Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine...

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Martin Minderlein

Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie

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Indusli ieökonomische Ansätze und eine FaIstudie zum Personal Computer-Martd

f[)'fl1:\r7 Springer Fachmedien ~ Wiesbaden GmbH

Martin Minderlein

Markteintrittsbarrierenund Unternehmensstrategie

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CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Minderlein, Martin: Markteintritlsbarrieren und Unternehmensstrateg ie: Industrieökonomische Ansätze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt / Martin Minderlein. -Wiesbaden: Dt. Univ.-Ver!., 1989

Zug!.: Erlangen, Nürnberg, Univ., Diss., 1988

n2

ISBN 978-3-8244-0014-0 ISBN 978-3-663-14590-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-14590-5

© Springer Fachmedien Wiesbaden 1989

Ursprünglich erschienen bei Deutscher Universitäts-Verlag GmbH, Wiesbaden 1989.

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich ge­schützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Ur­heberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzul.9ssi9 und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Uber­setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verar­beitung in elektronischen Systemen.

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v

GELEI1WORT

Die Lehre von der strategischen Unternehmensführung hat in den letzten Jahren in

zunehmendem Maße Anschluß an die Industrial Organization-Forschung der Natio­

nalökonomie gefunden. Nicht zuletzt die Lehrbücher von M.E. Porter zur strategie­orientierten Analyse von Branchenstrukturen und Wettbewerbsvorteilen haben bereits Anfang der 80er Jahre hier den Weg für eine engere Verzahnung beider Dis­

ziplinen geebnet. In dieser Forschungstradition steht die Dissertation von Herrn Dr.

Martin Minderlein über "Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie". Dabei

war es von Anfang an Aufgabe des Verfassers gewesen, nicht bei einer Klärung der

theoretischen Grundlagen stehen zu bleiben, sondern Barrieren und Strategien des

Eintritts in neue Märkte am Beispiel der Personal Computer-Branche zu unter­

suchen.

Für die Entwicklung eines strategierelevanten Eintrittsbarrierenbegriffs erwies es

sich als unerläßlich, sich mit dem breiten volkswirtschaftlichen Schrifttum über

Markteintrittsbarrieren auseinanderzusetzen. Die theoretische Leistung der vor­

liegenden Untersuchung besteht denn auch darin, die aus unternehmensstrategischer Perspektive relevanten (industriekökonomischen) Fragen aufzuarbeiten, die zu dem

von Porter vorgechlagenen Begriffsverständnis geführt haben. Hier ist zum einen der

Übergang von einem eher strukturalistischen zu einem stärker strategischen Ein­

trittsbarrierenansatz durch die neuere spieltheoretische Industrial Organization zu

nennen. Mit dieser Entwicklungslinie ist es erst gelungen, das von Bain bereits in den

50er Jahren entworfene Eintrittsbarrierenkonzept theoretisch stichhaltig zu unter­

mauern. Denn dieses war von Kritikern in Frage gestellt worden, die gerade die

Möglichkeit strategischer Verhaltensweisen von Unternehmen negierten. Zum ande­

ren wird die Kontroverse zwischen der Harvard und der Chicago School um die

zutreffende Bedeutung des Eintrittsbarrierenbegriffes aufgearbeitet. Hierzu werden

die Wettbewerbsdoktrinen dieser beiden Schulen ("Marktrnacht" und "Effizienz")

sowie das jeweils daraus abgeleitete Eintrittsbarrierenverständnis dargelegt und die

Bedeutung dieses Schulenstreits für ein unternehmensstrategisches Eintrittsbarrie­

renkonzept gewürdigt. Mit dem Konzept der strategischen Gruppen und der Mobili­

tätsbarrieren wird schließlich die Überbrückung des Spannungsverhältnisses zwischen

der industrieökonomischen Theoriebildung und der betriebswirtschaftlichen Stra­

tegielehre thematisiert, die mit den Strukturen ganzer Branchen bzw. den je spezi­

fischen Vorteilen einzelner Wettbewerber vormals unterschiedliche Erkenntnisziele

hatten.

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VI

Diese theoretischen Grundlagen nehmen einen großen Teil der vorliegenden Schrift

des Verfassers ein und führen im Ergebnis zu einem Vorschlag, wie für Zwecke der

strategischen Unternehmensführung ein Eintrittsbarrierenbegriff normiert werden

sollte. Die große Fülle des Materials und der Literaturbeiträge, die der Verfasser

gesichtet, aufgearbeitet und im Hinblick auf die Tauglichkeit für einen strategierele­

vanten Markteintrittsbarrierenbegriff sorgfältig geprüft hat, macht den theoretischen

Teil der Arbeit zu einer ertragreichen Lektüre, nicht zuletzt auch für Studenten.

Der Verfasser begründet, warum er - indem er den Markteintritt eines Newcomers

als Investitionsentscheidung deutet - letztendlich dem breiten Eintrittsbarrieren­

begriff der Harvard-Schule folgt, die alle Faktoren als Eintrittsbarrieren wertet, die

den Marktzutritt eines neuen Wettbewerbers verhindern können; das sind sowohl

Marktstruktur- wie auch Marktverhaltensfaktoren. Er analysiert dann in seiner

empirischen Untersuchung die Marktzutrittsbedingungen des Mikrocomputermarktes.

Unter Rückgriff auf das Portersehe Konzept der brancheninternen Strukturanalyse

entwirft Dr. Minderlein zunächst eine strategische Karte der Branche, die von den

zentralen strategischen Dimensionen "Wahl des Vertriebsweges" und "Grad der

Markenidentifikation" aufgespannt wird, und unterscheidet darin dann vier strate­

gische Gruppen von Wettbewerbern, die jeweils eine relativ ähnliche Strategie ver­

folgen. Im Anschluß hieran werden die strukturellen Eintrittsbarrieren für potentielle

Newcomer - je nach der von ihnen gewählten Strategie - untersucht. Zu diesem

Zweck werden die Wettbewerbsnachteile von in der Vergangenheit eingetretenen

Mikrocomputeranbietern gegenüber dem Branchenführer IBM beleuchtet. Dr. Min­

derlein unterscheidet dabei zwischen der Barriere der Produktdifferenzierung, den

Betriebsgrößenersparnissen und absoluten Eintrittsbarrieren. Daneben betrachtet er

die "Reaktionsbarriere", d.h. die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der zu

erwartenden Vergeltung durch den Branchenführer IBM. Insgesamt kommt der Ver­

fasser zu dem Ergebnis, daß die (strukturellen) Eintrittsbarrieren des Personal

Computer-Marktes auf der Basis des gewählten Eintrittsbarrierenbegriffs als eher

hoch gelten müssen. Dieses Ergebnis verlangt dann allerdings noch eine Erklärung,

warum es in dieser Branche mehr als 200 Anbieter gibt - ein Befund, der doch eher

niedrige Eintrittsbarrieren vermuten ließe. Diesen Widerspruch löst der Verfasser

am Ende seiner Untersuchung mit einer Reihe von Erklärungsversuchen auf.

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VII

Die Arbeit von Herrn Dr. Minderlein klärt für Theorie und Praxis der strategischen

Unternehmensführung eine Reihe von wichtigen Grundlagenfragen im Zusammen­

hang mit dem Eintritt in neue Märkte. Ich wünsche der Untersuchung eine große

Verbreitung - wohlwissend, daß es trotz der mit großer Akribie und analytischer

Schärfe erarbeiteten Ergebnisse nicht leicht ist, in den Markt für die wissenschaft­

liche Literatur zur Unternehmensführung erfolgreich "einzutreten".

Nürnberg, im Oktober 1988 Prof. Dr. Horst Steinmann

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VIII

VORWORT

Diese Arbeit lag im Juli 1988 der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät

der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg als Dissertation vor. Für die

Veröffentlichung wurden noch einige Aktualisierungen vorgenommen, insbesondere im empirischen Teil zu den Eintrittsbarrieren des Personal Computer-Marktes. Die

Befragung von Branchenvertretern, die dieser Fallstudie zugrundeliegt, wurde im

Frühjahr 1987 abgeschlossen - also zum Zeitpunkt der Vorstellung des Personal

System/2 durch IBM. Die danach noch eingearbeiteten Maßnahmen der IBM, mit

denen ein frühzeitiger Nachbau dieser neuen Produktgeneration durch die sog.

Clone-Hersteller verhindert werden soll, wurden vorwiegend der Fachpresse entnommen.

Ich möchte an dieser Stelle all jenen herzlich danken, die zur Entstehung der Arbeit

beigetragen haben. Dies sind zum einen die zahlreichen Interviewpartner aus führen­

den Häusern der Personal Computer-Branche, die mir z.T. wiederholt zu mehrstün­

digen Gesprächen zur Verfügung standen und durch ihre Auskunftsbereitschaft einen

detaillierten Einblick in die Wettbewerbssituation neueintretender bzw. potentieller

Konkurrenten ermöglichten. Zu Dank verpflichtet bin ich zum anderen meinen

Kollegen am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Unternehmens­

führung, insbesondere Herrn Dr. Hans Klaus, inzwischen Professor an der Berufs­

akademie Stuttgart, und Herrn Gerhard Heß, die mir durch ihre stete Diskussions­

bereitschaft zur Seite standen. In der Anfangsphase des Projektes hat Prof. Dr. Georg

Schreyögg, nunmehr an der FernUniversität Hagen, zum Fokus der Untersuchung

beigetragen. Zahlreiche Einsichten verdanke ich einem interdisziplinären Seminar zu

"Industrieökonomik und Unternehmensstrategie" mit Prof. Dr. Manfred Neumann,

der dankenswerterweise auch das Korreferat übernommen hat. Mein ganz beson­

derer Dank gilt jedoch Herrn Prof. Dr. Horst Steinmann, der das Thema angeregt

und mich durch seine konstruktiven Ratschläge stets gefördert hat. Nicht zuletzt

danke ich Frau Liesbeth Schoyerer und Frau Erika Gruß, die - nach einer Ausein­

andersetzung mit der "neuen Technologie" - die Texterfassung hervorragend ge­meistert haben.

Nürnberg, im Oktober 1988 Martin Minderlein

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IX

INHALTSÜBERSICHT

Geleitwort V

Vorwort VIII

Inhaltsverzeichnis X

Abbildungsverzeichnis XV

Vorbemerkung zur Zielsetzung 1

1. Einführung und Gang der Untersuchung 2

2. Die Markteintrittsthematik: Ein inhaltlicher und methodischer Pro-

blemaufriß 22

3. Vom strukturalistischen zum strategischen Eintrittsbarrierenansatz 47

4. Die nationalökonomische Eintrittsbarrierenkontroverse: Zum Stellen­

wert rivalisierender Schulen für ein unternehmensstrategisches Ein­

trittsbarrierenkonzept

5. Zwischenergebnis: Schlußfolgerungen zum strategierelevanten Eintritts­

barrierenbegriffund Vorbemerkung zur empirischen Untersuchung

6. Barrieren und Strategien des Eintritts in den Personal Computer-Markt:

Eine Fallstudie zu den Wettbewerbsnachteilen potentieller und neu ein­

getretener Konkurrenten

7. Schlußbemerkung: Zur (scheinbaren) Diskrepanz zwischen einer hohen

Anbieterzahl und hohen Eintrittsbarrieren in der Mikrocomputer­branche

Abkürzungsverzeichnis

Zeitschriftenverzeichnis

Literaturverzeichnis

199

240

250

367

374

375

377

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x

INHALTSVERZEICHNIS

Vorbemerkung zur Zielsetzung

1. Einführung und Gang der Untersuchung

2. Die Markteintrittsthematik: Ein inhaltlicher und methodischer Pro­

blemaufriß

2.1. Der Fall "U.S. gegen IBM": Divergierende Positionen in der Frage

der Marktzutrittsbedingungen

2.2. Gesamtperspektive: Zum wohlfahrtsökonomischen Stellenwert der

Marktzutrittsmöglichkeit

2.3. Einzelperspektive: Betriebswirtschaftliche Entscheidungsfelder

des Marktzutritts im Spiegel der Managementliteratur

2.4. Zur Verknüpfung von Einzel- und Gesamtperspektive: Unterneh­

mensstrategie und Industrieökonomik

2.5. Die Problemfelder einer unternehmensstrategischen Eintritts­

barrierenanalyse vor dem Hintergrund der Industrieökonomik

2.5.1. Wohlfahrtsökonomischer versus handlungstheoretischer

Eintrittsbarrierenbegriff

2.5.2. Strukturelle versus strategische Eintrittsbarrieren­

konzeption

3. Vom strukturalistischen zum strategischen Eintrittsbarrierenansatz

3.1. Das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept: Ausgangspunkt

1

2

22

22

24

26

29

41

41

45

47

(handlungs-)theoretischer Überlegungen 48

3.1.1. Strukturelle Markteintrittsbarrieren 49

3.1.1.1. Betriebsgrößenvorteile

3.1.1.2. Absolute Kostenvorteile

3.1.1.3. Produktdifferenzierungsvorteile

3.1.2. Eintrittssperrende Verhaltensweisen

3.1.2.1. Limit Pricing bei absoluten Kostenvorteilen

3.1.2.2. Limit Pricing bei Betriebsgrößenersparnissen

3.1.2.3. Limit Pricing bei Produktdifferenzierungs-

vorteilen

3.1.3. Zusammenfassende Würdigung und strategierelevante

Kritik am strukturalistischen Eintrittsbarrierenansatz

49

55

60 68 70 71

74

76

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XI

3.2. Indeterminiertheit der Unternehmensstrategie versus struktureller

Determinismus der Industrieökonomik?

3.2.1. Ist der Eintrittssperrenpreis determiniert?

3.2.2. Exogene Marktstrukturen und determiniertes Marktver-

halten: Zu den Rahmenbedingungen des strukturalistischen

Eintrittsbarrierenkonzeptes und den Konsequenzen des

interdependenten Paradigmas

3.2.2.1. Die Determinismusvorstellung des klassischen

Industrial Organization-Paradigmas

3.2.2.2. Zum Stellenwert struktureller Markteintritts­

barrieren im interdependenten Paradigma und im

79

80

94

95

Konzept der Unternehmensstrategie 103

3.2.2.3. Die Unterscheidung natürlicher und strategischer

Eintrittsbarrieren als Folge der Endogenisierung

der Marktstruktur 106

3.2.3. Zwischenbetrachtung zur handlungstheoretischen Formu-

lierung des Eintrittsverhinderungsproblems bei Bain 109 3.3. Strategische Eintrittsbarrieren: Die Gestaltung der Eintrittsbedin-

gungen durch Abschreckungs- und Vergeltungsmaßnahmen 113

3.3.1. Angedrohte Vergeltungsmaßnahmen zur Einflußnahme auf

Reaktionserwartungen 116 3.3.1.1. Zur Glaubwürdigkeit und Wirtschaftlichkeit von

Vergeltungs drohungen: Die theoretische (Un-)

Möglichkeit der Vergeltung 116

3.3.1.1.1. Die Signaling-Konzepte: Kampf- und

Limitpreise als Marktsignale bei

unvollständiger, asymmetrischer

Information 122

3.3.1.1.2. Die Reputation-Modelle: Vergeltungs-

kosten als Investition in einen "Ruf der Härte"

3.3.1.1.3. Der Commitment-Ansatz: Bindende

Verpflichtungen als strategische

129

Asymmetrie in der pre-entry-Phase 136

3.3.1.2. Zur Ausübung von Vergeltungsmaßnahmen

während des Markteintrittsprozesses 150

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XII

3.3.1.3. Zur Umsetzung der spieltheoretischen Erklä­

rungsansätze in Handlungsempfehlungen bei

Porter

3.3.2. Abschrec~ngsmaßnahmen zur Erhöhung struktureller

Barrieren

3.3.2.1. Das Konzept des Raising rivals' costs

3.3.2.2. Die Handlungsempfehlungen Porters zur

Erhöhung struktureller Barrieren

3.3.3. Die amerikanische Wegwerfwindelbranche im Jahr 1974:

Ein Fallbeispiel Porters zu Abschreckungs- und Vergel­

tungsmaßnahmen

3.4. Heterogene Unternehmensstrategien und das Konzept der strate­

gischen Gruppen: Gruppenspezifische Mobilitätsbarrieren statt

153

156

157

164

169

branchenweiter Eintrittsbarrieren 179

3.4.1. Die Annäherung der Business Policy und der Industrial

Organization in der Frage der Homogenität bzw. Hete­

rogenität der Marktteilnehmer und Unternehmens-

strategien 180

3.4.2. Strategische Gruppen und Mobilitätsbarrieren in der

Theorie der Gewinndeterminanten eines Unternehmens 189

3.4.3. Mobilitätsbarrieren und das Konzept des stufenweisen

Markteintritts

4. Die nationalökonomische Eintrittsbarrierenkontroverse: Zum Stellen­

wert rivalisierender Schulen für ein unternehmensstrategisches Ein­

trittsbarrierenkonzept

4.1. Das Spektrum konkurrierender Eintrittsbarrierendefinitionen

4.2. Markteintrittsbarrieren in der Kontroverse zwischen der Harvard

195

199

200

und der Chicago School 203

4.2.1. Marktmacht versus Effizienz: Eintrittsbarrieren im Lichte

divergierender Wettbewerbsdoktrinen 204

4.2.2. Die Kritik der Chicago School an den einzelnen "angeb-

lichen" Eintrittsbarrieren 213

4.2.3. Schlußfolgerungen aus der Harvard-Chicago-Kontroverse

für ein unternehmensstrategisches Eintrittsbarrieren-

konzept

4.3. Die Markteintritts- und Wettbewerbsanalyse der ökonomischen

Expertenzeugen im Antitrust-Fall "U.S. vs. IBM": Ein Fall-

beispiel

226

229

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XIll

5. Zwischenergebnis: Schlußfolgerungen zum strategierelevanten Ein­

trittsbarrierenbegriffund Vorbemerkung zur empirischen Unter­

suchung

6. Barrieren und Strategien des Eintritts in den Personal Computer­

Markt: Eine Fallstudie zu den Wettbewerbsnachteilen potentieller und

neu eingetretener Konkurrenten

6.1. Strategische Gruppen und Mobilitätsbarrieren des Mikrocom­

putermarktes

6.1.1. Heterogene Strategien in der frühen Phase der

Branchenentwicklung

6.1.2. Analyse zentraler Strategieunterschiede anhand der

Porterschen Dimensionen der Wettbewerbsstrategie

6.1.2.1. Wahl des Vertriebsweges

6.1.2.2. Grad der Markenidentifikation

6.1.2.3. Zwischenergebnis: Die strategische Karte für den

240

250

251

251

254 255

259

Kembereich der Personal Computer-Branche 266

6.1.2.4. Spezialisierung, vertikale Integration und

Dienstleistungen 6.1.2.5. Druck versus Sog

6.1.2.6. Kostenposition

6.1.2.7. Produktqualität

6.1.2.8. Beziehungen zum Gesamtunternehmen

6.1.2.9. Beziehungen zu Regierungen

6.1.3. Zusammenfassung der Gruppenprofile, Präzisierung der

strategischen Karte und Bestimmung der Mobilitäts­barrieren

6.2. Art und Ausmaß struktureller Eintrittsbarrieren

6.2.1. Die Produktdifferenzierungsbarriere: Differenzierungs­nachteile neuer Wettbewerber

6.2.1.1. Nachteile bei der Hardwaredifferenzierung

6.2.1.2. Nachteile bei der Erfüllung sonstiger Kauf-

kriterien

6.2.1.3. Nachteile bei der Signalisierung eines Kunden­nutzens

6.2.1.4. Die Kosten der Differenzierung außerhalb des

Industriestandards

268

285

287

289

290 292

293

303

304

304

306

307

311

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XIV

6.2.1.5. Differenzierungsnachteile der "Brand Identi­

fication-Clones"

6.2.2. Absolute Eintrittsbarrieren

6.2.2.1. Zugang zu Fachhandelskanälen

6.2.2.2. Besitz von Produkttechnologien

314

317 318

329

6.2.2.3. Zugang zu Hardwarekomponenten 337

6.2.2.4. Verfiigbarkeit von Komplementärprodukten 338

6.2.3. Größenabhängige Kostennachteile 342

6.3. Reaktionsbedingte Eintrittsbarrieren: Die Gefahr der Vergeltung

durch bestehende Wettbewerber 344

6.3.1. Das Branchenwachstum als Bestimmungsgröße der

Vergeltungsgefahr 344

6.3.2. Die Höhe der Austrittsbarrieren als Vergeltungsdeter-

minante 346

6.3.3. Die Fähigkeit des Branchenfiihrers zu einer effektiven

Vergeltung 348

6.3.4. Frühere Vergeltungsmaßnahmen als Indikator zu

erwartender Reaktionen 353

6.4. Abschließende Beurteilung der Höhe der Eintrittsbarrieren in den

Mikrocomputermarkt 361

7. Schlußbemerkung: Zur (scheinbaren) Diskrepanz zwischen einer hohen

Anbieterzahl und hohen Eintrittsbarrieren in der Mikrocomputer­

branche

Abkürzungsverzeichnis

Zeitschriftenverzeichnis

Literaturverzeichnis

367

374

375

377

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abb. 1: Elemente der Branchenstruktur und Bestimmungsfaktoren der

Wettbewerbsintensität

Abb. 2: Einflußfaktoren und Wirkungszusammenhänge des Unter-

nehmenserfolges

Abb. 3: Das deterministische Industrial Organization-Paradigma

Abb. 4: Das interdependente Industrial Organization-Paradigma

Abb. 5: Die Problemfelder der Diskussion eines unternehmensstrate­gischen Eintrittsbarrierenbegriffes

Abb. 6: Beispiele für un- oder unvollständig teilbare Kosten bzw. Wertaktivitäten

Abb. 7: Limit Pricing bei absoluten Kostenvorteilen

Abb. 8: Limit Pricing bei Betriebsgrößenersparnissen

Abb. 9: Limit Pricing bei Produktdifferenzierungsvorteilen

Abb. 10: Spielbaum zum Reputation-Beispiel von Roberts

Abb. 11: Spielbaum zum Commitment-Ansatz

Abb. 12: Das Spektrum der Abschreckungsmaßnahmen für P&G im

4

36

37

38

46

56

71

72

75

130

139

amerikanischen Wegwerfwindelmarkt 173

Abb. 13: Der Marktverhaltensansatz der Chicago School 210

Abb. 14: Zusammenstellung der Kostennachteile neuer Wettbewerber

im EDV-Markt 239

Abb. 15: Ergebnisüberblick zu den vier Problemfeldern der Diskussion

eines strategierelevanten Eintrittsbarrierenbegriffes

Abb. 16: Die strategische Karte der Personal Computer-Branche

Abb. 17: Übersicht zu den Strategieunterschieden zwischen den strate­

gischen Gruppen der Mikrocomputerbranche

240

267

294

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1

VORBEMERKUNG ZUR ZIELSETZUNG

Die vorliegende Untersuchung befaßt sich mit der Frage der Schwierigkeit des Ein­

tritts in neue Märkte und mit der Vorbereitung von Eintrittsentscheidungen durch

Newcomer als untemehmensstrategisches Probleml . Sie greift dabei auf die industrie­

ökonomische Forschung zurück, die sich - als Teildisziplin der Nationalökonomie -

bereits seit Jahrzehnten empirisch und theoretisch mit den Eintrittsbedingungen bzw.

-schranken von Märkten beschäftigt hat.

Eine Hilfestellung bei Entscheidungsvorbereitung und -findung kann von dort jedoch

nur ausgehen, wenn man sich darüber im klaren ist, was man als Unternehmens­

stratege - ob in der Forschung oder Praxis - unter Eintrittsbarrieren zu verstehen hat.

Ein Blick in die volkswirtschaftliche Literatur offenbart nun eine geradezu verwir­

rende Vielfalt einander häufig widersprechender Ansichten zum Gebrauch und

Gehalt des Eintrittsbarrierenbegriffes2.

Zielsetzung dieser Untersuchung ist es daher, ein untemehmensstrategisch zweckmäßiges

Eintrittsbarrierenverständnis zu entfalten.

Dies darf sich jedoch nicht in einer reinen Begriffsbildung erschöpfen. Vielmehr ist

das strategieadäquate Eintrittsbarrierenkonzept inhaltlich so weit zu konkretisieren,

daß es als methodische Anleitung zur Analyse von Marktzutrittsschranken dienen

kann. Eine empirische Untersuchung der Eintrittsbarrieren des Mikrocomputermark­

tes soll dazu beitragen, die Zweckmäßigkeit des Konzeptes an einem Einzelfall detailliert zu veranschaulichen.

1

2

Da einem Wettbewerbsnachteil neueintretender Unternehmen immer ein Wettbewerbsvorteil he· reits im Markt etablierter Konkurrenten gegenübersteht, kann - unter Umkehrung der "Vor· zeichen" . anstelle der Newcomer·Perspektive auch der Blickwinkel bereits bestehender Anbieter eingenommen werden. In diesem Fall dient die Beurteilung der Schwierigkeit des Marktzutrittes dazu, den Schutz der Etablierten vor bzw. ihre Bedrohung durch potentielle Wettbewerber zu bestimmen.

Für eine erste vorläufige Begriffsbestimmung wollen wir Markteintrittsbarrieren hier sehr weit fas­sen: Es sollen alle Hindernisse und Schwierigkeiten darunter verstanden werden, die potentielle Newcomer von einem Markteintritt abhalten oder diese - im Falle ihres Eintrittes - in eine nachtei­lige Position versetzen. Markteintrittsbarrieren sollen in einer ersten Annäherung also definiert werden als die Wettbewerbsnachteile potentieller neuer Konkurrenten gegenüber etablierten Anbietern.

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1. EINFÜHRUNG UND GANG DER UNTERSUCHUNG

In den 70er und frühen 80er Jahren genossen die Portfolio-Modelle bei Unterneh­

mensberatern und deren Klienten, bei Planungsstäben und dem Management selbst

eine von anderen Strategiekonzepten und -instrumenten unerreichte Popularität.

Aber auch in der Wissenschaft, insbesondere in der Strategieforschung, nahm die

Diskussion um das Portfolio-Konzept und seine zahlreichen Varianten breiten Raum

ein. Lange jedoch, ehe die Boston Consulting Group zur Visualisierung eines Klien­

tenproblems die 4-Felder-Matrix heranzog und das Konzept der Erfahrungskurve zur

Grundlage strategischer Entscheidungen machte, befaßte sich die Nationalökonomie

- von der Managementlehre weitgehend unbeachtet - mit eng verwandten Themen­

steIlungen. So wurde dem Zusammenhang zwischen der Marktkonzentration und der

Profitabilität von Unternehmen besondere Beachtung durch die industrieökonomische

Forschung geschenkt. Je nach der Messung der Marktkonzentration, die als Indikator

für das Ausmaß der Marktmacht steht, wird in diesen Studien ggf. auch der Einfluß

der Marktanteilsverteilung innerhalb einer Branche auf die Rentabilität bzw.

Gewinnhöhe untersucht - vergleichbar also mit dem relativen Marktanteil im Port­

folio-Konzept. Bei Shepherd und Gale schließlich erfolgte die Abkehr von der

Marktkonzentration als der unabhängigen Variableni. Statt dessen wird die Profita­

bilität als Funktion des Marktanteils eines Unternehmens gesehen. Shepherd konnte

hier einen positiven Zusammenhang nachweisen, der ja letztlich auch für die Konzi­

pierung der Normstrategien des Portfolio-Ansatzes von Bedeutung war. Insofern

überrascht es angesichts dieser doch verwandten Fragestellungen nicht, daß nach der

Portfolio-Ära ein oder gar der wesentliche Impuls für die inhaltliche Strategiefor­

schung von der nationalökonomischen Industria( Organization2 ausging.

Richtungweisende Arbeiten im Grenzbereich von Industrieökonomik und Unter­nehmensstrategie wurden von Michael E. Porter vorgelegt3. In dessen Konzept, das

Wettbewerbsstrategien vor dem Hintergrund der Branchenstruktur beleuchtet, ist der

Industrieökonomik der Gedanke einer durchschnittlichen Branchenrentabilität ent-

1

2

3

VgJ. Shepherd (Elements), S. 25 f., und (Treatment), S. 40 ff., sowie Gale (Share). Zu einem Über­blick über die Konzentrations-/Profitabilitäts-Empirie vgJ. Kaufer (Industrieökonomik), S. 523 ff., und Weiss (Quantitative).

Synonym: Industrial Economics, Industrieökonomik.

Zunächst 1979 mit dem Aufsatz "How competitive forces shape strategy", später in breiter angeleg­ter Buchform unter dem Titel: "Competitive strategy - Methods for analyzing industries and competitors".

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liehen, die aus der Intensität des in einer Branche herrschenden Wettbewerbs resul­

tiert. Diese Wettbewerbsintensität verdankt sich dem (Zusammen-)Wirken der in Abb. 1 wiedergegebenen strukturellen Kräfte, für deren wettbewerbsmaßgebliche Bedeutung Porter nicht theoretisch argumentiert, sondern die sich empirisch als rele­

vant erwiesen haben4•

Das untemehmensstrategische Element geht in dieses aus der Industrieökonomik her­

geleitete Branchenstrukturanalysekonzept in Form von Wettbewerbsstrategien und sog. Basisstrategien (generic strategies) ein. Die Wettbewerbsstrategien beziehen· sich unmittelbar auf die strukturellen Wettbewerbskräfte und äußern sich z.B. in Strate­gien gegenüber Lieferanten, Abnehmern oder potentiellen bzw. neuen Konkurren­ten. Durch diesbezügliche Maßnahmen soll sich das Unternehmen in eine vorteil­hafte Position gegenüber den fünf Wettbewerbskräften bringen5. Die zweite Mög­lichkeit, sich eine über den Branchendurchschnitt hinausgehende Rentabilität zu sichern, verbirgt sich in einer geeigneten Basisstrategie. Der Wettbewerbsvorteil, auf

dem eine Basisstrategie aufbaut, kann in einem Differenzierungs- oder Kostenvorteil

bestehen. Ein solcher Wettbewerbsvorteil kann entweder in einem oder in wenigen

Segmenten durch Fokussierung der Aktivitäten erzielt werden oder aber bei Vorlie­

gen von "econornies of scope" durch eine viele Segmente umfassende oder branchen­

weite Strategie6•

4

5

6

Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 9. Zu einer theoretischen Fundierung der von Porter identi­fizierten fünf Wettbewerbskräfte kann auf den Workable Competition-Ansatz zurückgegriffen werden, der wiederum zum Gegenstand der Analyse macht, was von der mikroökonomischen Gleichgewichtstheorie qua Prämissen ausgeklammert wurde: Löst man die Homogenitätsprämisse auf, erlangen Substitutionsprodukte eine Bedeutung; stellt man die Prämisse einer (unendlich) großen Anzahl von Anbietem und Nachfragern zur Disposition, so führt dies zu den Struktur­merkmalen Rivalität und Abnehmermacht; verzichtet man schließlich auf die Bedingung einer freien Marktzutrittsmöglichkeit, so folgt hieraus die Bedrohung durch potentielle Konkurrenten. Da das Konzept der Branchenstrukturanalyse also auf die Prämissen der vollständigen Konkurrcnz Bezug nimmt, liegt sein theoretisches Fundament letztlich in der Mikroökonomik.

Porter unterscheidet hinsichtlich der Maßnahmen zum Aufbau einer verteidigungsfähigen Position gegenüber den fünf Wettbewerbskräften die Plazierung, das Ausnutzen dcs Wandels im Zuge der Branchenentwicklung sowie die Einflußnahme auf das Gleichgewicht der Wettbewerbskräftc hzw. auf die Branchenstruktur. Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 57 - 59.

Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 62 ff., und (Wettbewerbsvorteile), S. 31 ff.

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Page 20: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

5

Innerhalb dieses Ansatzes bezieht sich die vorliegende Studie vornehmlich auf den

Bereich der Wettbewerbskräfte und Wettbewerbsstrategien7. Sie konzentriert sich

dabei auf die Struktur dimension ''Bedrohung ,durch potentielle Konkurrenten ". Das

Ausmaß der Bedrohung etablierter Anbieter durch Newcomer hängt - nach indu­

strieökonomischem Verständnis - von der Höhe der sie schützenden Markteintritts­barrieren ab. Diese Industrial Organization-Perspektive bildet den Grundstock der

vorliegenden Untersuchung, die das Markteintrittsphänomen jedoch von unterneh­

mensstrategischer Warte analysiert.

Bei der Übertragung industrieökonomischer Forschungsergebnisse auf eine Markt­

eintrittsanalyse von unternehmensstrategischem Zuschnitt begegnet man zunächst

der grundsätzlichen Problematik, ob denn die theoretische Fragestellung beider Dis­

ziplinen einen solchen Erkenntnistransfer überhaupt zuläßt. Dieser methodischen

Grundfrage widmet sich das zweite Kapitel. Den konkreten Ausgangspunkt bildet -

auch bereits im Hinblick auf die in Kapitel 4.3. erfolgende Diskussion der "angeb­

lichen" Zutrittsschranken im Antitrust-Fall "U.S. gegen IBM" - die Bewertung der

Zutrittsbedingungen zum EDV-Markt, wie sie von der Verteidigung der IBM Corp.

in diesem Verfahren vorgenommen wurde. Ein konträres Statement eines EDV-Her­

stellers gibt Anlaß zur Hinterfragung der wettbewerbstheoretischen bzw. -rechtlichen

Sichtweise gegenüber der individuellen Situationseinschätzung. In diesem Sinne

werden sodann einerseits der wohlfahrtsökonomische Stellenwert, andererseits einige

betriebswirtschaftliehe Aspekte des Markteintrittes herausgestellt. Zur Über­

brückung der Kluft zwischen den beiden separaten, nämlich einzel- und gesamtwirt­

schaftlichen Perspektiven wird im Anschluß daran auf das Industrial Organization­

Paradigma zurückgegriffen, zunächst jedoch nur im Sinne eines ersten Aufrisses

inhaltlicher und methodischer Parallelen zwischen der Industrieökonomik und dem

Konzept der Unternehmensstrategie. Diese einleitende Analyse verfolgt den Zweck,

das aus der Verknüpfung von Industrial Organization und Strategischem Manage­ment resultierende Terrain für die Behandlung des Markteintrittsphänomens abzu­

stecken und die Problemfelder aufzuzeigen, die im Verlauf der vorliegenden Unter­

suchung zu thematisieren sind. Als Rahmen für die Diskussion eines dem Strategie­

konzept adäquaten Eintrittsbarrierenbegriffes ergeben sich hier vier Fragestellungen,

die in einer zweidimensionalen Matrix visualisiert werden können8: Auf der einen

Seite ist zu klären, ob der deskriptiv-analytische, handlungstheoretische Eintritts­

barrierenansatz der Harvard School oder ob das normativ-analytische bzw. wohl-

7

8

Aus dem Konzept der Basisstrategien ist nachfolgend im wesentlichen nur der (Grund·)Gedanke des Wettbewerbsvorteils von Bedeutung.

Vgl. zu den ausformulierten Fragestellungen Abb. 5, S. 46.

Page 21: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

6

fahrtsökonomische Eintrittsbarrierenverständnis der Chicago School für unterneh­

mensstrategische Analysezwecke besser geeignet ist. Auf der anderen Seite ist eine

theoretische Entwicklung innerhalb der Industrial Organization zu beleuchten, die

dazu führte, daß sich nach dem anfänglichen Fokus auf die strukturellen Eintritts­

barrieren der Schwerpunkt auf die strategischen Verhaltensweisen zur präventiven Ein­

trittsverhinderung und reaktiven Eintrittsabwehr verlagerte - womit dieses neuere

Konzept offenbar dem unternehmensstrategischen Moment Rechnung trägt.

Die dieses Raster aufspannenden Dimensionen - nämlich strukturelle/strategische

und handlungstheoretische/wohlfahrtsökonomische Eintrittsbarrieren - werden im

theoretischen Hauptteil dieser Untersuchung analysiert. Da die Schwerpunktverla­

gerung innerhalb der theoretischen Eintrittsbarrierenanalyse (von der Marktstruktur zum Marktverhalten) weitgehend unabhängig von der zwischen der Harvard und der

Chicago School geführten Kontroverse um die zutreffende Bedeutung von Eintritts­

barrieren ist, widmen wir uns in Kapitel 3 zunächst der Entwicklung des strukturali­

stischen zu einem strategischen Eintrittsbarrierenansatz, um in Kapitel 4 die Rele­

vanz der Chicago-Kritik an diesem Eintrittsbarrierenverständnis für unsere Frage­stellung zu prüfen. Eine Zwischenbetrachtung in Kapitel 5 faßt sodann die Überle­gungen zu einem strategierelevanten Eintrittsbarrierenbegriff zusammen und stellt

einige methodische Vorüberlegungen zu der empirischen Studie in Kapitel 6 an, die

die Eintrittsbarrieren des Mikrocomputermarktes untersucht. Einige Deutungsmög­

lichkeiten für den scheinbaren Widerspruch zwischen einer hohen Anbieterzahl und

den - gemäß dem zuvor herausgeschälten Eintrittsbarrierenbegriff - hohen Zutritts­

schranken dieses Marktes beschließen in Kapitel 7 die vorliegende Untersuchung.

Der detailliertere Gang der Argumentation gestaltet sich wie folgt: Den Hauptteil

eröffnet in Kapitel 3.1. die Darlegung des strukturalistischen Eintrittsbarrierenkon­

zeptes, das den Ausgangspunkt für strategierelevante Anschlußfragen bildet. Hier

werden zunächst mit den Betriebsgrößenersparnissen, den absoluten Kostenvorteilen

und den Differenzierungsvorteilen diejenigen Elemente der Marktstruktur herausge­

stellt, die seit dem klassischen Ansatz Bains als die Quellen struktureller Eintritts­

barrieren gelten. Diese allein reichen jedoch im Regelfall nicht aus, um das Eindrin­

gen neuer Wettbewerber in einen Markt zu verhindern. Denn nur in den seltensten

Fällen wird der Wettbewerbsnachteil potentieller Konkurrenten ein solches Ausmaß

annehmen, daß Newcomer selbst bei einem monopolistischen Preisniveau die struk­

turellen Eintrittsbarrieren nicht überwinden können, also ihren Kostennachteil nicht

unter dem Preisschirm der Etablierten kompensieren können. Um den strukturellen

Marktschranken überhaupt erst zu einer Wirkung zu verhelfen, die die Bezeichnung

Page 22: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

7

von Wettbewerbsnachteilen als "Eintrittsbarrieren" rechtfertigt, müssen bestehende

Anbieter daher eine eintrittssperrende Verhaltensweise bzw. (Preis-)Politik an den

Tag legen.

Dieses komplementäre Marktverhalten etablierter Unternehmen analysiert die

Limitpreis-Theorie. Diese steht bei der Ableitung eines eintrittssperrenden Preises

jedoch vor einem konzeptionellen Problem, das aus der Interdependenz der Ent­

scheidungen bereits bestehender und neuer Konkurrenten resultiert. Denn entschei­

dungsrelevant für einen potentiellen Newcomer ist allein der nach seinem Eintritt

herrschende Marktpreis. Und der wird ceteris paribus sinken, damit die zusätzliche

Angebotsmenge des Newcomers von der Nachfrage aufgenommen werden kann. Wie

sich das Preisniveau nun aber tatsächlich ändern wird, hängt von der Reaktion der

Etablierten auf den Markteintritt ab: Mit einer Outputreduzierung können diese den

Preisverfall auffangen, durch eine Angebotsausweitung können sie die Situation ver­

schärfen. Somit ist es offenkundig, daß ein potentieller Newcomer die von ihm antizi­

pierte Reaktionsweise etablierter Konkurrenten in sein Eintrittskalkül einbeziehen

muß. Dies gilt umgekehrt aber auch für die bereits bestehenden Wettbewerber bei

der Kalkulation eines Eintrittssperrenpreises. Denn dieser kann die ihm zugedachte

Funktion nur erfüllen, wenn etwaige Eintrittskandidaten die von den Etablierten

intendierte Reaktionsweise genau so antizipieren, wie sie in die Kalkulation des

Limitpreises eingegangen ist. Im Standard-Konzept des Limit Pricing wird dieses Problem interdependenter Entscheidungen durch das sogenannte Sylos-Postulat behoben. Hiernach unterstellen beide Opponenten den "ceteris paribus-Fall". Damit

wird ein eindeutiger Sperrenpreis ableitbar, die Lösung ist aufgrund sehr restriktiver Prämissen determiniert.

Den "Preismechanismus" dieses Standard-Falles darstellend setzen wir uns freilich

qer berechtigten Kritik aus, den Blickwinkel stark einzuschränken und bedeutende

strategische Handlungsalternativen und -implikationen auszuklammern, d.h. dem

eigentlichen Forschungsinteressse zuwiderzulaufen. Dennoch bietet gerade diese

Perspektive eine geeignete - da wenig komplexe - Ausgangsbasis für die Entfaltung

strategischer Anschlußüberlegungen. So mündet die Darstellung des strukturali­

stischen, auf das Sylos-Postulat Bezug nehmenden Limitpreis-Ansatzes zunächst in

die strategierelevante Kritik an diesem Modell, die sich vor allem an dem strnktu­

rellen Determinismus und damit zugleich an dem exogenen Charakter von Marktein­trittsbarrieren entzündet.

Um die Tragweite und die theoretischen Konsequenzen dieser Kritik beurteilen zu

können, wird in Kapitel 3.2. der Determinismus des Limit Pricing-Konzeptes und

auch des traditionellen Industrial Organization-Paradigmas zu hinterfragen sein, das

Page 23: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

8

ja den industrieökonomischen Rahmen des Limitpreis-Ansatzes bildet. Eine nähere

Betrachtung der Theorie des Eintrittssperrenpreises wird hier zeigen, daß das

(statische) Limit Pricing keineswegs schon selbst als die eine gewinnmaximierende

Verhaltensweise determiniert ist, sondern daß mit dem Open Pricing und dem dyna­

mischen Limit Pricing durchaus Handlungsalternativen vorliegen. Welche hiervon die

vorteilhafteste ist, bleibt zwar weitgehend durch die Höhe der strukturellen Barrieren

vorbestimmt, jedoch gewinnen auch andere Faktoren, wie etwa die Risikoneigung der

Entscheidungsträger, an Bedeutung, so daß das Limit Pricing nicht mehr als vollstän­

dig von der Marktstruktur determiniert angesehen werden kann. Aber selbst wenn

man den Einwand einer situativen Determiniertheit dieser Preispolitik gelten läßt:

Die Ableitung der Höhe des Eintrittssperrenpreises ist dennoch nicht als ein deter­

ministisches Verfahren haltbar. Denn hierzu müßte argumentiert werden können,

daß das Sylos-Postulat die einzig gültige Verhaltensprämisse darstellt und daß poten­

tielle Newcomer ihrem Eintrittskalkül ausschließlich diese zu erwartende Reaktions­

weise der Etablierten zugrunde legen müssen. Ein solches, generell stichhaltiges

Argument ist indes nicht ersichtlich, so daß das Tor zur Diskussion alternativer stra­

tegischer Verhaltensweisen bereits im strukturalistischen Eintrittsbarrierenkonzept -

insbesondere bei Bain - nicht verschlossen ist.

Wie vereinbart sich dies nun aber mit dem traditionellen Industrial Organization­Paradigma, das ja das Limitpreis-Konzept "überlagert" und für eine Determiniertheit

des Marktverhaltens durch die Marktstruktur plädiert und überdies das Marktverhal­ten sogar als bloßen "Transmissionsriemen" zwischen der Marktstruktur und dem

Marktergebnis völlig vernachlässigt? Eine Auseinandersetzung mit dem industrie­

ökonomischen Forschungsprogramm, das die empirische Überprüfung (preis-) theoretischer Vorhersagen bezweckt, wird hier ergeben, daß der nur in eine Richtung

verlaufende Ursache-Wirkungs-Pfad lediglich eine - eben zum Zwecke des empirischen Tests von Hypothesen vorgenommene - Vereinfachung des komplexen

realen Zusammenhanges darstellt. Diese Operationalisierung glaubt Bain vornehmen

zu können, da die Marktstruktur im allgemeinen und die (strukturellen) Eintrittsbar­

rieren im besonderen seines Erachtens hinreichend stabil sind, so daß sich Unter­

nehmen kurzfristig an sie anpassen müssen. Damit behauptet er jedoch keineswegs, daß Marktstrukturen langfristig nicht durch das Marktverhalten bzw. durch Unter­

nehmensstrategien beeinflußt werden können - worin eine Übereinstimmung mit dem "concept of strategy" zu sehen ist, das die Umwelt zwar prinzipiell als gestaltbar,

aber auch als "constraints" des Handeins begreift. Auch folgt aus der Behandlung von

hinreichend stabilen Marktstrukturelementen als unabhängigen Variablen (beim

Testen von Hypothesen) nicht zwingend, daß es sich (in der Realität) um exogene Variable handelt. Dies zeigt sich bei Bain an der Tatsache, daß er mit den Ver-

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9

drängungs- und Marktausschließungstaktiken Formen des Marktverhaltens themati­siert, denen er einen unmittelbaren Einfluß auf die Marktstruktur zugesteht. Andere

Verhaltensweisen vernachlässigt er "notgedrungen", nämlich mit der Begründung, daß

apriori jede Marktstruktur mit jedem Marktverhalten kombinierbar ist und somit

keine eindeutigen testbaren Hypothesen aufgestellt werden können. Dies besagt in

der Terminologie der Theorie strategischer Unternehmensführung jedoch nichts

anderes, als daß zwischen der Marktstruktur- und der Verhaltenskategorie gerade kein deterministischer Zusammenhang besteht. Damit kann Bains strukturalistischer

Ansatz als ein fruchtbarar theoretischer Ausgangspunkt für die Analyse unterneh­

mensstrategischer Fragen des Markteintritts und der Eintrittsverhinderung herange­

zogen werden, auch wenn seine Operationalisierung für die empirische industrieöko­

nomische Forschung den Strategieaspekten keinen angemessenen Raum läßt.

So fallen denn auch Bains analytische Überlegungen zu den eintrittssperrenden

Verhaltensweisen deutlich differenzierter aus als diejenigen der engen "Lehrbuch­

variante der Limitpreis-Theorie" (Dixit): Diese greift mit dem Sylos-Postulat lediglich

eine der von Bain aufgezeigten sechs Reaktionsalternativen heraus und eliminiert

hierbei durch die Einführung restriktiver Prämissen den Handlungsspielraum

etablierter Anbieter. Demgegenüber setzt sich Bain zunächst grundsätzlicher mit der Frage auseinander, ob in den pre-entry-Preisen überhaupt eine Information über das

für Newcomer entscheidungsrelevante post-entry-Preisniveau enthalten ist, d.h. ob in ihnen ein Signal für die Reaktionen der Etablierten gesehen werden kann. Dies ist

nur dann möglich, wenn potentielle Newcomer Limitpreise als eine Erklärung über

zukünftige Handlungsabsichten auffassen und nicht als einen Bluff. Bain geht dies­

bezüglich davon aus, daß Eintrittskandidaten in der Höhe des pre-entry-Preises

prinzipiell einen Indikator für die Intensität des Wettbewerbs nach ihrem Markt­

eintritt sehen. Trotz dieser Grundannahme bleibt jedoch eine Unsicherheitssituation

bestehen. Denn angesichts der zahlreichen Handlungsalternativen wissen weder potentielle Newcomer, wie hart die Etablierten·zu reagieren gedenken, noch sind sich

bestehende Anbieter bei der Kalkulation des Limitpreises darüber im klaren, ob

etwaige Eintrittsinteressenten auch genau diejenige Reaktionsweise antizipieren werden, die sie selbst planen und dem Sperrenpreis zugrunde legen. Damit ist die

Höhe der Eintrittsbarrieren und des von diesen ausgehenden Schutzes nicht (mehr) allein eine Funktion der strukturellen Wettbewerbsvorteile, sondern zugleich der

Reaktionserwartungen potentieller Newcomer. Und da diese Erwartungen nicht ver­

läßlich vorhergesagt werden können, sieht Bain etablierte Anbieter mit einem

unausweichlichen Unsicherheitsproblem konfrontiert. Er behilft sich hier mit der

Page 25: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

10

Einführung von sechs alternativen Reaktionshypothesen, die er mit Wahrscheinlich­

keiten ihres Zutreffens versieht.

Das von Bain konstatierte Unsicherheitsproblem der Etablierten ist jedoch nur so

lange unvenneidbar, wie man einen Strategiebegriff wählt, der sich auf ein adaptives

Verhalten beschränkt und die Möglichkeit aktiven HandeIns ausklammert: In der tradi­tionellen Oligopoltheorie verhalten sich zwei Wettbewerber bereits dann strategisch,

wenn sie ihre wechselseitige Abhängigkeit erkennen und die erwartete Entscheidung des Kontrahenten als gegeben in ihr Kalkül einbeziehen. In diesem Sinne meint

"strategic behavior" also eine Anpassung unter Unsicherheit, nämlich über die Pläne

des Konkurrenten. Mit diesem Strategiebegriff, der auch dem Limitpreis-Ansatz von

Bain zugrunde liegt, besteht das zentrale Problem der potentiellen Newcomer in der

Prognose des post-entry-Verhaltens der Etablierten, das ja aus der Höhe des Limit­

preises allein nicht eindeutig abgelesen werden kann.

Mit einem aktiven, d.h. handlungsorientierten StrategiebegriJf müssen die Etablierten

die Reaktionserwartungen der Newcomer indes nicht mehr als gegeben hinnehmen.

Sie können Maßnahmen ergreifen, um potentiellen Newcomern ihre geplante Reak­

tionsweise zu signalisieren. Das heißt, sie können dem Prognoseproblem der New­

comer abhelfen, indem sie selbst Gewißheit schaffen und auf die Reaktionserwar­

tungen der Newcomer Einfluß nehmen. Ihre Aufgabe besteht also darin, durch strate­

gische Maßnahmen jene Verbindlichkeit ihres beabsichtigten post-entry-Verhaltens

herbeizuführen, die im Limitpreis-Konzept (z.B. mit dem Sylos-Postulat) immer

schon vorausgesetzt ist. Dies kann nur gelingen, wenn man Etablierte als strategische

Akteure begreift und sich nicht - wie Bain - mit exogenen Reaktionshypothesen

begnügt, um das Problem der oligopolistischen Interdependenz theoretisch hand­

haben zu können. So besteht der Beitrag Bains zu einem unternehmensstrategischen

Eintrittsbarrierenkonzept letztlich im Entwurf eines Szenarios alternativer Reak­

tionsmöglichkeiten der Etablierten auf erfolgte Markteintritte, die diese ihrer

Kalkulation des Sperrenpreises zugrunde legen können, und in der von ihm herausge­

stellten Bedeutung der zutreffenden Antizipation des geplanten post-entry-Verhal­tens (durch potentielle Newcomer) für die Wirksamkeit von Limitpreisen. Offen

bleibt bei Bain aber, wie ein nach seinem Vorschlag ermittelter Eintrittssperrenpreis

auch zur Geltung gebracht werden kann, d.h. wie der festgelegte pre-entry-Preis zu

einem glaubhaften und abschreckenden Signal zukünftiger Handlungsabsichten

gemacht werden kann. Dies hat die neuere Theorie des "strategie behavior" zum Gegenstand, der sich Kapitel 3.3. widmet.

Page 26: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

11

Theoriegeschichtlich gesehen wurde die Beschäftigung mit den strategischen Verhal­

tensweisen von der Kritik einiger Chicago-Vertreter (insbesondere McGee) an der

Theorie des Verdrängungswettbewerbs angestoßen. Diese Kritik besagt - bezogen auf

die Theorie des Eintrittssperrenpreises -, daß ein Limit Pricing keine rationale Stra­

tegie der Eintrittsverhinderung darstellen kann. Denn mit der beispielsweise im Sylos-Postulat zum Ausdruck kommenden Drohung, den Output nach einem Markt­

eintritt konstant zu halten, schadet sich ein etabl~erter Anbieter selbst mehr als einem Newcomer: Der Preisverfall auf ein für alle Beteiligten nicht kostendeckendes

Niveau würde ihm wegen seines viel höheren Marktanteils wesentlich stärkere

Umsatz- und Gewinneinbußen zufügen als dem ja deutlich kleineren Herausforderer.

Vergeltungsmaßnahmen gegen neu eingetretene Unternehmen sind daher - und auch

angesichts günstigerer Handlungsalternativen - prinzipiell unwirtschaftlich. Ein etablierter Anbieter, der dennoch damit droht, handelt unglaubwürdig, da die Aus­

führung der Drohung nicht in seinem Interesse liegt. Daher wird sich ein potentieller

Newcomer, der sich dessen bewußt ist, nicht durch eine Vergeltungsdrohung in Form

eines Sperrenpreises vom Markteintritt abhalten lassen.

Diese Kritik, die das Limit Pricing als eine irrationale Preispolitik ausweist, legt die

Begründungsdefizite der Limitpreis-Theorie Bains offen. Behoben werden diese Defizite durch neuere spieltheoretische Erklärungsansätze zu den strategischen Ver­

haltensweisen von Unternehmen, die - entgegen einer unrealistischen Prämisse bei

McGee - Asymmetrien zwischen bestehenden und potentiellen Wettbewerbern ein­

führen. Diese asymmetrischen Modelle können im wesentlichen in zwei Hauptgrup­

pen unterteilt werden: Die eine bilden die Konzepte mit asymmetrisch verteilten

Informationen, in denen bereits etablierte Unternehmen besser unterrichtet sind als

potentielle Newcomer. Zur anderen zählen die Theorien mit asymmetrischen Spiel­zügen, in. denen Etablierte allein aufgrund der Handlungsreihenfolge gegenüber

Newcomern im Vorteil sind.

Die Ansätze der ersten Hauptgruppe, die Signaling- und Reputation-Modelle, haben

gemein, daß sie McGees unrealistische Annahme vollständiger Information auf­

geben. Denn nur unter dieser Bedingung sind potentielle Newcomer über die Kosten­

und Nachfragebedingungen und somit über die post-entry-Gewinnsituation unterrich­

tet, so daß die pre-entry-Preise als Marktsignale für die post-entry-Wettbewerbsver­

hältnisse hinfällig werden. Geht man indes davon aus, daß Newcomer vor ihrem Ein­

tritt nicht vollständig über ihre relative Kosten- und Wettbewerbsposition in dem

betreffenden Zielmarkt informiert sind, werden sie versuchen (müssen), den Hand­

lungsweisen der Etablierten die fehlenden pay~off-relevanten Informationen zu ent-

Page 27: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

12

nehmen. Bestehende Anbieter können daher den Preis als ein strategisches Signal für

ihre Kostensituation einsetzen und auf diese Weise den Markt für potentielle New­

comer unattraktiv erscheinen lassen. Insofern ist mit den Signaling-Konzepten eine

Begründungsbasis für die bei Bain immer nur unterstellte Relevanz von pre-entry­

Preisen für die Eintrittsentscheidung von Newcomern gewonnen. Damit ist zwar die

von McGee vermißte Rationalität des Setzens von Sperrenpreisen hergestellt, jedoch

auf eine andere Weise als in der klassischen Limitpreis-Theorie: Dort versuchen

bestehende Anbieter mittels Sperrenpreisen auf die Reaktionserwartungen etwaiger

Herausforderer einzuwirken, im Signaling-Konzept hingegen streben sie eine Ein­

flußnahme auf deren Selbsteinschätzung an. Somit wandelt das Limit Pricing im

Signaling-Ansatz seinen Charakter. Es kommt ohne glaubwürdige Vergeltungs­

drohungen aus.

Einen eher konventionellen Weg der theoretischen Begründung von Vergeltungs­maßnahmen gegen Newcomer als einer rationalen Strategie beschreiten - ebenfalls

unter unvollständiger und asymmetrisch verteilter Information - die Reputation­

Modelle. Hierin übt ein etablierter Anbieter gegen neu eingetretene Wettbewerber

Vergeltung, und zwar mit dem Ziel, durch das Statuieren eines abschreckenden

Beispiels weitere potentielle Konkurrenten vom Markt fernzuhalten. Die Vergel­

tungskosten werden damit zu einer Investition in eine "reputation Jor toughness". Dies hat zur Folge, daß sich eine exemplarische Vergeltungsmaßnahme - um wirtschaftlich

und damit glaubwürdig zu sein - nicht bereits unmittelbar durch die Bekämpfung bzw.

Zurückdrängung eines einzigen Newcomers auszahlen muß. Vielmehr wird sie durch

die zukünftigen Erträge aus unterbleibenden Markteintritten gerechtfertigt. Die

unvollständige Information der Eintrittskandidaten ist in diesen Ansätzen von zen­

traler Bedeutung, da potentielle Newcomer überhaupt nur unter dieser Bedingung

die gegenwärtigen und vergangenen (exemplarischen) Vergeltungsmaßnahmen zur

Prognose der Reaktionen von Etablierten auf zukünftige Markteintritte heranziehen

werden. Während es in McGees Welt der vollständigen Information also stets die

etablierten Unternehmen sind, die aus den dann (fast) zwangsläufig fehlschlagenden

Vergeltungsversuchen "ihre Lektion lernen" und derartige Versuche in Zukunft

unterlassen, sind es bei Bestehen eines Informationsgefälles statt dessen die New­

comer, die aus den vergangenen Aktionen der Etablierten lernen, d.h. auf deren

zukünftige Maßnahmen schließen müssen.

Anders als die Signaling- und Reputation-Modelle, die eine Informationsasymmetrie

zur unabdingbaren Voraussetzung haben, um Abschreckungsmaßnahmen theoretisch

erklären zu können, kommt der Commitment-Ansatz auch ohne diese Bedingung aus.

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Hier müssen etablierte Anbieter im Gegenteil bei potentiellen Konkurrenten für eine

Transparenz bzw. Gewißheit über die relative Vorteilhaftigkeit ihrer Handlungs­

alternativen sorgen. Denn dieses Konzept baut darauf auf, daß eine Drohung, die

wirkt, niemals ausgeführt werden muß. Damit sie aber wirkt, muß sie erstens glaub­

haft sein und zweitens darüber hinaus auch noch (als solche) wahrgenommen werden.

Andernfalls hätte gerade die Herstellung der Glaubwürdigkeit für den Etablierten

gravierende Konsequenzen. Denn nach dem Commitment-Ansatz empfiehlt es sich

für bestehende Unternehmen, noch vor dem Auftreten von Newcomern eine

bindende Verpflichtung einzugehen, die sie zur Verteidigung zwingt: Um die von

McGee - wegen der Existenz günstigerer Handlungsalternativen - angezweifelte

Glaubwürdigkeit angedrohter Vergeltungsmaßnahmen herbeizuführen, muß der

Etablierte seine Auszahlungsstruktur auf irreversible Weise so gestalten, daß die Ver­

geltung zur nunmehr vorteilhaftesten und damit ex-post-optimalen Reaktion wird.

Dadurch kommt der Abschreckungseffekt zustande, aufgrund dessen der Etablierte

erst bereit ist, eine für ihn selbst verlustbringende Vergeltung anzudrohen. Denn ein

potentieller Newcomer, der eine bindende Verpflichtung wahrnimmt, besitzt keinen

Grund mehr, an der Ausübung der Vergeitullg zu zweifeln. Damit gelingt es, die

Verpflichtung von der Vergeltung theoretisch zu entkoppeln. Dies hat zur Folge, daß nur noch das Eingehen einer Verpflichtung rentabel sein muß und nicht mehr die (theoretisch niemals erforderliche) Durchführung der Vergeltung.

Folgt man also der Spieltheorie, so ist der mit einern natürlichen "first mover

advantage" ausgestattete etablierte Monopolist stets im Vorteil. Denn er kann in

einem Spiel, in dem die Reihenfolge der Spielzüge von Bedeutung ist, durch das Ein­

gehen einer irreversiblen Verpflichtung den Entscheidungsspielraum potentieller

Newcomer so einengen, daß diesen nur eine gangbare Alternative verbleibt, nämlich vom Markteintritt abzusehen. Nun könnte man aber einwenden, daß dieser Erklä­

rungsansatz rationaler Vergeltungsdrohungen potentiell scheitert - nämlich dann,

wenn trotz des Vorliegens einer Verpflichtung neue Konkurrenten in den Markt

eintreten, entweder weil sie das Comrnitment nicht wahrgenommen haben, oder weil

sie mit dessen Wesen nicht vertraut sind, also keine rationalen Spieler im Sinne der

Spieltheorie sind. In diesem Fall hat dann ein Newcomer ebenfalls Ressourcen an die

betreffende Branche gebunden, d.h. Austrittsbarrieren errichtet, und kann - spiel­

theoretisch gesehen - nicht vorn Markt verdrängt werden. Dieser Einwand ist jedoch

nur dann haltbar, wenn man den Markteintritt als einen "Einschnitt" zwischen dem

Spiel vor und nach dem Zutritt behandelt. Bei realistischer Betrachtung ist indes von

einern allmählichen bzw. sukzessiven Eintrittsprozeß auszugehen. Ein Newcomer kann

daher nicht bereits als etabliert gelten, wenn er diesen Prozeß gerade erst eingeleitet

hat. Denn in diesem Stadium hat er erst einen Teil der erforderlichen Investitionen

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getätigt und kann durch rechtzeitige Vergeltungsmaßnahmen durchaus noch zum Rückzug bewegt werden. Mit diesem von Porter betonten prozessualen Charakter

von Marktzutritten kann also die Rationalität von Vergeltungsmaßnahmen gegen

bereits eingetretene Newcomer verteidigt werden, wenn die Drohung - entgegen der

theoretischen Aussagen des Commitment-Konzeptes - einmal versagt haben sollte.

Der vorstehende Überblick bzw. Ausblick auf die Konzepte des "strategie behavior"

zeigt bereits, daß der theoretische Druchbruch zur Erklärung eintrittsverhindernder

Maßnahmen als einer rationalen Strategie auf sehr unterschiedliche Weise gelang

und zudem eine Abkehr vom Limit Pricing bewirkte: Entgegen den Signaling-Kon­

zepten, in denen pre-entry-Preise eine andere Funktion als die der Einflußnahme auf

die Reaktionserwartungen erfüllen, kommen die Reputation- und Commitment­

Ansätze nicht mehr ohne das Element der Drohung aus und ähneln insofern dem

Limit Pricing. Allerdings ist die Drohung hier nicht mehr im (Sperren-)Preis enthal­

ten, sondern in der exemplarischen Ausübung von Vergeltung gegen frühere New­

comer oder in der Veränderung der pay-off-Struktur der Handlungsalternativen.

Nach diesen beiden Ansätzen können also die Reaktionserwartungen potentieller

Konkurrenten gesteuert werden, ohne daß der pre-entry-Preis auf ein eintrittssper­

rendes Niveau abgesenkt werden muß. Insofern beheben die spieltheoretischen Kon­

zepte des "strategie behavior" zwar die Begründungsdefizite der traditionellen Theo­

rie der Eintrittsverhinderung, bestätigen aber die von Bain unterstellte Relevanz von

pre-entry-Preisen für die Eintrittsentscheidung von Newcomern nicht - jedenfalls

nicht zwingend: Nach den Reputation- und Commitment-Modellen ist ein Limit

Pricing keine notwendige Bedingung für eine Eintrittsverhinderung. Denn wenn Dro­

hungen auch auf andere Weise ausgesprochen werden können, muß der pre-entry­

Preis nicht mehr als ein Signal für das post-entry-Preisniveau dienen und ein etablier­

ter Anbieter kann auch in der pre-entry-Phase den Monopolpreis wählen. Setzt er

dennoch den Bainschen Sperrenpreis, z.B. um die Eintrittsanreize von vornherein zu

reduzieren, können sich potentielle Newcomer, die sich bislang an den Überlegungen

McGees orientierten, nun jedoch nicht (mehr) darauf verlassen, daß der Preis auf

diesem Niveau bleiben wird. Denn grundsätzlich sind Vergeltungsmaßnahmen gegen

neu eingetretene Wettbewerber eine rationale Handlungsweise.

Dies erklärt schließlich auch das Konzept des Raising rivals' costs. Hierin verlagern

etablierte Anbieter ihre Maßnahmen von den Output- auf die Inputmärkte, d.h. von

den Preisen auf die Kostenseite. Damit kehrt sich die relative Benachteiligung zu­

ungunsten neu eingetretener Konkurrenten um: Während sich ein marktbeherr­

schendes etabliertes Unternehmen - wie von McGee kritisiert - mit Kampfpreisen

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(kurzfristig) mehr schadet als einem Newcomer, führt eine Kostensteigerung in Fix­

kostenbereichen bei kleineren Konkurrenten mit einem wesentlich geringeren

Absatzvolumen zu einem deutlichen Wettbewerbsnachteil. Da nun eine solche Stra­

tegie unter bestimmten Bedingungen profitabel ist und keinen kurzfristigen Gewinn­

verzicht erfordert, kann sie nicht nur als Reaktion auf Markteintritte, sondern auch

bereits präventiv zur Eintrittsverhinderung durchgeführt werden. In diesem Sinne

wird das Raising rivals' costs in Kapitel 3.3.2. nicht als eine Drohung verstanden, mit

der man wieder die Vergeltungsgefahr in der Wahrnehmung der Newcomer steigern

will, sondern als ein Beispiel für Abschreckungstaktiken, die der Erhöhung struktu­

reller Barrieren dienen. Das Wesen dieser Gruppe von Defensivmaßnahmen besteht

darin, erfolgversprechende Eintrittsstrategien oder Angriffsbahnen zu versperren, die

einem Newcomer dazu verhelfen könnten, bestehende Barrieren zu umgehen und

über eine ungeschützte Flanke in den Markt einzudringen.

Die theoretischen Ausführungen zu den neueren industrieökonomischen Konzepten

des "strategie behavior" werden von der praktischen Handlungsanleitung bzw.

-anregung abgerundet, die Porter etablierten Unternehmen zur Anwendung dieser

theoretischen Erkenntnisse erteilt. Und schließlich werden diese konkreten Hand­

lungsempfehlungen anband einer Fallstudie Porters veranschaulicht, die die mög­

lichen Abschreckungs- und Vergeltungsmaßnahmen für Procter & Gamble im ameri­

kanischen Wegwerfwindelmarkt analysiert.

Mit den (spiel-)theoretischen Erklärungsansätzen, welche die von McGee aufgezeig­

ten theoretischen Lücken des strukturalistischen Eintrittsbarrienansatzes schließen

und damit zugleich den Übergang zu einem strategischen Konzept vollziehen, ist

bereits ein für die Strategieforschung wesentlicher Aspekt erfüllt: Die neueren

Ansätze sind in dem Sinne strategisch, als sie sowohl die Reaktionserwartungen

potentieller Newcomer als auch die strukturellen Eintrittsbarrieren zu Aktionspara­

metern der Etablierten erheben. Damit liegt ihnen ein handlungsorientierter Strategie­

begriffzugrunde - entgegen der strukturalistischen Limitpreis-Theorie Bains, die zwar

bereits Handlungsalternativen ausweist, aber dennoch eher von einem adaptiven

(Limitpreis-)Verhalten denn von einem aktiven, d.h. die Konkurrenten beeinflussen­

den Handeln geprägt ist.

Aber auch mit der aktiven Gestaltung der strukturellen Barrieren und mit der Ein­

flußnahme auf die Reaktionserwartungen trägt das neuere Konzept der eintrittsver­

hindernden Strategien dem unternehmensstrategischen Moment noch nicht genügend

Rechnung. Denn nach der klassischen Business Policy-Sichtweise sind bestehende

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und potentielle Konkurrenten in gewisser Weise einzigartig: Sie besitzen distinktive

Kompetenzen und verfolgen heterogene Strategien, so daß sie bei der Überwindung oder dem Aufbau von Eintrittsbarrieren unterschiedlich erfolgreich sind. Demgegen­

über negierte die Industrial Organization derartige Unterschiede früher weitest­

gehend und behandelte die Unternehmen einer Branche - Größenunterschiede

ausgenommen - als identisch. Dies ist auf die damals vorherrschende Marktkonzen­

trationsdoktrin zurückzuführen, nach der überdurchschnittliche Gewinne aus der

Kollusion bzw. Einigung der Oligopolisten auf eine gemeinsame Gewinnmaximierung

resultieren, die wiederum bei nur wenigen großen Marktteilnehmern einfacher her­

beizuführen ist als bei einer Vielzahl kleiner Anbieter. Anfang der 70er Jahre

gelangte die Industrieökonomik dann zu einem differenzierteren Verständnis des

brancheninternen Wettbewerbs und der kollusionsfördernden bzw. -hemmenden

Faktoren: Man erkannte, daß - selbst bei einem hohen Konzentrationsgrad - die Ver­

folgung heterogener Strategien das Zustandekommen abgestimmter Verhaltensweisen

erschweren kann. Mit dieser Berücksichtigung von Strategieunterschieden nähert sich

die Industrial Organization dem Business Policy-Konzept an, das in umgekehrter

Richtung von seiner situationsspezifischen und völlig relativistischen Sichtweise z.T.

abgerückt ist und sich der Frage nach den Gemeinsamkeiten von Wettbewerbern

gewidmet hat, die sich nicht mehr nur in der gleichen Branchenzugehörigkeit

erschöpfen, sondern darüber hinaus in der Verfolgung einer ähnlichen Strategie

bestehen können.

Die Anerkennung von Strategieunterschieden innerhalb eines Industriezweiges

(durch die Industrial Organization) hat zur Folge, daß die ehemals homogene Bran­

che in eine Reihe strategischer Gruppen "zerfällt", d.h. in Gruppen von Konkurrenten

mit einer ähnlichen Wettbewerbsstrategie. Für das Eintrittsbarrierenkonzept hat dies

zwei Konsequenzen: Zum einen können Marktzutrittsschranken nicht mehr als ein

branchenweit einheitliches Phänomen begriffen werden. Denn die Höhe des Wett­

bewerbsnachteils potentieller Newcomer hängt nun von der strategischen Gruppe ab,

der sie sich anschließen wollen. Somit sind die Eintrittsbarrieren gruppenspezifisch

zu definieren. Zum anderen schützen die so verstandenen strukturellen Barrieren die

Mitglieder einer Gruppe nicht mehr nur vor Zutritten von außerhalb der Branche,

sondern sie be- oder verhindern auch den branchenintemen Gruppenwechsel bereits

etablierter Unternehmen, d.h. die Imitation erfolgreicher Strategien durch weniger

erfolgreiche Wettbewerber. Im erstgenannten Fall fungieren sie somit als Eintritts­

barrieren, in letzterem als Mobilitätsbarrieren, die Porter aufgrund des größeren Aus­

sagegehaltes und ihres zweifachen Schutzes als den allgemeinen Barrierentyp ver­

steht: Während Eintrittsbarrieren nur Rentabilitätsunterschiede zwischen verschie-

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denen Industrien erklären können, liefern Mobilitätsbarrieren zudem eine Begrün­

dung für dauerhafte Rentabilitätsunterschiede innerhalb einer Branche. Damit sind

sie ein bedeutender Faktor in Porters Theorie der Gewinndeterminanten eines

Unternehmens, die in Kapitel 3.4. näher ausgeführt werden wird.

Mit dem Konzept der strategischen Gruppen und mit der gruppenspezifischen Defi­

nition von Eintritts- bzw. Mobilitätsbarrieren gewinnt man jedoch nicht nur ein diffe­

renzierteres Bild vom Wettbewerb innerhalb einer Branche, sondern auch vom

Prozeß des Markteintritts durch branchenfremde Newcomer. Diese müssen die

Barrieren, die eine von ihnen angestrebte Gruppe schützen, nicht unmittelbar über­

winden, sondern können dabei stufenweise vorgehen: Sie können zunächst die niedri­

geren Barrieren einer eher unattraktiven Gruppe meistern, um von dieser Zwischen­

station aus die (risikoreichere) Überwindung der Mobilitätsbarrieren in Angriff zu

nehmen, von denen die eigentliche "Zielgruppe" umgeben ist. Mit diesem ebenfalls in

Kapitel 3.4. thematisierten stufenweisen Markteintritt können das Risiko und u.U. auch

die Gesamtkosten des Marktzutritts verringert werden.

Bis zu diesem Punkt bewegt sich die Argumentation zum Übergang von einem bran­

chenweiten zu einem gruppenspezifischen und von einem strukturalistischen zu

einem (unternehmens-)strategischen Konzept innerhalb des von der Harvard Schaol

geprägten deskriptiv-analytischen oder handlungstheoretischen Eintrittsbarrierenver­

ständnisses. Die Kritik McGees, der ja zur Chicago School zählt, betraf zwar

"tragende Teile" des Theoriegebäudes von Bain, nicht jedoch dessen "Fundamente".

Der gmndsätzlichen Kritik von seiten der Chicago School wendet sich sodann das

vierte Kapitel zu, das zu klären hat, ob der breitere, nämlich deskriptiv-analytische

Begriff der Harvard School oder das engere wohlfahrtsökonomische und normativ­

analytische Konzept der Chicago School für unternehmensstrategische Zwecke vor­

zuziehen ist. Die Frage lautet also, ob man - "a la Harvard" - alle den Marktzutritt

erschwerenden Faktoren als Eintrittsbarrieren verstehen soll, oder ob man diesen

Begriff - wie "in Chicago" gefordert - nur für bestimmte, nämlich künstlich geschaf­

fene Barrieren reservieren soll und natürliche Eintrittshindernisse davon ausnehmen

soll.

Um die Eintrittsbarrierenkontroverse zwischen der Harvard und der Chicago School

in diesem Sinne auswerten zu können, ist es zunächst erforderlich, den wettbewerbs­

theoretischen Hintergrund der beiden Schulen zu beleuchten9. Hier wird sich zeigen,

9 Die Eintrittsbarrierenkonzepte dieser beiden Schulen können als die zentralen Ansätze innerhalb der Nationalökonomie gelten, jedenfalls für diejenigen Ökonomen, die den Wettbewerb mehr als

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daß die sehr gegensätzlichen Vorstellungen darüber, was eine Eintrittsbarriere dar­

stellt, auf sehr unterschiedlichen Auffassungen von Wettbewerb und Wettbewerbs­

beschränkungen beruhen: Für die Harvard School sind überhöhte Gewinne und

Wohlfahrtsverluste das Resultat eines kollusionsfördernden Konzentrationsgrades. Funktionsfähiger Wettbewerb ist daher- eine Frage der Marktstmktur: Voraussetzung

für ein gutes Marktergebnis ist eine hohe Anzahl von Konkurrenten, da unter der­

artigen Bedingungen wettbewerbsbeschränkende Absprachen unter den Konkurren­ten kaum zustandekommen können. Im Lichte dieses Leitbildes wertet die Harvard

School alles, was eine Steigerung der Marktteilnehmerzahl behindert, als Zutritts­

schranken: Alle strukturellen Faktoren und alle Verhaltensweisen bestehender

Unternehmen, die potentiellen Newcomern den Eintritt erschweren, werden als Ein­trittsbarrieren ausgelegt - gleichgültig, ob von den Etablierten unbeabsichtigt oder

mit dem Ziel der Eintrittsverhinderung hervorgerufen.

Nach dem Wettbewerbsverständnis der Chicago School sind die Marktstrukturen für

das Marktergebnis hingegen weitestgehend irrelevant. Statt dessen ist es das rivalisie­

rende Marktverhalten effizienter Unternehmen, die einander im Wettbewerb über­

treffen wollen, das zu einer Steigerung der Konsumentenwohlfahrt und zur Erzielung

(temporärer) überdurchschnittlicher Gewinne führt. Sofern Großunternehmen ihre Größe dank einer überlegenen Wettbewerbsfähigkeit und nicht aufgrund von

Marktmacht erlangt haben - wovon die Chicago School grundSätzlich ausgeht -, ist die

Konzentrationsrate einer Branche bedeutungslos. Diesen EjflZienzmaßstab legt die

Chicago School auch bei der Bewertung von Markteintrittshemmnissen an: Sie fragt

danach, ob die am Marktzutritt gehinderten Wettbewerber die Konsumentenwohl­

fahrt überhaupt steigern könnten oder ob es nicht ihre Ineffizienz ist, die ihnen den

Marktzugang verwehrt. Im letztgenannten Fall existiert für die Chicago School keine

Eintrittsbarriere: Alles, was man beobachten kann, sind natürliche wettbewerbs­

immanente Hindernisse, die von effizienten Newcomern überwunden werden

können. Daß ineffiziente Neuanbieter hierbei scheitern, liegt nach der Chicago

School im Interesse der Konsumentenwohlfahrt.

