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manuelle therapie Muskuloskeletales System – Klinik und Forschung Mai 2015 · Seite 53 – 100 · 19. Jahrgang www.thieme.de / manuelletherapie 2 · 2015 Herausgeber J. Bessler C. Beyerlein T. Davies-Knorr S. Klien F. Morrison J. H. van Minnen J. Schomacher SCHWERPUNKT Medical Screening Screenen oder nicht screenen – gar keine Frage! Screening-Prozedere Rehabilitation bei Schleudertrauma MT- Dschungel in D

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manuelletherapieMuskuloskeletales System – Klinik und Forschung

Mai 2015 · Seite 53 – 100 · 19. Jahrgang www.thieme.de / manuelletherapie 2 · 2015

HerausgeberJ. BesslerC. BeyerleinT. Davies-KnorrS. KlienF. MorrisonJ. H. van MinnenJ. Schomacher

SCHWERPUNKT

Medical Screening

Screenen oder nicht screenen –gar keine Frage!

Screening-Prozedere

Rehabilitation bei Schleudertrauma

MT-

Dschungel

in D

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manuelletherapie 2. 2015

Schwerpunkt Medical Screening

65 Screenen oder nicht screenen – gar keine Frage Autor: W. Boissonnault

71 Screening-Prozedere: Gefahrensituationen bei Patienten mit HWS-Symptomen Autoren: K. Lüdtke, L. Grauel

76 Maskierte Symptome: Patient mit multiplem BWS-Myelom Autor: W. K. Geerse

80 Refresher-Fragen

Originalia 81 Einfluss von Triggerpunkttherapie und

Training auf Bewegungskontrolle, Schmerz und Behinderung bei chronischen Nacken-schmerzen Autorin: K. Weber-Geiger

90 Verbesserte Rehabilitation bei chronischem Schleudertrauma Autorin: T. Rebbeck

96 Diagnose Schwindel – Mit der Bitte um Lagerungsmanöver Autorin: S. Schlager

Rubriken 56 Forum 61 Forschung kompakt 100 Buchbesprechung · Termine

HerausgeberJohannes Bessleraus Dossenheim ist Manualtherapeut-OMT (AGMT) und Master of Manual Therapy (UWA/Perth). Als Mulligan-Instruktor ist er seit 2002 international, seit 2010 auch an verschiedenen Hochschulen in Deutsch-land und der Schweiz tätig. Er arbeitet klinisch in einer Praxis in Heidelberg mit Spezialisierung auf die Behandlung von muskuloskeletalen und kraniofazia-len Patienten. Seit 2006 im Herausgeberteam.

Dr. Claus Beyerleinaus Ulm an der Donau ist Manualtherapeut (OMT-DVMT) und Diplom-Sportwissenschaftler. Er ist Mitglied der Mulligan Concept Teachers Association (MCTA). Nach dem Studium an der Curtin Universi-ty of Technology in Perth/Australien promovierte er an der Universität Ulm zum Thema Erstkontakt in der Physiotherapie in Deutschland – Erkennung von Red Flags. Seit 2003 im Herausgeberteam.

Trisha Davies-Knorraus München ist Manualtherapeutin (MSc, MCSP, DVMT-OMT) und IMTA-Instruktorin. Sie arbeitet klinisch an der Klinik und Poliklinik für Physikali-sche Medizin und Rehabilitation der Universität München. Neben der Mitgliedschaft in der DVMT-Weiterbildungskommission und der DFAMT Monito-ring Gruppe ist sie Fellow of the Higher Education Academy. Seit der Gründung der Zeitschrift im Jahr 1997 gehört sie dem Herausgeberteam an.

Fiona Morrisonlebt in Rodgau. Sie ist seit 1994 Physiotherapeutin (BAppISc), seit 2000 Manualtherapeutin (MHIthSc, MCSP, APAM, DVMT-OMT). Sie arbeitet in einer am-bulanten Reha-Praxis. Von 2005–2012 war sie Mit-glied der DVMT Weiterbildungskommission, ab 2007 als Leiterin. Von 2004–2011 war sie deutsche Dele-gierte für IFOMPT. Seit 2013 im Herausgeberteam.

