»ManmussGlückauchbemerken« · 2013. 1. 19. · 25fe-29122012-b Subject: Zum jahreswechsel w9...

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u neues deutschland | Sonnabend/Sonntag, 29./30. Dezember 2012 * Zum Jahreswechsel | W9 Die Silvesternacht ist die Hoch- zeit der Hufeisen, Schweine und Kleeblätter. Was haben die ei- gentlich mit Glück zu tun? Das kann ich leider auch nicht sa- gen. Das sind ja alles eher Symbole für Zufallsglück. Damit beschäftigt sich die Glücksforschung nicht. Sondern eher die Mathemati- ker? Wir jedenfalls nicht. Im Deutschen ist der Begriff Glück sehr schil- lernd. In anderen Sprachen gibt es mehr Differenzierungen, etwa »lucky« und »happy«. Die Glücks- forschung beschäftigt sich mit dem anderen Teil der Wortbedeutung im Deutschen, dem subjektiven Wohlbefinden, also nicht mit luck, sondern mit happiness. Wie lässt sich das messen? Wir arbeiten mit Daten des sozio- ökonomischen Panels. Dafür wird die Zufriedenheit der Bürger in Bezug auf Arbeit, Wohnen oder auch Familie erfragt und objektive Daten wie Einkommen oder Be- schäftigung erhoben. Gibt es viele vollkommen glück- liche Menschen in Deutschland? Ich bin gar nicht so weit davon entfernt. Sind Sie die glückliche Ausnah- me? Vor allem gibt es gravierende Un- terschiede: Auf einer Skala von 0 – depressiv – bis 10 – vollkommen glücklich – ist die Zufriedenheit in den unteren Einkommensschich- ten im Durchschnitt bei 5,6 und in den oberen 20 Prozent bei 7,6. Geld macht also doch glücklich. Nein, das ist es nicht. Im Gegenteil. In allen Gesellschaften können wir beobachten: Wenn ein bestimmtes Mindesteinkommen erreicht ist, also die größten materiellen Prob- leme beseitigt sind, dann steigern Einkommenszuwächse die Zufrie- denheit kaum mehr. Dieses Niveau war in den westlichen Industrie- ländern bereits in den 1960er Jahren erreicht. Menschen ge- wöhnen sich nämlich ziemlich schnell an die Erhöhung und pas- sen die Ansprüche nach oben an. Das Mehr ist dann genau dasselbe wie das Weniger vorher. Wie erklären Sie dann die große Differenz? Zufriedenheit hat weniger mit dem absoluten als mit dem relativen Einkommen zu tun, mit der Stel- lung in der Gesellschaft. Wer zu den oberen 20 Prozent gehört, fühlt sich wertgeschätzt, hat auch mehr persönliche Freiräume. In den unteren Einkommensschich- ten kann man dagegen kaum Ein- fluss auf die eigene Lebensgestal- tung nehmen. Man hat den Ein- druck, was ich auch mache, ich komme nicht vom Fleck. Wir müs- sen wieder zu- rückkommen zu einer gleicheren Gesellschaft mit mehr Chancen- gleichheit. Das ist eine Frage der Fairness und Menschlichkeit. Und das sage ich als Ökonom, der aus dem eher konservativen Kreis kommt. Gleichheit macht glücklicher? Schauen Sie sich die skandinavi- schen Länder an. Dort ist die Zu- friedenheit deutlich größer. Die Einkommensunterschiede sind nicht so groß. Es kommt nicht so auf den Status an. Man wird mehr oder minder als gleich angesehen. Und die Menschen sind dort an- ders: Wenn man sich in Dänemark mit jemandem unterhält, dann ist da ein Lächeln, eine Freundlich- keit. In Deutschland schauen wir viel zu viel auf den Nachbarn, und was der »schon wieder« für ein neues Auto hat. Wir sollten