innova-tiv gewesen. „Unter der Regierungvon Bundeskanzler Bruno Kreiskywurde damals erstmals eine wissen-schaftliche Einrichtung ausgeglie-dert“, erklärte der Sektionschef. Seit2006 steht das ÖBIG ebenso wie dasBundesinstitut für Qualität im Ge-sundheitswesen (BIQG) und derFonds Gesundes Österreich (FGÖ)unter dem Dach der Gesundheit Ös-terreich GmbH (GÖG).

Objektive Bewertung statt InteressenspolitikAuch Hans Jörg Schelling, der Vor-sitzende des Verbandsvorstandes imHauptverband der österreichischenSozialversicherungsträger, stellte dieFunktion von ÖBIG und GesundheitÖsterreich GmbH bei der Erarbei-tung der Gesundheitsreform in denVordergrund. Diese Institutionenhätten der Interessenspolitik die Er-gebnisse objektiver Bewertung ent-gegengehalten, sagte Schelling undergänzte: „Die Gesundheit Öster-reich GmbH kann wesentliche Anre-gungen für eine aktive, evidenzba-sierte Weiterentwicklung des Ge-sundheitssystems geben und in die-sem Sinne wird ihr in Zukunft einenoch wichtigere Rolle zukommen.“Dass die Arbeit des ÖBIG und derGesundheit Österreich GmbH künf-tig noch größeren Stellenwert habenwird, betonte auch die Wiener Stadt-rätin für Gesundheit und SozialesSonja Wehsely in ihrem Statement beider Veranstaltung, die von Reinhard

Buchinger moderiert wurde, der beider GÖG für Strategische Kommuni-kation zuständig ist. Es gehe nichtnur darum, die Qualität der Prozes-se im Gesundheitssystem zu über-prüfen, sondern vor allem auch jeneder Ergebnisse, erklärte Wehsely.Außerdem sollten ÖBIG und GÖGfür die Bundesländer und Regionendie Instrumente liefern, um die inder Gesundheitsreform vorgesehe-nen „Best Points of Service“ festzu-stellen – also jene Gesundheitsein-richtungen, die für Patient/innenmit bestimmten Beschwerden jeweilsdie bestmögliche Versorgung bietenkönnen.

Mehr Nutzen für Patient/innenMichaela Moritz, ab 1989 Geschäfts-führerin des ÖBIG und in der Folgeder GÖG sowie Arno Melitopulos, derab 2008 das ÖBIG und ab 2009 dieGÖG leitete, gaben einen Rückblickauf die Herausforderungen währendihrer Jahre als Leiter/innen der ge-nannten Einrichtungen. Georg Zinielist seit August 2011 Geschäftsführerder Gesundheit Österreich GmbHund stellte in seinem Vortrag eben-falls den Aspekt der Patientenorien-tierung in den Vordergrund. „Es gehtnicht nur um die Frage, was be-stimmte Leistungen und Angebotekosten, sondern vor allem darum,welchen Nutzen sie aus Sicht der Pa-tienten und der Bevölkerung brin-gen“, sagte Ziniel und ergänzte: „Mitdiesem Ziel wollen wir anwendungs-orientierte und praxisrelevante wis-senschaftliche Daten und Fakten alsGrundlage für die Planung des Gesundheitssystems bereitstellen.“

Happy BirthdayÖBIG!

Schon die Gründung des ÖBIG 1973 war innovativ. 40 Jahre später soll das Bundesinstitut weiterhin durch solide

Fakten beitragen, das Gesundheitssystem bestmöglich zu planen.Der Fokus ist dabei auf den Nutzen für Patienten gerichtet.

Georg Ziniel, der Geschäftsführer der Gesundheit Österreich GmbH: „Wir wollen anwendungsorientierte wissenschaftliche Daten als Grundlage für die Planung des Gesundheitssystems bereitstellen.“

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Christiana Dolezal, Vorsitzende des Netzwerks „Gesunde Städte Österreichs“, im Interview über das„soziale Immunsystem“ und was die FGÖ-Initiative„Auf gesunde Nachbarschaft!“ für Linz gebracht hat.

Text: Dietmar Schobel

GESUNDES ÖSTERREICH Frau Vorsitzende Dolezal, sind soziale Kontakte wichtig für die Gesundheit?Christiana Dolezal: Davon bin ich über-zeugt. Wer damit rechnen kann, dass ihnseine Familie, seine Freunde oder auch dieNachbarn bei Bedarf unterstützen, kann Be-lastungen tendenziell besser bewältigen. ZuRecht wird in diesem Zusammenhang von ei-ner Art „sozialem Immunsystem“ gespro-chen. Ein gutes soziales Netzwerk trägt zur

Lebensqualität bei und erhöht die Wahr-scheinlichkeit, die psychische und körperlicheGesundheit aufrechterhalten zu können.Wenn das Wohlbefinden beeinträchtigt seinsollte, dann können gute soziale Beziehun-gen beitragen, es rascher wiederherzustellen.Wissenschaftliche Studien deuten auch da-rauf hin, dass eine ausreichende Zahl gutersozialer Kontakte, die Sterblichkeit verrin-gern kann. Vereinfacht könnte man sagen:Wer gute Freunde hat, lebt voraussichtlichauch länger.

GESUNDES ÖSTERREICH Die Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“ des Fonds GesundesÖsterreich (FGÖ) soll soziale Kontakte fördern. Was hat sie in Linz gebracht? In Städten leben die Menschen ohnehin ano-nymer als auf dem Land.Gleichzeitig wird auchinsgesamt der Druck im Berufsleben immergrößer. Oft scheint die Zeit dafür zu fehlen, pri-vate Kontakte aufzubauen und zu pflegen. Esist also nicht selbstverständlich, dass sozialeNetzwerke zwischen Nachbarn entstehen. DieFGÖ-Initiative ist in Linz gut gelaufen und konn-te zeigen, wie es mit vergleichsweise geringenfinanziellen Ressourcen möglich ist, dafür Im-pulse zu geben. Letztlich ist aber auch Eigen-initiative der Menschen notwendig, damit die-se Anregungen aufgegriffen werden und tat-sächlich gute Nachbarschaften entstehen oderbestehende Netzwerke verstärkt werden.

IM GESPRÄCH

Geboren am 17. Juli 1951 in LinzSternzeichen: KrebsIch lebe mit meinem Lebensgefährten, dempensionierten Juristen und Industriekauf-mann Wilfried Mörkelsberger in einem Hausim Süden von Linz. Meine Tochter Brigittewurde 1975 geboren, meine Enkelin Oliviaist zwei Jahre alt.Meine Hobbys sind viel Sport, wie Tennis,Radfahren und Schwimmen, Lesen und meinGarten. Bei mir blüht und gedeiht fast alles –von Blumen bis zu Gemüse wie Radicchio, Pa-prika und Paradeisern. Deshalb bin ich auch

ein wenig stolz auf meinen „grünen Daumen“.Ich urlaube gerne auf Kreta und in Österreich im Burgenland und in Kärnten.Im Wirtshaus bestelle ich ein Gulaschmit Nockerln und dazu einen gespritztenApfelsaft.Meine Musik sind Schlager-Oldies, zumBeispiel von Simon & Garfunkel oder UdoJürgens. Ich höre aber auch gerne Klassik,wie etwa Opern von Giuseppe Verdi.Auf meinem Nachtkästchen liegenimmer mindestens zwei Bücher. Aktuell die„Rote Spur“ vom südafrikanischen Krimiautor

Deon Meyer und die Liebesgeschichte „Ein ganzes halbes Jahr“ von der britischenJournalistin und Schriftstellerin Jojo Moyes.Was mich gesund erhält, sind meine Fa-milie und unsere langjährigen engen Freunde.Was krank machen kann, sind Einsam-keit und Erfolglosigkeit, also das Gefühl zuhaben, im Leben und im Beruf nicht voranzu-kommen.Diese drei Eigenschaften beschreiben mich am besten:Ich bin emotional, kommunikativ und mitmeinem Leben zufrieden.

ZUR PERSON CHRISTIANA DOLEZALFo

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Wer gute Freunde hat,lebt länger

Page 11: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

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„Wer von seiner Familie und Freunden

sozial unterstütztwird, kann Belastungen

besser bewältigen.“Christiana Dolezal

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IM GESPRÄCH

12 gesundesösterreich

GESUNDES ÖSTERREICH Was unternimmt die Stadt Linz, um nachbarschaftliche Beziehungen zuverbessern?Die Stadt Linz hat unter anderem auf struktu-reller Ebene bessere Voraussetzungen geschaf-fen und zwar durch das Konzept der „Stadt-teilbüros“. Diese sollen den Bürgerservice näher zu den Menschen bringen.Angebote inBereichen wie Erziehungshilfe, Jugendwohl-fahrt, Sozialberatung oder Unterstützung vonMenschen mit Beeinträchtigungen sollen nichtmehr nur im Rathaus, sondern auch direkt inverschiedenen Stadtteilen verfügbar sein. Daserste Stadtteilbüro dieser Art wurde in Auwie-sen im Linzer Süden eröffnet. Es befindet sichalso dort, wo auch die FGÖ-Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“ umgesetzt wurde(siehe auch Berichte auf Seite 24 bis 29).

GESUNDES ÖSTERREICH Was sind die wichtigsten Erkenntnisseaus dem aktuellen Linzer Gesundheits-bericht, der im September präsentiertwurde?Die Stadt Linz hat mit dem aktuellen Gesund-heitsbericht bereits zum dritten Mal auf eineForm der Dokumentation gesetzt, die weitüber das bloße Sammeln von Gesundheitsda-ten hinausgeht.Wir wollen eine Form der Be-richterstattung, die Unterschiede nach derWohnumgebung und sozialen Faktoren fest-stellt und dadurch eine gute Grundlage fürgezielte Interventionen bietet.Insgesamt zeigt der Bericht, dass die Einwoh-nerinnen und Einwohner ihre Gesundheit sub-jektiv großteils positiv beurteilen. Drei Viertel

sagen, ihr Gesundheitszustand sei „sehr gut“oder „gut“. Das ist etwas mehr als bei der Ge-sundheitsbefragung 2006.Nach dem sozialen Status gibt es freilich deut-liche Unterschiede. Linzerinnen und Linzer mithöherem Bildungsniveau und Pro-Kopf-Ein-kommen berichten häufiger von einer „sehr gu-ten“ oder „guten Gesundheit“. Menschen,die sich durch finanzielle Probleme belastetfühlen, sagen hingegen öfter, dass ihr Gesund-heitszustand schlecht sei.

GESUNDES ÖSTERREICH Welche Ergebnisse gibt es im Bezug auf dassoziale Umfeld und die Wohnum-gebung?Fast alle Linzerinnen und Linzer beurteilen dieQualität ihrer sozialen Kontakte positiv. 87Prozent sind mit ihren familiären Beziehun-gen „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ undsogar 91 Prozent mit ihrem sozialen Umfeldund dem Freundeskreis. Gleichzeitig gebenjedoch auch 18 Prozent an, sich durch Pro-bleme im Familien-,Verwandten- oder Freun-deskreis „stark belastet“ oder „eher belas-tet“ zu fühlen.Neben dem sozialen Umfeld kann auch dieWohnsituation einen deutlichen Einfluss aufdie Gesundheit haben, zum Beispiel wie vielPlatz zur Verfügung steht, welche Baustoffeverwendet wurden oder ob es Belastungendurch Lärm gibt. 87 Prozent der Linzerinnenund Linzer sind mit ihrer Wohnsituation „sehrzufrieden“ oder „zufrieden“. 13 Prozent sind„weniger“ oder „gar nicht zufrieden“.In zwei Gruppen ist dieser Anteil jedoch we-sentlich höher: Unter den Personen mit Haus-

haltseinkommen bis 1000 Euro sind 20 Pro-zent mit ihrer Wohnsituation „weniger“ oder„gar nicht zufrieden“. Bei den Menschen mitMigrationshintergrund beträgt dieser Anteilsogar rund 30 Prozent. Bemerkenswert istauch, dass sich die meisten Einwohner/innenihrem Stadtteil verbunden fühlen und gern indiesem leben. Das sagen im Durchschnitt 86Prozent der Linzerinnen und Linzer. Zudem ge-ben fast zwei Drittel der Menschen an, dasssie „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ mitder „Art der Leute“ in ihrer Wohngegendseien. Dabei gibt es allerdings starke Unter-schiede nach Bezirken. In den StadtteilenNeue Welt, Scharlinz, Kleinmünchen undSchörgenhub etwa sagen das nur rund einDrittel der Befragten.

GESUNDES ÖSTERREICH Was sind die wesentlichen Leistungen des Netzwerkes „Gesunde Städte Öster-reichs“, dessen Vorsitzende Sie sind? Dem Netzwerk „Gesunde Städte Österreichs“,das heuer sein 20-Jahre-Jubiläum gefeierthat, gehören aktuell 24 Städte mit insgesamtmehr als drei Millionen Einwohnerinnen undEinwohnern an. Im Rahmen des Netzwerkswurden bislang 60 Ausschusssitzungen undFachtagungen abgehalten. Im Zentrum stehender Informationsaustausch und der Know-how-Transfer zu Themen der Gesundheits-förderung und Prävention. In den StädtenWien, Linz, Klagenfurt, Tulln und Bruck ander Mur werden auch „Gesundheitspreise“ausgeschrieben. Dadurch wird das ThemaGesundheit noch stärker ins Zentrum der Auf-merksamkeit gerückt.

„Ich bin in Linz geboren und imViertel ,Bindermichl’ aufgewachsen,wo auch viele Arbeiter der VOESTzuhause sind. Ich bin stolz daraufLinzerin zu sein und bis auf diesechs Jahre meines Medizinstudi-ums in Graz hatte ich auch immerhier mein Zuhause“, erzählt Christiana Dolezal. Schon mit 28 Jahren hat sie von ihrem Vaterdessen Ordination im genanntenArbeiterviertel übernommen.Daneben war sie beim Aufbau einer Struktur für die Hauskranken-

pflege durch die Volkshilfe in Linzengagiert sowie im Verein „AktionTagesmütter“.„In jüngeren Jahren war ich poli-tisch nicht aktiv“, sagt die Medizi-nern. 1991 ist sie dann jedoch demRuf gefolgt, Linzer Gemeinderätinzu werden. 1997 übernahm sie dasAmt der Gesundheitsstadträtin, warauch für Umwelt- und Sportagen-den zuständig und wurde 2003 zu-dem Vizebürgermeisterin der ober-österreichischen Landeshauptstadt.„Wichtige Schwerpunkte meiner

Arbeit waren für mich unter ande-rem bauliche und inhaltliche Ver-besserungen beim Linzer Allgemei-nen Krankenhaus und die Luftsa-nierungspakete, die gemeinsam mitder VOEST als gutem Partner in diePraxis umgesetzt werden konn-ten“, sagt Dolezal.Zu ihren zahlreichen weiterenFunktionen zählt unter anderem je-ne als Vizepräsidentin des oberös-terreichischen Roten Kreuzes. Fürden Städtebund war sie Mitglieddes Kuratoriums des Fonds Gesun-

des Österreich. Ende September istsie als Stadträtin, Vizebürgermeiste-rin und Ärztin in den Ruhestandgetreten und will auch ihre zahlrei-chen anderen Aufgaben nach undnach zurücklegen. Vor dem „Pensi-onsschock“ hat sie dennoch keineAngst. Im Gegenteil: „Ich freuemich schon sehr darauf, mehr Zeitfür meine Enkelin zu haben undHaus, Garten und Freizeit mit mei-nem Lebensgefährten und meinerFamilie genießen zu können“, sagtDolezal.

EIN KURZER LEBENSLAUF VON CHRISTIANA DOLEZAL

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GASTBEITRAG

G utes tun tut gut!“, „Engagiert ge-sund bleiben!“, „Ehrenamt istgesund!“: Auf manche wirken

diese Überschriften sehr animierend,auf andere eher reißerisch. Sie weisenauf das gesundheitsfördernde Potenzialvon Freiwilligenarbeit hin und sind be-sonders seit dem Europäischen Jahr derFreiwilligentätigkeit 2011 zunehmendhäufig zu lesen. Das unentgeltliche En-gagement für die Gesellschaft soll dasWohlbefinden steigern, Depressionenverhindern und lebensverlängernd wir-ken. Alles nur eine weitere PR-Masche,um Freiwillige für unbezahlte Einsätzezu gewinnen? Oder stecken wissen-schaftlich überprüfte Fakten hinter die-sen Schlagworten?Tatsächlich belegt inzwischen eine Viel-zahl an wissenschaftlichen Publikatio-nen die positiven Auswirkungen eh-renamtlicher Einsätze auf das Wohlbe-finden speziell von älteren Freiwilligen.Mit zunehmendem Alter können häu-fig manche Rollen in Beruf und Privat-leben nicht mehr wie bislang ausgeübtwerden. Das kann mit weniger Aner-kennung einhergehen. Freiwilliges En-gagement scheint speziell diese Einbu-ßen ausgleichen und eine höhere Le-benszufriedenheit fördern zu können.Der aktuelle Forschungsstand sprichtauch dafür, dass Freiwilligenarbeit inOrganisationen die Depressionsneigungvon älteren Freiwilligen verringert, nichtjedoch informelles Engagement, wie et-wa für Freunde, Bekannte, Nachbarn.

Sterblichkeit um 25 Prozent reduziertDass Freiwillige mit Belastungen offen-bar besser umgehen können als Perso-

nen, die sich nicht engagieren, dürfte inZusammenhang dazu stehen, dass siedurch ihre Tätigkeit mehr Menschenkennen lernen, mit denen sie dann ih-re Probleme besprechen und so Unter-stützung und Entlastung finden. DochFreiwilligenarbeit beeinflusst offenbarauch die körperliche Gesundheit deut-lich. Eine aktuelle Metastudie aus denUSA zeigt, dass die Sterblichkeit durchfreiwilliges Engagement um zumin-dest 25 Prozent reduziert werden kann.Aber sind nicht vielleicht doch Lebens-stilfaktoren für all diese Ergebnisse ver-antwortlich? Sind Freiwillige vielleichtgrundsätzlich aktiver, bewegen sichmehr, betreiben mehr Sport und essengesünder? Auch das wurde bereits be-rücksichtigt und wissenschaftliche Studien wurden mit Hilfe statistischerMethoden so gestaltet, dass diese zwei-fellos vorhandenen Effekte auf die Er-gebnisse keinen Einfluss mehr hatten.Dabei zeigte sich, dass auch dann nochein bedeutsamer Zusammenhang zwi-schen körperlicher sowie psychischerGesundheit und freiwilliger Tätigkeitvorhanden ist.

Zumindest zwei StundenBleibt die Frage, ob die Gesundheitsef-fekte in jedem Fall eintreten oder nurunter bestimmten Bedingungen? Eini-ges spricht dafür, dass das Ausmaß desEngagements eine wesentliche Rollespielt. Erste Richtwerte gehen davonaus, dass weniger als zwei Stunden proWoche jedenfalls nicht ausreichen, umeinen Effekt zu erzielen. Mehr als 15Stunden können hingegen überfordernund stressbedingt sogar eher negativ

wirken. Entscheidend ist außerdem,dass die Einsätze wirklich freiwilligund selbst bestimmt erfolgen.Alles in allem zeichnet sich mittlerwei-le ein realistisches Bild ab: FreiwilligesEngagement kann insbesondere bei äl-teren Menschen positive Auswirkun-gen auf Psyche und Körper haben,wenn bestimmte förderliche Bedingun-gen gegeben sind. Daraus abgeleiteteProgramme zur Gesundheitsförderungsind viel versprechend, sofern keinDruck auf die potenziellen Freiwilli-gen ausgeübt wird. Sie setzen gute Rah-menbedingungen in den Organisatio-nen voraus, die nur durch entsprechen-de finanzielle Mittel zu schaffen sind.Und das bedeutet schließlich: Ehren-amt tut gut und ist gesund, wenn es gutorganisiert wird und in einem passendgestalteten Rahmen stattfinden kann.

Ehrenamt tut gut und ist gesund. Doch das gilt nur dann, wenn es richtig organisiert wird und in einem passend gestalteten

Rahmen stattfinden kann, meint Martin Oberbauer, der Freiwilligen-Manager des Wiener Hilfswerks, und belegt dies

mit Ergebnissen wissenschaftlicher Studien.

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ZUR PERSON

Martin Oberbauer ist Gesundheits- und Arbeitspsychologe, Freiwilligen-Managerdes Wiener Hilfswerks und im Vorstand der Wiener Plattform für Freiwilligenkoor-dinator/innen. Seit 1999 organisiert er dieWiener Ehrenamtsbörse als Informations-drehscheibe für freiwilliges Engagement.Er berät und unterstützt gemeinnützigeOrganisationen beim Aufbau eines zeitge-mäßen Freiwilligen-Managements. Für die Interessensgemeinschaft Freiwilligen-zentren Österreichs ist er Mitglied im Österreichischen Freiwilligenrat.

Wie gesund ist freiwilliges Engagement wirklich?

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UMFRAGE

Helmut MödlhammerPräsident des Österreichischen Gemeindebundes

Vor allem überschaubare Lebensraumeinheiten wie kleine Landgemeinden sind grundsätzlich durch ein hochgradiges Gefühlder Zusammengehörigkeit geprägt. Dort werden die Menschen mit ihren Sorgen und Problemen tatsächlich mitgenommenstatt ausgegrenzt. Allerdings kann man auch am Land einen Trend dazu beobachten, dass sich Einzelne abkapseln – geradedann, wenn Probleme auftauchen. Doch auch dann hilft und trägt die Dorfgemeinschaft – unter der Voraussetzung, dassman die Probleme der Betroffenen kennt. Der Mensch in einer kleinen Gemeinde ist also keine Nummer, sondern eine Persönlichkeit, die mit all ihren Sorgen und Freuden wahrgenommen wird, und das ist ein ganz entscheidender Faktor, dersoziale Gesundheit fördert.Gesundheitspolitik muss sich daher daran orientieren, wo sie am erfolgreichsten ist, und das ist sie in den Gemeinden, woeinerseits der unmittelbare Kontakt zwischen Bürger/innen und Gemeinde gegeben ist, und wo die Gemeinde andererseitsentsprechende Akzente setzen kann – von der „Gesunden Jause im Kindergarten“ bis hin zu Präventionsangeboten für Senior/innen. Hier ist konkreter Handlungsbedarf gegeben, der konkrete Arbeit erfordert, die aber auch konkret benannt undbeziffert werden kann. Ich halte also in diesem Zusammenhang relativ wenig von laut von oben nach unten verordneten Aktionen und sehr viel von der von unten nach oben gelebten Gesundheitsförderung.

Johannes RiederArbeitskreisleiter der Gesunden Gemeinde Poysdorf

„Der zündende Funke, der Menschen dazu bewegt, für andere einzustehen, ist das Kostbarste in einer Gesellschaft“,sagt der Verhaltensforscher, Martin L. Hoffmann. Tatsächlich wirkt tiefes Mitempfinden mit dem, was ein anderer durch-lebt, „entzündend“, denn daraus können Begegnungen und sozialer Zusammenhalt entstehen. Doch diese Begabungenund Möglichkeiten sind – das wird wohl auch die Forschung bestätigen – nicht nur am Land, sondern auch in der Stadtzu finden. Es gibt Grätzeln in der Stadt, die enorm viel soziales Kapital und Kitt haben, und andererseits gibt es wohlauch am Land Dörfer oder Kleinstädte mit Empathiewüsten. Was ich in meiner Heimatgemeinde Poysdorf sehr schätzeist das Bemühen der vielen Vereine, der Pfarre, der Institutionen, die sich höchst erfolgreich in Kultur-, Sport-, Bildungs-und Sozialarbeit engagieren. Das Dorf, die Gemeinde lebt davon und darf sich glücklich schätzen, auf solche Gemein-schaftssäulen bauen zu dürfen: Je mehr sozialer Kitt, desto gesünder sind die Menschen. Wir können diese Entwicklungunterstützen, indem wir Gemeinschafts- und Beziehungsprozesse sowie eine einander respektierende Lebenskultur för-dern, Dorferneuerungen durchführen, Sozialkapitalmoderator/innen ausbilden, die Schere zwischen Arm und Reich ver-ringern und die Leitlinien der Agenda 21 umsetzen, dem Aktionsprogramm für nachhaltige Entwicklung. Nicht zuletztgeht es aber auch darum, gemeinsam einzelne Anliegen zu lösen und: miteinander zu feiern!

Brigitte WolfRegionalmanagerin für das Projekt „Gesundes Dorf“ im Burgenland

Geeignete Orte, um Sozialkontakte zu knüpfen, sind auf dem Land vor allem Vereine und religiöse Gemeinschaf-ten oder Veranstaltungen in den von den eigenen Kindern besuchten Kindergärten und Volksschulen. In der Stadtexistieren unzählige, verschiedenste Interessen abdeckende Angebote und Einrichtungen. Zusätzlich sind im Be-darfsfall Beratungsstellen in der Stadt leichter und anonymer – im positiven Sinn – erreichbar. Ich glaube, dassvor allem Frauen, wie auch Menschen aus sozialen Randgruppen von den urbanen Optionen profitieren. Beson-ders in kleinen Gemeinden beschränkt sich das Vereins- und Sozialleben nämlich gerne auf Fußballverein undWirtshaus.Andererseits finden aufgeschlossene Menschen, die von sich aus gerne auf andere zugehen, meist leicht Kontaktund integrieren sich leicht in soziale Netze, mit all ihren Vorteilen für die seelische Gesundheit, und zwar unab-hängig davon, ob sie in einer Großstadt oder in einem Dorf leben, und unabhängig davon, ob sie an ihrem Wohn-ort aufgewachsen oder „zuagroast“ sind. In der kommunalen Gesundheitsförderungsarbeit hat es sich allerdingsals schwierig erwiesen, soziale Randgruppen zu erreichen. Hier erleichtern Kooperationen mit zentral gelegenenBeratungsstellen den Zugang zur angesprochenen Zielgruppe. Was Kinder betrifft, so sind im Dorf Institutionenwie Kindergarten und Volksschule gute Anknüpfungspunkte, sie möglichst nachhaltig in das Gemeindeleben zuintegrieren.

Wie steht es um den sozialen Zusammenhalt im Dorf? Ist die Welt dort noch heil, oder ist das ein Klischee, und: Wie kann die soziale Gesundheit am Land gefördert werden?

Gabriele Vasak hat dazu drei Expert/innen befragt.

Heile Welt im Dorf?