Sebastian Klienaus Freiburg ist seit 1996 Physiotherapeut. Sein Inter-esse für die Therapie muskuloskeletaler Beschwerden führte ihn über die Ausbildung im Kaltenborn- und Maitland-Konzept schließlich zur OMT des SVOMP. Im Jahr 2003 absolvierte er die Prüfung zum OMT/svomp. Seit Juni 2011 hat er seine eigene Praxis in Freiburg. Er gehört seit 2007 zum Herausgeberteam.

Jan Herman van Minnenlebt in Bettlach in der Schweiz. Er ist Manualthera-peut (OMTsvomp), IMTA-Seniorinstruktor und ar-beitet klinisch als Mitinhaber seiner Gruppenpraxis in Grenchen. Seit der Gründung der Zeitschrift im Jahr 1997 ist er im Herausgeberteam.

Jochen Schomacherlebt in Küsnacht in der Schweiz. Er ist Manualthera-peut und Instruktor Manuelle Therapie (OMT Kalten-born-Evjenth-Konzept). 2012 hat er seinen PhD in Clinical Sciences von der Aalborg University, Däne-mark erhalten. Er gehört seit der Gründung der Zeit-schrift 1997 zum Herausgeberteam.

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ForumDer „Manuelle-Therapie-Dschungel“ in Deutschland

Kennen wir nicht alle die Frage: Wo soll ich die Fortbildung in Manueller Thera-pie absolvieren? Entweder, weil wir sie uns gerade selber gestellt haben oder weil uns junge Kollegen danach gefragt haben (▶ Abb. 1).

In Deutschland ist es üblich, die Wei-terbildung in Manueller Therapie bald nach Beendigung der Berufsausbildung zu absolvieren. Der Erwerb eines „Ab-rechnungszertifikats“ in Manueller Thera-pie sichert einem Berufsanfänger bessere Chancen auf einen Job und ermöglicht uns bzw. unserem Chef, ein paar Cent mehr ge-genüber den gesetzlichen Krankenkassen abzurechen. Interessanterweise verlan-gen nur die Krankenkassen in Deutschland das „Abrechnungszertifikat“ als Qualitäts-sicherungsmerkmal. In anderen europäi-

schen Ländern wie Österreich oder der Schweiz spielt es dagegen keine Rolle.

Die Fortbildung „Manuelle Therapie“ mit einem abschließenden Zertifikat zur Abrechnung bieten in Deutschland 80 ver-schiedene Weiterbildungsträger an [1], die alle von den Krankenkassen mit auf den Vorgaben der Anlage 3 der Rahmenemp-fehlungen basierenden eigenen Konzepten zugelassen sind [6]. Dieses Modell beruht auf der Einigung der Krankenkassen mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Heil-mittelerbringer e. V. [7], die sich auf eine zentrale, bundeseinheitliche Prüfung der Weiterbildungsträger, der Weiterbildungs-stätten und der Fachlehrer auf Grundlage der Rahmenempfehlungen nach §125 Abs. 1 SGB V geeinigt haben [7]. Diese Rahmen-empfehlungen geben jedoch keine konkre-

ten Inhalte vor und können variabel defi-niert und zusammengestellt werden [6]. Dies erschwert zusätzlich die Entschei-dungsfindung zwischen den verschiede-nen Konzepten und Angeboten für Thera-peuten.

Um die Entscheidungsfindung zu er-leichtern, wo also die Weiterbildung am besten zu absolvieren ist, wird im Folgen-den das deutsche System der Manuellen-Therapie-Konzepte erläutert und hinter-fragt, um so etwas Licht in den deutschen „Manuelle-Therapie-Dschungel“ zu bringen.

Dies erfordert zunächst etwas Hinter-grundinformation. Zum besseren Ver-ständnis der Strukturen dient eine allge-meine Übersicht über die organisatori-sche Gliederung der Manuellen Therapie, begonnen bei der Weltgesundheitsorga-nisation (WHO) bis hin zu den deutschen Strukturen (▶ Abb. 2).