soziale Vergleiche nicht so hoch hängen. Das klingt nach dem Rat des Reichen an den Armen: Sei doch nicht neidisch auf mich, schau, der Schmetterling, der ist doch auch schön. Wie gesagt, die Verteilungsunge- rechtigkeit und die Chancenun- gleichheit müssen verringert wer- den. Ich bin zum Beispiel für einen Mindestlohn. Ein gewisses Maß an Materiellem ist wichtig, damit man an unserer Gesellschaft aktiv teil- haben kann. Aber wir sollten auch andere Dinge im Auge haben, die unser Glück ausmachen. Das wäre? Die UNO hat im letzten Jahr Glück als Millenniumsziel aufgenommen. Nach den Vorschlägen der OECD sollte man wegkommen von der Fixierung auf das Wirtschafts- wachstum. Viel wichtiger für die Zufriedenheit sind demnach Bil- dung, Gesundheit, Kommunikati- on, gute Arbeit. Und natürlich ge- hören dazu auch zwischen- menschliche Beziehungen. Die Po- litik kann aber nur die Vorausset- zungen verbessern, sie kann die Menschen nicht glücklich machen. Jeder ist auch selbst verant- wortlich für sein Glück? Glück ist letztlich etwas Subjekti- ves. Es geht darum, wie man sich fühlt. Da kann sich noch so viel ob- jektiv ändern, wenn Sie es nicht wahrnehmen, nützt es nichts. Wie wird man also glücklicher? Man muss sich selber Ziele setzen und diese Ziele nicht ständig im Lichte von anderen entwerten. Wir vergleichen uns ja nicht nach un- ten, sondern ständig nach oben. Und man wird immer jemanden finden, der noch mehr erreicht hat. Es geht also um persönliches Wachstum, das man sich selber erarbeitet. Ich habe mich zum Bei- spiel in den letzten Jahren intensiv mit Malerei beschäftigt und mein Englisch ausgebaut. Was ihnen wenig hilft, ist besonders populär oder schön oder reich werden zu wollen. Das ist ziemlich hohl am Ende des Tages. Seine persönli- chen Beziehungen hat man eben- falls in der Hand. Man kann auch jeden Abend aufschreiben, was al- les Positives passiert ist. Wenn Sie das ein Vierteljahr machen, ändert sich Ihre Denkweise. Sie denken dann ausgewogener und konzent- rieren sich nicht nur auf die nega- tiven Dinge, die es natürlich immer gibt. Schließlich ist Optimismus wichtig. Das heißt, ein gewisses Zutrauen zu sich zu haben. Dann haben Sie auch mehr Erfolgser- lebnisse. Pessimistische Menschen sagen immer, das wird sowieso nichts. Aber sie können so nicht ent- täuscht, sondern nur positiv über- rascht werden. Auch eine Glücks- strategie. Der Punkt ist, dass Pessimis- ten gar nichts versuchen, weil sie meinen, das hat sowieso keinen Sinn. Sie nehmen sich deshalb kaum etwas vor oder hö- ren sofort auf, wenn der kleinste Gegenwind kommt. Und dann ha- ben Sie auch keine Erfolgserleb- nisse. Überoptimismus ist natür- lich auch nicht gut. Der ist bei Ma- nagern häufig: Nach dem Motto »Mir gelingt alles«, was sich oft als teure Illusion herausstellt. Als Sie 2005 zur Glücksfor- schung gefunden haben, galten Sie da eigentlich als Spinner in Ihrer Zunft? Nein, nein. Als ich dazu kam, wur- de das nicht mehr belächelt, aber es war ein Exotenthema. Glücks- forschung hat es innerhalb der Volkswirtschaftslehre schon ein- mal vor 200 Jahren gegeben. Dann ist sie verdrängt worden, kam aber seit den 1970ern durch die Sozio- logie und Psychologie