Mit dem so entfalteten wettbewerbstheoretischen Hintergrund der beiden Schulen

kann sodann (in Abschnitt 4.2.2.) die von Chicago-Vertretern aus der Effizienz-Per­

spektive an den einzelnen angeblichen Eintrittsbarrieren geübte Kritik dargelegt

einen statischen Gleichgewichtszustand denn als einen dynamischen Prozeß begreifen. Letztere tendieren in der Eintrittsbarrierenfrage eher zur Position der Chicago School. Vgl. für die Öster­reichische Schule z.B. Kirzner (Unternehmertum, S. 79 ff. und S. 170), der die von etablierten Anbietern erlangten Vorteile als nur zeitweilig und außerdem als "voll wettbewerblich" erachtet. Zu der Nihilist School und der Evolutionary School, die das Modell der vollkommenen Konkurrenz ebenfalls zurückweisen, aber mit der Chicago School in der Beurteilung von Eintrittsbarrieren übereinstimmen, vgl. Audretsch (Schools), S. 8 ff.

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werden. Diese Kritik, von der auch die neuere Harvard School bzw. New Industrial Organization beeinflußt wurde, ist nun zweifellos für das wettbewerbspolitisch rele­

vante Eintrittsbarrierenverständnis von Bedeutung. Aus einem unternehmensstrate­gischen und einzelwirtschaftlichen Blickwinkel heraus ist jedoch - wie aus Kapitel 4.2.3. hervorgehen wird - der breiter angelegte Barrierenbegriff der traditio­

nellen Harvard School vorzuziehen, der - in Porters Terminologie - nicht nur die offensiven (d.h. effizienzsteigernden), sondern auch die defensiven Maßnahmen

etablierter Anbieter umfaßt.

Den Abschluß des vierten Kapitels bildet schließlich wieder eine Fallstudie, und zwar

aus dem Antitrustverfahren "U.S. gegen IBM", in dem der Beklagten u.a. die Errich­

tung von Eintrittsbarrieren vorgeworfen worden war. Die Aussage der ökonomischen

Expertenzeugen der Verteidigung, die schulenmäßig der nun auch stärker auf das Marktverhalten abstellenden neueren Harvard School zuzuzählen sind, kann hier als Beispiel für eine prokompetitive Argumentation bzw. Erwiderung auf die von der Regierung behaupteten antikompetitiven Eintrittsbarrieren dienen. Daneben fördert der dieser Untersuchung zugrundeliegende Barrierenbegriff einen theoretisch bedeutsamen Punkt zutage, nämlich daß Eintrittsentscheidungen von potentiellen Newcomern nicht aufgrund eines zeitpunktbezogenen Kostenvergleiches, sondern auf der Basis einer zeitraumbezogenen Investitionsrechnung getroffen werden. Damit

können - den ökonomischen Expertenzeugen zufolge - Eintrittsbarrieren nicht mehr als die Wettbewerbsnachteile eines Newcomers zu einem bestimmten Zeitpunkt -nämlich dem seines Marktzutrittes - gewertet werden. Denn bereits etablierte Anbie­

ter können diese Kosten in der Vergangenheit ebenfalls zu tragen gehabt haben, so

daß sie sich zum Zeitpunkt ihrer Investitionsentscheidung in der gleichen Situation

befanden wie jetzt ein potentieller Newcomer. Folgt man dieser Argumentation, so

können Eintrittsbarrieren nur aus den zusätzlichen Investitionen resultieren, die allein neue Konkurrenten tätigen müssen und nicht auch die bereits etablierten Unterneh­

men in der Vergangenheit zu tragen hatten. Nach diesem Verständnis führen also ausschließlich "first mover"-Vorteile zu Eintrittsbarrieren.

Den Aspekt der Investitionsentscheidung aufgreifend wird in Kapitel 5 ein untemeh­

mensstrategisch relevanter Eintrittsbarrierenbegriffpräsentiert. Dieser unterscheidet sich

von dem der Expertenzeugen zunächst dadurch, daß nicht nur die höheren kumulier­

ten Investitionen - sofern diese zu einer ungenügenden Kapitalverzinsung führen -

Eintrittsbarrieren hervorrufen, sondern auch ein gesunkenes bzw. zu geringes Preis­

niveau. Damit folgen wir inhaltlich dem breiten Begriff der Harvard School, die alle (Marktstruktur- und Marktverhaltens-)Faktoren als Eintrittsbarrieren wertet, die den

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Marktzutritt eines neuen Wettbewerbs verhindern können. Mit der Position der

Sachverständigen hat der gewählte Begriff gemein, daß von der Existenz von Ein­

trittsbarrieren dann gesprochen wird, wenn sich die Wettbewerbsnachteile neuer

Konkurrenten (in der Investitionsrechnung potentieller Newcomer) in einer unter

dem Marktzins liegenden Kapitalverzinsung niederschlagen, so daß diese von einem

Marktzutritt absehen. Das heißt, es wird vom Ergebnis her (nämlich vom Stattfinden

oder Ausbleiben von Marktzutritten) beurteilt, ob Eintrittsbarrieren vorliegen oder

nicht. Mit diesem ergebnisorientierten bzw. an der Wirkung ansetzenden Begriff

kann jedoch nur im Einzelfall eine Aussage über die Existenz bzw. Höhe der Ein­

trittsbarrieren getroffen werden. Denn um beurteilen zu können, ob die vorhandenen

Wettbewerbsnachteile auch eintrittsverhindernd wirken, muß die je spezifische

Ausgangslage eines Newcomers berücksichtigt werden, also beispielsweise ob Syner­

gieeffekte vorliegen oder ob gemeinsame Aktivitäten (und damit Kostenaufteilungs­

möglichkeiten) mit anderen Geschäftsfeldern gegeben sind. Hieraus folgt, daß aus

der Tatsache früherer Markteintritte nicht auf die Abwesenheit von Eintrittsbar­

rieren geschlossen werden kann. Denn trotz erfolgreicher Eintritte können ja andere

potentielle Newcomer dem Markt ferngeblieben sein. Insofern ist mit einem

ergebnisbezogenen Begriff keine generelle Aussage über die Zugangsbedingungen eines

Marktes möglich. Man kann lediglich aussagen, in wie vielen Fällen die Barrieren überwindbar waren, nicht aber, wie oft das Gegenteil der Fall war.

Für die empirische Untersuchung der Marktzutrittsbedingungen des Mikrocompu­

termarktes in KapitelS gebrauchen wir Eintritts- und Mobilitätsbarrieren daher als

analytische Begriffe bzw. als ein Analysekonzept, das der Identifikation von Wett­

bewerbsnachteilen potentieller Newcomer gegenüber etablierten Unternehmen

dient. Hierbei ist es nicht unbedingt erforderlich, daß diese Nachteile ein solches

Ausmaß annehmen, das Newcomer dann auch tatsächlich vom Markt fernhält, wie es

der an der Wirkung festgemachte ergebnisorientierte Begriff fordert.

Wegen der heterogenen Strategien, die einzelne Wettbewerber in der Mikrocom­

puterbranche verfolgen, kann nicht von branchenweit einheitlichen Zugangsschran­

ken zu diesem Markt ausgegangen werden. Aus diesem Grunde werden im Rahmen

der empirischen Studie zunächst die wesentlichen Strategieunterschiede herausgear­

beitet, die für den Entwurf einer strategischen Karte der Branche und für die Identi­

fikation der Mobilitätsbarrieren benötigt werden. In dieser Karte, die von den zen­

tralen strategischen Dimensionen "Wahl des Vertriebsweges" und "Grad der Mar­

kenidentifikation" aufgespannt wird, können dann die vier strategischen Gruppen von

Wettbewerbern lokalisiert werden, die eine (relativ) ähnliche Strategie verfolgen. Im

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Anschluß hieran können die stmkturellen Eintrittsbarrieren für potentielle Newcomer­

je nach der von ihnen gewählten Strategie - untersucht werden. Hierzu werden die

Wettbewerbsnachteile von in der Vergangenheit eingetretenen Mikrocomputeranbie­

tern gegenüber dem Branchenführer IBM beleuchtet, wobei wir nach dem Konzept

von Bain vorgehen und zwischen der Produktdifferenzierungsbarriere, den Größen­

ersparnissen und der absoluten Eintrittsbarriere unterscheiden. Daneben gilt es die

"Reaktionsbarriere" zu taxieren, d.h. Wahrscheinlichkeit und Ausmaß der zu erwar­

tenden Vergeltung zu beurteilen. Während hier - abgesehen von einem kontinuier­

lichen Preisverfall, der nicht ausschließlich als Reaktion auf den Markteintritt neuer

Konkurrenten gedeutet werden kann - keine Indizien für eine harte Vergeltungs­

reaktion durch Etablierte (insbesondere IBM) vorliegen, müssen bzw. mußten neue

Anbieter dennoch aufgrund der strukturellen Barrieren hohe Wettbewerbsnachteile

gegenüber dem Branchenführer in Kauf nehmen. Insgesamt schätzen befragte

Firmenvertreter die von neuen Anbietern in diesem Markt erzielbare Rendite als

relativ gering ein - verglichen mit anderen Segmenten bzw. Teilmärkten des Daten­

verarbeitungssektors.

Wenn damit attraktivere Investitionsalternativen bestehen und die Eintrittsbarrieren

des Personal Computer-Marktes auf der Basis eines analytischen Begriffes als eher

hoch gelten müssen, wie vereinbart sich dies dann mit der Tatsache, daß diese

Branche mehr als 200 Anbieter zählt - was doch vom Ergebnis her beurteilt eher auf

niedrige Barrieren hindeutet? Kapitel 7 bietet hierzu - die vorliegende Studie

abschließend - folgende Erklärungsmöglichkeiten für eine hohe Zahl von Branchen­

teilnehmern trotz hoher Eintrittsbarrieren: (1) Das Stattfinden von Markteintritten

kann auf eine unzureichende Entscheidungsvorbereitung zurückzuführen sein.

(2) Newcomer können sich an den Gewinnzielen von IBM orientiert und daher den

PC-Markt als attraktiv bewertet haben. (3) Es können nicht abgeschlossene Anpas­

sungsprozesse vorliegen. (4) Und schließlich kann eine strategische Notwendigkeit

bestanden haben, selbst in einen weniger attraktiven Markt einzutreten.

Nach diesem Überblick über den Gang der Untersuchung folgt nun die eingehende

Diskussion des vorstehend beschriebenen Programms.

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2. DIE MARKTEINTRI'ITSTHEMATIK: EIN INHALTLICHER UND METHODISCHER PROBLEMAUFRISS

2.1. Der Fall "U.S. gegen IBM": Divergierende Positionen in der Frage der Marktzutrittsbedingungen

Am 17. Januar 1969 reichten die Vereinigten Staaten von Amerika gegen die Inter­

national Business Machines Corporation (IBM) eine Klage wegen eines Verstoßes

gegen Section 2 des Sherman Act (Monopolisierungsverbot) ein. In der Anklage­

schrift wurde IBM der nachhaltigen Monopolisierung des Marktes für digitale

Universalrechner bezichtigt. Zur Erreichung und Absicherung der Monopolstellung,

so der Vorwurf der U.S.-Regierung, "verfolgt ,die Beklagte Produktions- und Mar­

ketingstrategien, die den konkurrierenden Produzenten von General Purpose Digital

Computern nicht die Chance gaben, auf diesem Markt als Wettbewerber aufzu­

treten."l Die der IBM Corp. im einzelnen vorgehaltenen wettbewerbsbeschränkenden

Maßnahmen lauten: Durch einen Gesamtpreis für Hardware, Software und Support

wurde eine Diskriminierung zwischen Kunden sowie eine Behinderung des Marktzu­

tritts und Wachstums von Konkurrenten möglich. Zugleich wurde dadurch eine

eigenständige Software- und Support-Industrie unterbunden, was wiederum die Kon­

kurrenzmöglichkeit der Wettbewerber erschwerte (a). Software und Support wurden

dazu herangezogen, den Wettbewerb um Kunden zu behindern (b). Tatsächlich oder

vermeintlich erfolgreichen Markteintritten sowie der Behauptung von Wettbewer­

bern trat IBM entgegen, indem man in den betreffenden Segmenten Computer mit

ungewöhnlich niedrigen Gewinnerwartungen einführte und eigene neue Modelle

ankündigte, deren rechtzeitige Realisierung jedoch unwahrscheinlich war (c). Ferner

wurde der wegen seines Volumens und seiner Kaufbeeinflußung bedeutende Ausbil­

dungsmarkt von IBM durch diskriminierende Rabattgewährung an Universitäten und

andere Ausbildungsinstitutionen dominiert (d)2.

Am 8. Januar 1981 wurde diese Klage von der U.S.-Regierung als gegenstandslos

zurückgezogen.

2

Siehe hierzu und zu den nachfolgend aufgeführten monopolistischen Verhaltensweisen Punkt 20 der Anklageschrift, abgedruckt in Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 347.

In einer späteren Erweiterung der ursprünglichen Klage wurde der oben vorgestellte Punkt 20 um drei weitere Monopolisierungsvorwürfe ergänzt, wobei IBM u.a. noch zur Last gelegt wurde, durch Leasingverträge Marktzutritts- und Expansionsschranken aufgebaut zu haben. V gl. die erweitere Klage, abgedruckt in Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 349 ff., hier insbeson· dere S. 354.

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Das detaillierte und reichhaltige Antitrust-Material aus Zeugenaussagen und

angeforderten Unterlagen wurde von Franklin M. Fisher, der seit 1970 als ökonomi­

scher Berater für IBM in diesem Verfahren tätig war, mit zwei Co-Autoren von

Charles River Associates zu einer ökonomischen Analyse des Wettbewerbs in der

Computerindustrie verarbeitet. Diese Wettbewerbsstudie, die dem Vorwurf der

Monopolisierung durch IBM nachgeht, gelangt nach Prüfung aller von der Regierung

vorgebrachten markteintrittshemmenden Faktoren3 zu folgendem Ergebnis:

"Zusammenfassend kann man aus der Geschichte des Marktzutrittes klar schließen,

daß es in der EDV-Industrie ... keine großen Marktzutrittsschranken gegeben haben

kann. Eine Analyse der angeblich vorhandenen Marktzutrittsschranken verstärkt

diesen Schluß. Die angeblichen Marktzutrittsschranken schränkten den Marktzutritt

in keiner Weise ein.'04

Dieser wettbewerbsrechtlichen Beurteilung der Marktzutrittsfrage durch die Sachver­

ständigen der Verteidigung stehen gleichwohl verschiedene Aussagen von Zeugen

der Regierung gegenüber, welche die Marktzutrittsbedingungen weniger positiv ein­

schätzten. So äußerte sich Chairman James Binger rückblickend zum Markteintritt

von Honeywell, der 1955 durch ein Joint Venture mit Raytheon unter nicht ungünsti­

gen Startbedingungen erfolgte5: "If we had known how much it was going to cost us to

get into computers, and how long it would take, I wouldn't have thought we would

have had the courage to start. Allegedly, it took HoneyweIl 10 times as long to break

into profit as expected and, at $ 500 million, it cost 10 times the estimate.,,6

Angesichts dieser gegensätzlichen Auffassungen bezüglich der Marktzutrittsmöglich­

keit liegt hier der Verdacht nahe, daß Eintrittsbarrieren aus individueller und gesamt­

wirtschaftlicher Sichtweise unterschiedlich perzipiert oder interpretiert werden. Ohne

hier sogleich dieser Frage im konkreten Fall nachzugehen, werden diese beiden Per­

spektiven zum Markteintrittsproblem nachstehend einander allgemein gegenüber­

gestellt.

3

4

5

6

Dies sind: Skalenerträge, Kapitalbedarf, Leasing, Konversionskosten, Bundling und Wartung.

Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 211.

Raytheon brachte in dieses Joint Venture seine 1953/54 begonnenen Entwicklungsarbeiten zum RAYCOM-Computer ein, aus denen später die Datamatic-1000 hervorging. HoneyweIl profitierte jedoch nicht nur vom Computer.Know how Raytheons, sondern die beiden Unternehmen konnten zusammengenommen auch einem Größenvergleich mit IBM und Sperry Rand standhalten. Vgl. Fisher, Manke & McKie (History), S. 68 ff.

Heller (HoneyweIl), S. 72.

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2.2. Gesamtperspektive: Zum wohlfahrtsökonomischen Stellenwert der Marktzutrittsmöglichkeit

In ihrer Relevanz für den "Wohlstand der Nationen" (Smith) kann die Bedingung

freien Marktzutritts bis in die nationalökonomische Klassik zurückverfolgt werden. In

der dort - als Reaktion auf den Merkantilismus und Feudalismus - geprägten Vor­

stellung wurde das Marktgeschehen in die Dichotomie von freiem Wettbewerb und

Monopol eingeteilt. Ein freier Wettbewerb unter den Marktteilnehmern stellt sich

ein, wenn die Möglichkeit freien Marktzutritts gegeben und die Nichtintervention des

Staates gewährleistet ist. Der sich unter diesen Bedingungen vollziehende Wettbe­

werbsprozeß, in dem die Wirtschaftssubjekte ein rivalisierendes Verhalten in Form

von Aktion und Reaktion an den Tag legen, bewirkt letztlich eine Egalisierung von

Marktpreis und "natürlichem Preis" (Smith) bzw. Kosten. Dieser langfristige Aus­

gleichsprozeß kann kurzfristig durch eine monopolistische Angebotsverknappung und

die damit einhergehenden Monopolgewinne beeinträchtigt werden. Jedoch werden

Monopole als unbedenklich angesehen, solange neue Wettbewerber gerade durch

diese Gewinne angelockt werden und einen ungehinderten Zugang zum Markt

haben, so daß die Monopolrenten eliminiert werden können 7. Insofern ist für die Klassik die Bedingung offener Märkte (d.h. leichten Marktein- und -austrittes) von

zentraler Bedeutung, da hierin die Gewähr für den Obergang von Monopol- zu

Wettbewerbsmärkten gesehen wird8. Die wirtschaftspolitische Konsequenz der klas­

sischen Vorstellung von der Wettbewerbsfreiheit bedeutete die Beseitigung merkan­

tilistischer Reglementierungen. Im Hinblick auf eine freie Marktzutrittsmöglichkeit

führte dies zur Aufhebung des Zunftzwanges und zur Einführung der Gewerbe­freiheit.

Ist es das Verdienst der Klassik, das Prinzip des freien Wettbewerbs für eine wohl­

fahrtsmaximierende Selbststeuerung der Wirtschaft herausgestellt zu haben, so wird

die Leistung der Neoklassik darin gesehen, daß sie im einzelnen aufzeigt, unter

welchen Bedingungen der freie Wettbewerb zu der behaupteten Harmonie von

Einzel- und Gesamtinteresse führt, d.h. wann Einzeltransaktionen funktional für die

allgemeine Wohlfahrt sind. Historisch betrachtet setzte diese Entwicklung zum Leit­bild der vollständigen Konkurrenz bereits in der Spätklassik ein, als die Voraus­

setzungen und staatlichen Rahmenbedingungen für freie Marktprozesse weitgehend

7

8 Vgl. Bartling (Wettbewerbspolitik), S. 10.

Vgl. Heuß (Wettbewerbstheorie), S. 62.

Page 40: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

25

realisiert waren9. Mit dem Wunsch einer Präzisierung der Marktpreisbildung ging

eine zunehmende Ausrichtung am statischen Gleichgewichtszustand an Stelle des

dynamischen Wettbewerbsprozesses einher: Unterstellt man die Wirtschaft als in

einem stationären Zustand befindlich, so ist die erste formale Voraussetzung für die

mathematische Ableitung des Preisgleichgewichtes im Monopolfall und im Modell

der vollkommenen Konkurrenz gegeben. Daneben waren - als zweite Voraussetzung

für eine mathematische Gleichgewichtsanalyse - zugleich die Merkmale der vollstän­digen Konkurrenz zu defirnerenlO. Um nunmehr von konstanten Marktgegebenheiten

ausgehen zu können, "mußte die Zahl der Marktteilnehmer so stark erweitert

werden, daß kein einzelnes Wirtschaftssubjekt mehr einen Einfluß auf die Preisbil­

dung hatte; der Preis wurde zum Datum. Die Einführung der Markttransparenz ließ

das Wechselspiel von Vorstoß und Nachahmung verschwinden ... ,,11.

Die in der Klassik betonte Marktzutrittsmöglichkeit trat also - wenngleich auf­

rechterhalten - gegenüber den neu hinzugekommenen "Vollkommeriheitsbedin­

gungen" der neo klassischen Preistheorie in den Hintergrund. Dieser Prozeß setzte

sich auch unter der Marktformenlehre fort: Zur Klassifikation der Marktformen und

Preisbildungsvorgänge, die zwischen den beiden Grenzfällen Monopol und atomi­

stische Konkurrenz anzusiedeln sind, wurden vornehmlich die Marktteilnehmerzahl

und die Homogerntät der Güter herangezogen12.

Verlor die potentielle Konkurrenz damit vorübergehend an Beachtung, so kehrt sie

nicht zuletzt mit der "contestable markets"-Theorie13 in den Mittelpunkt eines Wett­bewerbskonzeptes zurück: Mit diesem Ansatz wird der Nachweis geführt, daß sich

allokative Effizienz bereits dann einstellt, wenn nur der Marktzutritt und Marktaus­

tritt für potentielle Newcomer im Sinne der Theorie bestreitbarer Märkte14 frei ist,

ohne daß zugleich auch die übrigen Bedingungen vollkommener Konkurrenz erfüllt

sein müssen. Freie Marktzutrittsmöglichkeit im Sinne des Contestability-Konzeptes

besagt, daß der Eintritt zwar rncht frei von Kosten oder einfach zu bewerkstelligen

9 Vgl. Tuchtfeldt (Konzepte), S. 552.

10 Vgl. zu dieser Unterteilung der Annahmen in zwei Gruppen Schmidt (Wettbewerbstheorie), S. 5.

n Tuchtfeldt (Konzepte), S. 553. Zu einer umfassenden Auflistung der Modellprämissen der vollstän­digen Konkurrenz vgl. Bartling (Wettbewerbspolitik), S.3, und Schmidt (Wettbewerbstheorie), S.5 f.

12 Vgl. Woll (Volkswirtschaftslehre), S. 139.

13 Vgl. Baumol, Panzar & Willig (Contestable markets); Baumol (Contestable). Zu einer Darstellung der Kernaussagen und zu einer kritischen Würdigung des Contestability-Ansatzes vgl. Braulke (Contestable) sowie Spence (Review).

14 Treffender übersetzt von Neumann et al. (Wettbewerbspolitik), S. 7, mit Theorie der "jederzeit angreifbaren Marktpositionen" .

Page 41: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

26

ist, daß aber dem Newcomer keine Kostendiskriminierung gegenüber Etablierten

widerfahren darf: Einem neu eintretenden Wettbewerber dürfen keine Nachteile in

bezug auf die Produktionstechnologie oder die perzipierte Produktqualität ent­

stehen15. Ist zudem auch die freie Marktaustrittsmöglichkeit gegeben, d.h. kann der

Markt ggf. ohne Liquidationsverluste wieder verlassen werden, so ist der mithin

bestreitbare Markt für kurzlebige Newcomer ("hit-and-run entry") anfällig: Sogar sehr

kurzfristige Gewinnmöglichkeiten können von einem potentiellen Wettbewerber aus­

geschöpft werden, " ... for he can go in, and, before prices change, collect his gains and

then depart without cost, should the climate grow hostile.',16

Standen - wie geschildert - mit dem Übergang von der Klassik zur Preistheorie und

auch später - wegen der auftretenden Realisierungsprobleme des neoklassischen

Idealzustandes - in den Theorien unvollkommener Konkurrenz und wirksamen Wett­

bewerbs die "Vollkommenheitsprämissen" im Vordergrund, so kehrte sich dies im

"contestable markets"-Konzept also wieder um. Und mit der Hervorherbung der Ein­

und Austrittsbedingungen geriet der "perfect competition" nur noch zu einem Spezial­

fall der "perfect contestability"17. Angesichts der zwar wechselnden, aber dennoch in

allen theoriegeschichtlichen Epochen und unter allen Paradigmen seit der Klassik

auszumachenden Bedeutung des Marktzutritts potentieller Konkurrenten stellt sich

nun die Frage, wie sich das Markteintrittsproblem aus der Perspektive der Einzel­

unternehmung in der betriebswirtschaftlichen Literatur präsentiert.

2.3. Einzelperspektive: Betriebswirtschaftliche Entscheidungsfelder des Marktzutritts im Spiegel der Managementliteratur

Welche Probleme, die von einem potentiellen Newcomer zu bewältigen sind, können

dazu führen, daß der Markteintritt von den Betroffenen als schwierig empfunden

wird, obwohl die Zugangsbedingungen - wie im Fall der Datenverarbeitungsbranche -

von wettbewerbsrechtlicher Seite als unbehindert charakterisiert werden? Einen

ersten Eindruck über die Vielzahl der zu beachtenden Aspekte, der zu treffenden

Entscheidungen und abzuwägenden Möglichkeiten, die mit dem Markteintritt in

Zusammenhang stehen, vermittelt die einschlägige betriebswirtschaftliche Literatur:

15 vgI. Baumol (Contestable), S. 3 f.

16 Baumol (Contestable), S. 4.

17 VgI. Spence (Review), S. 981, und Baumol (Contestable), S. 4.

Page 42: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

27

Unter dem Stichwort "Starting a (small) business" liefern insbesondere die Abhand­

lungen zur Führung kleinerer und mittlerer Unternehmen18 sowie die allgemeine

Gründungsliteratur19 eintrittsrelevante Hinweise für Fälle, in denen der Markteintritt

mit einer Unternehmensgründung einhergeht. Neben praktischen Ratschlägen zur

Finanzierung sowie zu juristischen, organisatorischen und personellen Fragen wird

auf die strategische Dimension der Markt- und Produktentscheidung verwiesen20, die

gewöhnlich dem Marketingplan zugerechnet wird. Dem Existenzgründer werden Ent­

scheidungshilfen geboten, ob er sich durch eine originäre Neugründung oder durch

Akquisition eines bereits bestehenden Unternehmens im Markt engagieren so1l21.

Analog besteht auch für eine bereits existente Unternehmung, die den Eintritt in

einen neuen Markt plant, die Wahl zwischen direktem und indirektem Marktzutritt:

Entscheidet sich das Unternehmen für die direkte Zutrittsform, d.h. für die interne

Ausweitung seiner bisherigen Geschäftstätigkeit, so steht es zunächst vor dem Pro­

blem der Produktentwicklung, für dessen physische Dimension insbesondere das

FuE-Management angesprochen ist22. Hinsichtlich des gesamten Prozesses des Neu­

produktmanagements liefert die Marketingliteratur Vorschläge zu unterschiedlich

tief gegliederten Phasenschemata, die von der Identifikation von Chancen oder Neu­

produktkonzeptionen über verschiedene Realisierungs- und Testschritte bis hin zur

eigentlichen Produkteinführung reichen23. Für den Fall eines Akquisitionseintrittes

ergibt sich die Frage der Unternehmensbewertung und der Integration des Über­

nahmekandidaten24. Unternehmensstrategisch bedeutsame Aspekte des direkten

oder indirekten Marktzutrittes berührt das Schrifttum zur Diversifikation25. Zwischen

diesen beiden Extrempunkten der Markteintrittsformen liegen zahlreiche Mischfor-

18 VgI. z. B. Baumback (SmalI business), S. 461 ff., Hailes & Hubbard (Small business), S. 81 ff., und Broom, Longenecker & Moore (Small-business), S. 49 ff. Zu einem Phasenschema von der Produktkonzeption bis zu den Wettbewerberreaktionen vgI. Block & MacMillan (Milestones). Eine empirische Analyse der Probleme kleinerer, neugegründeter Unternehmen sowie in einer Region neu ansässiger Firmen findet sich bei Storey (Problems).

19 VgI. Szyperski & Nathusius (Probleme) und Nathusius (Venture), S. 40 ff.

20 VgI. Vesper (Venture), S.176, Szyperski & Nathusius (Probleme), S. 23 f., und Broom, Longen-ecker & Moore (Small-business), S. 51 f.

21 VgI. hierzu exemplarisch Tate, Megginson, Scott & Trueblood (Successful), S. 84 ff.

22 Siehe hierzu z.B. die Beiträge in Blohm & Danert (Entwicklungsmanagement).

23 Vgl. Booz, Allen & Hamilton (New products), O'Shaughnessy (Competitive), S. 157 ff., Pessemier (Product), Urban & Hauser (Design), sowie den Überblick bei Chaterji, Lonsdale & Stash (Development). Zu einem Beispiel aus der Handelsgastronomie siehe Kuhn (Voraussetzungen).

24 VgI. Mailandt (Bewertung), Yunker (Integrating) und Howell (Integrate).

25 VgI. Wittek (Diversifikation), Bühner (Strategie) und Biggadike (Risky).

Page 43: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

28

men wie Joint Ventures, Lizenznahme, Franchising etc.26• Einen weiteren Spezialfall

bildet schließlich die Erschließung internationaler Märkte, die in Publikationen zum

multinationalen Management thematisiert wird27. Wegen des nach wie vor aktuellen

Bezuges mehren sich hierunter die Analysen japanischer Offensivstrategien auf

amerikanischen und europäischen Märkten28, wie auch umgekehrt Veröffentlichun­gen zum Markteintritt in Japan29, wobei hier häufig die Handelshemmnisse im Vor­

dergrund stehen3O• Neben all diesen Problemen hat ein Newcomer ferner über den

geeigneten Eintrittszeitpunkt zu entscheiden: Soll er als erster Anbieter in einen

Markt eintreten oder empfiehlt es sich abzuwarten und die Pionierkosten (aber auch

-erträge) anderen Konkurrenten zu überlass~n? Dieser Fragestellung nach dem

Timing von Markteintritten wenden sich jüngst Beiträge aus dem Bereich des "strate­

gischen Marketing" zu31.

Wie dieser keineswegs abschließende Problemaufriß zeigt, widmet sich die betriebs­

wirtschaftliche Literatur einerseits operativen Durchführungsfragen, die für sich ge­. nommen schon erhebliche Schwierigkeiten beim Markteintritt bereiten können, ohne

daß es der "Fremdeinwirkung" bedarf, d.h. ohne eine Marktzutrittsbehinderung durch

etablierte Konkurrenten. Andererseits werden auch über die rein unternehmens­

interne, operative Abwicklung des Markteintritts hinausgehende Aspekte behandelt,

26 Eine Zusammenstellung von in der Literatur unterschiedenen Eintrittsformen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen findet sich bei Roberts & Berry (Entering), S. 5 ff. Zu einer mit anekdotischen Fallbeispielen belegten Darstellung in der Praxis bedeutsamer Eintrittsformen vgl. Vesper (Venture), S. 176·233.

27 Vgl. hierzu stellvertretend Caves & Mehra (Entry), Root (Foreign), Leontiades (Multinational), S. 109 Cf., und Channon & Jalland (Multinational), S. 175 Cf.

28 Vgl. hierzu neuerdings Kotler, Fahey & Jatusripitak (New competiton, S. 22 ff), die die japanischen Erfolge nicht nur auf kulturelle, organisatorische und institutionelle Besonderheiten zurückführen, sondern für die Umsetzung der Wettbewerbsfähigkeit in eine Marktdominanz insbesondere die Marketingstrategien verantwortlich machen. Zur erfolgreichen Eintrittsstrategie japanischer Unternehmen über ausgewählte Nischen vgl. ebenda, S.86 Cf, sowie Kotler & Fahey (Japanese), S. 442 Cf., und Pfeiffer (FuE-Management), S. 68 f.

29 Vgl. hierzu Simon (Markterfolg), Norbory & Bownas (Japan), Henderson (Foreign) und Abegglen (Strategy), S. 117 Cf.

30 So z. B. bei Müller & Köglmayr (Stolpersteine), die vermeintliche und tatsächliche Hemmnisse des Japangeschäfts einander gegenüberstellen. Zur Überbewertung protektionistischer Handelsbar­rieren und zur Behinderung durch kulturell bedingte Schwierigkeiten vgl. o.V. (Kimochi) und Murtha (Kimono).

31 Vgl. Remmerbach (Markteintrittsentscheidungen) und MeCfert & Remmerbach (Marketingstra­tegien), die stark an das Portersche Strategiekonzept und damit an die industrieökonomische Dis­kussion um die "first-" und "second-mover advantages" anknüpfen. Zu einem prägnanten Über­blicksartikel über bedeutende Industrial Organization-Beiträge zu den Vor- und Nachteilen von Pionierunternehmen vgl. insbesondere Lieberman & Montgomery (First-mover). Mit einem popu­lationsökonomischen Ansatz (anstelle des industrieökonomischen Paradigmas) wendet sich Lambkin (Order) diesem Thema zu.

Page 44: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

29

die vornehmlich die Markt- und Konkurrenzseite betreffen und demgegenüber als

untemehmensstrategische Dimension des .Markteintritts bezeichnet werden können.

Die Schwierigkeit des Zutritts zu neuen Märkten bemißt sich demnach sowohl nach

den unternehmensinternen Fähigkeiten zur Bewältigung der operativen Teilpro­

bleme als auch nach den marktseitigen Eintrittsrisiken und -problemen (im weitesten

Sinne). Sie kommt letztendlich zum Ausdruck in der internen Verzinsung des zu

investierenden Kapitals, die im Zuge der Vorbereitung der Eintrittsentscheidung

durch eine Investitionsrechnung zu bestimmmen ist.

2.4. Zur Verknüpfung von Einzel- und Gesamtperspektive: Unter­nehmensstrategie und Industrieökonomik

Wie kann nun eine Verknüpfung zwischen den zwar in beiden Fällen mit dem Markt­

eintritt befaßten (und zudem selbst sehr weit verzweigten) Disziplinen erfolgen, die

mit einzel- und gesamtwirtschaftlicher Perspektive jedoch offenbar unterschiedliche

Blickrichtungen verfolgen32 ?

Ein die volkswirtschaftliche und die betriebswirtschaftliche Betrachtungsebene

verbindendes Grenzgebiet der Nationalökonomie stellt - wie einleitend schon erwähnt -

die Industrial Organization oder Industrieökonomik dar, die eine gewisse Affinität zum

Konzept der Unternehmensstrategie aufweist. Diese Ähnlichkeit manifestiert sich in

zwei Aspekten: Zum einen ergeben sich Parallelen in inhaltlicher Hinsicht, was die

Branche als einen, wenn nicht den relevanten Umweltausschnitt anlangt (1); zum

anderen wird in beiden Fällen der Unternehmenserfolg bzw. das Markt- oder Wett­

bewerbsergebnis sowohl auf interne unternehmensbezogene Faktoren als auch auf

externe, d.h. umwelt- bzw. marktseitige Dimensionen zurückgeführt (2). Da im Ver­

lauf dieser Untersuchung der Verquickung von Industrial Organization und Unter­

nehmensstrategie für das Markteintrittsphänomen eine zentrale Bedeutung zu­

kommen wird, seien die genannten Berührungspunkte der beiden Teildisziplinen hier

vorab näher beleuchtet.

32 Nämlich: Operatives und strategisches Management des Markteintrittes versus wohlfahrtsökono­mische Marktzutrittsbedingungen.

Page 45: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

30

Ad (1) Die Branche als inhaltlicher Berührungspunkt von Industrial Organization

und Strategischem Management

Für unternehmensstrategische Entscheidungen gilt im Grunde, daß sie ein Unter­

nehmen in eine vorteilhafte Relation zu seiner Umwelt setzen sollen. Hier stellt sich

nun die Frage, wie die Umwelt inhaltlich konkreter gefaßt werden kann. Als strate­

gisch relevante Umweltausschnitte werden häufig Bereiche wie die gesamtwirtschaft­

liche Entwicklung (einschließlich der Konjunktur), die Branche, die Technologie, die

Konkurrenz, der Absatzmarkt, der Beschaffungsmarkt, der Kapitalmarkt und die

Gesetzgebung gesehen33• Diese Enumeration von Umweltsegmenten entbehrt nun

jedoch einer Systematik und Ordnung, durch welche die weniger bedeutsamen Teile

der Umwelt von den umnittelbar relevanten Teilen unterschieden werden können.

Eine solche Ordnung kann durch die Einteilung in generelle Umwelt und Aufgaben­

umwelt hergestellt werden. Diese Umweltgliederung geht zurück auf die (empirische)

Organisationsforschung zum Einfluß der Unternehmensumwelt auf die Organisa­

tionsstruktur und das Verhalten der Organisationsmitglieder: Als bedeutendste

Bestandteile der Aufgabenumwelt, d.h. als diejenigen Faktoren, die die Aufgaben­

erfüllung bzw. Zielerreichung der untersuchten Unternehmen am stärksten tan­

gieren, identifizierte Dill die Kunden, Lieferapten, Konkurrenten sowie regulative

Institutionen34• Ein weniger umnittelbarer Einfluß geht von der Makro-Umwelt aus:

Sie gibt die generellen Bedingungen oder Rahmenbedingungen an, die " ... für die

Leistungserstellung aller oder zumindest einer größeren Zahl von Unternehmungen

in einem geographischen RauI)1 von Bedeutung sind, ohne einen engen Bezug zu der

jeweiligen Unternehmensaufgabe zu besitzen ... ,,35. Als derartige Faktoren von all­

gemeiner Bedeutung werden von Hall die technologischen, rechtlichen, ökonomi­

schen, demographischen, ökologischen und kulturellen (Umwelt-)Bedingungen genannt36•

33 So z.B. bei GäIweiler (Unternehmensplanung), S. 333 ff.

34 Vgl. Dill (Autonomy), S. 424.

35 Kubicek & Thom (Umsystem), Sp. 3985. Ähnlich auch Osborn & Hunt (Environment) S.231 f.: ''The macro environment is the general cultural context of a specified geographical area and contains those forces recognized to have important influences on organizational charakteristics and outputs". Kubicek und Thom weisen an o.g. Stelle darauf hin, daß das Abgrenzungskriterium der Aufgaben- bzw. Zielorientierung nicht eindeutig zwischen relevanten und nicht relevanten Elemen­ten der Umwelt diskriminiert. Dennoeb geht man bei der Trennung von aufgabenspezifischer (und somit strategiespezifischer) und genereller Umwelt davon aus, daß sich diese beiden Umweltbe­reiebe in ihrem Relevanzgrad für einzelne Unternehmen unterscheiden, auch wenn die Diebotomie "relevant/niebt relevant" problematisch ist.

36 Vgl. Hall (Organizations), S. 298 ff.

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31

Diese Umweltklassifikation bleibt nun nicht auf die Organisationsforschung begrenzt,

sondern wird auch im Rahmen der strategischen Untemehmensplanung für die Syste­

matisierung der Umweltanalyse herangezogen. Analog wird hier - z.B. bei Thomas37 -

zwischen genereller Umwelt und "operating (or business) environment" unter­

schieden, wobei der generellen Umwelt die überformenden Hintergrundfaktoren im

nationalen oder globalen Kontext zugezählt werden. Als Konsequenz einer Umwelt­

analyse, die unternehmensstrategisch und somit an der Heterogenität einzelner

Wettbewerber ausgerichtet ist, beginnt sich jedoch hier der gleiche indirekte Einfluß

der Makro-Umwelt38 auf eine Vielzahl von Unternehmen aufzulösen: "The influence

of these factors is no doubt indirect and abstract, but since there is no homogeneity

among companies, each firm experiences different effects. Thus every firm must

contend with those facets of each influence which are most relevant to it."39 Trotz

dieser einsetzenden Individualisierung der Einflüsse einer gemeinsam geteilten gene­

rellen Umwelt bleibt andererseits jedoch die eigentlich spezifische, als "operating

environment" bezeichnete Umwelt bestehen, die sich aus den Interaktionspartnern

eines Unternehmens zusammensetzt und der Branche gleichkommt: "For all practical

purposes, the operating environment of an organization is considered to substantially

correspond to the sector or industry in which it functions.,,40

Sowohl in der Organistationsforschung wie auch in der Planungsliteratur wird somit

die Branche, die sich aus den Interaktions- bzw. Marktteilnehmern im weiteren Sinne

formiert, als der vorrangig bedeutsame Umweltausschnitt gesehen, dem bei der

Organisationsgestaltung bzw. Strategieformulierung Rechnung zu tragen ist41.

Ein Pendant zur betriebswirtschaftlichen aufgabenspezifischen Umwelt findet sich in

der nationalökonomischen und wettbewerbsrechtlichen Diskussion um die Abgren­

zung des relevanten Marktes, insbesondere in sachlicher Hinsicht. Obwohl die Preis­

theorie und die Wettbewerbstheorie hierzu einige Ansätze bereitstellen42, können

37 Vgl. Thomas (Environment al analysis).

38 Vgl. Hoffmann (Führungsorganisation), S. 99.

39 Thomas (Environmental analysis), S. 28.

40 Ebenda, S. 28.

41 Um auch die von Dill ermittelten Komponenten der Aufgabenumwelt unter der Branche subsumie­ren ZU können, sind jedoch die regulativen Institutionen dem generellen Umweltbereich zuzuord­nen. Vgl. zu dieser Korrektur Hoffmann (Führungsorganisation), S. 100 f.

42 Günther (Relevanter Markt, S. 4 Cf.) teilt diese Ansätze in drei Gruppen ein: Eine Marktabgren­zung nach dem Kriterium der physisch-technischen Ähnlichkeit bzw. nach der Produktionsverwand­schaft der Güter führt zur "industry" im Sinne Marshalls. Eine Abgrenzung nach den Substitutions­beziehungen hingegen - wie Z.B. von Chamberlin und Triffin verfolgt - setzt nicht an der Produk· tionsverwandschaft an, sondern bei der Verwendung der Güter. Die dritte Gruppe - mit den Ver·

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32

aufgrund der Individualität der Wettbewerbsprozesse allgemeine per se-Regeln nicht

angeboten werden43• Statt dessen ist die Bestimmung des relevanten Marktes

"speziellen fallbezogenen Marktstrukturuntersuchungen vorbehalten"44. Derartige

Marktstrukturanalysen sind - wenn auch nicht unbedingt vor wettbewerbsrechtlichem

Hintergrund - die Domäne des Industrial Organization, deren Anfänge als ein For­

schungsgebiet in seiner heutigen Ausprägung nach Porter eben in der Kontroverse um die ökonomisch bedeutsamste Untersuchungsebene liegen45• In dieser Kontroverse ging

es zunächst um die Streitfrage, wovon das zu erklärende Marktverhalten von Groß­

unternehmen, insbesondere deren Preis- und Produktionspolitik, überhaupt abhängt.

Die rein empirisch ausgerichteten Vorläufer der Industrial Organization analysierten

hierzu in ihren deskriptiven Untersuchungen die Geschichte und Entwicklung einzel­

ner Firmen und Branchen, wobei praktisch jeder wichtige Aspekt beschrieben werden

konnte46• Damit lag die Betonung auf der Einzigartigkeit der beschriebenen Firmen,

Produkte und Wettbewerbssituationen und auf deren Einflußfaktoren, so daß gene­

ralisierbare Schlußfolgerungen aus diesen Studien kaum gezogen werden konnten47•

Edward S. Mason, dem Begründer der Industrial Organization, schwebte hingegen

ein Bezugsrahmen von größerer Allgemeinheit vor, der seines Erachtens die Form einer

Klassifikation von Marktstrukturen annehmen mußte48• Er ging dabei von der Hypo­

these aus, daß von Unternehmen unter ähnlichen Marktbedingungen die Verfolgung

ähnlicher Politiken und Praktiken erwartet werden kann und daß die beobachtbaren

Verhaltensunterschiede durch sorgfältige Studien empirisch auszumachender

Marktstrukturunterschiede weitgehend erklärt werden können49• Unter dem Einfluß

tretern Eucken und Schneider - zieht zur Marktabgrenzung nicht mehr die 'objektiven Marktgege· benheiten als solche" (Günther, S.6) heran, sondern die subjektiven Planlegungen bzw. individu­ellen Wirtschaftspläne und somit das subjektive Verhalten der Unternehmen. Ein Überblick über bestehende Ansätze zur sachlichen Abgrenzung des relevanten Marktes findet sich auch bei Backhaus (Abgrenzung), S. 3 ff. Zu einer Diskussion der subjektiven gegenüber der objektiven Marktabgrenzung vgl. beispielsweise Beckmann (Abgrenzung), S. 116 ff.

43 Vgl. Roppmann (Abgrenzung), S.25, und Aberle (Relevanter Markt), S. 318. Aberle spricht des­halb von einem "Dilemma der Wettbewerbspolitik" (S. 316).

44 So das Ergebnis der Beratungen des Wirtschaftspolitischen Ausschußes des Deutschen Bundes­tages zur Kartellnovelle von 1%5, zitiert nach Aberle (Relevanter Markt), S. 317; "fallbezogen" im Original fettgedruckt.

45 Vgl. Porter (Interbrand choice), S. 1.

46 Vgl. Ray & Morris (Industrial Economics), die als beispielhafte Faktoren anführen: " ... the lives of the dominant personalities, the organizational structure of the business involved, the history of the [ums' product development, their merger and takeover activity, investment, employment, research and advertising policy, and their financing etc." (Ebenda, S. 7 f.)

47 Vgl. Ray & Morris (Industrial Economics), S. 8.

48 Vgl. Mason (policies), S. 61. 49 Vgl. Mason (Policies), S.69. Als weiteren Einflußfaktor auf die Geschäftspolitik nennt Mason

(Policies, S. 66 f.) neben den Marktzwängen noch unternehmensinterne Gegebenheiten, da Unter-

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33

von Chamberlins Theorie der monopolistischen Konkurrenz, welche die Aufmerk­

samkeit von der Branche auf die einzelne Firma lenkte50, konzipierte Mason die

Marktstruktur als auf den einzelnen Anbieter oder Nachfrager bezogen und als alle

Elemente umfassend, die bei der Festlegung der Unternehmenspolitik in "Erwägung

gezogen werden. Die Klassifikation von Marktstrukturen führt dann zu einer Grup­pierung von Firmen, die - ungeachtet ihrer Branchenzugehörigkeit - unter gleichen

oder ähnlichen Bedingungen operieren. Vergleichbare Marktsituationen werden

dabei im einzelnen spezifiziert durch die Produktmerkmale, Kosten- und Produk­

tionsmerkmale von Unternehmen, durch die Anzahl und Größenverhältnisse der

Anbieter und Nachfrager, durch die Schwierigkeit des Marktzutrittes sowie durch die

Nachfragebedingungen und Vertriebskanäle51. Aus einer Reihe von Beispielen leitet

Mason her, daß die Preispolitik von Großunternehmen ferner offenbar von der

Reifephase der jeweiligen Branche und von der Möglichkeit von Marktanteils­

gewinnen beeinflußt wird52. Aufgrund der Tatsache, daß diese Liste der Marktstruk­

turelemente jedoch keineswegs abgeschlossen ist, zeigt sich Mason selbst skeptisch,

ob die umfangreichen Daten zur Organisation der Wirtschaft durch eine Klassifika­

tion von Marktstukturen geordnet reduziert werden können53: "In consequence it

seems doubtful whether any useful generalizations can be made regarding the price

und production policies of large-scale enterprise without further specification as to the market situations which confront such firms.,,54

Diese Problematik aufgreifend wurde der firmenbezogene Marktstrukturansatz unter

Masons Schüler Joe S. Bain schließlich zum industriebezogenen Marktstrukturansatz

weiterentwickelt, um die von Mason aufgestellte Hypothese in branchenübergreifen­

den Querschnittsuntersuchungen statistisch testen zu können:

"If, after all, the number of attributes of market structure is very large for any firm, statistical testing goes out the window. Nearly every industry or class of firms is then structurally unique in so me respect ... and cross-sectional testing becomes unproductive. Every individual firm or industry becomes a case automatically self­explained by its singular total market structure or environment. In this event, the explanation of performances in terms of structures

nehmen seines Erachtens keine undifferenzierten gewinnmaximierenden Einheiten sind, die auf gegebene Marktsituationen ungeachtet ihrer internen Organistation reagieren.

50 Vgl. Hay & Morris (Industrial Economics), S. 9.

51 Vgl. Mason (Policies), S. 69.

52 Vgl. Mason (Policies), S. 70 - 72.

53 Vgl. Mason (Policies), S. 66.

54 Mason (Policies), S. 72.

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34

becomes at best an heuristic exercise, industry by industry, with no generalizations really in sight."55

In diesem Marktstrukturkonzept56 bezeichnet ein Industriezweig bzw. eine Branche

eine Untergruppe von Anbietern, die in einer engen Subsitutionsbeziehung stehende

Güter an eine gemeinsame Abnehmergruppe vertreiben57.

Mit dem Übergang vom firmenbezogenen zum industriebezogenen Marktstruktur­

ansatz nähert sich die Industrial Organization folglich der im Bereich des Strate­

gischen Managements betonten Branche als vordringlich relevantem

Umweltauschnitt an. Diese inhaltliche Gemeinsamkeit der beiden Teildisziplinen hin­

sichtlich der zutreffenden Analyseebene läßt sich mit den Gründen resumieren, die

Bain für die Beschäftigung mit der "Industrie" anführt: "The industry is the primary

foeus of competitve forces; it is its structure which primarily conditions enterprise

conduct and performance; it is the logical and convenient unit for study as we con­

sider the conduct and performance of enterprise.,,58

Ad (2) Methodische Parallelen: Ein Vergleich des industrieäkonomischen und

unternehmens strategischen Paradigmas

Läßt sich also durchaus eine prinzipielle Übereinstimmung industrieökonomischer

und unternehmensstrategischer Analyseobjekte bzw. Themenbereiche konstatieren,

so setzt eine wechselseitige Befruchtung beider Disziplinen jedoch auch eine ver­

gleichbare methodische Perspektive voraus. Die Frage lautet also, ob beide Bereiche

darin übereinstimmen, was durch die Umwelt bzw. durch die Branche erklärt werden

soll. Dieser Fragestellung wird hier durch den Vergleich des industrieökonomischen

und des unternehmensstrategischen Paradigmas nachgegangen. Hierzu werden die

beiden Ansätze an einem umfassenden Modell der Bestimmungs- bzw. Einflußfak­

toren des Unternehmenserfolges gemessen. Als Referenzmodell dient uns hierbei das

55 Bain (Stability), S. 40.

56 Bain (Industrial Organization), S. 6, hält auch im industriebezogenen Ansatz an dem Terminus Mcu*tstruktur fest, der - obwohl etwas umfassender ausgelegt - in seiner Bedeutung der Industrie­struktur ähnelt.

57 Vgl. Bain (Industrial Organization), S.6. Im Rahmen empirischer industrieökonomischer Unter­suchungen wird die Industriedefinition und -abgrenzung in der Regel nach einem KlassifIkations­system für industriestatistische Zwecke vorgenommen, z.B. nach dem amerikanischen System der Standard Industrial Classiflcation (SIe). Zu einer Darstellung und Diskussion der Probleme von KlassifIkationssystem vgL Needham (Analysis), S.22 - 28, Boyle (Industrial Organization), S. 3 f., Waterson (Theory), S. 2 f., und Kaufer (Industrieökonomik), S. 18 - 24.

58 Bain (Industrial Organization), S. 6 f.

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35

in Abb. 2 wiedergegebene Einflußfaktorenkonzept von Bourgeois & Astley, das mit

den Komponenten Umwelt, Organisationsstruktur, Untemehmensstrategie und

Unternehmenserfolg mit den Erklärungsmodellen anderer Autoren weitgehend

übereinstimmt59.

59 Vgl. z.B. Lenz (Determinants) oder White & Hamermesh (Model), welche die genannten Faktoren in ihren Erklärungsansätzen mit Bourgeois & Astley teilen. White & Hamermesh (Model, S. 214 ff.) führen unter Bezugnahme auf das Konzept der strategischen Gruppen innerhalb einer Branche als zusätzliche Einflußgröße die Unternehmensposition in einem Markt ein. Lenz (Determinants, S. 134 ff.) betont in seinem interdisziplinären Literaturüberblick, daß verschiedentlich neben der Organisationsstruktur mit der Qualität des Managements eine weitere unternehmensinterne Größe als erfolgsmaßgeblich herausgestellt wird. Diese Richtung schlägt auch der noch komplexere "7-S framework" der Beratungsgeselleschaft McKinsey & Co .. ein. Im Rückblick auf die Entstehung dieses Ansatzes berichtet Peters (Skills, S. 114 ff.), daß der Anstoß dazu von der Erkenntnis aus­ging, daß weder die Unternehmensstrategie noch die Organisationssturktur noch beide zusammen­genommen ausreichten, um (Erfolgs-)Unterschiede zwischen Unternehmen zu erklären. Ausge­hend von diesen beiden "S" ("Strategy", "Structure") wurde über einige Zwischenschritte schließlich das heutige 7-S-Konzept entwickelt. Hierin werden die harten Faktoren "Strategy", "Structure" und "Systems" ergänzt um die sogenannten weichen Erfolgsvariablen: "Style", "Shared values", "Stafr' und "Skills". Entgegen dem klassischen Primat der Unternehmensstrategie rücken dabei insbeson­dere die "Skills", also die distinktiven Kompetenzen eines Unternehmens, und die "Shared Values" bzw. die Unternehmenskultur in den Vordergrund: "The driving variable in the model, which creates the pre-conditions for effective strategizing is, above all, skills. Strategy is the dependent variable, operable at a lower level in the business." Peters (Skills), S. 121. Für den hier vorzuneh­menden Paradigmenvergleich genügt jedoch das enge Referenzmodell mit den klassischen Erfolgs­determinanten. Denn unser Interesse ist auf die methodische Vergleichbarkeit des industrieöko­nomischen und des unternehmensstrategischen Konzeptes gerichtet, während der 7-S-Ansatz das Strategiemodell ja überhaupt in Frage stellt - ebenso wie das nur auf die harten Faktoren zurück­greifende Eintrittsbarrierenkonzept: "Die Wirtschaftswissenschaftler sprechen von 'Eintrittsbarrie­ren', die überwunden werden müssen, um in einer Branche als Wettbewerber auftreten zu können. Wie so häufig, verleitet das rationale Modell auch hier dazu, 'harte' und 'weiche' Elemente zu ver­wechseln. Die wichtigsten Eintrittsbarrieren stellen wir uns gewöhnlich aus Beton und Metall vor -der Investitionsaufwand für den Bau von Zusatzkapazitäten für das Zukunftsprodukt. Angesichts der Daten über die exzellenten Unternehmen sind wir jedoch zu dem Schluß gelangt, daß diese Vorstellung in der Regel völlig falsch ist. Die wirklichen Eintrittsbanieren silld 75 Jahre Illvestitioll bei IBM, damit Hunderttausende von MelIscI,eIl den S,ervice, die Qualität und die Lösung der Kunde11-probleme zu ihrem persönlicheIl Anliegen macllen, oder auch 150 Jahre Investition in Qualität bei P&G. Das sind die wahrhaft unüberwindlichen 'Eintrittsbarrieren', sie beruhen auf einer Bindung menschlichen Kapitals in unerschütterlichen Traditionen von Service, Zuverlässigkeit und Qualität." Peters & Waterman (Spitzenleistungen), S. 216. Vgl. auch Peters & Austin (Passion), S. 44.

Page 51: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

36

~--------------------------------, , , , , , , , I \ r-I strate--'gie 1 '

.----- j" . ---------1111/// Organisations- ~ struktur

1 . / I 1 L ________________________________________ J

= Haupteffekt

= sekundärer Effekt

----------~ = schwächere Rückwirkung

Abb.2,: Einflußfaktoren und Wirkungszusammenhänge des Unternehmenserfolges

Quelle: nach Bourgeois & Astley (Stategic model), S. 44

(a) Einordnung der Industrieäkonomik in das ReJerenzmodell

Industrial Organization bezeichnet " ... die von der Theorie geleitete empirische

Forschung zur Organisation und Struktur der Industrie im weitesten Sinne.,,60 Die mit

diesem Erkenntnisziel vorgenommenen empirischen Untersuchungen unterscheiden

im allgemeinen zwischen Elementen der Marktstruktur, des Marktverhaltens und des

Marktergebnisses. Wie bereits erwähnt, versprach sich Mason von der Durchführung

einer Vielzahl von Fallstudien einzelner Industriezweige, zu einer Klassifikation von

Marktstrukturen und unternehmerischen Verhaltensweisen zu gelangen. Er ging

dabei von der Hypothese aus, daß das Marktergebnis eines Unternehmens weit­

gehend durch die Struktur des Marktes, in dem es operiert, erklärt werden kann61.

60 Neumann (Industrial Organization), S. 645,

61 Vgl. Bain (Stability), S. 39.

Page 52: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

37

Diese Hypothese, nach der die Marktstruktur das Marktverhalten und dieses

wiederum das Marktergebnis determiniert, ging in die Literatur als das traditionelle

oder deterministische Industrial Organization-Paradigma ein (vgl. Abb. 3). Da demzu­

folge das Marktverhalten lediglich die Marktstruktur widerspiegelt, d.h. Unterneh­

men ihre Verhaltensweisen bzw. ihre Geschäftspolitik der Marktstruktur anpassen,

wird aufgrund der lediglich prozeßerläuternden Bedeutung des Marktverhaltens

häufig direkt die Relation Marktstruktur-Marktergebnis betrachtet62.

Marktstruktur (strueturel

",.------------ ...... , / ,

I Marktverhalten ~ ----) (conduct bzw. ~

behaviorl

Marktergebnis (performance I

Abb.3: Das deterministische Industrial Organization-Paradigma

Quelle: In Anlehnung an Porter (Contributions), S. 611

Kritik erfuhr das traditionelle Paradigma aufgrund der einseitigen Kausalbeziehung

zwischen den betrachteten Variablenkategorien. So bemängeln die behaviori.stischen Vertreter der Industrieökonomik, daß die Marktstruktur nicht als unabhängige

Variable betrachtet werden kann, die exogen vorgegeben ist, sondern ihrerseits vom

Marktverhalten und Marktergebnis beeinflußt wird63. Es resultierte ein revidiertes

Industrial Organization-Paradigma, das (konzeptionell) entsprechende Interdepen­

denzen beinhaltet64 (vgl. Abb. 4).

62 Vgl. Schreyögg (Unternehmensstrategie), S.52. Neben dieser Marktstruktur-Marktergebnis·Scltule macht McKie (Function, S. 3 f.) innerhalb der Industrieökonomik eine andere Strömung aus, die den Zusammenhang von Marktstruktur und Marktverltalten beleuchtet. Für einen Paradigmenver­gleich sind jedoch diese Verkürzungen der untersuchten Zusammenhänge nicht von Bedeutung, da ein Paradigmenwechsel auf industrieökonomischer Seite hiermit nicht vorliegt. Hinsichtlich der Priorität, die verschiedene Autoren den Merkmalsgruppen Struktur, Verhalten und Ergebnis ein­räumen, sei hier nur auf die Zusammenstellung in Poeche (Competition), S. 17 ff., verwiesen.

63 Vgl. Phillips (Structure), S. 26 Cf.

64 Vgl. Scherer (Industrial), S. 1 - 7.

Page 53: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

38

,..------ ------ .... / ,

r--------,..: ,,----------,

Marktstruktur ~ Marktverhalten ~ Marktergebnis f-- 'f--

Abb. 4: Das interdependente Industrial Organization-Paradigma

Quelle: In Anlehnung an Porter (Contributions), S. 616

In dieser industrieökonomischen Dreiteilung der Analyse des Marktgeschehens

bezeichnet die Marktstruktur die relativ stabilen Eigenschaften eines Marktes, die das

Marktverhalten von Unternehmen beeinflussen, umgekehrt aber von kurzfristigen

unternehmerischen Entscheidungen und Maßnahmen nicht tangiert werden65. Diese

Elemente der Markt- bzw. Branchenstruktur66 sind - wie bereits oben herausgestellt -

Bestandteil der relevanten Unternehmensumwelt (Aufgabenumwelt).

Das Marktverhalten ganzer Branchen bzw. einzelner darin angesiedelter Unterneh­

men beschreibt die Firmenpolitik hinsichtlich zentraler Entscheidungsparameter wie

Preis, Produktionsmenge, Produktcharakteristika, Vertrieb sowie Forschung und

Entwicklung, wobei diese Politiken nicht nur die Kundenseite, sondern auch die

Konkurrenz in Rechnung stellen67• Da überdies insbesondere im neueren interde­

pendenten Paradigma das Marktverhalten nicht mehr als bloße Anpassung an vorge­

gebeneStrukturen gesehen wird, sondern prinzipiell auch die Möglichkeit der aktiven

Gestaltung und der Einflußnahme auf Marktstrukturen eingeräumt wird, können -

grob gesprochen - Marktverhalten und Unternehmensstrategie synonym verwendet werden68•

Die Marktergebniskategorie des Industrial Organization-Paradigmas stellt zwar letzt­

lich auf gesamtwirtschaftliche Wohlfahrts aspekte ab und wird operationalisiert durch die Ergebnisnormen der allokativen und produktiven Effizienz (gemessen durch die

65 Vgl. Caves (Industry), S. 17, und McKie (Compass), S. 2.

66 Als wichtigste Dimensionen der Marktstruktur nennt Bain (Industrial Organization, S. 7), ein Ver­treter der Marktstruktur-Marktergebnis-Schule, den Grad der Angebots- und Nachfragekonzentra­tion, den Grad der Produktdifferenzierung sowie die Marktzutrittsbedingungen. Vgl. auch Grether (History), S.85. Während für den Zweck der Beurteilung und Vorhersage des Marktergebnisses anhand der Marktstruktur eine solche, relativ einfache Spezifizierung genügen mag, erfordert die Analyse des Marktverhaltens jedoch eine komplexere Beschreibung der Marktstruktur. Vgl. hierzu McKie (Function), S. 9 ff.

67 Vgl. Caves (Industry), S. 50 f.

68 So auch Porter (Contributions), S. 611.

Page 54: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

39

Gewinnrate der Unternehmen), des technischen Fortschritts, der Vollbeschäftigung und der gerechten Einkommensverteilung69; jedoch ist es bezeichnend für die Indu­strieökonomik, daß das aggregierte Marktergebnis heruntergebrochen wird auf die

einzelne Unternehmung: "Since this economy-wide performance emerges mainly

from the independent actions of many private enterprises, we should also be aware

that how well the economy performs depends strongly on the perfonnance o[ the business finns.,,70

Bezogen auf das gewählte Referenzmodell (Abb. 2) berücksichtigt das Industrial

Organization-Paradigma somit das Beziehungsgefüge zwischen Umwelt, Unterneh­

mensstrategie und Unternehmenserfolg. Lediglich Fragen der internen Organisation

eines Unternehmens haben sich darin nicht niedergeschlagen, obwohl von Mason als

für die Analyse der Geschäftspolitik einer Firma als bedeutungsvoll hervorgehoben71.

(b) Einordnung des Strategiekonzeptes in das Re[erenzmodell

Anders als im Falle der Industrieökonornik wird im Rahmen des Strategischen

Managements im allgemeinen nicht von dem herrschenden Paradigma gesprochen.

Es besteht hier deshalb die Notwendigkeit, zunächst eine solche Leitvorstellung zu identifizieren, die bei aller Verschiedenheit einzelner Strategiekonzepte dennoch als

allgemein anerkannt gelten kann. Einen Grundgedanken der Lehre von der Unter­

nehmensstrategie, der den Stellenwert eines Paradigmas einzunehmen vermag, bildet

das "concept of fit". Dies zeigt sich an den von Venkatraman & Camillus herausge­

schälten Fit-Perspektiven, die sich in den vielfältigen Strategieansätzen der verschie­

densten Schulen wiederfinden 72: Nach deren Systematik ist die an den abzustimmen-

69 Vgl. Scherer (Industrial), S. 3 f., und Caves (Industry), S. 66 - 83.

70 Bain (Industrial Organization), S. 1.

71 Vgl. Mason (policies), S.66 f. Auch wenn sich die Qrganisationsstruktur nicht zu einer expliziten und eigenständigen Kategorie im Rahmen des Industrial Organization-Paradigmas herausgebildet hat, sind organisatorische Belange dennoch Gegenstand industrieökonomischer Forschung. Mit der vertikalen Integration und dem Transaktionskostenansatz werden beispielsweise Fragen der Orga­nisationsform von Unternehmen aufgeworfen. Vgl. hierzu Williamson (Hierarchies). Zu einem Überblick über die Diskussion der geeignetsten Organisationsstruktur siehe Jacquemin (Industrie­ökonomik), S. 116 ff., sowie insbesondere zur Beziehung zwischen Organisationsform und Marktstrategien ebenda, S. 130 ff. Zum Beitrag des Transaktionskostenansatzes zum Strategischen Management siehe auch Teece (Economic analysis), S. 98 ff. Unter den "klassischen" Industrieöko­nomen befaßt sich Caves (Industrial Organization, S.64) mit der Unternehmensorganisation. Allerdings bezieht er sich in diesem Übersichtsartikel nicht auf die Industrial Organization, sondern berichtet für einen nationalökonomischen Leserkreis über Forschungsergebnisse zur Untern eh­mensstrategie und aus dem Bereich der Organisationstheorie.

72 Vgl. Venkatraman & Camillus (Exploring), S. 515 ff.

Page 55: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

40

den internen und/oder externen Elementen selbst interessierte inhaltliche Schule von

der prozessualen Schule zu unterscheiden73• Letztere fragt nach Wegen, wie die anzu­

strebende Übereinstimmung bzw. der Abgleich interner und externer Elemente

erreicht werden kann (process of fit). Ähnlich sehen Miles & Snow den Fit einerseits

als Zustand, andererseits als Prozeß: "Fit is a process as well as astate - a dynamic search that seeks to align the organization with its environment and to arrange resour­

ces internally in support of that alignment. In practical terms, the basic alignment mechanism is strategy, and the internal arrangements are organization structure and management processes."74 Die Inhalte betreffend, die es nach Miles & Snow abzu­

stimmen gilt, sind die beiden Autoren der integrierten Formulierungs-/lmplementie­

rungsschule zuzurechnen, deren Anliegen sowohl eine umweltadäquate Strategiefor­mulierung wie eine strategiegerechte Organisationsgestaltung ist75. Denn nur wenn

ein minimaler Fit zwischen internen und auch externen Elementen vorliegt, ist das Überleben des Unternehmens gewährleistet. Bei Erzielung eines engen Fit hingegen

kann ein Unternehmen mit einem exzellenten Ergebnis aufwarten76.

Diese integrierte Schule deckt die Einflußfaktoren auf den Unternehmenserfolg, die

das herangezogene Referenzmodell von Bourgeois & Astley (Abb. 2) ausweist, voll­

ständig ab und geht damit über die Industrieökonomik hinaus. Ein Erklärungsmuster, das mit dem der Industrial Organization übereinstimmt, ist hingegen im Falle der

StrategieJonnulierungsschule gegeben, nach der es gilt, Unternehmensstrategie und Umweltbedingungen in Einklang zu bringen77.

Bezüglich des methodischen Vergleichs der beiden Paradigmen bleibt festzuhalten,

daß der Fit-Gedanke sowohl in der Industrieökonomik als auch in den Ansätzen zur strategischen Unternehmensführung vorherrscht, wenngleich das "concept of strategy"

in der Ausprägung der integrierten Formulierungs-/lmplementierungsschule mit der

Einbeziehung unternehmensinterner Gestaltungsfragen und Gegebenheiten umfas­

sender angelegt ist. In diesem Sinne kann abschließend mit Porter konstatiert wer-

73 Siehe auch den Überblick bei Bourgeois (Strategy), S. 28 ff.

72 Miles & Snow (Fit), S. 11.

75 Vgl. Venkatraman & Camillus (Exploring), S. 518.

76 Vgl. Miles & Snow (Fit), S. 16.

77 Vgl. Venkatraman & Camillus (Exploring), S. 515 ff. Etwas anders gelagert ist schließlich noch der Erklärungsansatz der sog. Strategieimplementienmgsschule, die dem Fit zwischen Strategie und Organisation Priorität in der Frage der Erfolgsbedingungen einräumt. Vgl. ebenda, S. 517 f.

Page 56: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

41

den, daß die Industrieökonomik nicht für alle Problemfelder der Unternehmensstra­

tegie einen Beitrag zu leisten vermag, " ... but it clearly helps with one.,,78

Ist also für den überlappenden Bereich mikroökonomischer und unternehmensstrate­

gischer Themen mit der Industrieökonomik ein beide Disziplinen verbindendes

Paradigma ausgemacht, können nun die konkreten Problem/eIder identifiziert werden, welche die Strategieforschung zu klären hat, wenn sie das industrieökonomische Ein­

trittsbarrierenkonzept zur Beurteilung der Marktzutrittsschwierigkeit heranzieht.

Ein erstes Problemfeld bilden die konträren Vorstellungen verschiedener national­ökonomischer Schulen über die Verwendung des Eintrittsbarrierenbegriffes. Im

Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist es dabei angebracht, die Vielfalt der ver­tretenen Positionen auf die beiden zentralen Standpunkte zu reduzieren: Zum einen

werden - aus einer normativen Perspektive - nur bestimmte Eintrittshemmnisse als Eintrittsbarrieren anerkannt, während andere Vertreter - von einem deskriptiven

Standpunkt aus - alle Schwierigkeiten des Markteintrittes als Eintrittsbarrieren werten.

Ein zweites Problemfeld besteht im Zusammenhang mit dem ursprünglichen indu­

strieökonomischen Determinismus, der zu einem strukturalistischen Eintrittsbarrie­

renkonzept fÜhrte. Erst mit der Eliminierung dieses Strukturdeterminismus konnten strategische Eintrittsbarrierenmodelle entstehen, die nunmehr - auch unter dem Ein­

fluß der Kritik an der Limitpreis-Theorie - anstelle der strukturellen Barrieren die

zutrittsbehindernden Verhaltensweisen bzw. Strategien etablierter Wettbewerber in

den Vordergrund rückten.

2.5. Die Problemfelder einer unternehmensstrategischen Eintritts­barrierenanalyse vor dem Hintergrund der Industrieökonomik

2.5.1. Wohlfahrtsökonomischer versus handlungstheoretischer Eintrittsbarrieren­

begriff

Trotz der aufgezeigten inhaltlichen und methodischen Parallelen zwischen der

Industrial Organization und dem Konzept der Unternehmensstrategie verbleiben

dennoch bedeutende Divergenzen, die der Realisation vorhandener Synergien lange

78 Porter (Contributions), S. 611.

Page 57: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

42

Zeit entgegenwirkten79. Ein "Dilemma", das uns oben bereits in Form der eher

gegensätzlichen gesamtwirtschaftlichen und individuellen Einschätzung der Marktzu­

trittsbedingungen zum EDV-Markt begegnete, besteht in den konträren unterneh­

mensstrategischen und national- bzw. industrieökonomischen Zielvorstellungen. In

beiden Fällen betrifft die zentrale Frage zwar die Art und Intensität des Wett­

bewerbs. Jedoch divergiert - wie von Jacquemin herausgestellt - die Zielrichtung die­

ser Frage je nach Fragesteller: "Aus der Perspektive des Staates geht es darum festzu­

stellen, ob die spontanen Wettbewerbskräfte, die den fraglichen Markt kennzeichnen,

zu einer effizienten Ressourcenallokation und zu einer gesellschaftlich akzeptablen

Verteilung führen oder nicht. Aus der Sicht des Unternehmens ist es hingegen wich­

tig zu wissen, ob die tatsächliche oder potentielle relative Marktposition hinreichend

differenziert, beschützt, also 'unvollkommen' ist, um daraus einen angemessenen

Gewinn zu schlagen."SO So liegt es auf der einen Seite im Interesse einer einzelnen

Unternehmung, durch geeignete Strategien Markteintrittsbarrieren aufzubauen, um

sich dadurch gegenüber neuen Konkurrenten abzuschirmen, d.h. um letztendlich den

(potentiellen) Wettbewerb zu beschränken. Auf der anderen Seite beurteilt die Indu­

strieökonomik das Marktergebnis und die dafür verantwortlichen Elemente der

Marktstruktur im Hinblick auf das gesamtwirtschaftliche Wohljahrtsoptimum81. Damit

besteht zwischen dem einzelwirtschaftlichen bzw. unternehmensstrategischen Stand­

punkt und der industrieökonomischen bzw. normativen Perspektive offenbar ein

grundsätzlicher Interessengegensatz. Diese konträren Interessenlagen haben wie­

derum Konsequenzen für den Eintrittsbarriereribegriff, was unten am divergierenden

Eintrittsbarrierenverständnis der Harvard und der Chicago School deutlich werden

wird82•

Zunächst ist aber die Gleichsetzung von Industrieökonomik und Wohlfahrtsperspek­

tive keineswegs unstrittig. So weist z.B. Kaufer83 auf die Unterscheidung von positiver

79 Vgl. zu dieser Kluft zwischen der Industrieökonomik und dem Strategiekonzept sowie zu deren Überbrückung den programmatischen Aufsatz von Porter (Contributions), der den Beitrag der Industrial Organization zum Strategischen Management untersucht. Ein ähnliches Anliegen ver­folgt auch Teece (Economic analysis). Zur Entwicklung und Annäherung der beiden Forschungs­richtungen vgl. ferner Porter (Evolution).

80 Jacquemin (Industrieökonomik), S. 10.

81 In diesem Sinne wirken - der neoklassischen Argumentation folgend - eher niedrige Eintrittsbar­rieren wettbewerbs- und wohlfahrtssteigernd, da sie das Auftreten neuer Wettbewerber gestatten und disziplinierende Kräfte hervorrufen, welche bereits von nur drollenden Markteintritten ausgehen.

82 Die Harvard und die Chicago School widmen sich zwar beide der wohlfahrtsökonomischen Frage· stellung, jedoch vertritt die Harvard School hierbei eine Wettbewerbsdoktrin, die zu einem mehr einzelwirtschaftlichen Eintrittsbarrierenbegriff führt. Vgl. hierzu ausführlich Kap. 4, S. 199 ff.

83 Vgl. (Industrieökonomik), S. 8 - 10.

Page 58: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

43

und normativer Industrial Organization hin und kritisiert eine unzutreffende Aus­

legung von Mason und Bain: Bei diesen stehe " ... die Analyse industrieller Marktpro­

zesse, nicht aber deren Charakterisierung in wettbewerblich oder nicht im Vorder­

grund."84 Für die Anfänge der Industrieökonomik kann eine solche positive Akzen­

tuierung jedenfalls bejaht werden, ging es doch um die Vermehrung des faktischen

WISsens über Branchen und Märkte85. In einer Würdigung des Einflußes von Bain auf

die Industrial Organization-Forschung stellt Shepherd allerdings heraus, daß dieser

neben den positiven Aspekten auch die normative Seite in die Industrieäkonomik

einbrachte86.

Primär untersucht Bain jedoch, wie etablierte Anbieter bestehende strukturelle Ein­

trittsbarrieren mittels geeigneter Verhaltensweisen (Limit Pricing) dazu benutzen

können, den Markteintritt von Newcomern zu verhindern. Dies verbindet er nicht

jeweils mit der Frage nach etwaigen Wohlfahrtsverlusten oder Effizienzgewinnen.

