Markierstoffe im Bereich von Trinkwasserfassungen · KG/Tag abgesehen von einer Reduktion des...

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gwa 5/2007 355 AKTUELL | ACTUEL HAUPTARTIKEL | ARTICLE DE FOND Markierstoffe im Bereich von Trinkwasserfassungen Abklärung zur Humantoxizität der Fluoreszenztracer 1. Ausgangslage D er Einsatz von Markierstoffen ist ein ver- breitetes und unverzichtbares Arbeitsmit- tel in der Hydrogeologie. Fluoreszenztracer werden deshalb verwendet, weil sie auch in kleinsten Konzentrationen noch analytisch nachweisbar sind. Diese Methodik hilft, wich- tige Fragestellungen insbesondere für den Grundwasserschutz zu beantworten, wie etwa die Bestimmung von Einzugsgebieten oder die Überprüfung von Schutzzonenbemessungen. Allerdings handelt es sich bei den Tracern um Fremdstoffe, die in das zu schützende Grund- wasser während kurzer Zeit eingespeist werden und letztlich auch in die Grundwasserfassung gelangen können. Dieser scheinbare Wider- Markierstoffe sind ein nützliches Hilfsmittel in der Hydrogeologie. Aller- dings sind Tracer Fremdstoffe, die in das zu schützende Grundwasser ein- gespeist werden und letztlich auch in die Grundwasserfassung gelangen können. Um abzuklären, ob von den eingesetzten Substanzen ein Risiko für Trinkwasserkonsumenten ausgeht, wurden die verfügbaren Daten zur Toxi- zität der gängigsten Fluoreszenztracer (Sulforhodamin B, Uranin, Eosin gelblich, Naphthionat) zusammengestellt und bewertet. Tolerierbare Trink- wasserkonzentrationen wurden für diese Substanzen abgeleitet, die für die menschliche Gesundheit unbedenklich sind, und mit den in der Grundwas- serfassung zu erwartenden Tracerkonzentrationen sowie mit der Durch- gangsdauer in Zusammenhang gestellt. Beat Brüschweiler Utilisation des traceurs à proxi- mité des captages d’eau potable La toxicité des traceurs fluorescents en question Les traceurs sont très utiles pour déterminer le cheminement de l’eau en hydrogéologie. Mais ces substances artificielles sont aussi des substances étrangères au sens de la loi: une fois injectées dans les eaux souterraines, elles peuvent arriver jusqu’aux captages. La question est donc de savoir quel risque de toxicité elles représentent pour le consommateur d’eau potable. Les don- nées toxicologiques des principaux traceurs fluo- rescents (sulforhodamine B, uranine, éosine jau- ne, naphthionate) ont été analysées pour en déduire les limites de concentration toxicologi- quement tolérables dans l’eau potable. Ces va- leurs ont ensuite été confrontées avec les con- centrations extrapolées dans les captages et avec les vitesses de cheminement. Tracers in the Area of Drinking Water Reservoirs Evaluation of the Human Toxicity of Fluorescent Tracers Tracers are a useful tool in hydrogeology. How- ever, tracers are foreign substances which are applied to the groundwater to be protected and which can also get into the groundwater capture. To clarify whether there is a health risk for consu- mers of drinking water from these substances, the available data on the toxicity of the most common fluorescent tracers (sulforhodamine B, uranine, eosin yellow, naphthionate) were col- lected and evaluated. Tolerable concentrations in drinking water were derived which pose no health concern for consumers. These values were compared with the tracer concentrations to be expected in the groundwater capture and in context with the passage time.