wieder. Ökonomen haben lange gesagt, das braucht man nicht, das Zeugs da, das subjektive. Sie haben früher Glück immer mit dem Materiellen gleichgesetzt. Seit den 2000er Jahren setzt sich der Ansatz aber auch in der Ökonomie zunehmend durch. Die Glücksforschung hat enorme Konsequenzen für den Managementbereich. Inwiefern? Glückliche Mitarbeiter engagieren sich ganz anders im Unternehmen, sind kreativer, loyaler, weniger krank. Der Mensch muss auch am Arbeitsplatz im Mittelpunkt ste- hen. Das ist eine Win-Win-Situati- on. In der Praxis ist das dann die kostenlose Pizza bei Überstunden ab 20 Uhr. Das ist natürlich nicht gemeint. Es geht nicht um bessere Ausbeutung, sondern um »Work life balance«. Zufriedene Mitarbeiter kriegt man nicht mit einer Pizza. Es nützt ja nichts, wenn die Angestellten kei- ne Zeit für ihr Privatleben haben. Unternehmen werden umdenken, sie zwingt schon die demografi- sche Entwicklung zu einer anderen Arbeitsplatzgestaltung. Bei ab- nehmender Zahl verfügbarer Ar- beitskräfte müssen Unternehmen ihre Stellen attraktiver machen. Denn die Arbeitnehmer können sich aussuchen, wo sie hingehen. Wieso sollten sie zu einem Unter- nehmen gehen, über das im Inter- net steht, das macht alles, bloß nicht zufrieden? Die Arbeitnehmer werden in Zukunft eine ganz an- dere Position haben. Viele Menschen wünschen sich zum Neuen Jahr Geld, Gesundheit und Glück. Was wünscht man sich in einer Glücksforscher-Familie? Ein gedeihliches und liebevolles Zusammenleben. Sonst eigentlich nichts. Sie sind wunschlos glücklich? Sagen wir es mal so: Beruflich läuft alles toll, in der Familie auch. Ich wünsche mir, dass es so bleibt. Und für die Gesellschaft, dass wir uns stärker mit den richtigen Fra- gen beschäftigen. Menschen gewöhnen sich ziemlich schnell an Einkommens- zuwächse und passen die Ansprüche nach oben an. Das Mehr ist dann genau dasselbe wie das Weniger vorher. »Auf ein glückliches neues Jahr!«, das dürfte einer der am meisten gesagten Sätze morgen Nacht sein. Doch was ist eigent- lich Glück? Und wie kann man es finden? Darüber sprach Ines Wallrodt mit einem Mann, den diese Frage seit Jahren beschäf- tigt: Karlheinz Ruckriegel, 55, ist Professor für Makroökonomie, psychologische Ökonomie und interdisziplinäre Glücksfor- schung an der Georg-Simon- Ohm-Hochschule Nürnberg – und bezeichnet sich selbst als beina- he vollkommen glücklichen Menschen. Fotos: photocase/Rhönhexe (o.), privat Kalenderblatt 1983 DYNATAC 8000X Vorläufer gab es zwar schon, doch so richtig begann das neue Zeitalter des Telefonie- rens vor 30 Jahren: mit ei- nem »Knochen«. 800 Gramm schwer und 33 Zentimeter lang war das Dynatac 8000X von Motorola, das am 21. September 1983 als erstes kommerzielles Mobiltelefon von der US-Behörde FCC zu- gelassen wurde. Die Ent- wicklung des knapp 4000 Dollar teuren Geräts hatte zehn Jahre zuvor begonnen, binnen der ersten zwölf Mo- nate verkaufte es sich 300 000 Mal. Die Zahlen ha- ben sich inzwischen verfiel- facht: Allein in Deutschland gab es bereits 2011 mehr als 60 Millionen Handybesitzer. Ein Glücksforscher über die Bedeutung von Geld, warum Optimisten zufriedener sind und Wünsche zum neuen Jahr »Man muss Glück auch bemerken«