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WISSEN

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TAGUNG ZUM GENERATIONEN-MANAGEMENT

Die Zahl der Menschen über 60,70, 80 und 90 Jahren nimmt inden Staaten Europas und speziellin Österreich kontinuierlich zu. ImVergleich dazu sinkt der Anteiljüngerer Bevölkerungsgruppen.Diese so genannte „demografi-sche Alterung“ ist eine Herausfor-derung für die Gesellschaft – undbesonders auch für Unternehmenund andere Organisationen. Be-triebliche Gesundheitsförderung(BGF) ist die wesentliche Strate-gie, um Betriebe davon ausge-hend zukunftsfit zu machen. BGFkann entscheidend dazu beitra-gen, dass Menschen ihre Arbeit

länger, zufriedener und bei besse-rer Gesundheit ausüben können.Zwei wesentliche Maßnahmen,damit das gelingen kann, beste-hen darin, Arbeitsplätze besseran die Bedürfnisse alternder Be-legschaften anzupassen sowienach längeren Erkrankungen bes-sere Möglichkeiten für den Wie-dereinstieg zu bieten.„Generatio-nenmanagement“ geht noch ei-nen wichtigen Schritt darüber hi-naus und versucht zum Bestenbeider Gruppen nicht nur denspezifischen Bedürfnissen älterer,sondern auch jenen jüngerer Mit-arbeiter/innen gerecht zu wer-den. Mitte Oktober war eine Ta-gung in Bregenz diesem Themagewidmet, und es wurden auchzahlreiche „Praktische Beispielealter(n)sgerechter Arbeitsgestal-

tung“ präsentiert. Neben demVeranstalter Heinrich Geißler, seit1991 Berater für Betriebliche Ge-sundheitsförderung, referiertenetliche weitere Fachleute. Dazuzählte auch der weltweit aner-kannte Experte Juhani Ilmarinen.Er hat 35 Jahre lang am FinnishInstitute of Occupational Health(FIOH) geforscht und über 500Publikationen veröffentlicht. Seit2009 ist er selbständig tätig. DerKonferenzbeitrag von Ilmarinenzum Thema „Arbeitsfähig bis 67. Geht das?“ steht unterwww.generationen-manage-ment.com zum Download zurVerfügung. Hier kann auch dasReferat der Sozialforscherin undOrganisationsentwicklerin BirgitBuchinger abgerufen werden,dassich mit „Geschlechtergerechtig-

keit – DER Erfolgsfaktor im Gene-rationen-Management“ befass-te. Die Unternehmensberaterin-nen Irene Kloimüller und RenateCzeskleba informierten über: „Ar-beitsfähigkeit erhalten: WelcheAnsätze haben sich in der be-trieblichen Praxis bewährt?“. UndHeinrich Geisslers Vortrag thema-tisierte schließlich: „NachhaltigesGenerationen-Management: DieWerkzeuge zur Förderung der Ar-beitsfähigkeit und Gesundheit imBetrieb“.

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Arbeit altersgerechtgestalten

Der international anerkannte Experte für „alter(n)sgerechte“ ArbeitsgestaltungJuhani Ilmarinen aus Finnland referierte in Bregenz zum Thema:„Arbeitsfähig bis 67. Geht das?“.

„Generationenmanagement“bedeutet in Betrieben sowohldie Bedürfnisse älterer als auchjene jüngerer Beschäftigterspeziell zu berücksichtigen.

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16 gesundesösterreich

GFA-FACHTAGUNG IN LINZ

Eine Gesundheitsfolgenabschät-zung (GFA) ist ein Analyse- undBewertungsinstrument dasvom Konzept „Health in All Po-licies“ ausgeht, also davon,dass Gesundheit durch alle Politikbereiche und gesell-schaftlichen Entscheidungenbeeinflusst wird. Mit einer GFAkann systematisch festgestelltwerden, wie sich Maßnahmenin unterschiedlichen politischenund gesellschaftlichen Berei-chen auf die Gesundheit so-wie deren Verteilung in der Be-völkerung auswirken. Somitkann dieses Instrument, wennes entsprechend angewendetwird, auch dazu beitragen,die sozial ungleiche Verteilungvon Gesundheit gerechter zugestalten. Denn wer in Hin-blick auf Bildung, sozialen Status und Einkommenssitua-tion benachteiligt ist, ist esauch in Hinblick auf seine Ge-sundheitschancen.Anfang Dezember fand in Linzdie 2. österreichische Fach-tagung zur Gesundheitsfolgen-abschätzung statt. Sie wurdevon der Gesundheit Österreich

GmbH, dem Institut für Gesund-heitsplanung, der Oberösterrei-chischen Gebietskrankenkasseund dem Hauptverband der österreichischen Sozialversiche-rungsträger im Auftrag des Bundesministeriums für Ge-sundheit veranstaltet. Unterdem Titel „GFA in Österreich“wurden dabei „Erste Schrittein die Praxis“ vorgestellt. Zuden Inhalten zählte unter ande-rem ein Vortrag zum „Standder Etablierung von GFA in Österreich“, der von ChristineKnaller von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) gehaltenwurde. Elisabeth Türscherl vonder GÖG und Thomas Amegahvom Amt der SteiermärkischenLandesregierung präsentierten

einen „GFA-Leitfaden für diePraxis“. Und Sabine Haas vonder GÖG stellte Ergebnisse der„Österreichischen Pilot-GFAzum verpflichtenden Kindergar-tenjahr“ vor.„Das verpflichtende Kindergar-tenjahr hat potenziell eine Reihe von meist langfristig wirk-samen positiven Auswirkungenauf die Gesundheit der Kinder.Vor allem können sich durchFörderung der sozialen, kogni-tiven, sprachlichen, emotionalensowie motorischen Kompeten-zen Bildungspotenziale besserentfalten und spezifischer För-derbedarf einzelner Kinder wirdfrüher erkannt“, sagte die Vor-tragende und ergänzte, dassdie positiven Auswirkungen beiKindern aus sozial benachteilig-ten Gruppen potenziell beson-ders stark seien, zumal diesezuvor überproportional häufigkeinen Kindergarten besuchthätten. „All das gilt jedoch nurdann, wenn für die Bildungsar-beit in Kindergärten entspre-chende Rahmenbedingungenvorhanden sind, wie etwa klei-ne Gruppengrößen, ausreichendPersonal und genügend Zeit fürFortbildung und Vorbereitung“,betonte Haas.

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WISSEN

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Ein Lächeln für jeden Nachbarn

Was bedeutet „gesunde Nachbarschaft“für Sie?Im Rahmen der Initiative „Auf gesun-de Nachbarschaft“ (siehe auch Artikelauf den Seiten 24 bis 29) hat der FondsGesundes Österreich bei einem Wett-bewerb die besten Antworten auf dieseFrage gesucht. Ziel war, die Bevölke-rung für die positiven gesundheitlichenWirkungen von guter Nachbarschaftzu sensibilisieren. 493 Zitate wurdeneingereicht. Nach einer Vorauswahldurch eine 15-köpfige Jury wurden sie über ein online-Voting gereiht. Der Sieger hat ein „Familienpaket“KTM-Fahrräder erhalten und auch diePlätze zwei bis 16 wurden mit schönenPreisen gewürdigt. Gewonnen hat dasZitat:„Gesunde Nachbarschaft bedeutet für mich,dass Miteinander, Nebeneinander und Ohneeinander in guter Balance sind“.

Ebenfalls ausgezeichnet wurden zum Beispiel: „Gesunde Nachbarschaft ist eine vollbesetzte Hausbank“ sowie: „Gesunde Nachbarschaft heißt für mich: ein Lächeln von und für jeden Nachbarn“.

Sabine Haas von der GesundheitÖsterreich GmbH: „Kinder aus sozial benachteiligten Gruppen profi-tieren potenziell besonders stark vomverpflichtenden Kindergartenjahr.“

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WISSEN

GESUNDES ÖSTERREICHHerr Professor Siegrist, wie wirkensich soziale Beziehungen auf die Gesundheit aus?Johannes Siegrist: Dass sich unsere so-zialen Beziehungen auf unsere Gesundheitauswirken, ist inzwischen seit rund dreiJahrzehnten durch Forschungsergebnissebelegt. Dabei ist nicht die Quantität derKontakte entscheidend, sondern derenQualität. Also auch ein Partner allein oderwenige enge Freunde, auf deren Unterstüt-zung wir vertrauen dürfen, können schonviel zu unserer Gesundheit beitragen.

GESUNDES ÖSTERREICHWas sind die Kennzeichen gesundheitsförderlicher sozialer Beziehungen?Es lassen sich drei grundlegende Bedürf-nisse beschreiben, die zu Gesundheit bei-tragen können, wenn sie erfüllt werden,und die zu Krankheit führen können, wenndies nicht der Fall ist. Das sind Selbstwirk-samkeit, Anerkennung und Zugehörigkeit.Unter der Selbstwirksamkeitserwartungwird verstanden, inwieweit Menschen da-ran glauben, gezielt Einfluss auf die Dingeund die Welt nehmen, etwas bewirken undauch in schwierigen Situationen selbst-ständig handeln zu können. Anerkennungbedeutet ganz allgemein für Geleistetes imBeruf und im Privatleben positives Feed-back zu bekommen. Und ein Gefühl derZugehörigkeit zu haben, heißt sich seinerFamilie, den Menschen in der Nachbar-schaft, einer Gemeinde, einem Verein, einer

Gesinnungsgemeinschaft oder einer ande-ren Gruppe verbunden zu fühlen.

GESUNDES ÖSTERREICHWas ist die Folge, wenn zum Beispieldas Bedürfnis nach Anerkennungnicht erfüllt wird?Wir sprechen dann von einer so genannten„Gratifikationskrise“. Das heißt, Menschenhaben im Beruf oder auch im Privatlebensubjektiv den Eindruck, dass ihre Leistun-gen nicht entsprechend gewürdigt werden.Die Folgen sind wissenschaftlich sehr gutbelegt. Dazu zählt unter anderem, dass dieWahrscheinlichkeit für stressbedingte Lei-den wie koronare Herzerkrankungen steigtund die Lebenserwartung verkürzt wird.Eine 2011 veröffentlichte Studie unter 347Angestellten in Japan von Akinori Nakataund Kolleg/innen weist sogar Effekte aufphysiologischer Ebene nach. Bei denjeni-gen, die für ihre Anstrengungen in hohemMaße nicht die erwartete Anerkennung er-hielten, war die Zahl der T-Killerzellen imBlut im Durchschnitt um 20 Prozent niedri-ger. Diese Zellen sind ein wesentlicher Be-standteil der Immunabwehr. Das lässt denUmkehrschluss zu, dass gute soziale Kon-takte völlig zu Recht als „soziales Immun-system“ bezeichnet werden.

GESUNDES ÖSTERREICHWie groß ist der Einfluss der sozialen Beziehungen auf die Gesundheit insgesamt?Es gibt drei Bereiche, die unsere Gesund-heit beeinflussen: Das sind unsere Gene

oder auch Erbanlagen, der Lebensstil unddie Umwelt – wobei zwischen der sozialenund der materiellen Umwelt zu unterschei-den ist. Zu welchen Anteilen diese Berei-che unsere Gesundheit beeinflussen, lässtsich nicht wissenschaftlich exakt beant-worten, sondern nur einschätzen. Der Ein-fluss der Genetik beträgt wahrscheinlichzehn bis zwanzig Prozent. Für das Gesund-heitsverhalten und die Umwelt lässt sichsagen, dass Ersteres wahrscheinlich einengrößeren Einfluss hat. Gleichzeitig wissenwir jedoch, dass diejenigen, die über eingutes soziales Netz verfügen, in aller Regelauch gesundheitsbewusster sind, also zumBeispiel regelmäßig körperlich aktiv sindund auf ihr Gewicht achten.

GESUNDES ÖSTERREICHHeißt das, dass Einsamkeit ein Gesundheitsrisiko darstellt?Statistisch betrachtet ja. Im Einzelfall kön-nen die negativen Effekte von Einsamkeitdurch gesundheitsbewusstes Verhaltenaber natürlich auch in einem gewissenMaß ausgeglichen werden.

Wie soziale Beziehungen die

Gesundheit fördernDer renommierte Medizin-Soziologe

Johannes Siegrist im Interview über das „soziale Immunsystem“ und weshalb mangelnde

Anerkennung krank machen kann.Johannes Siegrist: Gute soziale Kontakte sind ein „soziales Immunsystem“.

Johannes Siegrist ist 1943 in Zofingen in der Schweiz geboren und war bis 2012Direktor des Instituts für Medizinische Soziologie der Heinrich-Heine-UniversitätDüsseldorf. Seit 2012 hat er dort eine Seniorprofessur für psychosoziale Arbeits-belastungsforschung inne.

ZUR PERSON

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WISSEN

Bowling alone“. Das macht we-nig Freude. Robert Putnam hatein Buch mit diesem Titel ge-

schrieben, und verweist damit aufeinen Zusammenhang, der durchzahlreiche wissenschaftliche Studienbelegt ist: gute und enge soziale Kon-takte sind auch gut für die Gesund-heit (siehe auch Interview mit Johannes Siegrist auf Seite 17 sowie„Daten und Fakten“ auf den Seiten22 und 23). Der Harvard-Soziologegibt deshalb in seinem 2000 veröf-fentlichten Werk den Gesundheits-tipp, statt abzunehmen, regelmäßigzu trainieren oder das Rauchen auf-zugeben, lieber einem Verein beizu-treten oder sich in einer anderenForm für die Gemeinschaft zu enga-gieren. Der Wissenschafter aus den USA hatmit seinem Buch auch einen Begriffpopulär gemacht, der ursprünglichschon 1983 von dem französischenSoziologen Pierre Bourdieu in die wis-senschaftliche und gesellschaftlicheDiskussion eingeführt wurde: Es ist je-ner des „sozialen Kapitals“, das nebendem ökonomischen und kulturellenKapital bestehen kann. Der österrei-chische Sozialforscher Ernst Gehma-cher beschreibt das in dem Aufsatz„Sozialkapital – kurz gesagt“ folgen-dermaßen: „Liebe, Freundschaft, gu-te Beziehungen, Ehre und Achtung inGemeinschaften, ein erfreuliches Be-triebsklima, die Geborgenheit in po-litischen und religiösen Glaubensge-meinschaften – all das ist ein Kapital,das mehr wert ist als Geld und auchmit Geld allein gar nicht zu kaufen ist.Die Gesamtheit dieses Schatzes anStärken aus sozialen Verbindungennennt man Sozialkapital.“

Mikro-, Meso- und Makroebene„Sozialkapital kann auf drei Ebenenentstehen: der Mikroebene der Mesoebene und der Makroebene“,erläutert der Soziologe und Erzie-hungswissenschafter Frederic Freders-dorf, Leiter der ForschungsgruppeSozial- und Wirtschaftswissenschaf-ten an der Fachhochschule Vorarl-

berg. Unter der Mikroebene werdendie Kontakte des oder der Einzelnenzum Partner oder der Partnerin, zumengsten Kreis der Familie und Freun-de und letztlich zu denjenigen ver-standen, auf deren Hilfe und Unter-stützung stets vertraut werden kann.Wie viele enge Freunde notwendigsind, damit sich die Wahrscheinlich-keit für gutes Wohlbefinden erhöht,ist eine auch unter Expert/innen um-strittene Frage. Eine gängige Annah-me lautet, dass dieser Kreis etwa 15Personen umfassen sollte.Auf der Mesoebene der Netzwerkeund der erweiterten Bekanntenkrei-se, die im Bedarfsfall jeweils hilfrei-che Beziehungen gewährleisten kön-

nen, gelten 30 bis 60 Personen alsOptimum. Diese Kontakte könnenzum Beispiel als nachbarschaftlicheBeziehungen innerhalb einer Haus-,Stadtteil- oder Dorfgemeinschaft be-stehen, in einem Betrieb oder allge-mein zu Arbeitskolleg/innen, in ei-nem Verein oder einer anderen Interessensgemeinschaft. Auf derMakroebene der höheren Ideale undZugehörigkeiten geht es schließlichnicht mehr um persönliche Bekannt-schaften, sondern darum, wie großdas Vertrauen in gemeinschaftlicheInstitutionen wie Interessensvertre-tungen, Parteien oder Kirche ist undwelche gemeinsamen Werte eine Gesellschaft hat.

Der Kitt der Gesellschaft

„Soziales Kapital“ umfasst die Summe an sozialenRessourcen des Einzelnen, einer Gruppe oder der

Gesellschaft. Es wirkt sich direkt positiv auf Gesundheit aus. Wer den sozialen Zusammenhaltstärkt, fördert somit das Wohl aller. Text: Dietmar Schobel

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Page 19: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

Bonding meint die engen Beziehungen in-nerhalb einer Gruppe.Wenn diese allein inhohem Ausmaß vorhanden sind, so lässt dasnoch nicht automatisch auf hohes sozialesKapital oder positive Gesundheitswirkungenfür den Einzelnen schließen. Denken wir nuran soziale Kontakte, die vielleicht ausschließ-lich innerhalb einer Sekte oder auch einer Rockergang stattfinden, um zwei Extrembei-spiele zu nennen. Umso wichtiger ist deshalbBridging, das die Fähigkeit beschreibt, Kon-takte zwischen Gruppen herzustellen, die als Linking auch zu Verknüpfungen werdenkönnen. Schließlich ist auch die Dimensionder „kollektiven Wirksamkeit“ von Bedeutung. Damit ist gemeint, ob in einerGruppe insgesamt die Einstellung vor-herrscht, gemeinsam etwas verändern zukönnen (siehe auch Seite 33).

Was heißt das für die Praxis?Für die Praxis der Gesundheitsförderung lässtsich einerseits feststellen, dass Maßnahmen,welche den sozialen Zusammenhalt fördern,offenbar auch gut für die Gesundheit sind.Umgekehrt beeinflusst die Gesundheitsförde-rung mit ihren Leitprinzipien Partizipationund Empowerment voraussichtlich auch dasSozialkapital positiv.„Auf struktureller Ebene heißt das, dass wirImpulse dafür geben müssen, dass MenschenGemeinschaften bilden und Eigenverantwor-tung für sich und ihr Umfeld übernehmen“,meint dazu der Soziologe und Erziehungswis-senschafter Frederic Fredersdorf, Leiter derForschungsgruppe Sozial- und Wirtschafts-wissenschaften an der Fachhochschule Vor-arlberg. Das könne geschehen, indem dieRahmenbedingungen für die Tätigkeit von

Vereinen verbessert würden. Oder indemmehr Maßnahmen für Bürgerbeteiligung gesetzt oder Nachbarschaftsinitiativen umgesetzt würden. „Anders ausgedrücktgeht es darum Kümmerer zu finden“,erklärt Fredersdorf.

Unter „Sozialkapital“ versteht man den sozialen Zusammenhalt innerhalb einer Gemeinschaft, der durch Toleranz als Grund-wert wesentlich verbessert werden kann. Bei der Auseinandersetzung mit diesem Thema sind auch drei Aspekte sozialer Beziehungen zu berücksichtigen, die in der Fachsprache als „Bonding“, „Bridging“ und „Linking“ bezeichnet werden.

WAS IST SOZIALKAPITAL?

19gesundesösterreich

Mehr Sozialkapital, mehr wirtschaftlicher ErfolgWie erwähnt ist Sozialkapital mehrwert als Geld. Gleichzeitig scheinen je-doch in Regionen mit hohem Sozial-kapital auch die Aussichten auf wirt-schaftliche Erfolge höher zu sein. Da-rauf deuten unter anderem Untersu-chungen von Robert Putnam hin. Dasmag ein Grund dafür gewesen sein,dass die Weltbank und die Organisa-tion für wirtschaftliche Zusammen-arbeit und Entwicklung (OECD) umdie Jahrtausendwende dazu aufgeru-fen haben, Sozialkapital in die wirt-schaftlichen und politischen Bilanzeneinzubringen. Im September 2002 hatdie OECD in London auch eine Kon-ferenz zum Thema „Soziales Kapitalmessen“ abgehalten. 22 Nationen vonAustralien bis zu den USA haben ih-re Erfahrungen eingebracht. Öster-reich war dabei durch Ernst Gehma-cher vertreten.Der bekannte Sozialforscher hat unteranderem auch in Bregenz eine Studiewissenschaftlich geleitet, durch diedas Sozialkapital der Gemeinde ge-

messen werden sollte. Die Studie wur-de von der Wiener Beraterin AngelikaHagen durchgeführt. 15 Prozent derBregenzerinnen und Bregenzer ab 15Jahren haben dafür einen 10-seitigenFragebogen mit 48 Fragen ausgefüllt.Als Dimensionen von Sozialkapitalwurden unter anderem Lebensquali-tät und Zufriedenheit, das Vertrauenin öffentliche Institutionen oder dasEngagement in Vereinen abgefragt.Ein interessantes Ergebnis war unteranderem, dass ein starker Zusammen-hang zwischen der Höhe des Sozial-kapitals und der Gesundheit festge-stellt werden konnte. Von den Bre-genzern mit niedrigem Sozialkapitalgaben nur 30 Prozent an, sich ganzgesund zu fühlen. Unter jenen mit ho-hem Sozialkapital sagten das rund 50Prozent.

Hohes Sozialkapital ist gut für die Gesundheit„Ein Zusammenhang zwischen sozia-lem Kapital und Gesundheit bestehtauf der Mikro-, der Meso- und der Makroebene“, bestätigt auch Fach-

hochschul-Professor Fredersdorf. Wasfür den Einzelnen gilt, trifft also auchauf eine Gruppe und die Gesellschaftinsgesamt zu: Wenn die sozialen Bezie-hungen zwischen deren Mitgliedern inSumme gut sind, dann führt das vo-raussichtlich zu einer im Durchschnittbesseren Gesundheit. Oder allgemei-ner ausgedrückt: Wer den sozialen Zusammenhalt stärkt, fördert die Gesundheit.Als wichtiger Aspekt von Sozialka-pital ist auch zu berücksichtigen, dassjenes eine Gruppe oder Gemeinschaftmehr ist als nur die Summe des So-zialkapitals der einzelnen Individu-en. Zu den Faktoren, die dabei einewesentliche Rolle spielen, zählt un-ter anderem, wie stark das gegensei-tige Vertrauen ausgeprägt ist – oderob eher Misstrauen vorherrscht. Wieschon erwähnt, ist das Vertrauen,das Menschen in die gemeinsamenInstitutionen haben ebenfalls von gro-ßer Bedeutung. Als zentraler Faktorgilt schließlich auch, wie stark die Be-reitschaft der Bürgerinnen und Bür-ger zu freiwilligem Engagement ist.

Frederic Fredersdorf:„Ein Zusammenhang zwischen sozialem Kapital und Gesund-heit besteht auf derMikro-, der Meso- undder Makroebene.“

Page 20: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

GESUNDES ÖSTERREICHHerr Professor Schwarzer, wie viele guteFreunde braucht man, um mit besseremWohlbefinden rechnen zu dürfen?Ralf Schwarzer: Enge Beziehungen könnenwie die richtige Ernährung oder Bewegungtatsächlich dazu beitragen, unsere Gesund-heit zu erhalten. Und sie haben auch einenkurativen Aspekt. Das heißt, wer sozial unter-stützt wird, erholt sich auch rascher von Er-krankungen. Die Zahl der Beziehungen istdafür aber von weniger Bedeutung. Eskommt auf die Qualität an. Eine einzelne Per-son kann ausreichend sein, um etwa bessergegen Depressionen geschützt zu sein.

GESUNDES ÖSTERREICHWirkt sich das Gesundheitsverhalteneines Partners oder einer Partnerin

auch auf das eigene aus?Es hat sogar beachtliche Effekte. Untersu-chungen zeigen zum Beispiel, dass ältereMenschen mit höherer Wahrscheinlichkeitkörperlich aktiv sind, wenn es auch der Part-ner oder die Partnerin ist. Das Verhalten derNachbarn hat ebenfalls einen Einfluss, wiedie Arbeiten von James Fowler und NicholasChristakis in den USA zeigen.Wessen Nach-barn glücklich sind, der ist selbst auch mithöherer Wahrscheinlichkeit glücklich.

GESUNDES ÖSTERREICHWenn sich jemand für andere einsetzt,ist das dann auch gut für die eigeneGesundheit?In Untersuchungen konnten wir für ältereMenschen belegen, dass diese aktiver wer-den, wenn sie sich für andere freiwillig enga-

gieren. Somit kann es einen gesundheitsför-derlichen Effekt haben, älteren MenschenMöglichkeiten für ehrenamtliches Engage-ment zu zeigen. Eine Untersuchung aus denUSA weist übrigens auch nach, dass jeneCollege-Studenten im späteren Berufslebenerfolgreicher waren, die bereits während ihrerStudienjahre bereit waren, freiwillig etwas fürdie Gemeinschaft an ihrer Universität zu tun.

Ralf Schwarzer, Professor für Gesundheitspsychologie an der Freien Universität Berlin, im Interview:

SOZIALE UNTERSTÜTZUNG WIRKT PRÄVENTIV UND KURATIV

20 gesundesösterreich

WISSEN

können die Vorarlberger/innen imDurchschnitt auf knapp 12 „wirklichgute Freundinnen oder Freunde“ zu-rückgreifen, die einen verstehen undhelfen, wenn es nötig ist. Rund siebenProzent der Befragten gaben allerdingsauch an, gar keine oder maximal vierunterstützende Kontakte zu haben.