Denn hinter seiner Eintrittsbarrierenkonzeption steht ein wohlfahrts- und wettbe­

werbstheoretisches Leitbild, das Eintrittsbarrieren grnndsätzlich als antikompetitiv

erachtet87. Diese Sichtweise bringt es mit sich, daß Bain Eintrittsbarrieren nur noch

in deskriptiv-analytischem Sinne gebraucht. Er untersucht aus dem Blickwinkel

gewinrunaximierender Oligopolisten die Bedingungen, unter denen diese einen Preis

über dem Wettbewerbsniveau festsetzen können88 und somit eine über die Normal­

verzinsung des investierten Kapitals hinausgehende Monopolrente erzielen können,

ohne dadurch neue Wettbewerber auf den Plan zu rufen. Hierin sehen Vertreter der

Harvard School, der auch Bain zuzuzählen ist, eine Ausübung von Marktmacht.

84 Kaufer (Industrieökonomik), S. 10.

85 Vgl. McKie (Function), S. 3.

86 Vgl. Shepherd (Influence), S. 12 f. Bain (Industrial Organization, S. 4) später selbst zum funktions­fähigen Wettbewerb: "Because of our ultimate interest in public policy this exploration is heavily oriented toward identifying those types of structure and conduct which are and are not likely to be associated with a socially satisfactory business performance. In currently popular terminology, we seek to identify the sorts of structure and conduct which are and are not conducive to workable competition."

87 Dieses Leitbild besteht in der Marktkonzentrationsdoktrin der Harvard School, nach der über­durchschnittliche Unternehmensgewinne auf die Kollusion unter Wettbewerbern zurückgeführt werden, die wiederum durch eine hohe Konzentrationsrate begünstigt wird. Dementsprechend lauten Bains wettbewerbspolitische Schlußfolgerungen: Da - seiner empirischen Untersuchung zufolge - Industriezweige, deren Eintrittsbarrieren als "hoch" klassifiziert wurden, im Durchschnitt signifikant höhere Gewinnraten (excess profit) und eine stärkere monopolistische Outputbegren­zung aufwiesen als Branchen mit mittleren oder niedrigen Eintrittsbarrieren, empfiehlt Bain hier wettbewerbspolitische Maßnahmen zur Reduzierung der Eintrittsbarrieren. Er verspricht sich hier­von eine Verbesserung des Marktergebnisses. Vgl. Bain (Barriers), S. 208 f. Diese Vorstellung, daß die Senkung von Eintrittsbarrieren zu besseren Marktergebnissen führt, ist Ansatzpunkt der weiter unten ausgeführten Kritik seitens der Chicago Schoo!.

88 D.h. über dem Gleichgewichtspreis bei atomistischer Konkurrenz.

Page 59: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

44

Ganz anders hingegen die Argumentation der Chicago School, die berücksichtigt, daß

es ja durchaus wünschenswert sein kann, daß keine neuen Marktteilnehmer eintreten,

selbst wenn im Extremfall nur ein monopolistischer Anbieter existiert. Denn sofern

dieser den Markt bereits effizient versorgt, stellt sich die Frage nach dem Eintritt

neuer Wettbewerber und nach den Marktzutrittsbedingungen nicht. Und die Merk­

male der Branchenstruktur, die die Harvard-Schule als Eintrittsbarrieren bezeichnet,

interpretiert man "in Chicago" als Kennzeichen ökonomischer Effizienz. Dement­

sprechend führt die Chicago School überdurchschnittliche Gewinne nicht auf das

Vorliegen von Marktrnacht und auf eine -Beschränkung der potentiellen Konkurrenz

zurück, sondern auf überlegene Fähigkeiten im Wettbewerb. Für die Existenz von Ein­

trittsbarrieren ist daher für Chicago-Vertreter - im Gegensatz zur Harvard-Schule -

nicht allein die Tatsache maßgeblich, daß neue Marktteilnehmer am Marktzugang

gehindert werden. Statt dessen soll und kann ihres Erachtens von Eintrittsbarrieren

nur dann gesprochen werden, wenn ejflZientere Newcomer ferngehalten werden. Inso­

fern beurteilen Chicago-Vertreter Eintrittsbarrieren unter Effizienzaspekten aus

einem nonnativen Blickwinkel. Ob ein konkretes Eintrittshemmnis tatsächlich eine

Eintrittsbarriere darstellt, erschließt sich allein aus der Auswirkung auf die Konsu­

mentenwohlfahrt. Diese kann sowohl positiv als auch negativ betroffen sein, wobei

Chicago-Vertreter nur im letztgenannten Fall die Existenz einer Marktzutritts­

schranke anerkennen.

Bain und die Harvard-Schule nehmen mit der deskriptiven Analyse von Marktzutritts­

hemmnissen folglich eher den einzelwirtschaJtlichen untemehmensstrategischen Stand­

punkt ein, da die gesamtwirtschaftliche Beurteilung von Eintrittsbarrieren im Grund­satz bereits vorentschieden ist. Die Chicago-Schule gebraucht demgegenüber -

EjflZienz- und Wohlfahrtsaspekte in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen rückend -

einen nonnativen Eintrittsbarrierenbegriff.

Diese knappen Ausführungen zeigen bereits, daß der Beurteilung von Markteintritts­

barrieren aus einzel- und gesamtwirtschaftlicher Perspektive unterschiedliche Nonnen

zugrunde liegen können. Damit kann bereits die Aussage getroffen werden, daß die

eingangs gegenübergestellten divergierenden Einschätzungen der Marktzutrittsbe­

dingungen zum EDV-Markt89 offenbar auf unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe zurückzuführen sind. Aus diesem Grunde gilt es im weiteren, vor dem Hintergrund

der skizzierten nationalökonomischen Eintrittsbarrierenkontroverse einen strategie­

relevanten bzw. -adäquaten Eintrittsbarrierenbegriff zu entfalten.

89 Vgl. oben, S. 22 f.

Page 60: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

45

Als Ausblick auf den generellen Weg, der im Zuge der Übertragung industrieökono­

mischer Ansätze und Erkenntnisse auf die Strategieforschung beschritten wurde,

kann uns die Darstellung der eingeschlagenen Vorgehensweise durch Teece dienen:

"The trick that has been used to apply this paradigm (gemeint ist das industrieöko­

nomische Paradigma) to strategie analysis is to treat the normative theory of industrial

organization as a positive theory of strategie management. The principal focus becomes not one of how to select antitrust and regulatory policies to increase consumer

welfare by enhancing competition but rather how to increase profits (and, if

necessary, reduce consumer welfare) by containing or restrieting competition."9O

2.5.2. Strukturelle versus strategische Eintrittsbarrierenkonzeption

Aus dem vorstehenden Hinweis von Teece geht hervor, daß das größere Potential für

die Strategieforschung bzw. für das Strategiekonzept in der von Bain geprägten

handlungstheoretischen Eintrittsbarrierenkonzeption liegt. Allerdings wirft der auf

Bain zurückgehende Ansatz ein zweites Problemfeld für ein unternehmensstrategi­

sches Eintrittsbarrierenverständnis auf. Denn im Sinne des deterministischen tradi­

tionellen Industrial Organization-Paradigmas können Markteintrittsbarrieren, die ja

als Strukturelemente begriffen werden, nur als Determinanten des Marktverhaltens

etablierter Anbieter und neuer Wettbewerber gelten. Diese Vorstellung einer von

strukturellen und von exogen vorgegebenen Eintrittsbarrieren determinierten Ver­

haltensweise deckt sich nun aber nicht mit dem Grundgedanken des Strategiekon­

zeptes, das ja gerade auf der Idee des Handlungsspielraums und damit auf der Inde­

terminiertheit von Unternehmensstrategien basiert91.

Wie bereits gezeigt, wich der strukturelle Determinismus im neueren Industrial

Organization-Paradigma einer Interdependenz von Marktstruktur und Marktverhal­

ten. Das bedeutete zugleich, daß Marktstrukturen nicht mehr als exogene Größen zu

betrachten sind, sondern dem Einfluß der Wettbewerbsstrategien von Marktteilneh­mern unterliegen.

90 Teece (Economic analysis), S.94; hinzugefügte Hervorhebung. Etwas schwächer räumt Porter (Contributions, S.612) ein, daß das Wissen über die Ursachen von Eintrittsbarrieren von Wett­bewerbspolitikern dazu genutzt werden kann, um diese zu senken, während es Unternehmensstra­tegen dazu dienen kann, die Zutrittsschranken im Rahmen des wettbewerbsrechtlich Zulässigen heraufzusetzen.

91 Vgl. hierzu Schreyögg (Unternehmensstrategie), S. 7.

Page 61: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

46

Für das Strategiekonzept ist es nun von Bedeutung, wie diese und andere Weiterent­

wicklungen im Bereich der Industrieäkonomik das strukturalistische Eintrittsbarrie­

renkonzept zu einem strategischen Ansatz erweiterten.

Diese theoretische Entwicklung zu einem strategischen Eintrittsbarrierenkonzept ist

weitgehend unabhängig von rier Kontroverse um den normativen oder deskriptiven

bzw. handlungstheoretischen Gebrauch des Eintrittsbarrierenbegriffes92• Es bietet

sich daher an, ausgehend vom strukturalistischen Konzept über ·die hieran geübte

Kritik zunächst ein (unternehmens-)strategisches Eintrittsbarrierenverständnis zu

entfalten, um dieses dann den "normativen Einwänden" der Chicago School auszu­

setzen und deren Relevanz für unsere Fragestellung zu klären.

92

Harktstruktur Harktverha lten

Welche Elemente der Können Markteintritte Marktstruktur bzw. durch Abschreckungs-weiche strukturellen maßnahmen oder durch Wettbewerbsnachteile angedrohte Vergeltungs-potentieller Newcomer maßnahmen verhindert erschweren deren werden? Welche Tak-Markteintritt? tiken können dazu er-

griffen werden?

Sind alle Eintrittshemm- Gibt es überhaupt MaB-nisse, die die Konsumen- nahmen, die Newcomern tenwohlfahrt beeinträch- mehr schaden als dem tigen, auch Eintritts- Etablierten? Und ver-barrieren? Oder stellt schlechtern diese ggf. ein Teil davon nur ··na- zugleich das Markter-tilrliche" Marktschran- gebnis? Oder beeinträch-ken dar, die den Zustrom tigen sie nur die Wett-lediglich weniger effizien- bewerber, nicht aber den ter Newcomer verhindern? Wettbewerb?

Abb. 5: Die Problemf~lder der Diskussion eines unternehmensstrategischen Eintrittsbarrierenbegriffes

Gleichwohl war es die Kritik von Chicago-Vertretern (insbesondere von McGee) an der Limitpreis­Theorie von Bain, Sylos-Labini und Modigliani, die den Anstoß zur Beschäftigung mit Ab­schreckungsmaßnahmen und Vergeltungsdrohungen als eintrittsverhindernde Strategien gab. Diese chronologische Entwicklung spiegelt sich auch bei Williamson wider, der die 60er Jahre als die Ära der Analyse von Konzentration und (strukturellen) Eintrittsbarrieren sieht, die 70er Jahre als die Periode der Effizienzanalyse und die 80er Jahre als die Epoche der Analyse strategischer V erhal­tensweisen. Vgl. Williamson (Antitrust), S. 42 ff.

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47

3. VOM STRUKTURALISTISCHEN ZUM STRATEGISCHEN EIN­TRITTSBARRIERENANSATZ

Der grundlegende Problemaufriß des vorstehenden Kapitels akzentuierte die betriebswirtschaftliche und die nationalökonomische Sichtweise des Markteintritts­

phänomens allgemein sowie am Beispiel der EDV-Branche und präsentierte mit der

Industrial Organization sodann ein die beiden Disziplinen verbindendes Paradigma.

Die Ausführungen schlossen mit der Identifikation der zentralen Problernfelder, die

bei Integration des industrieökonomischen Eintrittsbarrierenansatzes in das Strate­

giekonzept zu klären sind. Die Analyse der ersten beiden Problernfelder macht sich nun eine handlungstheore­

tische Sichtweise zu eigen und hat aus diesem Blickwinkel zu präzisieren, wie Ein­

trittsbarrieren in untemehmensstrategischem Kontext theoretisch zu handhaben sind.

Die Diskussion dieser theoretischen Fragestellung nimmt ihren Ausgangspunkt beim

strukturalistischen Eintrittsbarrierenkonzept. Hier werden zunächst diejenigen

Marktstrukturelemente beleuchtet, die nach Bain die Ursachen struktureller Ein­

trittsbarrieren darstellen, nämlich die Betriebsgrößenersparnisse, die absoluten Kostenvorteile und die Produktdifferenzierungsvorteile etablierter Anbieter gegen­

über potentiellen Newcomern. Im Anschluß daran wenden wir uns dem Limit

Pricing-Ansatz zu, der die Preispolitik beschreibt, mittels derer etablierte Unterneh­

men ihre Wettbewerbsvorteile eintrittsverhindernd zur Geltung bringen können.

Eine strategierelevante Kritik an diesem Ansatz trägt sodann dazu bei, den weiteren

Gang der Untersuchung zu strukturieren: Als Kritikpunkte am strukturalistischen

Eintrittsbarrierenkonzept sind zum einen der Determinismusvorwurf und zum ande­

ren der Einwand einer strategischen Heterogenität der Wettbewerber zu nennen.

Ausgehend von dem sehr engen und detenninistischen Limit Pricing auf der Basis des

Sylos-Postulates widmet sich Kapitel 3.2. dem breiteren und nichtdeterministischen

originären Konzept Bains, um zu prüfen, inwieweit dieses bereits unternehmensstra­tegische Aspekte berücksichtigt. In Kapitel 3.3. macht eine Kritik an der Limitpreis­

Theorie Bains auf einen fehlenden Begründungsschritt aufmerksam. Dieses Defizit

beheben sodann die neueren industrieökonomischen Ansätze zu den strategischen

Verhaltensweisen von Unternehmen. Eine praktische Handlungsanleitung zur Verwer­

tung der theoretischen Erkenntnisse und eine beispielhafte Fallstudie beschließen diesen Abschnitt.

Page 63: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

48

In Kapitel 3.4. wird den Konsequenzen nachgegangen, welche die strategische Hetero­

genität der Unternehmen einer Branche mit sich bringt, nämlich eine Verallgemeine­

rung des Eintrittsbarrierenkonzeptes zur Theorie strategischer Gruppen. Hierin gibt

man die Vorstellung branchenweit einheitlicher Marktschranken auf. An deren Stelle

.treten Mobilitätsbarrieren, die nicht mehr eine Branche als ganze, sondern einzelne

strategische Gruppen vor dem Zutritt neuer Wettbewerber und vor dem Übertritt bereits bestehender Konkurrenten schützen.

Mit diesen beiden Entwicklungen - nämlich erstens von einem strukturalistischen zu

einem strategischen und zweitens von einem branchenweiten zu einem gruppenspezi­

fischen Konzept - ist dann der Übergang zu einem unternehmensstrategisch zweck­

mäßigen Eintrittsbarrierenansatz vollzogen.

3.1. Das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept: Ausgangspunkt (handlungs-) theoretischer Überlegungen

Historisch gesehen wurde das Konzept der Eintrittsbarrieren von Joe S. Bainmit der

Pionierarbeit "Barriers to new competition" begründetl. Bezeichnend für die

Behandlung der "conditions of entry" bei Bain ist es, daß die Definition von Eintritts­

barrieren an deren Wirkung festgemacht wird: Die Eintrittsbedingungen ergeben sich

aus den Vorteilen, die ein bereits etablierter Anbieter gegenüber einem potentiellen

Newcomer genießt und die es ihm gestatten, einen Preis über dem Wettbewerbs­

niveau zu realisieren, ohne dadurch zugleich neue Wettbewerber anzuziehen2• Die

Höhe der Eintrittsbarrieren drückt sich also aus in der gerade noch erzielbaren eintritts­verhindernden Preisprämie.

Den eintrittssperrenden Effekt einer derartigen zutrittsbehindernden Preispolitik

erklärt die Limit Price-Theorie. Auch wenn sie aufgrund ihrer z.T. sehr restriktiven

Prämissen Anlaß zu Kritik bietet3, ist es daher unumgänglich, auf dieses Preisbegren-

1

2

3

Einige Vorüberlegungen hierzu finden sich in den früheren Aufsätzen (Conditions) und (Pricing).

VgI. Bain (Barriers), S. 3.

Gemeint ist hier das Limit Pricing auf der Basis des Sylos-Postulates.

Page 64: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

49

zungsmodell einzugehen4. Voraussetzung für ein Limit Pricing ist jedoch die Existenz

struktureller Hindernisse für Newcomer. Nur wenn diese vorliegen, können durch eine

adäquate Preiskalkulation Marktzutritte verhindert werden. Wir wenden uns mit den

strukturellen Markteintrittsbarriertn also zunächst den Grundlagen für ein Limit

Pricing zu. Mit Bain können hier grundsätzlich folgende Ursachen von Zutrittsschran­

ken unterschieden werden: Betriebsgrößenersparnisse, absolute Kostenvorteile und

Produktdifferenzierungsvorteile5.

3.1.1. Strukturelle Markteintrittsbarrieren

3.1.1.1. Betriebsgrößenvorteile

Betriebsgrößenersparnisse oder Skalenerträge liegen vor, wenn die Kurve der langfri­

stigen Stückkosten eine negative Steigung aufweist. Diese langfristige Kostenfunktion

drückt die sukzessive Anpassung der kurzfristigen Stückkosten an ihr langfristiges

Minimum aus, die sich über die Wahl einer wirtschaftlicheren und kostengünstigeren

Produktionstechnologie vollzieht: Bei einer kurzfristigen Beschäftigungsvariation

bewegt sich eine Firma auf einer gegebenen Kostenfunktion, was dazu führen kann,

daß das Optimum verlassen wird und bei einer Ausweitung der Produktion die

Stückkosten steigen. Bei langfristig günstigen Absatzerwartungen kann die Anpas­

sung an eine gestiegene Nachfrage durch eine Veränderung der Betriebsgröße an

Stelle einer Beschäftigungs- oder Auslastungsvariation erfolgen. Ist mit der Ausdeh­

nung des Produktionsvolumens zugleich eine qualitative Änderung der Produktions­

bedingungen verbunden, so operiert die Firma nunmehr auf einer günstigeren kurz­

fristigen Stückkostenkurve. So gesehen geht man in der Kostentheorie von einer

4

5

Eine Notwendigkeit hierzu ergibt sich auch deshalb, weil bei der Hinterfragung des strukturali· stischen Eintrittsbarrierenkonzeptes auf die mit dem Sylos-Postulat getroffene Verhaltensannahme zurückzukommen sein wird. Vgl. unten, Kap. 3.2.1., insbesondere S. 85 ff.

Eine Begründung für gerade diese Unterscheidung bzw. Einteilung der strukturellen Quellen von Markteintrittsbarrieren gibt Bain nicht. Jedoch erscheint diese Ausdifferenzierung als hinreichend, da hiermit bereits alle Wettbewerbsnachteile potentieller Newcomer erfaßt werden können: Nach­teile auf der Erlässeite gehen in die Produktdifferenzierungsbarriere ein, Nachteile auf der Koste11-seite in die Eintrittsbarriere aufgrund größenabhängiger oder absoluter Kostenvorteile etablierter Anbieter. Mit der letztgenannten Unterscheidung geht Bain bereits über das (mindest-)notwendige Maß an Differenzierung hinaus. Gegenüber den drei Kategorien von Bain unterscheidet Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 29 ff., sieben Quellen von Eintrittsbarrieren. Zusätzlich zu den von Bain genannten Ursachen führt er den Kapitalbedarf, die Umstellungskosten der Abnehmer, den Zugang zu Vertriebskanälen und die staatliche Politik an. Mit Ausnahme der Politik des Staates lassen sich jedoch alle diese Ouellen von Eintrittsbarrieren unter die drei Klassen Bains subsumieren.

Page 65: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

50

Abfolge von u-förmigen kurzfristigen Kostenfunktionen aus, deren jeweiliges Mini­

mum geringer als das vorausgegangene ausfällt. Diese Abfolge wird visualisiert durch

eine Umhüllungskurve, welche die langfristige Stückkostenfunktion darstellt6•

"Scale" oder Größe bezeichnet somit die Outputrate pro Zeiteinheit, wobei die Ein­

satzfaktorenkombination eines Unternehmens als variabel unterstellt wird7. Dies ist

in einer langfristigen Betrachtung möglich8. "Economies of scale" liegen folglich vor,

wenn - in the long run - mit steigender Outputrate pro Zeiteinheit die Stückkosten

sinken9•

Vorteile aufgrund von Größendegressionseffekten ergeben sich für einen etablierten

Anbieter dann, wenn er im Vergleich zu einem Newcomer eine günstigere Position

auf der für beide identischen langfristigen Stückkostenkurve einnehmen kannlO. Dies ist dann der Fall, wenn die auf den Newcomer entfallende Restnachfrage von den

Etablierten so bemessen wird, daß dieser vor dem Dilemma steht, entweder mit einer

suboptimalen Betriebsgröße einzutreten und Kostennachteile in Kauf zu nehmen

oder aber - bei einer Angebotsausweitung um die mindesteffiziente Menge - sich der

6

7

8

9

Vgl. hierzu Viner (Cost curves), S.36, und ders. (Supplementary note), S.79, sowie Gutenberg (Produktion), S. 429 und S. 434.

VgI.Koch (Industrial Organization), S. 89.

Vgl. Gutenberg (produktion), S. 421, und Woll (Volkswirtschaftslehre), S. 128.

Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 29 f. Andere in der Literatur diskutierte Kostenverläufe sind konstante langfristige Stückkosten und "diseconomies of scale". Das Ansteigen der Stückkosten trotz oder gerade wegen zunelunender Größe wird häufig begründet mit der begrenzten Kapazität und Koordinationsfähigkeit des Managements [vgl. Kaldor (Firm), S.67, Robinson (Structure), S. 40 ff., und Needham (Analysis), S.36] und mit steigenden Kapitalkosten [vgl. den Hinweis bei Woll (Volkswirtschaftslehre), S. 129]. Gutenberg (produktion, S. 435 f.) erscheint es nicht gerecht­fertigt, Betriebsgroßennachteile auf die Leistungsgrenzen des dispositiven Faktors, also der Geschäfts- und Betriebsleitung zurückzuführen. Größenordnungen, in denen dieser begrenzende Einfluß zur Geltung kommen könnte, erachtet er als praktisch nicht relevant. Ähnlich spricht sich Bain (Barriers, S. 20) ganz generell gegen "diseconomies of scaIe" aus und verweist auf die Mög­lichkeit, diese durch Duplizierung eines größenoptimalen Betriebs zu vermeiden (vgl. ebenda, S. 61). Nach Greer (Industrial Organization, S. 163) kommt den "diseconomies" weder theoretisch noch empirisch eine den Skalenerträgen vergleichbare Bedeutung zu. In Lehrbüchern wird zwi­schen dem degressiven und - sofern vorhanden - dem progressiven Stückkostenverlauf meist noch ein Bereich konstanter Betriebsgrößenersparnisse ausgewiesen. Vgl. z.B. Kaufer (Industrieökono­mik), S. 68, oder Caves (Industry), S. 25. Diejenige Betriebsgröße, ab der die Skalenerträge nicht mehr weiter steigen, bildet die sogenannte mindesteffiziente Größe.

10 Zum Zweck der Analyse rein größenabhängiger Kostenunterschiede zwischen Etablierten und Newcomern geht man in einer ceteris paribus-Betrachtung davon aus, daß alle Unternehmen, bestehende wie neu auftretende, prinzipiell Zugang zu der jeweils günstigsten kurzfristigen Produktions- bzw. Kostenfunktion haben. Insofern bildet sich mit der Umhüllungskurve für jede Branche nur eine einzige langfristige Kosteukurve heraus, welche die Kostenminima aller aktuellen und potentiellen Anbieter repräsentiert. Diese Prämisse identischer Kostenfunktionen wird unten mit der Berücksichtigung absoluter Kostenunterschiede fallen gelassen.

Page 66: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

51

Gefahr einer Vergeltungsmaßnahme durch die Etablierten auszusetzen, die seinen

Markteintritt ggf. unrentabel machtll. Entschließt er sich für die letztgenannte Alter­

native, so ist diese Gefahr um so bedeutender, je höher die mindesteffiziente Größe

im Vergleich zum (bisherigen) Gesamtvolumen der Branche ausfällt12. Denn die

Etablierten hätten dann erhebliche Marktanteilseinbußen hinzunehmen, würden sie

den Marktzutritt billigen, um das Preisniveau konstant zu halten. Geben sie hingegen

die Preise frei, indem sie ihr Angebot nicht reduzieren, so wirken sich hohe min­

desteffizienzbedingte Angebotsausweitungen durch neue Wettbewerber gravierender

auf das Sinken des Marktpreises aus als ein relativ unbedeutendes Zusatzangebot13.

Zieht ein Newcomer hingegen den Eintritt mit einer suboptimalen Betriebsgröße vor,

bemißt sich die Höhe seines Kostennachteils nach dem Ausmaß der Kostendegres­

sion, das sich in der Steigung der Kostenfunktion widerspiege1t14.

Die genaue Wirkungsweise von Skalenerträgen als Eintrittsbarriere ergibt sich aus

der unten behandelten Limitpreis-Theorie. Zunächst stellt sich jedoch die Frage,

welche Faktoren überhaupt Kostendegressionseffekte hervorrufen und warum ein

Newcomer nicht auch bei einer geringeren als .der mindestoptimalen Größe zu kon­

kurrenzfähigen Kosten eintreten kann. Für diese Frage sind in der Hauptsache zwei

Aspekte relevant: Nach Bain liegt die Erklärung für die Existenz von Degressions­

effekten insbesondere in Spezialisiernngvorteilen, die mit zunehmender Größe reali­

siert werden können, und in der unvollständigen Teilbarkeit spezialisierter Produk­tionsfaktoren 15.

Spezialisiernngseffekte können sich bei steigendem Produktionsvolumen sowohl im

Bereich der menschlichen Arbeit als auch bei Betriebsmitteln ergeben. So gestattet

eine Massenproduktion den Einsatz von Sondermaschinen, die als Einzweck­

maschinen ihr Kostenoptimum bei einer höheren Stückzahl pro Zeiteinheit erreichen

als Universalmaschinen und die - im Kapazitätsoptimum betrieben - geringere Stück­

kosten aufweisen. Bei Einproduktunternehmen ist folglich die Großbetriebsform

11 Vgl. Clarke (Industrial Economics), S.78, Caves (Industry), S.25, und Hay & Morris (Industrial Economics), S. 184.

12 VgI. Bain (Barriers), S.55, der in diesem Zusammenhang vom "percentage errect of scale economies" spricht.

13 Das Ausmaß des Preisverfalls hängt daneben auch von der Preiselastizität der Nachfrage ab. Eine besonders ungünstige Konstellation liegt somit bei einer hohen mindesteffizienten Betriebsgröße und einer gleichzeitig geringen Nachfrageelastizität vor. Vgl. hierzu ausführlicher Hay & Morris (Industrial Economics), S. 187 f., und Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 177 f.

14 VgI. z.B. Greer (Industrial Organization), S. 304.

15 VgI. Bain (Barriers), S. 57. Andere Erklärungsmöglichkeiten lassen sich Bain zurnlge unter diese bei den Kategorien subsumieren.

Page 67: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

52

wirtschaftlicher, da Kleinbetriebe auf weniger automatisierte bzw. rationelle Produk­

tionsanlagen zurückgreifen müssen16 oder aber auf Mehrzweckmaschinen, die nicht

auf einzelne Bearbeitsvorgänge spezialisiert sind und sich ihre höhere produktions­

technische Elastizität durch ein ungünstigeres Kostenniveau erkaufen müssen17.

Neben den Spezialisierungsvorteilen großer Betriebsmittel wird eine Reihe technolo­

gisch bedingter Größenersparnisse unterschieden, die jedoch nicht mit der Speziali­

sierung von Produktionsanlagen selbst einhergehen, sondern z.B. auf eine überlegene

Organisation der Fertigung zurückzuführen sind: Höhere Produktionskapazitäten

erlauben es beispielsweise, den innerbetrieblichen Materialfluß zu automatisieren18.

Ebenfalls unabhängig vom Spezialisierungsgrad der Betriebsmittel sind die "econo­

mies of increased dimensions", die allein aus den Material- und Investitionsersparnis­

sen bei größeren Produktionsanlagen resultieren: Da bei zylindrischen Behältern wie

Tanks oder Rohren die Kapazität (also das Volumen) im Verhältnis 3:2 schneller

ansteigt als der Umfang, stellen sich in diesen Fällen - relativ gesehen - Ersparnisse

bei den Investitionskosten ein. Diese können durch die sog. "2/3-Regel" abgeschätzt

werden, die für viele Investitionsgüter Gültigkeit besitzt19. Als weiteren Grund für

das Auftreten von Skalenerträgen führt Robinson die Ersparnisse massierter Reser­

ven an20, die von Vorteilen größerer Unternehmen in der Ersatzteile- und Halbzeug­

bevorratung herrühren: Ein Betrieb mit mehreren identischen Produktions anlagen wird im Verhältnis zur jeweils vorhandenen Kapazität nur weniger Ersatzteile bereit­

halten müssen als ein Unternehmen mit nur einer Anlage, da ein bestimmter

Schaden an mehreren Maschinen nach der Wahrscheinlichkeitstheorie nicht gleich­

zeitig auftreten wird21• Des weiteren wird ein Produktionsprozeß, der sich aus Teil­

prozessen mit unterschiedlichen Kapazitätsoptima zusammensetzt, nur dann mit den geringstmöglichen Stückkosten betrieben, wenn er nach dem Prinzip des kleinsten

gemeinsamen Vielfachen dimensioniert ist22.

Derartige Skalenprinzipien wertet Bain als interessante technologische Details, wäh­

rend das Basisprinzip seines Erachtens in der Spezialisierung zu sehen ist23•

16 Vgl. Machlup (Wettbewerb), S. 317.

17 Vgl. Gutenberg (Produktion), S. 83.

18 Vgl. Penrose (Growth), S. 90, und Pratten (Scale), S. 13.

19 Vgl. hierzu Scherer (Industrial), S. 82 f., und Kaufer (Industrieökonomik), S. 66 f.

20 V gl. Robinson (Structure), S. 26 f.

21 Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 163, sowie PraUen, Dean & Silberston (Large-scaIe), S. 18. Bei einer Vervielfachung der Produktionsanlagen bleibt zwar der Erwartungswert der Maschinen­schäden konstant, jedoch verringert sich die Varianz der Schäden je Kapazitätseinheit. Vgl. hierzu Kaufer (Industrieökonomik), S. 67, und Needham (Analysis), S. 34 f.

22 Vgl. Florence (Logic), S. 61.

23 Vgl. Bain (Barriers), S. 57.

Page 68: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

53

Neben der bereits oben diskutierten fertigungstechnischen Spezialisierung der

Betriebsmittel auf einzelne Bearbeitungsfunktionen und Werkstücke können Spezia­

lisierungseffekte auch im Bereich menschlicher Arbeit durch Artenteilung verwirklicht

werden. Höhere Produktionsvolumina gestatten eine stärkere artmäßige Auf teilung

einer Gesamtaufgabe, so daß mit zunehmender Aufgabenspezialisierung die Zahl der

pro Person ausgeführten unterschiedlichen Arbeitsgänge sinkt. Diese Zerlegung in weniger komplexe Teilprozesse bedeutet eine Effizienzsteigerung, die u.a. mit Lern­kurveneffekten erklärt wird24• Lern- und Übungseffekte werden zwar häufig zu den

Ursachen von Betriebsgrößenersparnissen gezählt25, jedoch geben Porter und auch

Kaufer zu bedenken, daß diese analytisch nicht mit Betriebsgrößenersparnissen

gleichzusetzen sind: Lemeffekte führen zwar zu einer Kostendegression, jedoch hän­

gen Ausmaß und Geschwindigkeit des Lernens nicht primär von der Betriebsgröße

ab, d.h. von der Ausbringungsmenge je Zeiteinheit, sondern von dem über die Zeit

kumulierten Gesamtausstoß26. Koch verweist in diesem Zusammenhang darauf, daß

die kumulierte Menge bei der Betrachtung von Kostenverläufen durch ceteris

paribus-Annahmen neutralisiert wird. Denn Kostensenkungen aufgrund von Lern­

effekten münden in eine neue langfristige Kostenfunktion anstatt dem Verlauf der

bisherigen Kostenkurve zu folgen27. Insofern entsprechen Übungseffekte einem

technischen Fortschritt, den man bei der Analyse von Skalenerträgen ausklammert, wenn man allein die rein größenbedingten Ersparnisse identifizieren will.

Eine zur Erklärung von Betriebsgrößenersparnissen häufig vorgenommene Eintei­

lung trennt "echte" (real economies) von "pekuniären" Größenvorteilen (financial

economies)28. Die aufgrund der Unternehmensgröße realisierbaren Spezialisierungs­

effekte werden den echten Ersparnissen zugerechnet, da sie zu einer Effizienzstei­

gerung und damit besseren RessourcenalIo1,<:ation beitragen29• Rein pekuniäre

24 Zu weiteren Erklärungsfaktoren für Produktivitätssteigerungen durch Aufgabenspezialisierung bzw. Artenteilung vgI. Pfeiffer, Dörrie & Stoll (Menschliche Arbeit), S. 65 f.

25 So z.B. bei Pratten, Dean & Silberston (Large-scaIe), S. 18, bei Scherer (Industrial), S. 82, und bei Bühner (High-Tech), S. 96.

26 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 35 f., und Kaufer (Industrieökonomik), S.6O. Spence konstatiert mit Blick auf die Markteintrittsbarrieren: "The learning curve can create substantial barriers to entry, similar in effect to ordinary economies of scale in the static sense." Spence (Learning), S. 62. Zu einem Simulationsmodell für die Höhe der Eintrittsbarrieren in Abhängigkeit vom Ausmaß des Lern- und Erfahrungskurveneffektes sowie dessen Diffusion zwischen Wett­bewerbern vgI. Lieberman (Learning), S. 445 ff.

27 VgI. Koch (IndustriaI Organization), S. 96.

28 VgI. z.B. Koutsoyiannis (Microeconomics), S. 126. Zu einem instruktiven KlassifIkationsschema, das auf dieser Unterscheidung aufbaut, vgI. ebenda, Abb. 4.35, S. 127.

29 VgI. Koch (IndustriaI Organization), S. 92 ff.

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54

Größenvorteile hängen hingegen nicht mit gesamtwirtschaftlichen Ersparnissen auf­

grund von Spezialisierung oder Arbeitsteilung zusammen. Sie basieren auf der

größenbedingten Verhandlungsmacht eines Unternehmens und führen zu einer

Umverteilung der Unternehmensgewinne zwischen den an der Wertschöpfung betei­

ligten Firmen3O. Im Hinblick auf die Wirkungsweise von Skalenerträgen als Eintritts­

barriere ist es für Bain jedoch unerheblich, zwischen echten und pekuniären Größen­

ersparnissen zu differenzieren: " ... from the standpoint of appraising the effect of

scale economies on entry, all economies which result in systematic money savings are

on a single footing."31

Ebenfalls größenabhängige Kostenvorteile, aber nicht "ecomomies of scale" im

eigentlichen Sinn, ergeben sich bei Fixkosten, die auf ein hohes Absatzvolumen

umgelegt werden können und somit zu einer geringeren Stückkostenbelastung führen

als bei kleineren Unternehmen mit einem vergleichbaren Fixkostenblock32. Analy­

tisch gesehen liegt der Unterschied darin, daß Ersparnisse aus der Verteilung fixer

Kosten ein kurzfristiges Phänomen darstellen, während Skalenerträge langfristiger

Natur sind und von der Anpassung der Betriebsgröße bzw. Einsatzfaktorenkombina­

tion an das langfristige Optimum abhängen33.

Mit der Verteilung vergleichbarer Fixkosten auf eine unterschiedliche Ausbringungs­

menge ist ein weiterer zentraler Punkt angesprochen, der erklärt, warum neu eintre­

tende Unternehmen nicht von Anfang an - also bereits mit einer geringeren als der

mindesteffizienten Betriebsgröße - zu gleichen Kosten in Konkurrenz zu den

Etablierten treten können: Der Realisierung von Degressionseffekten auch bei

anfänglich geringen Stückzahlen (pro Zeiteinheit) stehen hier Unteilbarkeiten in der

Produktion und in anderen Funktionsbereichen entgegen. Dies meint, daß die

günstigste, eine "Mindesteffizienz" versprechende Produktionstechnologie oder Ein­

satzfaktorenkombination nicht in beliebig kleine Teile aufgespalten werden kann, um

so auch in Form relativ geringer Kapazitäten verwirklicht zu werden. Ohne diese

Restriktion einer begrenzten Teilbarkeit wären die Produktionsfaktoren in allen

30 VgI. Koch (Industrial Organization), S. 98 f.

31 Bain (Barriers), S. 57.

32 In diesem Zusammenhang wird auch von "unechten" Betriebsgrößenersparnissen gesprochen.

33 VgI. Viner (Kostenkurven), S. W7, und Machlup (Wettbewerb), S. 318. Jacob (Preisbildung, S.4) beschreibt in diesem Sinne Betriebsgrößenersparnisse treffend als Kostendegression durch Verfah­renswechsel. Porter (Wettbewerbsvorteile), S.103, verdeutlicht das Wesen von Skalenerträgen i.e.S. am Beispiel der Kapazitätsauslastung: "Eine steigende Kapazitätsauslastung verteilt die Fix­kosten für bestehende Anlagen und Personal auf ein größeres Volumen, 'während die größenbe­dingte Kostendegression bedeutet, daß die bei voller Kapazitätsauslastung durchgeführte Aktivität in einem größeren Betrieb (im Original: at large scale) rationeller ist."

Page 70: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

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Größen zu gleichen Kosten im Verhältnis zur Kapazität verfügbar, so daß sich die

langfristigen Stückkosten nicht degressiv entwickelten, sondern konstant verliefen34•

Insofern bilden Unteilbarkeiten die conditio sine qua non für Betriebsgrößen­

ersparnisse35.

Beispiele für größenunabhängige Kosten bzw. Wertaktivitäten, die nicht entspre­

chend der Betriebsgröße dimensioniert werden können, sondern partiell oder ganz

unteilbar und somit in bezug auf die Ausbringungsmenge fix sind, enthält Abb. 6.36

3.1.1.2. Absolute Kostenvorteile

Im oben dargelegten Fall größenbedingter Kostenunterschiede stand allen, auch den

potentiellen Anbietern, der Zugang zur günstigsten Faktorkombination prinzipiell

offen. Unter dieser Prämisse waren bei rationaler Verfahrensauswahl nur die Mini­

malkostenkombinationen relevant, die durch die für alle Anbieter identische langfri­

stige Kostenfunktion repräsentiert werden. Restriktionen für das tatsächliche Er­

reichen einer kost~noptimalen bzw. mindesteffizienten Betriebsgröße gingen nur von

der Nachfrageseite und nicht von der Angebotsseite aus, wobei jedoch die marktsei­

tige Behinderung von den etablierten Konkurrenten durch ihr eigenes Angebotsver­

halten (Limit Pricing) gesteuert werden kann.

34

35

36

Vgl. Machlup (Wettbewerb), S. 316.

Vgl. hierzu die Beweisführung bei Neumann (Volkswirtschaftslehre 11), S. 55 ff. Nach Chamberlin (Proportionality, S. 232 ff.) widerspricht jedoch die Bedingung einer begrenzten Teilbarkeit der die Skalenerträge verkörpernden Umhüllungskurve, die sich ergibt, wenn die kurzfristigen Kostenkur­ven so zahlreich sind und so dicht aufeinander folgen, daß die Faktorkombinationen als kontinuier­lich variabel gelten können: "Under the assumption of continuity, even a small movement along the AC curve involves a change in the plant as well as in the variable factors used with it - in other words, all factors, as well as their proportions to each other, are continuously variable." Chamberlin (Proportionality), S. 234. Betriebsgrößenersparnisse würden nach Chamberlin (Proportionality, S.234, Fußnote 6) also nur dann von der perfekten Teilbarkeit eliminiert, wenn die Umhüllungs­kurve eine horizontale Gerade darstellte, d.h. wenn alle kurzfristigen Kostenfunktionen das gleiche Minimum aufwiesen. Dies wäre eben dann der Fall, wenn die "beste Technologie" in allen Größen erhältlich wäre, wenn also eine Teilbarkeit ohne Effizienzverluste möglich wäre. Diese Argumen­tation lehnt Chamberlin unter Bezugnahme auf Stigler als tautologisch ab: "It is tautological that economies of scale rest on indivisibilities, for an indivisible productive service is defined as one which is not equally efficient in all sizes (measured in terms of output)." Stigler (Theory), S. 202, zitiert nach Chamberlin (Proportionality), S.237. Gutenberg (Produktion, S. 430 f.) resümiert zu dieser Kontroverse, daß die Unteilbarkeit allein nicht ausreicht, um Größenersparnisse ZU erklären, daß jedoch " ... die Gruppe der Theoretiker, die die 'Unteilbarkeit' der produktiven Faktoren in den Vordergrund rückt, das Schwergewicht mehr auf die Erklärung der Frage (legt), warum die Betriebe nicht von allem Anfang an die günstigsten Produktionsbedingungen realisieren". Guten­berg (Produktion), S. 43l.

Siehe S. 56. Vgl. hierzu auch WeHs (Synergy), S. 176 ff.

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Type of cost:

Initial development and design costs. First copy costs of books, news­papers etc. Inventing new techniques.

Obtaining tenders and studying sources of .supply. Items of capital equipment e.g. gauges in units of chemical plant, presses used for stampingmetal parts ar.d cranes. Office records for a batch of a product. The senior management personnel at a plant. Calls by salesmen on customers.

Preparation of advertisements.

Issuing a prospectus in connection with raising capital by an issue of shares or debentures.

Partly or wholly indivisible with respect to:

The output of a product. The number of copies produced.

The output produced by using the techniques. The size of orders placed.

The total output for which equip­ment is required.

The size of the bateh.

The output of the plant.

The number of lines carried by salesmen. The area of the country in which the advertisements are shown. The size of the issue.

Abb. 6: Beispiele für un- oder unvollständig teilbare Kosten bzw. Wertaktivitäten

Quelle: Pratten (Scale ), S. 11

Im Fall absoluter Eintrittsbarrieren ist es nun nicht der Verlauf der Umhüllungskurve

selbst, der den Etablierten gegebenenfalls einen Kostenvorteil gewährt, sondern das

Auftreten größenunabhängiger Kostenunterschiede: Ein absoluter Vorteil liegt vor,

wenn die zu erwartenden Stückkosten eines potentiellen Newcomers generell höher

sind als die eines etablierten Anbieters, d.h. wenn die Kurve der durchschnittlichen

Stückkosten eines neu eintretenden Unternehmens in jedem Punkt bzw. bei jeder

Outputrate über der eines etablierten Herstellers liegt37. Dieses Auseinanderklaffen

der beiden Kostenfunktionen kann im Extremfall dazu führen, daß die auf den New­

comer entfallende (Rest-)Nachfragefunktion immer unterhalb seiner Kosten- bzw.

37 Vgl. Bain (Barriers), S. 144. Die Kostenfunktion eines Newcomers mit einem größenunabhängigen Nachteil tangiert also die Umhüllungskurve nicht. Zu einer graphischen Darstellung der Stück­kostenkurven bei Vorliegen absoluter Kostenunterschiede vgl. Caves (Industry), S. 27, oder Clarke (Industrial Economics), S. 74.

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Angebotskurve verläuft38. Ein Newcomer befände sich somit bei jeder von ihm

gewählten Ausbringungsmenge in der Verlustzone.

Die Existenz absoluter Kostendifferenzen wird von Industrieökonomen auf Unter­

schiede in den Produktionsverfahren und bei den Faktorpreisen zurückgeführt. Kon­

trollieren Etablierte überlegene Produktionstechniken durch Patente und/oder durch

Geheimhaltung von Know how, so sind potentielle Newcomer gezwungen, weniger

kostengünstige Verfahrensweisen einzusetzen oder Lizenzgebühren an die Patent­

inhaber zu entrichten. Unvollkommenheiten auf den Faktormärkten können zu

Preisnachteilen für neue Anbieter führen, die dann ihren Personal- und Ressourcen­

bedarf nicht zu vergleibar günstigen Konditionen decken können39. Wenn nämlich

angestammte Unternehmen wichtige Einsatzmaterialien oder Rohstoffe besitzen

bzw. kontrollieren, müssen Newcomer ggf. für den Zugang hierzu eine Preisprämie

an die Etablierten bezahlen oder auf geringerwertige Einsatzstoffe zurückgreifen.

Neben den Faktormärkten kann (und wird) auch der Kapitalmarkt so beschaffen

sein, daß Newcomer ihren Kapitalbedarf für die Errichtung einer mindesteffizienten

Betriebseinheit nicht oder nur zu höheren Zinsen decken können4O• Diese Finanzie­rungskostennachteile neuer bzw. neu in den Markt eintretender Unternehmen wird

z.T. mit Kapitalmarktunvollkommenheiten in Verbindung gebracht. Vollkommene oder perfekte Kapitalmärkte sind durch folgende Eigenschaften

gekennzeichnet41: Informationen sind vollständig, kostenlos und gleichzeitig für alle Marktteilnehmer verfügbar; von diesen ist kein einzelnes Unternehmen groß genug,

um die Preise bzw. Zinssätze beeinflussen zu können. Außerdem sind perfekte

Kapitalmärkte durch ein Fehlen von Friktionen (wie etwa Transaktionskosten und Steuern) geprägt. Wichtigstes Merkmal der Marktvollkommenheit ist jedoch die

Bedingung, daß alle Teilnehmer Kapital zu den gleichen Konditionen anbieten oder

38 vgI. Greer (Industrial Organization), S. 155 f.

39 Vgl. Bain (Barriers), S. 144. Im Gegensatz hierzu führt Porter (Wettbewerbsstrategie, S. 34 f.) Faktorpreisvorteile nicht auf Marktunvollkommenheiten zurück, sondern auf eine flÜhzeitige Bedarfsdeckung bzw. Standortwahl. Diesen Fall eines nachfragebedingten Faktorpreisanstiegs hält Bain (Barriers, S. 144 f., Fußnote 2) für praktisch wenig bedeutsam. Verschiedentlich werden Preis­vorteile im Zusammenhang mit absoluten Kostenunterschieden auch mit Mengenrabatten erklärt, so z.B. bei Clarke (Industrial Economics), S.75. Hiermit sind jedoch zugleich (pekuniäre) Betriebsgrößenersparnisse angesprochen.

40 VgI. Bain (Industrial Organization), S. 261. 41 VgI. Haley & Schall (Financial decisions), S. 15, sowie Copeland & Weston (Financial theory),

S.197.

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58

nachfragen können42. Dies ist jedoch nur unter vollkommener Voraussicht bzw. unter

Sicherheit der Fall. Nur dann enthält nämlich der Zinssatz keinen Risikozuschlag43.

Andernfalls, d.h. unter Unsicherheit, wird der Newcomer hinsichtlich der Kapital­

kosten systematisch im Nachteil sein, da er mit keiner "Geschichte dauerhaften

Erfolgs,,44 aufwarten kann und der Markteintritt von den' Kapitalgebern als ein ver­

gleichsweise riskantes Vorhaben interpretiert werden wird. Diese inhärente Benach­

teiligung ist jedoch nach Koch nicht die Folge einer Kapitalmarktunvollkommenheit:

"Properly understood, an imperfect capital market means that afully qualijied borrower cannot obtain (or must pay higher prices for) the capital he wants. Capital markets are not called imperfect because they discriminate against unqualified borrowers, who presumably bring with them increased risk of default or failure.,,45

In gleicher Weise wertet auch Greer46 Risikozuschläge für Kleinunternehmen zwar

als Kapitalkostennachteile, nicht jedoch als Zeichen einer Marktunvollkommen­

heit47. Diese liegt nach Fisher et al. bei unterschiedlichen Kreditzinsen nur dann vor,

wenn die Kapitalgeber nicht in der Lage sind, das Risiko der Newcomer - relativ zu

dem der Etablierten - richtig einzuschätzen48.

42 Vgl. Haley & Schall (Financial decisions), S. lS. Im Unterschied zur Vollkommenheit des Kapital­marktes liegt KapitalmarktejJizienz bereits dann vor, wenn die Preise nur alle verfügbaren relevan­ten Informationen widerspiegeln bzw. beinhalten, so daß sie verläßliche Signale für die Kapital­allokation darstellen. Vgl. hierzu Copeland & Weston (Financial theory), S. 197 f.

43

44

45

46

Vgl. Haley & Schall (Financial decisions), S.lS.

Vgl. Stigler (Price), S. 223.

Koch (Industrial Organization), S. 111. Koch unterstellt hier offenbar, daß nur "unqualifIZierte" Newcomer vom Kapitalmarkt diskriminiert werden. Caves (Industry, S. 28) räumt hingegen ein, daß auch ein bestehendes branchenfremdes Großunternehmen höhere Finanzierungskosten für seine Diversiftkationsprojekte zu tragen haben kann als ein branchenzugehöriges Unternehmen für seine Expansionsvorhaben.

Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 170.

47 Als empirisch nachgewiesenen Fall von Kostenachteilen aufgrund von Kapitalmarktunvollkommen­heiten führt Greer (Industrial Organization), S. 170 f., vielmehr die Preis- bzw. Zinsdiskriminierung zwischen kleineren regionalen und großen überregionalen Firmen an. So hätten zahlreiche Quer­schnittsstudien belegt, daß die Kreditzinsen mit der lokalen Konzentrationsrate der Banken steigen. Hiervon seien aber nur die Kredite an kleinere Geschäftskunden betroffen, nicht jedoch größere überregionale Unternehmen, gegenüber denen die Banken ihre lokale Marktmacht nicht ausspielen können. Mit Stigler (Industry), S. 70, könnte hier jedoch eingewandt werden, daß nicht nur New­comer, sondern auch kleinere etablierte Anbieter von dieser Preisdikriminierung betroffen sind und somit kein systematischer Unterschied zwischen bestehenden und neu eintretenden Unternehmen vorliegt: "Since existing fums also have to meet these requirements, they are not a barrier in our terminology."

48 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 179.

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59

Als weitere Erklärungsfaktoren für Kapitalkostennachteile neuer Anbieter werden -

neben Risikozuschlägen und neben der Kapitalmarktunvollkommenheit - relativ

höhere Transaktionskosten bei der Kapitalbeschaffung genannt: Da die Transaktions­

kosten nicht von der Höhe des Kapitalbedarfs abhängen, sondern fix sind, fallen die

Kapitalkosten je in Anspruch genommener Geldeinheit mit zunehmenden

Kapitalaufnahmebeträgen49. Unter der Annahme, daß Großunternehmen einen

höheren Kapitalbedarf aufweisen als kleinere Firmen, ergeben sich somit Trans­

aktionskostennachteile für kleinere Newcomer50/ 51.

Zusammenfassend können größenunabhängige Kostennachteile neuer Konkurrenten

darauf zurückzuführen sein, daß Etablierte überlegene Produktionstechnologien kon­

trollieren (z.B. durch Patente) oder daß sie Vorteile bei den Faktorpreisen genießen,

sei es aufgrund des Besitzes wichtiger knapper Rohstoffquellen, dank einer frühzeiti­

gen Bedarfsdeckung oder wegen eines hohen Grades an vertikaler Integration.

Daneben sind bereits bestehende Wettbewerber in der Regel durch geringere Finan­

zierungskosten im Vorteil gegenüber neuen Konkurrenten, die auf dem Kapitalmarkt

eine Risikoprämie akzeptieren müssen.

Ein den größenunabhängigen Kostenvorteilen vergleichbares Phänomen bilden schließlich die "sunk costs" etablierter Anbieter, und zwar selbst unter sonst gleichen

Bedingungen, d.h. auch bei gleichen Faktorpreisen und Kapitalkosten. Denn auf­

grund der Tatsache, daß ein bereits im Markt etablierter Wettbewerber einen Teil

seiner Kosten bzw. Investitionen irreversibel an die betreffende Branche gebunden

hat, sind für ihn nur noch die vermeidbaren Kosten entscheidungsrelevant. Dies gilt zwar

grundsätzlich auch für einen potentiellen Newcomer, jedoch beträgt dessen vermeid­

barer Kostenanteil noch 100 Prozent. Insofern können die versunkenen Kosten als

ein größenunabhängiger (Kosten-) Vorteil interpretiert werden.52

49 Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 170.

50 Vgl. Koch (Industrial Organization), S. 139. Die obigen Ausführungen verdeutlichen allerdings unmittelbar, daß Kapitalkostennachteile primär über GrößenlInterschiede erklärt werden und somit in die Nähe von Skalenerträgen reichen. Insofern unterscheiden sie sich von den absoluten Kosten­nachteilen aufgrund überlegener Produktionstechnologien und günstigerer Faktorpreise, in deren Genuß Etablierte größenllnabllängig gelangen können.

51 Für den Fall, daß potentielle Newcomer überhaupt nicht in der Lage sind, den erforderlichen Kapitalbetrag aufzubringen, will Needham (Analysis, S. 105) die Kapitalbedarfsbarriere als eine separateEintrittsbarrierenkategorie behandelt sehen.

52 Vgl. hierzu Gilbert (Pre·emptive), S. 101, sowie unten, S. 141 f.

Page 75: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

60

3.1.1.3. ProduktditTerenzierungsvorteile

Neben den Eintrittshemmnissen aufgrund absoluter sowie größenabhängiger Kosten­

unterschiede im Bereich der Produktion und Distribution sehen sich Newcomer

einem Vennarktungsproblem gegenüber: Ist das Angebot differenziert, d.h. ist es den etablierten Wettbewerbern gelungen, nachhaltige Käuferpräferenzen für ihre Produkte

aufzubauen53, so werden Erzeugnisse neuer Wettbewerber von der Nachfrage nicht

als gleichwertige Alternativen wahrgenommen. Technisch gesehen bedeutet dies, daß

durch Produktdifferenzierung die Homogenität des Angebots aufgehoben und durch

eine unvollkommene Substituierbarkeit der Produkte ersetzt wird54.

Das Ausmaß dieser begrenzten Substitutionsfähigkeit zweier Güter kommt in der Kreuzpreiselastizität zum Ausdruck: Bei einer hohen wechselseitigen Preis abhängig­

keit liegt eine enge Substitutionsbeziehung vor, die Produkte sind nur gering diffe­renziert. Ist hingegen - trotz gleicher Branchenzugehörigkeit zweier Anbieter - die

Kreuzpreiselastizität der Nachfrage nach deren Produkten eher gering, so stellen

diese lediglich entferntere Substitutionsgüter dar, was auf eine hohe Produktdifferen­

zierung schließen läßt. Im Falle einer Preissenkung werden Käufer des Konkurrenz­

produktes nur in begrenztem Umfang angelockt, umgekehrt wandern bei einer Preis­

erhöhung nicht alle Nachfrager ab. Diese eingeschränkte Mobilität der Nachfrage ist es, die für den Newcomer eine Eintrittsbarriere bedeuten kann: Um Konsumenten bzw.

Abnehmer für sich zu gewinnen, wird ein Neukonkurrent entweder deutliche Preis­

zugeständnisse machen müssen, oder aber bestehende Kaufwiderstände durch ent­

sprechend höhere Marketingaufwendungen ausräumen müssen. Der Produktdifferen­

zierungsnachteil beträgt somit die Summe aus Preisnachlässen und Mehrkosten je

Outputeinheit55•

Wenn also Konsumenten bei gleichen Preisen die Produkte bestehender Anbieter

bevorzugen, wo liegen dann die Gründe für diese Asymmetrie in der Nachfrage nach

Erzeugnissen von Newcomern und Etablierten?

53 Unter Eintrittsbarrierengesichtspunkten wird Produktdifferenzierung hier an ihrer Wirkung fest­gemacht. Eine allgemeinere Defmition hingegen bezieht sich auf die Unterscheidbarkeit der Pro­dukte verschiedener Wettbewerber [vgl. Chamberlin (Monopolistic), S.56], die auf vielfältigste Weise erzielt werden kann: Abhebung vom Konkurrenzangebot durch Verpackung, durch ergän­zenden Service, durch Änderung der Produktmerkmale etc. Für unsere Fragestellung interessiert jedoch, wie diese Unterscheidbarkeit des Abgebots einem Newcomer zum Nachteil gereichen kann.

54 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 223.

55 Vgl. Bain (Barriers), S. 116.

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61

Unter Bezugnahme auf die ursprüngliche Konzipierung der Produktdifferenzierungs­

barriere bei Bain sind hier drei mögliche Ursachen von eintrittshemmenden Differen­

zierungsnachteilen zu nennen:

(1) Generelle oder deutlich überwiegende KäuJerpräJerenzen für etablierte Marken­namen oder zugunsten von Herstellern mit guter Reputation. Diese Präferenzen

werden häufig von weit in der Vergangenheit zurückliegender Werbung hervor­

gerufen.

(2) Besitz eines patentgeschützten, überlegenen Produktdesigns und

(3) Besitz oder Kontrolle bevorzugter Vertriebskanäle durch Etablierte, wobei

Newcomer - wenn überhaupt - alternative Vertriebswege nur unter Kostennach­

teilen einrichten können56.

Die verschlossene Möglichkeit, ein gleichwertiges Produkt anbieten oder einen

adäquaten Vertriebsweg bedienen zu können, erklärt die Bevorzugung etablierter

Anbieter unmittelbar. Unter der Voraussetzung, daß diese Angebotsmerkmale auch

tatsächlich und nachhaltig von einer Mehrzahl der Konsumenten geschätzt werden,

folgt hieraus eine Produktdifferenzierungsbarriere für Newcomer, die zugleich eine

absolute, d.h. größenunabhängige Zugangsbarriere darstellt.

Erläuterungsbedürftig bleibt jedoch, inwiefern die zu Käuferpräferenzen führende

Werbung eine Eintrittsbarriere bedeuten kann. Denn verschiedentlich wird gerade Werbung als geeignete Möglichkeit erachtet, um Zugang zu einem neuen Markt zu

finden, da potentielle Konsumenten schließlich mittels Werbung über neue Produkte

informiert werden57• Außerdem - so Bains Kritiker - steht Newcomern doch die

Möglichkeit offen, der Werbung von Etablierten eigene Werbung entgegen­

zusetzen58.

Eine Antwort auf die Frage, warum Werbung als Eintrittsbarriere wirksam werden

kann, worin also der Nachteil eines Newcomers trotz eigener Werbung liegen kann,

56 Vgl. Bain (Conditions), S.226, und (Industrial Organization), S. 260. An anderer Stelle (Barriers, S. 130) unterscheidet Bain vier generelle Typen von eintrittserschwerenden Differenzierungs. ursachen, wobei in dem dort untersuchten Sampie von 20 amerikanischen Industriezweigen die rei­nen Produktvorteile etablierter Anbieter nicht zum Tragen kommen. Somit ist die obige Liste dort um zwei Punkte erweitert, nämlich (a) um die Trägheit, Gewohnheiten und Loyalität der Konsu­menten, sowie (b) um deren Verbundenheit zu etablierten Unternehmen aufgrund angebotener Serviceleistungen.

57 Diese Position der Eintrittserieichterung durch Produktdifferenzierung bzw. Werbung vertritt die Chicago SchooI. Vgl. insbesondere Brozen (Competition), S.9 f., und (Entry), sowie unten, Kap. 4.2.2., S. 217 ff.

58 So z.B. Bork (Paradox), S. 314: "There is no monopoly of access to advertising." Dem widerspricht jedoch teilweise Blair (Concentration), S. 311 ff.

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62

bleibt Bain weitgehend schuldig. Er befaßt sich zwar mit Betriebsgrößenersparnissen

bei Verkaufsförderungsmaßnahmen, führt aber zu deren Ursachen nur einen

knappen Hinweis auf den Einsatz landesweiter Werbemedien und Vertriebskanäle

an59. Statt dessen steht bei Bain die Frage im Vordergrund, wie die optimale

Betriebsgröße der Produktion durch Skalenerträge in der Verkaufsförderung tangiert

wird, d.h. welche für den Markteintritt gesamtoptimale Betriebsgröße sich aus den

beiden unterschiedlichen Skaleneffekten ergibt60•

Den eintrittshemmenden Charakter der Werbung präzisieren indes Comanor &

Wilson, die in ihrer klassischen Untersuchung zu Marktstruktur, Werbeaufwand und

Marktergebnis - analog zum Produktionsbereich - einen dreifachen Nachteil von

Newcomern herausstellen61:

(1) Die in einer Branche vorherrschende intensive Werbung bedingt zusätzliche

. Kosten für Newcomer, die von der gewählten Eintrittsgröße unabhängig sind.

(2) Das Auftreten von Skaleneffekten im Bereich der Werbung bedeutet für

Newcomer einengrößenabhängigen Nachteil und

(3) erhöht zugleich deren Kapitalbedarf.

Ad (1) Absoluter Kostennachteil bei Werbung

Den größenunabhängig bzw. absolut höheren Werbeaufwand neuer Wettbewerber

führen Comanor & Wilson darauf zurück, daß Newcomer im allgemeinen einen

Markt durchdringen müssen, der sich aus Kunden bereits eingeführter Hersteller

zusammensetzt. Um diese Abnehmer zu Wiederholungskäufen zu veranlassen, bedarf

es seitens der Etablierten lediglich einer Erinnerungswerbung. Demgegenüber müs­

sen Newcomer eine größere Anzahl von Werbebotschaften je potentiellem Abneh­

mer aussenden, um bei diesem einen Markenwechsel zu bewirken. Diese intensiver

zu betreibende Werbung führt dann bei Newcomern zu höheren Werbekosten je

anzusprechendem Abnehmer. Umgekehrt besitzen Etablierte den Vorteil, daß sie zur

Verteidigung der von ihnen gehaltenen Marktposition keine Durchdringungskosten für Werbung eingehen müssen62.

59 Vgl. Bain (Barriers), S. 119 und S. 141, Fußnote 7, sowie (Advantages), S. 138.

60 Vgl. Bain (Barriers), S. 118 Cf. und S. 133 Cf., sowie (Industrial Organization), S. 203.

61 V g1. Comanor & Wilson (Advertising), S. 425 f. 62

Prinzipiell treten derartige Marktdurchdringungskosten für Newcomer bei jeder Betriebsgröße auf. Dennoch kann zu der absoluten auch eine größenabhängige Komponente hinzutreten: Da mit stei­gender Outputrate auch Abnehmer mit einer höheren Käuferloyalität gewonnen werden müssen,

Page 78: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

63

Darf sich ein Newcomer schon aus diesem Grund nicht mit dem von Etablierten auf­

gewandten Umsatzanteil für Werbung begnügen, so verschlechtert sich seine

Situation noch durch einen Time-lag zwischen Werbemaßnahme und Umsatzerfolg63:

Da häufig eine ganze Reihe von Werbemaßnahmen zur Überwindung von Kauf­

widerständen beiträgt oder aber bei langlebigen Gebrauchsgütern eine Nachfrage

überhaupt nur in größeren Zeitintervallen stattfindet, ist der Werbeerfolg nicht nur

der letzten Maßnahme oder Kampagne zuzurechnen. Statt dessen führen auch

Werbeausgaben vergangener Perioden noch in der Gegenwart zu Umsätzen. Infolge­

dessen genügt es für einen Newcomer nicht, sein Werbebudget an dem der Etablier­

ten auszurichten, um in seinem ersten Geschäftsjahr den gleichen Umsatz wie diese

zu erzielen. Er wird vielmehr den kumulierten Carry-over-Effekt der Etablierten aus'

vergangener Werbung durch einen entsprechenden Mehraufwand kompensieren

müssen64/ 65. Diese Mehrkosten fallen unabhängig von der Betriebsgröße an und bilden somit einen absoluten Kostennachteil. Ein größenabhängiger Nachteil ergibt

sich nicht, da man unterstellt, daß aufgrund der Kompensation des kumulierten

Goodwills durch ein entsprechend höheres Werbebudget die Absatzmenge eines

Newcomers der von Etablierten entspricht66.

63

64

65

66

werden die Durchdringungskosten mit zunehmender Größe steigen. Vgl. Comanor & Wilson (Advertising), S. 425.

Vgl. zu diesem "Lag-Effekt" Comanor & Wilson (Advertising), S.425, insbesondere aber Palda (Advertising), S. 9, und auch Greer (Industrial Organization), S. 172 f.

Der Carry-over-Effekt, der die Nachhaltigkeit von Werbernaßnahmen ausdrückt, ergibt sich durch Subtraktion der Abschreibungsrate von Eins. Bei einem Vorjahresbudget von 10 Mio $ und einem Carry-over-Effekt von 0,4 können Etablierte in der "laufenden Periode mit Umsätzen rechen, die sich bei aktuellen Werbeausgaben von 4 Mio $ ergäben. Bei einer Abschreibungsdauer von 4 Jahren hätten Newcomer dem 10 Mio $ - Budget von Etablierten 16,5 Mio $ entgegenzuhalten. Vgl. zu diesem Rechenbeispiel Greer (Industrial Organization), S. 172 f.

Hinter dem Carry-over-Effekt verbirgt sich die Behandlung von Werbung als Investition in den Firmen-Goodwill anstelle der aufwandsmäßigen Zurechnung von Werbeausgaben nur zur laufen­den Periode. Vgl. zur diesbezüglichen Advertising Capital-Kontroverse und zu deren Bedeutung in der Diskussion um die durch Werbung hervorgerufene Marktzutrittsschranke unten, Kap. 4.2.2., S. 219 ff.

Der Fall "unechter Größenersparnisse" (vgl. oben, S.54, Fußnote 32) liegt dann vor, wenn fixe Aufwendungen zweier Anbieter zwar gleich hoch sind, sich aber auf eine unterschiedliche Ausbrin­gungsmenge verteilen, so daß trotz gleicher Fixkosten die Stückkosten differieren. Dieser Fall ist hier nicht gegeben, da die Werbeaufwendungen eines Newcomers absolut höher sind. Bei Vertei­lung der Mehrkosten (in unserem Beispiel 6,5 Mio $) auf die (bei beiden identische) Ausbrin­gungsmenge ergibt sich dann zwar das gleiche Resultat, nämlich eine ungleiche Stückbelastung, die sich jedoch nicht auf grund von Größenunterschieden einstellt und somit analytisch gesehen keine Größenerspamisse darstellt. In der Terminologie des vorstehenden Kapitels ausgedrückt hat ein Newcomer mit einem Differen­zierungsnachteil bei jeder VOll ihm gewählten OUlpUlrate höhere (Werbe-)Stückkosten als ein etablierter Anbieter mit einem Differenzierungsvorteil. Denn verzichtet er auf die Kompensation seines Nachteils, hat er bei gleichen Werbeaufwendungen eine geringere Absatzmenge und folglich eine höhere Stückbelastung zu erwarten. Genauso verhält es sich, wenn er dank höherer Werbe­aufwendungen einen identischen Absatzerfolg erzielt.

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Ad (2) Größenersparnisse in der Werbung

Zur Analyse der Skaleneffekte im Bereich der Werbung werden häufig - in (angeb­

licher) Analogie zum Produktionsbereich - pekuniäre und technische Betriebsgrößen­

ersparnisse unterschieden67.

Technische oder technologische Größenvorteile beziehen sich auf die Effektivität bzw.

Umsatzwirkung höherer Werbeaufwendungen. Sie sind gegeben, wenn bei Verdop­

pelung der Zahl der Werbebotschaften der Umsatz um mehr als 100 Prozent

zunimmt68. Die größere Effektivität bzw. der höhere Einfluß auf potentielle Kunden

bei einer großen Anzahl von Werbebotschaften wird folgenden Ursachen zuge­

schrieben:

(a) Eine erfolgversprechende Werbung ist überhaupt nur jenseits eines bestimm­

ten Mindestaufwandes möglich. Unterhalb dieser Schwelle (threshold level) bewirkt

Werbung keine Nachfrage. Dies kann zum einen daran liegen, daß potentielle Käufer

das beworbene Produkt nicht registrieren, solange sie nicht eine bestimmte Menge an

Werbebotschaften wahrgenommen haben69. Werden Werbeaussagen auch durch

Mundpropaganda weiterverbreitet, so verebbt diese Kettemeaktion bei einem zu schwachen Impuls 70. Auch der Handel wird ein bestimmtes Minimum an Konsumen­

tenwerbung erwarten, ehe er Bereitschaft zur Aufnahme eines neuen Produktes

zeigt71. Dieser Mindestaufwand, der nicht unterschritten werden darf, bildet einen

Fixkostensockel, der bei Verteilung auf eine höhere Absatzmenge zu einer gerin­

geren Stückbelastung führt72.

67 Vgl. z.B. Comanor & Wilson (Effect), S. 467 f., oder Waterson (Theory), S. 134.

68 Vgl. Waterson (Theory), S. 134.

69 Vgl. z.B. Boyer & Lancaster (Sca1e economies), S.512. Unter Bezugnahme auf Buzzel, Nourse, Matthews & Levitt (Marketing, S. 533 f.) spricht Greer in diesem Zusammenhang von einem "psychological threshold". Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 175.

70 Vgl. statt anderer Scherer (Industrial), S. 109.

71 Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 175, und Boyer & Lancaster (Scale economies), S. 512.

72 Dieser "unechte" Größenvorteil wird auch von Comanor & Wilson (Advertising), S. 426, als tech­nischer Skaleneffekt interpretiert. An anderer Stelle (Effect, S. 468) heben die Autoren jedoch die analytischen Schwierigkeiten hervor, die technologische Größenersparnisse aufwerfen, und revi­dieren damit ihre frühere Einschätzung: "What is required is the impact of advertising be deter­mined by the total volume of messages, or the number per prospective buyers in the marketplace, rather than by the number of messages per unit of output." Aus pragmatischeren Gründen wendet sich auch Berg (Werbung), S. 235, gegen eine Behandlung von auf große Absatzmengen verteilten Fixkosten als Betriebsgrößenersparnisse: "Es ist indes nicht sinnvoll, diese Art der Kostendegres­sion als Ausdruck des Bestehens von 'economies of scale' zu interpretieren, da dieser Effekt immer auftritt, wenn es Fixkosten gibt, so daß in diesem Sinne also auch sehr kleine Unternehmen 'Skalenerträge' nutzen können."

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65

(b) Betrachtet man den Umsatz als Funktion des Werbeaufwandes, so müßte bei

Existenz technischer Größenersparnisse die Erlöskurve jenseits des Schwellenwer­

tes 73 konkav verlaufen, also zunehmende Grenzerträge aufweisen. Für einen solchen

Kurvenverlauf spricht, daß bei "Iarge scale advertising" effizienzsteigernde Speziali­

sierungsvorteile genutzt werden können oder zwar teurere, aber leistungsfähigere

Werbemittel eingesetzt werden können74. Für einen abnehmenden Grenzertrag

spricht hingegen, daß die Beachtung einer Werbebotschaft mit deren zunehmender

Wiederholung sinkt, daß in zunehmendem Maße Konsumenten mit höherer Käufer­

loyalität angesprochen werden müssen und daß schließlich auf weniger geeignete

Medien für Anzeigenwerbung zurückgegriffen werden muß, wenn die zielgruppen­

gerechten Zeitschriften bereits abgedeckt sind75.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß Vertreter, die für die Existenz von

technischen Größenvorteilen im Bereich der Werbung argumentieren, davon aus­

gehen, daß ein Mehr an Werbebotschaften - zumindest in einer bestimmten Band­

breite - eine überproportional größere Wirkung auf potentielle Konsumenten entfal­

tet. Für die Bedeutung technologischer Werbe-Größenersparnisse als Eintrittsbar­

riere ist dabei ausschlaggebend, wie hoch der "threshold level" ist und bis in welchen

Bereich sich die steigenden Grenzerträge fortsetzen: " ... if these effects do not extend

into very large levels of absolute outlay, then all economies could be easily exploited by rather small firms and new entrants."76

Während mit technischen Größenersparnissen bei konstanten Kosten pro Werbebot­

schaft die positive Umsatzauswirkung und Effektivitätssteigerung der Werbung

untersucht wird, haben pekuniäre Skalenerträge die Abnahme der Stückkosten je

Werbebotschaft bei steigender Anzahl zum Gegenstand. Damit berühren die peku­

niären Größenvorteile in der Werbung den für Skalenerträge typischen Zusammen­hang zwischen Stückkosten und Ausbringungsmenge. Das Sinken der Durchschnitts­

kosten wird für den Bereich der Werbung primär auf Mengenrabatte zurückgeführt,

die von den Medien bei Fernseh- und Anzeigenwerbung eingeräumt werden.

73 Anders als die meisten Industrieökonomen argumentiert Scherer, daß die Zahl der notwendigen Werbebotschaften von Konsument zu Konsument schwankt und daher kein Punkt existiert, der den "threshold level" markiert. Statt dessen werde dieses Niveau bis zum Wendepunkt der Umsatzfunk­tion hin erreicht und schließlich überschritten, so daß der durchschnittliche Umsatz aus einer zusätzlichen Werbebotschaft steigt. Vgl. Scherer (Industrial), S. 109.

74 Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 175, und Berg (Werbung), S. 236.

75 Vgl. Hay & Morris (Industrial Economies), S. 436 f., und Berg (Werbung), S. 236.

76 Greer (Industrial Organization), S. 175. Je nach Werbemedium können jedoch auch bereits von Anfang an "diseconomies of scale" einsetzen. Vgl. hierzu Scherer (lndustrial), S. 109.

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Klassisch bzw. im Sinne des traditionellen Größenersparniskonzeptes begründet

Doyle diese Kostenvorteile dann auch mit Unteilbarkeiten bei den effizienteren

Werbemedien: ''1be swing to television advertising ... suggests this is a potent medium

for many products but its expense makes it uneconomic for advertisers appealing only to a limited market.'077 Ein Newcomer, der zunächst über einen regional begrenzten

Markt in eine Branche eintritt, wird deshalb auf örtliche TV-Sender für seine Fern­

sehwerbung zurückgreifen. Damit entsteht ihm jedoch je nach Tageszeit der Werbe­

sendung ein Kostennachteil zwischen 15 und 30 Prozent gegenüber einem landeswei­

ten Wettbewerber, der den betreffenden Regionalmarkt über nationale Fernseh­

anstalten mit abdeckt78• Zu den Mengenrabatten bei Presse- und Funkmedien bleibt

jedoch einschränkend anzumerken, daß empirische Untersuchungen sehr konträre

Ergebnisse liefern79• Auch wird dem Kostennachteil lokaler Fernsehwerbung eine

höhere Effektivität entgegengehalten, da dieses Medium flexibler und den Verhält­

nissen der Regionalmärkte entsprechend einsetzbar istso.

Ad (3) Erhöhter Kapitalbedarf

Wenn in einer Branche Größenersparnisse in der Werbung vorliegen und sich diese

in einer hohen Werbeintensität niederschlagen, resultiert hieraus ein hoher Kapital­

bedarf für einen Newcomer. In der gleichen Weise wirkt sich ein absoluter Nachteil

aus, der durch ein über dem Branchendurchschnitt liegendes Werbebudget kompen­

siert werden muß. Da Werbeinvestitionen überdies keine Aktiva schaffen, die im Fall

77 Doyle (Advertising expenditure), S. 406.

78 Vgl. Scherer (Industrial), S. 111. Porter (Interbrand choice), S. 403, beziffert die Größenersparnisse durch Einsatz nationaler Medien mit 30 bis 90 Prozent, was Scherer jedoch für zu hoch gegriffen hält.

79 Vgl. z.B. Ferguson (Advertising), S.78, und die dort angegebene Literatur, sowie Arndt & Simon (Advertising), S. '237.