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Page 1: »ManmussGlückauchbemerken« · 2013. 1. 19. · 25fe-29122012-b Subject: Zum jahreswechsel w9 Seite 29 Karlheinz Ruckriegel Created Date: 12/28/2012 12:15:04 PM ...

u neues deutschland | Sonnabend/Sonntag, 29./30. Dezember 2012

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Zum Jahreswechsel | W9

● Die Silvesternacht ist die Hoch-zeit der Hufeisen, Schweine undKleeblätter. Was haben die ei-gentlich mit Glück zu tun?

Das kann ich leider auch nicht sa-gen. Das sind ja alles eher Symbolefür Zufallsglück. Damit beschäftigtsich die Glücksforschung nicht.

● Sondern eher die Mathemati-ker?

Wir jedenfalls nicht. Im Deutschenist der Begriff Glück sehr schil-lernd. In anderen Sprachen gibt esmehr Differenzierungen, etwa»lucky« und »happy«. Die Glücks-forschung beschäftigt sich mit demanderen Teil der Wortbedeutungim Deutschen, dem subjektivenWohlbefinden, also nicht mit luck,sondernmit happiness.

● Wie lässt sich das messen?

Wir arbeiten mit Daten des sozio-ökonomischen Panels. Dafür wirddie Zufriedenheit der Bürger inBezug auf Arbeit, Wohnen oderauch Familie erfragt und objektiveDaten wie Einkommen oder Be-schäftigung erhoben.

● Gibt es viele vollkommen glück-liche Menschen in Deutschland?

Ich bin gar nicht so weit davonentfernt.

● Sind Sie die glückliche Ausnah-me?

Vor allem gibt es gravierende Un-terschiede: Auf einer Skala von 0 –depressiv – bis 10 – vollkommenglücklich – ist die Zufriedenheit inden unteren Einkommensschich-ten im Durchschnitt bei 5,6 und inden oberen 20 Prozent bei 7,6.

● Geld macht also doch glücklich.

Nein, das ist es nicht. Im Gegenteil.In allen Gesellschaften können wirbeobachten: Wenn ein bestimmtesMindesteinkommen erreicht ist,also die größten materiellen Prob-leme beseitigt sind, dann steigernEinkommenszuwächse die Zufrie-denheit kaum mehr. Dieses Niveau

war in den westlichen Industrie-ländern bereits in den 1960erJahren erreicht. Menschen ge-wöhnen sich nämlich ziemlichschnell an die Erhöhung und pas-sen die Ansprüche nach oben an.Das Mehr ist dann genau dasselbewie dasWeniger vorher.

● Wie erklären Sie dann die großeDifferenz?

Zufriedenheit hat weniger mit demabsoluten als mit dem relativenEinkommen zu tun, mit der Stel-lung in der Gesellschaft. Wer zuden oberen 20 Prozent gehört,fühlt sich wertgeschätzt, hat auchmehr persönliche Freiräume. Inden unteren Einkommensschich-ten kann man dagegen kaum Ein-fluss auf die eigene Lebensgestal-tung nehmen. Man hat den Ein-druck, was ich auch mache, ichkomme nicht vom Fleck. Wir müs-sen wieder zu-rückkommen zueiner gleicherenGesellschaft mitmehr Chancen-gleichheit. Dasist eine Frageder Fairnessund Menschlichkeit. Und das sageich als Ökonom, der aus dem eherkonservativen Kreis kommt.

● Gleichheit macht glücklicher?

Schauen Sie sich die skandinavi-schen Länder an. Dort ist die Zu-friedenheit deutlich größer. DieEinkommensunterschiede sindnicht so groß. Es kommt nicht soauf den Status an. Man wird mehroder minder als gleich angesehen.Und die Menschen sind dort an-ders: Wenn man sich in Dänemarkmit jemandem unterhält, dann istda ein Lächeln, eine Freundlich-keit. In Deutschland schauen wirviel zu viel auf den Nachbarn, undwas der »schon wieder« für einneues Auto hat. Wir sollten sozialeVergleiche nicht so hoch hängen.