Der „Kitt“ der GesellschaftZu wenig private Unterstützung gab esnach Beobachtung der Verantwortli-chen im Wiener Krankenhaus „Göttli-cher Heiland“ auch für manche ihrerPatient/innen, vor allem ältere, die kei-nen oder zu wenig Besuch erhielten. Josef Grabenweger (63), der gemeinsammit Gehmacher auch schon im Auf-trag mehrerer österreichischer Gemein-den Messungen des sozialen Kapitalsdurchgeführt hat, wurde deshalb be-auftragt, für das Spital einen neuenFreiwilligendienst aufzubauen. „Dasläuft gut, und es haben sich schon rundzehn Menschen gefunden, die kontinu-ierlich mitmachen“, berichtet Graben-weger und ergänzt, dass die Bereit-schaft zu ehrenamtlichen Tätigkeitennach seiner Erfahrung auch generell

Sozialkapital in VorarlbergDie Fachhochschule hat 2010 auch ei-ne Studie zum „BürgerschaftlichenEngagement und Sozialkapital in Vor-arlberg“ durchgeführt. Die Bürger undBürgerinnen wurden dafür unter ande-rem gefragt, ob sie sich in Vereinenoder außerhalb davon für andere enga-gieren, wie viele Stunden sie dafür auf-wenden und wie wichtig ihnen das En-gagement als Bestandteil ihres Lebensist. Das „Sozialkapital“ wurde in nichtweniger als vierzehn Dimensionen an-hand zahlreicher Fragen bestimmt. Da-zu zählte, wie viele Menschen es gibt,mit deren Unterstützung jemand rech-nen darf, wie viel Unterstützung manselbst anderen gibt, aber auch wie starkdie Verbundenheit mit der Region ist.Einige zentrale Ergebnisse der Studielauten: Mehr als die Hälfte Vorarlber-gerinnen und Vorarlberger sind in Ver-einen oder informell regelmäßig bür-gerschaftlich tätig und dies durch-schnittlich in einem Ausmaß von sechs-einhalb Stunden pro Woche. Dabei gibtes keine Unterschiede nach Berufssta-tus, Bildung, Einkommen und Religi-on. Im Bereich des Sozialkapitals

bei vielen Menschen unverändert vor-handen sei. Nur jene, dies in einemformellen Rahmen zu tun habe nach-gelassen, weshalb es eine Verschie-bung zu informellem Engagement gebe. Gleichzeitig sieht Grabenwegerjedoch auch einen gesellschaftlichenTrend zur „egoistischen Individuali-sierung“ und fordert deshalb, dass aufgesellschaftlicher Ebene die Rahmen-bedingungen für freiwilliges und nach-barschaftliches Engagement verbes-sert werden müssten. Das würde auchdazu führen, dass mehr Sozialkapitalgeschaffen werde. „Für dessen Entste-hung sind drei Faktoren wesentlich.Die Qualität der Bindungen, das gegen-seitige Vertrauen und die Regeln für ei-ne Gemeinschaft“, erklärt der Experteund sagt zusammenfassend: „Sozialka-pital ist der Kitt der Gesellschaft.“

Ralf Schwarzer:„Enge Beziehungenwirken präventiv und kurativ.“

Josef Grabenweger:„Sozialkapital ist der Kitt der Gesellschaft.“

Page 21: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

21gesundesösterreich

WISSEN

GESUNDES ÖSTERREICH„Nachbarschaften“ gelten als wichtiges Setting oder auch Umfeld für Gesundheitsförderung.Wie ist der Begriff „Nachbarschaft“dabei zu verstehen?Antje Richter-Kornweitz: Laut einer gängigen wissenschaftlichen Definition ist„Nachbarschaft“ als ein Gefüge sozialerBeziehungen von Bewohnerinnen und Be-wohnern einer Region zu bezeichnen, die inüberschaubarer Nähe leben und in gewis-sem Umfang an gleichen Einrichtungen partizipieren. Zentral sind also die regelmä-ßigen, vielleicht nicht immer direkt beab-sichtigten Kontakte, die dadurch entstehen,dass man sich auf dem Weg zum Einkaufen,zur Arbeit, Schule, Post oder Bank öfters begegnet. Dem ist die Kategorie „Heteroge-nität“ hinzuzufügen. In früheren Jahrhun-derten war es häufig noch so, dass Nach-barn vom gleichen Stand waren und diesel-ben Nöte und Freuden hatten. Heute habenNachbarn zwar oft noch einen ähnlichenökonomischen Hintergrund, doch gleichzei-tig können die Unterschiede nach Kulturund Bildung groß sein.

GESUNDES ÖSTERREICHWas sind die wichtigsten Strategienzur Gesundheitsförderung in „Nachbarschaften“?Die wesentliche gesundheitsrelevante Stra-tegie im Setting Nachbarschaft ist die Netz-werkbildung. Die Integration in sozialeNetzwerke fördert Wohlbefinden, wirkt pri-märpräventiv und verhindert, dass bestimm-te Belastungen überhaupt auftreten. SozialeUnterstützung als zentrale Funktion sozialerNetzwerke kann dazu beitragen, Gesund-

heit zu erhalten und Krankheit zu vermei-den. Sie kann sich vor allem in Notlagen positiv auf die psychische Gesundheit aus-wirken. Sie kann dann als Puffer zwischenexternen Anforderungen und individuellenKompetenzen fungieren und wie ein „sozia-les Immunsystem“ die Art und Weise positivbeeinflussen, wie Menschen Belastungenbewältigen.

GESUNDES ÖSTERREICHWas bedeutet das für die Praxis der sozialen Arbeit oder auch der Gesundheitsförderung?Plakativ ausgedrückt ist zweierlei erforder-lich: Strukturen zu schaffen und Beziehun-gen zu stiften, denn Unterstützung brauchtStrukturen und umgekehrt. Es geht also ei-nerseits darum, dass externe Akteur/innen –oftmals hauptamtlich Tätige – Angebotemachen und Impulse geben und anderer-seits darum, dass letztlich Eigeninitiativender Menschen in einer Nachbarschaft ent-stehen und erhalten bleiben.

GESUNDES ÖSTERREICHWie können speziell sozial benach-teiligte Menschen durch Nachbar-schaftsinitiativen erreicht werden?Menschen, die durch ihre Einkommenssitua-tion oder ihren Bildungsabschluss benach-teiligt sind, haben Untersuchungen zufolgemeist auch weniger unterstützende sozialeKontakte. Über vorhandene Gesundheitsan-gebote sind sie häufig nicht informiert oderaber sie bräuchten einen Anstoß von außen,um sie tatsächlich zu nutzen. Gerade in ei-ner belasteten Wohnumgebung sind dabeiFreude und Spaß häufig die besten Beweg-gründe, um die Dinge in Gang zu bringen –

zum Beispiel indem als Auftakt für eineNachbarschaftsinitiative ein Fest veranstal-tet wird. Außerdem sollten leicht erreichba-re und gut sichtbare Treffpunkte im Wohn-umfeld angeboten werden. Nicht zuletztsollten hauptamtlich Tätige über eine hoheMethodenkompetenz für Empowermentund Partizipation verfügen. Sie sollten „Ex-pertentum“ vermeiden, ihr Gegenüber stetsernst nehmen und zuhören können. Einegroße – und wachsende Gruppe – dieNachbarschaftsunterstützung benötigt, sindübrigens auch ältere Menschen. Systemati-sche Nachbarschaftsinitiativen sind deshalbauch aus demografischen Gründen zuneh-mend wichtig.

Unterstützungbraucht Strukturen

Antje Richter-Kornweitz von der Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen

im Interview über soziale Beziehungen und Gesundheit in Nachbarschaften.

Antje Richter-Kornweitz ist Fach-referentin bei der Landesvereinigung fürGesundheit Niedersachsen und unter anderem auf das Thema „Nachbarschaftund Gesundheit“ spezialisiert.

ZUR PERSON

„Wer sozial benachteiligte

Menschen erreichen will, sollte

,Expertentum’ vermeiden.“

ANTJE RICHTER-KORNWEITZ

Page 22: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

DAS SOZIALE KLIMA IN ÖSTERREICH

22 gesundesösterreich

WISSEN

„In Österreich gibt es im Vergleich zumDurchschnitt in den Ländern der Europäi-schen Union mehr Menschen mit hohemsozialem Vertrauen“, erklärt Petra Winklervon der Gesundheit Österreich GmbH.Das wurde durch den „European Social

Survey“ 2006 für 19 europäische Länderfestgestellt.Aus drei einschlägigen Fragendes Surveys – die Teilnehmer/innen solltenzum Beispiel anhand einer elfstufigen Ska-la angeben, ob sie generell sagen würden,„dass man den meisten Menschen vertrau-en kann oder dass man im Umgang mitden Menschen nicht vorsichtig genug seinkann?“ – wurde ein Index gebildet.An-hand dessen wurde das soziale Vertraueninsgesamt als „hoch“, „mittel“ oder„niedrig“ eingestuft. In Österreich haben17,6 Prozent der Männer und 19,9 Prozentder Frauen ein hohes soziales Vertrauen. ImDurchschnitt ausgewählter EU-Länder trifftdas nur auf 14,1 Prozent der Männer und15,6 Prozent der Frauen zu.

In Österreich gibt es im Vergleich zu anderen europäischen Ländern mehr Männer und Frauen mit „hohem sozialem Vertrauen“.

Im europäischen Vergleich: Mehr „hohes soziales Vertrauen“ in Österreich

* Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Niederlande,Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn, Zypern

Anteile der Bevölkerung in Prozent, deren soziales Vertrauen hoch ist.

20%

15%

10%

5%

0%Männer in Österreich

Männer im EU*-Durchschnitt

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Frauen im EU*-Durchschnitt

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Quelle: European Social Survey 2006; Berechnungen und Darstellung: GÖG

Was wir über sozialen Zusammen-halt und Gesundheit wissen

Lesen Sie im Folgenden einige Daten und Fakten aus wissenschaftlichen Studien, die sich mit dem Zusammenhang zwischen sozialen Beziehungen

und der Gesundheit beschäftigen.

Wer gute Freundehat, lebt längerWer einige gute Freunde hat, lebt länger. Solassen sich die Ergebnisse einer Überblicksar-beit zusammenfassen, für die nicht weniger als148 einzelne Studien zum Zusammenhang vonsozialen Kontakten und Lebenserwartung aus-gewertet wurden. Eine Gruppe von Forscherin-nen rund um Julianne Holt-Lunstadt von derBrigham Young University in den USA hat dabei herausgefunden, dass die Sterblichkeitvon Menschen, die über viele und gute sozialeKontakte verfügen um 50 Prozent geringer istals jene von Menschen, auf die das nicht zu-trifft. Ein kleines und schwach ausgeprägtessoziales Netz zu haben, wirkt sich hingegenähnlich negativ aus wie 15 Zigaretten pro Tagzu rauchen und ist sogar zweimal so schädlichwie Übergewicht.

17,6

14,1

19,915,6

Petra Winkler:„In Österreich gibtes im Vergleichzum EU-Durch-schnitt mehr Menschen mit hohem sozialemVertrauen.“

Page 23: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

SOZIALER ZUSAMMENHALT UND GESUNDHEIT IN ÖSTERREICH

23gesundesösterreich

So engagiert sind die ÖsterreicherExpert/innen gehen davon aus, dass zwischendem „Sozialkapital“, also den sozialen Bezie-hungen auf verschiedenen Ebenen und demAusmaß freiwilligen Engagements ein Zusam-menhang besteht. Dem Bericht „FreiwilligesEngagement in Österreich“ des Bundesminis-teriums für Arbeit, Soziales und Konsumenten-schutz aus dem Jahr 2009 ist zu entnehmen,dass sich 2006 rund 3,019.000 Österreicherin-nen und Österreicher ab 15 Jahren freiwilligengagiert haben. Das entspricht einem Anteilvon 43,8 Prozent. Rund 1,925.000 Menschenhaben das in formeller Form getan, in Vereinenund Organisationen der Bereiche Kultur, Sport,Religion, Katastrophenhilfsdienste, Politik,Soziales, Umwelt, Bildung und Gemeinwesen.1,872.000 Menschen waren informell freiwilligengagiert. In dem Dokument heißt es auch,dass das freiwillige Engagement „bedingtdurch veränderte gesellschaftliche Rahmenbe-dingungen“ quantitativ in den vergangenenJahren tendenziell leicht zurückgegangen sei.Gleichzeitig stellen die Autor/innen jedochauch fest, dass die Beteiligungsquote bei denJugendlichen genau so hoch sei wie bei denErwachsenen. Dieses Ergebnis entkräfte dieBefürchtung, dass junge Menschen immer weniger bereit seien, sich zu engagieren.

Gesundheit ist ansteckendWer Freunde oder Nachbarn hat, die gesundheitsbewusst leben, macht das selbst voraussichtlichauch. So lassen sich die Ergebnisse einer Analyse des Politikwissenschafters James Fowler und desMedizinsoziologen Nicholas Christakis zusammenfassen. Sie haben dafür Daten von rund 5.000Teilnehmer/innen der bekannten Studie in Framhingham ausgewertet, für die Epidemiologen seit1948 regelmäßig Gesundheit und Lebensstil der Bürgerinnen und Bürger dieses Städtchens beiBoston in den USA erfassen. Die beiden Forscher entdeckten, dass es einen Zusammenhang zwi-schen dem Gesundheitsverhalten und allgemeinen Wohlbefinden und sozialen Netzwerken gibt.So erhöht zum Beispiel ein glücklicher Partner die Wahrscheinlichkeit, selbst glücklich zu sein, umacht Prozent; fröhliche Geschwister in der Nähe heben die Stimmung um 14 Prozent, glücklicheNachbarn nebenan sogar um 34 Prozent. Das Essverhalten wird noch deutlicher vom Umfeld be-einflusst:Wenn der Lebenspartner zunimmt, steigt das eigene Risiko für Übergewicht um 37 Pro-zent; fettleibige Freunde beeinflussen einen sogar zu 57 Prozent. Ähnliches gilt für das Rauchen.Im „British Medical Journal“ schreiben die beiden Wissenschafter: „Alle diese Beziehungen zei-gen die Wichtigkeit physischer Nähe. Freunde, die in unmittelbarer Nähe wohnen, beeinflussenuns am stärksten, und mit zunehmender Entfernung nimmt der Effekt ab.“

Zahlreiche Forschungsarbeiten beweisen,dass es zwischen Gesundheit und sozialem Zusammenhalt oder auch Sozialkapital einenZusammenhang gibt. Dieser besteht sowohlauf individueller als auch auf gesellschaftli-cher Ebene. Für Österreich zeigt das unter anderem auch eine Analyse der Daten der„Österreichischen Gesundheitsbefragung2006/2007“: Menschen, die mit ihren sozia-len Beziehungen und der Unterstützung durch Freunde sehr zufrieden sind, schätzenauch ihren Gesundheitszustand deutlich besserein. Sie erfreuen sich zu 50 Prozent „sehr gu-ter Gesundheit“, während dies nur auf zehnbis 15 Prozent derjenigen zutrifft, die in sozia-ler Hinsicht sehr unzufrieden sind. Das ist demArtikel „Rahmen-Gesundheitsziele für Öster-reich“ von Sabine Haas, Gudrun Braunegger-Kallinger, Christine Knaller und Petra Winklervon der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG)zu entnehmen. Aus der Gesundheitsbefragungist auch bekannt, dass die Österreicherinnenund Österreicher insgesamt mit ihren sozialenBeziehungen überwiegend „sehr zufrieden“

Wer gute soziale Beziehungen hat, erfreut sich besserer Gesundheit

Quelle: Österreichische Gesundheitsbefragung 2006/2007, Berechnung und Darstellung: GÖG

oder „zufrieden“ sind. Auf Männer trifft das zu 88 Prozent und auf Frauen zu 87 Prozentzu – wobei die Zufriedenheit mit zunehmen-dem Alter sinkt.

Anteile der jeweiligen Gruppen, die sagen, dass ihre Gesundheit „sehr gut“ ist

50%

40%

30%

20%

10%

0%Österreicher/innen,

die mit ihren persönlichen Beziehungen

sehr zufrieden sind

Österreicher/innen,die mit ihren persönlichen Beziehungen

sehr unzufrieden sind

Österreicher/innen,die mit der

Unterstützungdurch Freunde

sehr zufrieden sind

Österreicher/innen,die mit der

Unterstützung durch Freunde

sehr unzufrieden sind

50 50

1510

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24 gesundesösterreich

WISSEN

Anders als etwa beim Rauchenist der Zusammenhang zwi-schen sozialen Kontakten und

Gesundheit wenig bekannt. Eines derZiele war es deshalb, die Menschendarüber besser zu informieren.Gleichzeitig wollten wir in der Pra-xis zeigen, wie gesunde Nachbar-schaften geknüpft werden können“,erklärt Christa Peinhaupt, die Leite-rin des Fonds Gesundes Österreich(FGÖ) wesentliche Ziele der Initiati-ve „Auf gesunde Nachbarschaft!“,die den sozialen Zusammenhalt imunmittelbaren Lebensumfeld gestärkthat. Sie wurde ein Jahr lang in zweiModellregionen durchgeführt, einerstädtischen und einer ländlichen, undim Dezember 2013 abgeschlossen.Die Erfahrungen, die dabei gesam-melt werden konnten, sollen es auchfür interessierte Organisationen inanderen Regionen leichter machen,selbst entsprechende Aktivitäten insLeben zu rufen.Die beiden Modellregionen sind dasWaldviertel sowie der „Linzer Sü-den“, das sind die Bezirke Auwie-sen/Schörgenhub sowie Kleinmün-chen, Scharlinz, Neue Heimat undWegscheid der oberösterreichischenLandeshauptstadt. In beiden Regio-nen hat der FGÖ als Initiator undTräger mit Partnerorganisationen fürdie Umsetzung zusammengearbei-tet. Das waren im Waldviertel dieNiederösterreichische Dorf- undStadterneuerung und in Linz der Ver-ein für Sozialprävention und Gemein-

wesenarbeit (VSG). Diese beiden Ein-richtungen haben im Rahmen derInitiative wiederum mit den Orga-nisationen für Gesundheitsförderungihres Bundeslandes kooperiert: derInitiative „Tut gut!“ in Niederöster-reich sowie dem Verein für prophy-laktische Gesundheitsarbeit (PGA)in Oberösterreich. Kern der Initiative „Auf gesundeNachbarschaft!“ waren Kleinprojek-te, die von mindestens zwei Nachba-rinnen oder Nachbarn vorgeschlagenund mit bis zu 300 Euro unterstütztwurden: für Material, das Anmietenvon Räumen, Honorare für Expert/innen, Ankündigungen und sonstigenAufwendungen. Das Wiener For-schungsbüro „queraum. kultur- undsozialforschung“ hat den FGÖ beider Umsetzung der Initiative beglei-tet, und das Salzburger „internationa-le forschungszentrum für soziale undethische fragen“ (ifz) war für die Eva-luation zuständig. Diese zeigt anhandeiner Umfrage unter denjenigen, dieNachbarschaftsinitiativen durchge-führt haben, bereits jetzt gute Ergeb-nisse. Alle Befragten im Waldviertelgeben an, dass ihr Projekt auch überdie Initiative hinaus bestehen wirdoder sogar schon Folgeveranstaltun-gen durchgeführt wurden. Und so-wohl in Linz als auch im Waldviertelsagen fast alle Teilnehmer/innen an der Umfrage, dass sie neue Kontakte knüpfen oder bestehendevertiefen konnten und sich somit so-zial besser integriert fühlen.

„Was mich besonders beeindruckt, wardie große Vielfalt und die Kreativitätder insgesamt 27 Kleinprojekte, die bei uns eingereicht wurden“, betontKarin Mezgolich, die beim Verein fürSozialprävention und Gemeinwesenar-beit (VSG) in der oberösterreichischenLandeshauptstadt als Projektleiterindafür zuständig war, die Initiative „Aufgesunde Nachbarschaft!“ des FGÖ im„Linzer Süden“ umzusetzen. Die Initia-tive war durch eine Auftaktveranstal-tung mit Gesundheitsminister AloisStöger in Linz-Auwiesen eingeleitetund durch Öffentlichkeitsarbeit in lo-kalen Medien und über die Websitewww.gesunde-nachbarschaft.at be-kannt gemacht worden.„Wir haben auch sehr davon profitiert,dass wir einen Arbeitsplatz in dem imMai 2013 neu eröffneten Stadtteilzen-trum in Auwiesen beziehen konnten“,sagt Mezgolich. Das Konzept der„Stadtteilzentren“ soll laut dem 2011beschlossenen Linzer Sozialprogrammflächendeckend in sieben derartigenEinrichtungen Leistungen der Unter-nehmensgruppe Stadt Linz und derSozialverwaltung, wie etwa auch Erzie-hungshilfe oder Mindestsicherung nä-her zu den Bürgerinnen und Bürgern

Auf gesundeNachbarschaft!Gute Nachbarn unterstützen sich im Alltag – undsind im Notfall füreinander da. Der FGÖ hat in zweiModellregionen gezeigt, was Impulse für gesundeNachbarschaft ermöglichen. Text: Dietmar Schobel

Wie die Initiative in Linz umgesetzt wurde.

Gesunde Nachbarschaft im Linzer Süden

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25gesundesösterreich

bringen. Außerdem sollen Gemeinwe-senarbeiter/innen in einem multipro-fessionellen Team die sozialen Prozes-se im Stadtteil mit geeigneten Maßnah-men unterstützen.

Viele Nachbarschaftsprojekte wurden umgesetztDas Spektrum der konkreten Klein-projekte im Linzer Süden reicht voneinem „Fest für Frauen“ in einemKindergarten, der von vielen Kin-dern mit Migrationshintergrund be-sucht wird, bis zum „Tag des offenenGartentores“. „Neben den Bewoh-ner/innen waren unsere zweite Ziel-gruppe die Akteur/innen, die in Ver-einen, Bildungseinrichtungen undanderen Organisationen im Stadtge-biet engagiert sind“, erklärt Mezgo-lich. Für Vertreter/innen dieser Ein-richtungen wurden drei Vernet-zungstreffen veranstaltet.

Insgesamt, so Mezgolich, sei es gelungen, die Identifikation mit demeigenen Stadtgebiet zu verbessern, sowohl was die Bewohner/innen be-treffe als auch im Bezug auf diejeni-gen, die hier beruflich tätig seien. „Vie-len ist durch die Nachbarschaftsinitia-tive erst richtig bewusst geworden,welch große soziale Ressourcen hierdank der Menschen und Einrichtun-gen in den Bezirken bereits vorhandensind. Durch das Projekt konnten die-se Potenziale gehoben werden“, meintdie Sozialarbeiterin. Auf den Seiten26 bis 28 ist anhand einiger konkreterBeispiele näher beschrieben, was inder Praxis gemacht wurde.

Am Land ist die Welt noch in Ord-nung. Hier kennt jeder jeden und ge-genseitige Unterstützung ist selbst-verständlich: Dieses Klischee magmancher Städter im Kopf haben.Stimmt es mit der Realität überein? ImPrinzip ja, meint Elisabeth Wachtervom Regionalbüro Waldviertel derniederösterreichischen Dorf- undStadterneuerung: „Es gibt nach wievor viele, die mithelfen, wenn etwasfür die Gemeinschaft gemacht wird,wie etwa den Spielplatz für die Kin-der neu zu gestalten.“Gleichzeitig verändern sich jedochdie Strukturen, und das häufig in ei-ne Richtung, in der die Möglichkeitenfür Kommunikation geringer wer-den. In vielen kleineren Landgemein-den in Österreich musste durch denstetig steigenden Rationalisierungs-druck der kleine Lebensmittelladenschon aufgeben oder das Wirtshauszusperren. Pfarren werden zusam-mengelegt, Postfilialen und Schuleneingespart.

„Bei uns waren früher unter ande-rem auch die ,Milchhäuser’ wichtigeTreffpunkte“, sagt Wachter. Hier hät-ten sich die Bauern oder Bäuerinnengetroffen, um ihre Milch abzugeben,die dann von der Molkerei abgeholtworden sei. Seit es diese Einrichtun-gen nicht mehr gebe, seien auch we-niger Möglichkeiten für Gesprächemit den Nachbarn aus dem Dorf vor-handen. Dazu komme, dass jüngereBürger/innen aus schulischen undberuflichen Gründen häufig in dieStadt übersiedelten.

Von den Bedürfnissen der Bürger/innen ausgehenZu den wesentlichen Aufgaben derDorf- und Stadterneuerung zählt des-halb, in einem vierjährigen Prozessnicht nur die Plätze und Gemein-schaftseinrichtungen einer Gemein-de neu zu gestalten, sondern vor allemauch die Nachbarschaftsnetzwerkezu stärken und auszubauen. Letztlichsollen die Menschen zur Eigeninitia-

tive angeregt werden. Die Plattformdafür ist ein bestehender oder neu zugründender lokaler Dorferneuerungs-verein. „Wir arbeiten mit den Men-schen in den Dörfern und Städten zu-sammen und gehen von deren Be-dürfnissen aus“, betont Wachter. Dassdiese Tätigkeit gleichzeitig auch ge-sundheitsförderlich ist, war ein neu-er Aspekt in der Entwicklungsarbeit.Während der Initiative „Auf gesundeNachbarschaft!“ konnte er durch dieintensive Kooperation mit „Tut gut!“noch verstärkt werden. Das ist die Or-ganisation des Landes Niederöster-reich für Gesundheitsförderung. Umdie in der FGÖ-Initiative vorgesehe-nen, mit bis zu 300 Euro dotiertenKleinprojekte für bessere Nachbar-schaft zu initiieren, hat die Dorf- undStadterneuerung diese Möglichkeitzunächst in ihrem bestehenden Netz-werk, durch regionale Medien undüber die Website www.gesunde-nach-barschaft.at bekannt gemacht. Im No-vember des Vorjahres wurde eine Auf-taktveranstaltung in Zwettl abgehaltenund im Anschluss wurde ein Wettbe-werb organisiert. 47 Kleinprojektewurden für eine Förderung eingereichtund davon wurden 31 für die Umset-zung ausgewählt. Auf den Seiten 26 bis28 ist anhand einiger konkreter Bei-spiele näher beschrieben, was in derPraxis gemacht wurde.Fo

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Barbara Eibelhuber und Karin Mezgolich waren inder Modellregion Linz für die Initiative „Auf gesundeNachbarschaft!“ verantwortlich.

Wie die Initiative im Wald-viertel verwirklicht wurde.