SO Bei der vorstehend dargelegten Unterscheidung von technologischen und pekuniären Größener­sparnissen wird häufig betont [so z.B. durch Comanor & Wilson (Effect), S. 467], daß sie in Ana­logie zum ·Produk,tionsbereich erfolgt. Dort :werden "echte" von "pekuniären Skalenerträgen" getrennt (siehe hierzu oben, S. 53), wobei das Kriterium in der gesamtwirtschaftlichen EffIzienz­steigerung liegt. In beiden Fällen stellt man mit Betriebsgrößenersparnissen im Produktionsbereich jedoch auf eine Kostenreduzierung ab. Da das Ziel der Werbung aber darin besteht, die Nachfrage und die Preise zu beeinflussen, können Größenvorteile in der Werbung nicht allein auf die Kosten­seite beschränkt bleiben, sondern müssen auch die Umsatzseite in Betracht ziehen. Insofern ist die Analogie zwischen Betriebsgrößenersparnissen in Produktion und Werbung nur schwer ersichtlich. Diese atypische Bedeutung, die den "economies of scale" zugewiesen wird, stellt insbesondere Spence (Notes), S. 494, heraus: "But demand and prices are affected by advertising so that the rele­vant measure of scale economies is to be found in the relation between the firm's revenues and its cost per dollar ofrevenue, rather than in the relation between costs and output in physical units."

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des Scheiterns wieder veräußert werden können81 und somit besonders riskante Inve­

stitionen darstellen, muß ein Newcomer auf dem Kapitalmarkt einen Risikozuschlag in Kauf nehmen, der ihm gegenüber Etablierten (mit bereits vorhandenem "stock of

goodwill") einen Kapitalkostennachteil einbringt.

Zusammenfassend kann zu den strukturellen Eintrittsbarrieren festgehalten werden,

daß sich die Vorteile von Etablierten gegenüber Newcomern der Existenz von

Betriebsgrößenersparnissen und absoluten Kostenunterschieden sowie der Pro­

duktdifferenzierung verdanken. Diese Vorteilsdimensionen werden in der Industrie­

ökonomik als Bestandteile der Marktstruktur angesehen.

Die nachfolgenden Ausführungen betreffen nun das Zusammenwirken von

Marktstruktur und Marktverhalten, insbesondere von strukturellen Eintrittsbarrieren

und eintrittsverhindernden Verhaltensweisen. Ist nämlich der Markteintritt nicht von

staatlicher Seite unumgäglich blockiert (z.B. durch behördliche Genehmigungen) und

nicht gesetzlich (z.B. durch einen bestehenden Patentschutz) oder durch natürliche

Engpäße (z.B. wegen fehlenden Zugangs zu Rohstoffen) ausgeschlossen, sondern

wird ein Newcomer durch die oben dargelegten strukturellen Markteintrittsbarrieren

lediglich in eine ungünstigere Kosten- oder Differenzierungsposition versetzt, so

genügen diese Marktschranken allein noch nicht, um neue Wettbewerber tatsächlich

auszuschließen. Reicht nämlich die Höhe des Marktpreises für einen Newcomer aus,

trotz seines Kostennachteils gegenüber den Etablierten kostendeckend anbieten zu

können, so ist eine Abschottung des Marktes gegenüber neuen Konkurrenten noch

nicht gewährleistet. Für eine wirksame Zutrittsbehinderung bedarf es daher in der

Regel zusätzlich komplementärer Verhaltensweisen von Etablierten, die erst die struk­

turell angelegten Wettbewerbsnachteile der Newcomer eintrittsverhindernd zum

Tragen bringen.

81 VgI. Comanor & Wilson (Advertising), S. 426.

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68

3.1.2. Eintrittssperrende Verhaltensweisen

Nach industrie ökonomischem Verständnis gehen prinzipiell strukturelle Zutritts­

schranken mit eintrittssperrenden Verhaltensweisen der Etablierten (meist preis­

licher Natur) einher, wenn es potentielle Newcomer abzuwehren gilt. Die Bedeutung

des Preisverhaltens - relativ zur strukturellen Seite - für die Eintrittsverhinderung

variiert hierbei je nach der Höhe der strukturellen Barrieren. Bain unterscheidet fol­

gende vier Konstellationen82; Bei fehlenden Eintrittsbarrieren ist der Marktzutritt

einfach (easy entry). Die Preise können daher nicht langfristig über dem Wett­

bewerbsniveau bzw. über dem Kostenniveau der Etablierten liegen, ohne Marktein­

tritte hervorzurufen. Das andere Extrem bildet der blockierte Marktzutritt

(blockaded entry). Hier sind die strukturellen Eintrittsbarrieren bzw. die daraus

resultierenden Kostenvorteile gegenüber Newcomern so hoch, daß auch bei einer

Preisbildung nach monopolistischem Kalkül keine Gefahr von potentiellen Konkur­renten ausgeht. In diesen Fällen, in denen die strukturellen Eintrittsbarrieren nicht

ausgeprägt oder übermächtig sind, erweisen sich eintrittssperrende Verhaltensweisen

als undurchführbar oder aber überflüssig. Zentrale Bedeutung kommt dem Markt­

verhalten hingegen in den verbleibenden beiden Fällen zu83; Sind die strukturellen

Barrieren mittelhoch bis hoch, können Markteintritte effektiv behindert werden

(effectively impeded entry), und zwar durch eine Preispolitik, die Newcomern gerade

noch den Marktzugang verwehrt und somit den langfristigen Gewinn der Etablierten maximiert. Bei einer Preisfestsetzung oberhalb dieses effektiv eintrittsverhindernden

Preises, die bei mittleren bis niedrigen Eintrittsbarrieren vorgenommen wird und

daher dem Marktzutritt von Newcomern in bestimmtem Ausmaß statt gibt, aber den­

noch langfristig gewinnrnaximal ist, spricht Bain von einem "ineffectively impeded

entry".

Im folgenden interessieren also die Fälle des "effectively impeded" sowie "ineffecti­

vely impeded entry". Denn nur bei geringen bis mittleren und bei mittelhohen bis

hohen Eintrittsbarrieren besteht für Etablierte überhaupt erst eine Handlungsmög­

lichkeit sowie eine Handlungsnotwendigkeit zur Eintrittsverhinderung. Die hierfür zu

82 Vgl. Bain (Barriers), S. 21 f., und (Industrial Organization), S. 274 f.

83 Pauschal, d.h. ungeachtet dieser Ausdifferenzierung nach der Höhe der Eintrittsbarrieren, ließe sich jedoch einwenden, daß der strukturellen Seite gnmdsätzlich ein Primat zuerkannt wird, da gemäß dem traditionellen Industrial Organization-Paradigma das (Preis-)Verhalten der Etablierten durch die Marktstruktur bzw. Höhe der Eintrittsbarrieren determiniert ist.

Page 84: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

69

ergreifenden langfristig gewinnrnaximalen Verhaltensweisen bzw. Preispolitiken

beschreiben das "limit pricing"-Modell sowie das "dynamic limit pricing"-Konzept84.

Im Limitpreis-Modell bezeichnet der Eintrittssperren- oder Limitpreis85 diejenige

Höhe des Marktpreises, die eine Monopolunternehmung bzw. eine Gruppe von

Oligopolisten durch Bestimmung der entsprechenden Angebotsmenge wählen muß,

um den Eintritt für potentielle Wettbewerber unattraktiv bzw. unrentabel zu machen.

Entscheidungsrelevant für einen Newcomer ist jedoch nicht der vor seinem Eintritt

anzutreffende Marktpreis (pre-entry price), sondern der nach dem Vollzug dieses

Schrittes herrschende Preis. Dieser dann tatsächlich erzielbare Preis (post-entry

price) hängt außer von den Aktionen der Newcomer - d.h. deren Eintrittsgröße - auch

von den Reaktionen der Etablierten auf den Markteintritt ab. Hiermit wird das Pro­

blem der oligopolistischen Interdependenz zwischen Newcomern und Etablierten offenkundig. Theoretisch bedeutet dies, daß der "dem" klassischen Industrial Orga­

nization-Paradigma inhärente Determinismus in Frage gestellt wird durch eine Viel­

zahl alternativer, indeterminierter Verhaltensweisen86.

Um zunächst jedoch den Mechanismus des Limit Pricing darzulegen, setzen wir das

Verhalten von Newcomern und Etablierten als konstant und gegeben an. Dies erfolgt

meist in Form des sogenannten Sylos-Postulates87. Demzufolge nehmen die etablier­

ten Anbieter bei der Kalkulation des Eintrittssperrenpreises an, daß Newcomer damit rechnen, daß die Ausbringungsmenge der Etablierten nach einem Marktein­

tritt unverändert bleibt. Mit dieser Verhaltensannahme wird es möglich, die Unter­

schiede in der Limitpreisbildung bei absoluten und größenabhängigen sowie bei

Differenzierungsvorteilen zu beleuchten. Das Hauptaugenmerk gilt jedoch nicht

diesem Preismechanismus, sondern - im Anschluß daran - der diesem Limit Pricing­

Ansatz zugrundeliegenden Verhaltensannahme, die erst die Möglichkeit der Deter­minierung des Eintrittssperrenpreises eröffnet.

84 Bain selbst konzentriert sich auf das Modell der statischen Limitpreisbildung zur effektiven Markt­eintrittsbehinderung. Vgl. ders. (Industrial Organization), S. 255 ff. Die modellhafte Abbildung des "ineffectively impeded entry"-Falles im "dynamic limit pricing"-Konzept erfolgte vor allem durch Gaskins (Dynamic) und Kamien & Schwartz (Limit), obwohl Bain selbst diese Verhaltensweise für die wahrscheinlichste hielt. Vgl. Bain (Barriers), S.98. Wir verfolgen hier zunächst die statische Limitpreisbildung. Die dynamischen Konzepte werden weiter unten zur Kritik der statischen Modelle und Modellannahmen herangezogen.

85 Im folgenden auch synonym verwandt: Der für den Eintritt kritische Preis (critical price).

86 Weiter unten wird sich jedoch zeigen, daß nicht pauschal von dem klassischen Industrial Organi­zation-Paradigma gesprochen werden kann. Denn insbesondere Bain zeichnet sich durch eine diffe­renziertere Betrachtung des Problems der Eintrittsverhinderung aus.

87 Vgl. zur Einführung dieses Begriffes den Besprechungsaufsatz von Modigliani (Developments, S. 217) zu den den Werken von Sylos-Labini (Oligopoly) und Bain (Barriers).

Page 85: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

70

3.1.2.1. Limit Pricing bei absoluten Kostenvorteilen88

Neben dem bereits erwähnten Sylos-Postulat basiert das Limitpreis-Modell auf der

Bedingung, daß sich die etablierten Wettbewerber auf die Festsetzung eines gemein­

samen Eintrittssperrenpreises einigen können89. Da dies im Monopolfall immer

gegeben ist, geht man vereinfachend häufig von nur einem aktuellen Anbieter aus9O.

Außerdem baut das Limit Pricing auf der Gewinnmaximierungsprämisse für beste­

hende und zukünftige Anbieter auf. Aus dieser Annahme eines langfristigen

Gewinnstrebens folgt, daß Newcomer nicht in einen Markt eintreten werden, wenn dauerhaft mit einem Preisniveau zu rechnen ist, das nicht zur Deckung ihrer durch­

schnittlichen Stückkosten ausreicht bzw. die Erzielung eines Gewinnes verhindert,

der über die Normalverzinsung des investierten Kapitals hinausgeht. Und anhand des

Sylos-Postulates, dem zufolge Etablierte ihre Ausbringungsmenge nach einem erfolg­

ten Markteintritt beibehalten, kann schließlich aus der gesamten Branchennachfrage­

funktion die für einen Newcomer verbleibende individuelle Restnachfrage abgeleitet

werden. Dieser auf potentielle Konkurrenten entfallende Anteil der Gesamtnach­

frage liegt rechts von der Preis-Absatz-Menge des etablierten monopolistischen

Anbieters91. Durch Linksverschiebung dieses Abschnittes der Preis-Absatz-Funktion

an die Ordinate erhält man die individuelle Nachfragefunktion des Newcomers

(NNew)'

Bei Existenz von absoluten Kostenunterschieden ist nun zur Eintrittsverhinderung die

Ausbringungsmenge von den Etablierten so zu bemessen, daß die Durchschnitts­

kostenkurve potentieller Konkurrenten (IDKNew) immer oberhalb der auf diese

entfallenden Nachfrage (NNew) gelegen ist92. Diese Outputmenge liegt in Abb. 7 bei

XI.; der zugehörige Limitpreis beträgt Pv Auch wenn dieser Eintrittssperrenpreis

unterhalb des kurzfristig gewinnmaximalen Preises (PMax) liegt, kann dauerhaft eine Monopolrente von YZ je Ausbringungseinheit erzielt werden, die der Höhe des

88 Die. nachfolgenden Ausführungen orientieren sich primär an Greer (Industrial Organization), S. 155 f. und S. 301 ff., und an Needham (Analysis), S. 100 ff.

89 Vgl. Osborne (RationaJity), S. 71.

90 Vgl. z.B. Maurice & Smithson (Managerial economics), S. 397.

91 Siehe zur Veranschaulichung Abb. 7: Dort kann ein Newcomer denjenigen Bereich der Branchen­nachfrage N für sich beanspruchen, der rechts bzw. unterhalb von Y gelegen ist, wenn der etablierte Monopolist die Menge XL zum Preis PL anbietet.

92 Dazu ist es erforderlich, daß Etablierten die Höhe ihres Kostenvorteils bekannt ist, d.h. daß abso­lute Markteintrittsbarrieren eine objektiv wahrnehmbare Strukturdimension darstelJen. Insofern unterstellt die Limitpreis-Theorie den Fall vollkommener Information.

Page 86: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

71

absoluten Kostenunterschiedes entspricht und den Gewinn des etablierten Monopo­

listen langfristig maximiert.

P

Pmax

\

\ , \

GU' , ----\- ---

\ \

Abb. 7: Limit Pricing bei absoluten Kostenvorteilen

Quelle: nach Greer (Industrial Organization), S. 303

3.1.2.2. Limit Pricing bei Betriebsgrößenerspamissen

x

Auch bei größenabhängigen Kostenvorteilen kalkulieren etablierte Anbieter zur Ein­

trittsverhinderung " ... diejenige Menge, welche, abgezogen von der Gesamtnachfrage­

funktion, dem potentiellen Anbieter eine Restnachfrage überläßt, die - wenn er in

den Markt einträte - gerade nicht mehr ausreichte, seine Kosten zu decken, welche

der für ihn möglichen Kapazitäten und Ausbringungsmengen er beim Eintritt auch wählen mag.,,93

93 Gutowski (Bemerkungen), S. 822.

Page 87: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

72

P

N

P L - - - - - - - - - -

Abb. 8: Limit Pricing bei Betriebsgrößenersparnissen Quelle: nach Clarke (Industrial Economis), S. 84

x

Diese Vorgehensweise ist in Abb.8 graphisch visualisiert94• N bezeichnet die

Gesamtnachfrage nach einem homogenen Gut, IDK die für alle Anbieter identische

Kurve der gesamten Durchschnittskosten, die bis zum Erreichen einer mindesteffi­

zienten Produktionsmenge Xm zunehmende Skalenerträge aufweist und danach hori­

zontal verläuft. Bei diesem Kostenverlauf kann der pre-entry-Preis durch die zusätz­

liche Angebotsmenge eines neuen Wettbewerbers maximal auf den Preis bei voll­

kommener· Konkurrenz (P0 gesenkt werden. Die maximale eintrittsverhindemde

Produktionsmenge XL mit dem zugehörigen Limitpreis PL erhält man durch Links­verschiebung der Nachfragefunktion, so daß diese die Durchschnittskostenkurve des

Newcomers gerade rioch tangiert. Die so gefundene Restnachfragefunktion NNew schneidet die Preisachse im Limitpreis95. Wählen die Etablierten diesen als pre­

entry-Preis, so kann ein Newcomer auch im günstigsten Fall mit der Angebotsmenge

94 Die nachfolgenden Ausführungen orientieren sich primär an Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 176 ff. Vgl. aber auch Clarke (Industrial Economics), S. 82 ff.

95 Vgl. Clarke (Industrial Economics), S.84. Alternativ könnte man auch die Durchschnittskosten­kurve des Newcomers einschließlich der Ordinate soweit nach rechts verschieben (TDK'), bis sich Nachfrage- und Kostenfunktion tangieren. Der neue Ursprung läge dann in Xv Vgl. ebenda, S. 84.

Page 88: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

73

XNew über die Normalverzinsung hinaus keinen Gewinn erzielen. Senken sie ihn

auch nur geringfügig ab, so befindet sich ein potentieller Wettbewerber nach dem Markteintritt immer in der Verlustzone96• .

Obwohl also potentielle Wettbewerber auf der gleichen langfristigen Stückkosten­kurve operieren wie bestehende Unternehmen, d.h. bei gleicher Größe genauso effi­

zient zu produzieren in der Lage sind, kann ihnen dennoch die erforderliche Ein­

trittsgröße den Marktzugang verwehren: Nämlich dann, wenn die pre-entry-Markt­

versorgung (bei einem von den Etablierten entsprechend festgesetzten pre-entry­

Preis) bereits so hoch ist, daß ein weiteres Angebot vom Umfang der mindesteffizien­

ten Menge zu wirtschaftlichen Preisen nicht mehr von der Nachfrage aufgenommen

wird97. Für die Wahl der eintrittssperrenden Menge bzw. des pre-entry-Limitpreises

ist daher die absolute Marktgröße sowie das Ausmaß der mindesteffizienten Ange­

botsmenge relativ zum Marktvolumen von Bedeutung. Außerdem bemißt sich die

Höhe des Eintrittssperrenpreises nach der Preiselastizität und den Skalenerträgen

unterhalb der mindesteffizienten Größe: Die Preisprämie der Etablierten kann umso

höher ausfallen, je größer der Stückkostennachteil des Newcomers und je geringer

die Preiselastizität der Nachfrage ist98/ 99.

96

97

98

In diesem Fall berührt die Nachfragekurve die Stückkostenkurve des Newcomers gerade nicht mehr. In der Limitpreis-Theorie geht man aber davon aus, daß potentielle Konkurrenten nicht als neue Anbieter in den Markt eindringen, wenn sie ihre Kosten einschließlich der Normalverzinsung des investierten Kapitals zwar decken, darüber hinaus aber keinen Gewinn erzielen können. Vgl. Rühmann (Latente Konkurrenz), S. 292. Unter dieser Annahme kann der kritische Preis - wie oben beschrieben - graphisch bestimmt werden, indem man die Nachfragekurve so weit verschiebt, bis sie die Stückkostenkurve des Newcomers tangiert (oder umgekehrt).

Mit genau diesem Argument spricht sich jedoch Stigler (Industry),. S. 67, dagegen aus, das Aus­bleiben weiterer Markteintritte aufgrund von Betriebsgrößenersparnissen mit Eintrittsbarrieren zu erklären: "It would be equally possible to say that inadequate demand is a barrier to entry."

Vgl. Greer (Industrial Organization), S. 303 f., und Scherer (Industrial), S. 246. Damit erweist sich das Limit Pricing bei Skalenerträgen als der komplexere Fall gegenüber der Bestimmung des kriti­schen Preises bei größenunabhängigen Kostenvorteilen, bei der die Höhe der Preisprämie un­mittelbar dem absoluten Kostenunterschied entspricht.

99 Auch ein "Erfahrungskurven-Pricing" stellt eine Limitpreispolitik dar, bei der allerdings auf eine anfängliche (hohe) Preisprämie zugunsten einer marktbeherrschenden Stellung verzichtet wird. Der dadurch erreichte Volumenzuwachs führt bei Gültigkeit der Erfahrungskurve zu einer raschen Kostenreduktion, die von potentiellen Konkurrenten - unter ganz bestimmten Voraussetzungen -nicht mehr eingeholt werden kann. Senkt das etablierte Unternehmen nach Erreichen der Gewinn­schwelle die Preise entsprechend dem erfahrungsbedingten Kostenrückgang, so können neue Wett­bewerber vom Markt ferngehalten werden, da diese dann nicht mehr in die Gewinnzone gelangen können. Vgl zu der an der Erfahrungskurve orientierten Preispolitik Henderson (Erfahrungskurve) sowie Pfeiffer et al. (Technologie-Portfolio), S. 46 ff. Bei dieser eintrittssperrenden Preisgestaltung handelt es sich im Gegensatz zu dem oben beschriebenen statischen Limit Pricing bei Betriebs­größenersparnissen um eine dynamische Preispolitik der Eintrittsverhinderung. Diese unterscheidet sich von den dynamischen Limitpreiskonzepten der Industrial Organization durch die Höhe des anfänglichen Preisniveaus. Vgl. hierzu unten, S. 82, Fußnote 14.

Page 89: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

74

3.1.2.3. Limit Pricing bei ProduktditTerenzierungsvorteilen

Die für die Markteintrittsentscheidung bedeutsame Gewinnerwartung eines New­

comers ergibt sich aus den Kosten- und Nachfragebedingungen des betreffenden

Zielmarktes. Herrscht dort eine hohe Produktdifferenzierung vor, z.B. in Form einer hohen Werbeintensität, so kann dies für einen Newcomer Betriebsgrößennachteile sowie absolute Kostennachteile im Bereich der Werbung bedeuten. Der Produkt­

differenzierungsnachteil nimmt damit bei einheitlichen Marktpreisen die Form eines

Kostennachteils an. Die Ableitung des Eintrittssperrenpreises kann demnach so erfol­

gen, wie in den beiden vorstehenden Punkten beschrieben.

Die Besonderheit des Limit Pricing bei Produktdifferenzierung liegt nicht auf der Kostenseite, sondern auf der Erlösseite: Um seinen Differenzierungsnachteil aus­

zugleichen, kann sich ein Newcomer zu deutlichen Preiszugeständnissen veranlaßt sehen. Damit kann die Situation eintreten, daß der von ihm erzielbare Preis unter­halb der langfristigen Stückkosten liegt, während Etablierte eine Monopolrente erwirtschaften. Eine solche Situation, in der allein der Preisunterschied eintrittsver­hindernd wirkt, analysiert Bain in einem Modell des "reinen" Differenzierungsvor­teils1()(), in dem größenabhängige und absolute Kostenunterschiede zunächst ausge­klammert sind. Dadurch weisen alle aktuellen und potentiellen Wettbewerber eine identische langfristige Stückkostenkurve TDK auf, die horizontal verläuft (siehe Abb. 9). Uneinheitlich jedoch ist die Steigung der individuellen Preis-Absatz-Funk­

tionen: NEt bezeichnet die Nachfragefunktion eines etablierten Anbieters, der einen

Differenzierungsvorteil genießt. Dieser erlaubt es ihm, auf grund bestehender Käuferpräferenzen einen Preis über dem seiner Konkurrenten festzusetzen, ohne

dabei eine völlige Abwanderung der Nachfrage befürchten zu müssen. Dies ist gleichbedeutend mit einer geringeren Elastizität der Nachfrage relativ zu einem undifferenzierten potentiellen Konkurrenten101• Je nach der Höhe des Differenzie­

rungsnachteils wird also die Preis-Absatz-Funktion des Newcomers (NNew) elasti­scher sein und dementsprechend flacher verlaufen. In einer derartigen Konstellation der firmenspezifischen Preis-Absatz-Funktionen wird nun ein etablierter Anbieter

zur Eintrittsverhinderung die Nachfrage des Newcomers wieder auf eine solche

Menge begrenzen, die zur Deckung dessen langfristiger Stückkosten gerade nicht mehr ausreicht. Technisch geschieht dies, indem der eigene Preis so gewählt wird,

daß die Nachfragekurve des Newcomers (NNew) immer unterhalb der TDK-Kurve

100 Vgl. Bain (IndustriaI Organization), S. 256 Cf.

101 Vgl. Boyle (Industrial Organization), S. 59, und Caves (Industry), S. 20 f.

Page 90: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

75

verläuft. Der so gefundene höchstmögliche und damit langfristig gewinnmaximale

Eintrittssperrenpreis P2läßt nur zu, daß sich TDK und NNew2 bei einem Output von

Null schneiden102.

p

TDK

x

Abb. 9: Limit Pricing bei Produktdifferenzierungsvorteilen

Quelle: nach Bain (Industrial Organization), S. 257

Da mit zunehmender Marktpräsenz die bestehenden Kaufwiderstände einer Akzep­

tanz des neuen Produktes bzw. Wettbewerbers weichen werden, reduziert sich der

Differenzierungsnachteil sukzessive im Zeitablauf. Zur Berücksichtigung dieser zeit­

lichen Beschränkung des Differenzierungsnachteils schlägt Bain vor, diesen in einen

durchschnittlichen Nettonachteil für alle zukünftigen Absatzeinheiten umzurechnen.

Legen Etablierte ihren Preis um diesen Betrag über den langfristigen Stückkosten

fest, so antizipieren potentielle Newcomer eine dauerhafte Gewinnlosigkeit. Die

102 Hat der Newcomer statt des 'reinen' Differenzierungsnachteils zusätzlich noch einen Betriebs­größennachteil, so wird der kritische Preis noch höher ausfallen, da der Tangentialpunkt der beiden Kurven - analog zu Abb. 8 - bei einer Menge größer Null liegt. Vgl. hierzu Bain (Industrial Organi­zation), S. 258 ff., insbes. Abb. 7.

Page 91: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

76

Produktdifferenzierungsbarriere beträgt damit anstelle des anfänglichen Preisunter­

schiedes nur die Höhe des durchschnittlichen Nettonachteils103.

3.1.3. Zusammenfassende Würdigung und strategierelevante Kritik am struktura­

listischen Eintrittsbarrierenansatz

Bei der vorstehenden Darlegung des Umit Pricing als eintrittsbegrenzender Verhal­

tensweise wurde mittels des Sylos-Postulates unterstellt, daß Etablierte im Falle eines

Markteintrittes ihren Output beibehalten und damit - infolge der zusätzlichen

Angebotsmenge - ein Absinken des (einheitlichen) Marktpreises zulassen bzw.

bewirken. Mit dieser Verhaltensannahme kann aus dem pre-entry-Preis genau

bestimmt werden, wie weit der Marktpreis - in Abhängigkeit von der jeweiligen Ein­

trittsgröße - sinken wird und ein potentieller Newcomer kann den so antizipierten

Preis seinen Stückkosten gegenüberstellen. In differenzierten Märkten muß sich zwar

kein einheitlicher Marktpreis herausbilden, denn hier ermöglicht die Existenz von

Preissetzungsspielräumen Preisunterschiede104. Dennoch besteht auch hier keine

völlige Unabhängigkeit der individuellen Preis-Ab satz-Funktionen, so daß wiederum

der post-entry-Preis des Newcomers von der Preis-Absatz-Entscheidung des etablier­ten Anbieters beeinflußt wirdlOS. Durch das Sylos-Postulat wird die Situation für den

potentiellen Newcomer daher wieder in eindeutiger Weise kalkulierbar106.

Das Sylos-Postulat wurde also eingeführt, um die Umitpreispolitik in einem formalen

Modell abbilden zu können. Hierzu wurde insbesondere das post-entry-Verhalten der Etablierten neutralisiert, so daß der Limitpreis vollständig determiniert ist und nur noch

die Höhe der strukturellen Eintrittsbarrieren widerspiegelt. Der Vorzug dieser Vor­gehensweise liegt darin, den Effekt unterschiedlicher Eintrittsbarrieren für die Preis-

103 Vgl. hierzu Bain (Barriers), S. 131 f., und (Industrial Organization), S. 256.

104 Vgl .. Boyle (Industrial Organization), S.59. Der Spielraum für eine unabhängigere Preispolitik resultiert gerade aus der Produktdifferenzierung als einer Form des Nicht-Preiswettbewerbs.

105 Vgl. die Verschiebung der Preis-Absatz-Funktion des Newcomers bei alternativen Preisen des etablierten Konkurrenten in Abb. 9.

106 Damit potentielle Konkurrenten auch Grund ZU einer derartigen Verhaltensannahme haben und das Sylos-Postulat in differenzierten Märkten als zutreffende Reaktionsannahme gelten kann, führt Bain als ergänzende Prämisse ein, daß Newcomer eine hinreichend kleine Eintrittsgröße wählen, so daß Etablierte sich nicht ZU einer Preis-(Mengen-)Reaktion veranlaßt sehen. Vgl. Bain (Industrial Organization), S.258; siehe auch Boyle (Industrial Organization), S.6O. Damit wechselt Bain gegenüber dem Limit Pricing bei Kostenunterschieden hier zum "dominant firm"-Fall über. Dieser zeichnet sich dadurch aus, daß für die etablierten Anbieter statt konstanter Mengen konstante Preise angenommen werden. Eine entsprechende Analyse des Limit Pricing von dominanten Unternehmen bei Kostenvorteilen findet sich bei Scherer (Industrial), S. 232 - 234.

Page 92: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

77

bildung verdeutlichen zu können. So ergab die isolierte Betrachtung107 des Limit

Pricing bei den einzelnen Zutrittsbarrieren, daß im Falle absoluter Kostenvorteile die "Barrierenprämie" der Etablierten unmittelbar der Höhe des Kostenunterschiedes

entspricht, während bei Betriebsgrößenersparnissen eine Aussage darüber nur unter

Berücksichtigung von Marktvolumen und Nachfrageelastizität, Ausmaß der min­

desteffizienten Größe und Grad der Zunahme von Skalenerträgen möglich war.

Allerdings wird mit dieser Vorgehensweise gerade dem industrieäkonomischen Struktura­

lismus Vorschub geleistet, der sich nicht mit der Idee strategischer Untemehmensführung

vereinbaren läßt. Denn in der Tat kann das Marktverhalten (bzw. die Limitpreis­

bildung) nur noch als Reflex der Marktstruktur gewertet werden und daher im Indu­

strial Organization-Paradigma als bloße Transmissionskategorie geringen Stellenwer­

tes betrachtet werden108, wenn man zentrale Teile des Marktverhaltens erst einmal

in Verhaltensannahmen abgedrängt und exogenisiert hat.

Damit erscheint das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept prima facie als eine "naive Theorie"109, die für strategisches Handeln keinen Raum läßt und daher der

Grundidee des "concept of strategy" widerspricht. Um dieses Urteil zu erhärten oder

zu korrigieren, ist der strategierelevanten Kritik am strukturalistischen Ansatz im

einzelnen nachzugehen. Diese setzt an folgenden zentralen Diskrepanzen zwischen

der traditionellen Industrieökonomik und dem Konzept der Unternehmensstrategie

an, die z.T. unmittelbar aus der Art der Behandlung von Markteintrittsbarrieren im

Limit Pricing-Konzept ersichtlich sind:

(1) Insbesondere nach der vom Sylos-Postulat geprägten Limitpreis-Theorie werden

sowohl die Verhaltensweisen der etablierten Anbieter als auch jene der poten­

tiellen Newcomer durch die strukturellen Marktzutrittsschranken detenniniert.

Im Gegensatz dazu ist mit dem Strategiekonzept der Gedanke des Handlungs­

spielraums und damit die Indetenniniertheit von Unternehmensstrategien untrennbar verbunden 110.

(2) Wie bereits oben aufgezeigt, liegt sowohl der Industrieökonomik als auch dem Strategiekonzept ein Fit-Gedanke zugrunde. Während die Abstimmung von

107 Zu einer Darstellung der Limitpreisbildung bei gleichzeitigem Vorliegen von Produktdifferen· zierungsvorteilen sowie größenabhängigen und absoluten Kostenvorteilen vgl. Berg (Marktein· trittsbarrieren), S. 284.

108 Vgl. hierzu oben, S. 49.

109 Vgl. Scherer (pricing, S. 101), der das Eintrittssperrenmodell, dem die Bain-Sylos-Politik der Beibehaltung der pre-entry· Produktionsmenge zugrunde liegt, als eine "naive theory of limit pricing" bezeichnet.

110 Vgl. Schreyögg (Untemehmensstrategie), S. 7, und Bourgeois (Determinism), S. 589.

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78

Unternehmensstrategie und relevanter Unternehmensumwelt im "concept of

strategy" auch durch Einflußnahme auf die vorgefundenen externen Bedingungen

möglich ist, bringt es der strukturelle Determinismus der Industrieökonomik mit

sich, daß der Fit nur auf dem Wege der Anpassung an vorgegebene Marktstruk­

turen vollzogen werden kann. Während also strukturelle Eintrittsbarrieren von

der klassischen Industrial Organization als exogen gegeben betrachtet werden, sind sie im Strategiekontext Ergebnis unternehmerischer Handlungen, d.h.

endogene Strukturmerkmale und damit Aktions parameter.

(3) Eine dritte bedeutende Diskrepanz besteht zwischen der jirmenspeziflSchen Per­spektive des Strategischen Management-Konzeptes, das der je spezifischen

Situation eines Unternehmens Rechnung tragen will, und den branchenweit

einheitlichen Marktzutrittsbedingungen industrieökonomischer Provenienz111.

Diese Unverträglichkeiten zwischen dem Konzept der Unternehmensstrategie und

der strukturalistischen Industrieökonomik im allgemeinen sowie der Limitpreis­

Theorie im besonderen sind Gegenstand des nachfolgenden Kapitels. Erst wenn über

deren Stellenwert und auch über die Tragfähigkeit des strukturalistischen Eintritts­

barrierenansatzes für eine strategische Neuorientierung entschieden ist, können ggf.

die positiven Ansatzpunkte aufgenommen und die unternehmensstrategischen Elemente weiter verfolgt werden.

111 Vgl. hierzu ausführlicher Kap. 3.4.1., S. 180 ff.

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79

3.2. Indeterminiertheit der Unternehmens strategie versus struktureller Determinismus der Industrieökonomik?

Angesichts des augenscheinlichen Widerspruchs zwischen der Indeterminiertheit der

Unternehmensstrategie und dem Determinismus, der in der Industrial Organization

von der Marktstruktur auf das Marktverhalten ausgeht, stellt sich die Frage, ob die

strengen Vorstellungen der Limitpreis-Theorie bzw. der traditionellen Industrieöko­

nomik soweit gelockert werden können, daß das oben vorgestellte Eintrittsbarrieren­

konzept für unternehmensstrategische Belange fruchtbar werden kann. Hierbei wird

sich zeigen, daß das Limit Pricing in der ursprünglichen Konzeptionalisierung Bains

durchaus bereits in differenzierterer Weise der' oligopolistischen Interdependenz der

Entscheidungen von bestehenden und potentiellen Wettbewerbern Rechnung trägt.

Denn indem Bain deren mögliche alternative Verhaltensweisen und Reaktionserwar­tungen diskutiert, gelangt er genau genommen gerade nicht zu dem einen, wohl defi­

nierten Eintrittssperrenpreis. Erst in der Folge vollzog sich dann eine preistheoretische

Verengung des ursprünglich breiter angelegten Limit Pricing-Ansatzes zu dem im vor­

stehenden Kapitel dargelegten detenninistischen Konzept. Diese Entwicklung erfolgte

unter dem Einfluß der Monographie von Sylos-Labini1 und insbesondere des Bespre­

chungsaufsatzes von Modigliani2 zu den Arbeiten von Bain und Sylos-Labini.

Damit zielt die wesentliche Kritik am Limit Pricing eigentlich "ins Leere" - nämlich

auf die zunächst gar nicht darin enthaltene Beschränkung auf das Sylos-Postulat bzw.

auf die damit unterstellte einzige Verhaltensweise etablierter und neuer Wettbewer­

ber. Dennoch bleibt aber die Bedeutung der Determiniertheit des Marktverhaltens

durch die Marktstruktur zu prüfen, die Bain im Anschluß an das deterministische

Industrial Organization-Paradigma implementierte. Da sich auch dieses Problem mit

dem revidierten Paradigma als überwindbar erweist3 und bei Bain selbst gar nicht in

der von Porter konstatierten Schärfe auftritt4, können schließlich neuere Entwicklun-

1

2

3

4

Vgl. Sylos-Labini (Oligopoly).

vgl. Modigliani (Developments).

vgl, zu dieser Neufassung des ursprünglichen Paradigmas oben, S. 37 f. Der dort getätigte Vorgriff erwies sich als notwendig, da ohne ihn die Heranziehung der Industrieökonomik zu Fragen der Strategieforschung nicht einsichtig gemacht werden kann.

Porter - etwas überzeichnend - zu Bains Position: "Bain, representing the structuralist view, responds to the conduct hypothesis that although the form of conduct can indeed differ among industries in ways that reflect the frrm's discretion, the substance (or effect on performance) of these differences in conduct is largely if not totally determined by each industry's structure; therefore conduct is irrelevant. Even though firms think they have a choice, they really do not." Porter (Interbrand choice), S. 74. Bain selbst allerdings etwas differenzierter: "Market structure ...

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80

gen aufgezeigt werden, die das indeterminierte strategische Wettbewerbsverhalten etablierter Anbieter gegenüber potentiellen Konkurrenten zum Gegenstand haben.

3.2.1. Ist der Eintrittssperrenpreis determiniert?

Die beiden wesentlichen Kritikpunkte an der Theorie des eintrittsverhindernden Preises lauten, daß das limit Pricing selbst nicht als die langfristig gewinnmaximale

Handlungsweise determiniert ist und daß - sollte es sich unter bestimmten Bedingun­gen dennoch empfehlen - auch der Eintrittssperrenpreis keine eindeutig determinier­

bare Lösung darstellt.

Die erste Kritiklinie, die das limit Pricing als langfristig gewinnmaximale Politik überhaupt in Frage stellt, hält dem Eintrittssperrenpreis die Alternative des Open Pricing entgegen5. Sie setzt dabei an dem Grundgedanken des Umit Pricing an. Dieser besagt, daß es für etablierte Anbieter langfristig vorteilhaft ist, zur Verhin­derung von Markteintritten auf kurzfristige Gewinnmöglichkeiten zu verzichten und dafür die Erzielung dauerhaft überdurchschnittlicher Gewinne in Aussicht zu haben. Demgegenüber propagiert das Open Pricing eine unmittelbare Gewinnmitnahme durch eine monopolistische bzw. oligopolistische Preisfestsetzung, und zwar unge­achtet der dadurch stattgegebenen Markteintritte, die zu Marktanteilsverlusten und zukünftig geringeren Gewinnen führen werden6•

Da nun sowohl das limit Pricing- als auch das Open Pricing-Konzept eine langfristige Gewinnmaximierung behaupten7/ 8, ist die Eintrittsverhinderung offenkundig nicht

5

6

7

8

is to some extent created by conduct, a1though the conduct in question generally is feasible because of certain basic environmental or structural characteristics of industries that various seilers can exploit to their advantage." Bain (Industrial Organization), S. 364 f.

Diese Preisstrategie geht auf Stiglers Modell "offener Oligopole" zurück. Hierunter versteht Stigler Oligopolmärkte, in die der Eintritt neuer Konkurrenten relativ einfach möglich ist. Vgl. Stigler (Theory), S. 231 ff. Zum Open Pricing vgl. nachfolgend insbesondere Greer (Industrial Organi­zation), S. 307 ff., und Koch (Industrial Organization), S. 283 ff.

Clarke (Industrial Economics), S. 86, bringt das Entscheidungsproblem "Open oder Limit Pricing?" auf den Nenner eines Trade off zwischen gegenwärtigen Gewinnen und zukünftigen Marktanteilen.

Allerdings stellt Koch (Industrial Organization), S. 284, heraus, daß dies unter z.T. uneinheitlichen Annahmen erfolgt: "Where entry-limit theories predict collusion in order to prevent entry, the open-oligopoly model predicts an absence of collusion and the existence of substantially indepen­dent behavior on the part of each firm in the market." Zum Stellenwert der Einigung der etablier­ten Oligopolisten auf einen Sperrenpreis meint Osborne (Entry), S. 400: "The point is important because the absence of dose co-operation can send price below the entry-barring level."

Zum Versuch einer empirischen Klärung der Frage, ob in oligopolistischen Märkten ein Limit oder ein Open Pricing vorherrscht, vgl. Kamerschen (Test). Diese Untersuchung ist so angelegt, daß aus

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81

die einzige bzw. nicht in jedem Falle die gewinnmaximale Strategie. Vielmehr haben

die etablierten Oligopolisten bei gleicher Zielsetzung die Wahlmöglichkeit zwischen

eintrittssperrenden Preisen und solchen ohne diese Obergrenze. Dabei ist - wegen

der unterschiedlichen Struktur der Gewinnströme dieser beiden Alternativen9 - für

die Wahl der Preispolitik letztlich die Summe aller abgezinsten zukünftigen Gewinne

maßgeblich.

Welche Preisgestaltung maximiert nun den Barwert der zu erwartenden Gewinne? Ist

es langfristig vorteilhafter, Markteintritte zu verhindern oder Eintrittsversuchen statt­

zugeben? Nach Scherer richtet sich die Antwort hierauf nach dem zugrunde gelegten

Abzinsungsfaktor, nach der Höhe der Eintrittsbarrieren sowie nach dem Ausmaß und

dem zeitlichen Verlauf von Marktzutritten und Gewinnrückgang im Falle einer Open

Pricing-PolitiklO• Ein größerer Time-lag bis zum Stattfinden von Markteintritten

spricht beispielsweise für eine Anhebung der Preise über das eintrittssperrende

Niveau, " ... for the sum of high short-run profits and lower discounted post-entry

profits will be greater the longer the lags and may exceed present and discounted

future entry-barring profits."n Auch fehlende oder lediglich geringe Kosten- und

Differenzierungsvorteile gegenüber Newcomern favorisieren die Realisation anfäng­

lich hoher Gewinne. Denn ohne den Schutz deutlicher struktureller Eintrittsbarrieren

müßte der Limitpreis zur Verhinderung von· Marktzutritten so niedrig angesetzt

werden, daß er überhaupt bzw. fast keine überdurchschnittlichen Gewinne mehr

zuläßt12. Ebenso begünstigen hohe Abzinsungsraten eine Open Pricing-Politik, da bei

dieser weiter in der Zukunft liegenden Gewinnen eine geringere Bedeutung beige­

messen wird als den stärker gewichteten kurzfristigen Gewinnen13•

9

einer im Zeitablauf abnehmenden Konzentrationsrate auf ein Open Pricing geschlossen wird. Zu einer Darstellung vgl. auch Koch (Industrial Organization), S. 285 f.

Dem Open Pricing mit anfänglich hohen und im Zeitablauf sinkenden Gewinnen stehen beim Limit Pricing zunächst geringe, aber steigende Gewinne gegenüber. Zu einer graphischen Veranschau­lichung vgl. Greer (Industrial Organization), S. 308, und Scherer (Industrial), S. 236.

10 Vgl. Scherer (Industrial), S. 235. n Osborne (Entry), S, 399.

12 Vgl. Scherer (Industrial), S. 235 f.

13 Eine generelle Empfehlung für ein Open Pricing oder ein Limit Pricing kann hier wegen der stark subjektiven Wahl des Abzinsungsfaktors nicht mehr gegeben werden. Zu einer kurzen Diskussion dieses Sachverhaltes vgl. Scherer (IndustriaI), S.235. Unter Bezugnahme auf Dean (Managerial, S. 568) weist Scherer darauf hin, daß in den Standardwerken der Managerial Economics bei hoher Unsicherheit hohe Abzinsungsraten als angebracht gelten. Ein solches Unsicherheitsniveau hält Scherer bei der Planung der langfristigen Preispolitik für gegeben. Allerdings räumt er mit Harrod (Essays) ein, daß einer hohen Unsicherheit auch gerade entgegengesetzt begegnet werden kann: "The best method of insuring against them (the vast uncertainties of a relatively distant future, Anm. d. Verf.) is to attach to oneself by ties of goodwill as large a market as possible as quickly as possible. If one can get a substantially larger market by earning no more than a normal profit than

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82

Als Zwischenergebnis kann nun festgehalten werden: Aus der Existenz (mindestens)

zweier Handlungsalternativen14 zur langfristigen Gewinnmaximierung geht hervor,

daß eine eintrittsverhindernde Preispolitik bei Vorliegen struktureller Markteintritts­

barrieren nicht von vornherein angezeigt, d.h. nicht schon selbst detenniniert ist. Und die

Frage nach der im Einzelfall gewinnmaximalen Preispolitik kann nur unter Würdi­

gung marktstruktureller und unternehmensspezifischer, ja sogar subjektiver bzw.

intrapersoneller Faktoren beantwortet werden. Insofern scheint das Limit Pricing­

Konzept ein gravierendes Defizit aufzuweisen. Denn es kennt ja zunächst überhaupt

nur die Eintrittsverhinderung als gewinnmaximale Handlungsweise. Und aufgrund

fehlender Handlungsalternativen müssen auch nicht die Voraussetzungen konkreter

analysiert werden, unter denen sich die Festsetzung des Limitpreises als optimale

Strategie empfiehlt.

Diese Kritik betrifft nun zwar zu Recht die Theorie des Eintrittssperrenpreises nach

Sylos-Labini und Modigliani, richtet sich aber nicht gegen das strukturalistische Ein­

trittsbarrierenkonzept und das Limit Pricingper se. Denn bereits Bain berücksichtigte

- zumindest ansatzweise - die oben mit Scherer herausgestellte Bedeutung des Entry­

lags für das Marktverhalten etablierter Anbieter bzw. für deren Bedrohung durch

potentielle Konkurrenten: ''The longer the lag period in question, the less influence

any given threat of entry will be likely to have on established sellers.,,15 Jedoch fand

Bain zunächst keinen Weg, den "entry-deterring price gap" und den "entry lag" zu

einem Maß zusammenzufassen und definierte die Marktzutrittsbedingungen daher

allein über die Höhe der größtmöglichen eintrittsverhindernden Preis-Kasten-Diffe­

renz. Gleichwohl bezog er aber die Zeitspanne bis zum Erfolgen von Markteintritten

one could get by earning a surplus profit ... one may weil choose to do the former, as an insurance against future uncertainties." Damit kann nur noch ausgesagt werden, daß der Abzinsungsfaktor von der Perzeption der Umweltunsicherheit und letztlich von der subjektiven Risikoneigung bzw. -aversion der Entscheidungsträger abhängt.

14 In einer statischen Betrachtung werden der Monopolpreis und der Limitpreis als nachhaltig fest· gelegte, d.h. konstante Preise unterstellt. Da aber die Preisgestaltung im Zeitablauf geändert wer­den kann, beschreiben der Monopol- und Eintrittssperrenpreis nur die Ober- und Untergrenze aller Preisalternativen. Dazwischen liegt der Lösungsraum der dynamischen Limitpreiskalkulation. [Greer (Industrial Organization), S. 309, spricht daher von "intermediate pricing".] Die dynamischen Ansätze basieren auf der Grundvorstellung, daß es unter Gewinnmaximierungsaspekten vorteil­hafter ist, Markteintritten kontrolliert stattzugeben als diese völlig zu verhindern oder uneinge­schränkt zuzulassen. Sie fragen daher nach dem optimalen Zeitpunkt für die Absenkung des (Monopol-)Preises zur Verzögerung weiterer Marktzutritte oder nach optimalen Preispfaden. Zu einem Hinweis auf wichtige Arbeiten in diesem Bereich vgl. unten, S. 83, Fußnote 18.

15 Bain (Barriers), S. 11. Unter der "lag period" bzw. dem "entry lag" versteht Bain die Zeitspanne zwischen der Initiierung erster, mehr oder weniger unwiderruflicher Schritte des Kapazitätsaulbaus und der Bereitstellung aller Ressourcen für den routinemäßigen Betrieb bei geplantem Produk­tionsausstoß. Vgl. ebenda, S. 10 f.

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83

als ergänzenden Faktor in seine analytischen Überlegungen ein16. Im Gegensatz dazu traten im Limit Pricing-Modell von Sylos-Labini die zeitlichen Aspekte dann vollends

in den Hintergrund17, bis sie schließlich mit den dynamischen Limitpreis-Ansätzen in

den Mittelpunkt des Interesses rückten18.

Aber nicht nur der Entry-Iag fand Eingang in Bains theoretische Vorüberlegungen

zur Limitpreisbildung, die er zur Generierung von Hypothesen für seine empirische

Studie anstellte. Er gelangte darin sehr wohl auch zu dem Ergebnis, daß unter

bestimmten (marktstrukturellen) Konstellationen bei etablierten Anbietern eher ein

Open Pricing als ein Limit Pricing zu beobachten sein wird. Als Bestimmungsfak­

toren der zu erwartenden Verhaltensweise berücksichtigte er bereits - wie auch

später Scherer19 - die Höhe der Eintrittsbarrieren und die Bedeutung, die der

Unsicherheit über die zukünftigen Marktverhältnisse beigemessen wird. Mit Blick auf

diese Unsicherheit unterschied Bain bei der Modellbildung folgende zwei Möglich­

keiten20: Zum einen den Fall, daß sich etablierte Anbieter im unklaren sind, ob mit

neuen Wettbewerbern nach deren Markteintritt eine Kollusion, d.h. eine Verständi­

gung über die für beide Seiten günstigste gemeinsame Vorgehensweise im Markt

gelingt. Angesichts dieser Ungewißheit ist es nach Bain sicherer, einen Markt zu kon­

trollieren als Markteintritte zuzulassen, was mit Unwägbarkeiten über die zukünftige

Verteilung des Branchenabsatzes auf die einzelnen Anbieter verbunden ist. Bain hält

es daher für wahrscheinlich, daß etablierte Anbieter ein Limit Pricing bevorzugen

werden, " ... wherever the relatively certain profits offered by those courses (gemeint

ist die Zutrittsverhinderung, Annl. d. Verf.) exceed the heavily risk-discounted gain

attainable if entry is attracted via higher prices."21 Zum anderen analysiert Bain den

16 Vgl. Bain (Barriers), S. 11.

17 Vgl. z.B. den Annahmenkatalog des Limit Pricing bei Rühmann (Latente Konkurrenz), S. 3Ol.

18 Vgl. hierzu insbesondere die Arbeiten von Gaskins (Dynamic), Wenders (Entry), Kamien & Schwartz (Limit) sowie Pashigian (Limit). Siehe auch die Darstellung bei Jacquemin & Thisse (Strategy) und Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 178 ff., sowie durch Feichtinger (Dynami. sche Preispolitik). Osborne (Rationality, S.71) kommentiert die Dynamisierung statischer Limit Pricing-Konzepte als eine natürliche Weiterentwicklung, da Markteintritte und diesbezüglich zu ergreifende Maßnahmen "inhärent dynamisch" sind. Denn, so Osborne (ebenda, S. 71) kurz und treffend: "Entry takes time."

19 Vgl. dazu oben, S. 8l.

20 Vgl. nachfolgend Bain (Pricing), S. 227 - 234.

21 Bain (Pricing), S. 229. Zur Einbeziehung der Unsicherheit in Limit Pricing-Modelle siehe auch Baron (Limit), S. 672: "Since limit pricing decision involves uncertain profits, it seems natural to ask how risk preferences affect the limit price." Baron zeigt in seinem Beitrag, daß eine Risikoaversion zu einer Senkung des Limitpreises führen kann und daher ähnlich wie eine Eintrittsbarriere wirkt _ nämlich insofern, als sie Markteintritte ebenfalls weniger wahrscheinlich macht. Allerdings gebraucht Baron einen anderen Risikobegriff als Bain. Für ihn besteht das Risiko etablierter

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Fall, in dem etablierte Anbieter vom Gelingen einer Interessenkoordination mit

Newcomern ausgehen. Hier gelangt er zu dem Ergebnis, daß der Gewinn etablierter

Unternehmen ebenfalls durch das Setzen eines Limitpreises maximiert wird22.

Breiten Raum widmete Bain auch bereits dem später wiederum von Scherer hervor­

gehobenen Einfluß der Eintrittsbarrierenhähe auf die Wahl der Preispolitik. Seine Hypothesen23 besagen diesbezüglich24:

(1) Eine dauerhaft monolpolistische Preisgestaltung sollte in Branchen zu erwarten

sein, in denen sehr hohe Eintrittsbarrieren den Marktzutritt neuer Anbieter

blockieren ("blockaded entry").

(2) Bei hohen bis mittelhohen Eintrittsbarrieren dürfte eine nachhaltige Limitpreis­

politik anzutreffen sein, mit Preisen deutlich unterhalb des monopolistischen

Niveaus, aber spürbar über dem Wettbewerbsniveau; Markteintritte sollten aber

nicht stattfinden ("effectively impeded entry").

(3) Bei mäßigen bis geringen und bei fehlenden Eintrittsbarrieren ist mit hohen

temporären Preisen und Gewinnen zu rechnen, die aber Markteintritte nach sich

ziehen ("ineffectively impeded entry" und "easy entry").

Bains apriori-Überlegungen zu Marktstrukturen und eintrittsverhindernden Preis­

strategien decken also sowohl das Open Pricing (nämlich im "blockaded entry"-Fall)

als auch das Limit Pricing (im "effectively impeded entry"-Fall) und selbst das

Dynamic Limit Pricing (im Falle eines "ineffectively impeded entry") ab. Damit wird

offensichtlich, daß das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept nicht in dem Sinne

deterministisch ist, daß es überhaupt nur eintrittssperrende Verhaltensweisen analy­

siert und vorschreibt, sondern auch andere gewinnmaximierende Alternativen und

deren strukturelle Kontextbedingungen beleuchtet.

Anbieter darin, daß potentielle Konkurrenten tatsächlich in den Markt eintreten werden (vgl. ebenda, s. 670). Für Bain liegt es hingegen im Scheitern einer Kollusion nach einem Markteintritt.

22 Vgl. Bain (Pricing), S.231 - 234. Allerdings hierzu einschränkend (ebenda, S.234): "It may be objected, of course, that if established seilers assume collusion after entry, and potential entrants assume it too, then these potential entrants should not be much influenced by the current prices of established seilers, and that a Iimit-price analysis is thus implausible. It becomes plausible evidently only if potential entrants are quite uncertain about industry demand and about how they will be welcomed by established seilers. But such an incongruity of attitudes is itself not implausible, and the model just developed may thus constitute a realistic variant of our first model."

23 Bain spricht auch von "theoretical" oder "a priori predictions".

24 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 272 ff., insbesondere S. 275, sowie (Barriers), S. 34 - 41.

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Hiergegen mag man jedoch berechtigterweise einwenden, daß der strenge Deter­

minismus (wie im Modell der vollkommenen Konkurrenz) lediglich einem situativen

Determinismus gewichen ist25• Denn schließlich ist in Abhängigkeit von der Höhe der

Eintrittsbarrieren immer noch eine bestimmte Verhaltensweise angezeigt: Präskriptiv

gewendet besagt Bains "effectively impeded entry"-Hypothese doch, daß ein etablier­

tes Unternehmen in einer Branche mit mittelhohen Eintrittsbarrieren seinen Gewinn

nur durch die Festsetzung des Eintrittssperrenpreises maximiert.

Folgt man nun diesem Einwand und hinterfragt den FaJl, in dem ein Limit Pricing

kontextabhängig, d.h. durch die spezifische Ausprägung der Marktstruktur vorbe­

stimmt ist, so stellt sich heraus, daß auch für diesen Ausschnitt bzw. Teilbereich des

strukturalistischen Eintrittsbarrierenansatzes der Limitpreis keineswegs so eindeutig

determiniert ist, wie es die Theorie des eintrittsverhindernden Preises nach Sylos­

Labini nahelegt. Denn dies würde voraussetzen, daß entweder keine Interdependenz

zwischen den Entscheidungen etablierter und potentieller Anbieter besteht, oder daß

- sollte eine wechselseitige Entscheidungsabhängigkeit doch gegeben sein - das Sylos­Postulat als realistische Annahme für die beiderseits gehegten Verhaltenserwar­

tungen gelten kann. Nur wenn es nämlich gelingt, die Unsicherheit der Etablierten

über die Handlungspläne und -prämissen potentieller Konkurrenten mittels stich­

haltiger Annahmen zu beseitigen26, kann eine wohl definierte und damit deter­

minierte Lösung gefunden werden. Andernfalls steht den etablierten Anbietern - je

nach dem Spektrum der von ihnen erwogenen Annahmen über neue Wettbewerber -eine Reihe alternativer, d.h. indeterminierter Optimallösungen offen27.

Keine Schwierigkeiten bereitet die Deduktion eines allein gültigen Limitpreises

zunächst in Branchen mit atomistischer Marktstruktur und in Oligopolmärkten mit

einem dominanten Branchenführer. Denn in atomistischen Märkten ist nach Voraus­

setzung kein Handlungsspielraum für einzelne Firmen gegeben. Kein Anbieter geht

also davon aus, daß er mit seiner Preispolitik die Marktstruktur oder das Marktver­

halten seiner (potentiellen) Mitbewerber beeinflussen kann. Dies bedeutet, daß ein

einzelnes Unternehmen durch seine Preisgestaltung weder Marktzutritte verhindern

25 Zur kontingenztheoretischen Perspektive und den situativen Ansätzen vgl. Schreyögg (Umwelt) und (Contingency).

26 Dies gilt natürlich auch für die Unsicherheit der Newcomer über die voraussichtlichen Reaktionen etablierter Wettbewerber auf ihren Markteintritt.

27 Zu einer Diskussion des Verhältnisses von oligopolistischer Interdependenz, HandlungsspieIraum und Determinismus vgl. Schreyögg (Unternehmensstrategie), S. 12 - 17.

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86

noch herbeiführen kann28• Ein anderes Bild zeigt sich in Oligopolmärkten. Hier

besitzen die einzelnen Marktteilnehmer grundsätzlich einen hinreichenden Freiheits­

grad für strategisches Handeln. Ein eindeutig determinierter Limitpreis ergibt sich

hier aber nur dann, wenn die Freiheitsgrade asymmetrisch verteilt sind, wie in Oligo­

polen mit einer dominanten Finna. Bei dieser Marktform29 verfügt nur der marktbe­herrschende Branchenführer über einen Handlungsspielraum3O. Die restliche

Branche ist hingegen so stark fragmentiert, daß sich die zahlreichen kleineren

nachrangigen Anbieter wie atomistische Preisnehmer verhalten31. Sie betrachten den

Preis des dominanten Unternehmens als gegeben und bestimmen ihre Angebots­

menge nach dem Cournot-Kriterium. Für den Marktführer bedeutet dies eine kalku­

lierbare Situation. Er kann seine eigene Nachfragekurve ermitteln, indem er von der

Marktnachfrage das sich bei alternativen Preisen ergebende Angebot der kleineren

(aktuellen und potentiellen) Konkurrenten subtrahiert32. Und in Kenntnis dieser

individuellen Nachfragefunktion kann er die exakt bestimmbare Restnachfrage potentieller Wettberwerber auf Null beschränken33.

Trotz einer oligopolistischen Interdependenz zwischen etablierten und neuen Wett­

bewerbern besteht also in Märkten mit einem dominanten Anbieter ein exakt defi­

nierter Limitpreis. Denn nach Voraussetzung weiß das marktbeherrschende Unter­nehmen in einer derartigen Branche, daß Newcomer als Preisnehmer und Mengen-

28 Vgl. Bain (Barriers), S.3O. Bain hierzu in (Industrial Organization), S. 272: "Therefore, their independent competitive policies result in the emergence of a market-determined price that either does not attract entry ... or does attract it until price is brougth down to the level of the minimal average costs of the most-disadvantaged or marginal entrant. It follows that in atomistic industries the condition of entry is simply one of the market forces that 'automatically' determine longrun equilibrium market prices."

29 Die Untergrenze des Marktanteils für eine Preisführerschaft bzw. Marktdominanz wird von Scherer (IndustriaI), S. 232, und von Stigler (Industry), S. 228, mit 40 Prozent beziffert.

30 Dieser äußert sich darin, daß der Marktführer im Gegensatz zu den Randwettbewerbern ("fringe rivals") alternative Preise festsetzen kann. Unter der Voraussetzung einer angestrebten langfristigen Bestandssicherung ist aber seine Wahlmöglichkeit eingeschränkt, da bei Preisen über dem eintritts­sperrenden Niveau sein Marktanteil auf lange Sicht gegen Null gehen würde. Vgl. Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 173, und Scherer (Industrial), S.234; siehe auch die Diskussion zum Niedergang marktbeherrschender Unternehmen, Z.B. in Weiss & Pascoe (Dominance) und Geroski (Decline). Insofern existiert nicht nur - wie nachfolgend gezeigt - eine wohl definierte Lösung für den Eintrittssperrenpreis, sondern dieser muß von marktbeherrschenden Unternehmen aus Grün­den der Bestandserhaltung auch realisiert werden. So gesehen besteht kein echter Handlungs­spielraum.

31 Nach Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S.l72, ist eine derartige Marktstruktur vielfach dadurch begründet, daß die dominante Firma mit vergleichsweise niedrigen Kosten produziert, die Z.B. aus absoluten Kostenvorteilen resultieren.

32 Vgl. Neumann (Volkswirtschaftslehre III), S. 172.

33 Vgl. dazu im einzelnen Scherer (Industrial), S. 233 f.

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anpasser agieren und kann dies in sein Kalkül einbeziehen. Wie verhält es sich aber,

wenn es keinen dominanten Marktführer gibt, dessen Preis die potentiellen New­

comer als gegeben akzeptieren?

In diesem Fall müssen sowohl die etablierten Anbieter bei der Festsetzung des Sper­

renpreises als auch die potentiellen Newcomer bei ihrer Eintrittsentscheidung

Annahmen über die Reaktionsweise und Entscheidungsprämissen ihrer Kontrahen­

ten treffen. Denn maßgeblich für einen potentiellen Wettbewerber ist grundsätzlich

nicht der augenblicklich herrschende Marktpreis, sondern der post-entry-Preis, der

sich nach seinem Marktzutritt einstellen wird. Dieses zukünftige Preisniveau, das er

seinen Stückkosten gegenüberzustellen hat, hängt nun sowohl von seiner eigenen

(geplanten) Angebotsmenge ab, aber auch von derjenigen der bereits bestehenden

Unternehmen. Um deren zukünftige Absatzmenge in sein Kalkül einbeziehen zu

können, müßte der Newcomer die (Preis-/Mengen-)Reaktion bestehender Wett­

bewerber auf seinen Markteintritt zutreffend vorhersagen können. Umgekehrt ent­

faltet der von den Etablierten festgesetzte pre-entry-Preis nur dann eine eintrittssper­

rende Wirkung, wenn potentielle Newcomer im Zuge ihrer Entscheidungsfindung genau diejenige Reaktion bestehender Anbieter antizipieren, die diese selbst der

Kalkulation des Limitpreises zugrunde gelegt haben.

Wie bereits erwähnt, wird dieses Problem der oligopolistischen Reaktionsverbunden­

heit zwischen Newcomern und Etablierten in der Theorie des eintrittsverhindernden Preises meist mittels des Sylos-Postulates gelöst34• Danach ist die Beibehaltung der

Angebotsmenge der Etablierten im Falle von Marktzutritten als eine denknotwen­

dige Annahme zu unterstellen. Mit der Kennzeichnung dieser Annahme als ein

Postulat verbindet sich der Anspruch, daß deren Gültigkeit zwar nicht beweisbar,

aber durchaus glaubhaft und einsichtig ist.

Wie lautet also die Begründung dafür, daß Newcomer realistischerweise annehmen

müssen, daß Etablierte ihren Output zukünftig nicht verändern werden? Modigliani,

der ja den Begriff des Sylos-Postulates prägte, bleibt eine stichhaltige Antwort schul­

dig. Er stellt in seinem Besprechungsaufsatz zu Bain und Sylos-Labini zunächst ledig­

lich fest, daß beide Autoren nicht vor dem Problem der oligopolistischen Interdepen­

denz haltmachen, sondern mit der Outputbeibehaltung den aus der Sicht der New-

34 So z.B. auch Needham (Barriers), S.3O: "Much of the existing theory of entry barriers is based explicitly or implicitly on the assumption, usually referred to as the Sylos Postulate, that entrants expect established rums to maintain their output at an unchanged level in the face of entry."

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corner ungünstigsten Fall systematisch analysieren35. Etwas weiter unten konstatiert

er zu Bains "halbherzigen Versuchen", die Konsequenzen der Abkehr vom Sylos­

Postulat zu erforschen36: "Certainly, the diametrically opposite assumption that

existing firms will adopt a policy of maintaining price, by contracting their output,

would generally be a rather foolish one far the entrant to make.,,37 Denn diese

Annahme impliziere, daß etablierte Unternehmen den Newcomern großzügig Markt­

anteile überlassen und die damit verbundenen Umsatzeinbußen und möglicherweise

höheren Durchschnittskosten bereitwillig in Kauf nehmen38•

Genau hierin sehen nun aber einige Kritiker die günstigere Verhaltensweise beste­

hender Wettbewerber nach dem Stattfinden von Markteintritten. So zeigt z.B.

Bhagwati, daß bei identischen Kostenfunktionen39 sowohl die neu hinzugekommenen Wettbewerber als auch die etablierten Unternehmen in die Verlustzone geraten,

wenn ein Markteintritt stattfindet und letztere ihre Angebotsmenge beibehalten. Damit ist es nach Bhagwati in homogenen Märkten zunächst eine Frage des Zufalls,

welche Firma ausscheiden wird. Wenn aber die mindesteffiziente Eintrittsgröße der

Newcomer geringer ist als die Angebotsmenge der Etablierten, ist der Verlust der

bestehenden Anbieter größer als jener der neuen Wettbewerber. Damit verschieben sich - ceteris paribus - die Überlebenschancen zugunsten der Newcomer40• Vor dem

Hintergrund dieser Überlegungen wäre es also für bereits bestehende Unternehmen

vorteilhaft, ein zu starkes Absinken des Marktpreises durch Rücknahme der eigenen

Absatzmenge zu verhindern. Ähnlich argumentiert Scherer, daß eine unveränderte

Angebotsmenge im Regelfall nicht die profitabelste Strategie für die betroffenen

Unternehmen ist. Früher oder später werden sie auf erfolgte Markteintritte mit einer

Angebotsreduzierung und Preiserhöhung - entweder bis auf das kurzfristig gewinn-

35 Vgl. ModigIiani (Developments), S. 217.

36 So sinngemäß Modigliani (Developments), S. 230.

37 Modigliani (Developments), S. 230.

38 Vgl. Modigliani (Developments), S. 230.

39 Sylos-Labini konzentriert sich hauptsächlich auf den Fall, in dem bestehende und neue Konkur­renten Zugang zur gleichen langfristigen Kostenfunktion besitzen. Vgl. Modigliani (Developments), S. 215. Auch Bain bezieht sich bei seinen Überlegungen zum Limitpreis unter dem Sylos-Postulat nur auf größenabhängige Eintrittsbarrieren. Kostenunterschiede können daher nur aus Größen­unterschieden resultieren. Die Kurve der langfristigen Stückkosten ist also für alle Marktteilnehmer

40

identisch. V gl. hierzu oben, S. 49 fr. und S. 55.

Vgl. Bhagwati (Entry-prevention), S. 307 f. Das Argument des relativ größeren Nachteils etablierter Unternehmen wurde zuerst von McGee (Predatory) im Zusammenhang mit dem Verdrängungs­wettbewerb gebraucht. Siehe hierzu· unten, S. 118.

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maximale Niveau oder erneut auf die eintrittsverhindernde Höhe - reagieren41. Und

wenn potentielle Newcomer erkennen, daß es für Etablierte keinen ökonomischen

Grund gibt, eine nichtkooperative Preispolitik zu ergreifen und aufrechtzuerhalten,

werden sie nicht von der Einschätzung am Marktzutritt gehindert, daß durch ihr

zusätzliches Angebot der Preis drastisch sinkt: "The threat of output maintenance and

price cutting by established firms lacks credibility, and threats that are not credible do not deter.,,42/43

Das Sylos-Postulat ist demnach (vorerst) mangels Glaubwürdigkeit keine tragfähige,

allein gültige Reaktionsprämisse für eine Limitpreis-Theorie. Und selbst wenn sich -

wie bereits mit der vorstehenden Fußnote angedeutet und wie weiter unten ausführ­

lich thematisiert - die Glaubwiirdigkeit der "Sylos-Drohung" herstellen läßt, kann diese Annahme zum post-entry-Verhalten nicht als die "realistischte" oder gar

"pessimistischte" Prämisse ausgezeichnet werden. Denn dem Argument von

Modigliani, daß ein konstantes Absatzvolumen die ungünstigste der zu erwartenden

Reaktionen darstellt, mit der ein Newcomer rechnen muß, kann dann unschwer ent­

gegengehalten werden, daß Etablierte mit der Ausdehnung des eingenen Angebots noch härtere Gegenmaßnahmen ergreifen oder androhen können44• Diese Einwände

gegen die Begründung Modiglianis machen deutlich, daß das Sylos-Postulat als

generelle Reaktionsprämisse nicht haltbar ist45. Es führt zwar zu einem wohl definier­

ten Limitpreis, der jedoch mangels Eindeutigkeit und Stichhaltigkeit der zugrunde­

liegenden Verhaltens annahme die ihm zugedachte Wirkung nicht entfalten kann. Damit ist es einerseits nicht sinnvoll, überhaupt von einem wohl definierten bzw.

determinierten Limitpreis zu sprechen; andererseits bietet diese Theorie des eintritts­

verhindernden Preises gerade keinen Ansatzpunkt für strategische Überlegungen, da

41 Vgl. Scherer (Industrial), S.246. Bei der neuerlichen Festsetzung des Limitpreises wird gegebe­nenfalls eine Korrektur vorgenommen werden, die der vorausgegangenen Erfahrung Rechnung trägt. Vgl. ebenda, S. 246.

42 Scherer (Industrial), S. 246. Scherer argumentiert hier freilich aus dem Modell selbst heraus, das ja vollständige Information auf beiden Seiten voraussetzt. Wenn diese Prämisse jedoch aufgegeben wird oder wenn auch nur die Möglichkeit der Selbstverpflichtung eingeräumt wird, werden Ver­ge\tungsmaßnahmen bzw. Preissenkungen glaubhaft, die sogar über das zur Absorbierung der zusätzlichen Angebotsmenge erforderliche Ausmaß hinausgehen können. Vgl. dazu unten, Kap. 3.3.1., S. 116 ff.

43 Zu einem ähnlich vernichtenden Ergebnis wie vorstehend Scherer gelangt Wenders (Entry), S. 1277: "In no case does the output maintenance assumption make sense in terms of immediate profit or present value maximization."

44 Vgl. z.B. Needham (Analysis), S. 104.

45 So sehen auch Hay & Morris (Industrial Economics), S. 185, das Sylos-Postulat nur als gerechtfer­tigt an, wenn etablierte Unternehmen nahe der Kapazitätsgrenze und mit hohen Fixkosten fertigen, so daß sie eine Drosselung ihrer Produktion als sehr unwirtschaftlich empfinden; zugleich muß eine signifikante Kapazitätserweiterung für einen beträchtlichen Zeitraum undurchführbar sein.

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das Bestreben des Sylos-Postulates dahin geht, Handlungsalternativen auszuklam­

mern und den Entscheidungsspielraum zu eliminieren.

Wie schon oben, als das Open Pricing gegen den Limitpreis-Ansatz als alternative

Gewinnmaximierungsmöglichkeit in Stellung gebracht wurde, führt auch hier der

Rückgriff auf die weitaus differenzierteren originären Überlegungen Bains weiter.

Diese nehmen ihren Ausgangspunkt bei der Diskussion des Aussagegehalts von pre­

entry-Preisen für das zukünftige Preisniveau, das ja für Newcomer entscheidungsre­

levant ist; und sie münden in eine Reihe alternativer Reaktionsmöglichkeiten für

bestehende Wettbewerber. Potentielle Newcomer sieht Bain diesbezüglich mit einem

immanenten Unsicherheitsproblem konfrontiert. Insofern kann der auf Bain zurück­

zuführende Limitpreis-Ansatz als ein nicht detenninistisches Konzept gewertet werden.

Denn anders als Modigliani ist Bain letztlich nicht bestrebt, die Unsicherheits­

situation zu beseitigen und den strategischen Handlungsspielraum künstlich zu

schließen.

Dies wird bereits an Bains Problematisierung des Zusammenhangs zwischen dem pre­

entry- und dem post-entry-Preis deutlich. Zu diesem Punkt räumt Bain ein, daß dem

augenblicklichen Gewinn- oder Preisniveau einer Branche nicht notwendigerweise

eine direkte Bedeutung zukommt, " ... since the anticipated industry price after entry and the entrant's anticipated market share are the strategie considerations.,,46

Gleichwohl erachtet es Bain als überzogen, eine völlige Unabhängigkeit zwischen der

gegenwärtigen Preis- und Gewinnsituation und der zukünftigen Rivalität zu unter­

stellen. Denn auch wenn ein Newcomer davon ausgeht, daß er selbst nicht den pre­

entry-Preis realisieren können wird, kann er in diesem dennoch einen Indikator für

die späteren Wettbewerbsverhältnisse sehen. In diesem Fall kann es einen kritischen

pre-entry-Preis geben, unterhalb dessen ein potentieller Wettbewerber vor einem

Markteintritt zurückschreckt. Dies gilt zumindest solange, wie ein potentieller New­

comer die zu beobachtende Preispolitik der Etablierten eher als eine Erklärung über

zukünftige Absichten ("statement of intentions") denn als einen BluJfbewertet47•

Inwieweit der pre-entry-Preis eine prognostische Kraft für das spätere Preisniveau besitzt, hängt damit ganz wesentlich von den (subjektiven) Deutungen neuer Konkur­

renten ab. Und umgekehrt basiert auch die Festlegung des Eintrittssperrenpreises auf subjektiven Schätzungen der bereits bestehenden Wettbewerber48• Damit macht Bain

zwei bedeutende Einschränkungen zur (objektiven) Determiniertheit des eintritts-

46 Bain (Pricing), S. 224.

47 Vgl. Bain (Pricing), S. 225.

48 Vgl. Bain (Pricing), S. 226.

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verhindernden Preises: "Since the limit price must be defined in terms of the guess of

the established firm(s) concerning the anticipations of the potential rivals, it is

especially subject to error as an ex ante magnitude, and it may be invalid if potential

entrants read it as a bluff.,,49

Ebenso differenziert wie den Zusammenhang von pre-entry- und post-entry-Preisen

behandelt Bain dann auch das Problem der Interdependenz zwischen bestehenden und

neuen Wettbewerbern. Denn im Gegensatz zu Sylos-Labini und Modigliani legt er sich

nicht von vornherein auf eine einzige Annahme fest. Er diskutiert vielmehr ein

umfassenderes Spektrum von Reaktionsweisen etablierter Anbieter, die ein New­

comer abzuwägen und in sein Eintrittskalkül einzubeziehen hat. Dieses Szenario der

von potentiellen Wettbewerbern antizipierten Reaktionen kann nach Bain folgende

Bandbreite annehmen50:

(1) Bei einer unbedeutenden Eintrittsgröße werden etablierte Unternehmen das

zusätzliche Angebot eines neuen Wettbewerbers nicht wahrnehmen. Auch der

Markt wird davon nicht spürbar beeinflußt. Potentielle Newcomer können in

diesem Fall unterstellen, daß sich der Marktpreis nicht ändern wird.

(2) Auch wenn ein Newcomer mit einer beträchtlichen Kapazität einzutreten plant,

mag er davon ausgehen, daß ihm bei konstanten Preisen ein entsprechender

Marktanteil eingeräumt werden wird.

(3) Alternativ dazu ist es denkbar, daß etablierte Wettbewerber ihre Ausbringungs­

menge konstant halten, so daß der Marktpreis in dem Maße sinkt, in dem der

Newcomer das Gesamtangebot vermehrt.

(4) Newcomer können aber auch die Vermutung hegen, daß die bisherigen Anbieter

ihre Absatzmenge zwar reduzieren werden, jedoch nicht so stark, daß trotz des

zusätzlichen Angebots neuer Wettbewerber der pre-entry-Preis erhalten bleibt.