● Das klingt nach dem Rat desReichen an den Armen: Sei dochnicht neidisch auf mich, schau, derSchmetterling, der ist doch auchschön.

Wie gesagt, die Verteilungsunge-rechtigkeit und die Chancenun-gleichheit müssen verringert wer-den. Ich bin zum Beispiel für einenMindestlohn. Ein gewisses Maß anMateriellem ist wichtig, damit manan unserer Gesellschaft aktiv teil-haben kann. Aber wir sollten auchandere Dinge im Auge haben, dieunser Glück ausmachen.

● Das wäre?

Die UNO hat im letzten Jahr Glückals Millenniumsziel aufgenommen.Nach den Vorschlägen der OECDsollte man wegkommen von derFixierung auf das Wirtschafts-wachstum. Viel wichtiger für dieZufriedenheit sind demnach Bil-dung, Gesundheit, Kommunikati-on, gute Arbeit. Und natürlich ge-hören dazu auch zwischen-menschliche Beziehungen. Die Po-litik kann aber nur die Vorausset-

zungen verbessern, sie kann dieMenschen nicht glücklich machen.

● Jeder ist auch selbst verant-wortlich für sein Glück?

Glück ist letztlich etwas Subjekti-ves. Es geht darum, wie man sichfühlt. Da kann sich noch so viel ob-jektiv ändern, wenn Sie es nichtwahrnehmen, nützt es nichts.

● Wie wird man also glücklicher?

Man muss sich selber Ziele setzenund diese Ziele nicht ständig imLichte von anderen entwerten. Wirvergleichen uns ja nicht nach un-ten, sondern ständig nach oben.Und man wird immer jemandenfinden, der nochmehr erreicht hat.Es geht also um persönlichesWachstum, das man sich selbererarbeitet. Ich habe mich zum Bei-spiel in den letzten Jahren intensivmit Malerei beschäftigt und meinEnglisch ausgebaut. Was ihnenwenig hilft, ist besonders populär

oder schön oder reich werden zuwollen. Das ist ziemlich hohl amEnde des Tages. Seine persönli-chen Beziehungen hat man eben-falls in der Hand. Man kann auchjeden Abend aufschreiben, was al-les Positives passiert ist. Wenn Siedas ein Vierteljahr machen, ändertsich Ihre Denkweise. Sie denkendann ausgewogener und konzent-rieren sich nicht nur auf die nega-tiven Dinge, die es natürlich immergibt. Schließlich ist Optimismuswichtig. Das heißt, ein gewissesZutrauen zu sich zu haben. Dannhaben Sie auch mehr Erfolgser-lebnisse. Pessimistische Menschensagen immer, das wird sowiesonichts.

● Aber sie können so nicht ent-täuscht, sondern nur positiv über-rascht werden. Auch eine Glücks-strategie.

Der Punkt ist,dass Pessimis-ten gar nichtsversuchen, weilsie meinen, dashat sowiesokeinen Sinn. Sienehmen sich

deshalb kaum etwas vor oder hö-ren sofort auf, wenn der kleinsteGegenwind kommt. Und dann ha-ben Sie auch keine Erfolgserleb-nisse. Überoptimismus ist natür-lich auch nicht gut. Der ist bei Ma-nagern häufig: Nach dem Motto»Mir gelingt alles«, was sich oft alsteure Illusion herausstellt.

● Als Sie 2005 zur Glücksfor-schung gefunden haben, galten Sieda eigentlich als Spinner in IhrerZunft?

Nein, nein. Als ich dazu kam, wur-de das nicht mehr belächelt, aberes war ein Exotenthema. Glücks-forschung hat es innerhalb derVolkswirtschaftslehre schon ein-mal vor 200 Jahren gegeben. Dannist sie verdrängt worden, kam aberseit den 1970ern durch die Sozio-logie und Psychologie wieder.Ökonomen haben lange gesagt, dasbraucht man nicht, das Zeugs da,das subjektive. Sie haben früherGlück immer mit dem Materiellen

gleichgesetzt. Seit den 2000erJahren setzt sich der Ansatz aberauch in der Ökonomie zunehmenddurch. Die Glücksforschung hatenorme Konsequenzen für denManagementbereich.