Manuelle Therapie: International bis nationalDie WHO ist die richtunggebende und ko-ordinierende Autorität im Rahmen der United Nations. Sie ist unter anderem für die Führung und Leitung in Bezug auf glo-bale Gesundheitsfragen, die Formgebung der Forschungsagenda und das Festlegen von Normen und Standards verantwort-lich und zudem Befürworter evidenzba-sierter Politik [14]. Zu diesem Zweck über-nimmt sie die leitende und koordinierende Rolle im internationalen Gesundheitswe-sen. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die höchstmöglichen Standards der Ge-sundheitsversorgung zu erreichen und ar-beitet zudem wirksam unter anderem mit den Fachkreisen und infrage kommenden Organisationen zusammen [11].

Auf die Weiterbildung in Manuel-ler Therapie nimmt die WHO nur indi-rekt und wenig Einfluss. Jedoch ist ihr die World Confederation of Physical Thera-py (WCPT; Weltverband der Physiothera-

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Abb. 1 Der „Manuelle-Therapie-Dschungel“.

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peuten), die einzige internationale Verei-nigung für Physiotherapeuten, unterge-ordnet. Deren direkte Unterstellung unter der WHO bewirkt ihren Einfluss auf das physiotherapeutische System. Durch ihre 106 Mitgliedsorganisationen vertritt die WCPT weltweit mehr als 350000 Physio-therapeuten [13]. Sie möchte den höchst-möglichen Standard der kulturell ange-messenen Gesundheitsversorgung in der Physiotherapie durch Untermauerung von wissenschaftlichen Erkenntnissen und des Clinical Reasonings gewährleisten. Dies erreicht sie in erste Linie durch die För-derung von Standards in physiotherapeu-tischer Forschung, Lehre und Praxis so-wie dem regelmäßigen Austausch unter den Mitgliedsorganisationen. Aus diesem Grund unterstützt sie unter anderem die Zusammenarbeit mit nationalen und in-ternationalen Organisationen [13].

Die WCPT nennt folgende Anforderun-gen bzw. Voraussetzungen an den Beruf des Physiotherapeuten:

▬ Erhebung eines umfassendes Patien-ten-Assessments;

▬ Bewertung und Beurteilung der ge-wonnenen Erkenntnisse aus dem As-sessment und darauf basierend Treffen klinischer Entscheidungen;

▬ Formulierung von Diagnosen, Progno-sen und Planung;

▬ Beratung im Rahmen der Kompetenzen und Entscheidung, wann Patienten an Ärzte überwiesen werden müssen;

▬ Umsetzung einer physiotherapeuti-schen Behandlung;

▬ Bewertung und Bestimmung des Out-comes bei etwaigen Interventionen;

▬ Hilfe zur Selbsthilfe.

Die genauere Betrachtung dieser Anforde-rungen verdeutlicht, dass in Deutschland zwischen Theorie und Praxis noch einige Unterschiede liegen:

Als Untergruppe der WCPT hat sich die International Federation of Ortho-paedic Manipulative Physical Therapists (IFOMPT) herausgebildet. Die IFOMPT legt ihren Fokus auf das physiotherapeutische Patientenmanagement bei neuromusku-loskeletalen Funktionsstörungen (Ortho-paedic Manipulative Therapy, OMT; [8]). Die OMT ist eine Spezialisierung innerhalb der Physiotherapie. Die IFOMPT sieht ih-ren Hauptaufgabenbereich in der Präven-tion und dem konservativen Management von Schmerz und anderen neuromuskulo-skeletalen Symptomen und Dysfunktionen der Wirbelsäule und Extremitäten.

In Bezug auf die Manuelle Therapie stellt die IFOMPT eine Schlüsselorganisa-tion dar. Sie fördert die internationale Zu-sammenarbeit in der Manuellen Therapie. Aktuell schließt sie 22 Mitgliedsorganisa-tionen aus 22 Ländern sowie 9 „Register-ed Interest Groups“ aus weiteren 9 Län-dern zusammen. In ihrem „Standard Do-cument“ hat sie Weiterbildungsstandards für die Manuelle Therapie festgelegt. Da-mit sind die Mindeststandards für die zu vermittelnden Kompetenzen für alle IFOMPT-Mitgliedsorganisationen definiert und festgelegt [9, 10]. In regelmäßigen Monitorings überprüft und begleitet die IFOMPT die Erfüllung dieser Standards in den OMT-Programmen der IFOMPT-Mit-gliedsorganisationen und entwickelt die-se weiter.