Der post-entry-Preis fällt dadurch geringer aus als der augenblickliche Markt­

preis. Allerdings liegt er über dem Preisniveau, das sich bei einer unveränderten

Ausbringungsmenge etablierter Wettbewerber ergeben würde.

(5) Möglicherweise rechnen potentielle Newcomer aber auch mit Vergeltungsmaß­

nahmen. Sie erwarten vielleicht, daß die bereits bestehenden Anbieter ihren

Output steigern und dadurch eine noch stärkere Preissenkung bewirken werden

als im Fall der Beibehaltung ihres Angebots.

49 Bain (Pricing), S. 226. Etwas überraschend fährt Bain allerdings fort: "But it is nethertheless poten­tially valid and determinate."

50 Vgl. Bain (Barriers), S. 97.

Page 107: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

92

(6) Schließlich mögen Newcomer auch eine Anhebung der Preise über das augen­

blickliche pre-entry-Niveau antizipieren.

Angesichts dieser Fülle möglicher Verhaltensweisen spricht Bain von einer unaus­

weichlichen Unsicherheit darüber, ob bestehende Anbieter auf den Eintritt neuer

Wettbewerber wie von diesen antizipiert reagieren werden51. Diese der oligopolisti­

sehen Interdependenz immanente Unsicherheit löst er nun im Gegensatz zu Modi­

gliani nicht mittels eines einzigen. Postulates auf. Statt dessen trifft er stochastische Aussagen über die einzelnen Alternativen. Die geringste Wahrscheinlichkeit ordnet

er den letzten bei den der vorstehend genannten Erwartungen zu, die er auch keiner

näheren Analyse unterzieht. Als wahrscheinlichste und am ehesten realistische Annahme erachtet er den oben unter Punkt 4 beschriebenen Fall, daß sich ein

Marktpreis zwischen dem augenblicklichen Niveau und dem eintrittsverhindernden

Preis gemäß dem Sylos-Postulat einstellen wird. Da es sich hierbei um einen Preis­bereich handelt, nähert sich Bain diesem Lösungsraum von oben und von unten über

die ihn begrenzenden Alternativen an52. Im Mittelpunkt seiner Überlegungen stehen

daher die Annahme eines konstanten Marktpreises (Punkt 2) und das Postulat einer

unveränderten Angebotsmenge bestehender Wettbewerber (Punkt 3).

Aus der Perspektive der Strategieforschung kann nunmehr die Arbeiten Bains würdi­

gend festgehalten werden: (1) Die prinzipielle Unsicherheit darüber, ob überhaupt

ein systematischer Zusammenhang zwischen pre-entry- und post-entry-Preisen besteht, wird nicht negiert. Denn nur wenn die Möglichkeit des Bluffs ausgeschlossen

wird, kann ein solcher Zusammenhang gedacht werden. (2) Geht man trotzdem - wie

Bain selbst sagt: provisorisch53 - davon aus, daß ein derartiger Zusammenhang

besteht, so handelt es sich dennoch nicht um einen eindeutigen, sondern um einen

sehr vielschichtigen Konnex - bedingt durch die oligopolistische Reaktionsverbun­

denheit zwischen bestehenden und neuen Marktteilnehmern. Und da es für Bain

keine Möglichkeit gibt, die Erwartungen vorherzusagen, die potentielle Wettbewer­

ber über die Reaktionen der Etablierten (und damit über das zukünftige Preisniveau)

hegen54, existiert letztlich eine Vielzahl alternativer, indeterminierter Limitpreise.

Dies mag vom neoklassischen Standpunkt aus betrachtet ein Defizit gegenüber der

"Vollkommenheit" preistheoretischer Ansätze darstellen. Auch mag die von Bain

bezweckte Generierung theoriegestützter Hypothesen zum Limit Pricing dadurch

51 Vgl. Bain (Barriers), S. 97.

52 Vgl. Bain (Barriers), S. 98.

53 Vgl. Bain (Pricing), S. 225.

54 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 269.

Page 108: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

93

erschwert werden55. Aus dem Blickwinkel des Strategiekonzeptes ist es hingegen zu

begrüßen, daß das Handeln der potentiellen und etablierten Anbieter nicht in Form

einer allgemeingültigen Reaktionsprämisse vollständig aus dem Eintrittsbarrieren­

konzept eliminiert wurde, wie es später mittels des Sylos-Postulates geschah.

Zusammenfassend kann daher dem Einwand einer Determiniertheit der Limitpreis­und Marktzutrittsentscheidungen im strukturalistischen Eintrittsbarrierenansatz bis­

lang entgegengehalten werden, daß Bain selbst die Bedingungen nicht so eng faßte,

daß nur ein wohl definierter Eintrittssperrenpreis ableitbar ist. Statt dessen wird dem

strategischen Handeln von Unternehmen im strukturalistischen Eintrittsbarrieren­

konzept von Bain durchaus Beachtung geschenkt. Die zumindest ansatzweise vor­

handenen unternehmensstrategischen Elemente gingen erst verloren, als sich das

Limit Pricing auf der Grundlage des Postulates von Sylos-Labini zu einem strikt

deterministischen Ansatz neoklassischer bzw. preistheoretischer Prägung ent­

wickelte56• Diese "preistheoretische Verengung" brachte es auch erst mit sich, daß das

Limit Pricing zur scheinbar einzig gewinnmaximalen Handlungsweise avancierte. Auch hier zeigt ein Blick auf Bains ursprüngliche Konzeption, daß je nach der Höhe

der Eintrittsbarrieren zwischen einem Limit Pricing und einem Open Pricing zu diffe­

renzieren ist. Damit ist weder die Limitpreisbildung selbst noch ein bestimmter Ein­trittssperrenpreis determiniert bzw. als "deterministisch" haltbar. Und dies bedeutet,

daß zumindest implizit ein strategischer Handlungsspielraum auch im strukturali­

stischen Eintrittsbarrierenkonzept enthalten ist, womit dieser Ansatz der zentralen

Voraussetzung des "concept of strategy" genügt. Allerdings bleibt an dieser Stelle

noch zu prüfen, inwieweit der industrieökonomische Determinismus des klassischen

Paradigmas zum Zusammenhang von Marktstruktur und Marktverhalten dem Spiel­

raumgedanken zuwiderläuft.

55 Denn eigentlich müßten die den Hypothesen über ein Limit Pricing zugrunde gelegten Reaktions­annahmen erst selbst zum Gegenstand empirischer Forschung erhoben werden, ehe mit deren Hilfe prüfbare "theoretical predictions" gewonnen werden können. Vgl. hierzu auch Needham (Analysis), S.105.

56 Ähnlich auch Clarke (Industrial Economics), S.85, der die auf dem Sylos-Postulat basierende Theorie des eintrittsverhindernden Preises als logisch konsistente und deterministische Preistheorie bezeichnet.

Page 109: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

94

3.2.2. Exogene Marktstrukturen und determiniertes Marktverhalten: Zu den

Rahmenbedingungen des strukturalistischen Eintrittsbarrierenkonzeptes

und den Konsequenzen des interdependenten Paradigmas

Die vorstehenden Ausführungen haben ergeben, daß der Eintrittssperrenpreis nicht

als determiniert gelten kann, auch wenn eine Vielzahl der Darstellungen zur Theorie

des eintrittsverhindernden Preises diesen Eindruck erweckt. Denn dazu müßte mit

guten Gründen belegt werden können, daß das mit dem Limit Pricing-Konzept häufig

assoziierte Sylos-Postulat eine zwingende Verhaltensweise etablierter Anbieter

beschreibt, die - und nur die - Newcomer auch realistischerweise zu erwarten haben.

Diesbezüglich hat sich gezeigt, daß es keine stichhaltigen Argumente gibt, die diese

Annahme generell favorisieren. Denn in vielen Fällen ist es für einen Etablierten von

Nachteil oder gar umnöglich, seine Angebotsmenge nach erfolgten Eintritten beizu­

behalten. Potentielle Newcomer, die dies erkennen, lassen sich nicht durch einen

"Sylos-Preis" abschrecken. Und unter anderen Bedingungen stehen einem Etablierten

Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung, der "Sylos-Drohung" Glaubwürdigkeit zu

verleihen. Diese können dann jedoch ebenso zur Drohung mit aggressiveren Reak­

tionen als der Outputbeibehaltung eingesetzt werden57. Aber selbst wenn sich das

Sylos-Postulat im Einzelfall begründet heranziehen lassen sollte, kann es für

etablierte Unternehmen unter Gewinnmaximierungsaspekten dennoch vorteilhafter sein, dem Markteintritt neuer Wettbewerber allmählich und kontrolliert stattzugeben

als ihn auf Dauer vollständig zu verhindern.

Wenn also weder ein determinierter Eintrittssperrenpreis existiert noch das

(statische) Limit Pricing selbst die unbedingt gewinnmaximierende Handlungsweise

etablierter Anbieter darstellt, worin liegt dann der Determinismus des strukturali­

stischen Eintrittsbarrierenansatzes, der einen Widerspruch zum Strategiekonzept

bedeuten kann?

Ein Problem könnte - aus dem Blickwinkel der Strategieforschung - in dem industrie­

ökonomischen Determinismus zu sehen sein, der dem traditionellen Struktur­

Verhaltens-Ergebnis-Paradigma insgesamt zugrunde liegt. Daher ist im folgenden zu

prüfen, inwieweit erstens die deterministische Leitvorstellung des klassischen Para­

digmas das strukturalistische Eintrittsbarrienkonzept überhaupt prägte58; und wenn

57 Vgl. vorstehend Dixit (Developments), S. 12.

58 Die Beschäftigung mit den Problemen, die der Determinismus volkswirtschaftlicher bzw. industrie­ökonomischer Ansätze für die Strategieforschung aufwirft, mag dem betriebswirtschaftlich orien­tierten Leser als bloße 'theoretische Übung" und vielleicht gar als überflüssig erscheinen. Denn in

Page 110: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

95

sich die theoretische Reichweite des industrie ökonomischen Determinismus nicht als

unüberwindbar herausstellt, bleibt zweitens zu zeigen, zu welchen Konsequenzen das

revidierte Paradigma für den Eintrittsbarrierenansatz führt.

Als wesentliche theoretische Neuerung wird hier die Unterscheidung natürlicher und

strategischer Eintrittsbarrieren zu nennen sein. Denn diese Differenzierung trägt

gerade der Endogenisierung der Marktstruktur Rechnung, die (spätestens) mit dem

interdependenten Paradigma vollzogenen wurde: Strategische Eintrittsbarrieren

stellen - im Gegensatz zu den natürlichen Zugangsschranken - bewußt geschaffene

Eintrittshemmnisse oder -erschwernisse dar. Mit anderen Worten: Sie sind das

Ergebnis einer aktiven, zielgerichteten Gestaltung der strukturellen Marktzugangs­

bedingungen.

3.2.2.1. Die Determinismusvorstellung des klassischen Industrial Organization­

Paradigmas

Das positive Erkenntnisinteresse der Industrial Organization, wie es von Joe S. Bain

geprägt wurde59, ist auf das Marktergebnis ganzer Industriezweige und einzelner darin angesiedelter Unternehmen gerichtet. Es soll das Zustandekomrnen sowohl des

Marktergebnisses als auch der Ergebnisunterschiede einzelner Firmen erklärt

werden. Hierzu sieht es das industrieökonomische Forschungsprogramrn vor, die

jeweiligen Determinanten des Markterfolges zU identifizieren und zum Marktergeb­

nis in Beziehung zu setzen.

Als die beiden hauptsächlichen Bestimrnungsfaktoren des Marktergebnisses erachtet

man - wie bereits ausgeführt - die Marktstruktur und das Marktverhalten6O/ 61:

der Betriebswirtschaftslehre wird ja allein mit der Thematisierung unternehmensstrategischer Fra· gen immer schon vorausgesetzt, daß es Handlungsspielräume und strategische Gestaltungsmöglich­keiten gibt. Dies ist inzwischen auch in der neueren Industrieökonomik unstrittig. Daß aber die Determinismusfrage nach wie vor aktuell ist, belegt die Tatsache, daß kaum ein Beitrag zur indu­strieökonomischen Standortbestimmung diesen Punkt nicht tangiert - so z.B. auch jüngst Shepherds Bestandsaufnahme zu den zentralen Konzepten der Industrial Economics. Hierin stellt Shepherd (Core concepts, S. 26) fest, daß gerade im Oligopolfall - in dem ja die Determiniertheit des Markt­verhaltens vor allen anderen Marktformen in Frage gestellt ist - das Bestreben nach determini­stischen Lösungen neu erwacht. Insofern sind unsere methodischen Überlegungen keineswegs nur "historisch", sondern offenbar "zeitlos" relevant.

59 Vgl. hierzu Bain (Industrial Organization), S. 1 - 4.

60 Hierfür sprechen nach Bain (Industrial Organization, S. 3) sowohl empirische Beobachtungen und der Common Sense als auch die ökonomische Theorie.

Page 111: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

96

Zunächst übt die Organisation bzw. Struktur einer "Industrie" einen starken Einfluß

auf deren Ergebnis aus. Dies meint - mit den Worten Bains -: " ... market structure constrains and canalizes enterprise activities and their results."62 Daneben unterliegt

das Marktergebnis aber auch dem Einfluß des Marktverhaltens, worunter Bain die

Maßnahmen und Politiken von Unternehmen zur Anpassung an die Marktgegeben­

heiten versteht63. Erklärtes Ziel des industrieökonomischen Forschungsansatzes ist

es, zwischen diesen drei Beschreibungskategorien empirische Kausalzusammenhänge

("causal links") bzw. Ursache-Wirkungs-Relationen ("cause-and-effect relations")

festzustellen64. Denn damit wäre man in der Lage - und dies ist die normative Ziel­

setzung der Industrial Organization -, aufgrund der Marktstruktur Aussagen über das

Marktverhalten und das Marktergebnis zu treffen. Hierbei hegt man die Vorstellung,

daß wettbewerbliche Marktstrukturen zu einem wettbewerblichen, d.h. nichtkoopera­

tiven Marktverhalten und zu einem wünschenswerten Marktergebnis führen. Diese

Vorstellung entspricht dem bereits dargelegten traditionellen bzw. deterministischen

Industrial Organization-Paradigma, das eine Kausalkette behauptet, die von der

Marktstruktur über das Marktverhalten zum Marktergebnis reicht.

Welchen Stellenwert besitzt nun der hierin postulierte deterministische Zusammen­

hang für das strukturalistische Eintrittsbarrierenkonzept? Wenn strategische

Elemente aus dem Limit Pricing-Ansatz - wie gezeigt - nicht wegzudenken sind,

werden diese dann dennoch durch einen "übergeordneten" Determinismus des tradi­

tionellen Industrial Organization-Paradigmas eliminiert? Und sind strukturelle Ein­

trittsbarrieren nur als strikt exogene Elemente der Marktstruktur zu begreifen und

nicht als "strategische Aktionsparameter" etablierter Wettbewerber? Zur Beantwor­

tung dieser Fragen ist es zunächst erforderlich, die industrieökonomische For­

schungsmethode zu beleuchten. Hieraus wird dann die Bedeutung ersichtlich, die

dem traditionellen Paradigma für die Industrial Organization zukommt: Es handelt

sich weniger um eine theoretisch begründete Leitvorstellung, sondern um eine zum

Zwecke der empirischen Überprüfung von Hypothesen vorgenommene Verein­

fachung realer Zusammenhänge, die gleichwohl nicht willkürlich erfolgte.

61 Bain behauptet damit aber keineswegs, daß diese beiden Kategorien einen Anspruch auf Aus· schließlichkeit erheben: " ... , we cannot mean that structure and conduct are the sole, sufficient, and complete determinants of the way in which enterprises perform. Any complex aspect of human behavior has many determinants, and this is true in the fullest sense of the market performance of enterprises. Market structure and conduct c1early represent only a small fraction of the total deter­minants of market performance." Bain (Industrial Organization), S. 41.

62 Bain (Industrial Organization), S. 3.

63 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 3.

64 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 3.

Page 112: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

97

Die frühe industrieökonomische Forschung basiert auf dem Fallstudienansatz und

orientiert sich am induktiven Empirismus. Diese Methodenwahl wurde z.T. damit

begründet, daß es schlicht unmöglich ist, gehaltvolle generelle Aussagen zum Markt­

verhalten zu machen. Teilweise wurde aber auch argumentiert, daß Generalisierun­gen erst nach Abschluß detaillierter empirischer Studien vorgenommen werden

können. Kritisiert wurde diese induktive Vorgehensweise im Hinblick auf die Daten­

sammlung: Ohne eine klare Leitlinie in Fonn von Hypothesen besteht die Gefahr, daß

mit großem Aufwand eine Fülle an Daten erhoben wird, ohne zu brauchbaren

Ergebnissen zu führen. Außerdem ist nicht auszuschließen, daß bei der Datensamm­

lung selektiv vorgegangen wird, um die vorgefaßte Meinung bzw. die impliziten

Hypothesen des jeweiligen Forschers zu bestätigen65.

Die von Bain beeinflußte Industrieökonomik hat demgegenüber eine deduktive Vor­

gehensweise eingeschlagen66: Aus der neoklassichen Preis theorie werden Hypothesen

über die Beziehung zwischen konkreten Verhaltens- und Ergebnisvariablen sowie

über den Zusammenhang von bestimmten Marktstrukturmerkmalen und Verhal­

tensweisen abgeleitet, z.B. über die Höhe der Eintrittsbarrieren und die in Abhängig­

keit davon zu erwartende Preispolitik67. Diese "a priori-predictions" werden dann

einer empirischen Überprüfung unterzogen68• Zu diesem Zweck, aber auch wegen

des preistheoretischen Ursprungs der deduzierten Hypothesen, wird prinzipiell unter­

stellt, daß das Marktergebnis aus dem Marktverhalten und dieses wiederum aus der

Marktstruktur folgt69: "In apriori theory ... we may envisage a three-stage sequence of

causation running from market structure to market conduct to market performance.

That is, structure is systematically associated with or determines conduct; and

conduct, as determined by structure, determines performance."70 Da aber die Indu­

strial Organization gerade die "Price and Production Policies of Large-Scale

65 Vgl. zur induktiven Methode der frühen Industrial Organization und zu deren Kritik Devine, Lee, Jones & Tyson (Industrial Economics), S. 14 f.

66 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 21.

67 Vgl. hierzu im einzelnen oben, S. 84.

68 Der Rückgriff auf ein preistheoretisches Fundament brachte der Industrieökonomik den Ruf einer angewandten Preistheorie ein. Hiergegen verwehrt sich jedoch Bain (Industrial Organization), S. VIII: "Although I have depended strongly upon received economic theory for concepts and hypotheses - and in fact deal with a range of issues roughly comparable to that encompassed by contemporary price and market theory - the present work is definitely not one in a priO/i pricc theory .... Theoretical predictions are viewed only as hypotheses subject to critical testing .. :'.

69 Zur Bedeutung der Preistheorie für die Ableitung von Hypothesen vgl. Bain (Industrial Organi. zation), S. 25 f.

70 Bain (Industrial Organization), S. 329.

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98

Enterprise"71 zum Gegenstand hat, stellt sich die Frage, ob ein Struktur-Verhaltens­

Ergebnis-Paradigma mit einer derartigen Kausalkette überhaupt zweckmäßig ist.

Denn wenn diversifizierte Großunternehmen nicht der strengen Disziplinierung

durch die Marktkräfte unterliegen, ist es unangebracht bzw. unnütz, ihr Marktver­

halten und -ergebnis in einem strukturalistischen Bezugsrahmen zu analysieren 72. Mit

einigen Einschränkungen bzw. unter bestimmten Voraussetzungen hält aber Grether

das traditionelle Paradigma in derartigen Fällen dennoch für anwendbar: " ... if there

is a significant amount of market determinism and constraint, even if only for a

period of time under given structural characteristics, it would seem reasonable to use

the market structure framework of analysis:073 Mit anderen Worten: Wenn (1)

Marktstrukturen nur hinreichend stabil sind, kann das Marktverhalten zum Zwecke

des empirischen Tests von Hypothesen durchaus als von der Marktstruktur abhängig

betrachtet werden - wohl wissend, daß es (2) langfristig gesehen Veränderungen der

Marktstruktur bewirken kann.

Im folgenden wird nun gezeigt, daß Bains strukturalistische Konzeption der Industrial

Organization und auch des Eintrittsbarrierenansatzes diesen beiden Aspekten

Rechnung trägt.

Ad (1) Die relative Stabilität der Marktstruktur

Das Vorliegen einer strukturellen Stabilität ist für Bain74 Grundvoraussetzung für

eine sinnvolle Überprüfung der Mason-Hypothese. Denn diese behauptet, daß unab­

hängige Marktstrukturvariable als vergleichsweise unveränderliche Merkmale lang­

fristig die abhängigen Marktergebnisvariablen determinieren. Sollten sich die

Marktstrukturelemente aber als "flüchtige Irrlichter" (Bain) erweisen, wird die stati­

stische Untersuchung eines langfristigen Struktur-Ergebnis-Zusammenhanges hin­

fällig: "If we are really going to test this hypnthesis, the market-structure variables

ought to 'hold still', or pretty still, for at least medium terms of time.,,75

71 So der Titel eines grundlegenden Aufsatzes von Edward S. Mason, der als Begründer dieser Forschungsrichtung gilt.

72 Vgl. Grether (History), S. 85.

73 Grether (History), S. 85.

74 Vgl. nachfolgend Bain (Stability), S. 43 ff.

75 Bain (Stability), S. 45.

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99

Dies sieht Bain als hinreichend gegeben76. Seiner tentativen Einschätzung nach ist

die Anbieterkonzentration eine ziemlich stabile Strukturvariable. Allerdings ist sie

bei weitem nicht so stabil, wie es für ein klares Testergebnis zur Mason-Hypothese

wünschenswert wäre. Die Marktzutrittsbedingungen bezeichnet er als annähernd sta­

bil, die Produktdifferenzierung hingegen - insbesondere im Konsumgüterbereich - als

das am wenigsten stabile Marktstrukturelement. Daraus resultieren - so Bain - stati­

stische Probleme bei Querschnittsuntersuchungen zur Mason-Hypothese, "- problems

that are not destructive but disturbing.'m

Analog der Basishypothese zum langfristigen Struktur-Ergebnis-Zusammenhang

stellt sich auch für den Eintrittsbarrierenansatz die Frage nach der Strukturstabi­

lität78. Denn nur wenn die Marktzutrittsbedingungen im Zeitablauf hinreichend sta­

bil sind, können sie als quasi-unabhängige langfristige Determinanten des Marktver­

haltens gelten: "If the condition of entry and its determinants change slowly through

time and are not easily subject to deliberate alteration by the action of potential

entrants, and if they thus represent primarily a structural framework for market behavior rather than a result of this behavior, this is a legitimate view.',79

Zum Zwecke seiner Untersuchung geht Bain - aufgrund umfangreicher empirischer

Beobachtungen - definitiv davon aus, daß Eintrittsbarrieren relativ stabil sind und im

allgemeinen von potentiellen Newcomern nicht beeinflußt werden können. Aller­dings läßt er zu dieser generellen Aussage einige Ausnahmen zu. So können Ein­

trittsbarrieren aufgrund absoluter Kostenvorteile durch die Entdeckung neuer Roh­

stoffvorkommen oder bei einem auslaufenden Patentschutz unterminiert werden; die

Wirkung größenabhängiger Kostendegressionsvorteile als Eintrittsbarriere kann

durch technischen Fortschritt oder durch Marktwachstum geschmälert werden; und

Produktinnovationen können Käuferpräferenzen brechen und somit die Produkt­

differenzierungsbarriere untergraben80. Aber auch wenn sich die Marktzutrittsbedin­

gungen in einigen Branchen relativ schnell gewandelt haben und in einigen Fällen

Newcomer die bestehenden Eintrittsbarrieren zu ihrem Vorteil verändern konnten,

sind dies für Bain so seltene und unübliche Ausnahmen, daß ihm die Annahme lang­

fristig stabiler Markteintrittsbedingungen gerechtfertigt zu sein scheint81.

76 Vgl. hierzu Bain (Stability), S. 44 f.

77 Bain (Stability), S. 45.

78 Vgl. nachstehend Bain (Barriers), S. 17 - 19.

79 Bain (Barriers), S. 18.

80 Vgl. zu diesen Beispielen Bain (Barriers), S. 17 f., und ders. (Stability), S. 44 f.

81 Vgl. Bain (Barriers), S. 18.

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Zusammenfassend kann also festgehalten werden: Bain erachtet die Marktstruktur im

allgemeinen und die Eintrittsbarrieren im besonderen als hinreichend stabil82 für den

statistischen Test von Hypothesen, die das Marktverhalten und -ergebnis in Abhän­

gigkeit von der Marktstruktur beleuchten. Dies besagt aber nicht, daß die Marktzu­

trittsbedingungen notwendigerweise dauerhaft und unveränderlich sind83. Auch ist

die Stabilität von Marktstrukturen bzw. Eintrittsbarrieren nicht gleichbedeutend mit

exogen vorgegebenen Marktstrukturen. Dies wird nachfolgend näher erläutert.

Ad (2) Die Beziehung des Marktverhaltens zur Marktstruktur und zum Markt­

ergebnis

Bain operationalisiert das Struktur-Verhaltens-Ergebnis-Paradigma zur Ableitung

theoretischer "predictions" und zu deren empirischer Überprüfung, indem er das

Marktverhalten von Unternehmen als bloßes Bindeglied zwischen Marktstruktur und

-ergebnis ausklammert und unmittelbar die Struktur-Ergebnis-Relation zum Gegen­

stand seiner Betrachtung nimmt. Zum einen führt er als Grund für die Vernachlässi­

gung der Verhaltenskategorie deren ungenügende Meßbarkeit an. Zum anderen

begründet er diesen Schritt damit, daß bereits die verschiedenen Hauptformen des

Firmenverhaltens84 in nicht atomistischen Märkten apriori mit jeder beliebigen strukturellen Konfiguration einhergehen können; d.h., eine bestimmte Struk­

turausprägung kann theoretisch unterschiedliche Verhaltensweisen zur Folge haben85.

82 In diesem Punkt begegnen sich sogar das (traditionelle) Industrial Organization-Paradigma und das Konzept strategischer Unternehmensführung: Auch wenn ein Unternehmen nach der Strategie­lehre prinzipiell Einfluß auf seine Umweltbedingungen nehmen kann, müssen diese dennoch ein gewisses Maß an Stabilität bzw. Konstanz aufweisen. Andernfalls ist die Idee der Aufgabenumwelt hinfällig: "Dort, wo mit großer Wahrscheinlichkeit 'morgen' alles anders ist und wo über die Ent­wicklung der Zukunft so gut wie keine Aussagen gemacht werden können, gibt eine strategische Analyse zum Zwecke der Bestimmung des langfristigen Aktionsrahmens keinen Sinn." Schreyögg (Unternehmensstrategie), S.72 f.; zu einer Kritik der sog. Umweltturbulenz-These vgl. ebenda, S.72-76. Das Konzept der strategischen Unternehmensführung steht damit vor einem vergleichbaren methodischen Problem wie die Industrieökonomik: Zwar muß eine Einflußnahme auf die Umwelt gedacht werden können, jedoch muß diese noch so beständig sein, daß sie ihre handlungsleitende Wirkung für aktuelle und potentielle Wettbewerber nicht vollends verliert.

83 Vgl. Bain (Barriers), S. 17.

84 Bain (Industrial Organization), S. 330, nennt hier folgende Alternativen: Vollkommene Kollusion, unvollkommene Kollusion unterschiedlichen Ausmaßes und interdependente Handlungen ohne Kollusion.

85 Dies ist vom Standpunkt der Strategieforschung aus bemerkenswert. Denn der Verzicht auf die Einbeziehung von Verhaltensvariablen resultiert u.a. gerade aus der strukturellen Unbestimmtheit bzw. Indeterminiertheit des Marktverhaltens!

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101

Eindeutige Struktur-Verhaltens-Hypothesen können daher nicht aufgestellt werden -

ebenso wenig wie Hypothesen zum Verhaltens-Ergebnis-Zusammenhang86.

Diese strukturalistische Variante des traditionellen Industrial Organization-Paradig­

mas eliminiert also das Marktverhalten aus der Kausal- bzw. Ursache-Wirkungs­

Kette87. Aus diesem verkürzten Paradigma heraus kann das Zustandekommen spezi­

fischer Marktstrukturen daher nicht mehr endogen erklärt werden88. Auch die für

empirische Tests als himeichend erachtete Stabilität der Marktstruktur bringt es mit

sich, daß die Strukturelemente als unabhängige Variable behandelt werden können.

Und als solche werden sie häufig mit exogenen bzw. "naturgegebenen" Struktunnerk­

malen gleichgesetzt89. Diese Eigenheiten des strukturalistischen Konzepts bedeuten -

dies sei an dieser Stelle verteidigend angemerkt - aber lediglich eine Operationali­

sierung des traditionellen industrieökonomischen Paradigmas. Denn die genannten

Vereinfachungen wurden vorgenommen, um die "a priori-predictions" der Preis­

theorie empirisch überprüfen zu können.

Daß eine relative Stabilität der Marktstruktur indes nicht eine Dauerhaftigkeit und

Unveränderlichkeit meint, wurde bereits oben dargelegt. Und daß Bain dem Markt­

verhalten doch eine gewichtigere Rolle beimißt, als es vorstehend zunächst den

Anschein hatte, verdeutlichen die von ihm thematisierten Verdrängungs- und Aus­

schließungstaktiken90. Hierbei handelt es sich seines Erachtens um die einzigen Ver­

haltensweisen, die himeichend genau beobachtet und daher zur Marktstruktur und

zum Marktergebnis empirisch in Beziehung gesetzt werden können.

86 vgl. Bain (Industrial Organization), S. 329 f. und S. 430 f., sowie kritisch hierzu Scherer (IndustriaI), S. 6, der sich als "behavioristischer" Industrieökonom von dieser strukturalistischen Perspektive distanziert.

87 Zu einer Warnung vor der Interpretation von Struktur·Ergebnis·Korrelationen als Kausalität vgl. Geroski (Interpreting).

88 Bestrebungen, die Industriestruktur endogen zu erklären, unternimmt auch die "contestable markets"·Theorie und die neuere Theorie zu den Determinanten der Marktstruktur. "Endogenität" meint aber dort eine Erklärung "aus dem Modell heraus", was nicht gleichbedeutend ist mit "aus dem Firmenverhalten heraus". Denn die Marktstruktur wird nicht als Ergebnis des Marktverhaltens von Unternehmen aufgefaßt. Vielmehr fragt man nach Technologie- und Nachfragekriterien, die als exogene Variable wiederum die Struktur einer Branche determinieren. Vgl. Stiglitz (Intro· duction), S. IX. Die Marktstruktur selbst kann damit zwar als endogen gelten (vgl. ebenda, S. IX), allerdings nur dank neuer vorgelagerter Determinanten, die als exogene Größen in das Modell ein· geführt werden. Ein in diesem Sinne "endogener" Erklärungsansatz genügt aber nicht der Intention des Strategiekonzeptes, da er nicht an der Gestaltung des strukturellen Kontextes durch die Unter­nehmen ansetzt. Zu einer diesbezüglichen Kritik vgl. Porter (Interbrand choice), S. 74.

89 Zu einer diesbezüglichen Kritik am traditionellen Industrial Organization-Paradigma vgl. Phillips (Structure), S. 28.

90 Vgl. hierzu Bain (Industrial Organization), S. 462 f. Zu den einzelnen Formen des "predatory and exclusionary conduct" vgl. ebenda, S. 358 - 364.

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102

Diese beiden Maßnahmen sind nach Bain geeignet und wirkungsvoll, um Konkurren­

ten zu schwächen, zu kontrollieren oder auzuschalten, sowie um Newcomer zu ent­

mutigen und Markteintritten entgegenzuwirken. Sie dienen daher typischerweise der

Gewinnung und Verteidigung von Marktanteilen bzw. der Herbeiführung und Siche­

rung einer bestimmten Konzentrationsrate sowie der Prägung der dafür erforder­

lichen Marktzugangsbedingungen91• Insofern sieht Bain doch einen klaren und identi­

fizierbaren, direkten Einfluß des Marktverhaltens auf die Marktstruktur92; und als

Konsequenz hiervon einen indirekten Einfluß auf das Marktergebnis: "By influencing

market structures directly (that is, by developing higher seller concentration and

more difficult entry), predatory and exclusionary conduct may of course influence

market performance indirectly, since higher concentration and more strongly

impeded entry are conducive to a more monopolistic performance:093

Dennoch gilt Bain hauptsächlich als ein Strukturalist94; und zwar, weil er den

Schwerpunkt seiner Betrachtungen auf die Marktstruktur legt und die Strategien von

Unternehmen eher am Rande behandelt. Er kann damit zu denjenigen Vertretern

der Industrial Organization gezählt werden, die viele Details des Marktverhaltens als

unwichtig erachten, aber einigen Verhaltensweisen besondere Aufmerksamkeit

zukommen lassen, da diese eine Veränderung der Marktstruktur bewirken können95.

Auch wenn - wegen Meßproblemen - nur bestimmten derartigen Formen des Markt­

verhaltens Beachtung geschenkt wird, heißt dies aber, daß die Gestaltbarkeit von

Marktstrukturen durch Unternehmensstrategien bei Bain bereits konzeptionell

berücksichtigt ist%. Und mit den "predatory und exclusionary tactics" sind zudem die

für das Eintrittsbarrierenkonzept relevanten Conduct-Formen auch inhaltlich thema­

tisiert.

91 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 357 f.

92 Vgl. Bain (Industrial Organization), S. 463.

93 Bain (Industrial Organization), S. 463. Mit dieser Konzipierung des Struktur-Verhaltens-Ergebnis­Zusammenhangs stimmt Bain letztlich sogar mit Porter überein, der seine Sichtweise wie folgt beschreibt: "My position on the analyticaI significance of conduct is that conduct is important insofar as it affects structure. Much conduct involves alternative ways of reaching the same struc­tural result and is thereby unimportant for industry performance." Porter (Interbrand choice), S. 74.

94 Z.B. nach Scherer (Industrial), S. 6, und Shepherd (Influence), S. 3.

95 Vgl. zu einem Überblick über die verschiedenen industrieökonomischen Grundpositionen Caves (Industry), S. 14 f., hier insbesondere S. 15.

% Insofern überzeichnen Caves & Porter (MobiIity), S.245, mit der Aussage: " ... the structural sources of entry-barriers, advanced by Bain as purely erogenuous stockages around going firms ... " (hinzugefügte Hervorhebung).

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Damit ist für unsere Fragestellung ein gravierender Unterschied in der theoretischen

Konstruktion des Bainschen Ansatzes und des revidierten Paradigmas nicht ersicht­lich. Denn die Interdependenz zwischen Marktstruktur und Marktverhalten ist auch

bereits bei Bain berücksichtigt, zumindest soweit sie die Marktzutrittsbedingungen

betrifft97. Allerdings wurde zum Zwecke der empirischen Forschung ein Wirkungspfad

unterstellt, der von der Marktstruktur zum Marktergebnis führt. Das Bainsche Para­digma (bzw. den strukturalistischen Eintrittsbarrierenansatz) aber allein wegen dieser

"deterministischen Operationalisierung" abzulehnen hieße zugleich, auch das revi­

dierte Paradigma zu verwerfen, dessen umgekehrte Wirkungs richtung sich in der

empirischen Industrial Organization-Forschung noch nicht durchgesetzt hat98; mit

anderen Worten: Es ist ebenfalls auf der konzeptionellen Stufe stehen geblieben.

3.2.2.2. Zum Stellenwert struktureller Markteintrittsbarrieren im interdependen­

ten Paradigma und im Konzept der Unternehmensstrategie

Die vorstehenden Ausführungen zur Determinismusvorstellung in der traditionellen

Industrial Organization haben ergeben, daß Bain dem Eintrittsbarrierenkonzept ein

Paradigma zugrunde legte, das bereits eine Interdependenz zwischen Marktstruktur

und Marktverhalten vorsieht. Welchen Stellenwert oder Aussagegehalt besitzen nun

aber strukturelle Markteintrittsbarrieren für das Marktverhalten bestehender und

neuer Wettbewerber, wenn sie von diesen selbst beeinflußt werden können und daher

dem Wandel unterliegen? Haben Marktstrukturen bzw. Zutrittsschranken noch eine

handlungsleitende Wirkung, wenn sie selbst Gestaltungsobjekte unternehmerischen

Handeins sind?

Mit Blick auf das Konzept der Unternehmensstrategie wurde schon darauf hingewie­

sen, daß für die Formulierung von Zukunftsstrategien ein gewisses Maß an Umwelt­kontinuität gegeben sein muß und daß die NotWendigkeit der Strategieformulierung

jedenfalls nicht mit der "Turbulenz" der Umwelt begründet werden kann99• Nur wenn ein solches Maß an Kontinuität nicht vorliegt, wird die Idee der Aufgabenumwelt als

97 So auch Clarke in seiner Abwägung des Beitrages von Bain. Clarke (Industrial Economics, S. 73) sieht Bains Eintrittsbarrierenkonzept zunächst als eher problematisch an - verglichen mit den Ansätzen von Stigler und Demsetz -, da es zugleich Struktur- und Verhaltenselemente beinhaltet. Dann aber fortfahrend: "On the other hand ... Bain's defmition raises important issues of interde· pendence between structure and conduct which have proved to be the source of much productive research on entry barriers." Ebenda, S. 73.

98 Vgl. Shepherd (Core concepts), S. 24.

99 Vgl. oben, S. 99, Fußnote 82.

Page 119: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

104

Orientierungsrahmen hinfällig und die Vorstellung von Leitlinien in der Unterneh­

mensumwelt gegenstandslos.

Und für die Industrial Organization wurde bereits gezeigt, daß die Strukturmerkmale

eines Marktes dann Umweltzwänge für das Verhalten bzw. die Strategien von Unter­

nehmen darstellen, wenn die Marktstruktur als hinreichend stabil betrachtet werden kann. In diesem Fall passen sich Unternehmen kurzfristig an die Marktstruktur an

bzw. ziehen die von ihrer Aufgabenumwelt ausgehenden Beschränkungen ihres

Handlungsspielraums als gegeben in Betracht, die sie langfristig zu ihrem Vorteil zu

beeinflussen versuchen werden. Demnach wären Marktstrukturen kurzfristig

"constraints" des Marktverhaltens, auf lange Sicht aber Aktionsparameter.

Die mit dieser Konzeptionalisierung des Struktur-Verhaltens-Zusammenhangs verbundene - bzw. die dafür vorauszusetzende - relative Stabilität der Marktstruktur

ist nach Bains tentativer Einschätzung empirisch gegeben1OO• Diese Beobachtung kann jedoch nur für reife Branchen gelten, deren Entwicklung weitgehend zum Still­

stand gekommen ist, d.h. die ihre endgültige Struktur bereits eingenommen haben.

Denn in einer jungen Branche wirken noch evolutionäre Prozesse bzw. Kräfte, die die

Initialstruktur eines solchen Industriezweiges in Richtung seiner potentiellen Struktur

vorantreiben101• Solange dieser Prozeß der Branchenentwicklung nicht an Dynamik

verliert, werden stabile Marktstrukturen nicht zu beobachten sein. Frühe Eintritts­

oder Mobilitätsbarrieren eines jungen Industriezweiges, wie z.B. unternehmenseigene

Technologien, Lerneffekte, der Zugang zu Vertriebskanälen oder die risikobedingt

hohen Opportunitätskosten des Kapitals, werden mitunter schnell abgebaut und

durch andere Barrieren ersetzt, die dann eher aus Betriebsgrößenersparnissen oder

aus Produktdifferenzierungsvorteilen und einer Markenidentifikation resultieren102.

In jungen Branchen mit zu erwartenden Strukturveränderungen und einem sich

abzeichnenden Wandel der Eintrittsbarrieren - sowohl ihrer Ursachen als auch der

Höhe nach - stellt die kurzfristige Anpassung an vorgefundene Marktbedingungen

nun aber keine sinnvolle Strategie zur Sicherung des langfristigen Erfolgspotentials

dar. Denn in diesem Stadium der Branchenentwicklung sind die Spielregeln des

100 Einen formalen Ansatz für die Darstellung der relativen Stabilität von Industriezweigen bietet Caves (Design) mit einem Modell, das den intertemporalen Zusammenhang von Marktstruktur und MarktverhaIten beleuchtet. Eine rasche Änderung von Marktstrukturen wird hierin durch die geringe strategische Flexibilität der Unternehmen behindert, die noch teilweise an ihr vergangenes Verhalten und insofern an die frühere Struktur gebunden sind. Deren relative Stabilität resultiert also aus einer Trägheit bei der Anpassung an veränderte strukturelle Bedingungen.

101 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 215 f. Zu den "evolutionären Prozessen" vgl. ebenda, S. 216-241.

102 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 278 f. und S. 292.

Page 120: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

105

Wettbewerbs noch ungeklärt. Der bestehende große strategische Freiraum kann

daher genutzt werden, um die Spielregeln der Branche zum eigenen, langfristigen

Vorteil zu gestalten103. Dies meint, daß Marktstrukturen nicht als gegeben hinge­

nommen werden, weil es für Unternehmen profitabel ist, sie zu verändern104. Erst die

sinkende Zuwachsrate der Nachfrage signalisiert, daß zur Beeinflussung der

Marktstruktur weniger Ressourcen bereitzustellen sind. Die Marktstruktur wandelt in

dieser Branchenentwicklungsphase ihren Charakter: Unternehmen verlieren das

Interesse an deren Mitgestaltung, weil sich die .Mitwirkung nicht mehr lohnt. In die­

sem Sinne wird die Marktstruktur mit dem Übergang einer Branche zur Reife

zunehmend zu einem Datum für das Marktverhalten.

Nicht allein der Zeithorizont der Wirksamkeit einer Maßnahme - wie in der sta­

tischen Industrieökonomik unterstellt -, sondern insbesondere das Stadium der Bran­

chenentwicklung ist also nach der Marktphasentheorie ausschlaggebend dafür, ob

Marktstrukturen "constraints" oder ein Gestaltungsobjekt darstellen: "Je weiter die

Marktentwicklung fortschreitet, umso mehr verlagert sich der Einsatz der Aktions­

parameter von der Gestaltung auf die Hinnahme der Marktstruktur.,,105

Wegen abnehmender Gewinnanreize zur Veränderung von Marktstrukturen wird in

reifen Branchen auch die Höhe der Eintrittsbarrieren als gegeben akzeptiert - sie ist

bzw. wird handlungsleitend für bestehende (und neue) Wettbewerber. Bedeutet dies

aber nun, daß in jungen, sich verändernden Branchen keine derartige Wirkung von

Eintrittsbarrieren ausgeht? Verlieren sie ihre Bedeutung als Bestimmungs- oder Ein­

flußfaktoren unternehmerischer Entscheidungen?

Auch wenn Eintrittsbarrieren im Laufe der Branchenentwicklung einer Veränderung

unterliegen, die von den Marktteilnehmern selbst herbeigeführt wird, sind sie den­

noch handlungsleitend und entscheidungsrelevant. Allerdings ist dann weniger ihre

gegenwärtige Ausprägung maßgeblich als ihre für die Zukunft erwartete Form und

Höhe. Denn der Markteintritt in eine junge Branche ist dann attraktiv, wenn deren

spätere Struktur - nicht ihre anfängliche Struktur - überdurchschnittliche Erträge

gestattet und wenn das Unternehmen langfristig eine verteidungsfähige Position in

ihr aufbauen kann106. Daher sind es u.a. die Erwartungen über die zukünftigen Ein-

103 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 290.

104 Vgl. nachfolgend Kaufer (Wettbewerbstheorie), S. 209 - 219.

105 Kaufer (Wettbewerbstheori€;), S. 213. 106 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S.297. Als Instrument zur Prognose bzw. Abschätzung der

zukünftigen Branchenstruktur empfiehlt Porter (ebenda, S.295 ff.) die Szenariotechnik. Zu einer Anleitung für das Schreiben von Branchenszenarien vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), Kap. 13, S. 559 ff.

Page 121: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

106

trittsbarrieren, die Unternehmen zum Eintritt in noch nicht strukturell verfestigte

Branchen veranlassen und die ihrem Handeln einen "strategischen Sinn" verleihen.

Zusammenfassend zum Stellenwert struktureller, endogener Marktzugangsschranken

kann nunmehr festgehalten werden: Das deterministische Eintrittsbarrierenkonzept

in der engen Fassung des Sylos-Postulates gewinnt durch die Endogenisierung von

Markteintrittsbarrieren - als Ergebnis des Marktverhaltens - an Realitätsnähe, büßt

dafür aber seine analytische Klarheit und Eindeutigkeit ein. Trotz der Einführung

eines strategischen Handlungsspielraumes und der Interdependenz von Markt­

struktur und -verhalten lösen sich Eintrittsbarrieren, die im ursprünglichen Para­

digma als Handlungsdeterminanten begriffen wurden, 'aber nicht in einer totalen

Relativität auf. In der Industrieökonomik begründet man dies empirisch, und zwar

mit einer hinreichenden Stabilität der Marktstrukturelemente, die auf die Existenz

kurz- bis mittelfristiger Grenzen des Handlungsspielraums von Unternehmen

schließen läßt. Im Konzept der Unternehmensstrategie - und in der Marktphasen­theorie - geht man indes davon aus, daß sich Eintrittsbarrieren im Zuge der Bran­

chenentwicklung verändern und sich erst mit dem Übergang der Branche zur Reife

stabilisieren. Vor diesem Zeitpunkt besteht ein bedeutender Freiheitsgrad für strate­gisches Handeln, der in der Ausreifungsphase aus Wirtschaftlichkeitsgründen

abnimmt. Aber auch als sich wandelnde Gestaltungsobjekte in jungen Branchen sind

Eintrittsbarrieren handlungsrelevante Strukturelemente - dann allerdings nicht in

Form von gegenwärtigen "constraints" des eigenen Handeins, sondern im Sinne zukünftiger Zwänge für Wettbewerber und potentielle Newcomer. Die Planung und

Verwirklichung solcher Zwänge leitet das strategische Handeln langfristig denkender

früher Marktteilnehmer.

3.2.2.3. Die Unterscheidung natürlicher und strategischer Eintrittsbarrieren als Folge der Endogenisierung der Marktstruktur

Begreift man Eintrittsbarrieren als von den Marktteilnehmern selbst geschaffene

Merkmale der Marktstruktur, die trotz ihres endogenen Charakters eine handlungs­

leitende Funktion besitzen, so kann nunmehr das Zustandekommen von Marktzu­

trittsschranken selbst näher beleuchtet werden. Dazu ist nach den Intentionen zu

fragen, auf welche die Errichtung von Eintrittsbarrieren durch die Unternehmen

einer Branchen zurückzuführen ist. Dies führt uns zur Unterscheidung zwischen

Page 122: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

107

"unschuldigen" bzw. unbeabsichtigten oder auch natürlichen Barrieren (innocent

barriers) und strategischen Zutrittschranken107•

Eine "unschuldige" oder natürliche Eintrittsbarriere wird von den Marktteilnehmern

nicht bewußt geschaffen108. Sie resultiert statt dessen aus der bloßen Gewinnmaxi­

mierung eines Unternehmens (innocent profit maximization) - gewissermaßen als

zwangsläufiger Nebeneffekt normaler Geschäftsaktivitäten (wie Z.B. Werbung,

Außendienst, Produktion etc.). Ein Unternehmen, das beispielsweise eine Kostenfüh­

rerschaftsstrategie verfolgt und in diesem Zusammenhang Betriebsgrößenersparnisse

realisiert, erzeugt damit zugleich strukturelle Eintrittsbarrieren für potentielle

Newcomer und erhöht deren größenabhängigen Kostennachteil. Sofern aber allein

das Streben nach einem Wettbewerbsvorteil zur Verwirklichung von Größenerspar­

nissen führt, ist dies mit einer natürlichen Eintrittsbarriere verbunden, die aus dem

"unschuldigen" Gewinnmaximierungsstreben als eine unbeabsichtigte Begleiterschei­

nung folgt. Wenn aber der erlangte Wettbewerbs- bzw. Kostenvorteil auf eine andere

Weise dauerhaft zu machen versucht wird als in einem permanenten Prozeß des Vor­

stoßens und Nachziehens durch ständige Positionsverbesserungen immer das vor­

auseilende Unternehmen zu sein109, dann werden gezielt künstliche oder strategische

Barrieren errichtet. Hier steht nicht die Erlangung oder der Ausbau, sondern die Ver­teidigung von Wettbewerbsvorteilen im Vordergrund110.

Die praktische Schwierigkeit einer derartigen Unterscheidung zwischen unbeabsichtig­

ten und strategischen Eintrittsbarrieren zeigen die Durchführungsprobleme der

Gerichte, die zwischen normalem Geschäftsgebaren und wettbewerbsfeindlichem

Verhalten zu differenzieren haben. Aber auch in theoretischer Hinsicht bereitet diese Unterscheidung Schwierigkeiten, was unten an der Kontroverse um die natürlichen

107 Vgl. hierzu insbesondere Salop (Strategie).

108 Vgl. Salop (Strategie), S. 335.

109 Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 43.

110 Blicken wir mit der Unterscheidung natürlicher und künstlicher Eintrittsbarrieren auf das interde­pendente Industrial Organization-Paradigma und dessen endogene Marktstlukturen zurück, die hierin zwischen den Basisbedingungen einer Branche und dem Marktverhalten der Wettbewerber eingebettet sind [vgl. Z.B. die Darstellung bei Scherer (IndustriaI), S.4), so läßt sich folgender Zusammenhang herstellen: Natürliche Eintrittsbarrieren als endogene Strukturelemente resultieren aus der normalen Geschäftstätigkeit - ohne eine gezielte Beeinträchtigung der Konkurrenz - und somit aus den der betreffenden Branche inhärenten "basic conditions". Künstliche Eintrittsbarrieren wären endogen eher aus den autonomen Strategien der Marktteilnehmer zu erklären als aus einem die Basisbedingungen reflektierenden "unschuldigen" Verhalten. Allerdings sind die betreffenden Praktiken der Eintrittsbehinderung - wie Bain (Industrial Organization, S. 364 f.) betont - wiederum nur durchführbar, wenn bestimmte Umwelt- oder Strukturbedingungen vorliegen, die ein Unter­nehmen zu seinem Vorteil ausnutzen kann. Vgl. zu den Bedingungen, die Vergeltungs- und Aus­schließungs taktiken begünstigen, ebenda, S. 463.

Page 123: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

108

und künstlichen Eintrittsbarrieren deutlich werden wird111. Zunächst gebrauchen wir

dieses Begriffspaar aber wieder rein analytisch zur Beschreibung der Möglichkeiten

der Eintrittsverhinderung112.

In diesem Sinne kann die eher wettbewerbspolitisch relevante Unterscheidung natür­

licher und künstlicher Eintrittsbarrieren mit Porter wie folgt handlungs theoretisch

gewendet werden:

Ein etablierter Anbieter kann sich der Angriffe potentieller Newcomer zum einen

erwehren, indem er kein feststehendes Ziel bietet, sondern offensive Maßnahmen zur

permanenten Positionsverbesserung ergreift. Denn ein Unternehmen, das konti­

nuierlich in die Erlangung eines Kosten- oder Differenzierungsvorsprungs investiert,

läßt sich nur schwer mit Erfolg herausfordern113• Und als Nebenwirkung erhöhen

offensive Maßnahmen zum Ausbau von Wettbewerbsvorteilen häufig die strukturel­

len, natürlichen Eintrittsbarrieren114.

Zum anderen können Defensivstrategien zur Verringerung der Markteintrittsgefahr

ergriffen werden. Diese stellen darauf ab, Entscheidungsprozesse potentieller New­

comer so zu beeinflussen, daß aus deren Sicht der Markteintritt bzw. die Herausfor­

derung eines etablierten Anbieters weniger erstrebenswert wird115. Die mit dieser

Absicht gewählten defensiven Maßnahmen kÖnnen den Marktzutritt neuer Wett­

bewerber auf zwei Arten abwehren oder erschweren: Entweder indem sie dazu bei­

tragen, die strukturbedingten Barrieren defensiv - und somit künstlich - zu er­höhen116, oder indem sie in der Wahrnehmung potentieller Newcomer die Vergel­tungsgefahr steigern117 /118.

111 Vgl. hierzu Kap. 4.2., S. 203 ff.

112 In dieser Weise verfährt auch Bain. Vgl. ders. (Industrial Organization), S. 358.

113 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 603.

114 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 611.

115 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 603. 116 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 60 f. Um das oben bei der offellsivell Realisation von Wett­

bewerbsvorteilen gebrauchte Beispiel fortzuführen: Größenbedingte Kostendegressionen kann ein Unternehmen defensiv am wirksamsten bei denjenigen Wertaktivitäten steigern, deren Mindest­größe eher durch das wettbewerbsbestimmte Ausgabenruveau als durch die Technologie bestimmt wird, also z.B. im Bereich der Werbung. Auf diese Weise zwingt ein etablierter Anbieter einem potentiellen Herausforderer so lange höhere Marketing- oder Werbekosten je Absatzeinheit auf, bis dieser einen annähernd gleichen Marktanteil erreicht hat. Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 614 und S. 609.

117 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 618.

118 Eine weitere Möglichkeit, das Kalkül potentieller Newcomer zu beeinflussen, sieht Porter in der Rücknahme der eigenen GewinnzieIe, um von vornherein weniger Eintrittsanreize zu bieten, d.h.

Page 124: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

109

Diesen beiden defensiven Taktiken zur Reduzierung der Gefahr von Markteintritten

widmet sich nachstehend Kapitel 3.3. Ehe wir dazu übergehen, soll aber ein

Zwischenresümee den Beitrag Bains zu einem handlungstheoretischen Eintrittsbar­

rierenbegriff zusammenfassen.

3.2.3. Zwischenbetrachtung zur handlungstheoretischen Formulierung des Ein­

trittsverhinderungsproblems bei Bain

Die bisher geführte Argumentation nahm ihren Ausgangspunkt bei den drei Katego­

rien struktureller Wettbewerbsnachteile potentieller Newcomer, die durch eine

adäquate Preispolitik zu Eintrittsbarrieren werden können. Dazu bedarf es der Fest­

setzung eines Eintrittssperrenpreises. In ihrer einfachsten Form wird diese Preispoli­

tik repräsentiert durch das Limit Pricing auf der Basis des Sylos-Postulates. Damit

gelingt es zwar, einen wohl definierten Sperrenpreis zu bestimmen, jedoch eliminiert

der hierzu in Kauf genommene Strukturdeterminismus jeglichen strategischen

Handlungsspielraum aus dem Modell119• Dieser kann durch den Rückgriff auf die

umfassendere Konzeption Bains "re-implantiert" werden. Damit gerät die Limitpreis­bildung wieder zu einem echten Entscheidungsproblem unter Unsicherheit - nämlich

angesichts der unbestimmten Verhaltensweisen und -erwartungen potentieller Kon­

kurrenten. Außerdem wird die Verhinderung von Marktzutritten überhaupt nur als

eine unter mehreren Gewinnrnaxirnierungsmöglichkeiten behandelt, unter denen

situationsspezifisch auszuwählen ist. Als ein weiterer Vorzug erweist sich die Tat­

sache, daß Marktstrukturen und Eintrittsbarrieren bei Bain konzeptionell bereits als

endogene Größen angelegt sind. Hierin kann eine Parallele zu der für das Strategie­

konzept so bedeutenden Einflußnahmemöglichkeit auf die Unternehmensumwelt gesehen werden. Aufgrund von Umsetzungsproblemen in eine praktisch operationale

Methode dominiert in der empirischen industrieökonomischen Forschungsarbeit aber die Bedingtheit des Marktverhaltens durch die Marktstruktur. Nur in Ausnahme­

fällen, nämlich bei Verdrängungs- und Abwehrmaßnahmen, gilt die umgekehrte Wir­

kungsrichtung als empirisch hinreichend konkret beobachtbar.

119

um die Aufmerksamkeit potentieller Newcomer erst gar nicht ZU wecken. VgI. Porter (Wett­bewerbsvorteile ), S. 623 f.

Caves & Porter (Mobility), S. 242, erachten den hiermit bezahlten Preis als zu hoch: " ... a modicum of determinacy has been bought at an exorbitant price in foregone understanding of influences on the newcomer's decision to enter and of the selection and use by going firms of devices to dis­courage entry."

Page 125: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

110

Bains Eintrittsbarrierenkonzeption bietet damit insgesamt einen fruchtbaren theore­

tischen Ausgangspunkt für eine unternehmensstrategische und handlungstheoretische

Analyse des Problems der Eintrittsverhinderung. Allerdings erfahren die struktur­

bedingten Barrieren eine stärkere Gewichtung.

Wie kann nun dieser schwerpunktmäßig strukturalistische Eintrittsbarrierenansatz

einem etablierten Unternehmen dazu dienen, angesichts drohender Markteintritte

gewinnmaximale Preisentscheidungen zu fällen? Bains Anleitung zu einer sys.temati­

schen Entscheidungsfindung lautet - seine analytischen Überlegungen zusammen­

fassend - wie folgt12O:

Der erste Schritt der Preisbildung besteht darin, den maximalen eintrittsverhindern­

den Preis abzuschätzen. Ein etablierter Anbieter muß sich also fragen, wie weit er

den Preis anheben kann, ohne daß dies Markteintritte neuer Wettbewerber nach sich

zieht. Hierzu ist es hilfreich bzw. erforderlich, die Höhe des Wettbewerbsvorteils

anhand der drei Kategorien struktureller Eintrittsbarrieren zu analysieren.

In einem zweiten Schritt ist dann zu beurteilen, ob es langfristig günstiger ist, einen

Limitpreis festzusetzen, der Markteintritte ausschließt und damit den gesamten

Branchengewinn im eigenen Unternehmen beläßt, oder ob ein höherer Preis erfolg­

versprechender ist, der zu Markteintritten und einer Gewinnaufteilung mit den neuen

Branchenteilnehmern führt. Bei der Abwägung dieser beiden Alternativen sind

folgende Punkte zu beachten:

(a) Die Höhe bzw. der Schutz der Eintrittsbarrieren, d.h. die Differenz zwischen

dem maximalen Limitpreis und den Durchschnittskosten;

(b) die Zahl der zu erwartenden Newcomer und der voraussichtliche Marktanteils­

verlust im Falle einer Preispolitik, die Markteintritte herbeiführt;

(c) die sich für diesen Fall ergebende Verschärfung des Wettbewerbs und das pro­

gnostizierte Ausmaß des Preisverfalls in der Branche; und schließlich

(d) die Zeitdauer bis zur Etablierung von Newcomern, während der das bestehende

Unternehmen den Branchengewinn alleine' abschöpfen kann.

Das Durchlaufen der vorgeschlagenen Entscheidungsschritte führt unter Berücksich­

tigung der genannten Einflußfaktoren dazu, daß entweder ein Eintrittssperrenpreis oder ein über diesem Niveau liegender Preis gewählt wird.

120 VgJ. nachstehend Bain (Industrial Organization), S. 272 f.

Page 126: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

111

Offen ist nach diesem Phasenschema aber noch, wie im ersten Entscheidungsschritt

ein nicht nur venneintlich, sondern tatsächlich eintrittsverhindernder Sperrenpreis

abgeschätzt werden kann. Denn der von etablierten Unternehmen festgelegte Preis

ist ein pre-entry-Preis. Entscheidungsrelevant für potentielle Newcomer ist aber - wie

bereits dargelegt - allein das nach ihrem Eintritt herrschende zukünftige Preisniveau. Und dieses hängt ganz wesentlich von den Reaktionen bestehender Anbieter auf

erfolgte Markteintritte ab. Daher wirkt der von Etablierten mit der Intention der Ein­

trittsverhinderung festgelegte Preis nur dann als Sperrenpreis, wenn er eine Informa­

tion über das post-entry-Preisniveau bzw. über die zu erwartenden Reaktionen beste­

hender Anbieter enthält. Dies wiederum setzt voraus, daß der Limitpreis von den

Adressaten als ein Signal über die zukünftigen Handlungsabsichten etablierter

Anbieter und nicht als ein Bluff gelesen wird.

Bain selbst geht davon aus, daß Newcomer in der Höhe des pre-entry-Preises prinzi­

piell einen Indikator für die Wettbewerbssituation nach ihrem Markteintritt sehen.

Dennoch liegt eine Unsicherheitssituation vor, und zwar auf beiden Seiten: Poten­

tielle Newcomer müssen sich angesichts der zahlreichen Alternativen bei ihrer Ein­

trittsentscheidung fragen, wie (hart) Etablierte auf den von ihnen erwogenen Schritt

reagieren werden. Und für bestehende Unternehmen stellt sich bei der Limitpreis­

kalkulation die Frage, ob potentielle Neueintretende die - wie auch immer geplanten

- Reaktionen richtig antizipieren. Insofern ist die Höhe der Eintrittsbarrieren nicht

allein ein Ausdmck stmktureller Wettbewerbsvorteile, sondern ebenso eine Funktion der

Reaktionserwartungen potentieller Newcomer121• Und da diese Erwartungen nicht

korrekt vorhergesagt werden können, sieht Bain etablierte Anbieter mit einem

unausweichlichen Unsicherheitsproblem konfrontiert122. Er behilft sich hier mit der

exogenen Einführung wahrscheinlicher Reaktionshypothesen.

Nun ist aber diese Form der oligopolistischen Interdependenz zwischen bestehenden

und neuen Anbietern nicht vollständig auf ein wechselseitiges Wahmehmungs- oder

Prognose problem reduzierbar. Denn ohne die Erwartungen potentieller Newcomer zu

kennen, ja ohne sie kennen zu müssen, kann ein etabliertes Unternehmen versuchen,

sie zu steuern. Das heißt, es begegnet dem "unlösbaren" Problem der Prognose mit

der Einflußnahme auf die Reaktionserwartungen. Denn wenn es ihm gelingt, seine

zukünftigen Verhaltensweisen in verbindlicher Weise anzukündigen, prägt es die Reak-

121 Vgl. Bain (Industrial Organization), S.268. Bain stellt bei dieser Aussage auf den Fall von aus­schließlich größenabhängigen Eintrittsbarrieren ab.

122 Vgl. Bain (Industrial Organization), S.268. In (Barriers), S.97, spricht Bain von einem " ... ines. capable range of uncertainty concerning the potential entrants' anticipations of established firms' reactions to entry."

Page 127: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

112

tionserwartungen seiner Gegenspieler selbst und führt auf diese Weise eine für beide

Seiten kalkulierbare Situation herbei.

Vor diesem Hintergrund kann der Beitrag Bains zu einem unternehmensstrategi­

schen und handlungstheoretischen Eintrittsbarrierenkonzept wie folgt zusammen­

gefaßt werden: Bain legt mit seinem analytisch hergeleiteten Vorschlag zu den Ent­

scheidungsschritten und Einflußfaktoren der Preisbildung dar, wie der Limitpreis zu

kalkulieren ist. Er untersucht in diesem Zusammenhang auch, welche Bedeutung der

oligopolistischen Interdependenz zwischen bestehenden und neuen Marktteil­

nehmern zukommt und welche Reaktionsannahmen aufgestellt und der Preiskalkula­

tion zugrunde gelegt werden können. Ausgespart bleibt aber die Frage, wie der so

ermittelte Eintrittssperrenpreis auch zur Geltung gebracht werden kann, d.h. wie der

festgelegte pre-entry-Preis zu einem glaubhaften und abschreckenden Signal zukünftiger

Handlungsabsichten gemacht werden kann. Dies hat die neuere Theorie des "strategie

behavior" zum Gegenstand, der wir uns nunmehr zuwenden.

Page 128: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

113

3.3. Strategische Eintrittsbarrieren: Die Gestaltung der Eintrittsbedin­gungen durch Abschreckungs- und Vergeltungsmaßnahmen

Die Existenz struktureller Markteintrittsbarrieren bzw. Wettbewerbsvorteile allein

reicht in den meisten Fällen nicht aus, um das Stattfinden von Marktzutritten auszu­

schließen!. Denn wie soeben gezeigt, ist die Wirksamkeit der Eintrittsbarrieren und

des in Abhängigkeit hiervon festgelegten Sperrenpreises nicht nur eine Funktion der

Marktstruktur, sondern auch der Verhaltenserwartungen potentiell neueintretender

Unternehmen.

Eine Eintrittsbarrieren- und Limitpreis-Theorie, die dieser Tatsache Rechnung trägt

und die Interdependenz der Entscheidungen bestehender und potentieller Wett­

bewerber abbildet, ist nun bereits implizit mit einem Handlungsspielraum ausgestat­

tet2. Aber damit ist sie noch keine unternehmens strategische Handlungstheorie.

Denn solange das simultane Entscheidungsproblem zweier Oligopolisten in zwei Ein­

zelentscheidungen zerlegt wird, bei denen jeder Entscheidungsträger die erwartete

Entscheidung seines Kontrahenten als gegeben einkalkuliert, wird der Handlungs­

spielraum von den Marktteilnehmern gewissermaßen "verspielt". Sie legen nur ein

Anpassungsverhalten unter Unsicherheit an den Tag. Demgegenüber beginnt strategi­

sches Handeln bei der aktiven Beeinflussung von Konkurrenten, also mit der Wahr­

nehmung der Handlungsmöglichkeit3/ 4•

1

2

3

4

Die einzige Ausnahme liegt hier in einer "blockaded entry"-Situation vor. Diese ist durch sehr hohe Eintrittsbarrieren gekennzeichnet, so daß potentielle Newcomer selbst bei einem monopolistischen Preisniveau ihren Wettbewerbsnachteil nicht ausgleichen können. Vgl. Bain (Industrial Organi­zation), S. 274.

Dies ist insofern der Fall, als ein etabliertes Unternehmen eine Preis-(Mengen-)Politik betreiben kann, dabei aber von den Reaktionen und Handlungsplänen potentieller Konkurrenten abhängig ist. Und diese sind ihrerseits nicht durch die Marktsituation oder die Gewinnmaximierungsprämisse determiniert. Vgl. Schreyögg (Unternehmensstrategie), S. 13.

In der Oligopoltheorie gilt hingegen bereits die Berücksichtigung der Entscheidungen von Wett­bewerbern, d.h. schon die Wahrnehmung der oligopolistischen Interdependenz, als "strategie behavior". Comanor & Frech (Behavior, S. 372) stellen daneben noch ein strategisches Verhalten von einer ganz anderen Qualität heraus: "But strategie behavior has another facet as weil. Not only does it suggest that the ftrm accounts for the reactions of its rivals, but it also encompasses conduct specitically designed to influence a rival." Dieser engere mikroökonomische Begriff strategischen Verhaltens entspricht damit der Vorstellung aktiven unternehmensstrategischen Handeins, die im Mittelpunkt der nachfolgenden Ausführungen steht. .

Der Aspekt der aktiven Einflußnahme auf die Erwartungen und Interpretationen des "eigenen Verhaltens" durch Wettbewerber fehlt häuftg in Modellen der Konkurrenzanalyse - so z.B. bei Amit, Domowitz & Fershtman (Conjectures), die sich auf die bloße Abschätzung der Annahmen beschränken, die Konkurrenten über das betreffende Unternehmen haben.

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114

Ein etabliertes Unternehmen, das Marktzutritte zu verhindern beabsichtigt, steht vor

einer derartigen Handlungsnotwendigkeit. Denn die Festsetzung eines Sperren­

preises allein ist noch kein Garant für das Ausbleiben von Markteintritten. Vielmehr

müssen bestehende Wettbewerber erst einmal mittels strategischer Maßnahmen jene

Verbindlichkeit ihres beabsichtigten post-entry-Verhaltens herbeiführen, die z.B. mit

dem Sylos-Postulat immer schon vorausgesetzt ist. Das heißt, sie müssen potentiellen

Newcomern ihre geplanten defensiven Maßnahmen signalisieren. Außerdem müssen

sie Schritte unternehmen, um diesen Verteidigungsstrategien eine Glaubwürdigkeit

zu verleihen. Sie müssen also auf die Perzeption ihrer zukünftigen Handlungsabsich­

ten durch potentielle Neueintretende Einfluß nehmen, indem sie glaubhaft mit Ver­

geltungsmaßnahmen drohen. Andernfalls hätte die Festsetzung eines Limitpreises

keine unmittelbare praktische Bedeutung für potentielle Newcomer, da diese nicht

mit zwangsläufig verschärften Wettbewerbsbedingungen nach ihrem Eintritt rechnen müßten.

Dies genau behauptet nun die sogenannte McGee-Telser-Bork-Theorie des Verdrän­

gungswettbewerbs5 auch für den Fall der Androhung von Vergeltungsschritten durch

bestehende gegen potentielle neue Wettbewerber. Denn dieser Theorie zufolge sind

Vergeltungsmaßnahmen - eine solche stellt auch die durch das Sylos-Postulat

beschriebene Reaktionsweise dar - für das sie ausführende Unternehmen prinzipiell

unwirtschaftlicher als für den betroffenen Newcomer. Eine Vergeltungsdrohung ist

daher von vornherein unglaubwürdig.

Dies würde bedeuten, daß strategische Verhaltensweisen, die auf die Reaktionserwar­

tungen von potentiellen Neueintretenden Einfluß nehmen wollen, insgesamt hinfällig

sind. Denn ein angehender neuer Wettbewerber, der sich dessen bewußt ist, daß ein

"predatory pricing" für bestehende Anbieter zu größeren Verlusten führt und daher

allenfalls - wenn überhaupt - eine temporäre Erscheinung sein kann, wird sich

dadurch nicht vom Markteintritt abhalten lassen.

An diese Kritik knüpft nachstehend die Darstellung des Vergeltungsproblems an, dessen Grundzüge in drei Schritten entwickelt werden:

(1) Sind angedrohte Vergeltungsmaßnahmen - entsprechend der vorstehenden

Argumentation - prinzipiell unglaubhaft oder kann die in der Praxis zweifelsfrei

vorfindbare Glaubwürdigkeit derartiger Drohungen auch theoretisch hergestellt

werden? Hier wird sich zeigen, daß Vergeltungsdrohungen durch zwei neuere

Argumentationslinien auch "theoretisch machbar" werden: Zum einen durch

5 So bezeichnet von Salop (Predation) nach deren wichtigsten Vertretern.

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115

Erklärungsansätze, welche die realitätsfremde Prämisse der vollständigen Infor­

mation aufgeben, zum anderen durch spieltheoretische Konzepte, die (etablier­

ten) Unternehmen die Möglichkeit der Verpflichtung einräumen.

(2) In engem Zusammenhang mit der Frage der Glaubwürdigkeit steht die der Wirt­

schaftlichkeit des Androhens von Vergeltungsmaßnahmen. Nachdem sich mit

den spieltheoretischen Modellen der Eintrittsverhinderung bzw.-abschreckung

der Schwerpunkt von der Vergeltung zur Verpflichtung verlagert hat, lautet die

Rentabilitätsbedingung nur mehr, daß die Kosten der Verpflichtung, nicht aber die

Kosten der Vergeltung geringer sein müssen als der entgehende Gewinn bzw. als

die Kosten des Marktanteilsverlustes.

(3) Sollten aber die ausgesprochenen Drohungen einmal versagt und Markteintritte

stattgefunden haben, stellt sich die Frage, ob auch die Ausübung von Vergel­

tungsmaßnahmen für etablierte Unternehmen sinnvoll ist, die z.B. ihre Ver­

pflichtung nur vorgetäuscht haben und daher eine Rückzugsmöglichkeit besitzen.

Dies wird sich danach bemessen, ob der Etablierte einen "Ruf der Härte" (repu­

tation for toughness) zu verteidigen hat und wie weit der Markteintritt des New­

comers schon fortgeschritten ist, d.h. welche Verpflichtungen dieser selbst

bereits eingegangen ist.

Nachdem dann Vergeltungsmaßnahmen und -drohungen gegen potentielle Konkur­

renten als eine rationale Strategie erklärbar geworden sind, folgen einige praktische

Handlungsempfehlungen Porters zur Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse in

konkrete Taktiken der Abschreckung neuer Wettbewerber.

Hierauf wenden wir uns dann mit den Maßnahmen zur Erhöhung struktureller Barrie­

ren der zweiten Gruppe von Defensivstrategien zu. Diese bezwecken ebenfalls,

potentiellen Newcomern den Markteintritt unattraktiv erscheinen zu lassen, aller­

dings nun nicht mittels drohender reaktiver Schritte, sondern durch präventiv ausge­

führte Abschreckungstaktiken. Eine solche beschreibt das Konzept des Raising rivals'

costs. Hierin wählen etablierte Anbieter nicht den Preis, sondern die Kosten als

Aktionsparameter. Dies hat zur Folge, daß potentielle Konkurrenten aufgrund ihrer

geringeren Größe relativ stärker benachteiligt werden, also genau entgegengesetzt

dem Fall des "predatory pricing", in dem eine (reaktive) Preissenkung dem Etablier­

ten kurzfristig einen höheren Schaden zufügt.

Auch hier folgen auf das theoretische Modell wieder die daraus abgeleiteten Hand­

lungsanregungen Porters zur Erhöhung struktureller Barrieren. Abgerundet werden

die Ausführungen zu den präventiven und reaktiven Abschreckungs- und Vergel-

Page 131: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

116

tungsmaßnahmen schließlich durch ein Fallbeispiel Porters zu den Handlungsalterna­

tiven von·Procter & Gamble im amerikanischen Wegwerfwindelmarkt, wo der Markt­

führer 1974 durch eine Reihe ernst zu nehmender Herausforderer bedroht wurde.

3.3.1. Angedrohte Vergeltungsmaßnahmen zur Einflußnahme auf Reaktions­

erwartungen

Die nachstehenden Ausführungen legen zunächst den McGee-Telser-Bork-Einwand

der prinzipiellen Unglaubwürdigkeit von Vergeltungsdrohungen dar und zeigen

sodann, wie diese Kritik in der neueren Theorie des "strategic behavior" entkräftet

wird. Dabei wird jeweils auf die theoretischen Konsequenzen für eine limitpreispoli­

tik und die damit ausgesprochene Drohung zurückzukommen sein. Ein weiteres

Thema bildet die tatsächliche Einleitung von Vergeltungsmaßnahmen gegen eintre­

tende Newcomer. Dieser Schritt kann einmal - bei Vorliegen einer irreversiblen

Verpflichtung - als unausweichliche Reaktion auf das Stattfinden von Markteintritten

gewertet werden, daneben aber auch als Investition in eine Vergeltungsreputation,

von der man sich weniger einen unmittelbaren denn einen längerfristigen Vorteil

verspricht.

3.3.1.1. Zur Glaubwürdigkeit und Wirtschaftlichkeit von Vergeltungsdrohungen:

Die theoretische (Un-)Möglichkeit von Vergeltung

Die lirnitpreis-Theorie beruht - wie gezeigt - grundlegend auf der Annahme, daß

zwischen der Höhe des post-entry- und des pre-entry-Preises ein Zusammenhang be­

steht und daß in letzterem die zukünftigen Handlungsabsichten bestehender Anbieter

zum Ausdruck kommen6• Ein potentieller Newcomer, für den ja der post-entry-Preis

entscheidungsrelevant ist, wird - so die Vorstellung des limit Pricing-Ansatzes - aus

der Tatsache eines Gewinnverzichts der Etablierten noch vor dem Stattfinden von

Markteintritten auf deren Verteidigungsentschlossenheit und Vergeltungsbereitschaft

schließen. Denn wollten etablierte Unternehmen Markteintritte tatenlos hin­

nehmen7, würden sie in der pre-entry-Periode den Monopolpreis wählen. Insofern

6

7 Vgl. Bain (Pricing), S. 224 ff. Siehe auch oben, S. 90.

Eine "Untätigkeit" bestehender Anbieter liegt eigentlich vor, wenn sie sich gemäß des Sylos-Postu· lates verhalten, also gerade nicht mit einer Outputreduzierung reagieren, sondern den Status quo beibehalten. Damit induzieren sie aber eine Preissenkung, weshalb sie dennoch nicht "tatenlos" sind.