Gesunde Nachbarschaft im Waldviertel

Elisabeth Wachterwar Projektleiterinin der ModellregionWaldviertel:„Wir arbeiten mit denMenschen in den Dörfern und Städtenzusammen und gehen von deren Bedürfnissen aus.“

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GROSSSCHÖNAU

„Früh übt sich, wer tolerant und weltoffen wer-den will“. So könnte eine Initiative überschriebenwerden, mit welcher der Kindergarten der Ge-meinde Großschönau seinen Schützlingen grenz-überschreitende Kontakte und Freundschaftenermöglicht. Schon seit acht Jahren können hierbereits die Jüngsten einmal in der Woche Tsche-chisch lernen. Bei regelmäßigen Besuchen einesPartnerkindergartens im rund 20 Kilometer ent-fernten tschechischen Nové Hrady können sie ihrWissen auch gleich in der Praxis erproben. Dankder Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“ konnte in diesem Rahmen auch ein Spielefest inGroßschönau veranstaltet werden, zu dem die

tschechischen Kinder aus Nové Hrady eingeladenwaren. Martin Bruckner, der Bürgermeister derGemeinde im Waldviertel und die Kindergarten-pädagogin Karina Senk begrüßten die Nachbarnaus Tschechien. Die Kinder aus Großschönauhatten ein tschechisch-deutsches Lied vorberei-tet, das gemeinsam mit den Gästen gesungenwurde. Es gab Aufstrichbrote, Kuchen, Obst undGemüse als Jause, verschiedene Spielestationensowie eine Hüpfburg. Rund 55 Kinder, Elternund Begleitpersonen kamen zu der Veranstaltung,von der eine Mutter berichtet: „Nach ersten An-laufschwierigkeiten haben die Kinder rasch zu-einander gefunden. Dann war es faszinierendzu beobachten, mit welcher Freude sie mitei-nander gespielt haben.“

WISSEN

GROSS GERUNGS

Tanzen ab der Lebensmitte

Völkerverständigung im Kindergarten

Wer tanzt, verbindet beschwingteGeselligkeit mit körperlicherAktivität. Eigentlich optimal,

um Menschen zusammenzubringen undgemeinsam etwas für das Wohlbefindenzu tun. Dass die Tanzbegeisterung beiMännern oft nicht ganz so groß ist wiebei Frauen, lässt dieses gesunde Vorha-ben freilich manchmal scheitern. Nicht sobeim „Tanzen ab der Lebensmitte“, ei-nem Programm des „BundesverbandesSeniorentanz Österreich“, das statt aufPaartänze gezielt auf Kreistänze, andereGruppentänze und Tanzspiele setzt. IreneHinterhoger (65) aus Zwettl ist in dieserMethode ausgebildet. Im vergangenenMärz hat sie diese mit ihren Tanzgrup-pen aus Zwettl und Schrems im Rahmender Initiative „Auf gesunde Nachbar-schaft!“ auch im Herz-Kreislauf-Zentrumin Groß Gerungs präsentiert. Viele Se-nior/innen und Noch-Nicht-Senior/in-nen aus der Gemeinde haben sich dafürinteressiert und konnten die Tänze gleichselbst ausprobieren. Im Anschluss gab esfünf weitere Tanztermine, die dank derNachbarschaftsinitiative kostenlos be-sucht werden konnten. Durch die „Ge-sunde Gemeinde“ Groß Gerungs wurdedas Angebot für tanzbegeisterte jung Ge-bliebene dann auch im Herbst fortgesetzt.„Tanzen sorgt für gesunde Bewegungund da für unsere Gruppentänze auchkleine Choreographien einstudiert wer-den müssen, wird gleichzeitig die menta-le Fitness trainiert“, meint Hinterhogerund ergänzt: „Für manche Teilnehmersind unsere Kurse zudem ein willkom-mener Anlass, aus dem Haus zu gehenund unter Leute zu kommen.“

26 gesundesösterreich

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Lesen Sie hier einige Beispiele für die vielfältigen und kreativen Ideen von Bürger/innen, die bei der FGÖ-Initiative

„Auf gesunde Nachbarschaft!“ in den Modellregionen Waldviertel und Linz in die Praxis umgesetzt wurden.

8 Beispiele aus der Praxis

Die Kinder aus Tschechien und Österreich mit Eltern und Begleitpersonen beim Spielefest in Großschönau mit denKindergartenpädagoginnen Karina Senk und Christina Feiler, den Betreuerinnen Erna Huber und Renate Sulzbachner, dem Großschönauer Bürgermeister Martin Bruckner und Gemeinderat Martin Hackl.

Page 27: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

WISSEN

FÜR TIERLIEBHABER

Spaziergang mit Hunden

Wenn Peter Gröbl (58) einkaufengeht, muss seine „Lissi“ vor demSupermarkt warten. Da kommt

es natürlich öfters einmal vor, dass Tierlieb-haber zu der zutraulichen Labrador-Hündingehen, um diese zu streicheln. „Etliche ha-ben mir dann erzählt, dass sie selbst auchgerne einen Hund halten würden, jedochnicht genügend Platz haben oder dafürschon zu alt sind“, berichtet Gröbl. Die„Wasserwald-Spaziergänge“ für Tierliebha-ber im Linzer Stadtteil Kleinmünchen sollensolchen Menschen die Möglichkeit geben,mit Hunden in Kontakt zu kommen – unddabei auch andere Tierfreunde zu treffen.Im Rahmen der Fonds Gesundes Österreich-Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“ fan-den diese Spaziergänge im September undOktober regelmäßig jeden Dienstag um15.00 Uhr statt. Im Winter wird eine Pauseeingelegt. Doch wenn die Tage wieder län-ger werden, sollen auch die gemeinsamenWanderungen wieder aufgenommen wer-den. Eingeladen sind neben Menschen, dieselbst keinen Hund halten können natürlichauch Hundebesitzer/innen sowie sämtlicheBesucher/innen des NaherholungsgebietesWasserwald. Neben Gröbl mit seiner „Lissi“sind bei den „Wasserwald-Spaziergängen“unter anderem auch der Golden Retriever„Rico“ und dessen Halterin Hilde Hoflehnersowie Spanielhündin „Jusky“ meistens da-bei. Ein gemütlicher Ausklang im „Brat-wurstglöckerl“ oder einer anderen Einkehr-möglichkeit gehört auch zu der Wanderrun-de für Tierfreunde, von der Gröbl berichtet:„Die Teilnehmer aus unserer Nachbarschafthatten immer viel Freude daran, gemeinsammit Hunden die Natur zu erkunden und ha-ben gesagt, dass sie sich schon darauf freu-en, wenn die Spaziergänge im Frühjahr wie-der stattfinden werden.“

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Gerhard Wiener (52) und seine Lebensgefähr-tin Sonja Tobin (55) sind Videoproduzentenund -künstler und seit sechs Jahren im Besitzeines 108 Jahre alten Hauses im Linzer Stadt-teil Kleinmünchen. Dazu gehören auch 720Quadratmeter Grund. Nicht ganz so viel An-baufläche, wie es sich die beiden vielleichtnoch wünschen würden. Doch mit Hoch- undHügelbeeten lässt sich daraus besonders vielmachen. Im „Himmlischen Garten“ von Wie-ner und Tobin darf sich der Kürbis auch amApfelbaum hinaufranken, Chili, Paprika undParadeiser gedeihen vortrefflich und für dieAnzucht wurde ein Glashaus errichtet.

Dass soviel grüne Pracht die Neugier vielerSpaziergänger auf dem Weg zum nahen Er-holungsgebiet „Wasserwald“ weckt, verstehtsich von selbst. So ist die Idee entstanden,am „Tag des offenen Gartentors“ alle Nach-barn und Garteninteressierten als Gäste zuempfangen. Am 11. Mai haben im Verlaufdes Tages rund 200 Menschen diese Mög-lichkeit genutzt und sich aus nächster Näheinformiert, was „Vertical Gardening“ ist oderwie Kartoffeln und Salat platzsparend ange-baut werden können. „Dabei konnten wirauch den Kontakt mit vielen unserer Nach-barn verbessern“, meint Wiener.

Auf Besuch im „Himmlischen Garten“

Wandernd die eigene Gemeinde erkundenWandern fördert die Gesundheit und dabeikommen die Menschen oft auch gut ins Ge-spräch. Das mag beides eine Rolle dafür ge-spielt haben, dass der Dorferneuerungsvereinvon Harmanschlag im Mai für die Bevölke-rung eine „Grätzelwanderung“ durch denWald und in den Ortsteil Edlau organisierthat, bei der auch die Schönheiten der eige-nen Gemeinde erkundet werden konnten.Zum Abschluss wurde vor dem Veranstal-tungszentrum von Harmanschlag gemeinsamgegrillt, gegessen und getrunken. „Wir ha-ben die Wanderung so gestaltet, dass auch

Kinder und ältere Menschen mitgehen konn-ten“, erzählt Petra Pigall, die Obfrau desDorferneuerungsvereins und ergänzt, dassdie Veranstaltung auch als kleines „Danke-schön“ an die Vereinsmitglieder gedacht ge-wesen sei. Diese kümmern sich unter ande-rem um den Blumenschmuck und die Wan-derwege im Ort. Im Sommer wird alljährlichrings um Mariä Himmelfahrt gemeinsam einBauernmarkt mit regionalen Spezialitätenund Kunsthandwerk veranstaltet. Da kom-men dann bis zu 2.000 Gäste in die kleineOrtschaft im Waldviertel.

In Harmanschlag im Waldviertel hat der Dorf-erneuerungsverein die Nachbar/innen im Ort dazu eingeladen, bei einer Wanderung gemeinsam die eigene Gemeinde zu erkunden.

Page 28: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

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Ein Fest für Frauen

Im Linzer Süden haben zwei Mütter ausdem Kindergarten Dauphinestraße deninternationalen Frauentag am 7. März

zum Anlass genommen, im Rahmen derInitiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“des Fonds Gesundes Österreich ein Festfür die Frauen aus der Umgebung zu orga-nisieren. An der Veranstaltung haben sichauch der Kindergarten in der Auerpeint,weitere Mütter aus beiden Kindergärtenund die Volkshochschule Oberösterreichmit ihrem „Rucksack-Projekt“ beteiligt,das die Mehrsprachigkeit von Kindern mitMigrationshintergrund fördern soll. Mit-arbeiter/innen der Büchereien Auwiesenund Neue Heimat veranstalteten ein lusti-ges Mitmachtheater. Auch Männer warenzugelassen – zumindest sofern sie als Mu-siker zum Unterhaltungsprogramm beige-tragen haben. „Viele Mütter haben mitge-holfen und das nachbarschaftliche Mitei-nander – also sich zu unterhalten, zu quat-schen und Spass zu haben – hat superfunktioniert“, erzählt eine der Veranstal-terinnen. Außerdem sei genügend Zeit zurVerfügung gestanden, neue Nachbar/in-nen kennen zu lernen. Für manche Frauensei das Fest auch eine Gelegenheit gewe-sen, einmal ohne familiäre Begleitung un-ter Menschen zu kommen: „Eine streng-gläubige Muslimin hat mir erzählt, dass esfür sie wirklich der einzige Tag im Jahr ist,an dem sie von ihrem Mann die Erlaubnisbekommt, alleine wegzugehen“, berichteteine Initiatorin der gelungenen Veranstal-tung für bessere Nachbarschaft.

„Jäger, Fischer und Bauern tragen wesentlichdazu bei, die Natur und Kultur zu pflegen undsind auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor fürdie Region“, weiß Robert Bruckner, der Ob-mann des Kultur- und VerschönerungsvereinsHirschbach. Manchmal komme es zwischendiesen Gruppen und anderen Einwohner/innender 570-Seelen-Gemeinde jedoch auch zuMeinungsverschiedenheiten. So etwa wennJogger oder Mountainbiker im Wald unterwegssind, während die Jäger am Hochsitz nachWild Ausschau halten. Oder als die Fischer denTeich pachteten, der zuvor als Badegewässergedient hatte. Josef Pruckner, der die Ge-schichtswerkstatt des Kultur- und Verschöne-rungsvereins leitet, hat deshalb eine Veranstal-tungsreihe namens „Jäger – Fischer – Bauer“konzipiert, um die Leistungen dieser Gruppengebührend zu präsentieren und das Miteinan-der aller zu fördern.Auf der „Bauernzeile“, ei-nem vom Kultur- und Verschönerungsvereingestalteten Platz im Dorf, machten dieJäger/innen der Genossenschaftsjagd Hirsch-bach im Mai den Anfang und kredenzten Wildragout,Wildschwein-Cevapcici und Wild-käsekrainer für alle Besucher/innen. Der Film„Das jagerrische Leben im Wandel der Zeit“wurde gezeigt, und obwohl auf Musik bewusst

verzichtet wurde, tauschten sich die Gäste vomfrühen Nachmittag bis in die Nacht hinein beiintensiven Gesprächen aus. Bei der Veranstal-tung der Bauern im „Alten Schlosshof“ vonHirschbach im Juli wurden deftige Köstlichkei-ten wie Blunzngröstl, steirisches Wurzelfleischoder Erdäpfelgulasch angeboten. Die Fischermachten im September am Prettereckteich denAbschluss, mit Spezialitäten wie Fischsuppe,Karpfen im Bierteig oder Brachsenlaibchen und vielen Informationen rund um das Angeln.„Die Veranstaltungen haben viel für die Dorf-gemeinschaft gebracht und wurden wirklichsehr gut angenommen“, freut sich Vereinsob-mann Bruckner: „Es sind jeweils zwischen 150 und 200 Leuten gekommen.“

Jäger, Fischer und Bauern laden ein

Kinder und Senioren kochen MarmeladeWenn Kinder auf Besuch im Seniorenzentrum„Neue Heimat“ im Süden von Linz sind, dannbringt das immer angenehme Abwechslung in den Alltag der Bewohner/innen. Erika Reisinger, die dort als Alten-Fachbetreuerin tätig ist, hat deshalb Kids aus dem benachbar-ten Kindergarten Rohrmayrstraße eingeladen,gemeinsam mit den Senior/innen Marmeladezu kochen. Eine ehrenamtliche Helferin hat siedabei unterstützt und die gemeinsame Aktivi-tät wurde im Rahmen der Fonds GesundesÖsterreich-Initiative „Auf gesunde Nachbar-

schaft!“ gefördert. Die Bewohner/innen unddie Kindern haben zusammen aus Marillenund anderem Obst süßen Brotaufstrich fabri-ziert, und die Senior/innen gaben dabei auchihr Wissen über das Einkochen von Marmeladeund die Verarbeitung von Obst weiter. Schließ-lich haben die Bewohner/innen, die Kinder so-wie die Pädagog/innen und die Leiterin desKindergartens dann auch je ein Glas Marme-lade erhalten. „Die Senior/innen haben sichriesig über den Besuch der Kinder gefreut,und es sind auch viele dazugekommen, diezwar selbst nicht beim Einkochen mitgemacht,aber sehr gerne zugeschaut haben. Einige haben auch gleich nachgefragt, wann wir soetwas wieder machen“, erzählt Reisinger.

Barbara Eibelhuber von der Initiative „Auf gesundeNachbarschaft!“ mit der Alten-Fachbetreuerin Erika Reisinger und einer Teilnehmerin der Initiativebeim Marmeladekochen.

In Linz haben Mütter aus zwei Kindergärten am internationalenFrauentag am 7. März ein Fest für die Frauen aus der Umgebungorganisiert.

In Hirschbach im Waldviertel haben Jäger, Fischer und Bauern bei drei Festen für ihre Nachbarn im Dorfaufgekocht und über ihre Tätigkeit als Erhalter/innenvon Natur und Kultur informiert.

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29gesundesösterreich

WISSEN

GESUNDES ÖSTERREICHWeshalb sind soziale Kontakte für die Gesundheit wichtig?Gerlinde Rohrauer-Näf: Soziale Kontaktesind die Voraussetzung für soziale Unter-stützung, die uns in vielerlei Hinsicht entlas-ten und das Leben erleichtern kann. Dabeigeht es oft um ganz alltägliche Dinge. Seies, dass uns Bekannte eine gute Ärztin odereinen guten Arzt empfehlen, dass Freundeunsere Kinder von der Schule abholen oderauch nur, dass uns Nachbarn mit einer Zutatfür das Sonntagsessen aushelfen. Dass soziale Kontakte von guter Qualität die Gesundheit verbessern, ist durch zahlreicheStudien wissenschaftlich belegt. Und wennwir krank sind, dann tragen sie dazu bei,dass wir uns rascher wieder erholen.

GESUNDES ÖSTERREICHWie kann Gesundheitsförderung dafür sorgen, dass Menschen mehrund bessere soziale Kontakte haben?Das beginnt damit, dass möglichst alle Babys und Kleinkinder sicher und geborgenaufwachsen und im Speziellen auch vor Ver-nachlässigung bewahrt werden sollen. Dazukönnen zum Beispiel unterstützende Netz-werke für und mit Eltern beitragen. Außer-dem sind alle Maßnahmen von Bedeutung,die den sozialen Zusammenhalt in Settingsverbessern, also in konkreten Lebenswelten.Das geschieht zum Beispiel, wenn durch Be-triebliche Gesundheitsförderung die Team-kultur in Unternehmen verbessert wird. Wirwissen, dass soziale Unterstützung durch

Kolleg/innen und Führungskräfte einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden amArbeitsplatz haben kann. Oder auch, wenndurch Projekte oder Arbeitskreise für Ge-sundheitsförderung eine bessere Gemein-schaft in Gemeinden entsteht. Oder wennSchulen als Gesamtorganisation im Sinneder Gesundheitsförderung weiterentwickeltwerden und dabei etwa das Schulklima ver-bessert wird. Bei all den Aktivitäten soll vorallem auch auf jene Personen eingegangenwerden, die schlechter in die Gemeinschaftintegriert sind.

GESUNDES ÖSTERREICHIn welcher Weise will die aktuelle Initiative „Auf gesunde Nachbar-schaft!“ des FGÖ dazu beitragen,diese Aufgabe zu erfüllen?Einerseits ist es ein wichtiges Ziel, besserbekannt zu machen, wie wichtig soziale Be-ziehungen für die Gesundheit sind. Anderer-seits wollen wir konkretes Engagement fürGemeinschaft initiieren und verstärken undMenschen die Möglichkeit geben, für ihreCommunity etwas in Bewegung zu bringenund sich dabei als selbstwirksam zu erle-ben. In den beiden Modellregionen, in de-nen wir die Initiative umsetzen, haben wirdafür strategische Partner gesucht, dieschon im Bereich der Nachbarschaftsaktivi-täten engagiert sind. Mit dem Verein für in-novative Sozialprojekte in Linz und der Dorf-und Stadterneuerung im Waldviertel habenwir diese gefunden. Außerdem hat derFonds Gesundes Österreich im Rahmen der

Initiative Wissen zu den Themen sozialeKontakte und gesunde Nachbarschaft ge-sammelt und stellt dieses nun zur Verfügung– unter anderem auch über die Websitewww.gesunde-nachbarschaft.at.Langfristig soll insbesondere die Förder-schiene „Gemeinsam gesund in…“ Menschen in Gemeinden und Städten dazumotivieren, sich für ihre Nachbarschaft zu engagieren. Nicht zuletzt bieten wir inunserem Bildungsnetzwerk entsprechendeFortbildung zu diesem Thema an.

GESUNDES ÖSTERREICHGibt es schon erste Ergebnisse der Initiative „Auf gesunde Nachbarschaft!“?Erste Resultate der externen Evaluation un-serer Initiative zeigen, dass viele Menschen,die in Linz oder im Waldviertel ein Nachbar-schaftsprojekt umgesetzt haben, bereitsvorher die Idee dafür hatten. Sie hattenschon den Wunsch, sich für die Nachbar-schaft zu engagieren und sogar konkreteVorstellungen dazu. Oft fehlt es also nur anjemandem der mitmacht, an Möglichkeiten,Gelegenheiten und Unterstützung bei derUmsetzung, und dazu können wir beitra-gen. Was mich freut ist, dass die bisher fürdie Evaluation befragten Personen großteilsnicht nur angegeben haben, dass durch dasEngagement neue Kontakte entstandenund bestehende vertieft worden seien.Fast alle sagten auch, dass sie mit demKleinprojekt weitermachen würden oderschon neue Ideen hätten.

Gute soziale Beziehungensind die Basis für

ein gesundes Leben

Gerlinde Rohrauer-Näf, Gesundheitsreferentin mit Schwerpunkt psychosoziale Gesundheit beim FGÖ und Projektleiterin der Initiative

„Auf gesunde Nachbarschaft!“ über die Bedeutungsozialer Kontakte für die Gesundheit.

Page 30: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

WISSEN

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Gesamtprojektes umgesetzt werden. Einige weitere Beispiele für Einzelmaß-nahmen sind auf den Seiten 26 bis 28nachzulesen sowie auf der Websitewww.gesunde-nachbarschaft.at in derRubrik „Gute Beispiele“.

Alle sollen am sozialen Leben teilhabenBei den Projekten soll besonderes Au-genmerk auf Gruppen gelegt werden,die weniger am sozialen Leben teilhabenoder hohen Belastungen ausgesetzt sind.Das umfasst zum Beispiel neu Zugezo-gene, Menschen mit eingeschränkterMobilität, Eltern von Babys und Klein-kindern, Mehrkindfamilien, Alleiner-ziehende, ältere Menschen, Migrant/in-nen und Arbeitssuchende. „Gemeindenoder Vertreter/innen von Stadtteilenkönnen sich selbstverständlich auchschon an uns wenden, bevor ein Förder-antrag gestellt wird. Wir geben ihnengerne Rückmeldung, ob konkrete Pro-jektideen in das ,Gemeinsam gesund’-Konzept passen“, betont Sandra Ram-

Unter dem Titel ,Gemeinsam ge-sund in…’ werden Projekte aufGemeindeebene gefördert und

zwar seit 2013 solche, die sich dem Themenschwerpunkt ,Auf gesundeNachbarschaft’ widmen“, erklärt Verena Zeuschner, Gesundheitsreferentinmit Schwerpunkt Bewegung und kom-munales Setting beim Fonds GesundesÖsterreich (FGÖ). Konkret können alleinnovativen Projekte mit mehreren auf-einander abgestimmten Maßnahmengefördert werden, die darauf ausgerich-tet sind, das Zusammenleben der Men-schen in einer Gemeinde oder einemStadtteil zu verbessern.Eine von mehreren einzelnen Maßnah-men in solchen Projekten kann zum Bei-spiel ein Tanzkurs für Senior/innensein, bei dem ältere Menschen Gesel-ligkeit mit gesunder Bewegung kom-binieren können. Das könnte zum Bei-spiel durch ein Müttercafé mit Kinder-betreuung für alleinerziehende Frauenals weitere Maßnahme ergänzt werden.Oder auch durch ein Netzwerk, in demsich Nachbarn aus unterschiedlichenHerkunftsländern beim Lernen vonSprachen und der Hausaufgabenbetreu-ung für die Kinder gegenseitig unterstüt-zen. Oder durch eine der zahlreichenweiteren möglichen Ideen für Nachbar-schaftsinitiativen. Wichtig ist vor allemauch, dass die einzelnen Maßnahmen in Form eines gut strukturierten

happ. Sie ist beim FGÖ die Ansprechper-son für Projekte im Rahmen dieser Förderschiene (siehe auch Kasten: INFO & KONTAKT).Anträge werden dann online unter pro-jektguide.fgoe.org gestellt und das soll-te mindestens vier Monate vor dem ge-planten Projektbeginn erledigt werden.Wenn der Antrag bewilligt wird, über-nimmt der FGÖ die Hälfte der aner-kennbaren Gesamtkosten. Die restli-chen 50 Prozent müssen nicht unbe-dingt Geldleistungen sein. Eigenleis-tungen der Gemeinde, wie etwa Räumeoder Personal zur Verfügung zu stellen,werden ebenfalls berücksichtigt. DieProjekte müssen zwar dokumentiert,jedoch nicht evaluiert werden.

Umsetzung über LändernetzwerkeDamit die Initiative in möglichst vie-len Kommunen bekannt und wirksamwird, haben Zeuschner und Ramhappdiese unter anderem schon bei Regional-betreuer/innen für „Gesunde Gemein-

Mit der Förderschiene „Gemeinsam gesund in …“ will der FGÖ einen einfachen Zugang zur Gesundheitsförderung auf Gemeindeebene ermöglichen. Aktuell werdenProjekte für „gesunde Nachbarschaft“ der Bürger/innen unterstützt. Text: Dietmar Schobel

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Gemeinsam gesund in Österreich

Gesundheit Österreich GmbHFonds Gesundes Österreich Aspernbrückengasse 2, 1020 WienSandra Ramhapp Tel. 01/895 04 [email protected]

INFO & KONTAKT

Page 31: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

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den“ in Kärnten, Niederösterreich undder Steiermark vorgestellt.Walburga Steiner von der Initiative „Tutgut!“ leitet das Programm „GesundeGemeinden“ in Niederösterreich, andem sich 350 Kommunen beteiligen.Das ist rund die Hälfte der Gemeindenin Österreichs größtem Bundesland.„Soziale Kontakte sind gesundheitsför-dernd, das erlebe ich auch persönlichso“, sagt Steiner. Gleichzeitig sei es abergerade in kleineren Gemeinden derzeitso, dass die Beziehungen zwischen denEinwohnern schwächer würden. Jünge-re wanderten häufig ab, und wenn esZuzug gebe, dann oft nicht in den Orts-kern, sondern in neu errichtete Sied-lungen am Ortsrand. Außerdem seiendie neu Zugezogenen oft Zweitwoh-

nungsbesitzer aus der Stadt, die meistnur wenig Anteil am Gemeinschaftsle-ben nähmen. Eine Initiative wie die ak-tuelle des FGÖ sei deshalb von umsogrößerer Bedeutung, meint die Gesund-heitsförderin aus Niederösterreich. „Esgibt sehr viele Ideen, Möglichkeitenund Potenziale, wie die Menschen inden Gemeinden näher zusammenge-führt werden. Deshalb ist es wichtig,erste Impulse zu geben, wie diese auchgenutzt werden können“, sagt Steiner.

Neue Kapazitäten sind entstandenSusi Satran kann das bestätigen. Sie istBegleiterin im Netzwerk für „Gesun-de Gemeinden“ der steirischen Einrich-tung für Gesundheitsförderung Styriavitalis. Diesem gehören 169 oder rundein Drittel der steirischen Kommunenan. 25 dieser Gemeinden haben bereits„Gemeinsam gesund“-Projekte ver-wirklicht, denn diese Förderschiene desFGÖ gibt es bereits seit 2009, damalsnoch mit dem inhaltlichen Schwerpunkt„Herz-Kreislaufgesundheit“. „Die Pro-jektförderung in diesem Rahmen hatbei den 15 von mir begleiteten Gemein-den sehr positive Auswirkungen ge-habt“, sagt Satran. Durchschnittlichwurden in den Gemeinden in den Be-zirken Deutschlandsberg, Leibnitz undSüdoststeiermark von Ende 2010 bisAnfang 2013 pro Ortschaft 13 Maßnah-men umgesetzt, die meisten zur För-derung der psychosozialen Gesund-heit.„Gesundheit als Wert konnte in allenGemeinden auf Ebene der Gemeinde-politik und Gemeindeverwaltung bes-ser verankert werden“, betont Satran.Das hat manchmal auch triviale Grün-de. So machen es Projektanträge etwaerforderlich, dass das Ortsoberhauptunterschreibt – und damit auch die Haf-tung für die Gelder übernimmt. Man-che Bürgermeister/innen hätten erstdadurch dem Thema Gesundheitsförde-rung erstmals mehr Aufmerksamkeitgewidmet, berichtet die steirische Ge-sundheitsförderin. Auch das Erforder-nis, die Projekte zu dokumentieren sto-ße zwar nicht überall auf Gegenliebe,habe sich jedoch auf die Effizienz der lo-kalen Gesundheitsinitiativen und das

Capacity Building für Gesundheitsför-derung sehr günstig ausgewirkt.Zu den Maßnahmen, die in der Steier-mark bereits konkret verwirklicht wur-den, zählt unter anderem ein „Erzähl-café“ in Stainz, in dem über 90-Jährigeandere Bürger/innen an ihren Erleb-nissen teilhaben lassen. Oder der „Ge-nerationenspielplatz“ in Heiligenkreuzam Waasen, wo Alt und Jung Möglich-keiten für Spiel und Ruhe finden. Undin Obervogau sammeln nun alljährlichviele Bürger/innen im Herbst bisherbrachliegendes Streuobst. Daraus wirdgemeinsam das wohlschmeckende„Dorfsaftl“ hergestellt. – Nun liegt es anallen anderen österreichischen Gemein-den und Stadtteilen, dem viele weitereBeispiele für gesunde Nachbarschaftfolgen zu lassen.