Manuelle Therapie in DeutschlandDas deutsche Mitgliedsorgan in der IFOMT ist die Dachorganisation für Manuel-le Therapie, die Deutsche Föderative Ar-beitsgemeinschaft für Manuelle Therapie (DFAMT; [4]). Sie vereinigt die deutschen physiotherapeutischen Gesellschaften, die eine Weiterbildung nach den Richtli-nien der IFOMPT anbieten (OMT). Diese OMT-Weiterbildung schließt an die Fort-bildung zur Erlangung des „Abrechnungs-zertifikats“ für Manuelle Therapie an. Die DFAMT vertritt als Organisation ihre Mit-glieder in der IFOMPT und führt regelmä-ßig Qualitätssicherungsmaßnahmen der OMT-Programme ihrer Mitgliedsorganisa-tionen durch und unterstützt deren Wei-terentwicklung.

Folgende 4 physiotherapeutischen Ge-sellschaften sind derzeit in der DFAMT or-ganisiert [3]:

▬ Deutscher Verband für Manuelle The-rapie (Maitland-Konzept) e. V. (DVMT);

▬ Deutsche Gesellschaft für Orthopädi-sche Manuelle Therapie e. V. (DGOMT);

▬ Deutsche Fachgruppe für Orthopädisch Manipulative Medizin e. V. (DFOMT);

▬ Arbeitsgemeinschaft Manuelle Thera-pie (AG-MT).

Wie bereits erwähnt, gibt es in Deutsch-land derzeit noch 76 weitere Gesellschaf-ten, die eine Fortbildung in Manueller Therapie anbieten. Diese sind jedoch nicht Mitglieder der DFAMT und damit nicht in

WHO

WCPT

IFOMPT

DFAMT

DGMTDVMT DFOMT AG-MT(im ZVK)

Abb. 2 Organisatorische Strukturen der Manuellen Therapie in Deutschland.

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der IFOMPT vertreten. Sie müssen nicht die von WCPT und IFOMPT ausgearbeite-ten Weiterbildungsstandards erfüllen. Die Kontrolle findet ausschließlich auf natio-naler Ebene statt, angepasst an die in der neuesten Fassung von 2005 vorliegende Anlage 3 zu den Rahmenempfehlungen nach §125 Abs. 1 SGB V [6]. Hier erfolgt keine Angleichung an aktuelle internatio-nale Standards [6].

Na und?Die obige Übersicht verdeutlicht, dass es eine weltweite Organisation der Manuel-len Therapie gibt, welche die Belange der Manualtherapeuten auf nationalem bis hin zu einem internationalen Niveau re-gelt. Dies möchte die IFOMPT durch das Untermauern mit wissenschaftlichen Er-kenntnissen und Clinical Reasoning errei-chen[13]. Das OMT-Zertifikat stellt also ein hohes und international vergleichbares Niveau dar, was für die Professionalisie-rung des Physiotherapieberufs und dessen Selbstverständnis wichtig ist. Dem kann das in Anlage 3 der Rahmenempfehlungen aufgeführte Stundenkontingent von maxi-mal 20–25 % Theorie für Manuelle Thera-pie nicht gerecht werden.