Page 132: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

117

sprechen sie bereits mit dem bloßen Setzen eines Sperrenpreises eine Drohung gegen

potentielle Neueintretende aus. Eine solche Drohung läuft aber Gefahr, unverbind­

lich und damit gegenstandslos zu sein: Wenn es nämlich im Interesse und auch im

Bereich der Möglichkeiten bestehender Unternehmen liegt, von der ausgesprochenen

Drohung im Falle ihres Versagens zurückzutreten, werden sich weitsichtige poten­

tielle Newcomer von einer derartigen Drohung nicht beeindrucken lassen.

Die Preise und Produktionsmengen, die etablierte Anbieter mit dem Ziel der Ein­

trittsverhinderung festgelegt haben, sind nun zum einen grundsätzlich Aktionspara­

meter, die sich unter der Kontrolle der betreffenden Unternehmen befinden. Diese

haben daher prinzipiell die Möglichkeit, ihre Preis-/Mengen-Entscheidung nach erfolg­

ten Markteintritten zu revidieren und an die veränderte Situation anzupassen. Ein

Zwang zur Realisation der Drohung aufgrund von Gegebenheiten, die außerhalb

ihres Einflußbereiches liegen, existiert also im vorliegenden Fall nicht - zumindest

nicht generell8.

Und daß zum anderen die Ausübung von Vergeltungsmaßnahmen gegen etwaige

Neueintretende (oder auch gegen kleinere Konkurrenten9) nicht im Interesse eines etablierten Monopolisten liegen kann, ist die Kernaussage der McGee-Telser-Bork­Theorie (bzw. -Kritik) zum "predatory pricing"lO. Begründet wird diese Auffassung mit

(1) der ungleichen Kostenwirkung für die Beteiligten,

(2) mit der Existenz günstigerer Alternativen und

(3) mit dem Fehlen eines dauerhaften Schutzes vor Wiedereintritten.

8

9

Eine Notwendigkeit zur Beibehaltung der Produktionsmenge - und damit zur (Hinnahme einer) Preissenkung - besteht möglicherweise dann, wenn die unausgelasteten Kapazitäten nicht ander­weitig genutzt und nicht ohne nennenswerte Liquidationsverluste abgebaut werden können. In diesem Fall sind die Kosten der Unterauslastung bzw. des Abbaus von Überkapazitäten den zu erwartenden Umsatzeinbußen bzw. Kosten der Vergeltung gegenüberzustellen.

Die nachfolgenden Ausführungen gelten für kleinere etablierte Anbieter ebenso wie für neueintre­tende Unternehmen. Da uns aber lediglich die Vergeltung gegen Newcomer interessiert, wird die Verdrängung bestehender Anbieter nachfolgend nicht mehr explizit erwähnt. [Neben diesen beiden Absichten können Vergeltungsmaßnahmen auch mit dem Ziel der Disziplinienmg nicht kooperie­render Wettbewerber ausgeführt werden. Vgl. Z.B. Greer (IndustriaI Organization), S. 317.]

10 Vgl. McGee (predatory) und (Revisited), Telser (Cutthroat competition) und Bork (Paradox), S. 144 ff. Zu einer Besprechung der McGee/Telser-Position vgl. Yamey (Predatory). Wichtige empirische (Re-) Unter-suchungen "predatorischer" Taktiken wurden z.B. von McGee (Predatory) für den Standard Oil-Fall und von Elzinga (Predatory) für den Gunpowder Trust-Fall durchgeführt. Eine breitere Durchsicht von Antitrust-Fallunterlagen hat Koller (Myth) vorgenommen. Zu einer Kritik der theoretischen und empirischen Bestrebungen, "predatory pricing" als unwirksam und selten auszuweisen, vgl. Scherer (Industrial), S. 335 - 340.

Page 133: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

118

Ad (1) Ungleiche Kostenkonsequenzen11

Im Falle gleichermaßen effizienter Newcomer12 fügt sich der Aggressor mit nicht

kostendeckenden Preisen selbst einen größeren Schaden zu als seinem Opfer. Denn

aufgrund des deutlich höheren Marktanteils, den er in der Anfangsphase gegenüber

einem neuen Konkurrenten aufweist, ist er selbst von seiner Maßnahme ungleich

schwerer betroffen13• Auch wenn er die ihm entstehenden Verluste in anderen

Produkt- oder Regionalmärkten ausgleichen kann, ist er dennoch schlechter gestellt

als es sein müßte: "it could have been earning at least competitive returns and is not."14

Ad (2) Existenz günstigerer Alternativen

Anstelle eines Preiskampfes haben Etablierte immer die wesentlich billigere Alterna­tive der Beseitigung von Newcomern auf dem Wege der Akquisition. Hierzu können

sie ein Angebot unterbreiten, das maximal dem Barwert der zukünftigen Monopol­

gewinne aus der Expansion entsprechen kann. Jeder Preis oberhalb des Marktwertes

(competitive value) sollte aber schon die Übernahme ermöglichen15. Diese Alterna­

tive ist in jedem Fall günstiger als ein Preiskampf. Denn die Umsätze werden wäh­rend der Austragung des Konfliktes immer geringer sein als diejenigen nach einer

Fusion. Und da auch nach der Beilegung der Konfrontation, d.h. nach dem Rückzug

des Newcomers, die Preise nicht dauerhaft angehoben werden können16, ist der

Barwert der Alternative "Akquisition" immer der größere17.

11 Wenn hier von asymmetrischen Kostenauswirkungen gesprochen wird, so sind im Falle von Preis­kämpfen immer die höheren Umsatzverluste des Etablierten gegenüber einem Newcomer gemeint. Die eigentlichen Kostenasymmetrien werden unten bei der Abkehr von Preiskämpfen und Zuwen­dung ZU nichtpreislichen Aktionsparametern in den Vordergrund treten. Siehe hierzu das Konzept des Raising rivals' costs, S. 157 Cf.

12 Größenbedingte Kostenvorteile des etablierten Monopolisten schließt McGee bei seiner Analyse des "predatory pricing" aus, da diese sonst zu einer Analyse des natürlichen Monopolfalles gerät. VgI. McGee (predatory), S. 382, Fußnote 4.

13 Im Standard Oil-Fall aus dem Jahr 1911, anhand dessen McGee seine Hypothesen empirisch über­prüft, hatte der Marktführer in einzelnen Regionalmärkten einen Marktanteil von bis ZU 75 Prozent inne. Er würde daher bei einer wettbewerbsfeindlichen Preisdiskriminierung ca. dreimal soviel ver­lieren wie alle seine Konkurrenten zusammen. VgI. McGee (Predatory), S. 382.

14 McGee (predatory), S. 382.

15 VgI. McGee (Predatory), S. 382.

16 VgI. dazu nachstehend Punkt (3).

17 VgI. McGee (Predatory), S. 382.

Page 134: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

119

Ad (3) Kein Schutz vor Wiedereintritten

Ein Newcomer wird sich nur dann dauerhaft aU1i einem Markt zurückziehen, wenn er

nachhaltig mit Preisen auf dem gegenwärtig niedrigen Niveau rechnet. Da aber ein

Verdrängungswettbewerb mit dem Ziel geführt wird, die Preise später wieder anzu­

heben, wird ein neu eingetretener Konkurrent seine Kapazitäten nur vorübergehend stillegen. Auf diese Weise überläßt er dem Marktführer temporär die gesamte Nach­

frage, aber auch die gesamten Verluste, um dann bei steigenden Preisen seine

Geschäftstätigkeit wieder aufzunehmen18.

Diese drei Aspekte lassen Vergeltungs- bzw. Verdrängungsmaßnahmen gegen neu

eingetretene Konkurrenten als eine fragwürdige und nicht als eine rationale Strategie

erscheinen. Ein potentieller Newcomer, der mit diesen Argumenten vertraut ist, wird

sich deshalb durch einen angedrohten Preiskampf nicht von seinen Plänen abbringen

lassen. Einmal eingetreten, kann er davon ausgehen, daß der bisherige Monopolist

"das Beste aus der unerwünschten Situation macht"19. Denn es liegt nicht im Interesse

eines rationalen Etablierten, eine Drohung zu realisieren, mit der er sich selbst mehr

schadet als einem Opponenten und die sich niemals auszahlen wird. Derartige Dro­

hungen sind - "in the real world" (McGee) - unglaubwürdig20.

Dies gilt nach McGee auch für die implizite Drohung, die sich hinter dem Limit

Pricing verbirgt, nämlich die Angebotsmenge im Falle von Markteintritterr nicht zu

reduzieren: Eine solche Drohung ist ebenfalls unglaubwürdig, da es sich nicht

rentiert, sie auszuführen21.

Diese Theorie, die McGee noch 1980 zum Maßstab glaubwürdiger Vergeltungsdro­

hungen in der realen Welt machte und die das "predatory pricing" zu einem seltenen

und wettbewerbspolitisch unbedeutenden Phänomen erklärte, basiert jedoch auf der

unrealistischen Annahme vollständiger Infonnation. Unter dieser Prämisse sind die

post-entry-Gewinne tatsächlich unabhängig von den pre-entry-Preisen. Denn wenn

bestehende wie potentielle Anbieter vollständig über die Kosten- und Nachfrage­

bedingungen und damit über die Gewinnfunktion nach dem Erfolgen von Marktein-

18 Vgl. McGee (Predatory), S. 382, und (Revisited), S. 2%.

19 McGee (Revisited), S. 299.

20 Vgl. McGee (Revisited), S. 299.

21 Dazu McGee (Revisited), S. 311 f.: "Indeed, the monopoly would lose much more than the entrant. Holding its output constant ... would hurt the monopoly more than it hurts the entrant, and the ex­monopoly has more attractive alternatives if entry actually does occur. As a result, the entrant should assume that the monopoly will not act like that."

Page 135: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

120

tritten unterrichtet sind, ist die Relevanz von pre-entry-Preisen für die Planung eines Newcomers in der Tat schwer ersichtlich22• Indem aber Bain seinen Überlegungen einen Zusammenhang zwischen der Höhe des pre-entry- und des post-entry-Preises zugrunde legt, geht er offenbar von einer strategischen Einflußnahmemöglichkeit auf

die Planungen potentieller Newcomer aus, ohne jedoch die Bedingungen hierfür präzise zu fassen. Insofern ist es - wie Milgrom & Roberts prägnant bemerken - eine Schwäche der Limitpreis-Theorie geblieben, weder Etablierte noch Newcomer als strategische Akteure abgebildet zu haben23• De~ obwohl man schon immer erkannt hatte, daß die Profitabilität eines Markteintrittes ganz wesentlich von den post-entry­Aktionen der Etablierten abhängt, hat man sich lange Zeit auf exogen eingeführte

Reaktionsannahmen beschränkt24• Erst in den letzten Jahren ist es dann gelungen, die Argumente von Managern, Richtern und auch der Forschung zu den Geschäftsprak­tiken formal zu begründen, die diese schon früher zum Thema "predatory behavior" vorgebracht hatten, die aber vor der McGee-Telser-Bork-Theorie als unhaltbar erschienen25• Damit konnten strategische Aktionen bestehender und potentieller Marktteilnehmer in die Umitpreis-Theorie integriert und die Lücke des Eintritts­barrierenansatzes geschlossen werden.

Die Erklärungsansätze, mit denen man Vergeltungsmaßnahmen bzw. -drohungen als Gleichgewichtsstrategie auszeichnen konnte26, sind überwiegend spieltheoretischer

Natur. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den asymmetrischen Modellen zu. Diese können im wesentlichen in zwei (Haupt-)Gruppen unterteilt werden: Die eine bilden die Konzepte mit asymmetrisch verteilten Informationen, in denen bestehende

22 vgl. Friedman (preventing), S. 237.

23 Vgl. Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 457.

24 Vgl. Dixit (Developments), S.12. 25 Vgl. Roberts (Battles), S.157. Einen ersten wichtigen Meilenstein dieser neueren Entwicklung der

Industrial Organization setzte Steven Salop auf der Jahrestagung der American Economic Asso­ciation von 1978 mit seinem Beitrag "Strategie Entry Deterrence".

26 Vergeltungsmaßnahmen gegen Newcomer sind dann Gleichgewichtsstrategien, wenn es mit ihnen nicht nur gelingt, neue Wettbewerber fernzuhalten, sondern wenn die Verfolgung einer derartigen Strategie aoch im Interesse bestehender Unternehmen liegt. Nur dann werden eintrittsverhin­dernde Maßnahmen im Gleichgewicht zu beobachten sein. Vgl. Stiglitz (Introduction), S. IX, und Jacquemin (Industrieökonomik), S.97. Den spieltheoretischen Gleichgewichtsbegriff erläutert Gutenberg (Absatz), S. 313: "Nach den Regeln der Spieltheorie kommt es dadurch zu einem Gleichgewicht, also zu einem Ausgleich der entgegengesetzten Interessen beider Spieler bzw. Unternehmen, daß ein Spieler bzw. Unternehmen, wenn es von seiner Gleichgewichtsstrategie abweicht, seinen Gewinn nur verringern, aber niemals vergrößern kann, sofern sein Gegner seine Gleichgewichtsstrategie beibehält." Die Erforschung von Gleichgewichtsstrategien wird von Spiel­theoretikern damit begründet, daß nur so den Spielc;rn eindeutige und vollständige Empfehlungen für das rationale Verhalten in nichtkooperativen Spielen gegeben werden können~ Eine Empfeh­lung ohne Gleichgewichtseigenschaft wäre hingegen eine selbstzerstörerische Prophetie, da sie einen Anreiz zur Nichtbefolgung erzeugt. V gl. hierzu Selten (Spiele), S. 96 f.

Page 136: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

121

Unternehmen besser unterrichtet sind als potentielle Newcomer. Zur anderen zählen

die Theorien asymmetrischer Spielzüge, in denen die Reihenfolge der Handlungen den

Etablierten zum Vorteil gereicht.

Der zentrale Unterschied dieser beiden Modellgruppen läßt sich - einer detaillier­

teren Darstellung vorgreifend - wie folgt zusammenfassen:

Im Falle asymmetrischer Spiele kommt ein etablierter Anbieter als erster zum Zuge.

Er genießt daher einen "first mover advantage", der darin besteht, daß er noch vor

dem Markteintritt potentieller Newcomer seine Gewinnfunktion bzw. Auszahlungs­

matrix so ändern kann, daß Vergeltungsmaßnahmen für ihn zu einer ex-post-opti­

malen und damit rationalen Strategie werden. Auf diese Weise werden angedrohte

Vergeltungsschritte zu einer glaubhaften Gefahr für· potentielle Neueintretende. Im Falle unvollständiger, asymmetrisch verteilter Information ist es hingegen nicht

erforderlich, die pay-off-Matrix derart zu ändern. Denn da sich ein potentieller New­comer vor seinem Markteintritt nicht über die Kosten- und Nachfragebedingungen

im klaren ist, wird er versuchen, den Handlungsweisen der Etablierten die fehlenden

pay-off-relevanten Informationen zu entnehmen. Bestehende Anbieter können daher

den Preis als ein strategisches Signal für ihre Kostensituation benutzen und auf diese

Weise den Markt für potentielle Newcomer unattraktiv erscheinen lassen. Dies ist die Kernaussage der Signaling-Modelle unter den Ansätzen mit unvollständiger und ungleich verteilter Information.

Zwei weitere Untergruppen der Informationsasymmetrie-Konzepte bilden die "deep

pocket"-Theorien und die Reputation-Modelle27: Die "deep pocket"- oder "long purse"­

Ansätze basieren neben dem Informationsgefälle auf einer weiteren, hier nicht

behandelten Asymmetrie, nämlich auf der ungleichen Ausstattung mit finanziellen

Ressourcen28. In den Reputation-Modellen sprechen Etablierte eine Drohung aus,

indem sie diese wahr machen, d.h. indem sie ein Exempel statuieren, um weitere Newcomer abzuschrecken. Hierbei spielt die unvollständige Information insofern

eine bedeutende Rolle, als potentielle Neueintretende nur unter dieser Bedingung

die gegenwärtigen und vergangenen Vergeltungsmaßnahmen bestehender Anbieter

als einen Indikator für deren zukünftige, mögliche Reaktionen betrachten.

Diese Argumentationslinien werden nachstehend wie folgt genauer dargelegt:

Zunächst befassen wir uns mit den Informationsasymmetrie-Konzepten - unter Punkt

3.3.1.1.1. zuerst mit den Signaling-Modellen, in Abschnitt 3.3.1.1.2. sodann mit den

27 Vgl. zu dieser Einteilung Saloner (Predation), S. 170.

28 Siehe hierzu insbesondere Benoit (FinanciaIly) und Fudenberg & Tirole (Jamming), S. 373 ff. Vgl. auch Albach (Finanzkraft), S. 81 ff.

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122

Reputation-Modellen. Kapitel 3.3.1.1.3. ist schließlich den Ansätzen mit asymmetri­

schen Verpflichtungen bei sequentieller Handlungsabfolge gewidmet (Commitment­Ansätze )29.

3.3.1.1.1. Die Signaling-Konzepte: Kampf- und Limitpreise als Marktsignale bei

unvollständiger, asymmetrischer Information

In einer (Modell-)Welt mit vollkommener Information (und ohne anfängliche Asymmetrien, d.h. ohne "first mover"-Vorteile aufgrund irreversibler Investitionen)

kann ein etablierter Anbieter einen genauso effizienten, weitsichtigen und hart­

näckigen potentiellen Newcomer nicht durch seine pre-entry-Verhaltensweise vom

Markt fernhalten3O• Denn dies würde voraussetzen, daß er diesem glaubhaft mit Ver­geltungsmaßnahmen drohen kann. Wegen seines größeren Marktanteils kann er

einen sonst ebenbürtigen Newcomer nach dessen Markteintritt aber nicht dauerhaft

und gewinnbringend mit nichtkostendeckenden Preisen bekämpfen. Unternimmt er

dennoch einen derartigen Versuch, kann der neu eingetretene Konkurrent seine

geringeren Verluste mit Hilfe eines gleichfalls weitsichtigen und hartnäckigen Kapi­

talgebers finanzieren, bis der Etablierte einlenkt und nachgibt. Aufgrund der gemach­

ten Erfahrung wird weder dieser noch ein anderer etablierter Marktteilnehmer in

Zukunft nochmals einen Vergeltungsversuch wagen. Insofern sind Kampfpreise nicht

eintrittsverhindernd, sondern "sich selbst verhindernd" (Salop). Die intuitive Vor­

stellung der klassischen Limitpreis-Theorie, daß potentielle Newcomer in den pre­

entry-Preisen ein Signal für die Wettbewerbsbedingungen nach ihrem Eintritt sehen,

entbehrt unter den geschilderten Bedingungen jeglicher Grundlage31.

Dies ändert sich jedoch, sobald man die Prämisse vollkommener Information fallen

läßt und entgegen der McGee-Telser-Bork-Theorie Infonnationsdefizite als typisch

für einen Newcomer in der Entscheidungsvorbereitungs- und post-entry-Phase

29 Eine weitere Möglichkeit, auf rationale Weise Vergeltung zu üben, beschreibt das Konzept des Raising rivals' costs. Hierin reagiert das etablierte Unternehmen nicht mit einer Preissenkung, son· dem mit einer Ausgabensteigerung bei mengenunabhängigen Wertaktivitäten, d.h. in Bereichen mit Fixkostencharakter. Auf diese Weise kehrt sich der bei Preisreaktionen nachteilige hohe Marktan­teil in einen Vorteil um. Da aber eine reaktive Kostensteigerung zwar plausibel, jedoch ex ante nur schwer kommunizierbar ist, muß sie zur Mitteilung an potentielle Konkurrenten gewissermaßen antizipativ vorgenommen werden. Damit fallen Maßnahmen des Raising rivals' costs eher in die Kategorie der Abschreckungstaktiken zur Erhöhung struktureller Eintrittsbarrieren, die Gegen­stand von Kapitel 3.3.2., S. 156 ff., sind.

30 Vgl. hierzu und nachfolgend Salop (Predation), S. 11 f.

31 Vgl. Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 444.

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123

begreift: Wie nachfolgend mit Salop gezeigt, ist die streng logische Schlußfolgerung der Unglaubwürdigkeit von Vergeltungsdrohungen nicht mehr aufrecht zu halten,

wenn potentielle Newcomer nur noch unvollkommen über ihre relative Wett­

bewerbsposition informiert sind32.

Einen solchen, beträchtlichen Grad an Unsicherheit bzw. unvollkommener Infor­

mation konstatiert Salop33 für potentielle Neueintretende in mehrerer Hinsicht: Die

Akzeptanz ihrer Produkte durch den Handel und die Konsumenten ist ungewiß,

ebenso die Höhe ihrer Produktions- und Vertriebskosten sowie die Elastizität ihrer

Nachfrage. Außerdem kennen Newcomer die Kosten ihrer etablierten Konkurrenten

und deren Reaktionen auf das Stattfinden von Markteintritten nicht genau. Sie sind also über ihre relative Kosten- und Wettbewerbsposition häufig nur unvollkommen

informiert. Es besteht deshalb ein Risiko bzw. die Gefahr, nur einen unterdurch­

schnittlichen Return on (sunk) Investment zu erzielen. Dieses Risiko kann zwar

durch Marktforschung und durch Hinausschieben umfangreicher und irreversibler

Ressourcenallokationen bis zum Vorliegen weiterer Informationen reduziert werden.

Dennoch bleibt immer eine (Rest-)Unsicherheit bestehen.

In einer solchen Situation wird ein neu eingetretenes Unternehmen - "as a matter of

logic" (Salop) - die Reaktionen der Etablierten auf seinen Markteintritt für die

Bestimmung seiner relativen Kosten- bzw. Wettbewerbs position heranziehen. Reagiert ein bestehendes Unternehmen beispielsweise mit einer Preissenkung, wird der New­comer dahinter niedrige Kosten vermuten34. Vergleicht er diese mit seinen eigenen

Stückkosten, kann er zu dem Schluß gelangen, einen Kostennachteil zu besitzen.

Dieser perzipierte Nachteil kann ihn zum Rückzug veranlassen, anstatt mit der Aus­sicht auf eine unterdurchschnittliche zukünftige Rendite weitere irreversible Ein­trittskosten einzugehen.

Neben der Unsicherheit über ihre relative Kostenposition sind neu eingetretene

Unternehmen auch einer Nachfrageunsicherheit ausgesetzt. Diese werden sie mittels Markttests abzubauen versuchen. Als Erfolgsindikator dient ihnen hierbei der

erreichte Marktanteil. Diesen Informationsgewinnungsprozeß können etablierte

Konkurrenten nun jedoch stören, indem sie während der Testphase des Newcomers

ihre Werbe- oder Promotion-Konzeption ändern oder die bisherige Werbung intensi-

32 So Salop programmatisch zu seiner Argumentation in (Predation), S. 15.

33 Nachstehende Ausführungen orientieren sich eng an Salop (Predation), S. 14 - 19. Quellenangaben beziehen sich im weiteren nur noch auf zusätzlich herangezogene Beiträge.

34 Salop (Predation, S. 15) begründet dies damit, daß Kosteuführer im allgemeinen niedrigere Preise setzen.

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124

vieren. Ein neuer Anbieter mag dann einen geringen Marktanteilsgewinn im Test­

markt als ein negatives Signal für seine langfristigen Absatzchancen deuten, anstatt

das ungünstige Testergebnis auf die geänderte oder intensivierte Werbung seiner

Konkurrenten zurückzuführen35•

Ein weniger effizienter Etablierter, der die Implikationen unvollkommener Infor­

mation für einen Newcomer kennt, besitzt nun einen Anreiz, mit Preissenkungen

oder anderen Maßnahmen zu bluffen36• Ein Newcomer, der aber seinerseits weiß,

daß Bluffen eine rationale Strategie darstellt, wird den Informationsgehalt niedriger

Preise gering(er) einschätzen. Jedoch wird er Niedrigpreise nicht völlig ignorieren, da

ein kostenführendes etabliertes Unternehmen solche Preise auch ohne Vergeltungs­

absicht setzen würde. Solange Newcomer aber nicht in der Lage sind, zutreffend zwi­schen einem Bluff und hartem Wettbewerb mit effizienten Etablierten zu unterschei­

den, können sie manchmal durch Bluffs zum Rückzug oder zum Aufschieben weiterer

Investitionen bewegt werden. In diesem Sinne faßt Salop seine Argumentation -

etwas genereller - wie folgt zusammen: Solange ein Newcomer glaubt, daß Etablierte

einen Vorteil besitzen könnten, kann ein Vergeltungsversuch eine erfolgreiche Stra­

tegie für einen bestehenden Anbieter darstellen. Nur ein zuversichtlicher Newcomer

wird sich dadurch nicht beirren lassen37•

Nun wird aber nicht in jedem Falle ein nur einseitiges Infonnationsdefizit vorliegen.

Denn auch der Etablierte kann sich über die relative Wettbewerbsposition eines

Herausforderers im unklaren sein. Dies würde Newcomern das gleiche Spektrum an (Gegen-)Strategien eröffnen. Jedoch geht man im allgemeinen davon aus, daß bei

einer beiderseitigen Unsicherheit der Etablierte einen Infonnationsvorteil bzw.

-vorsprung besitzt38.

Mit der Einführung einer derartigen Informationsasymmetrie in die Theorie des

Verdrängungswettbewerbs gelingt es Salop, die von McGee vermißte Logik des

35 Vgl. hierzu auch das Modell zur "test-market 'bluffing' predation" von Scharfstein (Test-market), S. 231 ff.

36 Hierzu führt Salop in (Strategie), S. 337, aus, daß der Kostenflihrer in einem solchen Fall bestrebt sein wird, Klarheit zu schaffen. Er wird daher den Preis abermals (geringfügig) senken, um das Signal wiederherzustellen. Demgegenüber werden Unternehmen mit höheren Kosten ihre Situation eher verschleiern wollen und preislich gleichziehen. Siehe auch Milgrom & Roberts (Ineomplete information), S. 449 f., und Roberts (Batties), S. 166.

37 Vgl. Salop (predation), S.17.

38 Vgl. hierzu Salop (predation), S.18 f. Den Unterschied zwischen einer symmetrischen Unsicherheit und InformatiollSll.lJ'l1lmetrien stellen explizit auch Milgrom & Roberts (Asymmetries), S. 184 f., heraus.

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125

"predatory pricing" wiederherzustellen39• Kampfpreise oder andere Reaktionen

werden demnach im Sinne eines "predatory signaling" gebraucht. Sie dienen der

Einflußnahme auf die Selbsteinschätzung eines unvollkommen informierten Newcomers.

Ihr Wesen besteht darin, neu eingetretenen Konkurrenten Wettbewerbsnachteile zu

signalisieren, um sie zum Rückzug zu veranlassen. Mit dieser neuen Sinngebung

werden Vergeltungsmaßnahmen in einer Welt unvollständiger, asymmetrischer

Information zu einer rationalen Strategie4O• Dazu bedarf es nur perzipierter und nicht tatsächlicher Wettbewerbsnachteile. Insofern ist ein "predatory signaling" selbst gegen

gleichermaßen effiziente oder gar effizientere Newcomer anwendbar, die sich ihres

Vorteils aber nicht sicher sind.

In Salops Erklärungsansatz kann ein Newcomer Preissenkungen oder andere, Wett­

bewerbsvorteile signalisierende Reaktionen erst nach seinem Markteintritt feststel­

len. Denn dieses Signaling-Konzept beschränkt sich auf eine reaktive Verdrängung

neu eingetretener Konkurrenten41 und ist nicht für eine antizipative Eintrittsverhin­

derung ausgelegt. Ein solches spieltheoretisches Modell für die pre-entry-Phase des

Wettbewerbs haben Milgrom & Roberts formuliert42.

Hierin stehen sich ein Monopolist und ein einziger potentieller Newcomer gegen­

über. Der Monopolist ist zunächst besser informiert: Er kennt seine (konstanten)

Stückkosten KEt, die dem potentiellen Wettbewerber im Zeitpunkt seiner Entschei­

dungsfindung noch unbekannt sind. Erst nach seinem Markteintritt erlangt dieser

Gewißheit über die Kosten des etablierten Monopolisten. Wären diese ex ante all­

gemein bekannt, läge eine vollständig beschriebene Spielsituation mit einer einzig

39 Vgl. Salop (Predatory), S. 15.

40 Zugleich scheitert die McGee-Telser-Bork-Theorie unter den genannten Bedingungen an einem "inneren Widerspruch" (Salop): Ein Newcomer, der den Argumenten McGees vertraut bzw. sich in einer Welt vollkommener Information wähnt, schließt die Möglichkeit des Bluffs aus. Dadurch kann er aber gerade erfolgreich von einem strategisch denkenden Konkurrenten geblufft werden. Vgl. Salop (Predation), S. 16. Dies gilt gleichfalls für Vergeltungsmaßnahmen, die ein solcher New­comer ebenfalls für unmöglich hält: "(T)he expectation that predation will never occur makes it quite profitable." Easley, Masson & Reynolds (Preying), S. 446.

41 Ein anderes "exit inducing predatory signaling"-Modell beschreibt Roberts (Signaling). Hierin besteht die Unsicherheit nicht hinsichtlich der relativen Kostenposition, sondern hinsichtlich der Nachfrage. Die tatsächliche Marktnachfrage kennt nur der Etablierte. Eine zweite Informations­asymmetrie betrifft die Angebotsmenge des Etablierten, die der Newcomer nicht beobachten kann. Er ist hier auf Vermutungen angewiesen. Als Signal bzw. Indikator für das unbekannte Nachfrage­volumen dient ihm wiederum der Marktpreis. In diesem Beitrag nimmt Roberts auch einen Ver­gleich zu den verwandten Ansätzen von Easley, Masson & Reynolds (Preying), Fudenberg & Tirole (Jamming) und Benoit (Financially) vor. Ein Überblick über diese und weitere Modelle der Ver­geltung, die zur Marktaustritten führt, fmdet sich ferner in Roberts (Battles), S. 175 - 181.

42 Vgl. Milgrom & Roberts (Incomplete information).

Page 141: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

126

möglichen Lösung vor. So aber existiert eine Vielzahl von Spielen, nämlich für jeden

möglichen Wert von KEt. Da der Newcomer die Höhe der Stückkosten KEt nicht kennt, weiß er nicht, welches der möglichen Spiele nun tatsächlich gespielt wird, und

er kann daher seine optimale Strategie nicht bestimmen43. Er ist deshalb darauf

angewiesen, die fehlende Information über die Art des Spieles den beobachtbaren

Handlungen des Monopolisten zu entnehmen. Das heißt, er muß seine Entrittsent­scheidung auf den pre-entry-Preis stützen, da er die tatsächlichen Stückkosten seines

Gegenspielers nicht kennt. Und da er somit seine eigenen Aktionen vom vorgefun­

denen Preisniveau abhängig macht, eröffnet sich dem Monopolisten die Möglichkeit

des Umit Pricing44•

Solange nun der pre-entry-Preis des Monopolisten ein korrektes Signal für dessen

Kosten darstellt und sofern der potentielle Newcomer zutreffend vom beobachteten

Preis auf die unbeobachtbaren Stückkosten KEt schließen kann45, behindert ein

Umit Pricing Markteintritte nicht mehr als unter Sicherheit - wo es ja nicht zu einer

derartigen Preisbildung kommt, da eine Einflußnahmemöglichkeit auf Markteintritts­

entscheidungen dann nicht besteht46• Denn wenn ein potentieller Newcomer die

Signale des Monopolisten zutreffend deuten kann, handelt er so, als ob er Zugang zur

privaten Information des Etablierten hätte47; d.h. er tritt dann ein, und nur dann,

43

44

45

46

47

Diese Problemstruktur ist für eine spieltheoretische Darstellung nicht geeignet. Denn eine Grund· voraussetzung der Spieltheorie besagt, daß den Beteiligten das jeweilige Spiel bekannt sein muß. Eine Spielsituation mit unvollständiger Information, die im oben beschriebenen Fall vorliegt, wird jedoch dadurch in eine spieltheoretisch handhabbare Form gebracht, daß man sie in ein Spiel mit unvollkommener, aber vollständiger Information transformiert. In einem solchen Spiel ist einem Beteiligten zwar der Pay-off einer jeden Entscheidung bekannt (Aspekt der vollständigen Infor­mation), aber er muß einen Spielzug ohne Kenntnis aller früheren Züge seiner Gegenspieler unter­nehmen (Aspekt der unvollkommenen Information). Man erreicht diese Form mittels der Einfüh­rung eines Dummy- oder Hilfsspielers ("Nature"), der eine Technologie mit den Kosten KEt wählt. Diese kann der Monopolist in Erfahrung bringen, nicht aber der potentielle Newcomer. Letzterer ist somit zwar vollständig, aber nur unvollkommen informiert: Er kennt den Spielzug bzw. die Preisentscheidung des Monopolisten, aber nicht den Zug des Hilfsspielers. Auf diesen muß er anband des Zuges des Monopolisten schließen. Vgl. hierzu Roberts (Battles), S. 161, und Milgrom & Roberts (Imcomplete information), S. 446.

Vgl. vorstehend Roberts (Battles), S. 160 ff. Daß diese Möglichkeit eine Gleichgewichtsstrategie darstellt, zeigen Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 445 ff.

Siehe zu diesen beiden Voraussetzungen Roberts (Battles), S. 162.

Vgl. Milgrom & Rol1erts (Incomplete information), S. 448. Würden Etablierte bei unvollkommener Information jedoch einen höheren Preis verlangen als den eintrittssperrenden Gleichgewichtspreis, bestünde eine größere Markteintrittsgefahr. Denn potentielle Newcomer, die davon ausgehen, daß der Monopolist seine Gleichgewichtsstrategie verfolgt, würden dann die Stückkosten KEt höher einschätzen als sie tatsächlich sind. Damit erschiene ihnen der Markteintritt attraktiver. Vgl. ebenda, S. 449, und Roberts (Battles), S. 164 f.

VgI. Milgrom & Roberts (Asymmetries), S. 186.

Page 142: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

127

wenn es für ihn objektiv profitabel wäre48. Allerdings ist es zu erwarten, daß solch

exakte Rückschlüsse auf die Kostenposition des Etablierten unmöglich sind und daß

eine Restunsicherheit über die Höhe von KEt zum Zeitpunkt der Eintrittsentschei­

dung besteht49. Der Monopolist besitzt damit die Möglichkeit, einen Preis unterhalb

des Gleichgewichtsniveaus anzusetzen, um so den potentiellen Newcomer zu

täuschen - in der Hoffnung, dessen Eintritt zu verhindern50. Andererseits kennt der

Newcomer diesen Anreiz und wird sich daher nicht völlig kalkulierbar beeinflussen

lassen51.

Wie das vorstehend dargelegte spieltheoretische Modell zum Problem des Marktein­

tritts und der Eintrittsverhinderung zeigt, kann bei Vorliegen unvollständiger, asym­

metrischer Information der Preis als ein Kostensignal eingesetzt und gedeutet wer­

den. Damit ist eine Begründungsbasis für die früher immer nur unterstellte Relevanz

von pre-entry-Preisen für die Eintrittsentscheidung gewonnen52.

Blickt man nun mit den eintrittsverhindernden Signaling-Konzepten auf den klassi­

schen Limitpreis-Ansatz zurück, so bleibt festzuhalten, daß eine gewisse Akzentver­

schiebung stattgefunden hat: Die Signaling-Ansätze lösen zwar die Grundvorstellung

des Limit Pricing ein, daß es etablierten Anbietern möglich ist, mit ihrer gegenwärti­

gen Preispolitik die Wahrnehmung potentieller Newcomer hinsichtlich der Rentabili­

tät des Markteintrittes zu beeinflussen. Sie leisten dies aber - anders als die klassische

Limitpreis-Theorie mit dem Sylos-Postulat und anderen Reaktionsprämissen - ohne

den Rückgriff auf angedrohte Vergeltungsmaßnahmen. Der pre-entry-Preis dient beste­

henden und neuen Unternehmen zwar weiterhin als ein Signal, nun aber für die

relative Wettbewerbs position. Im Modell Bains teilen etablierte Anbieter durch das

Setzen von Eintrittssperrenpreisen potentiellen Newcomern hingegen ihre zukünftige

Handlungsabsicht mit: Sie sprechen damit die Drohung aus, den gegenwärtigen

Marktpreis nicht zu stützen, sondern statt dessen Vergeltung zu üben.

Der zentrale Unterschied zwischen den klassischen und den Signaling-Theorien des

Limit Pricing besteht also darin, daß neuerdings Eintrittssperrenpreise als Kosten~

signale einer Einflußnahme auf die Selbsteinschätzung potentieller Wettbewerber

dienen, während sie früher als "Drohgebaren" eine Einflußnahme auf die Reaktions-

48 vgl. Roberts (Battles), S. 161.

49 VgI. Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 456.

50 VgI. Roberts (Battles), S. 160.

51 Vgl. Milgrom & Roberts (Incomplete information), S. 457, und (Asymmetries), S. 186.

52 Vgl. Roberts (BaUles), S. 160.

Page 143: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

128

erwartungen bezweckten. In den Signaling-Ansätzen kommt das Limit Pricing nun

gänzlich ohne Vergeltungsdrohungen und ohne das post-entry-Verhalten der

Etablierten aus. Insofern ist zwar die Rationalität des Setzens von Sperrenpreisen

hergestellt, aber auf eine andere Weise als über die Herbeiführung der Glaubwür­

digkeit angedrohter Vergeltung, die seit der von McGee geübten Kritik angezweifelt

wird. Und damit wandelt das Limit Pricing seinen Charakter, von einem Indikator für

Vergeltungsdrohungen zu einem Kostensignal53.

Einen anderen - eher konventionellen - Weg der theoretischen Begründung von Ver­

geltungsmaßnahmen schlagen indes die nachstehend thematisierten Reputation­

Ansätze ein: Bei wiederum asymmetrisch verteilten Informationen wird ein "Ruf der

Härte" durch die Ausübung von Vergeltung aufgebaut. Ein Etablierter, der einen

solchen Ruf zu verteidigen hat, ist auch bei zukünftigen Markteintritten wieder zu

einer Vergeltungsstrategie gezwungen, da eine Kooperation sein Image außer Kraft

setzen würde. Insofern sind Drohungen solcher Etablierter glaubwürdig.

Wie bereits dieser kurze Ausblick deutlich macht, bewegen sich die Reputation­

Ansätze im Vergleich zu den Signaling-Konzepten eher auf der klassischen Argumen­

tationslinie. Denn statt eine Neuinterpretation zu bieten, beheben sie ein von McGee konstatiertes Defizit der Vergeltungstheorie54/ 55•

53 Diese neue Qualität des Limit Pricing spiegelt sich auch in der Würdigung der eintrittsverhindern­den Signaling-Modelle durch Stiglitz wider: In dem "Strategie Entry Deterring"-Beitrag von Salop sieht Stiglitz nicht etwa eine Vervollkommnung der klassischen Theorie, sondern eine Neuinterpre­tation des Limit Pricing. Denn während bisher (Eintrittssperren-)Preise als Kontrollvariable erach­tet wurden, die sich im Einflußbereich der etablierten Unternehmen befinden und daher als revi­dierbar gelten mußten, werden sie im Falle asymmetrischer Information gewissermaßen zu Zustandsvariablen, die nicht sofort geändert werden können: Sie gelten dann nämlich als Indikator für die Kostenposition bzw. Technologie, die ja eine "state variable" darstellt. Vgl. Stiglitz (Intro­duction), S. XI f.

54 Hierbei stehen allerdings die post-entry-Reaktionen im Mittelpunkt und nicht wie in der Limitpreis-Theorie die pre-entry-Maßnahmen etablierter Anbieter. Vgl. hierzu unten, S. 135.

55 McGee selbst zeigt sich von den strategischen Konzepten unbeeindruckt. Er räumt sogar selbst ein, daß ihm seine von den neueren Ansätzen unberührt gebliebene Haltung zum "predatory pricing" zu einem "diehard Chicagoan" qualifiziere, also zu einem verbissenen oder unnachgiebigen Chicagoer. Vgl. McGee (Revisited), S.292, Fußnote 15. Mit dieser Namengebung bedachte ursprünglich Posner - selbst ein Vertreter der Chicago School - beispielsweise Bork wegen dessen Unauf­geschlossenheit für jedwede theoretische Neuerung. VgI. Posner (Chicago), S. 932.

Page 144: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

129

3.3.1.1.2. Die Reputation-Modelle: Vergeltungskosten als Investition in einen "Ruf

der Härte"

Einer der Kritikpunkte McGees an der Theorie des Verdrängungswettbewerbs lautet,

daß sich Kampfpreise nur auszahlen, wenn die Verluste der Vergeltungsphase nach

der Eliminierung des unerwünschten Konkurrenten durch entsprechende Preisan­

hebungen kompensiert werden können. Bei Abwesenheit von Wiedereintrittsbar­

rieren ist diese Möglichkeit nach McGee nicht gegeben. Denn durch ein attraktives

Preisniveau würden erneut Newcomer in den Markt gelockt bzw. zur Wiederauf­

nahme der stillgelegten Produktion bewogen.

Dieses Argument bildet nun den Ansatzpunkt der Reputation-Modelle. Entgegen der

Vorstellung McGees, nach der nur der Etablierte seine Lehren aus den grundsätzlich

umentablen Vergeltungsversuchen zieht, gehen diese Konzepte von einem Lern­

prozeß auch bei potentiellen Newcomern aus. Das heißt, die gegen einen neu einge­

tretenen Herausforderer geübte (und nach McGee irrationale) Vergeltung wirkt sich

auf die Reaktionserwartung weiterer, zukünftiger Markteintrittskandidaten aus.

Diese hält dann nicht die Erwartung einer rationalen Preispolitik, sondern die Furcht

vor irrationalen Reaktionen möglicherweise vom Markteintritt ab56.

Eine Vergeltungsmaßnahme wird nun aber deshalb als irrational kritisiert, weil sie

isoliert betrachtet für den sie ausübenden Etablierten ein Verlustgeschäft bedeutet.

Denn die aus einem Preiskampf entstandenen Einbußen können ja nach McGee in

dem betreffenden Markt nicht wieder ausgeglichen werden. Wenn aber zukünftige

Neueintretende damit rechnen müssen, daß sich der Etablierte erneut "irrational"

verhält, wird dieses Reaktionsmuster zu einer rationalen Strategie. Denn dann muß

sich eine Vergeltungsmaßnahme, um wirtschaftlich und damit glaubwürdig zu sein,

nicht bereits unmittelbar durch die Verdrängung bzw. Bekämpfung eines konkreten

neu eingetretenen Herausforderers bezahlt machen. Vielmehr kann angesichts

weiterer, für die Zukunft zu erwartender potentieller Newcomer eine "reputation for

toughness" aufgebaut werden, indem man konsequent Vergeltung übt. Die Kosten

dieser exemplarischen Vergeltungsmaßnahme(n) stellen dann eine Investition in eine

längerlebige Vergeltungsreputation dar, d.h. sie lassen sich ökonomisch durch die

zukünftigen Erträge aus unterbleibenden Markteintritten rechtfertigen57•

56 Diesen Effekt bezeichnet Scherer als "rationality of irrationality". Vgl. ders. (Industrial), S. 246 f.

57 Vgl. Milgrom & Roberts (Reputation), S. 282.

Page 145: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

130

Die formale Präzisierung dieser "Rationalisierung der Irrationalität" von Vergel­

tungsmaßnahmen erfolgte durch Milgrom & Roberts sowie Kreps & Wilson mittels spieltheoretischer Reputation-Modelle58. Die Kernaussagen dieser Modelle werden

hier anhand eines einfacheren Beispiels von Roberts dargelegt59.

Gegeben sei ein Etablierter E (eine Warenhauskette), der in einer endlichen Zahl

von M (Regional-)Märkten operiert. In jedem dieser Märkte steht ihm ein potentiel­

ler Newcomer N gegenüber, der zu entscheiden hat, ob er eintritt oder nicht60. Wählt

er die Alternative "Eintritt", kann der Etablierte aggressiv oder kooperativ reagieren.

Die Auszahlungen der beiden Spieler in jedem der M Märkte sind dem Spielbaum in

Abb. 10 zu entnehmen. Der gesamte Pay-off des Etablierten soll der Summe der Auszahlungen aller Märkte entsprechen.

Potentieller Newc:omer

Etablierter Anbieter

kein Eintritt

Kooperation

Vergeltung

(2; 0)

(0; +0,5)

<-1; -0,51

Abb. 10: Spielbaum zum Reputation-Beispiel von Roberts (Battles, S. 182)

Angabe der Auszahlungen: (Et;New)

In einem Spiel mit nur einem Markt, d.h. mit nur einem potentiellen Newcomer,

lautet die Gleichgewichtslösung: Es findet ein Markteintritt statt, der von E mit einer Kooperation beantwortet wird61.

58 Vgl. Milgrom & Roberts (Reputation) und Kreps & Wilson (Reputation).

59 Vgl. Roberts (Battles), S. 182 - 185.

60 An die Stelle der M Märkte können auch M Perioden eines Spieles treten. In diesem Fall wird der Etablierte in nur einem Markt von M potentiellen Newcomern in einer zeitlichen Sequenz bedroht.

61 Die günstigste Situation für E wäre indes: kein Eintritt von N. Hierbei handelt es sich jedoch um ein unvollkommenes Gleichgewicht. Denn N wird dem Markt nur fernbleiben, wenn er mit einer Vergeltung rechnet. E wiederum wird nur mit einer Vergeltung drohen, wenn er mit dem Fernhlei· ben von N rechnen kann, so daß er niemals eine Auszahlung von -1 in Kauf nehmen muß. Es wird folglich zum Markteintritt von N kommen, da diese Drohung von E wegen der Vorteilhaftigkeit der Alternative "Kooperation" unglaubwürdig ist. Vgl. Roberts (Battles), S. 182.

Page 146: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

131

Aber auch in einem Spiel mit einer beliebig hohen, aber endlichen Zahl von Märkten

kann der Etablierte nicht - jedenfalls (spiel-)theoretisch nicht - mittels gezielter Ver­

geltungsmaßnahmen in einem Markt einen Ruf aufbauen, von dem er bei weiteren

drohenden Eintritten in anderen Märkten profitiert. Dies erklärt das Warenhaus­

ketten-Paradoxon (chain store paradox): Im letzten der bedrohten Märkte wird das

einer Kette angehörende Warenhaus eine kooperative Strategie wählen. Denn da es

keine weiteren Märkte zu verteidigen gibt, ist die Strategie "Kooperation bei Eintritt"

- wie in einem Spiel mit nur einem Markt - die günstigste Alternative. Dies gilt unab­

hängig von früheren Spielzügen in anderen Märkten. Im vorletzten der bedrohten

Märkte könnte hingegen die Konfliktstrategie gewählt werden, um einen Eintritt in

den letzten Markt zu verhindern. Da aber dort die Spielsituation ja vollkommen

determiniert ist und die Gleichgewichtsstrategie "Kooperation bei Eintritt" lautet, können Newcomer vom letzten Markt nicht ferngehalten werden - und zwar unab­

hängig von der im vorletzten Markt gewählten Strategie. Insofern stellt auch dort die

kooperative Antwort auf einen erfolgten Markteintritt die günstigste, gleichgewich­

tige Strategie dar. Damit wird deutlich, daß es mit Gleichgewichtsstrategien bei einer

endlichen Zahl von Märkten bzw. bei einem endlichen Zeithorizont (theoretisch)

niemals zur Vergeltung kommt und eine "reputation for toughness" nicht aufgebaut

werden kann62.

Diesem Paradoxon kann man auf zwei verschiedene Weisen entgehen. Zum einen

kann das theoretische Erklärungsproblem mittels einer unendlichen Zahl von Märkten

bzw. mittels eines unendlichen Zeithorizontes gelöst werden, so daß ein Startpunkt für

die rückwärtsgerichtete Induktion fehlt. Für diesen Fall existieren mehrere Gleich­

gewichte: Die Empfehlung für einen Etablierten in einer bestimmten Spielperiode

lautet, einen Markteintritt mit Vergeltung zu beantworten, sofern nicht bereits früher

kooperativ reagiert wurde. Für einen Newcomer empfiehlt es sich umgekehrt nur

dann einzutreten, wenn früher bereits Eintritte stattgefunden haben und diese nicht

bekämpft wurden. Es ergeben sich somit bei einem unendlichen Zeithorizont zwei

grundverschiedene sequentielle Gleichgewichte: (1) Es wird immer Vergeltung geübt,

Markteintritte bleiben daher aus. (2) Es kommt zur Kooperation und zum Eintritt

aller potentiellen Newcomer63•

62 VgL Milgrom & Roberts (Reputation), S.283. Begründet wurde das "chain store paradox" durch Selten (Paradox). Selten weist darauf hin, daß es sich bei dem Warenhausketten·Paradoxon nicht um ein Modell handelt, das einen Anspruch auf Realitätsnähe erhebt, sondern daß daran gerade das Abweichen des tatsächlichen HandeIns gut informierter Spieler von den spieltheorelischen Lösungen gezeigt werden kann. VgL ebenda, S. 127.

63 VgL Encaoua, Geroski & Jacquemin (Strategic competition), S. 71.

Page 147: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

132

Zum anderen versagt die Logik der Rückwärtsinduktion des "chain store paradox",

wenn die· Annahme vollständiger und vollkommener Information gelockert wird. Denn

dem Paradoxon der Warenhauskette liegt die Prämisse zugrunde, daß es allgemein

bekannt ist, daß "Kooperation" die beste Antwort auf einen Eintritt und "Eintritt" die

beste Antwort auf eine frühere Kooperation ist64• Ein derartiges "Allgemeinwissen"

kann aber nur in einer Spielsituation mit vollständiger und vollkommener Infor­

mation entstehen, in der alle Firmen über die Baumstruktur des Spiels, über die Aus­

zahlungen aller Spieler und über die vergangenen Spielzüge der Kontrahenten unter­

richtet sind65•

Eine solche Informationsvollkommenheit ist in den Reputation-Ansätzen von Kreps

& Wilson und Milgrom & Roberts nun in unterschiedlicher Hinsicht nicht mehr gege­

ben. Dem letztgenannten Modell liegt eine pay-off-Struktur wie im Spielbaum von

Abb. 10 zugrunde, d.h. eine Vergeltung zahlt sich für Etablierte kurzfristig nicht aus.

Dies ist allen Beteiligten noch bekannt. Unsicher sind sich potentielle Newcomer

indes über die Ziele, Motivation und Verhaltensregeln der Etablierten66. Bereits bei

einer geringen derartigen Unsicherheit kann es nicht mehr ausgeschlossen werden,

daß gegen den letzten der M Newcomer keine Vergeltung mehr geübt wird, so daß

das Verfahren der Rückwärtsinduktion des Warenhausketten-Paradoxons scheitert.

Potentielle Neueintretende müssen sich daher an den beobachtbaren vergangenen

Handlungen der Etablierten orientieren, um auf den jeweils vorliegenden Typ von

Wettbewerber zu schließen67• Gerade dies ermöglicht etablierten Anbietern den

Aufbau einer Vergeltungsreputation. Denn weil das zukünftige Verhalten eines

64 Der hiermit angesprochene spieltheoretische Begriff des "common knowledge" besagt, daß jeder Beteiligte weiß, daß der andere Spieler weiß, worin die Gieichgewichtsstrategie besteht. Vgl. Milgrom (Common), S.219. Zum Konstrukt des "common knowledge", mit dem der infinite Regreß - d.h. die unendliche Kette der Erwartungen der Spieler über die Erwartungen ihrer Gegenspieler - abgebrochen wird, vgl. auch Weigelt & MacMillan (Interactive), S. 31.

65 Vgl. Milgrom & Roberts (Reputation), S. 283.

66 Im Modell von Milgrom & Roberts wird diese Unsicherheit folgendermaßen in Ansatz gebracht: Neueintretende erwarten mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit p, daß eine aggressive (bzw. eine friedliche) Antwort in einer bestimmten Periode Bestandteil einer generellen Vergeltungs­(bzw. Kooperations-)Strategie ist. Dies sind die beiden Verhaltensregeln, die Newcomer bei Etablierten vermuten, von denen sie aber nicht wissen, ob sie zutreffend sind. Der Grad ihrer Unsicherheit darüber, inwieweit Etablierte eine Entscheidungsregel befolgen, d.h. inwieweit sie sich unter ähnlich wiederkehrenden Bedingungen genauso verhalten wie in der Vergangenheit, kommt in der Höhe der Wahrscheinlichkeit p zum Ausdruck. Nur bei einer Wahrscheinlichkeit von Null wäre das beobachtbare vergangene Verhalten für die Prognose zukünftiger Reaktionen irrelevant. VgI. Milgrom & Roberts (Reputation), S. 285 und S. 287.

67 VgI. Roberts (BaUles), S. 183. Roberts unterscheidet hier zwischen einem "normal type", der eine Kooperationsstrategie befolgt, und einem "crazy type", der Vergeltung übt. Unter dem "Typ von Spieler" versteht man in der Spiel theorie die Menge der privaten Informationen eines Spielers, die für dessen Pay-off von Bedeutung ist. VgI. Weigelt & Camerer (Reputation), S. 443 f., und Weigelt & MacMillan (Interactive), S. 29 f.

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133

Etablierten möglicherweise von seinem Typ abhängt, den potentielle Newcomer nur anhand seiner bisherigen Reaktion in Erfahrung bringen können, kann ein

"normaler" Konkurrent Vergeltungsmaßnahmen ergreifen, um den Eindruck des

"Verrücktseins" zu wecken68•

Auf einer anderen Art von asymmetrischer Information basiert das Modell von Kreps

& Wilson. Entgegen dem Ansatz von Milgrom & Roberts ist hier die kooperative

Antwort auf Markteintritte nicht prinzipiell die kurzfristig günstigere Handlungs­

alternative. Denn es kann auch der Fall vorliegen, daß ein Etablierter seine Auszah­

lungsstruktur so geändert hat, daß eine Vergeltung die für ihn ex-post-optimale Stra­

tegie darstellt69. Ein potentieller Newcomer weiß nun angesichts dieser beiden Mög­

lichkeiten nicht, mit welchem Konkurrenten er es zu tun hat: Steht ihm ein "starker"

Typ von Wettbewerber mit einem aggressiven Reaktionsprofil gegenüber, oder ein

"schwacher" Typ, dessen optimale Strategie "Kooperation bei Eintritt" lautet?70

Aufgrund dieser Unkenntnis über die zutreffende Auszahlungsstruktur bereits beste­

hender Anbieter kann es kein "Allgemeinwissen" sein, daß "Kooperation" für einen

Etablierten in jeder Runde die günstigere Alternative ist; d.h. die Grundvoraus­setzung für die Anwendbarkeit des Warenhausketten-Paradoxons in einem endlichen

Spiel ist auch hier nicht gegeben. Daher ist es etablierten Unternehmen auch in der

(Spiel-)Theorie wiederum möglich, eine "reputation for toughness" zu erwerben71•

Hierzu können bzw. müssen sie - je nach vorliegendem Typ - folgende (Gleich-

68

69

70

71

Vgl. Roberts (BattIes), S. 183 f., zu einem Beispiel des Pay-offs dieser Strategie in einem Spiel mit drei Märkten bzw. über drei Perioden: Verzichtet der "normale" Etablierte in jeder Runde auf eine Vergeltung, beträgt sein Pay-off gemäß der Auszahlungsstruktur in Abb. 10 null. Reagiert er jedoch gegen den ersten Newcomer aggressiv, führt dies zwar zunächst zu einer negativen Auszahlung von -1. Da ihn aber die beiden anderen potentiellen Newcomer für "verrückt" halten werden und (mit der Wahrscheinlichkeit p) eine Vergeltung erwarten und daher vor einem Eintritt zurück­schrecken werden, beträgt der gesamte Pay-off -1 +2 +2.

Dies kann er durch eine bindende Verpflichtung erreichen, die den Rücktritt von seiner Vergel­tungsdrohung - und damit die Kooperation - teurer macht als das Ausführen der Vergeltungsstra­tegie. Vgl. dazu unten, S. 136 ff., unter Punkt 3.3.1.1.3. die sog. Commitment-Modelle.

Der formale Ansatz von Kreps & Wilson bildet dieses Informationsdefizit folgendermaßen ab: Ein potentieller Newcomer erwartet zunächst mit der Wahrscheinlichkeit p, daß ein "starker" Monopo­list vorliegt, der aggressiv auf Eintritte reagiert. Im Verlauf des Spieles beobachten alle potentiellen Newcomer die jeweils gewählten Spielzüge des Monopolisten. Zu einem bestimmten Betrachtungs­zeitpunkt kann ein potentieller Neueintretender seine ursprüngliche Vermutung über den Typus des Monopolisten korrigieren, wenn aus der Geschichte früherer Züge Informationen über die relative Wahrscheinlichkeit des Vorherrschens einer der beiden pay-off-Strukturen zu entnehmen sind [vgl. Kreps & Wilson (Reputation), S. 256]. Um dies festzustellen, vergleicht er die beobach­teten tatsächlichen Handlungsweisen mit den erwarteten, gleichgewichtigen Reaktionen, die nach­folgend im Text aufgeführt sind.

Zur Vermeidung von Mißverständnissen sei daran erinnert, daß es hier um die theoretische Erklärnng von Vergeltung als eine ökonomisch rationale Handlungsweise geht, nachdem dies von der McGee-Telser-Bork-Theorie in Frage gestellt wurde, und nicht um reale Vorgänge in der Praxis, die das Warenhausketten-Paradoxon nicht anzuzweifeln gedenkt.

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gewichts-)Strategien ergreifen 72: Ein "starker", d.h. zur Vergeltung verpflichteter

Wettbewerber reagiert grundsätzlich aggressiv, da schon eine einzige Episode der

Kooperation auf das Fehlen einer Verpflichtung hinweist. Ein nicht verpflichteter

"schwacher" Monopolist kann darauf hoffen, daß man ihn für einen "starken" Konkur­

renten hält, wenn er wie dieser mit Vergeltung antwortet; dies empfiehlt sich für die

frühe Spielphase. In der mittleren Phase sollte er eine Zufallsstrategie wählen, d.h.

nur noch gelegentlich mit einer Konfrontation reagieren, und gegen Ende des Spieles

zur Kooperation übergehen73.

Nach der Vorstellung der beiden zentralen Beiträge kann den theoretischen Erkennt­

niswert der Reputation-Modelle zusammenfassend nunmehr festgehalten werden: Mit

den spieltheoretischen Ansätzen dieser Modellgruppe können Vergeltungsmaß­

nahmen als eine rationale, rentable und glaubwürdige Strategie zur Abwehr oder

Abschreckung neuer Konkurrenten ausgewiesen werden. Der dafür maßgebliche

Reputation-Effekt wurde in einem Spiel mit endlichem Horizont durch die Einfüh­rung einer Unsicherheit bzw. Informationsasymmetrie ermöglicht. Diese betraf zum

einen (bei Milgrom & Roberts) die Entscheidungsregeln, zum anderen (bei Kreps &

Wilson) die pay-off-Struktur des etablierten Monopolisten. In beiden Fällen führte

die Unvollständigkeit der Information dazu, daß potentielle Newcomer den vergan­

genen Spielzügen der Etablierten Beachtung schenken müssen, um daraus Schlüsse

über deren zukünftige wahrscheinliche Handlungsweise zu ziehen. Und wenn das vergangene Handeln insofern über die jeweilige Runde des Spiels hinaus von Bedeu­

tung ist, muß sich eine Vergeltungsmaßnahme - um wirtschaftlich und damit glaub­

würdig zu sein - nicht bereits kurzfristig, d.h. in der jeweiligen Spielperiode selbst

auszahlen. Statt dessen nimmt sie aufgrund einer mehrperiodischen Wirkung einen

Investitionscharakter an. Dieser in der McGee-Telser-Bork-Theorie ausgeschlossene

Aspekt trägt zusammen mit der Informationsunvollkommenheit entscheidend zur

Rationalisierung von Vergeltungsmaßnahmen bei:

72 Vgl. nachfolgend Dixit (Developments), S. 15, bzw. zu einer formalen Darstellung Kreps & Wilson (Reputation), S. 258 f.

73 Diese spieltheoretischen Strategieempfehlungen gelten für den Fall einer einseitigen Unsicherheit, d.h. wenn der Newcomer die pay-off-Struktur des Etablierten nicht kennt. Statt dessen kann aber auch ein symmetrisches InformationsdefIzit vorliegen, bei dem weder der Etablierte noch der potentielle Newcomer weiß, ob er einem "schwachen" oder "starken" Kontrahenten gegenübersteht. Wenn nun ein Monopolist wiederholt auf einen bestimmten Newcomer trifft, haben beide die Möglichkeit, einen Ruf der Härte bzw. Stärke aufzubauen. Vgl. zu einer Analyse dieses Falles und zu den Strategieempfehlungen in einem Spiel mit beiderseitiger Unsicherheit Kreps & Wilson (Reputation), S. 266 ff.

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135

Auf die Limitpreis-Theorie angewandt besagt der Reputation-Gedanke, daß nach der

einmaligen oder ggf. wiederholten Beibehaltung der Angebotsmenge 74 weitere

potentielle Newcomer der in Sperrenpreisen enthaltenen Drohung möglicherweise

Glauben schenken werden. Es ist damit theoretisch denkbar, daß sie - aufgrund der

negativen Erfahrungen anderer - vor Markteintritten zurückschrecken. Hierbei

unterstreichen l1mitpreise - wegen des ex-ante-Gewinnverzichts - zwar tendenziell

den "Ruf der Härte", theoretisch erforderlich sind sie aber nicht. Denn die Drohung

verbirgt sich nicht in den pre-entry-Preisen, sondern in der exemplarisch wahrge­

machten Vergeltung, also in früheren post-entry-Reaktionen. Insofern stellen die

Reputation-Modelle zwar die vermeintlich fehlende Glaubwürdigkeit von Vergel­

tungsdrohungen her, jedoch - entgegen der l1mitpreis-Theorie - fast gänzlich ohne

den Rückgriff auf das pre-entry-Verhalten etablierter Wettbewerber. Denn auch bei Kreps & Wilson spielt dieses lediglich eine indirekte Rolle, nämlich um die im Zen­

trum der Argumentation stehende Unsicherheit potentieller Newcomer über die Aus­

zahlungsstruktur der Etablierten zu ermöglichen. Das pre-entry-Verhalten bleibt dort

also auf eine denknotwendige Voraussetzung beschränkt. Insofern ist es nur von

untergeordneter Bedeutung75•

Das von Kreps & Wilson allenfalls implizit angesprochene, nicht näher ausgeführte pre-entry-Verhalten, das Vergeltungsmaßnahmen zu einer ex-post-optimalen Strate­gie macht, steht im Mittelpunkt der nachfolgend thematisierten Commitment-Ansätze.

Deren Kerngedanke lautet, daß Etablierte noch vor dem Auftreten von Newcomern eine bindende Verpflichtung eingehen können, die sie zur Verteidigung zwingt. Denn

eine geeignete Verpflichtung bewirkt, daß die Vergeltung wirtschaftlicher wird als die

Kooperation. Potentielle Newcomer, die ein solches "pre-commitment" wahrnehmen,

besitzen folglich keinen Grund mehr, an der Ausübung von Vergeltung zu zweifeln.

Das heißt, Vergeltungsdrohungen erlangen durch das Eingehen einer Verpflichtung

die ihnen von McGee und anderen Kritikern abgesprochene Glaubwürdigkeit.

Hierzu bedarf es in diesen Erklärungsansätzen lediglich einer anfänglichen Asymme­

trie hinsichtlich der Verpflichtung. Eine Informationsasymmetrie, wie sie die

Signaling-Konzepte und das am ehesten verwandte Reputation-Modell von Kreps &

Wilson voraussetzen, ist hier hingegen nicht mehr erforderlich. Im Gegenteil, eine

74 Diese Reaktion entspricht dem Sylos-Postulat. Etablierte Unternehmen, die Bains wahrscheinlich­ste Reaktionshypothese wahr machen, würden eine für ein stabiles Preisniveau ungenügende Out­putreduzierung vornehmen.

75 Kreps & Wilson selbst schenken dem pre-entry-Verhalten überhaupt keine Beachtung. Denn sie befassen sich in ihrem formalen spiel theoretischen Beitrag nicht mit der Frage, wie die von ihnen angenommene Auszahlungsstruktur "starker" Wettbewerber zustande kommen kann. Die Brücke zum pre-entry-Verhalten schlägt hier erst Dixit (Developments, S. 15) mit dem Aspekt der Ver­pflichtung, die Monopolisten zu einer "Stärke" im Sinne von Kreps & Wilson verhelfen kann.

Page 151: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

136

Unsicherheit potentieller Newcomer bezüglich des Vorliegens einer Verpflichtung ist - wie sich nachstehend zeigen wird - im sog. "committed competition"76 eher hinder­

lich denn nützlich.

3.3.1.1.3. Der Commitment-Ansatz: Bindende Verpflichtungen als strategische

Asymmetrie in der pre-entry-Phase

Die McGee-Telser-Bork-Kritik an der Theorie der Vergeltung betrifft u.a. die

ungleiche Kostenwirkung von Vergeltungsmaßnahmen: Da Preissenkungen dem Eta­

blierten wegen seines höheren Marktanteils mehr schaden als einem kleineren New­

comer, der unter sonst gleichen Bedingungen seine geringeren Verluste eher finan­

zieren kann, verbieten sich vergeltende Preiskämpfe gewissermaßen von selbst.

Etablierte, die dennoch mit Vergeltung drohen, handeln nach McGee et al. unglaub­

würdig. Denn sie besitzen nach erfolgten Markteintritten angesichts günstigerer Handlungsalternativen keinen Anreiz, Vergeltungsmaßnahmen zu ergreifen. Ein

potentieller Newcomer, der sich dessen bewußt ist, wird sich daher durch Vergel­tungsdrohungen nicht von seinem Vorhaben abbringen lassen 77.

In den vorstehend erörterten Reputation-Modellen wurde der von McGee vermißte ökonomische Anreiz zur Ausübung von Vergeltung mit dem Investitionscharakter derartiger Maßnahmen begründet: Auch wenn jede einzelne Vergeltungsaktion

isoliert betrachtet unrentabel sein sollte, können sich die Einzelaktionen insgesamt

(als Bestandteile einer Reputation-Strategie) dennoch längerfristig auszahlen, da den

gegenwärtigen Vergeltungskosten die erwarteten Erträge aus zukünftig unterbleiben­

den Eintritten gegenübergestellt werden können. Einen anderen, direkteren Weg

beschreitet demgegenüber der Commitment-Ansatz. Dieser zieht seine Begrün­dungskraft für angedrohte Vergeltungs maß nahmen aus der unmittelbaren bzw. kurzfri­

stigen Anreizstruktur, die Etablierte in der pre-entry-Phase des Wettbewerbs gezielt zu ihren eigenen Gunsten gestalten können78.

76 Caves (Quest), S. 127.

77 Es handelt sich in spieltheoretischer Terminologie um eine leere Drohung, da die angedrohte Reak­tion keine Gleichgewichtsstrategie darstellt.

78 An dieser Stelle sei noch angemerkt, daß auch ohne den Rückgriff auf das Konzept der Verpflich­tung McGees Einwand einer asymmetrischen Kostenwirkung (mit der Spieltheorie) entgegen­gehalten werden kann, daß der Etablierte zur Übernahme größerer Kosten bereit sein wird. Denn nach Gilbert kann ein Monopolist mehr verlieren, als ein Newcomer nach einern erfolgreichen Markteintritt in dem entstandenen Duopol überhaupt gewinnen kann. Daher wird dem Etablierten die Verteidigung seiner Monopolposition mehr wert sein als einem gleichermaßen effIzienten Neu-

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137

Die für den Commitment-Ansatz zentrale Erkenntnis der Spieltheorie liegt darin,

daß die Wirksamkeit von Drohungen nicht davon abhängt, ob der sie Aussprechende

einen geringeren Schaden nimmt als der Adressat der Drohung, wenn diese im

Bedarfsfalle realisiert werden muß. Denn entscheidungsrelevant ist grundsätzlich

nicht die relative Kostenwirkung einer Maßnahme für alle Beteiligten, sondern allein

die relative Vorteilhaftigkeit der Vergeltung gegenüber anderen Handlungsaltemativen,

die dem Etablierten offenstehen. Nach McGee existieren hier zwar solange günsti­

gere Alternativen, wie dem Newcomer aus der Vergeltung ein geringerer Schaden

entsteht und er daher - in Kenntnis der Konsequenzen dieses Sachverhalts für den

Etablierten - nicht nachhaltig zur Aufgabe bewogen werden kann: Unter dem Aspekt

der Beseitigung von Newcomern ist die Fusion vorzugswürdig, mit dem Ziel der

ebenfalls vorteilhafteren friedlichen Koexistenz die Kooperation, d.h. die gemein­

same Gewinnmaximierung. Hiermit erfaßt McGee jedoch nur diejenigen Handlungs­

alternativen, die sich bei einem "unschuldigen" Marktverhalten des Etablierten er­geben ("innocent behavior"). Ein strategisch handelnder Wettbewerber hat indes die

Möglichkeit, seine pay-off-Struktur so zu verändern, daß die Vergeltung - trotz der

absoluten finanziellen Einbußen - zur relativ günstigsten Alternative wird. Wegen des

damit verbundenen Verlustrisikos ist jedoch zunächst die Bereitschaft zu einem

solchen paradox erscheinenden Verhalten zu ergründen.

Der spezifische Charakter einer Drohung besteht nach Schelling darin, für das Ein­

treten bestimmter Bedingungen eine Maßnahme in Aussicht zu stellen, die man dann

vorzugsweise doch nicht ergreifen würde, wenn die betreffende Bedingungskonstel­

lation durch das Verhalten des Kontrahenten 'herbeigeführt worden ist. Denn eine

Drohung, die versagt hat, stellt ihren Initiator schlechter als es sein müßte, nämlich wenn er die verbindliche Drohung nicht ausgesprochen hätte 79.

Ein Etablierter besitzt jedoch dann einen Anreiz, sich an die Erfüllung einer für ihn selbst nachteiligen Drohung zu binden, wenn er glaubt, daß diese ,erfolgreich ist.

Denn schließlich ist es die Drohung, nicht deren Ausführung, die zum Ziel führen sollSO. Und wenn eine Drohung wirkt, ist ihre Erfüllung nicht erforderlich. Allerdings

ist eine Drohung aber umso wirksamer, je wahrscheinlicher ihre Erfüllung ist. Mit

anderen Worten: Die Effizienz einer Drohung setzt voraus, daß sie glaubwürdig ist.

Und dies wiederum verlangt, daß sich ein bestehender Anbieter zur Ausführung einer

eintretenden deren Beseitigung. Vgl. Salop (Predation), S. 20 f., und Gilbert (Patents), S. 212 ff., insbesondere S. 215 und S. 220.

79 VgI. ScheIIing (ConfIict), S. 123.

80 Dies besagt auf unsere ProblemsteIIung übertragen: Die MonopolsteIIung eines etablierten Unter­nehmens soII durch Abschreckung potentieIIer Newcomer und nicht durch Vergeltungsmaßnahmen gegen neu eingetretene Konkurrenten sichergesteIIt werden.

Page 153: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

138

ihn schädigenden Maßnahme zwingt81. Dies kann er durch das Eingehen einer

bindenden Verpflichtung erreichen, die seine Auszahlungsstruktur unwiderruflich und

in einer für potentielle Newcomer transparenten Weise derart modifiziert, daß nun­

mehr ein größerer ökonomischer Anreiz zum Ergreifen von Vergeltungsmaßnahmen

denn zur Kooperation bzw. Marktaufteilung besteht.

Die asymmetrische Kostenintensität von Vergeltungsaktionen zuungunsten von Eta­

blierten, an der McGee mit seiner Kritik Anstoß nimmt, besteht im Comrnitment­

Ansatz also unverändert weiter. Trotzdem sind Vergeltungsmaßnahmen glaubwürdig

geworden. Denn durch das Eingehen einer Verpflichtung stellen sie die vorteilhaf­

testen unter den sämtlich unwirtschaftlichen Handlungsalternativen etablierter

Anbieter dar. Mit der so erreichten Glaubwürdigkeit gelingt es, die Drohung von der

Vergeltung zu entkoppeln - eine glaubhafte Drohung wird theoretisch niemals ausge­

führt werden müssen. Dies hat zur Folge, daß die asymmetrische Kostenwirkung von

Vergeltungsmaßnahmen theoretisch irrelevant wird82. Es muß daher nicht mehr das -

gar nicht beabsichtigte - Ausführen von Vergeltungsmaßnahmen, sondern nur noch

das Eingehen einer Verpflichtung wirtschaftlich sein, d.h. vorteilhafter sein als die

Alternative "Kooperation" bzw. "Stattgabe von Markteintritten".

Dies kann anhand des Spielbaumes in Abb. 11 demonstriert werden83. Hierin

bezeichnen PM den Pay-off des Monopolisten, PD die Auszahlung der beiden Duo­

polisten, wenn es zur friedlichen Marktaufteilung kommt, und Pw die negativen Aus­

zahlungen bzw. Verluste im Falle eines Wettbewerbskrieges. Ein Konflikt sei für

beide Parteien defizitär, ein Duopol für alle Beteiligten rentabel, aber für den

Etablierten weniger günstig als ein Monopol, so daß: PM > PD > 0 > PW' Der

bestehende Anbieter hat nun die Möglichkeit, eine Verpflichtung einzugehen, die

81 Vgl. vorstehend Schelling (Conflict), S. 36.

82 Praktisch wird man aber bestrebt sein, sich zu solchen Vergeltungsmaßnahmen zu verpflichten, die im (realiter nicht auszuschließenden) Konfliktfall nicht selbstzerstörend wirken, sondern nur für den neu eingedrungenen Konkurrenten destruktiv sind. Vgl. Spence (Competition), S.53 f. Auch Salop (Predation), S. 37, merkt an, daß Etablierte in den meisten Fällen gar nicht zu Maßnahmen greifen müssen, die sie selbst mit ebenso hohen oder sogar mit höheren Kosten belasten als den Newcomer: 'Through strategie planning analysis, the incumbent can often invent tactics that will disadvantage the entrant more." Diesen Aspekt vertieft das weiter unten behandelte Konzept des Raising rivals' costs. Zur praktischen Umsetzung dieser Erkenntnis vgl. auch die Bewertungskri­terien für Abwehrtaktiken bei Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 625 f. Hier empfiehlt Porter Unter­nehmen die Wahl solcher Maßnahmen, die potentiellen Herausforderern den größten relativen Kostennachteil zuweisen. Zu einer Fallstudie, die alternative Präventiv- und Vergeltungstaktiken unter diesem Aspekt beleuchtet, vgl. unten, S. 169 ff., insbesondere Abb. 12.

83 Diese spieltheoretische Analyse des Commitment-Problems geht zurück auf Salop (Strategie, S. 336 f.), der jedoch die Matrixschreibweise für die Auszahlungsstruktu~ wählt. Die nachstehenden Ausführungen orientieren sich an Dixit (Developments), S. 12 ff., der statt dessen die Darstel­lungsform eines Spielbaumes gebraucht. Eine (deutschsprachige) Rezeption von Dixit findet sich bei Jacquemin (Industrieökonomik), S. 98 ff.