Verena Zeuschner:„Wir fördern Projekteauf Gemeindeebene zum Thema ,gesundeNachbarschaft’.“

Sandra Ramhapp:„Wir informieren gerne schon vorab, obkonkrete Projektideen in das ,Gemeinsam gesund’-Konzeptpassen.“

Walburga Steiner:„Es wichtig, erste Impulse für ,gesundeNachbarschaft’ zu geben.“

Susi Satran:„Die Projektförderungin diesem Rahmen hatbei den 15 von mir be-gleiteten Gemeindensehr positive Auswir-kungen gehabt.“

• mit mehreren aufeinander abgestimmtenMaßnahmen, die sich dem Thema „Auf gesunde Nachbarschaft!“ widmen unddamit das Zusammenleben in der Gemeindeverbessern.

• mit einer Laufzeit von zwölf bis 24 Monaten.

• die den Titel „Gemeinsam gesund in ...“ führen (zum Beispiel „Gemeinsam gesund in Musterdorf“).

Der FGÖ übernimmt 50 Prozent der Kosten. Der Rest muss durch Eigenmittel,Eigenleistungen oder andere Finanziersaufgebracht werden.

• Gemeinden bis 2.000 Einwohner/innenkönnen Projekte in Höhe von: 5.000 bis10.000 Euro beantragen.

• Gemeinden bis 10.000 Einwohner/innenkönnen Projekte in Höhe von: 7.000 bis15.000 Euro beantragen.

• Gemeinden über 10.000 Einwohner/innenkönnen Projekte in Höhe von: 10.000 bis20.000 Euro beantragen.Es ist auch möglich, dass mehrere kleinereGemeinden gemeinsam ein Projektbeantragen.

Der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) fördert im Rahmen der Initiative „Gemeinsam gesund in…“ Projekte

DIE FÖRDERSCHIENE „GEMEINSAM GESUND IN ...“

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WISSEN

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W ien, Schwedenplatz. Der Ver-kehrsknotenpunkt am Donau-kanal ist 24 Stunden am Tag

und 7 Tage die Woche Stätte urbanenLebens. Tagsüber ist er Durchgangssta-tion für viele Berufstätige, aber auch fürEinkaufslustige auf dem Weg in denersten oder zweiten Bezirk. Andere hal-ten sich länger hier auf: Eltern mit Kin-dern, ältere Menschen, Arbeitende inder Mittagspause, Menschen mit Hun-den, Touristinnen und Touristen. Men-schen aus Randgruppen verbringen hieroft einen Großteil des Tages. Am Wo-chenende kommen abends Jugendlichezum „Vorglühen“ dazu; nachts jungeErwachsene auf dem Weg zu den Loka-len im Wiener „Bermuda-Dreieck“. DerEissalon, die Imbissstände und Schani-gärten und die öffentlichen Sitzgelegen-heiten sind Anziehungspunkte für alle.„Der Schwedenplatz zählt zu den am in-tensivsten genutzten Flächen in ganzWien“, weiß Udo Häberlin von der Stabs-

stelle „Öffentlicher Raum, soziale Pro-zesse“ der Magistratsabeilung 18 – Stadt-entwicklung und Stadtplanung der Bun-deshauptstadt. In einigen Jahren soll erin neuem Glanz erstrahlen und gleich-zeitig die Bedürfnisse möglichst vielerNutzer/innen gut abdecken. „Wenndas gelingt, dann können gerade auchintensiv frequentierte Plätze wie dieserzu Orten des informellen sozialen Kon-taktes zwischen unterschiedlichen Men-schen werden“, sagt Häberlin.Mehr Grünflächen, bessere Organisati-on der Straßenbahnlinien und Halte-stellen, neue Anbindungen an die Frei-zeitangebote am nahen Donaukanaloder eine generell fußgängerfreundli-chere Gestaltung, sind einige Möglich-keiten, was am Schwedenplatz oderauch am nahe gelegenen Morzinplatzverändert werden könnte. „Oft sind esschon kleine bauliche Veränderungen,mit denen sich große soziale Wirkungenerzielen lassen“, meint Häberlin. Bei-

spiele dafür sind etwa die „Enzis“, spe-zielle Sitz- und Liegemöbel, welche dieFreiflächen im Museumsquartier inWien zum Ort der Begegnung machen.Oder bogenförmige Sitzgelegenheiten,die in Wien an Plätzen oder am Straßen-rand aufgestellt werden und auf denenPassanten – je nach Laune und Kon-taktfreudigkeit – einander zu- oder von-einander abgewandt Platz nehmen kön-nen. Oder es werden in Parks besonde-re Fitnessgeräte nicht nur für Senior/in-nen zur Verfügung gestellt.

Von der „Sozialraumanalyse“ bis zum UmbauIn die Planung für die Neugestaltungdes Schwedenplatzes wurden dieWienerinnen und Wiener in hohemMaße miteinbezogen. Das hat mit ei-ner Analyse begonnen, für die Stadt-planer/innen als teilnehmende Beob-achter/innen erhoben haben, wer denPlatz wann und wie benutzt. Dann

Die „Enzis“ machendas Museumsquartierin Wien zum Ort derBegegnung. Die Sitz- und Liegemöbelwurden von den Architekten Anna Popelka und Georg Poduschka entwickelt.

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So wird urbaner Raumzum Ort der Begegnung

Durch Beteiligung der Bürger/innen an Planungsprozessen soll öffentlicher Raum vermehrt zu einem Ort sozialer Begegnung werden. Die Stadtplanung gibt

freilich nur den Rahmen vor. Wie er genutzt wird, entscheiden die Menschen.Text: Dietmar Schobel

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wurden die Bürger befragt, welcheVerbesserungen sie sich wünschenund konnten mögliche Veränderun-gen auch nach einem Punktesystemgewichten. Zudem wurden Diskus-sionsforen mit den Anrainer/innen,anderen Bürger/innen, Expert/innenund Entscheidungsträger/innen ver-anstaltet. All das wird im kommen-den Jahr bei einem Gestaltungswettbe-werb für Architekten, Stadt- undRaumplaner berücksichtigt. Und dieResultate des Gestaltungswettbewer-bes können neuerlich zur Diskussiongestellt werden, bevor dann mit demUmbau begonnen wird.

Beteiligung gehört dazuBeteiligung ist also heute in der Stadt-planung wie in der Gesundheitsförde-rung bereits für die Planungsprozes-se ein allgemein anerkanntes Leitprin-zip. Letztlich soll dadurch öffentli-cher Raum stärker so gestaltet wer-den, dass ihn möglichst viele Men-schen als einladend empfinden. Dassschafft wiederum bessere Vorausset-zungen für unbeabsichtigte Begeg-nungen der Menschen – oder auch„Nachbarn“ – im urbanen Raum undbirgt Potenzial für bessere sozialeKontakte.So betrachtet hat die Stadtentwick-lung ähnliche Ziele wie die Gesund-heitsförderung. Gleichzeitig gilt esjedoch die Realität moderner Metro-polen im Blick zu behalten. „Öffent-licher Raum ist in Städten ein heiß be-gehrtes Terrain. Die Stadtplanungkann zwar dazu beitragen, dass ermöglichst attraktiv gestaltet wird.Ein Allheilmittel für soziale Proble-me ist sie aber gewiss keines. Wieder Raum dann genutzt wird, bleibtletztlich den Menschen überlassen“,meint Häberlin.

Kein Allheilmittel für soziale Probleme„Die gebaute Umwelt determiniert dassoziale Handeln nicht. Wie an konkre-ten Orten Begegnung stattfindet, hängtletztlich von weichen Faktoren ab – al-so von den Menschen selbst und wiediese aufeinander zugehen“, bestätigtauch Gesine Bär von der Alice SalomonHochschule Berlin. Die Diplom-Sozio-login forscht zu den Themen „Gesund-heitsfördernde Stadtteilentwicklung“sowie „Inklusionsmöglichkeiten in derWohnumgebung“. „Partizipation undkommunale Gestaltungsmöglichkeitenschaffen wichtige Voraussetzungen. Da-rüber hinaus sind manchmal schon Klei-nigkeiten wichtig, die etwa darin beste-hen können, wie das Wohnumfeld ge-staltet wird“, meint auch die deutscheWissenschafterin.Ein Beispiel: Aus Sicht von Älteren oderanderen Menschen mit eingeschränk-ter Mobilität kann die Tatsache, ob aufdem Weg zum Supermarkt oder in denPark eine Bank für einen Zwischenstoppvorhanden ist, bereits darüber entschei-den, ob sie überhaupt aus dem Hausgehen. Oder es können für Jugendlicheso genannte „Lungerpunkte“ geschaffenwerden, als eine Art „Zuhause im öffent-lichen Raum“ mit Wetterschutz. Daswurde in Deutschland zum Beispiel inden Plattenbausiedlungen im StadtteilSilberhöhe in Halle an der Saale realisiertoder auch in der GroßwohnsiedlungDrispenstedt in Hildesheim. Das Zieldabei ist auch, mögliche Konflikte zwi-schen Teenagern und anderen Grup-pen der Bevölkerung zu reduzieren.

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Udo Häberlin: „Oft sind es schon kleine bauliche Veränderungen, mit denen sich große soziale Wirkungen erzielen lassen."

Gesine Bär von der Alice Salomon Hoch-schule Berlin:„Die gebaute Um-welt determiniertdas soziale Handeln nicht.“

„Generell ist das Prinzip einer größt-möglichen Beteiligung aus Sicht derStadtplanung jedenfalls gut etabliertund in der Gesundheitsförderung gilt in-tersektorales Arbeiten und Partizipati-on ebenfalls als ,State oft the Art’“, sagtdie deutsche Expertin zusammenfas-send.

In Berlin wurden im Rahmen des bundes-weiten Programms „Soziale Stadt“ in 34 sozial benachteiligten Stadtteilen sogenannte „Quartiersräte“ eingerichtet.„Das sind Gremien für Bürgerinnen undBürger, die dafür nach einer Zufallsaus-wahl durch einen Computer ausgesuchtwerden und die bei Fragen der Stadtteil-entwicklung in ihrem Quartier mitent-scheiden sollen. So soll dafür gesorgtwerden, dass tatsächlich möglichst alleBevölkerungsschichten beteiligt werden“,erklärt die Diplom-Soziologin Gesine Bärvon der Alice Salomon Hochschule Berlin.Die Institutionen sind zu 49 Prozent unddie Bürgerinnen und Bürger zu 51 Prozentvertreten. Durchschnittlich tagen diemeisten Quartiersräte neun- bis zwölfmalim Jahr. Die Sitzungen dauern circa zweibis drei Stunden und werden durch pro-fessionelle Quartiersmanager unterstützt.Neben den Quartiersräten gibt es in allenGebieten so genannte Vergabebeiräte.Diese können auch über die kurzfristigeFörderung von Projekten mit Kosten bismaximal 1.000 Euro entscheiden.„Die Menschen erleben sich durch die Beteiligung in den Quartiers- und Vergabe-beiräten auch als kollektiv wirksam. Unddas kann wiederum in hohem Maße ge-sundheitsförderlich sein“, meint Bär undergänzt, dass die große Herausforderungjedoch weiterhin darin bestehe, speziellMenschen in sozial benachteiligten Le-benslagen besser zu beteiligen. WeitereInformationen dazu sind unter anderemauf der Website www.quartiersmana-gement-berlin.de im Bereich „Quar-tiersmanagement“ nachzulesen.

KOLLEKTIV WIRKSAM WERDEN

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Es ist zum aus der Haut fahren.Schon wieder diese lärmendenKinder in der Wohnung neben-

an. Die ältere Dame macht, was sie fastjeden Abend tun muss, seit vor Kurzemdie Familie mit Migrationshintergrundeingezogen ist. Sie klopft mit einem Be-senstiel kräftig gegen die Wand. Re-den kann man ja mit diesen Leuten si-cher nicht. Doch wie immer hilft das gar nichts.Und heute ist der Lärm einfach gar zuarg. Also vielleicht doch einmal versu-chen, was die nette junge Frau vomNachbarschaftsservice empfohlen hat?Einmal tief durchatmen, aufstehen undbei den Nachbarn anklopfen?„Als diese Mieterin sich nach Wochendazu aufgerafft hat, stellte sich heraus,dass die drei Kinder der neuen – undsehr freundlichen – Nachbarn schonfriedlich in ihren Betten schlummer-ten. Sie waren jeden Abend zu dieserZeit längst schon zu Bett gebracht wor-den. Tatsächlich kam der Lärm aus derWohnung im Stock darunter. Er wur-de dann auch beendet, nachdem diebetreffende Familie einmal freundlichdarauf hingewiesen worden war“, be-richtet Jutta Dier, die Geschäftsführerindes „Friedensbüros“ in Graz, von ei-nem Beispiel aus ihrer Beratungspraxis.Streit zwischen Nachbarn lässt sichnicht immer so leicht beheben. Im Ge-genteil: Wer sich von Lärm belästigtfühlt, ruft speziell in den Großstädtenoft lieber gleich wegen Ruhestörungdie Polizei, statt beim Nachbarn anzu-

klopfen. Doch andererseits gilt auch:wenn einige Grundregeln nachbar-schaftlichen Miteinanders berücksich-tigt werden (siehe auch Kasten: „Diebesten Tipps“ auf Seite 36) entstehenviele Probleme erst gar nicht. Mancheanderen lassen sich mit ein wenig Be-mühen der Beteiligten so lösen, dassbeide Seiten zu Gewinnern werdenund ihre Lebens- und Wohnqualitätverbessern können.

Vermittlung bei KonfliktenEinrichtungen wie „wohnpartner“ fürGemeindebauten in Wien und das„Friedensbüro“ in Graz geben kosten-lose professionelle Unterstützung undvermitteln bei Konflikten. Die Ange-

bote des neun Frauen starken Teams inder steirischen Landeshauptstadt ste-hen dort allen Bewohner/innen vonMehrparteienhäusern zur Verfügung.Außerdem ist das Grazer Friedensbü-ro auch mit Gewaltprävention und -be-arbeitung für alle Schultypen und Kin-dergärten befasst sowie mit Konflikt-prävention und Gemeinwesenarbeitin den verschiedenen Stadtbezirken.„Nachbarschaft kann auch bedeuten,Menschen sehr nahe zu sein, die mansich nicht unbedingt selbst ausgesuchthat. Das birgt viele Möglichkeiten fürKonflikte“, weiß die Friedensbüro-Ge-schäftsführerin Dier. Dieses Potenzialwird noch erhöht, wenn in einer Sied-lung die Räume sehr hellhörig und die

Streit zwischen Nachbarn gehört zum Leben. Serviceteams in Graz und Wien vermitteln.

Bei einem Projekt des FGÖ wird das durch weitere Maßnahmen für gesunde Nachbarschaft ergänzt.

Text: Dietmar Schobel

Immer Ärger mit den Nachbarn

Jutta Dier, die Geschäftsführerin des „Friedensbüros“ inGraz: „Nachbarschaft kann auch bedeuten, Menschen sehr nahe zusein, die man sich nicht unbedingt selbst ausgesucht hat. Das birgtviele Möglichkeiten für Konflikte.“

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Claudia Huemer, Teammanagerin bei „wohnpartner“ in Wien, im Interviewmit „Gesundes Österreich“.

KONFLIKTE IN WIENER GEMEINDEBAUTEN LÖSEN

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GESUNDES ÖSTERREICH Frau Huemer, wofür ist „wohnpartner“in Wien zuständig?Claudia Huemer: Wir sind mit derzeit 150Mitarbeiter/innen für die rund 500.000 Mie-terinnen und Mieter in den rund 220.000Wiener Gemeindewohnungen tätig.Die Struk-tur unserer Teams entspricht ungefähr jener derMieter/innen. 30 Prozent unsererMitarbeiter/innen haben Migrationshinter-grund. Gemeinsam unterstützen wir Nach-barschaftsinitiativen, vernetzen aktive Bewoh-ner/innen, Gruppen und Einrichtungen undvermitteln bei Nachbarschaftskonflikten.

GESUNDES ÖSTERREICH Weshalb gibt es zwischen Nachbarn so häufig Konflikte – die oft auch eskalieren?Weil Wohnen ein Grundbedürfnis ist und mansich seine Nachbarn oft nicht aussuchen kann.Doch mit Methoden zur Vermittlung, wie et-wa der Mediation, können die Konflikte häu-fig auch gelöst werden. Wenn es den wohn-partner-Mitarbeiter/innen gelingt,mit den Be-teiligten ins Gespräch zu kommen und einenProzess des Ausverhandelns zu beginnen,dann können nach unseren Erfahrungen vierFünftel der Fälle erfolgreich abgeschlossenwerden.

GESUNDES ÖSTERREICH Was macht„wohnpartner“ im Sinne der Gesund-heitsförderung, damit es erst gar nicht zu Konflikten kommt?Wir führen zahlreiche Aktivitäten durch,begin-nend mit der Einrichtung von „Bewohner/in-nenzentren“, in denen von Mieter/innen fürMieter/innen Angebote gestaltet werden kön-nen. Das Spektrum der Maßnahmen reichtvon der Aktion „Willkommen Nachbar!“ fürneu Zugezogene über Nachbarschaftsgärten,Hofcafés und -Feste und den „1. Wiener Ge-meindebauchor“ bis zur Sommer-Initiative„Urlaub im Gemeindebau“ mit einem buntenProgramm für alle Altersstufen: „Nordic Wal-ken“ und Salsa tanzen gehören ebenso dazu,wie Jonglieren in der Zirkuswerkstatt.

Claudia Huemerist Teammanagerinbei „wohnpartner“in Wien.

Nachbarschaftsnetzwerk FloßlendWas mit Methoden des Nachbar-schaftsservice und ergänzenden Maß-nahmen zur Gesundheitsförderung für

Gemeinschaftsflächen klein sind. Oderwenn Familien mit vielen Kleinkin-dern und ältere Menschen mit hohemRuhebedürfnis Nachbarn sind. Oderwenn Menschen mit unterschiedlichemkulturellem Hintergrund zusammen-leben. Aus einer Kleinigkeit wird dannoft rasch ein tief reichender Konflikt.Professionelle Vermittler/innen wer-den deshalb nicht erst aktiv, wenn einStreit zu schlichten ist. Sie engagierensich bereits im Vorfeld, damit es nachMöglichkeit erst gar nicht dazu kommt.Die „Wohneinbegleitung“ kann dabeisehr hilfreich sein. Neu Zugezogenekönnen von einer Mitarbeiterin desFriedensbüros besucht werden, fallssie das wünschen. Diese nimmt dabeieine alt eingesessene Bewohnerin odereinen alt eingesessenen Bewohner alsBegleitung und künftige/n Ansprech-partner/in für die Neulinge mit. „Dageht es zum Beispiel auch darum, überdie informellen Regeln in der Siedlungzu plaudern, die oft wichtiger sind, alsdas was in der Hausordnung steht“, er-klärt Dier.

ein gutes Zusammenleben getan wer-den kann, wird derzeit auch in derSiedling „Floßlend“ erprobt. Dort wirdseit April 2013 und noch bis März 2016vom Friedensbüro ein vom Fonds Gesundes Österreich gefördertes Pro-jekt durchgeführt. „Wir wollen beste-hende Netzwerke zwischen den Nach-barn verstärken, neue Kontakte ermög-lichen sowie die Zusammenarbeit derbereits im Bezirk tätigen Einrichtungenverbessern“, erklärt die Friedensbüro-Mitarbeiterin und Projektleiterin Marlies Wiltsche.Das „Nachbarschaftsnetzwerk Floß-lend“ wurde mit einer Analyse des Ist-Stands in der Siedlung mit rund

Marlies Wiltscheleitet das FGÖ-

Projekt „Nachbar-schaftsnetzwerkFloßlend“: „Die

wichtigste Maßnahmezur Lösung von

Konflikten ist: Reden,reden, reden.“

Plauderstunde im Hof beim Projekt „Nachbarschaftsnetzwerk Floßlend“ des Friedensbüros in Graz.

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WISSEN

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zufrieden sind und der Anteil an Bezie-her/innen von Sozialhilfe am höchstenist. Außerdem gibt es hier nach dem Bezirk Gries am meisten „Nicht-EU-Bürger/innen“. „In der Floßlend-Sied-lung funktioniert die Nachbarschaft jedoch vergleichsweise gut“, betontWiltsche: „Rund 60 Prozent der Be-wohner/innen leben gerne dort undrund 70 Prozent bewerten das Zusam-menleben positiv.“Das soll durch das Projekt noch besserwerden. Zum Beispiel, indem ein Nach-barschaftszentrum in der Siedlung ein-gerichtet wurde, in dem Wiltsche unddie zweite Projektmitarbeiterin Jasmi-na Keser zu fixen Zeiten für Anfragenzur Verfügung stehen. Außerdem wer-den auch „Plauderstunden“ im Innen-hof abgehalten. Jene am Dienstag Nach-mittag wendet sich vor allem an Kin-der und Jugendliche, denen Spiele,kreative Betätigungen und Basteln an-geboten werden sowie Erlebnispädago-gik – wie etwa Balancieren auf einerSlackline. Und aus der Plauderstundeam Donnerstag Vormittag hat sich be-reits eine nachbarschaftliche Strickrun-de einiger älterer Damen entwickelt.

Selbstvertretung und StadtteilforumBei dem Projekt soll unter anderemauch ein Gremium zur Selbstvertre-tung der Bewohnenden entstehen unddas „Stadtteilforum“ wurde bereitsdreimal abgehalten. Es soll die Ak-teur/innen von Sozial- und Bildungs-einrichtungen im Bezirk besser mitei-nander vernetzen. Die Vertreter/in-nen von Jugendzentren sowie der of-fenen Kinder- und Jugendarbeit derStadt Graz, von Genossenschaften derumliegenden Siedlungen, der Pfarre,der Polizei, der Schulsozialarbeit sowie

420 Bewohner/innen begonnen. DerStadtteil Lend zählt laut der Grazer Be-völkerungsbefragung 2009 unter den 17Bezirken zu jenen drei, in denen dieEinwohner/innen am wenigsten mit„Wohnsituation und Zusammenleben“

Direktor/innen umliegender Schulennehmen daran teil. Bei der Ist-Stands-Erhebung wurden die Bewohner/in-nen auch gefragt, was sie in der Floß-lendsiedlung am meisten störe. NebenZustand und Ausstattung der Woh-nung waren das vor allem Zwischen-menschliches, wie Lärm, die Vorurtei-le gegenüber Menschen mit Migrati-onshintergrund, Tratsch und Be-schimpfungen im Hof sowie Regelver-stöße und mangelnde Mülltrennung.„Insgesamt sind die Themen, aus de-nen Konflikte entstehen können, in derFloßlendsiedlung letztlich dieselbenwie überall“, weiß Wiltsche aus inzwi-schen 13 Jahren Erfahrung in der Nach-barschaftsarbeit in Wien und Graz. Dasseien unterschiedliche Bedürfnisse derBewohner/innen, das Aushandeln vonRegeln und mangelnde Kommunika-tion. Die wichtigste Gegenmaßnahmesei deshalb einfach zu beschreiben,meint die Nachbarschaftsarbeiterin:„Reden, reden, reden. Sobald wir mitdem Menschen ins Gespräch kommenund diese miteinander, gelingt es oftauch einen Prozess des Ausverhan-delns zu beginnen und schließlich be-stehende Konflikte zu lösen.“ Gleich-zeitig sei jedoch auch eines klar: Nichtjeder Streit könne geschlichtet wer-den. Schließlich seien Widersprücheund unterschiedliche Meinungen auchwesentlicher Bestandteil menschlichenLebens und Zusammenlebens. „Wirmöchten jedoch dazu beitragen, dassAuseinandersetzungen nicht eskalie-ren, sondern gemeinsam beigelegtwerden können“, betont Wiltsche:„Doch auch dafür können wir nur denAnstoß geben. Die Verantwortung tra-gen letztlich die Bewohner/innenselbst.“

Der Nachbarschaftsservice „wohnpartner“ in Wien hat in einemFolder die wichtigsten Empfehlungenzusammengefasst, was beachtet werden sollte, wenn es einen Konfliktmit den Nachbarn gibt:

• Ich überlege mir, was mich genau,wann, wie und warum stört.

• Ich klopfe bei meiner Nachbarinoder meinem Nachbarn an und frage,ob sie oder er Zeit für ein Gespräch hat.

• Ich erkläre genau, wodurch ich michgestört fühle.

• Ich versuche ruhig und sachlich zubleiben. Ärger und Emotionen, dieWellen schlagen, behindern eineLösung des Problems.

• Ich interessiere mich für die Sicht deranderen.

• Nur wenn jeder dem anderen seineSichtweise nahebringen und auchzuhören kann, ist es möglich, einefaire Lösung zu finden.

• Ich spreche mit der Nachbarin oderdem Nachbarn darüber, wie wirdamit umgehen, wenn es wieder zueiner Störung kommt.

Bedenken Sie: Im täglichen Zusammenle-ben kann es immer wieder zu Konfliktenkommen. Gehen Sie davon aus, dass andereSie nicht absichtlich stören und, so wie Sie,in Frieden ohne Ärger leben wollen.Falls es jedoch einmal einen Konflikt gibt,sollten sie rasch handeln, damit Unstimmig-keiten und Missverständnisse möglichst frühbereinigt werden können. Hören Sie auchauf den „kleinen Ärger“, denn sonst kannaus einer „Mücke“ ein „Elefant“ werden.Quelle: Folder: „Gemeinsam für eine gute Nachbarschaft – Wegeaus dem Konflikt. Herausgeber:Wohnservice Wien Ges.m.b.H.,Stand:August 2011. Download unter: www.wohnpartner-wien.at im Bereich „Angebot für GemeindemieterInnen“.