● Inwiefern?

Glückliche Mitarbeiter engagierensich ganz anders im Unternehmen,sind kreativer, loyaler, wenigerkrank. Der Mensch muss auch amArbeitsplatz im Mittelpunkt ste-hen. Das ist eine Win-Win-Situati-on.

● In der Praxis ist das dann diekostenlose Pizza bei Überstundenab 20 Uhr.

Das ist natürlich nicht gemeint. Esgeht nicht um bessere Ausbeutung,sondern um »Work life balance«.Zufriedene Mitarbeiter kriegt mannicht mit einer Pizza. Es nützt janichts, wenn die Angestellten kei-ne Zeit für ihr Privatleben haben.Unternehmen werden umdenken,sie zwingt schon die demografi-sche Entwicklung zu einer anderenArbeitsplatzgestaltung. Bei ab-nehmender Zahl verfügbarer Ar-beitskräfte müssen Unternehmenihre Stellen attraktiver machen.Denn die Arbeitnehmer könnensich aussuchen, wo sie hingehen.Wieso sollten sie zu einem Unter-nehmen gehen, über das im Inter-net steht, das macht alles, bloßnicht zufrieden? Die Arbeitnehmerwerden in Zukunft eine ganz an-dere Position haben.

● Viele Menschen wünschen sichzum Neuen Jahr Geld, Gesundheitund Glück. Was wünscht man sichin einer Glücksforscher-Familie?

Ein gedeihliches und liebevollesZusammenleben. Sonst eigentlichnichts.

● Sie sind wunschlos glücklich?

Sagen wir es mal so: Beruflich läuftalles toll, in der Familie auch. Ichwünsche mir, dass es so bleibt.Und für die Gesellschaft, dass wiruns stärker mit den richtigen Fra-gen beschäftigen.

Menschen gewöhnen sich ziemlich schnell an Einkommens-zuwächse und passen die Ansprüche nach oben an. DasMehr ist dann genau dasselbe wie das Weniger vorher.

»Auf ein glückliches neuesJahr!«, das dürfte einer der ammeisten gesagten Sätze morgenNacht sein. Doch was ist eigent-lich Glück? Und wie kann man esfinden? Darüber sprach InesWallrodt mit einem Mann, dendiese Frage seit Jahren beschäf-tigt: Karlheinz Ruckriegel, 55,ist Professor für Makroökonomie,

psychologische Ökonomie undinterdisziplinäre Glücksfor-schung an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule Nürnberg – undbezeichnet sich selbst als beina-he vollkommen glücklichenMenschen.

Fotos: photocase/Rhönhexe (o.),privat

Kalenderblatt 1983DYNATAC 8000X

Vorläufer gab es zwar schon,doch so richtig begann dasneue Zeitalter des Telefonie-rens vor 30 Jahren: mit ei-nem »Knochen«. 800 Grammschwer und 33 Zentimeterlang war das Dynatac 8000Xvon Motorola, das am 21.September 1983 als ersteskommerzielles Mobiltelefonvon der US-Behörde FCC zu-gelassen wurde. Die Ent-wicklung des knapp 4000Dollar teuren Geräts hattezehn Jahre zuvor begonnen,binnen der ersten zwölf Mo-nate verkaufte es sich300 000 Mal. Die Zahlen ha-ben sich inzwischen verfiel-facht: Allein in Deutschlandgab es bereits 2011 mehr als60 Millionen Handybesitzer.

Ein Glücksforscher über die Bedeutung von Geld, warum Optimisten zufriedener sind und Wünsche zum neuen Jahr

»Man muss Glück auch bemerken«