Page 154: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

139

kein Eintritt

Kooperation

Vergeltung

r-____________ ~k~e~in~E=in~t~r~it~t (PM-V; 0)

Kooperation (P ) O-V;PO

Vergeltung

Abb. 11: Spielbaum zum Commitment-Ansatz Quelle: nach Dixit (Developments), S. 14

Legende: PM Pay-offMonopolist

PD Pay-offDuopolist

Pw Pay-offWettbewerbskrieg V Verpflichtungskosten

ihm Kosten in Höhe von V verursacht. Diese Kosten seien Bereitschaftskosten für

einen Preiskampf. Sie entfallen daher im Konfliktfall, reduzieren aber in den anderen

beiden Situationen die Auszahlungen PM bzw. PD um den Betrag V 84. Die Ver­pflichtung muß nun einerseits so beschaffen sein, daß sie die Kooperation bzw. deren

Auszahlung (PD - V) ungünstiger macht als den Pay-off des Wettbewerbskrieges, d.h. es muß gelten: PW > PD - V. Denn nur dann ist eine Vergeltung bzw. ein Wett­

bewerbskrieg die ex-post-optimale Alternative. Andererseits darf die Verpflichtung

aber nicht so teuer sein, daß sie den Pay-off des Monopolisten (PM - V) derart

schmälert, daß die "unschuldige" oder "unverpflichtete" Marktaufteilung die günsti­

gere Alternative wäre. Das heißt, nur bei PM - V > PD ist das Eingehen einer Ver­pflichtung vorteilhaft. Eine geeignete Verpflichtung, die Vergeltungsdrohungen

84 Diese Bereitschaftskosten können beispielsweise auf das Bereithalten von Überkapazitäten zurück­zuführen sein. Wenn nun im Konfliktfall die Kapazitäten voll ausgelastet werden, um durch die Angebotsausweitung eine Preissenkung zu induzieren, entfallen die Kosten der Unterauslastung.

Page 155: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

140

zugleich glaubhaft und wirtschaftlich macht, muß somit folgender Bedingung ge­

nügen85: PM - PD > V > PD - PW·

Daneben muß eine effiziente Verpflichtung folgende Eigenschaften besitzen: Sie

sollte (a) vor der Entscheidung des potentiellen Newcomers eingegangen und (b)

diesem bekannt gegeben werden. Außerdem muß sie (c) irreversibel sein und (d) dauer­

haft bzw. nachhaltig wirken86.

Ad (a) Pre-commitment

Mit einer Verpflichtung nimmt der Etablierte in einem Spiel, in dem Entscheidungen

sequentiell getroffen werden und in dem die Reihenfolge der Vorgehensweise von

Bedeutung ist, seinen natürlichen Vorteil des ersten Spielzuges in der pre-entry-Periode des Wettbewerbs wahr. Denn in einer Situation, in der das "pre-commitment" eines

etablierten Monopolisten geeignet ist, die gangbaren Handlungsalternativen seiner

Herausforderer den eigenen Interessen zu unterwerfen, und in der den potentiellen

Newcomern - mangels Marktpräsenz - die Möglichkeit einer frühzeitigen Verpflich­

tung vorenthalten ist, besteht für den Etablierten ein "differential movement

advantage"87. Der Sieger ist in einem solchen Spiel mit asymmetrischen Zügen immer derjenige, der sich zuerst zur Vergeltung verpflichten kann88.

Ad (b) Signalisieren einer Verpflichtung

Eine Verpflichtung ist wertlos, wenn der Adressat einer Drohung die Verpflichtung

nicht wahrnehmen kann89. Da in einer Welt mit unvollkommener Information bzw. Intransparenz nicht davon ausgegangen werden kann, daß alle potentiellen New­

comer Kenntnis von einer eingegangenen Verpflichtung erlangen, muß der Etablierte

85 Vgl. Dixit (Developments), S. 13.

86 Vgl. Dixit (Developments), S. 13.

87 Vgl. Geroski & Jacquemin (Dominant), S.3, und Jacquemin (Industrieökonomik), S.108. Salop (Strategie, S. 335) spricht von einem "preentry asymmetry advantage" und von einem "natural strategie advantage" (Predation, S. 19).

88 Vgl. Schelling (Conflict), S. 122. Ein "fIrst mover advantage" stellt sich allerdings nur ein, wenn der erste Spielzug ein strategischer Schritt ist, d.h. ein Zug, der den Gegenspieler veranlaßt, im eigenen Interesse zu wählen - was im Falle eines (Pre-)Commitments gegeben ist. [Vgl. hierzu Schelling (Confliet), S. 122, und zur DefInition von "strategie moves" ebenda, S. 160.] Denn wenn die Wahl­möglichkeit des Followers durch den ersten Zug nicht eingeschränkt, sondern erweitert wird, liegt ein Spiel mit einem "second mover advantage" vor. Vgl. Geroski & Jacquemin (Dominant), S. 3.

89 Vgl. Sehelling (Conflict), S. 146.

Page 156: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

141

Maßnahmen zu deren Mitteilung ergreifen. Dies kann sich jedoch nicht in der Über­

mittlung einer Botschaft erschöpfen, sondern der Kontrahent muß von der Existenz

einer Verpflichtung überzeugt werden9O• Dies wird durch die Auswahl überprüfbarer

Comrnitments erleichtert91.

Ad (e) Irreversibilität von Verpflichtungen

Eine Grundvoraussetzung für die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit einer Drohung

ist die Irreversibilität der ihr zugrundeliegenden Verpflichtung. Denn man muß damit

drohen, daß man mit Sieherheit und nicht nur möglicherweise reagieren wird, wenn

die Drohung versagt: 'To say that one may act is to say that one may not, and to say

this is to confess that one has kept the power of decision - that one is not comrnitted. ,,92

Um also die vergeltende Reaktion in den Augen potentieller Newcomer sicherzu­

stellen, muß ein etabliertes Unternehmen strategische Maßnahmen ("strategie

moves") ergreifen, die seinen Handlungsspielraum so einengen, daß keine Rück­

zugsmöglichkeit von der Verpflichtung mehr besteht. Denn nur indem es unwiderruf­

lich eigene Freiheitsgrade opfert, kann es die Wahlmöglichkeit eventueller Heraus­

forderer seinem eigenen Interesse entsprechend beschränken93•

Diese Aufgabe von Freiheitsgraden kann auf zweierlei Weise erfolgen: Zum einen,

indem man die Kontrolle über die Verpflichtung institutionell bzw. vertraglich aus der

Hand gibt, d.h. die Wahrnehmung einer bestimmten Zusage durch Dritte erzwingt,

die ein Interesse daran besitzen. So können z.B. Kunden oder Lieferanten als Ver­

tragspartner mit Hilfe von Gerichten auf die Einhaltung von Vereinbarungen drin­

gen94. Zum anderen können irreversible Verpflichtungen durch Investitionen herbei­

geführt werden, die keine alternative Verwendungsmöglichkeit besitzen. Diese

Eigenschaft weisen hochgradig produktspezi[lSche Investitionen auf. Als Beispiele

können hier exzessive Werbekampagnen angeführt werden, die dem Aufbau eines

Markenimages oder der Produktinformation der Konsumenten dienen. Derartige

Investitionen stellen für ein etabliertes Unternehmen "sunk costs" dar, für einen

90 vgl. Schelling (Conflict), S. 147.

91 Zu einigen Beispielen gut sichtbarer Aktiva vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 144.

92 Schelling (Conflict), S. 187.

93 Vgl. Schelling (conflict), S. 160 und S. 22.

94 Die vertragliche Verpflichtung zur Ausführung von Vergeltungsmaßnahmen als Möglichkeit der Eintriusabschreckung wird weiter unten näher ausgeführt.

Page 157: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

142

potentiellen Newcomer hingegen noch vermeidbare Kosten95• Das heißt, sie sind für

den Herausforderer noch in vollem Umfang entscheidungsrelevant, während ein

Etablierter nach dem Marktzutritt eines neuen Konkurrenten nur auf der Basis

seiner kurzfristigen Durchschnitts- bzw. Grenzkosten kalkulieren muß%. Eine solche

Teilkostenkalkulation kann er durchführen, da er keine Opportunitätskosten für ent­

gangene Gewinne ansetzen muß; denn sein Kapital ist ja irreversibel gebunden. Jeder

Deckungsbeitrag, der die kurzfristigen Kosten übersteigt, ist daher akzeptabel. Dem­

gegenüber bilden die langfristigen Durchschnittskosten die Preisuntergrenze für

einen Newcomer, der seine liquiden Mittel noch nicht in eine feste Bindung über­

führt hat. Für ihn besteht die Gefahr, seine Eintrittskosten nicht verdienen zu

können97• Diese Gefahr ist glaubhaft, weil eine Teilkostenkalkulation für den

Etablierten nach dem Prinzip der entscheidungsorientierten Kostenrechnung renta­

bel ist und dem Schutz der Rückflüsse auf seine irreversiblen Investitionen dient98.

Ad (d) Dauerhaftigkeit der Verpflichtung

Die eingegangene Verpflichtung muß jedoch nicht nur irreversibel und daher bin­

dend sein, sondern sie muß auch nachhaltig wirken. Im Falle einer institutionellen

Verpflichtung müssen also langfristige Verträge abgeschlossen werden, bei irrever­

siblen Investitionen ist auf eine hohe Lebensdauer zu achten. Insofern sind die oben

beispielhaft genannten Werbekampagnen einerseits zwar hochgradig produktspezi­

fisch und damit irreversibel, andererseits jedoch eher kurzlebige Investitionen mit

einer geringen Abschreibungsdauer. Wird keine entsprechende Ersatzinvestition vor­

genommen, noch ehe die irreversiblen Investitionen abgeschrieben sind, ist der

Etablierte zu einem bestimmten Zeitpunkt dem potentiellen Newcomer hinsichtlich

der Höhe der "sunk costs" gleichgestellt99.

95 Vgl. Eaton & Lipsey (Commitment), S. 594.

96 Vgl. Gilbert (Pre-emptive), S.101. Insofern hat ein etabliertes Unternehmen einen absoluten Kostenvorteil in Höhe der "sunk costs", d.h. in Höhe der Differenz zwischen den kurz- und langfri­stigen Grenzkosten. VgI. ebenda, S. 10I.

97 Vgl. Easterbrook (Counterstrategies), S. 294.

98 Vgl. zu letztgenanntem Aspekt Salop (Predation), S. 20. Zur Wirkungsweise von "sunk costs" als Eintrittsbarriere vgI. auch Baumol & Willig (Fixed), S. 418 f. Zur Abgrenzung gegenüber den Fix­kosten, die nach der Theorie bestreitbarer Märkte keine Zugangsschranken darstellen, vgl. ebenda, S. 416 ff.

99 Den Aspekt der Dauerhaftigkeit und der Erneuerung von Verpflichtungen beleuchten insbesondere Eaton & Lipsey (Durability).

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143

Glaubwürdige Verpflichtungen, die den vorstehenden Anforderungen weitgehend

genügen, verursachen Austritts- bzw. Schrumpfungsbarrieren und -kosten auf der

Seite des Etablierten, die diesem die Möglichkeit der Kooperation und der Stattgabe

von Markteintritten nehmen. Insofern bedeuten Schrumpfungsbarrieren bestehender

Anbieter Eintrittsbarrieren für neue Konkurrenten100.

Welche Möglichkeiten bieten sich nun einem Monopolisten, sich glaubhaft zur

Vergeltung zu verpflichten? Aus der Vielzahl der in der Literatur diskutierten

Commitment-Modelle101 wird nachfolgend das Bereithalten von Überkapazitäten

exemplarisch vorgestellt. Dieser auf Spence zurückgehende Ansatz befaßt sich

unmittelbar mit der Frage der Outputbeibehaltung, die für das Limit Pricing-Konzept von Bedeutung ist, dort aber nicht einsichtig gemacht werden konnte. Im Anschluß

daran werden die vertraglichen Möglichkeiten der Verpflichtung zu Vergeltungsreak­

tionen diskutiert. Diese stellen eine Alternative mit geringen Verpflichtungskosten und mit gravierenden Konsequenzen für die Auszahlungsstruktur dar (z.B. durch ver­

einbarte Vertragsstrafen), so daß sie offenbar dem theoretischen Ideal einer Ver­

pflichtung sehr nahe kommen.

Bereits oben - im Zusammenhang mit den Signaling-Konzepten - ist zum Ausdruck

gekommen, daß der (Eintrittssperren-)Preis nur dann eine strategische Bedeutung erlangt, wenn er als glaubwürdiges Signal für einen weniger leicht korrigierbaren

Aktionsparameter dienen kann102. Das heißt, hinter dem Kontrollparameter "Preis"

muß eine Zustandsvariable stehen, um als kurzfristig nicht veränderlich gelten zu

können. Einen solchen nichtpreislichen, aber mit Preis-/Mengen-Entscheidungen

verbundenen Faktor stellen Produktionskapazitäten dar. Durch den präventiven

Aufbau von Überkapazitäten in der pre-entry-Phase kann ein etabliertes Unterneh­

men in einer für Newcomer wahrnehmbaren Weise die Voraussetzung für eine

prompte Vergeltungsreaktion schaffen. Die Kapazitätsgrenze bzw. das Kapazitäts­

optimum sollte dabei so ausgelegt sein, daß einem potentiellen Newcomer bestenfalls

eine suboptimale Restnachfrage verbleibt, die ihm den Markteintritt unattraktiv

erscheinen läßt. Mit einer derartigen Kapazität in der Hinterhand kann das etablierte

Unternehmen nun seinen optimalen Auslastungsgrad bestimmen. Das heißt, die vor­

handenen Kapazitäten müssen nicht bereits vor einer Herausforderung durch neue

100 VgI. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 606.

101 Zu einem Kurzüberblick mit entsprechenden Quellenverweisen vgl. Geroski & Jacquemin (Dominant), S. 7 ff., oder Geroski, Philips & Ulph (Oligopoly), S. 382 ff.

102 "Strategische Bedeutung" meint hier - im Sinne des oben (S. 113) erläuterten Strategiebegriffs - eine Einflußnahme auf die Reaktionserwartungen und Entscheidungsprozesse potentieller Newcomer.

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144

Konkurrenten auf dem eintrittssperrenden Preis-Mengen-Niveau betrieben werden.

Vielmehr kann ein Preis oberhalb des Limitpreises realisiert werden, da die Reserve­

kapazität jederzeit zur Angebotsausdehnung und damit zu einer vergeltenden Preis­

senkung eingesetzt werden kann. Eine solche Unterauslastung empfiehlt sich, wenn

die Durchschnittskosten mit abnehmender Ausstoßmenge weniger stark ansteigen als

der Marktpreis bei einer entsprechend geringeren Angebotsmengel03.

Damit die angedrohte Nutzung der Reservekapazität für einen potentiellen New­

comer nun glaubhaft ist, muß es sich dabei um die ex-post-optimale Alternative des

Etablierten handeln. Das heißt, die Auszahlung der Vergeltung bzw. Vollauslastung

(Pw) muß den Pay-off der Kooperation bzw. Outputbegrenzung (PD - V) überstei­

gen: Im Falle der Vergeltung entfallen einerseits die Bereitstellungskosten der unge­

nutzten Kapazität, andererseits wird durch den heraufbeschworenen Preisverfall aber

auch die "Rendite" der Unterauslastung eIiminiert. Dem Nettoeffekt hieraus sind die

Einbußen aus der Unterauslastung gegenüberzustellen, die eine Kooperation nach

erfolgten Markteintritten mit sich bringt104. Hier führt ein Marktanteilsverlust, der zur Stützung des Preisniveaus in Kauf genommen wird, wegen der weiteren

Outputreduzierung zu höheren Durchschnittskosten. Aber auch bei einer unver­

änderten eigenen Produktionsmenge führt das Zusatzangebot des Newcomers wegen

der hervorgerufenen Preissenkung zu geringeren Deckungsbeiträgen105. Aus dem

Vergleich dieser Kosten der post-entry-Unterauslastung mit dem Nettoeffekt der

post-entry-Nutzung der Reservekapazität ergibt sich die relative Vor- oder Nachteil­haftigkeit der Vergeltung. Diese Frage nach der Glaubwürdigkeit einer angedrohten

Ausdehnung der Produktionsmenge stellt sich jedoch überhaupt nur, wenn zunächst

ein Anreiz zum Aufbau von Überkapazitäten, d.h. zum Eingehen einer Verpflichtung

zur Outputsteigerung bestand. Ein solcher Anreiz ist gegeben, wenn der Gewinnver­

zicht durch das Bereithalten der Reservekapazität den Gewinnrückgang bei "unver­

pflichteter" Marktaufteilung unterschreitet106/ 107.

103 Vgl. z.B. die graphische Darstellung bei darke (Industrial Economics), S.89, Abb.4.7. Hierin steigen die Durchschnittskosten mit sinkendem Produktionsvolumen entlang einer Kurve AC, da die irreversiblen F'lXkosten (die Kapitalkosten der nur teilweise genutzten Gesamtkapazität) von einer geringeren Stückzahl getragen werden müssen. Zu einer ähnlichen Darstellung vgl. auch Wenders (Capacity), S. 16.

104 Die post:entry-Unterauslastung entspricht dem Rückzug von der irreversiblen Verpflichtung zur vollen Nutzung der Kapazität für den Fall von Markteintritten.

105

106

Dies gilt freilich nur in stagnierenden Branchen, in denen das Zusatzangebot nicht vom Markt­wachstum aufgenommen wird.

Dies besagt die oben erläuterte (relative) Rentabilitätsbedingung für das Eingehen einer Verpflichtung: PM - V > PD'

107 -Der Aufbau irreversibler Uberkapazitäten als Verpflichtung zu einer vergeltenden Outputexpan-sion wurde hier lediglich auf den Nenner des oben dargestellten Spielbaumes gebracht. Daß es sich dabei um eine rationale Abschreckungsstrategie handelt, zeigt insbesondere Spence (Capacity);

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145

Eine - gemessen an den Verpflichtungskosten - günstigere Lösung als der Aufbau von

Überkapazitäten bilden Verträge, deren Abschluß keine nennenswerten Kosten ver­

ursacht. Denn auf vertraglichem Wege kann sich ein Etablierter zu Vergeltungsmaß­

nahmen verpflichten, ohne dabei bereits präventiv "sunk costs" für Reservekapazi­

täten eingehen oder ein Übermaß an irreversiblen Marketinginvestitionen etc. täti­

gen zu müssen. Aber auch die Auszahlungsstruktur kann auf Vertragsbasis gravierend

verändert werden, etwa durch vereinbarte Konventionalstrafen. So könnte sich ein

Etablierter gegenüber einem Dritten (vorzugsweise einem Kunden) für den Fall, daß

er Markteintritte nicht mit einem Preiswettbewerb beantwortet, vertraglich auf die

Zahlung eines hohen Betrages festlegen. Dadurch wird die Vergeltung zur ex-post­

optimalen Reaktion, was besagt, daß sie - theoretisch - niemals praktiziert werden

muß. Allerdings kann diese Abschreckungsstrategie möglicherweise durch Gegen­

maßnahmen des Newcomers unwirksam gemacht werden. Denn wenn es diesem

gelingt, die dritte Partei ausfindig zu machen, kann er bereits durch ein sehr geringes

Zahlungs angebot die Auflösung dieses Vertrages bewirken: Schließlich braucht er

nur zu argumentieren, daß der Dritte ohne seinen Markteintritt, der unter den herr­

schenden Bedingungen nicht stattfinden wird, in keinem Fall von dem Vertrag profi­

tieren kann108. Wenn ein etablierter Anbieter dennoch Konventionalstrafen verein­

bart, hegt er die Hoffnung, daß durch die räumliche Verlagerung und personelle Erweiterung des Kreises der Beteiligten dem potentiellen Newcomer der Zugang zu

den Verhandlungspartnem erschwert ist109.

Die konkrete Vertragsgestaltung, mittels derer ein Etablierter einen Preiskampf mit

einem eventuellen Herausforderer erzwingen kann, auch bzw. gerade wenn ein

Preiswettbewerb nicht in seinem post-entry-Interesse liegt, vollzieht sich über Ver­

tragsklauseln. Den größten Abschreckungseffekt bewirkt dabei die Aufnahme einer

kombinierten Meistbegünstigungs- und Konkurrenzpreisklausel in die Kaufverträge110•

108

skeptisch indes Dixit (Role), (Model). Zu einer empirischen Überprüfung der Überkapazitäts­These siehe z.B. Lieberman (Excess capacity). Vgl. ferner Eaton & Lipsey (Pre-emption), die her­ausarbeiten, daß es sich für Etablierte in wachsenden Branchen immer auszahlt, in Antizipation der Nachfrage neue Kapazitäten zu errichten, noch bevor neue Konkurrenten dazu in der Lage sind. Einen mustergültigen Praxisfall einer solchen präventiven Kapazitätserweiterung (zur Verhinde­rung des Eintritts neuer und der Expansion bestehender Anbieter) durch DuPont in der amerikani­schen Titandioxidindustrie beschreiben Ghemawat (Capacity) und Schwalbach (Titandioxid), S. 393 ff. Zu den Erfolgsvoraussetzungen einer Präventivstrategie mittels Überkapazitäten vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 418 ff., und Lieberman (Capacity), S. 22 f.

Vgl. Dixit (Developments), S. 14, und Schelling (Conflict), S. 25.

109 Vgl. Schelling (Conflict), S. 25.

110 Eine entsprechende Zusage kann jedoch auch in Form von Werbeaussagen oder in Verkaufsanzei­gen gemacht werden. Vgl. Salop (Practices), S. 287, Fußnote 36.

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146

Hierbei kann die Konkurrenzpreisklausel ("meeting competition clause") unter­

schiedliche Formen annehmen: Mit einer "meet or release"-Klausel steht es dem

etablierten Anbieter frei, gegebenenfalls mit den Konditionen, die ein Herausfor­

derer bietet, gleichzuziehen oder aber diese Option nicht wahrzunehmen und vom

Vertrag zurückzutreten111. Das heißt, er kann einem Kunden, der innerhalb einer

bestimmten Frist nach Abschluß des Kaufvertrages ein günstigeres Konkurrenzan­

gebot ausfindig macht, den Differenzbetrag zurückerstatten oder aber die Ware

zurücknehmen, wenn dies für ihn vorteilhafter ist. Damit ist seine Drohung, Preis­

unterbietungen immer mit einer Egalisierung zu kontern, allerdings nicht glaubhaft.

Um dieser Drohung eine Glaubwürdigkeit zu verleihen, muß sich der Etablierte

durch eine "no release"-Klausel die Rücktrittsoption versperren. Damit bietet er

seinen bisherigen Kunden keinen Anlaß, zu einem neuen Anbieter überzuwech­

seln112. Außerdem signalisiert er potentiellen Konkurrenten, daß kein Grund zu der

Hoffnung besteht, Kunden abwerben zu können.

Mittels einer "no release"-Klausel verpflichtet sich der Etablierte also zur punktuellen

Bekämpfung eines neu eingetretenen Konkurrenten, nämlich gerade bei denjenigen

Kunden, denen günstigere Preise offeriert wurden. Wenn es dem bestehenden Anbie­

ter nun aber nur gelingt, die Tatsache der Preisunterbietung in Erfahrung zu bringen,

nicht aber die betroffenen bzw. dadurch begünstigten Abnehmer113, könnte er nur

mit einer flächendeckenden Preissenkung reagieren. Eine solche generelle Preisredu­

zierung ist aber solange nicht erstrebenswert und glaubhaft, wie der daraus resultie­

rende Gewinnrückgang bei einer begrenzten Aktion des Herausforderers die Ein­

bußen durch den Kundenverlust übersteigt. Gegen einen solchen zwar feststellbaren,

aber nicht genau lokalisierbaren Angriff kann sich ein etabliertes Unternehmen

"versichern", indem es zusätzlich zur Konkurrenzpreis- eine Meistbegünstigungsklau­

sel zum Vertragsbestandteil macht114. Dies garantiert jedem einzelnen Abnehmer,

daß keinem seiner Konkurrenten, d.h. keinem anderen Abnehmer, ein günstigerer

111 Vgl. zu dieser Variante der "meeting competition"-Klausel Salop (Practices), S.280. Siehe auch Holt & Scheffman (Best-price), S. 187.

112

113

Vgl. zu einer Erläuterung der "no release"-Klausel Salop (Practices), S. 280 f., und zu deren Abschreckungseffekt ebenda, S. 282 f. Sollten indes trotz gleicher Preise einige Abnehmer die Produkte des Newcomers bevorzugen, kann der Etablierte seiner Drohung durch eine "beating competition"- statt einer "meeting competition"-Klausel Nachdruck verleihen. Vgl. ebenda, S. 288, Fußnote 50.

Vgl. hierzu SaIop (Practices), S. 276. Dies kann z.B. dann der Fall sein, wenn einige der Kunden, denen ein günstigeres Angebot unterbreitet wurde, dies nicht ihren bisherigen Lieferanten mittei­len, um einen Ausgleich zu beanspruchen, sondern zu der neuen Bezugsquelle überwechseln, weil sie sieb beispielsweise von dem bisherigen Monopolisten ausgebeutet fühlen.

114 Eine Meistbegünstigungsklausel allein würde diesen Zweck nicht erfüllen. Sie zieht im Gegenteil Newcomer an und verhindert zugleich reaktive Preissenkungen. V gl. Cooper (Most -favored), S.386f.

Page 162: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

147

Preis geboten wird115• Auf diese Weise werden selektive Preisnachlässe bzw. eine

Preisdiskriminierung unterbunden. Denn wenn derartige Versuche mit entsprechend hohen Sanktionen belegt werden, wird die generelle Preisreduzierung zur relativ

vorteilhafteren Alternative116. Für einen potentiellen Newcomer besteht nunmehr

die glaubhafte Gefahr eines generellen Preiskrieges117•

Neben der veränderten Auszahlungsstruktur tragen zwei weitere Aspekte zur Glaub­

würdigkeit von Preiskämpfen und zur wirksamen Abschreckung neuer Konkurrenten

bei118: Zum einen stellen Vertragsklauseln zweifellos bindende Verpflichtungen dar.

Denn wenn nötig sorgen Gerichte für deren Einhaltung. Zum anderen wird es einem

potentiellen Newcomer durch Konkurrenzpreisklauseln erschwert, sich unbemerkt

durch strikt selektive Preissenkungen in einen Markt einzuschleichen119• Denn eine

"meet or release"- oder eine "no release"-Klausel führt fast zwangsläufig zu einer

Preistransparenz in dem betreffenden Markt: Um in den Genuß der Rückerstattung

eines Teils des Kaufpreises zu gelangen, muß der Kunde seinem Lieferanten die

Preisunterbietung durch einen Konkurrenten anzeigen. Auf diese Weise werden

Preissenkungen aufgedeckt (und sanktioniert), die sonst möglicherweise unbemerkt

geblieben wären. Sofern die Abnehmer also besser in der Lage sind, Preisnachlässe

(neuer Anbieter) wahrzunehmen, ist eine kostengünstige und wirksame Überwachung

gegeben, welche die Erfolgsaussichten des "Mogelns" schmälert. Dies steigert eben­

falls die Vergeltungsgefahr für potentielle Newcomer.

Nun werfen aber Easterbrook und Salop die berechtigte theoretische Frage auf,

warum sich Abnehmer zu Verbündeten eines Etablierten machen sollten, der Markt­

eintritte unterbinden und damit die Möglichkeit eines Preiswettbewerbs ausschließen

will. Die in dieser Frage vertretenen Positionen unterscheiden sich grundsätzlich120:

Easterbrook betont, daß nicht der potentielle Newcomer, sondern letztendlich die

Kunden selbst die Leidtragenden zukünftiger Monopolpreise sind. Rationale

Abnehmer werden folglich nicht in Verträge einwilligen, mit denen sie sich selbst

115 Vgl. SaJop (Practices), S. 273.

116 Vgl. Salop (Practices), S. 275 f. 117

118

119

120

Den gleichen Effekt wie eine Meistbegünstigungsklausel hat die Publikation der Preise getätigter Geschäftsabschlüsse durch das bestehende Unternehmen. Denn damit liefert es seinen Kunden ein Druckmittel für zukünftige Preisverhandlungen. Vgl. hierzu Salop (Practices), S. 279.

Vgl. SaJop (Practices), S. 272 f.

Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 146: Ein potentieller Wettbewerber, der " ... glaubt, er könne 'mogeln' ohne erwischt zu werden, kann zu einem solchen Versuch neigen."

Vgl. Easterbrook (Counterstrategies), S. 270 f., und Salop (Practices), S.273. Siehe auch Posner (Antitrust), S. 184 f.

Page 163: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

148

einen Schaden zufügen. Die für sie günstigste Alternative besteht vielmehr darin,

einen neuen Herausforderer durch die Aushandlung höherer, überlebensfähiger

Preise zu unterstützen121. Da aber hierbei zunächst solche Abnehmer besser gestellt

sind, die diese Absicht unterlaufen und zu günstigeren Preisen bei dem bisherigen

Monopolisten kaufen, entsteht ein "free rider"-Problem. Zu dessen (theoretischer)

Lösung schlägt Easterbrook vor, der potentielle Newcomer solle langfristige Verträge offerieren, die allen Unterzeichnenden einen dauerhaft niedrigeren Preis als den

Monopolpreis und ihm selbst den Fortbestand garantieren122• Ein rationaler Eta­

blierter, der nun von der grundsätzlichen Existenz solcher Gegenmaßnahmen weiß,

die für rationale und langfristig denkende Abnehmer attraktiver sind als sein tem­

porärer Kampfpreis und der nachfolgende Monopolpreis, wird - so Easterbrook -

keine Vergeltungsdrohung aussprechen, d.h. auch von den dargestellten Vertrags­

klausein absehen. Demgegenüber vertritt Salop die Position, daß die Abnehmer nicht immer so rational

handeln wie von Easterbrook unterstellt. Denn sie bewerten Vertragsklauseln indivi­

duell, auch wenn durch die kollektive Akzeptanz der Klausel der individuelle Vorteil

eliminiert wird und die Gesamtheit der Abnehmer schlechter gestellt werden kann.

Das heißt, der einzelne Vertragspartner sieht eher seinen individuellen Nutzen denn

den kollektiven Schaden123.

Zusammenfassung zum Commitment-Ansatz:

Als Kerngedanke des Commitment-Ansatzes kann festgehalten werden, daß eine

Drohung, deren Ausführung sehr bzw. zu kostspielig ist, durch eine vorherige Ver­

pflichtung glaubwürdig gemacht werden kann. Diese bewirkt eine Änderung der pay­

off-Matrix, so daß eine Vergeltungsmaßnahme zur nunmehr ex-post-optimalen

Handlungsalternative wird. Auf diese Weise kommt der Abschreckungseffekt zu­

stande, aufgrund dessen der Etablierte erst bereit ist, eine für ihn selbst verlustbrin­

gende Vergeltung anzudrohen. Denn es ist die Drohung, nicht deren Ausführung, die

zum Ziel führen soll.

121 Als Beispiel hierfür führt Easterbrook den Fall "Pacific Engineering & Production Co. v. Kerr­McGee Corp." an, in dem die Kunden den angegriffenen Anbieter mit "stay alive"-Aufträgen zu Preisen oberhalb derer des Aggressors am Leben hielten. Vgl. Easterbrook (Comments), S.419, Fußnote 5.

122 Diese Gegenstrategie entspricht genau dem bereits oben, S. 145, mit Dixit und Schelling ange­führten Argument der eventuellen Unwirksamkeit vertraglicher Verpflichtungen.

123 Salop (Practices), S. 278, verdeutlicht dies anband der Meistbegünstigungsklausel. Zu einer Analyse der Kooperationsbereitschaft von Abnehmern mit dem Monopolisten vgl. auch Aghion & Bolton (Contracts), S. 398 f.

Page 164: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

149

Als wesentliche Voraussetzung dafür, daß eine Drohung die ihr zugedachte Wirkung

entfalten kann, erwies sich die Irreversibilität des ihr zugrundeliegenden Commit­

ments: Um sich unwiderruflich an eine Verpflichtung zu binden, muß der Etablierte

Freiheitsgrade opfern. Er kann dies erreichen, indem er sich vertraglich auf das

Ergreifen von Vergeltungsmaßnahmen festlegt, oder indem er durch irreversibile

Schritte "sunk costs" produziert. In beiden Fällen ist die Verpflichtung durch ihn nicht

revidierbar und damit die Vergeltung außerhalb seiner Kontrolle.

Damit ist deutlich geworden, daß die Erklärung einer Vergeltungsdrohung als einer

rationalen Handlungsweise hier einen anderen Weg beschreitet als in den zuvor analysierten Reputation-Modellen: Dort bildet die post-entry-Reaktion des voraus­

gegangenen Spieles gewissermaßen die pre-entry-Verhaltensweise des darauffolgen­

den Spieles, mit der man auf die Reaktionserwartung des nächsten Herausforderers einwirken will. Im Commitment-Ansatz kommt das pre-entry-Verhalten hingegen be­

reits in einem zweistufigen Spiel zum Tragen. In der ersten, der pre-entry-Phase han­

delt der Etablierte strategisch, um die Spielsituation in der zweiten, der post-entry­

Phase zu determinieren124• Das heißt, er nutzt seinen "first mover"-Vorteil so aus, daß

er für den Newcomer nur die eine Entscheidungsalternative offen läßt, die für ihn

selbst zum Optimum führt. Diese Alternative lautet "kein Eintritt".

Die spieltheoretisch wesentliche Eigenschaft einer Verpflichtung besteht also darin, daß es sich um eine strategische Maßnahme in einem Spiel mit asymmetrischen Spiel­

zügen handelt. Zu dem Zeitpunkt, zu dem der Newcomer "ins Spiel kommt", ist das

Commitment bereits ein Datum, das seinen Entscheidungsspielraum einengt und

seine Wahl determiniert. Diese Situation ist - wie gesagt - das Ergebnis strategischer

pre-entry-Maßnahmen des Etablierten.

Folgt man also der Spieltheorie, tritt immer der für den etablierten Monopolisten

günstigste Fall ein - nämlich das Ausbleiben von Markteintritten, ohne daß die ver­

lustbringende Drohung jemals wahr gemacht werden müßte. Denn die potentiellen

Herausforderer gelten als rationale Spieler, die mit den Konsequenzen einer Ver­

pflichtung vertraut sind. Auf diese Weise ist das Androhen von Vergeltung als eine

rationale Handlung begründbar, ohne auf die Vergeltung selbst zurückgreifen zu

müssen. Insofern ist es auch zu erklären, daß die strategischen Überlegungen im

Commitment-Ansatz auf die pre-entry-Phase beschränkt bleiben.

124 Vgl. Schelling (Conflict), S. U2, der betont, daß es sich trotz des deterministischen post-entry­Spieles insgesamt um ein strategisches Spiel handelt. .

Page 165: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

150

Wenn nun aber in der Realität die Vergeltungsdrohung versagt hat und ein Heraus­

forderer den Markteintritt trotz des Bestehens einer Verpflichtung gewagt hat, sei es,

weil er diese schlicht nicht wahrgenommen hat oder weil die hohe Rationalitätsforde­

rung des Modells in der Praxis unerfüllbar istl25, liefert der Commitment-Ansatz

keine brauchbaren Handlungsempfehlungen - er besagt lediglich, daß die Vergeltung

der automatische zweite Schritt ist. Sollte nun - nach dem Versagen einer Drohung -

die Vergeltung nach Möglichkeit abgeschwächt oder vermieden werden, wenn der

nicht mitgedachte Fall eines Marktzutritts eingetreten ist, oder sollte man wie geplant

zu der doch selbstschädigenden Vergeltung greifen?

3.3.1.2. Zur Ausübung von VergeItungsmaßnahmen während des Markteintritts­

prozesses

Im vorstehend analysierten Commitment-Ansatz ist der etablierte Monopolist mit

einem natürlichen "first mover advantage" ausgestattet. Er kann als erster "sunk costs"

eingehen und ist daher in einem Spiel, in dem die Reihenfolge der Spielzüge von

Bedeutung ist, stets der Sieger - vorausgesetzt die Abschreckung wirkt. Tut sie dies nicht, kommt den "sunk costs" eine Doppelrolle zu: Ein aggressiver Newcomer kann

selbst "sunk costs" eingehenl26 und diese dazu benutzen, die Reaktionsbarriere zu

überwinden127• Denn auf diese Weise schafft er für sich selbst Austrittsbarrieren128

und hat weniger zu verlieren, wenn er im Markt verbleibt, als wenn er sich zurück­

zieht. Der etablierte Anbieter wird nun erkennen müssen, daß für den Newcomer

ebenfalls nur noch die variablen Kosten entscheidungsrelevant sind und er seinen

natürlichen Vorteil eingebüßt hat. Das heißt, es empfiehlt sich - sofern möglich - der

Übergang zur Kooperation129.

125 Den Aspekt eines übertrieben hohen Maßes an Rationalität hinterfragen Jacquemin (Industrieöko­nomik), S. 110 ff., und Milgrom & Roberts (Asymmetries), S. 188 f. Jacquemin (ebenda, S. 111) sieht hier die Gefahr, "daß das Problem der Unternehmensstrategien - genau wie andere ökono­mische Probleme - zum Vorwand für überaus subtile, aber sinnlose 'Schulübungen' wird."

126 Hierzu Easterbrook (Counterstrategies), S. 294: "Once two firms are producing in the market, both have sunk their start-up costs; both have plants, outlets, knowhow, customer lists, and so on."

127 Vgl. Baumol & Willig (Fixed), S.419, Fußnote 10. Mit der Reaktionsbarriere ist nachfolgend die Eintrittsbarriere aufgrund zu erwartender Vergeltungsreaktionen gemeint.

128 Baumol & Willig (ebenda), sprechen plastisch von einer "bridge-burning strategy".

129 Ob ein Newcomer tatsächlich die Brücken hinter sich zum Einsturz bringt, hängt u.a. davon ab, ob er erwartet, daß der Etablierte so reagieren wird. Vgl. Baumol & Willig (Fixed), S.419, Fußnote 10.

Page 166: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

151

Damit wären - angesichts eines "irrevocable fact of entry,,130 - die "sunk costs" des

Etablierten eigentlich wertlos. Sie haben ihren Zweck verfehlt und es macht keinen

Sinn mehr, die Drohung wahr zu machen. Gegen diese Auffassung wenden sich

jedoch Jacquemin und insbesondere Porter. Beide betonen den prozessualen Charak­

ter von Markteintritten, der in spieltheoretischen Modellen fehlt: Ein Marktzutritt

vollzieht sich nicht in einem Zeitpunkt, sondern in einer Reihe aufeinanderfolgender

Schritte. Folglich kann das Phänomen des Markteintritts nicht (mehr) wie ein drasti­

scher Einschnitt zwischen dem Spiel vor und nach dem Zutritt behandelt werden,

sondern nur als ein allmählicher Prozeß, der das sukzessive Eindringen eines New­

comers in die Domäne des etablierten Anbieters beinhaltet131•

Dies ist insofern von Bedeutung, als der Grad der Festlegung und die Rückzugsmög­

lichkeit eines Herausforderers von dessen Stadium im Eintrittsprozeß abhängen. Porter

unterteilt diesen Prozeß in vier Phasen132:

In der Voreintrittsphase prüft der potentielle Newcomer die Branche als Eintrittsziel.

Die Investitionen beschränken sich in diesem schwer zu beobachtenden Projektab­

schnitt in der Regel auf Marktuntersuchungen, auf die Entwicklung der Produkt- und

Verfahrenstechnologie etc.

In der darauffolgenden Eintrittsphase investiert ein neuer Anbieter in den Aufbau

seiner Ausgangsposition. Hierzu zählen Aktivitäten wie die Weiterentwicklung der Produkt- und Verfahrenstechnologie, die Durchführung von Markttests, die landes­weite Produktvorstellung, der Aufbau eines Außendienstes und die Errichtung von

Werksanlagen.

In der Abstufungsphase erfolgt dann ggf. der Übergang von der Eintritts- zur Lang­

friststrategie: In Branchen, in denen ein stufenweiser Markteintritt möglich ist, kann

ein Newcomer zunächst in eine solche strategische Gruppe eintreten, die nur durch

relativ niedrige Barrieren geschützt ist133. Von dort aus kann der Wechsel in die letztendlich angestrebte strategische Gruppe vorbereitet und ausgeführt werden. Auf

diese Weise können die Gesamtkosten aufgeteilt und das Eintrittsrisiko gegenüber

der unmittelbaren Einnahme der endgültigen Position vermindert werden. Ein New­

comer könnte z.B. zunächst nur die Herstellung von Handelsware aufnehmen. Die

hierfür erforderlichen Investitionen in Produktionskapazitäten sind vergleichsweise

130 Dixit (Role), S. 95.

131 Vgl. Jacquemin (Industrieökonomik), S. 106. Zu einem Modell des Prozesses der Marktbeherr­schung siehe auch Geroski & Jacquemin (Dominant), S. 9 ff., und Jacquemin (Industrieökonomik), S. 107 ff.

132 Vgl. nachfolgend Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 604 f.

133 Das Konzept der strategischen Gruppen und der Mobilitätsbarrieren wird unten in Kapitel 3.4. im einzelnen erläutert. Zum stufenweisen Markteintritt siehe insbesondere S. 195 ff.

Page 167: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

152

reversibel. Von dort aus kann er die Überwindung der Mobilitätsbarrieren in das

Markenwaresegment in Angriff nehmen, wozu Investitionen in nur schwer bzw. nicht

wiederverkäufliche Aktivitäten wie Werbung, FuE etc. notwendig sind134• Andere

Möglichkeiten des stufenweisen Markteintritts sind die nachfolgende Ausdehnung

des Produktprogramms oder Absatzgebietes sowie die vertikale Integration.

In der Nacheintrittsphase schließlich verlagern sich die Investitionen eines Newcomers

in diejenigen Bereiche, die zur Erhaltung und Verteidigung der Position innerhalb

der Branche nötig sind.

Erst in diesem Stadium nimmt der neue Konkurrent eine Position ein, in der er dem

etablierten Anbieter in punkto Unverwundbarkeit ebenbürtig ist. In den voraus­

gehenden Projektabschnitten hat er hingegen noch nicht alle erforderlichen Ressour­

cen an die Branche gebunden. Dies ist darauf zurückzuführen, daß das Risiko, das

mit steigenden Austrittsbarrieren verbunden ist, durch eine stufenweise Eintrittsstra­

tegie mitunter bis weit in den Eintrittsprozeß hinein verzögert wird. Gegen einen

Newcomer, der seine Investitionsentscheidungen aus diesem Grunde schrittweise

trifft und von der Erreichung bestimmter Meilensteine abhängig macht, können Ver­

geltungsmaßnahmen während der Eintritts- oder Abstufungsphase durchaus noch

erfolgreich sein135. Denn ein Preiskrieg in diesem Stadium kann ihn zu dem Schluß

veranlassen, daß er das angestrebte Ziel nicht zu annehmbaren Kosten erreichen

kann, so daß er daher möglicherweise aufgibt oder seine Ziele revidiertl36• Porter

bezeichnet diese Strategie als die Verweigerung einer Basis, von der aus ein New­

comer den Ausbau und die Festigung seiner Position in Angriff nehmen könnte. Eine

Taktik zur Verweigerung einer Basis besteht beispielsweise darin, den Markttest des

neuen Anbieters zu stören: Sonderangebote oder Großpackungen können dazu

herangezogen werden, den Bedarf der Abnehmer zu decken und somit den Test­

markt für das betreffende Produkt zu sättigen, so daß die kurzfristigen Eintrittskosten

des Herausforderers steigen137.

Die Tatsache, daß ein Herausforderer seinen Markteintritt gestartet hat, besagt also

keineswegs, daß es sich um einen irreversiblen Schritt handelt. Denn es liegt damit

noch kein symmetrisches post-entry-Spiel vor, in dem die Chancen bestehender und

134 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 442 f. 135

136

Den Aspekt der Risikovenninderung berührt auch Williamson (Predatory), S. 295, Fußnote 36: "The incentives for the dominant fIrm to engage in short-run predatory behavior are especially strong where entry is plainly tentative." Unter "tentative entry" versteht Williarnson beispielsweise das Leasing von Mehrzweckmaschinen anstelle des Kaufs spezialisierter Betriebsmittel.

Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 606 f.

137 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 140.

Page 168: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

153

neuer Wettbewerber gleichverteilt sind. Ein bereits etablierter Anbieter kann sich

dieses Ungleichgewicht insbesondere in der Anfangsphase zunutze machen: "Ein

geschickter Verteidiger versucht zu verhindern, daß ein Herausforderer seine

anfänglichen Ziele erreicht, und bemüht sich, den Wettbewerb in der Branche so zu verändern, daß der Herausforderer sich veranlaßt sieht, seine ursprünglichen Hypo­

thesen in bezug auf die Branchenattraktivität oder eine bestimmte Position in Frage zu stellen.',138

Als wesentliche Konsequenz des prozessualen Charakters von Marktzutritten kann

zusammenfassend festgehalten werden, daß das Ausmaß irreversibler Investitionen

und damit die Höhe der Austrittsbarrieren typischerweise erst im Verlauf des Markt­

eintrittes allmählich ansteigen; ferner, daß wegen sukzessive gefällter Teilentschei­

dungen die Hypothesen und Erwartungen bereits eingetretener Newcomer auch in

der post-entry-Phase noch beeinflußt werden können. Diese beiden Aspekte liefern

eine Erklärung dafür, daß die Vergeltung bereits erfolgter Markteintritte durchaus

eine sinnvolle Reaktion darstellen kann.

3.3.1.3. Zur Umsetzung der spieltheoretischen Erklärungsansätze in Handlungs­empfehlungen bei Porter

Die bisherigen Ausführungen zur Errichtung strategischer Eintrittsbarrieren durch

die Einflußnahme auf die Reaktionserwartungen potentieller Konkurrenten haben

gezeigt, daß es mittels der Spieltheorie gelungen ist, die in der Limitpreis-Theorie

bislang offen gebliebene Frage der Glaubwürdigkeit angedrohter Vergeltung positiv

zu beantworten: Sowohl Vergeltungsdrohungen - einschließlich der zugehörigen

Verpflichtungen - als auch Vergeltungsreaktionen konnten als rationale pre- bzw. post-entry-Strategien theoretisch erklärt werden.

138 Porter (Wettbewerbsvorteile), S.608; hinzugefügte Hervorhebung. Hierin stimmt die sog. "infant frrm theory" überein, deren Kernaussage lautet: Bestehende und neu hinzugetretene Unternehmen können ceteris paribus in einem vergleichbaren Punkt ihres Lebenszyklus identische Kosten aufwei­sen. Jedoch, " ... according to the 'infant fIrm' theory, actions by the dominant fIrm during a com­petitor's entry may shift the market environment so that the entrant's cost trajectory is changed." Hilke & Nelson (Noisy advertising), S. 368; ergänzte Hervorhebung. Auch in dieser Theorie ist die Anfälligkeit neuer Konkurrenten für Vergeltungsmaßnahmen im frühen Stadium am größten. Hilke & Nelson verdeutlichen dies anhand zweier Beispiele: Der Handel dimensioniert seine Folgebestellungen nach dem anfänglichen Absatzerfolg eines neuen Artikels. Außerdem ist die Bereitschaft der Konsumenten zum Ausprobieren neuer Produkte in der Einführungsphase am größten. Ein Newcomer kann daher nachhaltig geschädigt werden, wenn der etablierte Anbieter frühzeitig mit Gegenmaßnahmen reagiert. V gl. ebenda, S. 368.

Page 169: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

154

Im folgenden soll - den Komplex der Vergeltung abschließend - die von Porter gelei­

stete Umsetzung der Erkenntnisse spieltheoreiischer Erklärungsansätze in konkrete

Handlungsempfehlungen für etablierte Unternehmen dargelegt werden.

Als Anleitung dafür, wie bestehende Anbieter präventiv auf die Entscheidungspro­

zesse potentieller Newcomer Einfluß nehmen und die Vergeltungsgefahr in deren

Wahrnehmung steigern können, nennt Porter folgende Punkte139:

Signalisieren der Vergeltungsentschlossenheit; z.B. durch die Bekanntgabe der

Absicht, den Marktanteil zu verteidigen, durch die Erläuterung der Bedeutung

eines Geschäftsbereiches für das Gesamtunternehmen oder durch die Äußerung

der Absicht, Kapazitäten in Antizipation der Nachfrage auszubauen.

Signalisieren entstehender Barrieren: Durch die Vorankündigung einer neuen

Produktgeneration oder Verfahrenstechnologie kann bei potentiellen Newcomern

der Eindruck verstärkt werden, daß der betreffende Schritt tatsächlich bevorsteht.

Errichten von Riegelstellungen in Bereichen, die für die Rentabilitätssituation des

Herausforderers von Bedeutung sind und in denen ihm mit einer Querparade140

großer Schaden zugefügt werden kann.

Eingehen einer Verpflichtung, den von Konkurrenten gebotenen Konditionen

stets gleichzuziehen oder diese zu übertreffen.

Erhöhen der eigenen Austritts- oder Schrumpfungsbarrieren durch eine antizipa­

tive Kapazitätsexpansion, durch den Abschluß langfristiger Beschaffungsverträge

mit festen Bezugsmengen, durch eine erhöhte vertikale Integration, durch Investi­

tionen in Spezialanlagen und durch Verflechtungen mit anderen Geschäftsberei­

chen, so daß eine Verteidigung im gesamten Unternehmensinteresse liegt.

Akkumulieren von Vergeltungsmitteln für eine prompte Reaktion, z.B. in Form

überschüssiger Liquidität und bereitgehaltener neuer Modelle oder Produktgene­rationen, über deren Existenz man Andeutungen macht.

Fördern guter Wettbewerber - als eine ersteVerteidigungslinie.

139 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 618 - 621. 140 Unter einer Querparade versteht man die auf einen anderen (gemeinsamen) Produkt- oder Regio­

nalmarkt verlagerte Antwort auf den Markteintritt eines Herausforderers. Zu einigen Beispielen des Konkurrierens auf multiplen Wettbewerbsplätzen - etwa zum (Gegen-)Eintritt von Goodyear in Europa nach dem Eintritt von Michelin in den nordamerikanischen Markt im Jahr 1969 - vgl. Karnani & Wernerfelt (Multiple point), S. 89 - 91.

Page 170: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

155

Statuieren eines Exempels, vorzugsweise an einem ungefährlichen Herausforde­

rer, um damit die Härte der Reaktion im Falle einer wirklichen, d.h. ernstzuneh­

men Bedrohung zu demonstrieren.

Bilden von Verteidigungskoalitionen (z.B. innerhalb einer strategischen Gruppe),

um Vergeltungsmaßnahmen wahrscheinlich zu machen, die ein Unternehmen

allein nicht ausführen könnte.

Zur Vergeltung während des Eintrittsprozesses eines Newcomers empfiehlt Porter

generell eine schnelle und nachdrückliche Reaktion, um dem Angriff Grenzen zu

setzen. Hierzu bieten sich folgende Taktiken an, die auf den nunmehr bekannten

Herausforderer zugeschnitten werden können:

Stören der Test- oder Einführungsmärkte, z.B. durch Intensivierung der Werbung,

der Warenproben- und Gutscheinaktionen, sowie durch preisgünstigeren Kun­dendienst, bessere Garantiekonditionen oder Inzahlungnahmen141•

Überschlagender Einsatz bzw. "Bockspringen" (leapfrogging), d.h. Einführen einer

neuen Produktgeneration oder Verfahrenstechnologie in einem möglichst frühen

Stadium des Eintrittsprozesses, um den Herausforderer zu weiteren Investitionen

zu zwingen, nachdem er gerade erst erhebliche Mittel ausgegeben hat.

Initiieren von Rechtsstreitigkeiten (z.B. Patentprozesse, kartellrechtliche Verfah­

ren oder Anfechtungsklagen), die den Angriff bzw. Markteintritt verzögern und

die für den Herausforderer ein erhöhtes Risiko und die Gefahr weiterer Investi­

tionen bzw. Kosten bedeuten142.

141 Zu einigen Praxisbeispielen der Verfälschung von Testmarktbedingungen vgl. Niles & Siegel (Test market), S. 70.

142 Vgl. hierzu auch Meyerowitz (Non·price predation), sowie Bork (Paradox), S. 159 f.

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156

3.3.2. Abschreckungsmaßnahmen zur Erhöhung struktureller Barrieren

Die vorstehend analysierten Konzepte der Eintrittsverhinderung basieren auf dem

Abschreckungseffekt angedrohter und exemplarisch ausgeübter Vergeltungsmaß­

nahmen. Das Ziel einer solchen Handlungsweise ist es, auf die Reaktionserwartungen

potentieller Newcomer Einfluß zu nehmen, um in deren Wahrnehmung die Eintritts­

kosten auf grund zu erwartender Vergeltung zu steigern.

Eine weitere Abschreckungstaktik bildet die Erhöhung struktureller Markteintrittsbar­

rieren. Deren Intention ist es, erfolgversprechende Eintrittsstrategien bzw. Angriffs­

bahnen zu versperren, die einem Newcomer dazu verhelfen könnten, bestehende

Eintrittsbarrieren zu umgehen und über eine ungeschützte Flanke im Markt Fuß zu fassenI. Präventive Maßnahmen etablierter Anbieter, die dies verhindern, können

Markteintritte unattraktiv machen. Denn indem bestehende Unternehmen nahelie­

gende Angriffsbahnen selbst besetzen und mittels struktureller Barrieren abschirmen,

haben potentielle Newcomer wieder Kosten für deren Überwindung zu tragen und

daher Wettbewerbsnachteile in Kauf zu nehmen.

Präventivstrategien zur Eintrittsabschreckung werden in der industrieökonomischen literatur u.a. in Modellen der Standortwahl2, der Angebotsvielfalt3 und der präven­

tiven Patentierung4 diskutiert. Einen neueren Ansatz zur Benachteiligung bestehen-

1

2

3

4

Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 611.

Hierin geht es darum, den geographischen Raum durch dezentrale Produktionsstätten so abzu­decken, daß mögliche Transportkostenvorteile eventueller Herausforderer eliminiert werden. V g1. hierzu den Überblick bei Scherer (IndustriaI), S. 252 Cf.

Ähnlich dem Fall der räumlichen Marktnischen geht es hier darum, mittels einer erhöhten Vari­antenvielfalt etwaige Produktnischen zu besetzen, über die ein Newcomer in den Markt eindringen könnte. Vgl. hierzu Schmalensee (Breakfast), Scherer (IndustriaI), S. 258 Cf., Clarke (Industrial Economics), S. 91 Cf.

In den Ansätzen der präventiven FuE und Patentierung geht es um die Frage, ob es für einen Etablierten vorteilhaft ist, die Entwicklung enger Substitutionsprodukte durch einen Newcomer zu verhindern. Vgl. hierzu z.B. Gilbert (Patents), Gilbert & Newberry (Patenting), Dasgupta (Tech­nological) und Lipscomb (patents). Zu der spieltheoretischen Modellbildung für ein "Patentrennen" vgl. Selten (Spiele), S. 100 Cf. Ein Praxisbeispiel der präventiven Patentierung, gekoppelt mit einer Lizenzvergabe für die alternative Produkttechnologie zur Kanalisierung der Herausforderer, beschreibt Kaufer (Industrieökonomik), S.176, anhand des elektrostatischen Kopierverfahrens: Der Physiker und Patentanwalt Carlson, Erfmder des Xerokopierverfahrens, bot seine umsichtig definierten Patente ftir dieses Verfahren dem Battelle Institut zur Weiterentwicklung an. Dort wurde dann u.a. eine zweite Variante des elektrostatischen Kopierens gefunden, das Elektrofax­verfahren. Von Battelle erwarb die später in Xerox Corp. umbenannte Haloid Corp. die Patente für beide Verfahren. Haloid konzentrierte sich auf die Entwicklung des Xerokopierverfahrens, das sich später als das lukrativere herausstellte. Um die FuE-Anstrengungen der (potentiellen) Konkurren­ten in einen anderen Bereich zu kanalisieren, lizenzierte Xerox das für den niedrigeren Mengen­bereich günstigere Elektrofaxverfahren zu attraktiven Bedingungen. Zusammen mit dem ständigen

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157

der und neuer Konkurrenten bildet das Konzept des Raising rivals' costs, das nach­

stehend vorgestellt wird. Im Anschluß daran werden wieder Porters Handlungs­

empfehlungen angeführt, die an die industrieökonomischen theoretischen Modelle

anknüpfen und einem etablierten Anbieter Hinweise bieten, wie er sich durch die

Erhöhung struktureller Barrieren vor etwaigen Newcomern schützen kann.

3.3.2.1. Das Konzept des Raising rivals' costs

Neben den drei oben diskutierten theoretischen Erklärungsansätzen für ein "preda­

tory behavior" - dies waren die Signaling-, Reputation- und Commitment-Modelle -

stellt auch das Konzept des Raising rivals' costs die von der McGee-Telser-Bork­

Kritik angezweifelte Rationalität von Vergeltungsmaßnahmen wieder her. Es genügt

dabei Borks Kritik in folgendem Punkt: "The sine qua non of predation ... is the

ability to impose greater costs upon one's victim than upon oneself .. .'05. Denn mit

dem Ergreifen nichtpreislicher Reaktionen, die von den Output- auf die Inputmärkte

verlagert werden können, kehrt sich die relative Kostenintensität von post-entry­

Maßnahmen um. Da derartige (Re-)Aktionen im Gegensatz zu einem Preiskampf in

Produktmärkten aber keinen kurzfristigen Gewinnverzicht erfordern, der zugunsten

langfristiger Gewinnziele in Kauf genommen wird, ergibt sich folgender Unterschied

zu den oben behandelten Ansätzen: Die abschreckende Wirkung basiert nicht auf

einer Drohung, mittels derer auf die Verhaltenserwartungen etwaiger Herausforderer

eingewirkt werden soll. Denn wegen des fehlenden kurzfristigen Gewinnverzichts hat

das Vergeltung übende Unternehmen einen unmittelbaren Anreiz, eine die Kosten

seiner Konkurrenten steigernde Maßnahme zu ergreifen: "Since the proposed actions

are narrowly rational, they are directly carried out, and there is no element of threat conveyed."6

Richten sich derartige kostensteigernde Maßnahmen gegen bestehende Anbieter,

können sie unschwer den Vergeltungsmaßnahmen zugezählt werden, da sie Wett­

bewerbern einen Schaden zuzufügen beabsichtigen7. Betreffen sie aber potentielle

Newcomer, handelt es sich zwar um strategische Maßnahmen der Eintrittsverhin-

5

6

7

Ausbau ihrer Patentposition sicherte sich Xerox so eine Monopolstellung in dem von ihr favori­sierten Marktsegment des mittleren Mengenbereichs.

Bork (Paradox), S. 334. Siehe auch den Hinweis bei Salop (Predation), S. 36.

Comanor & Frech (Behavior), S. 373.

Diese Zurechnung setzt allerdings voraus, daß man nicht wie beispielsweise Ordover & Willig [vgl. (Predation), S. 9 f., (Defmition), S. 302 und S. 305] den kurzfristigen Gewinnverzicht zum zentralen Wesensmerkmal von Vergeltungsmaßnahmen macht, worauf dieses Konzept u.a. gerade hinweisen will.

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158

derung, die das Handeln etwaiger Herausforderer zu beeinflussen suchen8, jedoch

nicht notwendigerweise um vergeltende Schritte9: Sie können zwar während des

Markteintrittsprozesses als Antwort auf einen Vorstoß vorgenommen werden; eben­

sogut können sie aber auch antizipativ erfolgen, um einen Markt von vornherein

unattraktiv zu machen. In diesem Fall, der durch den unmittelbaren ökonomischen

Anreiz ermöglicht wird, sind kostensteigernde Taktiken Ausdruck einer eintrittsab­

schreckenden Präventivstrategie, die der Erhöhung struktureller Banieren dientlO•

Im weiteren werden nun - nach einer Skizze des gesamten Konzeptes - die für die

Abschreckung neuer Konkurrenten bedeutsamen Elemente des Raising rivals' costs

herausgestellt. Dies sind die Umkehrung der relativen Benachteiligung unter den

betroffenen Akteuren und - damit zusammenhängend - die Profitabilität kostenstei­

gernder Maßnahmen für einen Etablierten sowie der Schaden, der einem Newcomer

durch eine solche Handlungsweise entsteht. Sodann werden einige Möglichkeiten zur

Steigerung der Inputkosten von Konkurrenten vorgestellt, die im wesentlichen auf

den Erwerb von Exklusivrechten hinauslaufen. Schließlich ist zu thematisieren, ob

potentiellen Newcomern nicht wirksame Gegenstrategien zur Verfügung stehen und

ob ein etabliertes Unternehmen überhaupt auf die Bereitschaft von Zulieferern zur

Mitwirkung an einer Strategie der "input market predation" stoßen wird.

Das Konzept des Raising rivals' costs baut auf der Grundüberlegung auf, daß poten­

tielle Newcomer oder bereits neu eingetretene Konkurrenten nicht nur auf den

Produktmärkten über den Preis, sondern häufig wirksamer durch Maßnahmen auf

gemeinsamen Inputmärkten in Bedrängnis gebracht werden können11• Denn Strate-

8

9

So auch Salop & Scheffman (Raising), S. 269, zum Raising rivals' costs: "Thus, the concept of stra­tegically erected entry barriers can be captured in this framework." Den Gedanken, Eintrittsbarrie­ren durch eine Veränderung der Kostenstruktur zuungunsten von Newcomern zu steigern, formu­lierten vor Salop & Scheffman bereits Caves & Porter (Mobility), S. 246.

Vgl. Comanor & Frech (Behavior), S. 373.

10 Jedoch könnte man auch entgegengesetzt argumentieren, nämlich daß gerade in dem unmittel­baren Anreiz zur Steigerung der Kosten von Konkurrenten immer eine Drohung enthalten ist, und Comanor & Frech entgegenhalten, daß diese gar nicht ausgesprochen werden muß, da Newcomer immer mit dieser Möglichkeit rechnen müssen. Wir folgen hier jedoch Porter (Wettbewerbsvor­teile ), S. 616, der in der Kostensteigerung eine Taktik zur Erhöhung struktureller Barrieren und nicht eine allgegenwärtige Vergeltungsdrohung sieht. Wenn Salop selbst von "input market pre­dation" spricht, hat er offenbar stärker den Fall des Verdrängungswettbewerbs unter bestehenden Anbietern als den der Eintrittsverhinderung im Blickfeld.

11 Der Begriff des Inputmarktes ist dabei sehr weit gefaßt und umschließt neben den Zulieferern von Einsatzstoffen auch den Handel, die Werbemedien, Spediteure, Hersteller von Komplementär­produkten und sogar die Testmärkte neuer Anbieter: " ... testing is a necessary input into the effident distribution and promotion of a new product .. .". Salop (Predation), S.31. Insofern sind unter "Inputmärkten" letztendlich alle primären und sekundären Wertaktivitäten eines Unterneh­mens zu verstehen. Denn diese bilden gewissermaßen den Input der Leistungserstellung, auch wenn

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159

gien der "input market predation", welche die Kosten von Rivalen steigern, können

für das sie ergreifende etablierte Unternehmen mit weniger Kosten verbunden sein

als für das betroffene Opfer. Im Gegensatz hierzu ist eine Vergeltung über den Preis

für einen marktbeherrschenden Etablierten kurzfristig gesehen teurer als für den jeweiligen Herausforderer, der wegen seines geringeren Marktanteils weniger hohe

Umsatzeinbußen zu verzeichnen hat12. Weitere, hier nur kurz angeschnittene Unter­schiede zwischen dem Konzept des Preiskampfes in Produktmärkten und des Stei­

gerns der Inputkosten von Konkurrenten sind:

Die Taktik des Raising rivals' costs kann selbst dann profitabel sein, wenn der

Konkurrent nicht aus dem Markt ausscheidet. Denn wenn eine Kostensteigerung

die Preis-Grenzkosten-Marge eines Konkurrenten stärker schmälert als die des

Etablierten, wird der Rivale bei einem unveränderten Preisniveau seine Produk­

tionsmenge reduzieren. Dies eröffnet dem Etablierten die Möglichkeit der

Absatzsteigerung. Alternativ dazu kann er auch eine ebenfalls gewinnbringende

Preiserhöhung vornehmen.13

Wie bereits erwähnt erfordert eine Inputmarkt-Strategie keinen kurzfristigen

Gewinnverzicht bzw. keine temporären Verluste zugunsten langfristiger Gewinn­ziele. Denn wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, führen kostensteigernde

Maßnahmen zu einem unmittelbaren Ertrag14.

Das Konzept des Raising rivals' costs kann - wegen der Umkehrung der relativen

Benachteiligung - auf das "deep pocket"-Argument verzichten: Es verlangt ent-

sie - im Sinne Porters - Bestandteile der Wertkette sind, d.h. in das Produkt- und Leistungsangebot eines Unternehmens auf seinen OuqJUtmärkten eingehen. So ist beispielsweise die Werbung ein Input für den Produktabsatz, da sie den erforderlichen Bekanntheitsgrad bewirken soll. Zugleich ist sie aber ein Output, soweit sie nämlich dem Kunden Wertsignale (z.B. Nutzungskriterien) über­mittelt und insofern selbst einen Wert für den Abnehmer enthält. Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbs­vorteile), S. 187 ff.

12 Vgl. Salop (Predation), S. 27. Aber selbst wenn die Kosten des Etablierten bei einem Raising rivals' costs ebensosehr oder stärker steigen sollten als die eines Newcomers, kann diese Strategie den­noch erfolgreich sein: Nämlich dann, wenn dieser (im Vergleich zu einem potentiellen Newcomer höhere) Kostenanstieg geringer ausfällt als die andernfalls durch einen Markteintritt entstehenden Einbußen, die sich aus dem Marktanteilsverlust und dem eintrittsbedingten Preisrückgang zusam­mensetzen. Vgl. Salop (Predation), S. 35. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um ein für das Kon­zept des Raising rivals' costs allein gültiges Argnment. Denn mittels dieses Alternativenvergleiches wurde oben auch das "predatory pricing", d.h. die Vergeltung über den Preis, als rationale Strategie begründet.

13 Vgl. Salop (Predation), S. 37 f.

14 Vgl. Salop (Predation), S. 38 f. Salop & Scheffman (Raising), S. 2fJ7, gehen von einer kurzen Reak­tionszeit aus: "A higher-cost rival quickly reduces output, allowing the predator to immediate/y raise price or market share." (Ergänzte Hervorhebungen.)

Page 175: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

160

gegen dem "predatory pricing" keinen besseren Zugang des Aggressors zu finan­

ziellen Ressourcen15.

Während ein Preiskampf zwischen etablierten Anbietern und neu eingetretenen

Konkurrenten den Abnehmern günstigenfalls nachhaltig16, andernfalls immerhin

kurzfristig17 zum Vorteil gereicht, besteht der direkte Effekt einer Kostensteige­

rung in einem Wohlfahrtsverlust18.

Im Zusammenhang mit der Frage der Eignung kostensteigemder Inputmarkt-Stra­

tegien ist nun - nach der Kurzdarstellung dieses Ansatzes - der marktschließende

Effekt derartiger Präventivmaßnahmen zu beleuchten: Es sei angenommen, der

Marktzutritt ist für einen Eintrittskandidaten zunächst gerade noch attraktiv. In

diesem Fall wirkt schon eine geringe Kostensteigerung abschreckend, sofern der

potentielle Newcomer nicht erwartet, daß der post-entry-Preis in Folge der Kosten­

steigerung, die ja auch den Etablierten betrifft, ausreichend angehoben wird19. Hier

sind nun zwei Fälle zu unterscheiden: Nimmt der Etablierte eine Kostensteigerung in

einem Fixkostenbereich vor und bleiben die Grenzkosten konstant, wird er keine

Preiserhöhung durchführen20. Das heißt, die gestiegenen Kosten werden nicht über

den Preis weitergegeben. Der Marktzutritt ist daher für den oben betrachteten New­

comer unattraktiv. Betrifft die Kostensteigerung hingegen einen Inputfaktor, dessen

Kosten variabel sind, steigen die Grenzkosten des Etablierten. Dieser wird folglich

den Preis anheben21. Hier sind dann zwei entgegengesetzt wirkende Effekte

abzuwägen - eine Kostensteigerung senkt die Gewinnerwartung eines Newcomers,

eine Preissteigerung erhöht sie. Für den sich ergebenen Nettoeffekt der Kostenstei­

gerung gilt dann: "If competitors' profits are not reduced, the strategy will obviously fail to achieve an exclusionary goal."22

Mit welchen Mitteln kann nun eine asymmetrische Zunahme der Inputkosten bei

Wettbewerbern bewirkt werden? Ist das etablierte Unternehmen rückwärts integriert

15 vgl. Salop & Scheffman (Raising), S. 267.

16 Nämlich dann, wenn er nicht zum Ziel führt.

17 Nämlich für die Dauer des Konfliktes.

18 Diesem ist jedoch der Nutzen gegenüberzustellen, den Kunden möglicherweise aus Inputmarkt -Strategien ziehen. Vgl. hierzu Salop (Predation), S. 39 ff.

19 Vgl. Salop (Predation), S. 34 f.

20 Vgl. Salop (Predation), S. 35, Fußnote 57.

21 Vgl. Salop (Predation), S. 29, Fußnote 40. 22

Salop & Scheffman (Raising), S. 270. Zu einer genaueren Analyse der Profitabilität eines Raising rivals' costs für den Etablierten und der Benachteiligung von Newcomern vgl. ebenda, S. 268 - 270.

Page 176: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

161

und verfügt es auf dem gemeinsamen Inputmarkt über Marktrnacht, kann es von

potentiellen Konkurrenten höhere Preise verlangen oder ihnen den Zugang zu knap­

pen Vormaterialien überhaupt verwehren23• Aber auch ein nicht vertikal integriertes

Unternehmen kann die Inputkosten seiner (potentiellen) Konkurrenten steigern,

indem es mit einem oder mehreren Zulieferern Verträge eingeht und eine Aus­

schließlichkeitsbindung erzeugt. Auf diese Weise können etwaige Newcomer wie­

derum entweder ganz vom Zugang zu Inputmärkten ausgeschlossen werden oder

dabei durch eine Preisdiskriminierung benachteiligt werden24. Verträge, die solche

Vereinbarungen enthalten, dienen dem etablierten Unternehmen zum Erwerb von

Exklusivrechten25. Diese können zum einen zusammen mit den jeweiligen Input­

materialien bzw. -leistungen von einem Lieferanten bezogen werden. Handelt es sich

bei diesem um den effizientesten und kosten- bzw. preisgünstigsten Anbieter, können

eventuelle Newcomer ihren Bedarf nur unter Inkaufnahme von Beschaffungsnach­teilen bei nachrangigen Zulieferern decken. In besonderen Fällen kann ein marktbe­

herrschendes Unternehmen zum anderen aber auch bloße Exklusivrechte von sol­

chen Vorlieferanten kaufen, von denen es selbst keinen Input bezieht26.

Eine solche, die Kosten potentieller Konkurrenten steigernde Präventivstrategie

kann jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn es keine wirksamen Gegenstrategien

gegen eine Raising rivals' costs-Taktik gibt und wenn es für Zulieferer überhaupt

attraktiv ist, Exklusivrechte zu verkaufen.

Auf den von ihnen selbst antizipierten Einwand möglicher Gegenstrategien räumen

Krattenmaker & Salop27 ein, daß kostensteigernde Abschreckungsstrategien dann

scheitern, wenn die betroffenen neuen oder bestehenden Wettbewerber den frag­

lichen Input selbst herstellen können oder ihn problemlos durch einen gleichwertigen

und ebenso kostengünstigen Input substituieren können. Wenn aber der Inputmarkt

selbst durch Eintrittsbarrieren geschützt ist und die nächstbeste Bezugsquelle oder

der als Ersatzprodukt in Frage kommende Input einen Kostennachteil auf der

Beschaffungsseite bedeutet, kann sich dann der "Rivale" mittels Gegenstrategien der

Ausschießlichkeitsbindung erwehren? Hierzu müßte er in der Lage sein, der Zulie-

23 vgl. Salop (Predation), S. 30. Siehe auch Neumann (Volkswirtschaftslehre 111), S. 260.

24 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109.

25 Vgl. nachstehend Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109.

26 Als Beispiel für einen derartigen FaD führen Krattenmaker & Salop (Exc1usionary rights), S. 109, die Aluminium Company of Ameriea (Alcoa) an: Alcoa kaufte zeitweise Exklusivrechte von Kraft­werken, von denen sie keine Elektrizität bezog. Die Verträge beinhalteten nur die Zusage der Ver­sorgungsunternehmen, keine anderen Aluminiumhersteller mit Elektrizität zu beliefern.

27 Vgl. nachfolgend Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109 ff.

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162

ferindustrie mehr dafür zu bieten, nicht ausgeschlossen zu werden, als der Etablierte

für den Erwerb der Exklusivrechte aufzuwenden bereit ist28. Nun verspricht sich aber

der Käufer von Exklusivrechten einen Zuwachs an Marktrnacht und kann daher

einen Betrag bieten, der die erhöhten Gewinne bereits einkalkuliert. Ein (potentiel­

ler) Konkurrent, der Gefahr läuft ausgeschlossen zu werden, kann jedoch nur mit

einem geringeren, wettbewerblichen Preis- und Gewinniveau rechnen, wenn es ihm

gelingen sollte, den Marktausschluß abzuwenden. Daher gilt für einen von der Aus­

schließung bedrohten potentiellen Newcomer, daß er weniger zu gewinnen als der

Etablierte zu verlieren hat29• Und für einen von der gleichen Gefahr betroffenen

bereits bestehenden Rivalen gilt im allgemeinen, daß er weniger zu verlieren als der

Käufer von Exklusivrechten zu gewinnen hat. Denn wenn sich der benachteiligte

Wettbewerber nicht aus dem Markt zurückzieht, sondern lediglich schrumpft, kommt

er mit seiner reduzierten Angebotsmenge immerhin noch in den Genuß höherer

Preise30• Es kann daher festgehalten werden, daß einem (potentiellen) Rivalen die

Abwendung der Gefahr des Ausschlusses von -einem Inputmarkt weniger wert sein

wird bzw. kann als dem Etablierten der Erwerb von Exklusivrechten.

Die ungleich stärkere Steigerung der Inputkosten von potentiellen Konkurrenten, für

die es - fallweise - keine gangbaren Gegenmaßnahmen gibt, stellt damit eine

geeignete Präventivstrategie dar. Voraussetzung ist allerdings, daß die betreffenden

Zulieferer zu einer derartigen Kooperation bereit sind. Hier ließe sich - wie

Krattenmaker & Salop antizipieren - einwenden, daß ein Lieferant kein Interesse

daran hat, seinen Umsatz durch den Ausschluß einiger Kunden zu reduzieren31. Um

ihn zur Zusammenarbeit zu bewegen, muß der Etablierte daher die Opportunitäts­

kosten des Zulieferers übernehmen. Dies kann die Profitabilität einer "input market

predation" zwar schmälern, jedoch sehen Krattenmaker & Salop die Rentabilität

dieser Taktik in den meisten Fällen nicht gefährdet. Denn häufig haben Zulieferer

28 Zu diesem Punkt merken Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights, S. 110) an, daß die Be­stechung vertraglich gebundener Lieferanten keine effiziente Gegenstrategie ist: "If rivals must pay the additional cost of admission to avoid cost increases from exclusion, then the admission fees themselves will serve as the cost-increasing devices."

29 Vgl. hierzu oben, S. 159, Fußnote 12.

30 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 111. Krattenmaker & Salop weisen darauf hin, daß eine (Input-)Marktausschließung zwar häufig profitabel sein kann, daß aber der Nutzen, den der Etablierte aus dem Erwerb von Exklusivrechten ziehen kann, die Verluste des Rivalen nicht in jedem Falle übersteigt. Zu den einschränkenden Bedingungen vgl. eben da, S. 111.

31 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109.