DIE BESTEN TIPPS BEI ÄRGER MIT DEN

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Bei einer „Wohneinbegleitung“werden neue Bewohner/inneneines Mehrfamilienhauses vomFriedensbüros in Graz gemeinsammit „alt eingesessenen“ Bewohner/innen willkommen geheißen.

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SELBSTHILFE

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Gesundheitsministeriums und wies zudem da-rauf hin, dass bis Mitte 2014 im Auftrag derGesundheitsreform die Struktur der Primärver-sorgung völlig neu organisiert werden müsse.„Das wäre sinnlos, ohne die Patienten einzu-beziehen“, so Auer, der jedoch auch betonte,dass die Selbsthilfe „keinen Exklusivanspruch“darauf habe, die Interessen der Patient/innenzu vertreten.Frank Schulz-Nieswandt, Professor für Sozial-politik und Methoden der qualitativen Sozial-forschung an der Universität Köln, hob in sei-nem Vortrag hervor: „Wer fördert, der fordertauch.“ Damit brachte er die zentrale Heraus-forderung auf den Punkt: Gerade auch wennsich Selbsthilfevertreter/innen auf gesetzli-cher Grundlage für Patientenanliegen einset-zen, muss gleichzeitig umso mehr dafür ge-sorgt werden, dass sie von politischen, kom-merziellen und individuellen Interessen un-abhängig bleiben und ausschließlich demWohl aller Patientinnen und Patienten ver-pflichtet sind.

Kompetente Expert/innen reden verständlichIn gesundheitspolitischen Gremien ist zudemfachliche Kompetenz gefragt. Patient/innen, diesich daran beteiligen, sollten selbstbewusstauftreten, meinte Martin Danner, der Ge-schäftsführer der deutschen Bundesarbeitsge-meinschaft Selbsthilfe: „In Ausschüssen, indenen Patienten mitarbeiten, muss laienver-ständlich gesprochen werden. Experten, die

D ie Selbsthilfebewegung ist auf allenEbenen zu einer wichtigen und aner-kannten Größe geworden“, meinte

Helga Thurnher, Mitglied des Bundesvorstan-des der ARGE Selbsthilfe Österreich, beim Tagder Selbsthilfe 2013 Anfang Oktober in Wien.Rund 100 Selbsthilfevertreter/innen, Entschei-dungsträger/innen und Expert/innen waren zuder Veranstaltung gekommen, die alle zweiJahre stattfindet und heuer der Frage gewid-met war: „Stehen die Patienten tatsächlich imMittelpunkt?“.Monika Maier, seit Ende November Bundesvor-sitzende der ARGE Selbsthilfe Österreich, refe-rierte zum Thema: „Gesetzliche Verankerung derSelbsthilfe“ und sagte: „In Selbsthilfegruppenist eine hohe Erfahrungskompetenz vorhan-den, was es heißt mit einer chronischen Erkran-kung leben zu müssen.“ Diese werde von Ent-scheidungsträger/innen auch immer häufigergenutzt und die Selbsthilfe an Diskussions-und Entscheidungsprozessen beteiligt. Bislangsei die Selbsthilfe jedoch noch nicht gesetzlichanerkannt und die im Regierungsprogramm2008 bis 2013 in Aussicht gestellte öffentlicheFörderung ebenfalls noch nicht verwirklichtworden, monierte Maier.

Die Patienten aktiv einbeziehen„Das große Fluss im Gesundheitswesen gehtdahin, dass wir vom passiven Patientenbildwegkommen“, sagte Sektionschef ClemensMartin Auer, der Leiter der Sektion I, „Ge-sundheitssystem, zentrale Koordination“ des

selbst gut verstanden haben, wovon sie re-den, können das auch und geben ihr Wissen inleicht verständlicher Sprache weiter.“In Deutschland ist die Patientenbeteiligung seit2004 durch eine Verordnung geregelt.Vier Pa-tienten- und Selbsthilfeorganisationen sind be-rechtigt, Vertreter/innen in den so genannten„Gemeinsamen Bundesausschuss“ zu entsen-den, das höchste Gremium der gemeinsamenSelbstverwaltung im Gesundheitswesen. Siehaben ein Antrags- und Mitberatungs-, jedochkein Stimmrecht.Außerdem gibt es bereits seitLängerem eine Basisfinanzierung der Selbsthil-fe.Aktuell müssen die gesetzlichen Krankenver-sicherungen auf den Ebenen von Bund, Ländernund Gemeinden pro Versichertem und Jahr 63Cent zur Verfügung stellen.

Ein wichtiger PartnerDer „Tag der Selbsthilfe“ wurde mit einer Po-diumsdiskussion abgeschlossen. Die Leiterindes Fonds Gesundes Österreich Christa Pein-haupt sagte dabei: „Im Zentrum der Gesund-heitsreform 2012 steht, die Qualität für diePatienten zu erhöhen. Das geht nicht, ohnederen Perspektive miteinzubeziehen. Selbst-hilfegruppen und die ARGE Selbsthilfe Öster-reich sind deshalb ein wichtiger Partner dafür,das Gesundheitswesen patientenorientiert wei-terzuentwickeln.An den Kosten sollte das nichtscheitern, schließlich ist davon auszugehen,dass mehr Patientenorientierung zu mehr Qualität und Effizienz im Gesundheitswesenführen wird.“

Beim „Tag der Selbsthilfe 2013“ wurde Anfang Oktober diskutiert, welche Rolle

die Selbsthilfe im Gesundheitswesen spielen soll. Rund 100 Selbsthilfevertreter/innen,

Entscheidungsträger/innen und Expert/innen haben teilgenommen.

Die Rolle der Selbsthilfe im

Gesundheitswesen

Der Geschäftsführer der deutschen Bundesarbeitsgemeinschaft SelbsthilfeMartin Danner: „Experten, die selbst gut verstanden haben, wovon sie reden, könnenihr Wissen auch in leicht verständlicher Sprache weitergeben.“

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ALLE ADRESSEN AUF EINEN BLICK

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SELBSTHILFE

ÖSTERREICHARGE Selbsthilfe ÖsterreichSimmeringer Hauptstraße 24,1110 Wienarge@selbsthilfe-oesterreich.atwww.selbsthilfe-oesterreich.atBundesvorsitzende:Sabine GeistlingerBundesgeschäftsführer: JohannesRampler, Tel: 0664/34 29 136

BURGENLANDSelbsthilfe Burgenland –Dachverband für Selbsthilfe-organisationen im Sozial-und Gesundheitsbereich,Behindertenverbände bzw.-organisationenc/o Technologiezentrum Eisenstadt Haus TechLab Thomas A. Edison Strasse 2 7000 Eisenstadtinfo@dachverband-burgenland.atwww.dachverband-burgenland.at

KÄRNTENSelbsthilfe Kärnten – Dachver-band für Selbsthilfeorganisa-tionen im Sozial- und Gesund-heitsbereich, Behindertenver-bände bzw. -organisationenKempfstraße 23/3, PF 1089021 KlagenfurtTel: 0463/50 48 71Fax: 0463/50 48 [email protected]

NIEDERÖSTERREICHSelbsthilfe Niederösterreich– Dachverband der NÖ

SelbsthilfegruppenTor zum LandhausWiener Straße 54 / Stiege A / 2. Stock3109 St. Pölten, Postfach 26Tel: 02742/226 44Fax: 02742/226 [email protected]

OBERÖSTERREICHSelbsthilfe OÖ – Dachverband der SelbsthilfegruppenGarnisonstraße 1a/2. StockPF 61, 4021 LinzTel: 0732/797 666Fax: 0732/797 [email protected]

Kontaktstelle für Selbsthilfegruppen Magistrat der Stadt WelsQuergasse 1, 4600 WelsTel: 07242/235-7490Fax: 07242/[email protected]

SALZBURGSelbsthilfe Salzburg – Dachverband der SalzburgerSelbsthilfegruppenIm Hause der SGKK / Ebene 01 / Zimmer 128Engelbert-Weiß-Weg 105021 SalzburgTel: 0662/88 89-1800Fax: 0662/88 [email protected]

STEIERMARKSelbsthilfeplattform Steiermark –Dachverband der Selbsthilfein der SteiermarkGeschäftsstelle: Selbsthilfekon-taktstelle Steiermark/SBZLeechgasse 30,8010 GrazTel: 0316/68 13 25Fax: 0316/67 82 [email protected]

TIROLSelbsthilfe Tirol – Dachverband der TirolerSelbsthilfevereine und -gruppen im Gesundheits-und SozialbereichInnrain 43/Parterre6020 InnsbruckTel: 0512/57 71 98-0Fax: 0512/56 43 [email protected]

Selbsthilfe Tirol – Zweigverein Osttirol Selbsthilfevereine und -gruppen im Gesundheits-und Sozialbereich c/o Bezirkskrankenhaus Lienz – 4. Stock Süd Emanuel von Hibler-Straße 5,9900 LienzTel./Fax: 04852/606-290Mobil: 0664/38 56 [email protected]/osttirol

VORARLBERGService- und KontaktstelleSelbsthilfe VorarlbergHöchster Straße 30 6850 Dornbirn Tel./Fax: 05572/26 374 [email protected]

Lebensraum BregenzDrehscheibe im Sozial- undGesundheitsbereichClemens-Holzmeister-Gasse 26900 BregenzTel: 05574/527 00Fax: 05574/ 527 [email protected]

WIENSelbsthilfe-Unterstützungs-stelle SUS Wien c/o Wiener Gesundheits-förderung – WiGTreustraße 35-43Stg. 6, 1. Stock1200 WienTel: 01/4000-76 [email protected]

Medizinisches Selbsthilfezentrum Wien„Martha Frühwirth“Obere Augartenstraße 26-281020 WienTel./Fax: 01/330 22 [email protected]

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SELBSTHILFE

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Leistungen des professionellen Versorgungs-systems rationaler in Anspruch nähmen undihre „Compliance“ erhöht werde. – Damit ist gemeint, dass sich Patienten dann voraussichtlich besser an die Vorgaben bei ei-ner bestimmten medizinischen Therapie hal-ten – also zum Beispiel alle Medikamente

zum richtigen Zeitpunkt und in der richtigenDosierung einnehmen. „Letztlich könnensich dadurch auch die Effektivität und Effizienzder Gesundheitsversorgung erhöhen“, soBorgetto.

Soziale Netzwerke werden vergrößertEine große Zahl von Untersuchungen habezudem bestätigt, dass Partnerbeziehungenentlastet und gestärkt, Kontakte zu Familien-mitgliedern sowie Freundinnen und Freundenverbessert und das soziale Netzwerk der Betroffenen insgesamt vergrößert werde.„Außerdem ist belegt, dass Suchtverhalten

Das Aufgabenspektrum der Selbsthil-fe verändert sich und umfasst zu-nehmend auch, Informationen weiter-

zugeben und die Anliegen von Patientinnenund Patienten zu vertreten. Im Zentrum stehtjedoch nach wie vor der Austausch von Be-troffenen mit gleichen Diagnosen oder glei-chen Erfahrungswerten. Das gilt auch für diepersönlichen Begegnungen und sozialen Be-ziehungen der etwa 250.000 Menschen, diesich österreichweit in rund 1.700 Selbsthil-fegruppen engagieren und gegenseitig un-terstützen.Gleichzeitig ist wissenschaftlich auf derGrundlage zahlreicher Studien allgemein an-erkannt, dass soziale Beziehungen eine zen-trale Rolle für die Gesundheit spielen. Dochgilt dies speziell auch für die sozialen Kon-takte in Selbsthilfezusammenschlüssen? Bern-hard Borgetto ist Professor für Gesundheits-förderung und Prävention an der Hochschu-le für angewandte Wissenschaft und Kunstin Hildesheim in Deutschland und hat sich aufwissenschaftlicher Ebene mit dieser Fragebeschäftigt. „Die Wissensbasis der Selbst-hilfeforschung ist noch schmal, doch die bis-lang vorgelegten Ergebnisse sind vielverspre-chend“, sagt der deutsche Experte.Studien, die auf Erhebungen unter den Teil-nehmer/innen von Selbsthilfezusammen-schlüssen oder deren Angehörigen beruhen,gäben Hinweise auf positive Effekte in ver-schiedenen Bereichen. So könne etwa unab-hängig von der jeweiligen Diagnose ange-nommen werden, dass Teilnehmer/innen vonSelbsthilfezusammenschlüssen tendenziell

und anderes gesundheitsschädigendes Verhalten verringert sowie Depressionen unddepressive Verstimmungen reduziert wer-den“, weiß der Wissenschafter. Speziell fürSelbsthilfezusammenschlüsse von Suchtab-hängigen sowie von Patient/innen mit Ess-störungen und Diabetiker/innen sei sogarnachgewiesen, dass diese positive Verhaltens-änderungen der Teilnehmer/innen bewirkenkönnten.„Die bislang vorliegenden wissenschaftli-chen Belege rechtfertigen deshalb nicht nurdie derzeit allgemein aufgeschlossene Hal-tung gegenüber der Selbsthilfe in der Öffent-lichkeit, sondern auch deren Unterstützungund finanzielle Förderung“, sagt Borgetto zu-sammenfassend. Gleichzeitig sollten jedochdie Bemühungen um ein besseres Verständ-nis der Wirkungsweise von selbst gewähltenund gestalteten sozialen Beziehungen inSelbsthilfezusammenschlüssen auf die Ge-sundheit des Einzelnen und der Bevölkerungfortgesetzt werden, ergänzt der Selbsthilfe-forscher: „Ein wichtiges Ziel für die Zukunftist, die Effekte möglichst direkt, objektiv undstandardisiert zu messen.“

Der Einfluss sozialer Beziehungen auf die Gesundheit ist allgemein anerkannt – und gleichzeitig sind sie das wesentliche Element

der Selbsthilfe. Doch gibt es speziell auch für Selbsthilfe-Kontakte Belege für Gesundheitswirkungen?

Bernhard Borgetto:„Ein wichtiges Ziel für die Zukunftist, die Effekte möglichst direkt,objektiv und standardisiert zu messen.“

Sind soziale Beziehungenin Selbsthilfegruppen gut

für die Gesundheit?

Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst in HildesheimBernhard Borgetto 0049/5121/[email protected]

INFO & KONTAKT

„Die bislang vorgelegten Ergebnisse

für die Wirkung von Selbsthilfe sind vielversprechend.“

Bernhard Borgetto,Selbsthilfeforscher in Deutschland

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Rückblende ins Jahr 1978: Die ersten Ak-tivist/innen der neu gegründeten Selbst-hilfeorganisation „Hilfe für Angehörige

psychisch Erkrankter“ (HPE) postieren sich vordem Gelände der Baumgartner Höhe, um ihreInfo-Flugblätter an andere hilfesuchende Ange-hörige zu verteilen,doch:Sie werden umgehenddes Orts verwiesen. „Damals war die Psychia-trie noch ein sehr geschlossenes System,und dieProfis waren äußerst skeptisch, was die neuenAktivitäten der zu dieser Zeit auch noch zu we-nig informierten Angehörigen von psychischkranken Menschen anlangte“, sagt der HPE-Ge-schäftsführer Edwin Ladinser.Heute, da die HPE auf ihr 35-jähriges Bestehenverweisen kann, ist dies ganz anders. „Wir sindeine hoch anerkannte, in ganz Österreich ver-tretene Selbsthilfeorganisation mit insgesamt 92Selbsthilfegruppen,einem breit gefächerten An-gebot und einem sehr großen Zulauf. Dochnoch immer kämpfen wir ein wenig damit, dassbetroffene Angehörige oft viel zu spät den Wegzu uns finden, weil sie nicht wissen, dass es unsgibt,oder sich davor scheuen Kontakt aufzuneh-men“, so Ladinser. Die Gründe dafür sind viel-fältig,eine große Rolle spielt dabei auch das Stig-ma,welches psychischen Erkrankungen nach wievor anhängt.

Verrückte Kindheit Kinder psychisch kranker Menschen sind dies-bezüglich manchmal besonders belastet. „Oftsind etwa die Wahnvorstellungen oder Halluzi-nationen einer betroffenen Mutter zum einenetwas, was das Kind glauben muss, als Tatsa-che hinnimmt, zum anderen wird das aber auchals ein ,Familiengeheimnis’ betrachtet, also Still-schweigen darüber bewahrt und dann leidet dasKind immer mehr darunter, dass es nicht darü-ber sprechen kann“, erklärt Ladinser. Deshalbhat die HPE mit dem Internetportal www.ver-rueckte-kindheit.at ein neues Tool entwi-ckelt, das es den jungen Angehörigen erlaubt,mit Gleichbetroffenen im Forum Erfahrungenauszutauschen, Informationen über Diagnosenund Therapien nachzulesen oder eine Auflis-tung von Anlaufstellen in ganz Österreich ab-zurufen. Onlineberatung von der HPE gibt esauch für Erwachsene. Sie bietet Hilfe für alle, dieInformationen suchen, sich Sorgen um ein er-kranktes Familienmitglied machen, erste Orien-tierung in einer schwierigen Situation finden oderim Umgang mit einem Erkrankten erste Verän-derungsschritte einleiten wollen. Neben die-sem Angebot gibt es natürlich auch die klassi-schen Selbsthilfegruppen, die von geschultenund supervidierten Angehörigen geleitet wer-

den, Informationsvorträge von Fachleuten sowieindividuelle Beratungsgespräche mit Angehöri-gen und Expert/innen in Psychologie, Sozialar-beit und Pädagogik.

Ungebrochen hohe Nachfrage „Die Nachfrage nach unseren Angeboten ist un-gebrochen hoch,auch wenn sich die Inhalte ver-ändert haben. Zu den Anfängen hatten dieMenschen allein schon dabei größte Schwierig-keiten, Basisinformationen über die Erkrankun-gen zu finden und suchten diese in erster Liniebei uns. Heute geht es vielen vor allem um In-fos darüber, wie man sich im dichten Ange-botsdschungel zurechtfindet,wie man zu sozia-ler Absicherung kommt oder welche Möglich-keiten für Therapie und Rehabilitation es gibt“,sagt Ladinser und ergänzt: „Unverändert ist al-lerdings die Suche nach Unterstützung für alleBeteiligten,wenn ein erkranktes Familienmitgliedkeinerlei professionelle Hilfe annimmt und sichnur von seinen Angehörigen betreuen lässt.Diese Situation betrifft leider eine relativ großeGruppe und ist äußerst schwierig.Aber auch hierversuchen wir, gemeinsam mit den AngehörigenWege zu finden, um den Erkrankten zu moti-vieren, doch professionelle Hilfe anzunehmen,und die Familie zu entlasten.“

Die hochkomplexe Situation von Angehörigen psychisch erkrankter Menschen erfordert ein breites und differenziertes

Angebot an Unterstützung. Die Selbsthilfeorganisation „HPE Österreich“ bietet diese. Text: Gabriele Vasak

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Hilfe für Angehörige psychisch Erkrankter (HPE) ÖsterreichAnsprechperson: Edwin LadinserTel. 01/526 42 [email protected]

INFO & KONTAKT

HPE-Geschäftsführer Edwin Ladinser:„Wenn psychische Erkrankungen eines Elternteilsals ,Familiengeheimnis’ betrachtet werden, dannleidet das Kind immer mehr darunter, dass esnicht darüber sprechen kann.“

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PRAXIS

Es ginge alles viel besser,wenn man mehr ginge

PROJEKT IN DER STEIERMARK

Das wollen wir alle: möglichst lan-ge mobil und selbständig bleiben.Gesunde Bewegung und speziellviel zu Fuß zu gehen kann dazubeitragen – und je älter wir werden,desto wichtiger wird es, häufig Spa-zieren zu gehen oder den Einkaufselbst zu Fuß zu erledigen. Ob dasauch gemacht wird, entscheidetsich für ältere Menschen häufig anDingen, an die jüngere noch garnicht denken. Zum Beispiel, ob es

auf etwas längeren Wegen Rast-bänke und WCs gibt, oder ob Bäu-me oder andere Schattenspendervorhanden sind. Ebenso wichtigkann es sein, ob Gehsteigkanten,mit dem Rollator überwunden wer-den können, ob Unterführungenbarrierefrei begehbar sind, oder obWerbetafeln die Sicht behindern.Von diesem Wissen ausgehend haben fünf Ortschaften in der Steiermark die Lebenswelt in ihrerGemeinde speziell auch mit Rück-sicht auf die Bedürfnisse ältererMenschen möglichst fußgänger-freundlich gestaltet. Arnfels, Bruck

an der Mur, Lieboch, Kapfenbergund Schladming haben sich an demvom Fonds Gesundes Österreichgeförderten und von Styria vitalisvon Juli 2011 bis September 2013umgesetzten Projekt „GemeinsamGehen“ beteiligt. Die Orte wurdenzunächst durch Projektmitarbeiter/innen zusammen mit älteren Ge-meindebewohner/innen systema-tisch erkundet.Die dabei gewonne-nen Erkenntnisse dienten dann alsGrundlage für Pläne des Netzesbarrierefrei begehbarer Fußwege.Darin sind auch die Rastmöglich-keiten und WC-Standplätze einge-

zeichnet und die Höhenunterschie-de angegeben. So sollen die Kartendazu anregen,Alltagswege zu Fußzu erledigen sowie – am bestengemeinsam – kleinere Spaziergän-ge zu unternehmen. Für all jene, diesich das allein nicht mehr zutrau-en, wurde ein Begleitdienst mit ei-gens geschulten ehrenamtlichenBegleiter/innen eingerichtet. Dennwie schon der deutsche Dichter Johann Gottfried Seume (1763 -1810) wusste: „Es ginge alles vielbesser, wenn man mehr ginge.“

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Das Projektteam von „Gemeinsam Gehen“ in Bruck an der Mur (von links): Gesundheitsreferentin Silvia Wolfsteiner, Seniorenreferent Alfred Krenn, "Kneipp Activ"-Obfrau MarthaRoth, Christine Neuhold von Styria vitalis, Michael Ritter, der Leiter des Sozialreferats der Stadt Bruck, Sozialreferentin Andrea Winkelmeier und Brigitte Krainer, die Vorsitzende der Zeit- und Hilfsbörse Bruck

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PRAXIS

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PsychosozialeGesundheit

18. BGF-INFORMATIONSTAG DES ÖNWBGF

Der Druck in der Arbeitswelt steigt und dasgilt auch für die Zahl psychischer Erkran-kungen. Laut www.gesundheit.gv.at,Österreichs öffentlichem Gesundheitsportal,sind allein zwischen 2007 und 2009 diepsychischen Diagnosen als Krankenstands-ursache um 22 Prozent gestiegen. Betrieb-liche Gesundheitsförderung (BGF) ist diezentrale Maßnahme, um dem auf Unter-nehmensebene entgegenzusteuern. Derjährliche Informationstag des Österrei-chischen Netzwerkes für BGF (ÖNWBGF),der zum 18. Mal stattfand, war deshalbheuer der „Psychosozialen Gesundheit inder Arbeitswelt“ gewidmet. Rund 400 Teil-nehmer/innen aus mehr als 70 Betriebenkamen Anfang Oktober in die Fachhoch-schule Salzburg und hörten unter anderemeinen Vortrag von Klaus Peters. Der deut-sche Wissenschafter vertrat die Ansicht,dass der „Abbau von Kommandostruku-ren“ in modernen Betrieben zwar dem Ein-zelnen mehr Autonomie gebe. Gleichzeitigwürden jedoch unternehmerische Risikenauf die Beschäftigten übertragen, was denLeistungsdruck auf diese erhöhe und psy-chisch belastend sein könne. Die gegen-wärtige und künftige Herausforderung be-stehe deshalb darin, die Bedingungen fürdie Lösung dieser neuen Aufgaben besserzu präzisieren als dies bislang geschehensei. Weitere Informationen zu der Tagungsind unter www.netzwerk-bgf.at im Bereich „Service“ unter „Veranstaltungen“abrufbar.

FIT FÜR ÖSTERREICH & FGÖ

Inzwischen ist es fast schon eine moderneTradition geworden, dass der Nationalfeier-tag am 26. Oktober auch zum Tag der ge-sunden körperlichen Aktivität für ganz Ös-terreich wird. Die Initiative „Gemeinsamgesund bewegen Tag“ von Fit für Öster-reich und dem Fonds Gesundes Österreichhat heuer bereits zum dritten Mal dafür ge-sorgt, dass in allen Bundesländern zahlrei-che kostenlose Möglichkeiten vorhandenwaren, gemeinsam mit anderen etwas fürdas eigene Wohlbefinden zu tun. Denn Be-wegung ist bekanntlich das beste Medika-ment: Sie stärkt Herz und Immunsystem,baut Stress ab und hält Übergewicht inSchach. Und in der Gruppe macht körperli-che Aktivität mehr Spaß und stärkt den Kon-takt mit Freunden und Bekannten. Dankden Kooperationspartnern ASKÖ,ASVÖ und

SPORTUNION sowie dem Verband der alpi-nen Vereine Österreichs konnten Zehntau-sende Teilnehmer/innen dafür beim „Ge-meinsam gesund bewegen Tag“ 2013 wie-der Hunderte unterschiedliche Angebotenutzen. Für Frühaufsteher war das schonab 7 Uhr möglich. Zum Beispiel bei einer ge-führten Bergtour der Naturfreunde auf das„Hörndl“, einen 2.852 Meter hohen Berg derHohen Tauern in Salzburg. Um 9:00 Uhrwurde etwa der Fitmarsch des Arbeiterbe-triebsrats der voestalpine Stahl DonawitzGmbh gestartet. Beispiele für die Nachmit-tagsveranstaltungen sind die „Sanfte Rü-ckenschule“ um 15 Uhr und „Hobbyvolley-ball“ um 16 Uhr der Turnerschaft in Feldkirchin Vorarlberg. Bildimpressionen vom „Ge-meinsam gesund bewegen Tag“ sowie prak-tische Tipps zur Gesundheitsförderung durchausreichende und richtige körperliche Akti-vität sind unter www.gemeinsambewe-gen.at im Internet abrufbar.