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Markierstoffe im Bereich von Trinkwasserfassungen

Abklärung zur Humantoxizität der Fluoreszenztracer

1. Ausgangslage

Der Einsatz von Markierstoffen ist ein ver-breitetes und unverzichtbares Arbeitsmit-

tel in der Hydrogeologie. Fluoreszenztracerwerden deshalb verwendet, weil sie auch inkleinsten Konzentrationen noch analytischnachweisbar sind. Diese Methodik hilft, wich-tige Fragestellungen insbesondere für denGrundwasserschutz zu beantworten, wie etwadie Bestimmung von Einzugsgebieten oder dieÜberprüfung von Schutzzonenbemessungen.Allerdings handelt es sich bei den Tracern umFremdstoffe, die in das zu schützende Grund-wasser während kurzer Zeit eingespeist werdenund letztlich auch in die Grundwasserfassunggelangen können. Dieser scheinbare Wider-

Markierstoffe sind ein nützliches Hilfsmittel in der Hydrogeologie. Aller-

dings sind Tracer Fremdstoffe, die in das zu schützende Grundwasser ein-

gespeist werden und letztlich auch in die Grundwasserfassung gelangen

können. Um abzuklären, ob von den eingesetzten Substanzen ein Risiko für

Trinkwasserkonsumenten ausgeht, wurden die verfügbaren Daten zur Toxi-

zität der gängigsten Fluoreszenztracer (Sulforhodamin B, Uranin, Eosin

gelblich, Naphthionat) zusammengestellt und bewertet. Tolerierbare Trink-

wasserkonzentrationen wurden für diese Substanzen abgeleitet, die für die

menschliche Gesundheit unbedenklich sind, und mit den in der Grundwas-

serfassung zu erwartenden Tracerkonzentrationen sowie mit der Durch-

gangsdauer in Zusammenhang gestellt.

Beat BrüschweilerUtilisation des traceurs à proxi-mité des captages d’eau potableLa toxicité des traceurs fluorescentsen questionLes traceurs sont très utiles pour déterminer lecheminement de l’eau en hydrogéologie. Mais cessubstances artificielles sont aussi des substancesétrangères au sens de la loi: une fois injectéesdans les eaux souterraines, elles peuvent arriverjusqu’aux captages. La question est donc de savoir quel risque de toxicité elles représententpour le consommateur d’eau potable. Les don-nées toxicologiques des principaux traceurs fluo-rescents (sulforhodamine B, uranine, éosine jau-ne, naphthionate) ont été analysées pour en déduire les limites de concentration toxicologi-quement tolérables dans l’eau potable. Ces va-leurs ont ensuite été confrontées avec les con-centrations extrapolées dans les captages et avecles vitesses de cheminement.

Tracers in the Area of DrinkingWater ReservoirsEvaluation of the Human Toxicity ofFluorescent TracersTracers are a useful tool in hydrogeology. How-ever, tracers are foreign substances which are applied to the groundwater to be protected andwhich can also get into the groundwater capture.To clarify whether there is a health risk for consu-mers of drinking water from these substances,the available data on the toxicity of the mostcommon fluorescent tracers (sulforhodamine B,uranine, eosin yellow, naphthionate) were col-lected and evaluated. Tolerable concentrations indrinking water were derived which pose no health concern for consumers. These values werecompared with the tracer concentrations to beexpected in the groundwater capture and incontext with the passage time.

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spruch kann nur aufgelöst werden,wenn feststeht, dass von den einge-setzten Substanzen kein Risiko fürdie Konsumenten ausgeht, welcheaus diesen Grundwasserfassungenihr Trinkwasser beziehen. In der ein-schlägigen Literatur über Tracer inder Hydrogeologie [1, 2, 3] fehlt bis-her eine umfassende Bewertung die-ser Substanzen im Hinblick auf diemenschliche Gesundheit. Um dieseLücke zu schliessen, wurde in dervorliegenden Arbeit von vier Mar-kierstoffen die öffentlich zugängli-chen Toxizitätsdaten zusammenge-stellt, das gesundheitliche Risiko fürdie Verbraucher bei den zu erwar-tenden Trinkwasserkonzentrationenbewertet und tolerierbare Trinkwas-serkonzentrationen abgeleitet.