Das Erlangen des deutschen „Abrech-nungszertifikats“ ist jedoch ein guter Ein-stieg in dieses Spezialisierungsgebiet. Für die Abrechnungsposition Manuelle The-rapie und den Einstieg in eine OMT-Wei-terbildung spielt es primär keine Rolle, bei welchem Weiterbildungsanbieter die Fortbildung zum Erlangen des „Abrech-nungszertifikats“ für Manuelle Therapie absolviert wird. Jede DFAMT-Mitglieds-organisation bietet die Möglichkeit des Quereinstiegs in ihre Weiterbildungspro-gramme. Daher können Kollegen, die ihr „Abrechnungszertifikat“ bei einem Nicht-mitglied der DFAMT erlangt haben, trotz-dem eine OMT-Weiterbildung absolvieren. Die Voraussetzungen sind in den jeweili-gen Curricula der DFAMT-Mitgliedsorgani-sationen beschrieben. Da sich die DFAMT-Mitgliedsorganisationen alle den oben beschriebenen erweiterten Qualitätssi-cherungsmaßnahmen verpflichtet haben, kann es jedoch von Vorteil sein, bei einer dieser Gesellschaften bereits bei der Fort-bildung zum Erlangen des deutschen „Ab-rechnungszertifikats“ einzusteigen.

Ein weiterer Vorteil der DFAMT besteht darin, dass die OMT einen international vergleichbaren Standard erhält und eine optimierte Kommunikation und Patien-tenversorgung ermöglicht. Sie ist ein star-ker Verband, der auch in Zukunft gegen-über dem deutschen Gesundheitssystem eine wichtige Rolle spielen könnte.

In Deutschland wurde in der Vergan-genheit immer wieder die Diskussion über Standardisierung angeregt und gefragt, wozu diese eigentlich gut ist. Die Forde-rung des WCPT verdeutlicht, dass es sich bei der Standardisierung innerhalb der Physiotherapie um eine Forderung auf in-ternationaler Ebene handelt. Diese defi-nierten Standards befähigen die Physiothe-rapeuten durch optimierte Verfahren und bessere Messbarkeit von Behandlungsver-läufen und Ergebnissen zu einer erfolgrei-cheren Patientenversorgung. Eine bessere Messbarkeit führt nicht allein zu besserer praktischer Arbeit. Dafür sind noch viele andere Kompetenzen nötig. Allerdings er-möglicht eine optimierte Messbarkeit, die Behandlungsverfahren direkt und zielge-richtet zu kontrollieren und anzupassen. Die Verpflichtung zu dieser Selbstkontrol-le und Überprüfung der Effektivität des ei-genen Handelns ist ein wichtiger Baustein für einen eigenständigen Beruf [2, 5, 12]. Zudem vereinfacht dies die Dokumenta-tion und somit auch die Kommunikation zwischen den Therapeuten, anderen me-dizinischen Berufen und Kostenträgern. Außerdem vereinheitlicht es die Patien-tenaufklärung, da alle Therapeuten die gleiche Sprache sprechen.

DVMT, DGMT, DFOMT und AG-MT ha-ben es sich zur Aufgabe gemacht, die von der WCPT und IFOMPT geforderten, sich stetig weiterentwickelnden Kenntnisse, Fertigkeiten und Attribute durch die Wei-terbildung zum OMT-Zertifikat weiterzu-geben. So erhalten die neuesten Entwick-lungen und der höchstmögliche Standard auch in Deutschland Einzug in die Weiter-bildung von neuromuskuloskeletalen Phy-siotherapeuten. Dies können sich die Phy-siotherapeuten in Deutschland zu eigen machen, anstatt nur die Bestimmungen der Kostenträger zu erfüllen. Es ist wich-tig, dass die deutschen Physiotherapeu-ten über den Tellerrand hinausblicken und auch in Deutschland ein starkes System

schaffen, das die Anforderungen der WCPT an die Physiotherapie erfüllt.

Die OMT-Weiterbildung befähigt die Physiotherapeuten, ein Teil dieses fach-lich hoch entwickelten Systems zu wer-den, welches auf höchstem und aktuellem Niveau stattfindet und durch regelmäßiges Monitoring auf nationaler und internatio-naler Ebene weiterentwickelt wird.