Gemeinsam gesund bewegen Tag

EXTERNE EVALUATIONEN

Manche Maßnahmen bei Projekten zur Ge-sundheitsförderung sind besonders erfolg-reich. Andere haben vielleicht nicht ganzdas gebracht, was erwartet wurde, als dasKonzept erstellt wurde. Gerade auch des-halb können Lernerfahrungen jeder Art ausbereits abgeschlossenen Projekten zur Ge-sundheitsförderung für andere Projektbe-treiber/ innen sehr wertvoll sein. Der FondsGesundes Österreich (FGÖ) hat nun einenFragebogen entwickelt, mit dem die beiProjekten gewonnenen Erfahrungen in

einer standardisierten Form erhoben undausgewertet werden können. Er soll bei al-len Projekten zum Einsatz kommen, die ex-tern evaluiert werden und wendet sich andie Leiterin oder den Leiter der Evaluation.„Durch den Fragebogen wollen wir unteranderem den Know-how-Transfer fördern“,erklärt Gerlinde Rohrauer-Näf, Gesund-heitsreferentin mit Schwerpunkt psycho-soziale Gesundheit beim FGÖ.Der Fragebogen steht ab Jänner 2014 auf der Projektguide Infoseite unter:info.projektguide.fgoe.org im Bereich„Förderungen“ in der Rubrik „Dokumenteund Vorlagen“ zur Verfügung.

Die Lernerfahrungen aus Projekten teilen

Klaus Ropin (FGÖ), Doris Walter (FH Salzburg), Elisabeth Gampert-Zeisberger (SGKK), Siegfried Pichler (AK Salzburg), Franz Josef Aigner (WK Salzburg) und Moderatorin Elfriede Geiblinger (ORFSalzburg) bei der Eröffnungsrunde des BGF-Informationstages.

Page 43: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

WIENER GESUNDHEITSFÖRDERUNG

Die Wiener Gesundheitsförderung hat in einem Schwerpunktprogramm 2010 bis 2013Gesundheitsförderung in fünf Wiener Bezir-ke gebracht: die Leopoldstadt, Margareten,Favoriten, Ottakring und die Brigittenau.Mitte September wurden jene Privatpersonenund Organisationen, die im Rahmen der

PRAXISFo

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„Gesunden Leopoldstadt“ Ideen für Ge-sundheitsinitiativen in ihrer Nachbarschafthatten, von der Wiener Gesundheitsstadt-rätin Sonja Wehsely geehrt. Das Spektrumder Maßnahmen, die dann auch umgesetztwurden, reichte von Tai-Chi im Augartenüber Gemeinschaftsfeste bis hin zu Radfahr-kursen speziell für Frauen. Insgesamt wur-den 36 Ideen verwirklicht.

Ehrung für engagierteLeopoldstädter/innen

PGA OBERÖSTERREICH

Wie kann Kindern mehr soziale Kompetenz ver-mittelt werden? Wie sollte mit jenen umgegan-gen werden, die sich auffällig verhalten? InOberösterreich konnten Kindergartenpädagog/in-nen im Rahmen eines einjährigen vom Fonds Ge-sundes Österreich geförderten Pilotprojektes ei-ne „mobile Psychologin“ beim PGA (Verein fürprophylaktische Gesundheitsarbeit) anfordern,um Antworten auf solche und ähnliche Fragenzu erhalten. Diese Fachpersonen besuchten 243Mal einen Kindergarten und betreuten dabei1.079 oberösterreichische Kinder. „Eine exter-ne Evaluierung hat gezeigt, dass die psycholo-gischen Tipps als sehr hilfreich für den Kinder-gartenalltag beurteilt werden, und dass es denWunsch nach einer kontinuierlichen Betreuunggibt“, sagt Ilona Schöppl, die Leiterin der Abtei-

Gemeinsamgesund essen

AVOMED TIROL

Ein gesünderes Angebot in der Gemeinschafts-verpflegung ist eine wichtige Maßnahme, umdie Lebensverhältnisse gesünder zu gestalten.Wo viele Menschen essen, kann durch einenausgewogenen Speiseplan auch viel bewirktwerden. Der Fonds Gesundes Österreich hatdeshalb 2013 bereits zum dritten Mal in ganzÖsterreich Workshops für Küchenleiter/innen,Köche, Köchinnen und Küchenhilfen von Einrich-tungen für Gemeinschaftsverpflegung durchge-führt. In Tirol hat der avomed – Arbeitskreis fürVorsorgemedizin und Gesundheitsförderungdie Workshops umgesetzt. Ein zweitägiger Ba-sisworkshop war Mitte Oktober dem Thema„Gesund, kreativ und schmackhaft kochen“gewidmet. Zwei eintägige Veranstaltungen be-fassten sich mit „Essen im Berufsalltag“ sowie„Kommunikation“ und waren sehr gut ge-bucht. Im praktischen Teil der Kochworkshopsreferierte Haubenkoch Thomas Grander, und die avomed-Diaetologin Martina Santer ver-mittelte ernährungsphysiologisch relevantesWissen.

avomed Tirol hat Mitte Oktober einen Workshop für gesunde Gemeinschaftsverpflegung veranstaltet.

lung Forschung & Entwicklung beim PGA.Nach der einjährigen Pilotphase wird das kos-tenfreie PGA-Projekt nun in Kooperation mitder Gebietskrankenkasse und dem Land Ober-österreich im Regelbetrieb fortgesetzt.

Mobile Psycholog/innen in Kindergärten

Ilona Schöppl, die Leiterin der Abteilung Forschung & Entwicklung beim PGA.

Die Wiener Gesund-heitsstadträtin SonjaWehsely hat Leopoldstädter/innengeehrt, die in ihrerNachbarschaft Ge-sundheitsinitiativenumgesetzt haben.

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Jahren von Alfred Auer ins Leben ge-rufen, damals Sozialarbeiter am An-ton Proksch Institut für Abhängig-keitserkrankungen. SuchtkrankenMenschen sollten nach der stationä-ren Therapie Möglichkeiten gebotenwerden, sich gemeinsam mit anderensportlich zu betätigen, neue Heraus-forderungen zu meistern und sucht-frei leben zu können. Gesundheits-förderung und soziale Integrationwaren bereits bei der Vereinsgrün-dung zentrale Ziele.Neben Menschen, die nach der sta-tionären Therapie ihrer Suchterkran-kung die Programme von login nutz-ten, kamen rasch auch Andere, dievon sozialer Ausgrenzung und fi-nanzieller Not betroffen waren, umim Verein neue Menschen kennenzu lernen, sich sportlich zu betäti-gen und nach dem Motto „no alco-hol, no drugs, fair play!“ gemeinsamihre Zeit zu verbringen. „Darunterwaren und sind viele Menschen, dieschon lange vergeblich nach Arbeitsuchen und oft sehr demotiviertsind“, erläutert Ilse Gstöttenbauer, Ge-schäftsführerin des Vereins.

Mehr Menschen erreichenDies führte anlässlich des zehntenGeburtstags des Vereins login zumStart eines neuen Projekts. „loginclu-sion – Gesundheitsförderung bei Ar-

Langzeitarbeitslosigkeit lähmt.Wem die Tagesstruktur auf-grund des Verlustes des Arbeits-

platzes verloren geht, wer auch nachMonaten intensivsten Bemühens kei-ne neue berufliche Tätigkeit mehrfindet, der leidet meist nicht nur un-ter finanziellen Problemen, sondernauch unter dem Verlust sozialer Kon-takte und an Möglichkeiten zur ge-sellschaftlichen Partizipation. Daskann nicht nur zu Pessimismus, Ver-lust des Selbstwertgefühls und dau-erhafter Antriebslosigkeit führen.Auch Erkrankungen – sowohl derPsyche als auch des Körpers, könnendie Folge langandauernder Arbeits-losigkeit sein.„login“ in Wien hat sich mit seinemneuesten Projekt vorgenommen, die-sen Teufelskreis zu durchbrechen.Der Verein wurde vor mehr als zehn

PRAXIS

Inklusion statt Ausschluss aus der Gesellschaft ist das Ziel des Vereins „login“ in Wien. Das neueste Projekt „loginclusion“

soll vor allem langzeitarbeitslosen Menschen Struktur, Gemeinschaft und Aktivität bieten. Text: Sabine Fisch

No alcohol,no drugs, fair

play!

mut und sozialer Ausgrenzung“ rich-tet sich speziell an langzeitarbeitslo-se Menschen. Und im Gegensatz zuvielen anderen Projekten für Men-schen ohne Job geht es bei loginclu-sion nicht in erster Linie darum, dieTeilnehmer/innen wieder „fit fürden Arbeitsmarkt“ zu machen: „Da-von wollen wir uns bewusst distan-zieren“, sagt Gstöttenbauer: „Men-schen, die arbeitssuchend sind, sindohnehin dauernd mit diesem Themakonfrontiert. Vielmehr geht es unsdarum, die Lebensqualität und denGesundheitszustand der Betroffenenzu verbessern.“ Mit loginclusion wer-den für Betroffene Bereiche geschaf-fen, die nichts mit der – oft frustrie-renden – Suche nach einem neuenArbeitsplatz zu tun haben.

Kleiner Beitrag – große WirkungGegen einen kleinen Unkostenbei-trag von vier Euro im Monat könnenInteressierte eine große Anzahl vonKursen besuchen. Das Angebotreicht von Tanzen, Yoga und QiGong über Wandern, Klettern undFußballspielen, bis hin zu Theater,Urban Gardening und gesunder Er-nährung. „Ich habe von meiner Mit-bewohnerin von login erfahren“, er-zählt Bettina S., eine der Teilneh-mer/innen an den Programmen vonlogin. Sie begann mit einem Tanz-

Alexandra Kofler und Ilse Gstöttenbauer,die Projektleiterinnen von „loginclusion“.

INFO & KONTAKT

login – Verein zur Integration und Gesundheitsförderung

Projektleiterin:Ilse GstöttenbauerTel. 0664/832 236 [email protected]

Zuständige Gesundheitsreferentin beim FGÖ:Verena ZeuschnerTel. 01/895 04 [email protected]

Kooperationen mit: JobTransFair, Brisant – Anton Proksch Institut,Wiener Berufsbörse (WBB)

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Page 45: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

kurs für Frauen, beteiligt sich mitt-lerweile regelmäßig an Yoga und QiGong und meint: „Ich kann mich al-lein nicht so gut motivieren – in derGruppe macht alles einfach viel mehrSpaß.“Mit dem Start des Projekts loginclu-sion im Juli 2011 konnten auch erst-mals Räumlichkeiten angemietetwerden, in denen die Projektaktivi-täten stattfinden. Das Projektzen-

trum, die „loginBase“ im 15. Wie-ner Bezirk bietet neben vielen sport-lichen und kreativen Kursangebo-ten auch Raum für dieTeilnehmer/innen, um zusammenzu kommen, miteinander und mitden Übungsleiter/innen zu sprechenund neue Aktivitäten zu planen:„Die loginbase schafft Identität“, hältAlexandra Kofler, stellvertretende Pro-jektleiterin und PR-Verantwortliche

für den Verein fest. Nach jedem Kursfindet hier der sogenannte „Sozial-teil“ statt – etwas, das vor der Grün-dung des Projektzentrums schwierigwar: „Nach den Angeboten mussteder Sozialteil oft in Lokalen abge-halten werden, was für viele Teil-nehmer/innen, schon aus finanziel-len Gründen, schwierig war.“

Fixe Größe im BezirkDie positiven Auswirkungen desProjekts loginclusion sind vielfältigund reichen von sozialer Integrationüber die Aktivierung der Teilneh-mer/innen bis hin zu einem gesün-deren Lebensstil. Rund 500 Men-schen haben seit 2011 an den Pro-jektaktivitäten teilgenommen, etwasmehr als 50 Prozent von ihnen sindMänner, rund 40 Prozent Menschenmit Migrationshintergrund. Bei demsozial integrativen und gesundheits-förderlichen Projekt wird auch mitunterschiedlichsten Einrichtungenkooperiert, etwa mit „JobTransFair“,einem Wiener Unternehmen, das amArbeitsmarkt benachteiligte Men-schen auf der Suche nach dem rich-tigen Job unterstützt.Mittlerweile ist der Verein „login“fest im 15. Bezirk verwurzelt. Wenndas erfolgreiche Projekt „longinclu-sion“ 2014 ausläuft, hoffen nicht nurdie Projektleiterinnen, dass weitereFörderungen ermöglichen werdendieses fortzusetzen. Das sieht auchTeilnehmerin Bettina S. so: „Mit lo-gin habe ich mir wieder Selbstbe-wusstsein und Fitness erarbeitet undnicht zuletzt neue Freund/innen ge-funden.“

Das vom FGÖ geförderte Projekt „loginclusion“ in Wien bietet Langzeitarbeitslosen verschiedenste Möglichkeitenfür sportliche Betätigung, von Klettern, Wandern, und Fußballspielen bis zu Tanzen, Yoga, Qi Gong und koreanischerKampfkunst.

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Page 46: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

46 gesundesösterreich

Manchmal muss man Menschen kurzfristig an der Hand nehmen, damit sie zu ihrem „Gesundheitsglück“ kommen. Ein Projekt für benachteiligte Migrantinnen zeigt, wie das

sensibel und nachhaltig geschehen kann. Text: Gabriele Vasak

Das Konzept hinter dem Projekt Frankl leitet das Projekt „Gemein-sam fit in die Zukunft“, das vomFonds Gesundes Österreich, dem NÖGesundheits- und Sozialfonds undder Wiener Gesundheitsförderunggefördert und seit Jänner 2013 bisEndes des Jahres in Wien und klei-nen niederösterreichischen Gemein-den in der Wiener Umgebung durch-geführt wird. Sie will diesen Miss-ständen mit ihrem Team entgegen-wirken und diesen Frauen die Zu-gänge zu Gesundheitsangeboten öff-nen. Dies scheint nachhaltig zu gelin-gen, doch zunächst zum Konzept,das dahinter steht: „Wir arbeiten auf-suchend, mit zweisprachigen, ziel-gruppennahen und intensiv geschul-ten Tutorinnen, die diese Frauen zu

PRAXIS

Gesundheitsangebote gibt esviele in Österreich. Doch wer-den sie auch von Menschen

mit niedrigem Bildungsniveau undgeringem sozioökonomischen Sta-tus und speziell von Migrantinnengenützt? „Nein“, sagt Liesl Franklvon beratungsgruppe.at, „denn die-se Frauen wissen oft gar nicht, dasses sie gibt. Oder sie können etwa diezahlreichen Broschüren aufgrundvon Leseschwächen nicht konsumie-ren. Oder sie scheitern an Terminver-einbarungen in einer fremden Spra-che. Oder sie finden sich im Dschun-gel eines Großspitals nicht zurecht.Oder, oder, oder ... Andererseits istgerade diese Zielgruppe besondersstark und mehrfach gesundheitlichbelastet.“

Tutorin Berna Beyazit: „In Gesprächenin lockerer Atmosphäre bearbeiten wirThemen, wie Ernährung und Bewegungund machen dazu auch gemeinsamÜbungen.“

Projektleiterin Liesl Frankl:„Wir arbeiten aufsuchend, mitzweisprachigen, zielgruppennahenund intensiv geschulten Tutorinnen.“

Die Tutorinnen gehen gemeinsam mit Projektteilnehmerinnen Informationsmaterialien zu Gesundheitsthemen durch, die den Bedürfnissen der Zielgruppe angepasst sind.

Hand in Hand

INFO & KONTAKT

Projektleiterin: Liesl Frankl Tel. 01/943 83 [email protected] www.fitzu.at

Zuständige Gesundheitsreferent/innen beim FGÖ:Gudrun Braunegger-KallingerTel. 01/895 04 [email protected] ChristTel. 01/895 04 [email protected]

Im Rahmen der Exkursionen und Workshops Kooperationen mit:Fachärzt/innen, Gesundheitszentren der WGKK,Landesklinikum Baden, der „Babycouch“ in Wr. Neustadt, MAG ELF, MA13 und FEM Frauengesundheitszentrum in Wien,Verkehrs-erziehungsgruppe und Kinderpolizei Wien,Unternehmen aus dem Bereich Gesundheitsberufe,Alltags- und Pflegehilfen.

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Page 47: Magazin "Gesundes Österreich" Ausgabe 3/2013 zum Thema "Sozialer Zusammenhalt"

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freut sich auch besonders über denErfolg von Augenarztbesuchen, nachdenen nicht wenigen Frauen erst be-wusst wurde, dass sie eine Brille be-nötigen – die viele von ihnen jetzt üb-rigens mit Freude tragen.

Echtes Empowerment Liesl Frankl ist überzeugt, dass dieZiele des Projektes weitgehend er-reicht worden seien. „Die Frauen be-ginnen, ,am eigenen Leib’ zu spü-ren, was das Gesundheitssystemkann und wie sie es sinnvoll nützenkönnen, und die Gesundheitsanbie-ter freuen sich über das Kommender Frauen, weil sie ja Angebote fürsie haben. Es ist ein Lernen und Ken-nen Lernen auf beiden Seiten“, sagtdie Projektleiterin. Außerdem sei esgelungen, den Frauen „Health Lite-racy“ zu vermitteln, sie für die Zu-sammenhänge zwischen eigenemVerhalten und Lebensverhältnissenzu sensibilisieren und ihnen prakti-sche Anregungen zu geben, soFrankl: „Die bisherigen Erfahrungenzeigen, dass die Projektteilnehme-rinnen nach einem halben ,betreu-ten’ Jahr wirklich befähigt sind undsich dann zutrauen, eigenständigvon gesundheitsrelevanten Angebo-ten Gebrauch zu machen.“

den Gesundheitsangeboten beglei-ten, sie damit vertraut machen undihnen und ihren Familien die Scheudavor nehmen, diese Vorsorgeange-bote später von sich aus in Anspruchzu nehmen“, so Frankl. Die Projektteilnehmerinnen werdenalso von den Tutorinnen dort auf-gesucht und abgeholt, wo sie sichbefinden und in ihrem direktenWohnumfeld in Kleingruppen be-treut. Dort arbeiten sie unter Anlei-tung gesundheits- und zielgruppen-relevante Info-Materialien durch undlernen auch, das so erworbene neueWissen umzusetzen.„In Gesprächen in lockerer Atmo-sphäre bearbeiten wir viele Themen,wie Ernährung und Bewegung undmachen dazu auch gemeinsamÜbungen. Das kommt sehr gut an,und die Nachhaltigkeit dieses An-gebots zeigt sich mitunter daran,dass sich zum Beispiel einige Frau-en zu kleinen Wander- und Lauf-gruppen zusammengeschlossen ha-ben“, erzählt die Tutorin Berna Beya-zit. Erstaunt und erfreut ist sie übri-gens auch darüber, wie offen undaufgeschlossen viele türkische Frau-en in den Kleingruppen über Fra-gen der Sexualität sprechen: „Dashabe ich nicht erwartet, und ich ha-be somit auch ,meine eigenen Leute’noch besser kennen gelernt.“

Mehr für die eigene Gesundheit tun Weitere Kernstücke der Projektar-beit sind der Besuch von Workshopsmit Referentinnen und Exkursionen

mit Tutorinnen, zu denen die Frau-en immer abgeholt, begleitet undwieder zurückgebracht werden. Tu-torin Beyazit, deren Arbeitsfeld Nie-derösterreich ist, hat auch dabei gro-ße Erfolge zu verzeichnen. „Geradein kleineren Ortschaften fehlen oftentsprechende Angebote, und vieleFrauen, mit denen ich arbeite, woll-ten oder konnten zu Beginn des Pro-jekts nicht ohne ihre Männer nachWien fahren. Jetzt aber haben sich ei-nige zu kleinen Gruppen zusammen-geschlossen und reisen mit Zug oderBus an, andere kommen sogar al-lein, um etwa Arztbesuche, Vorsor-geuntersuchungen oder Mammo-graphie in Anspruch zu nehmen.“ Die Motivationsarbeit der Tutorin-nen hat also gegriffen, doch das istnoch nicht alles. Frankl: „Bei denVorsorgeuntersuchungen, die bisheretwa 100 von den 156 Projektteilneh-merinnen in Anspruch genommenhaben, hat sich herausgestellt, dassviele von ihnen Diabetikerinnen sind,und nun wird ihnen eine Diabetes-schulung angeboten, die sie gerneabsolvieren wollen.“ Auch für dasThema „Gesunde Kinderfüße“ wardas Interesse bei dem Projekt groß:In Kleingruppen besuchte frauSchuhgeschäfte, in denen Messun-gen zur Ermittlung der richtigenSchuhgröße angeboten werden. Er-gänzend dazu gibt es im eigens fürdie Gesundheitsinitiative entwickel-ten Handbuch einen Ausschneide-bogen für die korrekte Abmessungvon Kinderfüßen. Tutorin Beyazit

Die richtige Schuhgrösse messen – auch das kannwichtig sein, um gesund zu bleiben.

Beim vom FGÖ geförderten Projekt „Gemeinsam fit in die Zukunft“ werden zweisprachige Tutorinnen geschult,die sozial benachteiligten Menschen und speziell Migrantinnen Gesundheitsthemen nahe bringen.

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48 gesundesösterreich

PRAXIS

Christine Schwanke zieht eine po-sitive Bilanz. „Das wesentlichs-te übergeordnete Ziel wurde

erreicht: Umfassende Gesundheitwurde bei den Entscheidungsträ-ger/innen und den Menschen in derRegion zu einem Thema gemacht.Viele wollen sich jetzt weiterhin fürgesundheitsförderliche Maßnahmenengagieren“, fasst die Expertin fürGesundheitsförderung die Ergebnis-se eines von ihr geleiteten Projekteszusammen.„Rundum Gsund im Weinviertel“ist zwischen September 2009 undDezember 2013 in fünf der sechs nie-derösterreichischen Kleinregionenumgesetzt worden, die der „LEAD-ER-Region Weinviertel Ost“ ange-hören (siehe auch Kasten: „Lernen-de Regionen in der EuropäischenUnion“). Es wurde zu zwei Drittelnvom Fonds Gesundes Österreich fi-nanziert. Das restliche Drittel desBudgets stammte großteils ausLEADER-Mitteln. Die beteiligtenKleinregionen, die zwischen neunund 14 Gemeinden umfassen, sinddas „Land um Laa“, die „Leiser Ber-ge-Mistelbach“, die „Region umWolkersdorf“, die Kleinregion „Süd-liches Weinviertel“ und das „Wein-viertler Dreiländereck“.

Ende November fand die Abschluss-veranstaltung von „Rundum Gsundim Weinviertel“ im Stadtsaal von Mis-telbach statt. Dabei wurden auch acht„Regionale Gesundheitsbeauftragte“für die Kleinregionen im östlichenWeinviertel ernannt. Diese haben imVorjahr im Rahmen des Projekts einedreitägige Ausbildung erhalten.Grundlagen der Gesundheitsförde-rung und Projektmanagement stan-den dabei ebenso auf dem Stunden-plan wie Evaluation, Gesundheits-kommunikation und Öffentlichkeits-arbeit. Künftig sollen sie sich in ihrenKleinregionen nun darum kümmern,dass Aktivitäten den Qualitätskrite-rien der Gesundheitsförderung ent-sprechen und die notwendige Unter-stützung in den Gemeinden erhalten.

Außerdem sollen sie Kontakte zwi-schen Interessent/innen und mögli-chen Fördergeber/innen herstellen.

Beteiligung von Beginn anBeim Projekt „Rundum Gsund imWeinviertel“ wurde einem Prinzipder Gesundheitsförderung folgendvon Beginn an auf größtmöglichePartizipation der Betroffenen gesetzt.Das heißt, die Bürgerinnen und Bür-ger wurden bereits bei der Planungder gesundheitsförderlichen Maß-nahmen miteinbezogen und habendiese auch in hohem Ausmaß mitge-staltet.Christine Schwanke, die das Gesamt-projekt gemeinsam mit Katja Racherverwirklicht hat und mit dieser auchdas Beratungsunternehmen „ck ge- Fo

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Wie eine ganzeRegion gesünder

wird

Bürgermeister/innen der beteiligten Gemeinden, Vertreter/innen von Kooperationspartnern, der niederösterreichischeLandesrat Karl Wilfing, der Obmann der LEADER-Region Weinviertel Ost Kurt Jantschitsch, Rainer Christ vom FGÖ sowie die Projektverantwortlichen Christine Schwanke (3. von rechts) und Katja Racher (ganz rechts) bei der Abschlussveranstaltung für „Rundum Gsund im Weinviertel“.

Ein Projekt im östlichen Weinviertel hat auf hoheBeteiligung der Betroffenen gesetzt. So wurde

Gesundheit für die Menschen und in den Gemeindenzum Thema gemacht – und nun „lernt“ eine ganze

Region „gesund zu sein“. Text: Dietmar Schobel

LERNENDE REGIONEN IN DEREUROPÄISCHEN UNION

Durch das Förderprogramm LEADER der EuropäischenUnion soll das Konzept der „Lernenden Regionen“umgesetzt werden. Es dient der Entwicklung ländlicherRäume und setzt dabei vor allem auf regionsspezifi-sche Strategien und die Tatkraft der Akteurinnen undAkteure aus der Region. Das passt gut mit der Idee der Gesundheitsförderung zusammen. Das FGÖ-Projekt „Rundum Gsund im Weinviertel“ wurde in derLEADER-Region Weinviertel Ost umgesetzt. In Nieder-österreich gibt es insgesamt 18 LEADER-Regionen.Nähere Informationen dazu sind auch unterwww.netzwerk-land.at/leader nachzulesen.Die Abkürzung „LEADER“ steht übrigens für den französischen Begriff: „Liaison entre actions de développement de l'économie rurale“; auf deutsch:Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft.

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49gesundesösterreich

ne Selbsthilfegruppe entstanden, diesich jeden ersten Dienstag im Monattrifft. Und in der Region „SüdlichesWeinviertel“ wurden unter dem Mot-to „Ich schau auf dich“ Nachbar-schaftshelfer/innen geschult. Sie ste-hen nun für alle interessierten Se-nior/innen in ihren Gemeinden zurVerfügung und geben einfache Tippsund Informationen weiter, wie vieleUnfälle zu Hause vermieden werdenkönnen. Insgesamt sind zwölf der-artige Kleinregionsprojekte verwirk-licht worden.