2. Vorgehensweise

In einer Risikobewertung wird diefür den Menschen aus toxikologi-

scher Sicht tolerierbare tägliche Auf-nahmemenge mit der tatsächlichenAufnahmemenge (Exposition) vergli-chen. Zur Analyse des Gefährdungs-potenzials werden je nach vorgese-hener Anwendung einer chemischenSubstanz verschiedenste tierexperi-mentelle Studien durchgeführt. Indiesen Studien werden die akute,subakute, subchronische und chroni-sche Toxizität, Kanzerogenität, Mu-tagenität, Reproduktions- und Ent-wicklungstoxizität, Neurotoxizitätund Immuntoxizität geprüft.Ausge-hend vom kritischen toxischen Ef-fekt und derjenigen Dosis, die keinenegativen Auswirkungen mehr her-vorruft (NOAEL von «No Observa-ble Adverse Effect Level»),wird dietolerierbare tägliche Aufnahmemen-ge (TDI von «Tolerable Daily In-take») für den Menschen ermittelt.Unsicherheiten bezüglich möglicherunterschiedlicher Empfindlichkeitenvon Tier und Mensch einerseits undden individuellen Empfindlichkeits-

unterschieden beim Menschen an-dererseits wird mit entsprechendenUnsicherheitsfaktoren Rechnung ge-tragen.Ist die Datenlage zur Toxizität einerSubstanz ungenügend,um einen TDIabzuleiten, kommt das Konzept des«Threshold of Toxicological Con-cern» (TTC) zur Anwendung. Die-ses hat sich in der Lebensmitteltoxi-kologie bei lückenhafter Datenlageseit einigen Jahren bewährt [4, 5].Das TTC-Konzept ist ein konserva-tiver Ansatz, in welchem jeweils dasfünfte Perzentil von vielen NOAELsfür definierte toxische Effekte vonStoffen unterschiedlicher chemischerStrukturklassen (Cramer-Struktur-klassen) durch einen Unsicherheits-faktor von 100 geteilt wird [5].Unter der Annahme, dass eine er-wachsene Person pro Tag zwei LiterLeitungswasser konsumiert, kannanhand des TDI bzw. des TTC eine tolerierbare Trinkwasserkonzentra-tion abgeleitet werden.Anhand einesVergleiches zwischen der erwartetenbzw. gemessenen und der tolerierba-ren Trinkwasserkonzentration kannein mögliches gesundheitliches Ri-siko für die Verbraucher beurteiltwerden.

Nachfolgend werden die Toxizitätsdaten zu denvier Markierstoffen dargestellt.

3. Toxikologie

3.1 Sulforhodamin B

Sulforhodamin B (C.I. 45100) darf in kosmeti-schen Mitteln verwendet werden,allerdings mitder Einschränkung, dass es nur kurz mit derHaut in Berührung kommen soll (Haarfärbung)[6]. Die wichtigsten chemisch-physikalischenSubstanzeigenschaften von Sulforhodamin Bsind in Tabelle 1 zusammengestellt. Die Nach-weisgrenze liegt bei 0,01–0,02 µg/¬ [7]. Die Toxi-zität von Sulforhodamin B wurde durch das«Scientific Committee on Cosmetic Productsand Non-Food Products Intended for Cons-umers» (SCCNFP) im Jahre 2004 evaluiert [8].Sulforhodamin B weist eine niedrige akuteToxizität auf. Die Dosis, welche bei einmaligerGabe bei 50 % der Tiere tödlich wirkt (LD50),liegt bei der Ratte bei >1000 mg/kg KG [8]. Ineiner subchronischen oralen Toxizitätsstudie(91 Tage) mit Ratten und in einer Teratogenitäts-studie mit Ratten lag der NOAEL beide Mal bei1000 mg/kg KG/Tag [8]. Orale Verabreichungvon 0,1250 mg/kg KG/Tag und 2500 mg/kgKG/Tag während zwei Jahren bei Ratten führ-te zu keinen erhöhten Tumorinzidenzen [8, 9].Verschiedene Genotoxizitätsstudien wie Ames-Tests, cytogenetischen Analyse (Mikrokerntest),DNA-Repair-Test (Rec-Test), In-vitro-Maus-Lymphomatest ergaben mit Ausnahme einercytogenetische Untersuchung von Lungen-Fi-broblasten des Chinesischen Hamsters bei ho-hen Konzentrationen (9000 µg/m¬) keine Hin-

Tracer CAS-Nr. Synonyme Chemische Struktur Summenformel Molekular-gewicht

Schmelz-punkt

Nachweis-grenze im Wasser (μg/ )

Sulforhodamin B 3520-42-1; 2609-88-3

Duasynsäure-Rhodamin B 01, Amidorhodamin; C.I. 45100; Acid Red 52

O N+N

S

O-

O O

S O-

O

O

Na+

C27H29N2NaO7S2 581 k. A.