FazitDie Manuelle Therapie in Deutschland wird den von der WCPT und somit indi-rekt der WHO an die Physiotherapie ge-stellten Anforderungen nicht gerecht. Das in Deutschland als Qualitätsmerkmal gel-tende „Abrechnungszertifikat“ für Manuel-le Therapie reicht nicht für Anforderungen auf internationaler Ebene. Um ihren Pati-enten eine bestmögliche Versorgung zu ge-währleisten, empfiehlt es sich für Physio-therapeuten, bei der Weiterbildung zur Manuellen Therapie langfristig zu denken und ein OMT-Zertifikat anzustreben. ▄

Literatur1. AOK-Bundesverband. Anlage 2 der Verein-

barung zwischen den Bundesverbanden und Organisationen der Krankenkassen einer-seits und der Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbande e. V. andererseits. 2014. www.aok-gesundheitspartner.de/imperia/md/gpp/bund/heilberufe/empfehlung/anlage_2_mt_2014.pdf (04.12.2014)

2. Arnold L. Assessing Professional Behavior: Yes-terday, Today and Tomorrow. Academic Medici-ne 2002; 77: 502–515

3. Deutsche Föderative Arbeitsgemeinschaft für Manuelle Therapie (DFAMT). Mitgliedsorgani-sationen der DFAMT. 2010. www.dfamt.com/dfamtdieorganisa.html (04.12.2014)

▀ Info

▬ Informationen zur OMT-Weiterbildung in Deutschland: www.dfamt.com;

▬ Informationen über die OMT-Curricula der DFAMT-Mitgliedsorganisationen: www.dfomt.org/omt-weiterbildung, w w w.dgomt.de/mt_omt_weiterbil-dung, www.omt-dvmt.de, www.ag-ma-nuelle-therapie.de/MT-Spezialist-ACP-OMT.727.0.html

▬ International: www.ifompt.com

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Forum. Manuelle Therapie 2015; 19: 56–60

DOI 10.1055/s-0035-1552879manuelletherapie 2015; 19: 56–59© Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New York · ISSN 1433-2671

bIblIogrAfIe

Eike Hirschmann, BSc PT/OMT, MA of Musc. und Sports [email protected]

Autor4. Deutsche Föderative Arbeitsgemeinschaft für

Manuelle Therapie (DFAMT). Willkommen bei der DFAMT. 2014. www.dfamt.com (04.12.2014)

5. Eraut M. Developing Professional Knowledge and Competence. London: Falmer, 1994

6. GKV-Spitzenverband. Anlage 3 vom 17. Januar 2005 zu den Rahmenempfehlungen nach §125 Abs. 1 SGB V vom 1. August 2001. Anforderun-gen an die Abgabe und Abrechnung von beson-deren Maßnahmen in der Physiotherapie. 2005. www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumen-te/krankenversicherung_1/ambulante_leistun-gen/heilmittel/heilmittel_rahmenempfehlun-gen/125_Anlage_3_212.pdf (04.12.2014)

7. GKV-Spitzenverband. Rahmenvertrage. 2014. www.gkv-spitzenverband.de/krankenversiche-rung/arzneimittel/rahmenvertraege/rahmen-vertraege.jsp (04.12.2014)

8. International Federation of Orthopaedic Mani-pulative Physical Therapists (IFOMPT). About IFOMPT. 2008. www.ifompt.com/About+IFOMPT.html (09.11.2014)

9. International Federation of Orthopaedic Mani-pulative Physical Therapists (IFOMPT). IFOMPT Educational Standards. 2008. www.ifompt.com/Educational+Standards.html (04.12.2014)

10. International Federation of Orthopaedic Mani-pulative Physical Therapists (IFOMPT). Vision. 2008. http://www.ifompt.com/About+IFOMPT/Vision.html (04.12.2014)

11. Schweizerische Eidgenossenschaft – Die Bundes-behörden. Verfassung der Weltgesundheitsorga-nisation vom 22. Juli 1946. 2014. www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19460131/in-dex.html (04.12.2014)

12. Swick HM. Toward a Normative Definition of Medical Professionalism. Academic Medicine 2000; 75: 612–616

13. World Confederation for Physical Therapy (WCPT). What is WCPT? 2013. www.wcpt.org/what-is (09.11.2014)

14. World Health Organization (WHO). About WHO. 2014. www.who.int/about/en/. (09.11.2014)