Partizipation ist aufwändig,aber lohnend„Es war aufwändig, die Menschenaus der Region von Anfang an daranzu beteiligen, das Projekt zu gestal-ten. Doch es hat sich gelohnt“, fasstSchwanke zusammen. Insgesamt ha-ben fast 6.000 Menschen an einer der130 Veranstaltungen von „RundumGsund im Weinviertel“ teilgenom-men. Dazu zählten auch die „Wein-viertler Gesundheitsdialoge“ zu denBereichen Gesundheit & Soziales,Wirtschaft, Kultur & Bildung, Tou-rismus & Regionalentwicklung so-wie Politik, zu denen jeweilsExpert/innen und interessierte Bür-ger/innen eingeladen waren.Dabei wurde auch ein Leitbild erar-beitet und vor einem Jahr präsen-tiert. Es enthält Vision, Ziele undmögliche „Bausteine“ für die Ge-sundheitsförderung in der Regionin den nächsten Jahren. Somit kann

sundheitsmanagement“ betreibt, er-klärt den Ablauf des Beteiligungs-prozesses: „Wir wollten zuerst ein-mal feststellen, was aus der Regionselbst kommt, was diese wirklichbraucht und bei welchen Zielgrup-pen besonderer Bedarf für Gesund-heitsförderung besteht.“ Das Projektwurde deshalb mit Gesprächsrun-den begonnen, zu denen in jederKleinregion die Fachleute aus Berei-chen wie Gesundheit, Soziales, Wirt-schaft, Kultur, Bildung und Politiksowie die Bürgerinnen und Bürgereingeladen wurden. Dabei wurdeder Ist-Zustand analysiert und davonausgehend wurden konkrete Pro-jektideen zur Gesundheitsförderungfür relevante Zielgruppen entwickeltund umgesetzt.

Zwölf KleinregionsprojekteSo entstand zum Beispiel das Klein-regionsprojekt „Reaktiv Walken fürberufstätige Frauen“ im Land umLaa. Auf den Walking-Strecken indieser Kleinregion fanden geführteTrainingseinheiten statt. Pro Streckewurde auch eine Instruktorin ausge-bildet. Diese Trainerinnen führen nunregelmäßig Reaktiv-Walking-Run-den für alle interessierten berufstäti-gen Frauen durch. In der „Regionum Wolkersdorf“ gab es zum Bei-spiel von Herbst 2011 bis Frühjahr2012 begleitete Gesprächsgruppenund Kurz-Workshops zur „Burn-out-Prävention“ für pflegende Angehö-rige. Nach Projektende ist daraus ei-

zu Recht gesagt werden, dass durchdas Projekt ein Prozess begonnenwurde, durch den nunmehr eineganze Region „lernt gesund zu sein“.Zudem wurde auf rund 20 Seiten ineinem „Leitfaden zur Unterstützungder Entwicklung von regionalen Ge-sundheitsförderungsprojekten“ zu-sammengefasst, was das in der Pra-xis heißt. Die Broschüre wurde vonChristina Schwanke, Katja Racherund Irene Kloimüller verfasst undsteht auf der Website www.rund-umgsundimweinviertel.at zumDownload zur Verfügung.

In der Region „Südliches Weinviertel“ wurden Nachbarschaftshelfer/innen geschult,die Senior/innen nun Tipps geben können, wie Unfälle zuhause vermieden werden können.

„Reaktiv Walken für berufstätige Frauen“ war Thema eines Kleinregionsprojekts im Land um Laa.

Projektleiterin:Christine Schwankeck gesundheitsmanagementTel. 0699/114 922 92schwanke@gesundheitsmanagement.co.atwww.rundumgsundimweinviertel.at

Zuständiger Gesundheitsreferent beim FGÖ:Rainer ChristTel. 01/895 04 00 [email protected]

Kooperationen mit: LEADER „Lernende Regio-nen“, den beteiligten Kleinregionen, verschiedenenSchulen im Bezirk Mistelbach, GemeindeverbandWeinviertelklinikum Mistelbach, Initiative „NÖ tutgut!“, Zukunftsinitiative Österreich, Forum Lebens-qualität Österreich + risflecting ©, Bezirksbauern-kammer Mistelbach, best help.at, KulturvernetzungWeinviertel und zahlreichen anderen Organisationen.

INFO & KONTAKT

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Wie lässt sich nachbarschaftliches Engagement fördern und weiterentwickeln? Das Team

von „queraum“ hat für „Gesundes Österreich“ die besten Praxistipps zusammengefasst.Text: Yvonne Giedenbacher, Ulrike Fleischanderl, Michael Stadler-Vida

PRAXIS

Das Setting Nachbarschaft ist eineigensinniges. Eine seiner Eigen-heiten ist, dass es uns alle be-

trifft: Wir alle sind Nachbar/innen.Nachbarschaften sind außerdem in-formelle Bereiche mit wenig Zugriffs-möglichkeit von außen. Nachbarschaftwird einfach gelebt und in der tägli-chen Begegnung gestaltet. Diese Selbst-verständlichkeit wird oft erst bewusst,wenn sie abhanden gekommen ist –wenn zum Beispiel Konflikte auftreten.Das Besondere an Nachbarschaften istauch, dass sie von einer dauerhaftenräumlichen Nähe und in der Regelauch von großer Diversität gekenn-zeichnet sind: Die unterschiedlichstenMenschen leben jahrelang neben- undein Stück weit miteinander.Gleichzeitig ist auch „nachbarschaftli-ches Engagement“ schwer zu definie-ren. Statistisch wird es unter demSchlagwort „Nachbarschaftshilfe“ derinformellen Freiwilligenarbeit zuge-rechnet – also Leistungen, die auf pri-vater Basis erbracht werden. Diese ha-ben ein beträchtliches Ausmaß: DerFreiwilligenbericht 2009 spricht im-merhin von 6,8 Millionen Stunden proWoche in ganz Österreich. Allgemei-ner gesagt reicht nachbarschaftlichesEngagement von gemeinsamen Akti-vitäten, wie zusammen einen Gartenanzulegen und zu bestellen, über ge-genseitige Unterstützung, wie zumBeispiel den Einkaufsdienst für Nach-bar/innen mit eingeschränkter Mobi-lität zu übernehmen, bis hin zu bürger-schaftlichem Engagement und Mitge-staltung. Die zentrale Frage ist nun:Wie lassen sich tragfähige Netze in

einem derart ungeregelten Bereich neuaufbauen, wie lässt sich bestehendesnachbarschaftliches Engagement wei-terentwickeln und fördern?

Gutes Klima für NachbarschaftenEines ist klar: Gute Nachbarschaftenkann man nicht kaufen. Man kann je-doch Strukturen schaffen und Angebo-te machen, welche die Entwicklungvon Netzwerken und Engagement imsozialen Nahraum fördern. In der Ver-antwortung stehen hier vor allem Ge-meinden und Bezirke oder Stadtteileoder auch Organisationen, die sich fürden sozialen Zusammenhalt oder Ge-sundheitsförderung stark machen.Aber auch Planer/innen und Wohn-bauträger spielen eine wichtige Rolle.Grundsätzlich ist es wichtig, dass alleStrukturen und Angebote klar auf denjeweiligen Raum abgestimmt sind. Somacht es etwa einen großen Unter-

schied, ob man Nachbarschaften imländlichen oder im städtischen Raumfördern möchte. Doch egal, wo Nach-barschaften blühen sollen: Es ist wich-tig, ein Klima zu schaffen, in dem Ver-antwortung füreinander und das Auf-einander Zugehen gewünscht sind.Lesen Sie im Folgenden, welche Zu-gänge dabei möglich sind. Sie sindnicht als Einzelmaßnahmen zu verste-hen, sondern greifen idealerweise in-einander, um auf unterschiedlichenEbenen und zu unterschiedlichen Zeit-punkten wirksam zu werden.

Informieren & SensibilisierenDie bereits erwähnte „Selbstverständ-lichkeit“ von Nachbarschaft macht die-se für uns zumeist auch unsichtbar. Es ist daher wichtig, immer wieder aufdie Bedeutung von Nachbarschaft hinzuweisen – und speziell auf derengesundheitsförderliche Wirkung. Wir Fo

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Nachbarschaftenzum Blühen bringen

Das „Gesundheits-mobil“-Fahrrad hat in der Wiener Leopoldstadt eine Initiative für Gesund-heitsförderung direktzu den Bürger/innengebracht.

www.dorf-stadterneuerung.atwww.gbstern.atwww.gesunde-nachbarschaft.atwww.gesundeleopoldstadt.atwww.la21wien.atwww.nachbarinnen.atwww.nachbarschaftszentren.atwww.tu-was.atwww.vorarlberg.at/zukunftwww.zusammenlebengestalten.steiermark.at

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schwellig zugänglich und gut erreich-bar sind, und dass nach Möglichkeitnichts konsumiert werden muss. Diezehn Nachbarschaftszentren des Wie-ner Hilfswerks zeigen ebenfalls, wieso etwas funktionieren kann.

Stark machen & WeiterbildenDer Dreh- und Angelpunkt für dieFörderung von Engagement ist esSchlüsselpersonen zu identifizieren,also tatkräftige Menschen, die gerneinitiativ werden. Sie sind die Motorendes Engagements und wichtige Kno-tenpunkte der Vernetzung. Es ist wich-tig, diese Engagierten zu fördern, sieweiterzubilden und zu stärken. EineMöglichkeit dafür sind unterstützen-de Materialien wie etwa Handbücherund Checklisten oder natürlich auchAngebote zur Weiterbildung, wie derLehrgang für die „Grätzeleltern“ (sie-he weiter unten).

Fördern & FinanzierenFinanzielle Unterstützungen sind einwichtiger Baustein, um gute Ideen undnachbarschaftliches Engagement zufördern. Sie werden häufig über Wett-bewerbe vergeben. Oft braucht es nichtviel und schon einmalige Förderun-gen können ausreichen, umInitiator/innen den Start eines Pro-jekts zu erleichtern. Die FGÖ-Initiati-venförderung von „Auf gesundeNachbarschaft!“ in den Modellregio-nen Linz und Waldviertel, das steiri-sche Programm „Zusammenleben ge-stalten“, das Programm „Tu was, danntut sich was“, „Gesunde Ideen für dieStadt“ der Wiener Gesundheitsförde-rung oder auch der „Ideenwettbe-werb“ der niederösterreichischen Dorf-und Stadterneuerung sind Beispielefür derartige Förderprogramme.

Besuchen & Willkommen heißenManche Menschen finden aus unter-schiedlichen Gründen nur schwer vonselbst den Weg in nachbarschaftlicheNetzwerke. Angebote wie die „Nach-barinnen in Wien“ oder die „Grätzelel-tern“ können hier Abhilfe schaffen: Siebesuchen Familien mit Migrationshin-tergrund und bieten ihnen Unterstüt-

alle wissen zum Beispiel, dass ausrei-chende Bewegung gut für unsere Ge-sundheit ist – aber ist uns auch be-wusst, dass das für funktionierendeNachbarschaften ebenfalls gilt? DieFGÖ-Initiative „Auf gesunde Nach-barschaft!“ sieht es daher als eine ihrerKernaufgaben, über das Thema zu in-formieren, zum Beispiel über das Inter-net, Newsletter, Publikationen undVeranstaltungen (siehe auch Artikelauf den Seiten 24 bis 29).

Hinausgehen & EntgegenkommenVor allem im Städten kann es sinnvollsein, in den öffentlichen Raum – aufPlätze, Märkte, in Parks – hinauszuge-hen, um dort Menschen für nachbar-schaftliches Engagement zu begeis-tern. Die Aktion „Going Out“ der Ge-bietsbetreuung Stadterneuerung 2/20in Wien ist ein gutes Beispiel dafür:Die Sprechstunden wurden ins Freieverlegt. Das erleichterte es, mit Men-schen Kontakt aufzunehmen, die viel-leicht nie den Weg in ein Lokal derGebietsbetreuung gefunden hätten.Auch das „Gesundheitsmobil“ der„Gesunden Leopoldstadt“, ein Leit-projekt im Rahmen der „Gesunden Be-zirke“ der Wiener Gesundheitsförde-rung, ist buchstäblich ein „Vehikel“für die produktive Nutzung des öf-fentlichen Raums: Das umgebauteFahrrad war immer wieder im Bezirkunterwegs und machte an den ver-schiedensten Orten Halt, um auf dieAngebote der Gesunden Leopoldstadt,wie etwa die Initiativenförderung, auf-merksam zu machen.

Einladen & VernetzenUm die Vernetzung von Menschen zuerleichtern und sie zum Mitmacheneinzuladen, eignen sich etwa Bürger-räte, wie sie in vielen Vorarlberger Ge-meinden einberufen werden. Dabei ar-beiten die Teilnehmer/innen in mo-derierten Prozessen gemeinsam an ver-schiedenen Themen, die ihnen wichtigsind. Aber auch Stammtische oder of-fene Gruppen sind wichtige Andock-möglichkeiten für Engagierte oder sol-che, die es werden möchten. Wichtigist hier vor allem, dass sie nieder-

zung an. Sie schaffen Vertrauen, öffnenTüren und erleichtern so den Einstiegin die noch fremde Umwelt.

Planen & BauenZu guter Letzt sei auf die Bedeutungder baulichen Voraussetzungen für le-bendige Nachbarschaften hingewie-sen. Nachbarschaft braucht auch dierichtigen Räume für Begegnung undKooperation. Stadt- und Raumplaner/innen sowie Wohnbauträger habenhier eine besondere Verantwortung:Nicht-kommerzielle, gemeinschaftlichnutzbare, barrierefreie und einladendeRäume fördern Begegnung und ge-meinsame Aktivitäten – von schönenPlätzen über Gemeinschaftsgärten bishin zu Spielräumen in Wohnbauten.

Bei allen Angeboten sind jedenfalls Be-ständigkeit, Niederschwelligkeit, Of-fenheit und manchmal auch ein langerAtem wichtig. Man kann Samen aus-legen, auf das Blühen muss man – wieim Nachbarschaftsgarten! – dann ganzeinfach warten.

Yvonne Giedenbacher,Ulrike Fleischanderl undMichael Stadler-Vida arbeiten für das WienerBüro „queraum. kultur-und sozialforschung“,das Sozialforschung mitder Praxis verbindet.Näheres dazu unterwww.queraum.org.

Ulrike Fleischanderl ist wissenschaftliche Mitarbeiterin,YvonneGiedenbacher ist Mitbe-gründerin und wissen-schaftliche Mitarbeiterindes Forschungsbüros und Michael Stadler-Vida (siehe auch Kurzporträt auf Seite 4) dessen Ko-Geschäftsführer.

DIE AUTOR/INNEN

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PRAXIS

100 Personen besucht und dabei wur-de nicht nur das Projekt bekannt ge-macht, sondern auch die Bedürfnisseder älteren Menschen in den Gemein-den erhoben. So kam es, dass zumBeispiel in Bad Gleichenberg EDV-Kurse für ältere Menschen und ge-sellige Treffen beim „Dorf-Café“ or-ganisiert wurden oder in Traut-mannsdorf Yoga-Kurse und in Gossendorf eine Tanzgruppe, dieKreistänze aus verschiedenen Län-dern einstudiert. Die laufenden Ak-tivitäten wurden und werden von ei-nem Kernteam von mehreren Perso-nen aus den fünf Gemeinden betreut,der „Vernetzungsgruppe“. Währendder Laufzeit des Projektes konnte fürinnovative gesundheitsförderlicheMaßnahmen zudem im Rahmen einesProjektpools um Erstattung der Kosten angesucht werden.

Ein nachhaltiges ProjektDoch der „Reife Lebensgenuss“ gehtauch nach dem offiziellen Projekten-de weiter, das zeigt schon ein Blickauf die Website www.reifer-lebensge-nuss.at. Neben „Häkeln-Stricken-Bas-teln“, einem „Englischkurs für Anfän-ger“ und „Wirbelsäulengymnastik“zählt zu den aktuellen Aktivitätenauch eine Maßnahme, zu der alle fünfbeteiligten Gemeinden gemeinsameingeladen haben: Bei der „Krippen-wanderung“ können ab dem erstenAdventsonntag bis zum Tag der hei-ligen drei Könige entlang eines Rund-wegs von rund fünf Kilometern Län-ge 30 unterschiedlichste liebevoll ge-staltete Weihnachtskrippen in ganzGossendorf besucht werden.

Noch herrscht winterliche Ruheim Kurpark von Bad Gleichen-berg in der Südsteiermark. Das

wird sich spätestens im Frühling än-dern. Dann wird hier im April wiederder „Kurpark-Lauf“ über 2,2 Kilome-ter stattfinden, der alljährlich von Stu-dierenden des Studiengangs „Ge-sundheitsmanagement im Touris-mus“ der Fachhochschule (FH) Joan-neum organisiert wird und bis zu 200Läufer/innen und Geher/innen anlockt. Auch die Nordic Walking-Runde von „Reifer Lebensgenuss“wird dann wieder im Feld der Teil-nehmer/innen erwartet. „Das ist ei-ne der Gruppen, die sich im Rahmenunseres Projektes gebildet haben“,erklärt Studiengangsleiterin Eva-MariaAdamer-König, die auch die Gesund-heitsinitiative „Reifer Lebensgenuss“geleitet hat und ergänzt: „Darauf sindwir schon ein wenig stolz, denn bei diesem Projekt zur Gesundheits-

förderung für Menschen ab 50 Jahrensind viele solche Gruppen entstan-den, die nach wie vor gemeinsam etwas unternehmen.“

Beteiligen und mitgestaltenDas Erfolgsrezept, mit dem das er-reicht wurde, ist in der Gesundheits-förderung nicht neu – und dennochwird es nicht immer mit der notwen-digen Konsequenz von Beginn anumgesetzt. Es lautet, die Betroffenenvon Anfang an zu beteiligen und mit-gestalten zu lassen. Beim Projekt „Rei-fer Lebensgenuss“ zwischen Oktober2008 und Mai 2012 wurde deshalbmit Kick-off-Events in den beteiligtenGemeinden Bad Gleichenberg undden umliegenden Ortschaften Bai-risch Kölldorf, Merkendorf, Traut-mannsdorf und Gossendorf begon-nen. Diese wurden teils von mehr als

Auch bei einem Projekt für Menschen über 50 Jahren in fünf südsteirischen Gemeinden wurde von Beginn an auf Beteiligung

der Betroffenen gesetzt. Das hat sich gelohnt, denn die Aktivitäten werden nachhaltig fortgeführt. Text: Dietmar Schobel

Der „Reife Lebensgenuss“geht weiter

INFO & KONTAKT

FH Joanneum GmbHGesundheitsmanagement im TourismusEva-Maria Adamer-KönigTel. 0316/54 53-67 [email protected]

Zuständiger Gesundheitsreferent beim FGÖ:Rainer ChristTel. 01/895 04 [email protected]

Kooperationen mit: Tourismusverband Bad Gleichenberg, Steirisches Thermenland,life medicine Resort – Das Kurhaus Bad Gleichenberg, Mayer Management Group

Eine Nordic Walking-Gruppe, die beim Projekt „Reifer Lebensgenuss“ entstanden ist, beteiligt sichauch alljährlich am „Kurpark-Lauf“ in Bad Gleichenberg.

Eva-Maria Adamer-Königvon der Fachhochschule Joanneum hat das Projekt„Reifer Lebensgenuss“ geleitet.

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DER FGÖ IM ÜBERBLICK

KURATORIUM

Bundesminister für Gesundheit Alois Stöger, Vorsitzender des Kuratoriums

Präsident Bürgermeister Helmut Mödlhammer,

erster Stellvertretender Vorsitzenderdes Kuratoriums, Österreichischer Gemeindebund

SL Priv.-Doz. Dr. Pamela Rendi-Wagner,MSc, zweite Stellvertretende Vorsitzendedes Kuratoriums, Bundesministerium für

GesundheitLandesrat Dr. Christian Bernhard,

LandeshauptleutekonferenzDr. Ulrike Braumüller, Verband der

Versicherungsunternehmen Österreichs Vizebürgermeisterin Dr. Christiana Dolezal, Österreichischer Städtebund

MR. Dr. Silvia JanikBundesministerium für Finanzen

Abg. z. Wr. LandtagIngrid Korosec, Österreichischer Seniorenrat

Manfred Lackner,Österreichischer Seniorenrat

Vizepräsident Dr. Harald Mayer,Österreichische Ärztekammer

SC Kurt Nekula, M.A.,Bundesministerium für Unterricht,

Kunst und Kultur Dr. Ilse Elisabeth Oberleitner, MPH,

Bundesministerium für Gesundheit Mag. Stefan Spitzbart, MPH,

Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger

Stadträtin Mag. Sonja Wehsely,Konferenz der Gesundheitsreferentinnen und Gesundheitsreferenten der Länder

Präsident Mag. Max Wellan,Österreichische Apothekerkammer

WISSENSCHAFTLICHER BEIRAT

Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Freidl,Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie

der Med. Universität Graz Martin Hefel,

Leitung Marketing & Kommunikation (Fachhochschule Vorarlberg GmbH),

Obmann des Vorarlberger FamilienverbandesUniv.-Prof. Dr. Horst Noack,

em. Vorstand des Institutes für Sozialmedizin an der Med. Universität Graz

Univ.-Prof. Dr. Anita Rieder,Curriculum Direktorin der med. Universität

Wien, Leiterin des Instituts für Sozialmedizin der med. Universität Wien

Ass.-Prof. Dr. Petra Rust,Institut für Ernährungswissenschaften

der Universität WienMag. Günter Schagerl,

ASKÖ – Leiter des Referats für Fitness und Gesundheitsförderung

a.o. Univ.-Prof. Dr. phil. Beate Wimmer-Puchinger,

Frauengesundheitsbeauftragte der Stadt Wienund Professorin am Institut für Psychologie

der Universität Salzburg

GESCHÄFTSSTELLE

Mag. Christa Peinhaupt, MBALeiterin des Geschäftsbereichs FGÖ

Mag. Gudrun Braunegger-Kallinger Mag. Dr. Rainer Christ

Mag. (FH) Sandra DürnitzhoferIng. Petra Gajar

Mag. (FH) Barbara GlasnerBettina GranditsMag. Rita Kichler

Helga KleeAnna Krappinger, MA

Susanne MessnigMag. Markus MiklKatharina Moore

Gabriele OrdoAbdüsselam Özkan

Mag. (FH) Sandra RamhappMag. Gerlinde Rohrauer-Näf, MPH

Mag. Dr. Klaus RopinSandra SchneiderAlexander Wallner

Mag. Dr. Verena ZeuschnerIsmihana Kupinic

Als die bundesweite Kontakt-und Förderstelle für Gesund-heitsförderung und Präventionwurde der Fonds Gesundes Österreich 1998 aus der Taufegehoben. Und das auf der Basis eines eigenen Gesetzes –was auch international als vorbildlich gilt.

Wir unterstützen in der Gesundheitsförderung• praxisorientierte und betriebli-

che sowie kommunale Projekte• Fort- und Weiterbildung

und Vernetzung sowie internationale Projekte.

Dazu kommen andere wichtigeAufgaben: Durch Information,Aufklärung und Öffentlichkeits-

arbeit wollen wir das Bewusst-sein möglichst vieler Menschenfür Gesundheitsförderung und Prävention erhöhen. Außerdemunterstützen wir bestimmte Aktivitäten im Bereich derSelbsthilfe. Für all das steht unsein jährliches Budget von 7,25Millionen Euro aus öffentlichenMitteln zur Verfügung.

KONTAKTINFORMATIONEN

Fonds Gesundes Österreich,ein Geschäftsbereich der Gesundheit Österreich GmbHAspernbrückengasse 21020 WienT 01/895 04 [email protected]

GESUNDHEIT FÜR ALLE

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Medien des FondsGesundes Österreich

Magazin Gesundes ÖsterreichBietet Ihnen unabhängige, qualitätsgesicherte und serviceorientierte Informationen rund um die Themen Gesundheit und Krankheit.

Alles zu den ThemenBewegung, Ernährung,Psychosoziale Gesundheit,Älter werden, aktiv bleibensowie Gesunde Klein- undMittelbetriebe mit wertvollenTipps und Adressen.

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TERMINPLANER 2014

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JAN, APR, , MAI, ,JUN,AUG NOV,FEB MÄRZ

ALLES WICHTIGE IM MAI

,Ende MaiEuropean Neighbours' Day 2014 Genauer Termin und Infos unter:www.european-neighbours-day.com

ALLES WICHTIGE IM JUNI

,16.-17.06. 16. Gesundheitsförderungskonferenz des Fonds Gesundes ÖsterreichGrazInformation: www.fgoe.org

ALLES WICHTIGE IM AUGUST

,27.-29.08.HEPA Europe Konferenz: Physical Activity Promotion in Health Care SettingUniversität Zürich, SchweizInformation:www.panh.ch/hepaeurope2014/desk-top/default.htm

ALLES WICHTIGE IM NOVEMBER

,19.-22.11.7th European Public Health ConferenceMind the gap: Reducing inequalities in healthand health careScottish Exhibition and Conference Centre,Glasgow, Scotland, UKInformation: www.eupha.org

,13.-14.03.Armut und Gesundheit. Public Health KongressGesundheit nachhaltig fördern.Langfristig-ganzheitlich-gerechtTechnische Universität BerlinInformation: [email protected]

,17.-18.03.Careum Congress 2014Machtfaktor Patient 3.0 – Patienten veränderndas Gesicht des GesundheitswesensInformation:www.careum-congress.ch

,24.-25.03.Dresdner Gespräch Gesundheit und Arbeit 2014:Life-Balance – Haben Sie den richtigen Dreh schon gefundenAkademie Dresden, DeutschlandInformation:www.dguv.de/iag/veranstaltungen

ALLES WICHTIGE IM APRIL

,10.-11.04.Second European Health Literacy ConferenceAarhus, DänemarkInformation:www.healthliteracyeurope.net

,23.-25.04.22nd Health Promoting Hospitals and HealthServices ConferenceChanging hospital & health service culture tobetter promote healthBarcelona, SpanienInformation: www.hphconferences.org

ALLES WICHTIGE IM JÄNNER

,29.-30.01.Fachtagung der Lebenshilfe Kärnten für Menschen mit Behinderung „Ich kann gesund leben!“Seminarhotel eduCARE, Treffen, KärntenInformation: [email protected]

,30.01.15. Nationale Gesundheitsförderungs-Konferenz 2014Autonomie als Herausforderung für die Gesundheitsförderung und PräventionKongresszentrum Beaulieu Lausanne, SchweizInformation:www.gesundheitsfoerderung.ch

ALLES WICHTIGE IM FEBRUAR

,11.02.Fachtagung „trotz allem intakt! Essstörungenin den verschiedenen Lebensphasen“Festsaal der Bezirksvorstehung Alsergrund,1090 Wien, Währinger Straße 43Information: Intakt Therapiezentrum für Menschen mit Essstö[email protected]

ALLES WICHTIGE IM MÄRZ

,12.-14.03.7. Europäische Konferenz zur Gesundheitsförderung in HaftBonn, DeutschlandInformation: www.akzept.org oder: www.gesundinhaft.eu

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