Uranin 518-47-8 (Uranin = Fluorescein-Dinatrium-salz);

2321-07-5 (Fluorescein)

C.I. 45350; C.I. Acid Yellow 73

O

O

O--O

O

Na+Na+ C20H10Na2O5

(Fluorescein: C20H12O5);

376.3 (Uranin); (Fluorescein: 332.3)

315-395 °C

Eosin gelblich 17372-87-1 Eosin Y; C.I. 45380; C.I. Acid Red 87; 2,4,5,7-Tetrabromfluorescein-Dinatriumsalz

O+-O

Br

Br Br

O-

Br

O

O-

Na+Na+

C20 6 4 2 5

Naphthionat 130-13-2 Natrium-Naphthionat; Naphthionsäure, Na-Salz;

4-Amino-1-Naphthalin-sulfonsäure, Na-Salz

H2N S O-

O

O

Na+

C10H8NNaO3S 245

k.A.: keine Angaben

0,01-0,02

0,001-0,002

295-296 °C 0,01-0,02 H OBr Na O 691,9

280 °C 0,1

Tab. 1 Zusammenstellung der wichtigsten chemisch-physikalischen Substanzeigenschaften sowie der analytischen Nachweisgrenze.

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weise auf eine schädigende Wirkung [1, 8, 10].Das SCCNFP hat in ihrer Risikobewertungauf den NOAEL von 1000 mg/kg KG/Tag ausder subchronischen oralen Rattenstudie Bezuggenommen [8]. Ausgehend von demselbenNOAEL leitet der Autor unter Anwendung ei-nes Unsicherheitsfaktors von 100 einen TDIvon 10 mg/kg KG/Tag bzw. 600 mg/ Person/Tag(Annahme: 60 kg Körpergewicht) ab. Bei einemTrinkwasserverzehr von zwei Litern pro Personund Tag ergibt dies eine tolerierbare Trinkwas-serkonzentration von 300000µg/¬.Nach Anwen-dung von Sulforhodamin B als Tracer wird imschlechtesten Falle eine Trinkwasserkonzen-tration von 5 µg/¬ über einen Zeitraum von50–100 Stunden erwartet [7].Offensichtlich stelltdies kein gesundheitliches Risiko für die Ver-braucher dar (Tab. 2).

3.2 Uranin

Uranin (C.I. 45350) ist das Dinatriumsalz desFluoresceins.Dieses gehört zu den Farbstoffen,die in allen kosmetischen Mitteln bis zu max.6 % im Fertigerzeugnis enthalten sein dürfen[6]. Die Nachweisgrenze von Uranin im Trink-wasser liegt bei 0,001–0,002 µg/¬ (Tab. 1) [7].Bei Kaninchen liegt der LD50-Wert bei 2500mg/kg Körpergewicht (KG) [10]. Die subchro-nische Exposition von Mäusen und Ratten viaFutter führte bei Dosierungen bis ca.250 mg/kgKG/Tag abgesehen von einer Reduktion desTrinkwasserkonsums nicht zu behandlungsbe-

Tracer Tolerierbare tägliche Aufnah-memenge (TDI)

Cramer-Struktur-klasse #

Bemerkungen Threshold of Toxi-cological Concern (TTC)

Tolerierbare Trinkwasser-konzentration für langfristige Belastung *

Stossbelas-tungs-Faktor

Tolerierbare Trinkwasser-konzentration für Stossbe-lastung *

Zu erwartende Trinkwasserkon-zentration (während 50-100 h)

Ausschöpfung der tolerierbaren Trinkwasserkon-zentration

(mg/Person/Tag) § (μg/Person/Tag) (μg/ ) (μg/ ) (μg/ )

Sulforhodamin B 600 III Genotoxizitätsdaten negativ

- 300 000 n.n. - 5

Uranin nicht ableitbar III Da die verfügbaren Genotoxizitätsdaten und Kanzerogenitäts-daten ein unklares Bild ergeben, wird hier vorsichtshalber der

μg/Person/Tag ver-wendet.

5 26 %

Eosin gelblich nicht ableitbar III Genotoxizitätsdaten mit einer Ausnahme (Ames-Test der NTP [14]) negativ; Kanzerogenitätsdaten negativ

90 45 n.n. - 5 11 %

Naphthionat nicht ableitbar I Genotoxizitätsdaten negativ

1800 900 n.n. - 50 6 %

§: 60 kg Körpergewicht #: mit Computersoftware ToxTree bestimmt

: strukturelle Hinweise auf genotoxisches Potenzial [5]

*: angenommener Trinkwasserverzehr von 2 Liter pro Person und Tag

n.n.: nicht notwendig

0,002 %

0,15 0,075 250 19

TTC von 0,15

Tab. 2 Zusammenfassende Beurteilung.

dingten Effekten. Höhere Dosenführten zu Veränderungen in Nierenund Herz (u.a. Mineralisierung) undzu erhöhter Mortalität [10]. Die chro-nische Exposition führte bei Mäu-sen und Ratten in Dosen von rund1500 mg/kg KG/Tag resp. 250 mg/kgKG/Tag ebenfalls zu Veränderungenin den Nieren (Nierenentzündung,Mineralisierung) [10].Im Rahmen des nationalen Toxiko-logieprogramms (NTP) der USAwurde im Jahr 1983 eine Studie zurchronischen Toxizität und Kanzero-genität durchgeführt.Der TechnischeReport 265 wurde von NTP jedochnie publiziert, da die Studie Mängelaufwies (Kategorie A «Daten nichtvollständig zuverlässig») [11]. Eini-ge knappe Angaben zu dieser Stu-die finden sich im Handbuch derdeutschen Forschungsgemeinschaft(DFG) [10]. Kategorie A-Studiensind im Allgemeinen nur mit gerin-gen Mängeln behaftet, welche eherquantitative als qualitative Aussagenbetreffen [12]. Danach führte dieBehandlung bei Mäusen nicht zu ei-ner erhöhten Tumorrate.Bei Rattenwurde bei hohen Dosierungen ver-mehrt Inselzellhyperplasien, -kar-zinome oder -adenome festgestellt

[10]. Das kanzerogene Potenzial vonUranin kann somit nicht abschlies-send beurteilt werden.Die Daten ausGenotoxizitätsstudien ergeben eben-falls ein unklares Bild:Während keineGenotoxizität im Ames-Test, In-vi-tro-Chromosomen-Aberrationstestund im In-vivo-Maus-Mikrokerntestfestgestellt wurde, waren die Be-funde im In-vitro-Maus-Lympho-matest und im In-vitro- und In-vivo-Schwester-Chromatid-Austausch-test positiv und ein genotoxischesPotenzial von Uranin kann somitnicht eindeutig ausgeschlossen wer-den (Tab. 3) [10, 11].Wegen der ungenügenden Datenla-ge zur Toxizität dieser Substanz kannkein TDI abgeleitet werden, weshalbdas TTC-Konzept zur Anwendungkommt. Da aufgrund der Testresul-tate ein genotoxisches Potenzial nichtausgeschlossen werden kann (Tab. 3),wird ein TTC von 0,15 µg/Person/Tagangewendet (Tab. 2) [5].Die Applikation von Uranin alsTracer führt zu einer Trinkwasser-belastung während 50–100 Stunden[7]. Um diese Kurzzeitbelastung miteiner chronischen Exposition desMenschen zu vergleichen, kann ge-mäss Bos et al. [13] für eine Risiko-

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bewertung von genotoxischen Kan-zerogenen (als solches wird Uraninbei der ungenügenden Datenlagezur Toxizität betrachtet) die Kurz-zeitdosis um einen Faktor 250 fürsensitive Subpopulationen gegenü-ber einer Langzeitdosis erhöht wer-den. Wird dies auf den TTC von0,15 µg/Person/Tag für Uranin an-gewendet, resultiert eine tolerierba-re Kurzzeitdosis von 38 µg/Person/Tag. Unter der Annahme, dass derTrinkwasserverzehr zwei Liter proPerson und Tag beträgt, wird einetolerierbare Trinkwasserkonzentra-tion für eine Stossbelastung von19 µg/¬ Uranin abgeleitet (Tab. 2). Nach der Anwendung von Uraninim Trinkwasser wird eine maximaleKonzentration von 5 µg/¬ über einenZeitraum von 50–100 Stunden erwar-tet [7], was deutlich unter der tole-rierbaren Konzentration von 19 µg/¬liegt (Tab. 2).

3.3 Eosin gelblich

Eosin (C.I. 45380) gehört zu denFarbstoffen, welche in allen kosme-tischen Mitteln enthalten sein dürfen[6]. Die wichtigsten chemisch-phy-sikalischen Substanzeigenschaftenvon Eosin gelblich sind in Tabelle 1

zusammengestellt. Die Nachweis-grenze von Eosin gelblich liegt bei0,01–0,02µg/¬ [7].Eosin gelblich weisteine niedrige akute Toxizität auf;der LD50-Wert beim Hund liegt bei> 4560 mg/kg KG [10]. In Studienzur chronischen Toxizität mit Ratten,Mäusen und Hunden konnten keinesubstanzbedingten Effekte bis zu Do-sen von 1 g/kg KG/Tag beobachtetwerden [10]. Ames-Test und DNA-Repair-Tests (Rec-Tests) verliefengemäss DFG negativ [10], währendim Ames-Test der NTP bei höherenKonzentrationen (�6666 µg/Platte)eine mutagene Aktivität nachweis-bar war [14].Wegen der ungenügenden Datenla-ge zur Toxizität (keine Einsicht indie vorhandenen subchronischen undchronischen Studien) wird in diesemFall das TTC-Konzept angewendet.Eosin gelblich wird von der Com-putersoftware ToxTree der Cramer-Strukturklasse III mit einem TTCvon 90 µg/Person/Tag zugeteilt [5].Von der Zuordnung in den stren-geren TTC von 0,15 µg/Person/Tag(«strukturelle Hinweise auf genoto-xisches Potenzial» [5]) wird hier ab-gesehen, weil in den Kanzerogeni-tätsstudien keine substanzbedingtenEffekte auftraten.

Unter der Annahme, dass der Trinkwasserver-zehr zwei Liter pro Person und Tag beträgt, re-sultiert eine tolerierbare Trinkwasserkonzen-tration von 45 µg/¬. Nach der Anwendung vonEosin gelblich als Tracer wird im schlechtestenFalle eine Konzentration im Trinkwasser von5µg/¬über einen Zeitraum von 50–100 Stundenerwartet [7], was deutlich unter der tolerierba-ren Konzentration von 45 µg/¬ liegt (Tab. 2).

3.4 Naphthionat

Die wichtigsten chemisch-physikalischen Sub-stanzeigenschaften von Naphthionat sind inTabelle 1 zusammengestellt. Die Nachweisgren-ze von Naphthionat liegt bei 0,1 µg/¬ [7]. OraleVerabreichung von 0, 100, 300 und 1000 mg/kgKG/Tag während 28 Tagen bei Ratten ergabbei der höchsten Dosierung eine Erhöhung derAlanin-Aminotransferase-Aktivität im Blut vonMännchen und Weibchen [15].Ames-Tests mitund ohne Aktivierung durch Lebermikrosomen,eine cytogenetische Analyse und ein In-vitro-Chromosomen-Aberrationstest ergaben keineHinweise auf ein genotoxisches Potenzial [1,15, 16, 17]. Da die Datenbasis zur Toxizität vonNaphthionat ungenügend ist zur Ableitung eines TDI, wird auch hier das TTC-Konzeptangewendet. Naphthionat kann der Cramer-Strukturklasse I zugeordnet werden, was einemTTC von 1800 µg/ Person/Tag entspricht [5].Unter der Annahme, dass der Trinkwasserver-zehr zwei Liter pro Person und Tag beträgt,ergibt sich eine tolerierbare Trinkwasserkon-zentration von 900 µg/¬ (Tab. 2). Nach der An-wendung von Naphthionat als Tracer wirdeine Trinkwasser-Konzentration von 50 µg/¬ übereinen Zeitraum von 50–100 Stunden erwartet[7], was deutlich unter der tolerierbaren Kon-zentration von 900 µg/¬ liegt (Tab. 2).

4. Schlussfolgerungen

Die öffentlich zugängliche Datenbasis zurToxizität der vier Tracer erweist sich als

sehr unterschiedlich: Bei Sulforhodamin B wares möglich, eine tolerierbare Aufnahmemengeabzuleiten, während bei Uranin, Eosin gelb-lich und Naphthionat infolge der ungenügen-den Datenlage das TTC-Konzept angewendetwurde.Weil dieses Konzept einen konservativenAnsatz darstellt, wurden für die drei letztge-nannten Tracer wesentlich niedrigere tolerier-bare Trinkwasserkonzentrationen abgeleitet alsfür Sulforhodamin B. Bei allen vier Tracernwerden die tolerierbaren Trinkwasserkonzen-trationen durch die zu erwartenden Konzen-

Testsystem Stamm Befundin vitro:

Ames-Test TA98, TA100,

TA1535, TA1537

negativ

Maus-Lymphoma-Test, Lymphomazellen L5178 TK+/- positiv

Chromosomen-Aberrationstest in Ovarialzellen des

Chinesischen Hamsters

CHO-W-B1 negativ

Schwester-Chromatid-Austausch (SCE) in Ovarialzellen des

Chinesischen Hamsters

CHO-W-B1 positiv

in vivo:

Micronucleus-Test im Maus-Knochenmark männliche B6C3F1 negativ

Sex-linked recessive lethal/reciprocal translocaton in Drosophila

melanogaster

negativ

Chromosomen-Aberrrationstest im Maus-Knochenmark männliche B6C3F1 negativ

Schwester-Chromatid-Austausch (SCE) im Maus-Knochenmark männliche B6C3F1 positiv

C3F1

Tab. 3 Resultate der Genotoxizitätsstudien von Uranin [10, 11].

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http://europe.ilsi.org/publications/Monographs/ThresholdToxicologicalConcern.htm

[6] Eidgenössisches Departement des Innern (EDI)(2005):Verordnung des EDI über kosmetischeMittel (VKos). Vom 23. November 2005(Stand am 27. Dezember 2005).www.admin.ch/ch/d/sr/8/817.023.31.de.pdf

[7] Angaben von R. Kozel, Bundesamt für Um-welt (BAFU).

[8] Scienti�c Committee on Cosmetic Productsand Non-Food Products intended for Consum-ers (SCCNFP): Acid Red 52. Colipa n° C177.Adopted by the SCCNFP on 23 April 2004 bymeans of the written procedure.http://ec.europa.eu/health/ph_risk/committees/sccp/documents/out266_en.pdf

[9] Konishi, N.; Kitahori, Y.; Nishioka, H.; Yane, K.;Hiasa, Y. (1992): Carcinogenicity testing offood Red No. 106 (Acid Red) in Fischer 344rats. J Toxicol Pathol 5: 157-165.

[10] Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)(1991): Kosme tische Färbemittel. Dritte, völligüberarbeitete Au�age. Farbsto�kommissionder Deutschen Forschungsgemeinschaft. VCH,Weinheim.

[11] National Toxicology Program (NTP) (Stand2006): C.I. Acid Y ellow 73 (Fluorescein So-dium).http://ntp.niehs.nih.gov/index.cfm?objectid=6DE01327-F1F6-975E-72DBDFAEE08D 4D12

[12] Auskunft von Doug Bristol, NTP, NIH/HIEHSvom 15.3.2004

[13] Bos, P.J.M.; Baars, B.-J.; van Raaij, M.T.M.(2004): Risk assessment of peak exposure togenotoxic carcinogens: a pragmatic approach.Tox Letters 151:43–50.

[14] National Toxicology Program (NTP) (Stand2006): Testing status of agents at NTP: Eosin.http://ntp.niehs.nih.gov/index.cfm?objectid=6DE155F3-F1F6-975E-7A172D6767BD0031

[15] Global Information Network on Chemicals(GINC) (Stand 2006): Sodium 4-amino-1-naphthalenesulfonate.http://wwwdb.mhlw.go.jp/ginc/db�le1/�le/�le130-13-2.html

[16] Chung, K.T.; Fulk, G.E.;Andrews,A.W. (1981):Mutagenicity testing of some commonly useddyes. Appl Environ Microbiol 42:641–648.

[17] Chemical Carcinogenesis Research InformationSystem (CCRIS) (Stand 2006): 1-Naphthalene-sulfonic acid, 4-amino-, monosodium salt;CASNR 130–13-2.http://toxnet.nlm.nih.gov/cgibin/sis/search/r?dbs+ccris:@term+@rn+130-13-2

Keywords Markiersto�e – Fluoreszenztracer –tolerierbare Trinkwasserkonzentratio-nen – gesundheitliche Risikobewertung

Adresse des AutorsBeat Brüschweiler, Dr. sc. nat. ETHBundesamt für GesundheitAbteilung LebensmittelsicherheitSektion Ernährungs- und Toxikologische RisikenStau�acherstrasse 101CH-8004 ZürichTel. +41 (0)43 322 21 94Fax +41 (0)43 322 21 [email protected]

trationen im Trinkwasser nicht ausgeschöpft.Demzufolge besteht bei korrekter Durchfüh-rung von Markierversuchen durch den Einsatzdieser Sto�e kein bzw. nur ein sehr geringesgesundheitliches Risiko für die Verbraucher.Trotzdem sollten Markiersto�e nur wohldosiertin die Umwelt ausgebracht werden. Die Dosie-rung von Markiersto�en im Einzugsgebiet vonTrinkwasserfassungen sollte so bemessen sein,dass an der Grundwasserfassung möglichst ge-ringe Konzentrationen auftreten. Bei Überdo-sierung von Markiersto�en besteht zudem dieGefahr, dass das Trinkwasser infolge der Ver-färbung vorübergehend unbrauchbar wird. Hil-festellung bei der Bestimmung der geeignetenTracermenge gibt – neben einer guten geologi-schen und hydrogeologischen Kenntnis desUntersuchungsgebietes – die Praxishilfe Mar-kierversuche [2].

Literaturverzeichnis

[1] Umweltbundesamt (UBA) (1997): Human- und ökotoxikologi-sche Bewertung von Markierungsmitteln in Gewässern. Emp-fehlungen eines Ar beitskreises beim Umweltbundesamt.Grund-wasser – Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie 2:61–64.

[2] Bundesamt für Wasser und Geologie (BWG) (2002): Einsatzkünstlicher Tracer in der Hydrogeologie: Praxishilfe. Berichtedes BWG, Serie Geologie Nr. 3, Bern.

[3] Käss, W. (2004): Geohydrologische Markierungstechnik. In:Lehrbuch der Hydrogeologie.Band 9.Herausgeber:G.Matthess.Gebrüder Borntraeger. Berlin und Stuttgart.

[4] Kroes, R.; Renwick, A.G.; Cheeseman, M.; Kleiner, J.; Mangels-dorf, I.; Piersma, A.; Schilter, B.; Schlatter, J.; van Schothorst, F.;Vos, J.G.; Wurtzen, G. (2004): Structure-based thresholds of toxicological concern (TTC): guidance for application to sub-stances present at low levels in the diet. Food Chem Toxicol.42:65–83.

[5] ILSI Europe (2005): Threshold of toxicological concern(TTC): A tool for assessing substances of unknown toxicitypresent at low levels in the diet. p. 1–32.

WAGAMET AG, Rüeggisingerstrasse 2, 6020 Emmenbrücke Tel. 041 260 60 88, Fax 041 260 60 44, [email protected], www.wagamet.com

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Wir ha ben etwa s gegen Lang�nger, Schurken un d Ganoven...ben etwa s gegen Lang�nger, Schurken un d Ganoven...

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