Page 178: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

163

bei nur geringen Umsatzeinbußen alternative, branchenfremde Abnehmergruppen,

die nicht unter den Exklusivvertrag fallen32.

Zusammenfassung zum Konzept des Raising rivals' costs:

Inputmarkt-Strategien, welche die Kosten von Konkurrenten steigern, werden von

Salop & Scheffman der Kategorie nichtpreislicher Ve'Xeltungsmaßnahmen zugezählt.

Da sie aber wegen des kurzfristigen Anreizes auch unmittelbar, d.h. noch vor dem

Erfolgen von Marktzutritten ausführbar sind, werden sie hier als Präventivstrategien

begriffen, die der Erhöhung struktureller Barrieren dienen.

Als Erfolgsvoraussetzungen haben sich folgende Bedingungen ergeben: Der betref­

fende Inputmarkt sollte von hohen Eintrittsbarrieren umgeben sein. Ferner sollten

keine gleichwertigen und -günstigen Substitutionsmöglichkeiten bestehen. Und da

eine geeignete kostensteigernde Maßnahme den Herausforderer zwar stärker

benachteiligt, aber auch den Etablierten mit zusätzlichen Kosten belastet, sollte die

Wettbewerbsintensität des betreffenden Outputmarktes nicht so hoch sein, daß die

Zusatzkosten des Etablierten nicht über den Preis weitergegeben werden können33•

Jedoch sollte diese Preiserhöhung für einen potentiellen Newcomer aber nicht aus­

reichen, um seine stärker gestiegenen Kosten kompensieren zu können. Unter diesen

Bedingungen ist die Benachteiligung potentieller Konkurrenten in Inputmärkten eine

profitable Strategie. Sie empfiehlt sich insbesondere für marktbeherrschende

Etablierte, d.h. für Unternehmen mit einem sehr großen Marktanteil, die ein Preis­

kampf in Outputmärkten wesentlich stärker trifft als einen kleinen Herausfordere~.

32 Das Alcoa·Beispiel wieder aufgreifend führen Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights, S. 111) an, daß die vertraglich gebundenen Kraftwerke die nicht an Aluminiumhersteller vertriebene Elek· trizität in anderen Industriezweigen absetzen können. Die Autoren weisen aber auch darauf hin, daß ein "hold·out"-Problem den Erwerb von Exklusivrechten verteuern kann: Wenn nämlich der Etablierte Ausschließlichkeitsbindungen bei einer ganzen Reihe von Lieferanten erwirken muß, besteht für einige von diesen ein Anreiz, den Preis des Exklusivrechts durch dessen Zurückhaltung nach oben zu treiben. Vgl. ebenda, S. 111 f.

33 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 109 f. Denn dann bestünde kein kurzfristiger bzw. unmittelbarer Anreiz zum Ergreifen kostensteigernder Maßnahmen. Diese wären statt dessen mit temporären Verlusten verbunden, die wieder nur mit langfristigen Erträgen zu rechtfertigen wären.

34 Vgl. Krattenmaker & Salop (Exclusionary rights), S. 111.

Page 179: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

164

3.3.2.2. Die Handlungsempfehlungen Porters zur Erhöhung struktureller

Barrieren

Zur strategischen Gestaltung der strukturellen Marktzugangsbedingungen werden in

der Industrieökonomik u.a. die oben nur kurz genannten Modelle der präventiven

Angebotsausdehnung, der antizipativen Eliminierung von Standort- bzw. Transport­

kostenvorteilen und der präventiven FuE und Patentierung diskutiert; ferner das vor­

stehend exemplarisch dargestellte Raising rivals' costs-Konzept, das die relative

Kostenintensität einer Präventiv- oder auch Vergeltungsmaßnahme zugunsten des

etablierten und damit in der Regel größeren Unternehmens umkehrt. Im weiteren

folgt nun wieder die Umsetzung dieser und anderer Industrial Organization-Ansätze

in konkrete Handlungsempfehlungen für das strategische Management eines etablier­

ten Unternehmens, das sich durch potentielle Newcomer herausgefordert sieht.

Dabei werden zunächst (1) die von Porter aufgestellten Prinzipien der Ab­

schreckungsstrategie präsentiert und im Anschluß daran (2) die einzelnen sich an­

bietenden Abschreckungstaktiken.

Ad (1) Prinzipien der Abschreckungsstrategie35

Die Entwicklung einer Abschreckungsstrategie setzt zunächst die genaue Kenntnis der

bestehenden Barrieren voraus, die ein Unternehmen schützen. Denn von deren Höhe

hängt es ab, inwieweit die Position eines Unternehmens bedroht ist. Ferner geben die

vorhandenen Barrieren Aufschluß darüber, welche Strategien ein Herausforderer

anwenden könnte, um sie zu umgehen, und in welchen Bereichen sich Abwehrtak­tiken als besonders wirksam erweisen können.

Um defensive Investitionen gezielt vornehmen zu können ist es sodann erforderlich,

wahrscheinliche Herausforderer und wahrscheinliche Angriffsbahnen im voraus zu erkennen.

Unter bereits bestehenden Konkurrenten können wahrscheinliche Herausforderer aus­

gemacht werden, indem man die Wettbewerber auf ihre Zufriedenheit mit der

augenblicklichen Situation und auf den Grad ihrer Zielerreichung hin untersucht36•

Um die wahrscheinlichsten neuen Konkurrenten zu identifizieren, empfiehlt Porter

35 VgI. nachfolgend Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 629 - 634. Die Quellen und Erfolgsvoraussetzun­gen von Präventivstrategien beschreibt auch MacMillan. Siehe ders. (Initiative) und (Preemptive) oder (Strategies).

36 Die Analysemethode hierzu beschreibt Porter in (Wettbewerbsstrategie), Kapitel 3: Ein System zur Konkurrentenanalyse, S. 78 - 109.

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165

diejenigen Unternehmen zu betrachten, für die der Markteintritt eine logische Erwei­

terung ihrer augenblicklichen Aktivitäten darstellen würde. Hierzu zählen regionale

Konkurrenten in anderen Regionalmärkten; ausländische Unternehmen; Firmen in

vor- oder nachgelagerten Branchen und Unternehmen, die durch den Eintritt in die

Branche Verflechtungen mit anderen Geschäftsbereichen herstellen oder Riegel­stellungen errichten könnten; und schließlich Konkurrenten aus benachbarten Bran­

chen, von denen eine Substitutionsgefahr ausgeht. Wahrscheinliche Angriffsbahnen kann ein Unternehmen bestimmen, indem es sich

fragt, auf welche Art es am besten angegriffen werden kann. Grundsätzlich sind hier

drei Angriffsbahnen denkbar: Eine Neubestimmung des Wettbewerbsfeldes, d.h. der

Eintritt erfolgt z.B. über ein anderes regionales, Produkt- oder Abnehmersegment;

eine Neustrukturierung des Geschäftes, wobei ein Herausforderer entweder die

ganze Wertkette oder aber nur einzelne Wertaktivitäten im Vergleich zu dem

etablierten Anbieter neu gestalten kann; und schließlich eine direkte Konfrontation

durch eine reine Ausgabenstrategie ("pure spending"), bei der sich der Newcomer

nicht um eine Neubestimmung des Wettbewerbsfeldes oder Neustrukturierung der

Wertkette bemüht, sondern den Frontalangriffwählt37.

Hat ein etabliertes Unternehmen die naheliegenden Angriffsbahnen wahrschein­

licher Herausforderer identifiziert, muß es diese abriegeln, um potentielle neue Kon­

kurrenten vom Beschreiten eines der erfolgversprechenden Wege abzuschrecken.

Hierzu sollte es unter den nachfolgend aufgeführten Taktiken zur Erhöhung struktu­

reller Barrieren diejenigen wählen, die in verschiedener Hinsicht am wirksamsten

sind, nämlich: die den potentiellen Herausforderer mit dem größten relativen

Kostennachteil belasten; die von diesem klar erkannt und verstanden werden

können; die sich zielgenau einsetzen lassen, um einen ungewollten Wettbewerbskrieg

mit anderen Konkurrenten zu vermeiden; die dauerhaft wirken und die positive

Nebeneffekte für den Etablierten besitzen, wi.e z.B. erhöhte Werbeaufwendungen,

die möglicherweise einen Umsatzzuwachs nach sich ziehen38.

37 Vgl. zu den Angriffsbahnen im einzelnen Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 647 - 660.

38 Vgl. zu den Bewertungskriterien für Abwehrtaktiken Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 624 ff. Zur Intensivierung der Werbung als Abschreckungsmaßnahme weist Porter darauf hin, daß diese Taktik ihren Verteidigungszweck nur erfüllt, wenn ihr die Abnehmer einen Wert beimessen. Führt sie hingegen nicht zu einer höheren Käuferloyalität, dann hat der gestiegene Werbeaufwand keinen Verteidigungswert, weil ein Herausforderer nicht nachzuziehen braucht. Vgl. ebenda, S. 624 f.

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166

Ad (2) Abschreckungstaktiken

Für den Aufbau oder die Erhöhung struktureller Barrieren, die dazu dienen, die

naheliegenden Angriffsbahnen potentieller Herausforderer zu versperren, empfiehlt

Porter folgende präventive Abschreckungstaktiken39:

Das Schließen von Lücken im Produktprogramm, um einem Herausforderer die

Möglichkeit zu nehmen, einen Brückenkopf zu errichten oder einen Differenzie­rungsvorteil zu erlangen. Hierzu können u.a. mögliche Marktnischen durch ein

erweitertes Produktangebot besetzt werden und alternative Marketingthemen

erschlossen werden. Auch können neue Marken oder Kampfmarken eingeführt

werden, die die Position der Hauptmarke nicht untergraben, wenn es beispiels­

weise für einen hochpreisigen Differenzierer das Segment der Billigprodukte

abzuriegeln gilt.

Das Erschweren des Zugangs zu Vertriebskanälen, z.B. durch Exklusivverträge;

durch das Schließen von Lücken im Produktprogramm, um dem Handel ein voll­

ständiges Sortiment bieten zu können; durch Angebotserweiterungen, um den

Regal- oder Lagerraum des Handels zu verknappen; durch aggressive (Mengen-)

Rabatte auf Gesamtbestellungen, um die Vertriebswege an Probebestellungen bei

neuen Lieferanten zu hindern, etc.

Das Erhöhen der Umstellungskosten für die Abnehmer, z.B. durch produktbezo­

gene Anwendungs- oder Wartungsschulung des Kunden sowie durch gemeinsame Produktentwicklung, um das eigene Produkt in das des Abnehmers zu integrieren.

Die Verteuerung des Zugangs zu Probekäufen, um einem potentiellen Konkur­

renten die Basis zu entziehen, etwa durch selektive Preissenkungen bei denjeni­

gen Produktvarianten, die als erste gekauft werden; durch eine intensivierte Gut­

scheinwerbung und verstärkte Verteilung von Gratisproben an experimentier­

freudige Abnehmergruppen, die am ehesten zu Probekäufen neigen; durch Men­

gemabatte und Sonderangebote, um die Bevorratung der Abnehmer zu erhöhen

und deren Einkaufs- bzw. Bestellhäufigkeit zu verringern; und durch die Voran­kündigung von Preissenkungen oder neuen Produkten, um Abnehmer zu veran­

lassen, ihre Käufe zurückzustellen.

Die defensive Steigerung von Größenersparnissen, insbesondere durch ein

erhöhtes Ausgabenniveau bei Aktivitäten mit Fixkostencharakter, bei denen der

Newcomer gleichziehen muß, die gestiegenen Kosten aber nur über eine gerin-

39 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 610 - 617. Zu einem Beitrag mit zahlreichen Praxisbeispielen gelungener Präventivstrategien siehe auch James (Deterrence).

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167

gere Absatzmenge amortisieren kann. Hier kommen z.B. höhere Werbeaufwen­

dungen, höhere FuE-Aufwendungen oder eine Verkürzung des Modellebens­

zyklus (bei Produkten mit fixen Entwicklungskosten) in Betracht.

Die defensive Steigerung des Kapitalbedarfs, z.B. durch erhöhte Finanzierungs­

leistungen für Händler und Abnehmer; durch verbesserte Garantiebedingungen

oder Rückgaberechte; und durch verkürzte Lieferzeiten, welche die Kapitalbin­dung im Lager erhöhen oder Überkapazitäten erforderlich machen.

Die Verhinderung alternativer Technologien, mit denen sich ein Newcomer einen

Vorteil verschaffen könnte, z.B. durch deren präventive Patentierung; durch Aus­

senden von Marktsignalen, die alternative Technologien in Mißkredit bringen;

und durch eine Vorbereitung auf Alternativtechnologien, um etwaigen Heraus­

forderern zu demonstrieren, daß sie sich keinen Wettbewerbsvorteil erhoffen

können, da man jederzeit selbst auf die neue Technologie übergehen könnte.

Den Schutz des unternehmenseigenen Know how vor Verbreitung, etwa durch

EigenersteIlung oder Modifikation von Produktionsanlagen; durch vertikale Inte­

gration in Schlüsselkomponenten, um die Weitergabe von Know how an Lieferan­

ten zu vermeiden; sowie durch striktes Patentieren von Erfindungen und durch

Prozesse gegen alle Patentverletzungen.

Den Zugang zu den besten Inputquellen versperren, z.B. durch Exklusivverträge

mit Lieferanten, durch Rückwärtsintegration sowie durch eine teilweise oder voll­

ständige Übernahme von Zulieferern; durch den präventiven Kauf wichtiger Roh­

stoffstandorte; durch den Aufbau von Umstellungskosten bei Lieferanten und

durch Abschließen langfristiger Beschaffungsverträge, um die Kapazitäten der

Lieferanten zu binden.

Die Steigerung der Inputkosten von Wettbewerbern durch Vermeiden solcher

Lieferanten, die bereit sind, auch potentielle Konkurrenten zu bedienen, um die

Weitergabe von Betriebsgrößenersparnissen über Zulieferer an neue, kleine

Anbieter zu verhindern; ferner durch ein "Preistreiben" bei Rohstoff- und Lohn­

kosten, wenn diese bei den Konkurrenten einen höheren Prozentsatz aus­machen4O•

Das Vorantreiben defensiver Verflechtungen mit verwandten Unternehmens­

bereichen, um den Wettbewerbsvorteil eines wahrscheinlichen Herausforderers

40 Das Beispiel der Lohnkostensteigerung durch den Abschluß branchenweiter Tarifverträge führen auch Salop & Scheffman (Raising, S.267) unter Verweis auf Williamson (Wage) an: Eine al1ge­meine Lohnerhöhung bedeutet für arbeitsintensive Unternehmen einen höheren Kostenanstieg als für stärker automatisierte kapitalintensive Firmen.

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168

zu kompensieren, der beim Markteintritt eine Verflechtung nutzen könnte41•

Darüber hinaus kann die Realisierung einer Verflechtung, der ein potentieller

Konkurrent nichts entgegenzusetzen hat, den Kosten- oder Differenzierungs­

vorteil ausbauen.

Das Fördern jeder staatlichen Politik, die durch Vorschriften zu Umweltschutz,

Produktsicherheit und Arbeitsschutzmaßnahmen etc. die größenabhängigen

Zutrittsschranken sowie die Kapitalbedarfsbarrlere steigert.

Und schließlich die Bildung von Koalitionen mit anderen Anbietern, um gemein­

sam z.B. alternative Technologien zu verhindern oder Marktnischen abzudecken.

Zusammenfassung zur strategischen Gestaltung der Marktzutrittsbedingungen einer

Branche:

Den Ausgangspunkt für die Diskussion theoretischer Modelle zur Abschreckungs­

und Vergeltungsstrategie bildete die intuitive Vorstellung Bains, daß ein Zusammen­

hang zwischen dem Limitpreis und dem post-entry-Preis besteht, oder allgemeiner,

daß das pre-entry-Verhalten etablierter Unternehmen für die Bestimmung ihrer

Eintrittsreaktionen aufschlußreich ist. Den konkreten Anlaß gab dann die Kritik von

McGee, die das Androhen von Vergeltungsmaßnahmen - also auch die Festsetzung

von Sperrenpreisen - als ein irrationales Unterfangen herausstellt und damit auf die

Begründungsdefizite der Limitpreis-Theorie hinweist. Diese Defizite werden - wie

gezeigt - durch folgende Erklärungsansätze behoben: durch die Signaling-Konzepte,

die Reputation-Modelle und den Commitment-Ansatz. Hiermit ist es schließlich

gelungen, Vergeltungsmaßnahmen und -drohungen als rationale und glaubwürdige

strategische Spielzüge etablierter Anbieter zu begründen, mittels derer die Reak­

tionserwartungen potentieller Newcomer beeinflußt werden können. Sodann wurde

mit Porter die "Übersetzung" dieser industrieökonomischen und spieltheoretischen

Konzepte in konkrete Handlungsempfehlungen für das strategische Management

eines etablierten Unternehmens präsentiert. Diese Vorgehensweise wiederholte sich

anschließend bei den präventiven Abschreckungsmaßnahmen zur Erhöhung struktu­

reller Eintrittsbarrieren: Zunächst wurde mit dem Raising rivals' costs-Konzept

exemplarisch ein neuerer Ansatz dieser Gruppe vorgestellt. Dem folgte wieder

Porters Umsetzung der industrie ökonomischen Modelle zu den Präventivmaßnah­

men in eine praktische Handlungsanleitung.

41 Hierzu kann auch der Eintritt in neue Geschäftsfelder erforderlich sein.

Page 184: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

169

Die Ausführungen zur strategischen Gestaltung der Marktzutrittsbedingungen

beschließt nun nachstehend ein Fallbeispiel Porters zu den Abschreckungs- und Ver­

geltungsmaßnahmen gegen neue Wettbewerber. Diese Fallstudie zur amerikanischen

Wegwerfwindelbranche im Jahr 1974 veranschaulicht eine Vielzahl der oben genann­

ten Taktiken der Eintrittsabwehr. Sie wird angeführt, weil in der weiter unten folgen­

den eigenen Untersuchung zu den Eintrittsbarrieren des Mikrocomputermarktes die

Vergeltung und Abschreckung kein herausragendes Problem für neue Konkurrenten

darstellt. Dies liegt an den besonderen Bedingungen der Branche und des Marktfüh­

rers IBM, die den befragten Newcomern die Vergeltungsgefahr als gering erscheinen

ließen. Des weiteren betrifft Porters Fallstudie eine Konsum- und Verbrauchsgüter­

industrie, in der sich ein reichhaltigeres Spektrum an Aktionsparametern für Abwehr­

taktiken bietet, als dies in einer (konsumnahen) Gebrauchsgüterindustrie wie der

Mikrocomputerbranche der Fall ist: Dort ist beispielsweise die Möglichkeit der Behinderung von Konkurrenten in Testmärkten nicht gegeben. Ebenso nicht die

eines weitreichenden "leapfrogging", das sich mit Rücksicht auf die Software-Investi­

tionen der Anwender verbietet42.

3.3.3. Die amerikanische Wegwerfwindelbranche im Jahr 1974: Eine Fallstudie

Porters zu Abschreckungs- und Vergeltungsmaßnahmen43

Als Procter & Gamble (P&G) im Jahr 1966 im mittleren Westen der USA mit dem

Aufbau eines nationalen Vertriebsnetzes begann, war der spätere Marktführer nicht

der einzige Anbieter von Wegwerfwindeln. Firmen wie Chicopee Mills (ein Unter­nehmen von Johnson & Johnson), Kendall und Parke-Davis waren bereits im Markt

vertreten. Allerdings setzten sie Wegwerfwindeln als ein teures Spezialprodukt -hauptsächlich zur Verwendung auf Reisen - über Drogerien an Käufer mit hohem

Einkommen ab und erreichten so nur eine minimale Marktdurchdringung. Procter &

Gamble erkannte nach einem ersten Markttest im Jahr 1962 die Chance, Wegwerf-

42 Eine instruktive empirische Untersuchung zu den defensiven (und offensiven) Maßnahmen der Eastman Kodak Co., die die Entscheidungsprozesse von DuPont als pntentiellem Newcomer im Markt für Farbumkehrfilme so beeinflußten, daß der Herausforderer auf den geplanten Marktein­tritt verzichtete, enthält Levin (Entrant), S.35 - 92. Levin analysiert die Eintrittsbarrieren dieses Marktes, beschreibt DuPonts Ausgangsposition sowie Eintrittspläne und -motive, stellt die Reak­tionen von Kodak nach der Ankündigung des Markteintrittes dar und beleuchtet die Gründe, die DuPont zur Aufgabe des Projektes bewogen haben. Eine umfassende Untersuchung der Strategien zur Eintrittsabschreckung in drei anderen Industriezweigen (der Zitronengetränke-, Titandioxid­sowie Aluminiumindustrie ) findet sich bei Rosenbaum (Study).

43 Vgl. hierzu Porter (Cases), Kap. 9: The disposable diaper industry in 1974, S. 143 - 167, sowie die Falldiskussion bei Porter (Strategie interaction), S. 463 ff.

Page 185: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

170

windeln als ein billiges Massenprodukt zu vermarkten und entwickelte ein Massenfer­

tigungsverfahren, das einen Ausstoß von bis zu 400 Windeln pro Minute bei entspre­

chend verringerten Kosten ermöglichte.

Etwa zur gleichen Zeit wie Procter & Gamble erkannten Unternehmen wie Borden,

Scott Paper und International Paper die Marktchancen preiswerterer Wegwerfwin­

deIn. Jedoch setzten sie auf die falsche Produkttechnologie, nämlich auf die damals in

Europa gebräuchliche zweiteilige Ausführung, bestehend aus einer wiederverwend­

baren Plastikhose und einer Wegwerfeinlage. Dieses Prinzip konnte sich in den USA

gegenüber der einteiligen Windel von Procter & Gamble nicht durchsetzen und alle

drei Wettbewerber zogen sich Anfang der 70er Jahre damit aus dem Markt zurück.

Bis dahin konnte Procter & Gamble seinen Marktanteil von 50 % im Jahr 1967 suk­

zessive auf den Höchstwert von 92 % im Jahr 1970 steigern und sein Vertriebsnetz

landesweit ausbauen.

Aufgrund des schnellen Anfangserfolges und des Scheiterns der Konkurrenten war es

Procter & Gamble in diesen vier Jahren möglich, die Marktstruktur nachhaltig zu

prägen, insbesondere durch den Aufbau von Eintritts- und Mobilitätsbarrieren44• Der

auf 15 % geschätzte Kostenvorteil von Procter & Gamble gegenüber einem Heraus­

forderer, der seine langfristige Marktposition bereits eingenommen hat, und der noch

wesentlich höhere Vorteil gegenüber einem Newcomer, der sich noch auf dem Weg

dorthin befindet, resultiert aus folgenden Punkten45:

Aus einer steilen unternehmens eigenen Lernkurve in der Fertigung und Pro­

duktentwicklung.

Aus größenbedingten Kostenvorteilen in Bereichen wie Forschung, Vertrieb,

Werbung und Transport. So verlief z.B. die technologische Weiterentwicklung

nach dem Durchbruch zur einteiligen Windel nur noch inkremental und war mehr

eine Funktion des FuE-Aufwandes denn der Kreativität oder des Zufalls. Daher

bildeten die FuE-Aufwendungen für Produkt- und Prozeßverbesserungen (bei

P&G ca. 10 Mio. Dollar p.a.) einen fixen Kostenbestandteil, der unabhängig von

der Unternehmensgröße erforderlich war, um in der Branche schritthalten zu

können. Dies gereichte dem Marktführer zu einem größenbedingten Vorteil, da

dieser seine Fixkosten auf ein hohes Absatzvolumen umlegen konnte46• Wesent­

liche größenabhängige Kostenvorteile konnte Procter & Gamble auch im Ver-

44 VgI. Porter (Strategie interaetion), S. 487 f.

45 VgI. Porter (Strategie interaetion), S. 464.

46 VgI. Porter (Strategie interaction), S. 487, Fußnote 35.

Page 186: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

171

sand durch eine volle Kapazitätsausnutzung erzielen: 1974 war der Branchen­

führer als einziges Unternehmen in der Lage, an einen Vertriebskanal eine volle

Lkw- oder Güterwaggonladung zu verfrachten - entweder nur aus Windeln beste­

hend oder aber in Kombination mit anderen Konsumgütern für denselben Händ­

ler. Bei der Fernsehwerbung konnte sich Procter & Gamble aufgrund der landes­

weiten Verbreitung nationaler Sendeanstalten bedienen. Gegenüber lokalen

Fernsehsendern, auf die die noch regional beschränkten Newcomer zurückgreifen

mußten, lagen die Kosten je erreichbarem Haushalt um 20 bis 40 Prozent

niedriger.

Aus absoluten Kostenvorteilen, z.B. beim Zugang zu knappen Rohstoffen oder

bei der Verteilung von Warenproben in Krankenhäusern durch die Zusammen­

arbeit mit dem Marktführer Gift Pax:.

Durch diese größenbedingten und absoluten Kostenvorteile sowie durch andere "first

mover"-Vorteile (wie Produktdifferenzierung) geschützt befand sich Procter &

Gamble in einer günstigen Position gegenüber potentiellen Newcomern. Trotz der

hohen strukturellen Barrieren erwogen aber einige Unternehmen aus defensiven und

offensiven Gründen den (Wieder-)Eintritt in den Wegwerfwindelmarkt. So konkur­

rierten Kimberly-Clark und Scott Paper mit Procter & Gamble auf dem Markt für

Gesichtstücher und Papierhandtücher, wo Procter & Gamble auf eine Marktanteils­

steigerung aus war. Um ebenfalls die Möglichkeit der Kostenaufteilung in den Berei­

chen Transport, Vertrieb und Einkauf zu besitzen, mußten diese beiden in ihren

angestammten Märkten von P&G hart bedrängten Firmen aus defensiven Gründen

im Wegwerfwindelmarkt präsent sein. Und für Johnson & Johnson - der Name dieses

Unternehmens galt als Synonym für Baby - stellten Wegwerfwindeln ein interessantes Diversifikationsfeld dar, auf das man den Markennamen übertragen konnte und in

dem sich Synergien im Vertrieb etc. nutzen ließen. Außerdem stellten Wegwerfwin­deln den einzigen schnell wachsenden Markt im Bereich der Babypflegeartikel dar

und Johnson & Johnson mußte ferner mit der Möglichkeit rechnen, daß Windelher­steller umgekehrt in die eigenen Märkte eindringen könnten47.

Bis 1974 hatte sich die Wegwerfwindelbranche zu einer der größten Konsumgüter­

branchen in den USA entwickelt: Bei einem Umsatzwachstum von über 25 % p.a.

betrug das Marktvolumen 1973 370 Mio. Dollar. Zu diesem Zeitpunkt wurde die

Branche von Procter & Gamble mit einem Marktanteil von 69 % beherrscht. Der

Branchenführer, der 1966 mit der Einführung seiner Windeln der Marke "Pampers"

47 Vgl. Porter (Strategie interaetion), S. 469 f.

Page 187: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

172

begonnen hatte und nach drei Jahren einen landesweiten Vertrieb aufgebaut hatte,

war 1974 als einziges Unternehmen national vertreten. Kimberly-Clark (Marke: "Kimbies") näherte sich 1974, sechs Jahre nach dem Markteintritt, einer landesweiten

Verbreitung an und verfügte über einen Marktanteil von ca. 15 %. Johnson & Johnson

- außer bei Wegwerfwindeln der führende Hersteller von Nonfood-Babypflege­

artikeln - hatte sich 1971 auf die Errichtung eines großen Werkes für die Windelpro­

duktion festgelegt, das 1973 in Betrieb genommen wurde. Ein zweites Werk war

angekündigt, in dem 1975 mit der Produktion begonnen werden sollte. Seit Mitte 1972 war die qualitativ sehr hochwertige Markenwindei "Johnson's" auf dem Markt

mit beachtlichem Erfolg getestet worden - hauptsächlich zu Lasten der "Pampers".

Der Marktanteil von Johnson & Johnson betrug 1973, im Jahr der Produktions auf­

nahrne, zwei Prozent. Kendall, ein langjähriger Anbieter von Stoff- und Wegwerfwin­

deIn, der 1972 vom führenden Konsumgüterhersteller Colgate-Palmolive übernom­

men worden war, hatte 1971 eine zweite, verbesserte Wegwerfwindel unter einem

neuen Markennamen ("Curity") in sein Sortiment aufgenommen. Nach erfolgreichen

Jahren zwischen 1969 und 1972 stagnierte der Umsatz jedoch 1973. Im Markttest

befanden sich 1974 Union Carbide und Scott Paper. Union Carbide, ein großer

Chemiekonzern, leitete 1974 ein Diversifikationsprogramm in den Konsumgüter­

bereich ein. Im gleichen Jahr wurde die innovative Markenwindel "Drydees", die den

"Pampers" qualitativ überlegen war, einem Markttest unterzogen. Union Carbide

erreichte damit einen hohen Marktanteil im Testmarkt und schien für den Aufbau

eines landesweiten Produktions- und Vertriebsnetzes bereit. Scott Paper, ein führen­

der integrierter Hersteller von Papierprodukten, war mit seiner "Baby Scott"-Linie

frühzeitig in den Wegwerfwindelmarkt eingetreten. Diese Produktlinie mußte 1971

eingestellt werden, ebenso wie das Nachfolgeprodukt "Raggedy Ann/Andy", das nach

einem erfolglosen Markttest im Jahr 1972 zurückgezogen wurde. 1974 testete Scott

Paper eine weitere Wegwerfwindel namens "Scott Tots". Neben diesen Herstellern

von Markenwindein produzierte eine Reihe von Firmen, darunter Weyerhaeuser und

Georgia-Pacific, für Handelsmarken. Dieses Segment hielt 1973 einen Anteil von 9 % am gesamten Branchenvolumen.

Als mögliche Abschreckungs- und Vergeltungsschritte, die Procter & Gamble gegen die erst kürzlich eingetretenen und noch nicht landesweit vertretenen Konkurrenten oder

gegen die noch im Markttest befindlichen Herausforderer unternehmen könnte, dis­

kutiert Porter die in Abb. 12 zusammengestellten Maßnahmen, die er auf ihre rela­tive Kostenwirkung für P&G und für einen Newcomer hin untersucht48.

48 Vgl. Porter (Strategie interaetion), S. 499 - 502 und S. 479 f.

Page 188: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

Maßnahme

MARKTSIGNALE:

1. Signalisieren einer Verpflichtung, die eigene Position zu verteidigen

2 _ Patentklage

3 . Ankündigung einer geplanten Kapazitäts­erweiterung

4. Ankündigung einer neuen Produktgene­ration, die in Zukunft eingeführt wird

173

Kosten für P8.G

keine

Prozeßkosten

keine

keine

Kosten für einen Newcomer

Wahrscheinlichkeit und Ausmaß einer Vergel­tung werden höher er­wartet und die Eintritts­kosten höher perzipiert.

Prozeßkosten plus Fol­gekosten, wenn P&G gewinnt.

Erhöht das Risiko einer Preissenkung und die Wahrscheinlichkeit einer Vergeltung.

Die zu erwartenden Eintrittskosten steigen durch erneute Kosten für Produktentwicklung und Produktionsum­stellung.

I---------------------~~-------------------~-------------------

KAPAZITÄT:

5. Aufbau von Überka­pazitäten On Antizi­pation der Nachfrage)

6. Schnelle Errichtung eines Werkes an der Westküste

Barwert der Investition in Überkapazitäten

Barwert der Investition in den schnellen Bau und in Über kapazitäten

Das Risiko einer Preis­senkung und Vergeltung steigt.

Wirkt einer guten Ein­trittsstrategie in eine Region entgegen, in der P&G nicht vertreten war - keine Minimierung des Kostennachteils möglich.

Abb.12: Das Spektrum der Abschreckungsmaßnahmen für P&G im amerika­nischen Wegwerfwindelmarkt

Quelle: Nach Porter (Strategie interaction), S. 499 - 502

Page 189: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

Maßnahme

7. Preissenkung

8. Preissenkung bei der "Newborn"-Windel

g. Forcierung der Ra­battgutscheine oder Warenproben in T estmärkten

10. "Überschwemmen" der Konsumenten mit großen Economy­Packungen in den Einführungsmärkten neuer Wettbewerber ( - hohe 8evor­ratung)

174

Kosten für P8.G

allgemeine Umsatze in­bußen

Die Maßnahme konzen­triert sich auf die erste Windel - die Kosten der Preissenkung fallen gegenüber (7.) geringer aus.

Die Preissenkung bleibt auf Testmärkte der Newcomer .beschränkt; dort aber Umsatzein­bußen (größer als der Durchdringungseffekt) .

Einbußen bei einem Teil der Umsätze - wahr­scheinlich bei preissen­siblen Kunden, die ein Ans atzpunkt für die Konkurrenz wären.

Kosten für einen Newcomer

Gleicher proportionaler Umsatzrückgang, die absoluten Einbußen sind jedoch geringer.

Die Kosten der Gewin­nung einer wichtigen Zielgruppe steigen.

Das Risiko des Markt­tests steigt, aber Um­satzzuwachs durch neue Erstkäufer (im Gegen­satz zu P&G).

Das Ausprobieren des neuen Produktes wird behindert- die Kosten für die Schaffung von Anreizen steigen stark.

~----------------~------------------~--------------------

WERBUNG:

11. Nationale Intensivie­rung der Fernseh­werbung

12. Intensivierung der re­gionalen/lokalen Wer­bung in Testmärkten

Die Kosten für zusätz­liche Werbung verteilen sich auf ein hohes Ab­satzvolumen.

wie oben, jedoch auf Testmärkte begrenzt

- Kostennachteile, wenn keine nationale TV­Werbung möglich;

- Der Werbeetat ist in gleichem Umfang auf­zustocken, um die re­lative Position zu sichern; jedoch Umla­ge auf ein kleineres Absatzvolumen;

wie oben, jedoch keine Nachteile aufgrund feh­lenden Zugangs zu nationalem TV

Abb. 12 (b): Das Spektrum der Abschreckungsmaßnahmen für P&G im amerika­nischen Wegwerfwindelmarkt

Page 190: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

175

Maßnahme Kosten für P8.G Kosten für einen Newcomer

PRODUKT:

13. Blockieren des Test- Kosten der Produktent- - glaubhafte Gefahr, daß marktes durch den wicklung und des Markt- die neue Windel lan-Test eines Neupro- tests desweit ausgeliefert duktes (1. Priorität: wird, wenn ein Ein-Premium-Windel; tritt erfolgt; 2. Priorität: Billig- - ··Premium"-Eintritts-Windel) strategie wird er-

schwert;

14. Einführung dieser Markteinführungskosten - Produktdifferenzie-Windel rungskosten steigen;

- Möglichkeit einer di-rekten Vergelung;

15. Einführung einer Die Fixkosten der Pro- - höherer Fixkostenan-neuen Produktgene- duktentwicklung und teil je Stück; ration der bisherigen Fertigungsumstellung - Risiko, daß zukünftige Windel verteilen sich auf ein Produktgener ationen

großes Volumen. die getätigten Inve-stitionen obsolet machen;

AUSTRITTSBARRIEREN:

16. Erhöhung der Aus- Die eigenen Kosten für Glaubhafte Drohung, daß trittsbarrieren durch den Fall des Scheiterns der Marktführer seine Investitionen in Spe- steigen. Position verteidigen wird. zialanlagen, langfri-stige Beschaffungs-kontrakte etc.

MULTIPLE WETTBEWERBSPLÄ1ZE:

17. Querparaden auf ge- ? ? meinsamen Märkten

Abb. 12 (c): Das Spektrum der Abschreckungsmaßnahmen für P&G im amerika­nischen Wegwerfwindelmarkt

Page 191: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

176

Aktionsparameter Marktsignale: Zur Verhinderung eines Markteintrittes oder einer

Positionsverbesserung könnte P&G zunächst Marktsignale aussenden, z.B. indem

man eine Patentverletzungsklage anstrebt. Dies ist für P&G lediglich mit den

Prozeßkosten verbunden, für den Herausforderer hingegen zusätzlich mit den Folge­

kosten, die anfallen, wenn P&G mit der Klage erfolgreich sein sollte49. Werden die

Signale hingegen in Form öffentlicher Ankündigungen verbreitet, ist dies für P&G

nicht mit Kosten verbunden. Für einen Newcomer steigt indes das Risiko, daß die

signalisierte Maßnahme - z.B. eine geplante Kapazitätserweiterung oder Neupro­

dukteinführung - tatsächlich ausgeführt wird. Aufgrund dieser Gefahr werden mög­

licherweise die Eintrittskosten höher perzipiert.

Aktionsparameter Kapazität: Macht P&G seine Ankündigung der Kapazitätsausdeh­

nung in Antizipation der Nachfrage wahr, hat das Unternehmen als Kosten dieser

Abschreckungsmaßnahme den Barwert der Investitionen in Oberkapazitäten zu ver­

anschlagen. Für einen Newcomer bedeutet dieser Schritt ein gestiegenes Risiko der

Preissenkung und Vergeltung. Errichtet P&G die neuen Kapazitäten an der West­

küste und forciert sie den Aufbau dieses Werkes, fallen zusätzlich die Kosten für die

beschleunigte Abwicklung an. Damit riegelt P&G aber eine Angriffsbahn ab, nämlich

den Markteintritt über eine Region, in der man bisher nicht mit einer Produktions­

stätte vertreten ist50. Dem Newcomer ist es daher nicht mehr möglich, gegenüber P&G einen Standort- und Transportkostenvorteil zu erlangen, um auf diese Weise seinen gesamten Kostennachteil zu verringern.

Aktionsparameter Produkt: Auf der Produktseite könnte die Ankündigung einer Neu­

einführung ebenfalls in die Tat umgesetzt werden. Auf diese Weise könnte zunächst

der Testmarkt eines Herausforderers blockiert werden. Hierfür eignet sich vorzugs­

weise eine hochqualitative Premium-Windel, die P&G noch zu entwickeln hätte.

Damit könnte wieder eine Angriffsbahn versperrt werden, über die Union Carbide

und Johnson & Johnson in ihren Testmärkten bereits Erfolge erzielen. Außerdem

bestünde für diese Unternehmen dann die glaubhafte Gefahr, daß die neue Windel

landesweit ausgeliefert wird, wenn ein Markteintritt erfolgt. Dies hätte für die New­

comer zur Folge, daß ihre Differenzierungskosten steigen und nunmehr auch eine direktere Vergeltung möglich ist.

49 Procter & Gamble wurde 1%1 das Patent erteilt. In den späten 60er Jahren drohte P&G mit einer Patentklage gegen die geplante Markteinführung der "J ohnson's" -Windel, wodurch der Marktein­tritt von Johnson & Johnson einige Jahre hinausgezögert wurde. Auch gegen Weyerhaeuser, einen Handelsware-Hersteller, wurde ein Verfahren wegen Patentverletzung eingeleitet. Vgl. Porter (Cases), S. 152.

50 Procter & Gamble produzierte die "Pampers" 1974 in vier Werken. Ein fünftes war bereits für Kalifornien geplant. Vgl. Porter (Cases), S. 152.

Page 192: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

177

Aktionsparameter Preis: Durch eine generelle Preissenkung hätte P&G hohe

Umsatzeinbußen zu verzeichnen, die bei einem Newcomer - trotz eines gleichen

proportionalen Rückgangs - absolut gesehen geringer ausfallen. Durch eine Preis­

reduzierung nur bei der "Newborn"-Windel fallen die Einbußen für P&G geringer

aus. Da es sich bei dieser Windel um diejenige Variante handelt, in die neugeborene

Babies gewickelt werden und mit der eine Mutter daher zuerst in Kontakt kommt,

steigen für einen Newcomer die Kosten der Gewinnung einer wichtigen Zielgruppe.

Auch durch eine Forderung von Rabattgutscheinen oder Warenproben kann einer­

seits das Ausmaß der Umsatzeinbußen beschränkt, andererseits potentiellen New­

comern die Basis entzogen werden. Dies bewirkt auch ein "Überschwemmen" der

Konsumenten mit günstigen Großpackungen: Für diesen Fall entstehen Einbußen

nur bei einem Teil der Umsätze - wahrscheinlich bei preissensiblen Abnehmern, die

einen Ansatzpunkt für potentielle Konkurrenten darstellen könnten. Deren Kosten

zur Schaffung von Anreizen für Probekäufe steigen damit stark an.

Aktionsparameter Werbung: Schließlich könnte P&G in Testmärkten die Fernseh­

werbung über regionale oder lokale Sender intensivieren. Für Newcomer, die zur

Sicherung ihrer relativen Position ihr Werbebudget in gleichem Umfang aufstocken

müssen, führt dies zu einem größenbedingten Kostennachteil, denn die zusätzlichen

Aufwendungen verteilen sich auf ein geringeres Absatzvolumen. Einen noch größe­

ren Vorteil erlangt P&G durch verstärkte nationale Werbekampagnen, wenn New­

comer mangels landesweiter Marktpräsenz nur über regionale Medien antworten können51.

Schlußbemerkung zur Fallstudie über die amerikanisehe Wegwerfwindelindustrie im Jahr

1974:

Das vorgestellte Fallbeispiel Porters zu den möglichen Abschreckungs- und Vergel­

tungsstrategien, die Procter & Gamble ergreifen könnte, verdeutlicht nochmals zwei

bereits vorgetragene, theoretisch bedeutsame Aspekte:

Zum einen die Tatsache, daß - entgegen der Behauptung McGees - Vergeltungsmaß­

nahmen den Marktführer nicht grundSätzlich mehr schädigen als den Herausforderer.

Denn durch nichtpreisliche Reaktionen oder Präventivstrategien kann insbesondere

der größenabhängige Kostennachteil eines Newcomers gesteigert werden. Aber auch

beim Einsatz des Aktionsparameters Preis kann durch eine gezielte Preissenkung der

51 Ein anderes instruktives Beispiel bildet die Verteidigung der General Foods Corporation (Marke: Maxwell House) gegen ihren Herausforderer auf dem amerikanischen Kaffeemarkt, nämlich die Folger Coffee Co., eine Division von Procter & Gamble. Zu einer Darstellung der von Maxwell House ergriffenen Maßnahmen vgl Hilke & Nelson (Noisy advertising), S. 368 - 370.

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178

Umsatzrückgang begrenzt werden, z.B. wenn diese Maßnahme auf bestimmte regio­

nale Märkte, Produktsegmente und Abnehmergruppen beschränkt werden kann. So

könnte sich P&G beispielsweise in den Test- oder Einführungsmärkten eines Heraus­

forderers auf eine Preisreduzierung bei der "Newborn"-Windel konzentrieren, die in

Form von großen Sparpackungen vorgenommen wird, so daß insbesondere die preis­

sensible Käuferschicht abgeriegelt wird. Zum anderen zeigt die Fallstudie deutlich, daß ein Markteintritt einen Prozeß über

einen längeren Zeitraum darstellt und nicht unwiderruflich in einem Zeitpunkt

erfolgt. Denn alle Hersteller von Wegwerfwindeln führten bei Neueinführungen oder

gravierenden Produktveränderungen umfangreiche Markttests durch, die in der

Regel zwischen 6 und 12 Monate dauern. Außerdem betrug die Vorlaufzeit für

Bestellung, Installation und Modifikation einer Windelproduktionsstraße 12 bis 18

Monate52• Und da zur Reduzierung der Transportkosten fünf dezentrale Werke

erforderlich waren, wurde der landesweite Vertrieb erst nach ca. sechs Jahren

erreicht53•

52 Denn um mit den zugekauften Spezialmaschinen wirtschaftliche Produktionsgeschwindigkeiten zu erreichen und um die Anlagen auf die produktspezifIschen Besonderheiten abzustimmen, mußten von den Windelherstellern selbst noch wesentliche Änderungen vorgenommen werden. Die Produktion von Windeln war so schwierig, daß eigentlich alle Hersteller Probleme bei der Bewälti­gung des Fertigungsprozesses hatten. Vgl. Porter (Cases), S. 149. Während dieser Lernphase sind neue Konkurrenten daher besonders anfällig für Vergeltungsmaßnahmen, z.B. für ein "leap­frogging", das sie gleich wieder zu einer Prozeßumstellung zwingt.

53 Vgl. Porter (Strategie interaction), S. 487, Fußnote 34.

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179

3.4. Heterogene Unternehmens strategien und das Konzept strate­gischer Gruppen: Gruppenspezifische MobiIitätsbarrieren statt branchenweiter Eintrittsbarrieren

Mit den theoretischen Erklärungsansätzen der neueren Industrial Organization, die -

zusammen mit einer Transformation in Handlungsanleitungen - im vorstehenden Kapitel 3.3. dargelegt wurden, ist ein zentraler Schritt beim Übergang von einem

strukturalistischen zu einem strategischen Eintrittsbarrierenkonzept bereits bewältigt.

Allerdings wird damit dem unternehmensstrategischen Moment noch nicht hinrei­

chend Rechnung getragen, weshalb eine Verfeinerung des branchenweiten Ansatzes

erforderlich wird. Denn durch die Einbeziehung von Etablierten und Newcomern als

strategische Akteure in die bei Bain noch von Verhaltensannahmen geprägte Theorie

der Eintrittsverhinderung sind strategische Handlungsweisen, die entweder der

Erhöhung struktureller Barrieren oder der Einflußnahme auf die Reaktionserwar­

tungen potentieller Newcomer dienen können, zwar grundsätzlich berücksichtigt.

Jedoch wird der im Business Policy-Konzept betonte Aspekt der Heterogenität der

einer Branche angehörenden Firmen, d.h. die je spezifische Situation einzelner Unter­

nehmen vernachlässigt. Dies wirft erneut die bereits in den Anfängen der Industrial

Organization kontrovers diskutierte Frage nach der geeigneten Untersuchungsebene

auf54: Nach dem Übergang vom firmenbezogenen zum industriebezogenen Ansatz

der Marktstrukturanalyse in den 30er und 40er Jahren verlagerte sich ab den 70er

Jahren mit der Analyse strategischer Gruppen55 die Betrachtungsebene zurück in

Richtung einzelner Firmen, ohne dadurch die Branche in ihrer Bedeutung für strate­

gische Entscheidungen völlig zurückzudrängen: Das Konzept der strategischen Grup­

pen besagt für die inhaltliche Theoriebildung lediglich, daß für die zwar einem Indu­

striezweig angehörenden, aber heterogenen Unternehmen die Branche nicht den

"kleinsten gemeinsamen Nenner" darstellt. Vielmehr existiert darunter noch eine

weitere Ebene für die inhaltliche Konkretisierung einer generellen Theorie der

Unternehmensstrategie, die oberhalb von Einzelfallanalysen angesiedelt ist.

Im folgenden wird nun der Heterogenitätsaspekt von Unternehmensstrategien in der

Business Policy und Industrial Organization beleuchtet, der zur Herausbildung des

Konzeptes strategischer Gruppen führte. Dieses besagt für das gesamtwirtschaftliche

Marktergebnis, daß nicht allein die Zahl der Marktteilnehmer bzw. der Konzentra-

54 VgI. hierzu oben, S. 32 ff.

55 Eine strategische Gruppe bilden diejenigen Unternehmen einer Branche, die - gemessen an den zentralen strategischen Dimensionen - die gleiche oder eine ähnliche Strategie verfolgen. Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 177.

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180

tionsgrad einer Branche für das Ausmaß der Wettbewerbsintensität von Bedeutung

ist, sondern auch die Verschiedenartigkeit der Wettbewerbsstrategien, die sich auf

die Kollusionsmöglichkeit innerhalb der Branche auswirkt. Auf das einzelne Unter­

nehmen bezogen wurde dieser Ansatz von Porter zur Theorie der Gewinndeter­minanten einer Firma ("theory of firm profit determination") weiterentwickelt, die

sodann präsentiert wird. Schließlich werden die Konsequenzen der Unterteilung

einer Branche in von Mobilitätsbarrieren umgebene strategische Gruppen für die

Theorie der Eintrittsverhinderung dargelegt, die bereits oben - im Zusammenhang mit dem prozessualen Charakter von Marktzutritten (stufenweiser Eintritt) -

angesprochen wurden.

3.4.1. Die Annäherung der Business Policy und der Industrial Organization in der

Frage der Homogenität bzw. Heterogenität der Marktteilnehmer und Unter­

nehmensstrategien

Das Konzept der Business Policy, das den atheoretischen Ursprung der Lehre von

der Unternehmensstrategie darstellt, geht von einzigartigen Unternehmen aus und

sieht in der Strategieformulierung eine stark situationsspezifische Aufgabe. Dem­

gegenüber negierte die Industrial Organization die Unterschiede zwischen einzelnen

Unternehmen weitgehend und betrachtete die Branche als eine Gesamtheit homo­

gener Firmen. Im folgenden wird nun dargestellt, wie sich diese beiden extremen Posi­

tionen einander annähern konnten. Dies führt uns - mit Hatten & Hatten - zu folgen­

dem (konzeptionellen) Ergebnis: "Occupying the imagined conceptual space between

firm and industry, groups offer a flexible meeting ground for strategie management and industrial organization ... ".56

Als Ausgangspunkte und zugleich als Weichenstellung in der Entwicklung des Strate­

giekonzeptes können die Arbeiten von Ansoff und Andrews gesehen werden57.

Ansoff ist der Ansicht,' daß sich das Konzept der Unternehmensstrategie in mehrere

zentrale Komponenten unterteilen läßt, die einem Unternehmen bei der Suche nach

neuen Betätigungsfeldern hilfreich sein können: die Produkt-Markt-Kombination,

56 Hatten & Hatten (Groups), S. 329.

57 Vgl. Ansoff (Corporate) und Andrews (Concept). Diese Einschätzung orientiert sich an Bracker (Historical) und Hofer & SchendeI (Formulation), S. 16. Als noch frühere Vorläufer werden dort Drucker (Practise) und Chandler (Strategy) genannt, die sich jedoch noch nicht primär und explizit mit dem Strategiekonzept befassen.

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181

der Wachstumspfad, der Wettbewerbsvorteil und das Synergiekonzept58. Demgegen­

über steht der Ansatz von Andrews in der Tradition der Business Policy-Kurse an der

Harvard Business School, an der eine gewisse "Skepsis gegenüber der Verwendbar­keit theoretischer Erkenntnisse bei der Untemehmensführung"59 vorherrscht und

statt dessen anhand von Fallstudien Probleme und Aufgaben des General Manage­

ments behandelt werden. Die primäre Funktion der Unternehmensführung, zu deren

Bewältigung das Konzept der Unternehmensstrategie vorgeschlagen wird, liegt nach Andrews in der Überwachung des kontinuierlichen Prozesses, der der Bestimmung

der Grundausrichtung des Unternehmens sowie der Zielformulierung, Zielrevision

und Zielerreichung dient6O• In Übereinstimmung hiermit wird die Unternehmensstra­

tegie dann auch nur relativ formal definiert ais " ... the pattern of major objectives,

purposes, or goals and essential policies and plans for achieving those goals, stated in such a way as to define what business the company is in or is to be in and the kind of company it is or is to be."61

Dieses Konzept, das nicht den Anspruch einer Theorie im herkömmlichen Sinne

erhebt, sondern als "simple practioner's theory'062 verstanden sein will, verzichtet auf

die Perfektionierung dieser Definition63 und stellt vielmehr auf einen Beitrag zur

praktischen Lösung von komplexen Problemen (in Fallstudien oder im Geschäftsleben)

ab. Das hierfür in Harvard entwickelte konzeptionelle Hilfsmittel ist ein Prozeß­schema, welches das Gesamtproblem, das sich dem General Manager stellt, in hand­

habbare Teile zerlegt und diese in eine sinnvolle Bearbeitungsreihenfolge bringt: Der

Prozeß der Formulierung einer Gesamtstrategie ("overall strategy") beginnt mit einer

Analyse der Unternehmensumwelt, d.h. mit der Identifikation unternehmensexterner

Chancen und Risiken. Hieraus resultiert die Menge der umweltkompatiblen Strate­

gien. Die Ermittlung der Stärken und Schwächen der Unternehmung im Zuge der

Ressourcenanalyse reduziert dieses Spektrum dann auf die ressourcenkompatiblen

Strategien. Unter Einbeziehung der persönlichen Wertvorstellungen und Ziele der Entscheidungsträger sowie der gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmung

ergeben sich schließlich die sowohl praktikablen als auch akzeptablen Unterneh­

mensstrategien64. Weitergehende inhaltliche Konkretisierungen, die besagen, wie

innerhalb der einzelnen Analyseschritte vorzugehen ist, stellt das Harvard-Schema

58 Vgl. Ansoff (Corporate), S. 103 ff.

59 Rühli (Harvard Ansatz), S. 98.

60 Vgl. Andrews (Concept), S. 23.

61 Andrews (Coneept), S. 28; im Original kursiv.

62 Andrews (Coneept), S. 22.

63 Vgl. Learned, Christensen, Andrews & Guth (Business Poliey), S. 12.

64 Vgl. zum sogenannten Harvard- bzw. LCAG-Sehema Andrews (Coneept), S. 37 - 41.

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182

nur in begrenztem Umfang bereit. Die ständige Vergegenwärtigung einiger einfacher

Fragen - wie etwa: "Worin liegen die zentralen ökonomischen und technischen Bran­

chencharakteristika?" - sollen z.B. die Identifikation von Chancen und Risiken in der

Unternehmensumwelt erleichtern helfen65.

Das Fehlen einer stärkeren Operationalisierung des Strategiekonzeptes ist einerseits

Ausdruck der Skepsis darüber, alle möglichen Situationen und Problemkonstellatio­

nen in Unternehmen und Umwelt ex ante inhaltlich beschreiben und schließlich kon­

tinuierlich auf mögliche Veränderungen hin überwachen zu können66:

"Given the unruly variety of business activity, the instability of chosen courses of action resulting from competitive moves and counter­moves, and the need for flexibility, we encounter at once the stag­gering improbability of being able to specify a complete theory of general management appropriate to all industry and commerce. We know we cannot expect aseries of formulas to regulate the long-term conduct over time of a dynamic enterprise.,,67

Andererseits wird auf eine situationsspezifische Theorie der Unternehmensstrategie -wie sie beispielsweise die Kontingenzansätze des Strategischen Managements zu ver­

wirklichen suchen68 - auch deshalb verzichtet, weil nach dem Business Policy-Ansatz

jedes Unternehmen einzigartig ist bzw. sein sollte, d.h. nach Einzigartigkeit streben

sollte. Jedem Unternehmen innerhalb einer Branche, das als ein ''bundle of unique resources and relationships,.(i9 angesehen wird, werden distinktive Kompetenzen zuge­

schrieben, d.h. Fähigkeiten, über die Konkurrenten nicht verfügen. Diese distinktive

Kompetenz eines Unternehmens, die ihm die Erlangung von Wettbewerbsvorteilen

65 Vgl. Andrews (Concept), S.77 - SO, sowie Learned, Christensen, Andrews & Guth (Business Policy), S. 172 - 174.

66 Vgl. Andrews (Concept), S.77. Dieser Gedanke hat neuerdings dazu geführt, dem Konzept der strategischen Planung die strategische Kontrolle beizuordnen. V gI. hierzu Schreyögg & Steinmann (Kontrolle) sowie (Strategie control) und Steinmann & Schreyögg (Umsetzung).

67 Andrews (Concept), S. 22.

68 Vgl. hierzu programmatisch Hofer (Contingency). Ginsberg & Venkatraman (Contingency), S. 425 f., warnen indes vor einer Überbetonung der Suche nach Gemeinsamkeiten und einer Ver­nachlässigung wesentlicher Unterschiede, wegen der die organisations theoretischen Kontingenz­ansätze häufig kritisiert werden. Sehr skeptisch auch Rumelt (Evaluation), S.206, zur prognosti­schen Kraft unternehmensstrategischer Kontingenztheorien im Hinblick auf die Vorhersage von "winning strategies": "The predictive approach, if successful, amounts to describing the common characteristics of a11 surviving rivals." Präskriptive Aussagen zur Strategieformullerung, die auf eine Vielzahl von Unternehmen zutreffen, können nur zur Vermeidung von Fehlern, nicht aber zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen beitragen. Vgl. Rumelt (Strategie), S. 569.

69 Rumelt (Strategie), S. 557.

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183

ermöglicht, resultiert aus zahlreichen spezifischen Aktivitäten, die es besser wahrzu­

nehmen vermag als andere Organisationen in einer ähnlichen Umweltkonstellation70.

Die Vorstellung der Business Policy zu den einzigartigen Situations- und Kontext­

bedingungen zusammenfassend kann also mit Hatten festgehalten werden: "Policy

has been buHt on the premise that each industry has unique characteristics and that

effective strategies for any firm in any industry should be based on that firm's distinc­

tive competence or competitive advantages, Le., on the firm's uniqueness. Policy can

be viewed as the study of the singular, unique competitive finn in achanging

environment ... 71

Aus der Perspektive heraus, daß konkrete Entscheidungssituationen einer Verall­

gemeinerung nicht zugänglich sind, daß also Situationen einzigartig sind72, blieb das

LCAG-Konzept der Unternehmensstrategie, das der Vielzahl der unterschiedlichen

Situationen Rechnung tragen will, zunächst auf ein formales Prozeßschema der Stra­

tegieformulierung und -implementierung beschränkt73• Auf eine inhaltliche Konkre­

tisierung der Leitfragen zur Identifikation von Stärken und Schwächen oder Chancen

und Risiken, z.B. auf eine Spezifikation der oben angesprochenen ökonomischen und

technischen Branchencharakteristika, auf die das Management sein Augenmerk

richten soll, wurde also bewußt verzichtet. Diese Sichtweise wurde dann jedoch mit einer Öffnung des LCAG-Ansatzes zur Industrial Organization hin relativiert: Wenn­

gleich der Anspekt der Heterogenität einzelner Unternehmen beibehalten wurde, räumte man mit der Branchenanalyse die Existenz eines gemeinsamen strategierele­

vanten Kontextes ein, der sich durchaus in einen inhaltlich konkreteren Bezugsrahmen

fassen und systematisch untersuchen läßt74. Zwischen das formale LCAG-Prozeß-

70 VgI. Snow & Hrebiniak (Distinctive), S.317, sowie Hitt & Ireland (Distinctive), S. 402 f., (Com-petence), S. 273 f., und auch Andrews (Concept), S. 97 ff.

71 Hatten (Research), S. 454; Hervorhebung im Original.

72 VgI. Christensen & Zaleznik (Case method), S. 215.

73 Zur Einzigartigkeit der Unternehmensstrategie und den Konsequenzen für das Business Policy· Konzept merkt Andrews an: "In each company, the way in which distinctive competence, organi­zational resources, and organizational values are combined is unique. Differences among compa­nies are as numerous as differences among individuals. The combinations of opportunity to which distinctive competencies, resources, and values may be applied are equally extensive. Generalizing about how to make an effective match is less rewarding than working at it. The effort is a highly stimulating and challenging exercise. The outcome will be unique for each case an each situation." Andrews (Concept), S. 101, mit hinzugefügter Hervorhebung.

74 Diese stärker inhaltliche Orientierung äußert sich in der Co-Autorschaft von Porter in der fünften Auflage des klassischen Business Policy-Lehrbuches, in das zur Analyse der Branchenstruktur das Konzept der fünf Wettbewerbskräfte und auch Porters System der Koukurrentenanalyse aufge­nommen wurde. VgI. Christensen, Andrews, Bower, Hamermesh & Porter (Policy), S. 167 ff.

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184

schema der Umwelt-, Ressourcen- und Wertsystemanalyse, das situations- und

kontextunabhängig gültig ist, und den situationsspezifischen Einzelfall, der sich der Präzisierung in einer generellen Theorie der Unternehmensstrategie am stärksten

entzieht 75, wurde also die Branchenstrukturanalyse eingefügt, um den gemeinsamen

Umweltausschnitt individueller Branchenteilnehmer systematisch beschreiben zu

können.

Bereits oben, im einleitenden Problemaufriß von Kapitel 2.4., wurde die Branche als

der Berührungspunkt von Industrial Organization und Business Policy bzw. Strate­

gischem Management herausgestellt76• Hierin erschöpfte sich aber auch schon die

Gemeinsamkeit der industrieökonomischen Gesamtperspektive und der betriebswirt­

schaftlichen Einzelperspektive. Denn die Business Policy fokussiert - wie soeben

gezeigt - vorwiegend darauf, wie im jeweils unterschiedlich gelagerten Einzelfall

mittels heterogener Strategien ein Wettbewerbsvorteil und eine Differenzierung

gegenüber der Konkurrenz erlangt werden kann, während in der Industrieökonomik -

wie auch in der Neoklassik - Branchen als homogene Gebilde gelten77• Unterschiede

zwischen einzelnen Wettbewerbern werden dort als vorübergehende Phänomene

oder als eine unwichtige Erscheinung angenommen - sofern sie nicht auf Betriebs­

größenersparnissen basieren, die jedoch im allgemeinen als unbedeutend erachtet

werden78•

Für die Neoklassik führt Rumelt diese Homogenitätsannahme darauf zurück, daß es

sich hier eigentlich nicht um eine Theorie der Firma handelt, sondern um eine Theorie des Preissystems: "What the (neoclassical) theory actually deals with is the

workings of the price system in a setting in which nothing but prices need be known.,,79

75 Diese Lücke wurde von Porter zwischenzeitlich mit dem Instrument der Wertketten- und Wertakti­vitätenanalyse geschlossen. Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), Kap. 2: Wertkette und Wett­bewerbsvorteile, S. 59 ff.

76 Siehe oben, S. 30 ff.

77 Barney (Types), S. 793 f., zieht hier eine interessante Parallele zwischen dem Business Policy-Kon­zept und der monopolistischen Konkurrenz Chamberlins, die seines Erachtens der Vorstellung des Wettbewerbs zwischen heterogenen FIrmen besser gerecht wird als die Industrial Organization, wenngleich er zwischen Chamberlin und der Industrieökonomik keinen Widerspruch sieht. Diese Parallele entwickelt er mit Blick auf das Konzept strategischer Gruppen fort: " ... although Cham­berlin begins with the assumption that fums control unique bundles of assets, capabilities, and resources, he does observe that these bundles may overlap, and that certain fll'ms may pursue similar strategies. Firms with such overlapping capabilities and similar strategies can be thought of as strategie groups .. ." (ebenda, S. 794 f.).

78 Vgl. Schmalensee (Differ), S. 342.

79 Rumelt (Strategie), S. 559; ergänzte erläuternde Einfügung.

Page 200: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

185

Nur unwesentlich günstiger beurteilt Rumelt in dieser Hinsicht die Industrieöko­

nomik. Denn obwohl es dort eine Strömung gab, die ein breites Spektrum des

tatsächlichen Wettbewerbsverhaltens von Unternehmen erhob und kommentierte,

hat sich diese Reichhaltigkeit nicht in den theoretischen Ansätzen der Industrial

Organization niedergeschlagen. Vielmehr entspringt die traditionelle industrieöko­nomische Leitlinie der OligopoltheorieSO und bleibt damit der Vorstellung von iden­

tischen oder mit Ausnahme der Größe homogenen Firmen verhaftet. Als Konse­

quenz dieser Modellbildungsannahme wurde die Wettbewerbsanalyse auf die Analyse von Größenunterschieden reduziert und alle anderen Unterschiede wurden

vernachlässigt. Das Ausmaß der Produktdifferenzierung beispielsweise galt als ein

Element der Marktstruktur, diesbezügliche Unterschiede innerhalb einer Branche

wurden weitestgehend ignoriert81.

Ein differenzierteres Verständnis des brancheninternen Wettbewerbs bildete sich in

der Industrieökonomik zu Beginn der 70er Jahre heraus. Zu dieser Zeit wurde die bis

dahin gehegte Vorstellung aufgegeben, daß sich Branchen aus homogenen Unter­

nehmen zusammensetzen, die alle das Ziel der gemeinsamen Gewinnmaximierung

verfolgen und dieses Ziel übereinstimmend befürworten, selbst wenn es mit individu­

ellen Zielsetzungen konfligieren sollte82. Außerdem ging man davon ab, das Erken­nen der wechselseitigen Abhängigkeit der Marktteilnehmer und die Möglichkeit still­

schweigenden Parallelverhaltens in einer Branche allein auf deren Konzentrations­

grad zurückzuführen. Denn selbst wenn nur wenige Unternehmen in einer Branche

anzutreffen sind, diese aber heterogene Strategien verfolgen, kann dies die Einigung

so Rumelt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Oligopoltheorie eben weit davon entfernt ist, ein realistisches Modell des Marktverhaltens abzugeben, sondern denjenigen "Grenz­fall" der Nationalökonomie abdeckt, in dem die Gewinnmaximierungsprämisse das Marktverhalten nicht definiert: "Oligopoly models are constructed by first assuming a pattern of behavior and then deducing the form of the resultant equilibrium, if one exists." Rumelt (Strategie), S. 559, Fußnote 7.

81 Vgl. vorstehend Rumelt (Strategie), S. 559. Diese Position vertreten wiederholt und sehr nach­drücklich auch Caves & Porter (Mobility), S. 250: "The conventional approach takes fums within an industry as identica1 in all economically important respects except for their size." Demgegenüber weist Bamey darauf hin, daß auch von Vertretern der Industrial Organization erkannt wurde, daß Unternehmen in ihren strategisch relevanten Fähigkeiten und Ressourcen differieren und daß diese Unterschiede für ihr Marktverhalten bedeutsam sein können. Der Hinweis auf diese weitere Lesart ist insofern erwähnenswert, als Barney mit Bain gerade den zentralen Vertreter der Industrieöko­nomik von dem Vorwurf Porters ausnimmt: 'However, this is a broader reading of 10 economists than most previous efforts to translate the 10 model into a normative theory of strategy would suggest. Porter (1981), for example, argued that 10 economics can ouly help fums describe the structure of their industry. This view fails to recognize those parts of 10 economics which focus on the idiosyncratic attributes of different organizations (Bain, 1968) which can be used by fums to describe their unique strengths and capabilities." Barney (Types), S. 794. Angesichts dieses Einwan­des scheint Porter - ähulich wie oben (S. 79, Fußnote 4) beim strukturellen Determinismus des Bain-/Mason-Paradigmas - pauschalisierend oder pointierend zu überzeichnen.

82 Vgl. Newman (Groups), S. 418, McGee (Bridge), S. 308.

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186

der Oligopolisten auf gemeinsame Ziele und das Zustandekommen abgestimmter

Verhaltensweisen erschweren - ebenso wie eine große Anzahl homogener Konkur­

renten83.

Dieser Einfluß der Strategieunterschiede auf den Grad der oligopolistischen Rivalität wurde erstmals von Hunt in einer Untersuchung zur Haushaltsgroßgeräteindustrie

gezeigt. Hunt beobachtete drei Quellen strategischer Asymmetrien bei den Wett­bewerbern dieses Industriezweiges: den Grad der vertikalen Integration, das Ausmaß

der Produktdiversifikation und Unterschiede in der Produktdifferenzierung. Anhand

dieser strategischen Dimensionen teilte er die Branchenteilnehmer in vier Gruppen

ein: nationale Markenartikelhersteller mit Vollsortiment (1) bzw. Teilsortiment (2),

Hersteller von Handelsware (3) und nationale Wiederverkäufer (4). Diese Gruppen­

bildung begründete er damit, daß sie die ökonomische Asymmetrie der jeweils zusammengefaßten Konkurrenten minimiert84. Für die gesamte Branche legte Hunt

dar, daß die Verfolgung asymmetrischer Strategien die Fähigkeit der Oligopolisten

vermindert, ein stillschweigendes Einvernehmen bei der Festlegung von Preisen,

Werbeaufwand, FuE-Aufwendungen etc. zu erreichen. Die Quintessenz seiner

Argumentation lautet dementsprechend, daß Unternehmen verschiedener strate­

gischer Gruppen Schwierigkeiten haben werden, sich auf ein gemeinsames Handeln

zu einigen. Dies wirkt sich destabilisierend auf das angestrebte Preisniveau und auf

die Zeitpläne für Neuprodukteinführungen etc. aus, so daß die Gewinnaussichten der

gesamten Branche geschmälert werden85.

Mit dieser Untersuchung Hunts wurde in der Industrial Organization in der Frage

der adäquaten Untersuchungsebene eine Rückbesinnung eingeleitet86 und eine

Annäherung an die Business Policy bewirkt: "With the concept of strategie groups ...

we have come an additional degree back to the business school position that the firm is the dominant unit of analysis rather than the industry."87 Das Konzept der strate-

83 Vgl. Newman (Groups), S. 420 und 425.

84 Diese Darstellung von Hunts unveröffentlichter Dissertation (Competition) folgt McGee & Thomas (Groups), S. 142.

85 So die Rezeption von Hunt bei Porter (Interbrand choice), S. 83.

86 Diese Neuorientierung stellt jedoch das Industriekonzept nicht völlig in Frage. Denn U ntemehmen, die mit unterschiedlichen Strategien untereinander konkurrieren und daher verschiedenen strate­gischen Gruppen angehören, operieren dennoch in einem gemeinsamen Wettbewerbsfeld: ..... although we suppose that oligopolistic interdependence is recognized more fully within groups than between them, we also suppose that it is recognized more fully by firms in the same industry than by fums in different industries. The industry becomes segmented but does not disappear." Caves & Porter (Mobility), S. 251.

87 Porter (Interbrand choice), S. 88.

Page 202: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

187

gischen Gruppen kann also zwischen der traditionellen Industrieökonomik mit ihrem

Schwerpunkt bei der Analyse ganzer Branchen und der Business Policy mit ihrer

Einzelfallperspektive vermitteln.

Vom entgegengesetzten Startpunkt - dem Einzelfall - ausgehend erfolgte im Bereich

des Strategischen Managements eine Abkehr von der "atomistischen Sichtweise zur

Unternehmensstrategie,,88, die jedes Unternehinen in allen Aspekten als einzigartig

erachtet, und eine Zuwendung zu den Gemeinsamkeiten, die zwischen einzelnen

Unternehmen bestehen89. Diesen Weg zu einem Konzept der strategischen Gruppen hat eine Forschungsgruppe um Kenneth Hatten eingeschlagen, die als Schule der

Purdue University zugezählt wird90. Von der Business Policy herkommend betont

diese Schule gegenüber dem industrieökonomisch geprägten Harvard-Konzept nun

aber stärker den Aspekt der Unterschiede denn den der Gemeinsamkeiten. In diesem Sinne grenzt sich dann die Purdue von der Harvard School auch selbst ab: Da

der Unternehmensstratege darauf abzielt, sein Unternehmen von der Konkurrenz

abzuheben, besteht die für ihn relevante Information nicht in den Ähnlichkeiten,

sondern in den Unterschieden. Gerade diese gehen aber nach Meinung der Purdue­

Vertreter91 in einer zweidimensionalen strategischen Karte verloren, die Porter zur

Darstellung der brancheninternen Struktur empfiehlt92. Um das Blickfeld nicht in

dieser Weise vorschnell und unnötig einzuengen, verwendet die Purdue-Schule statt

des bivariaten einen multivariaten Ansatz93. Sie verfolgt damit nicht den Zweck, eine

strategische Karte der untersuchten Branche zu entwerfen, sondern die Strategie­

unterschiede von Unternehmen zu Unternehmen zu identifizieren94, um diese in

Beziehung zum jeweiligen Unternehmens erfolg zu setzen. Hierzu werden strategische

88 Dess & Davis (Group), S. 468.

89 Vgl. Dess & Davis (Group), S. 468.

90 Vgl. Rumelt (Evaluation), S.208, der angesichts divergierender Konzeptionen die Purdue-Schule um Hatten von der Harvard-Schule um Hunt, Newman und Porter unterscheidet.

91 Hier: Hatten & Hatten (Groups), S. 332.

92 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 178 f. und S. 204 ff. Zu einer beispielhaften strategischen Karte vgl. unten, S. 2fj7, Abb. 16.

93 Vgl. Hatten & Hatten (Groups), S. 332. Hier ist Hatten aber selbst ein enger Blickwinkel und eine allzu wörtliche Auslegung des konkurrierenden Harvard-Konzeptes zu bescheinigen. Denn als Begründung für die Beschränkung auf zwei Dimensionen führt Porter an: "Die Zahl der Achsen ist durch den zweidimensionalen Charakter einer gedruckten Seite natürlich begrenzt, so daß der Analytiker zwei besonders wichtige strategische Dimensionen auswählen muß, anband derer er die Karte konstruiert." Sollte es im Einzelfall indes nicht möglich sein, die Komplexität der in einer Branche verfolgten Wettbewerbsstrategien ohne einen zu großen Verlust an Aussagegehalt auf zwei Dimensionen zu reduzieren, kann die Zahl der strategisch relevanten Achsen durch den Entwurf mehrerer strategischer Karten ohne weiteres erhöht werden.

94 Vgl. Hatten & Hatten (Groups), S. 332, sowie Hatten & Schendei (Heterogeneity), S. 99.

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188

Gruppen gebildet: "Separate groups were formed to facilitate the analysis of stra­

tegies which were unalike because of size or strategie choice - quite different from Hunt, who sought minimum internal asymmetry among group members.,,95 In den

strategischen Gruppen sieht man dann auch lediglich ein analytisches Konstrukt und

nicht etwa - wie in Harvard - ein reales Element der Branchenstruktur. Das heißt,

strategische Gruppen sind "für Purdue" nur ein Instrument der empirischen For­

schung zur Profitabilität einzelner Unternehmensstrategien, nicht aber reale Phäno­

mene. Die untersuchten Unternehmen stehen daher nach Hatten & Hatten ihrer von

der Wissenschaft vorgenommenen Zuordnung zu Gruppen sicherlich gleichgültig

gegenüber96. Denn bei der Formulierung von Geschäftsfeldstrategien, d.h. bei der

Festlegung des "how to compete", ist es für sie lediglich von Bedeutung zu wissen, wie

andere Unternehmen verfahren, die eine ähnliche Strategie verfolgen, ohne deshalb

notwendigerweise zum Kreis ihrer engeren bzw. direkten Konkurrenten zu zählen:

"Each firm needs to compete on its own terms, with its own resources in its own markets. Each has to learn its own competitive strengths and weaknesses, and those of its competitors, and then be prepared to act on that knowledge. It can do this by learning from the actions of those who compete like it (and not necessarily with it) as well as by assessing the strengths and weaknesses of the companies with which it competes.'097

Diese für die Strategieforschung wie für die praktische Strategieformulierung wert­

volle Erkenntnis bringen Hatten & Hatten nun jedoch gegen das Harvard-Konzept

der strategischen Gruppen in Stellung: Sie sehen darin lediglich einen Ansatz, der

sich für die Analyse spezieller und restriktiver Fälle nationalen Wettbewerbs eignet,

in dem jedes Unternehmen mit jedem konkurriert. Dem halten sie ihre "generell

anwendbare Technik" entgegen98, die auch den Fall berücksichtigt, daß kleine regio­nale Anbieter als Angehörige einer strategischen Gruppe nicht untereinander konkur-

95 Hatten & Hatten (Groups), S.333. Hierzu merken Hatten & Hatten noch an: "Note frrms were grouped not because they were the same but because they were comparable but different" (ebenda, Hervorhebung im Original). Dem widerspricht jedoch Porter (Wettbewerbsstrategie, S. 178 f.) keineswegs: "Kein Unternehmen gleicht völlig einem anderen, und deshalb muß bei der Einteilung in strategische Gruppen unweigerlich entschieden werden, wo der zentrale strategische Unterschied liegt."

96 Vgl. Hatten & Hatten (Groups), S. 334.

97 Hatten, SchendeI & Cooper (Model), S.608; ergänzte Hervorhebung. Vgl. in diesem Sinne auch Hatten (Research), S. 457, sowie Hatten & Hatten (Insights), S. 291.

98 Diese wurde allerdings bislang überhaupt nur an einer einzigen Branche, der Brauereündustrie, demonstriert.

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189

rieren, sondern eine Koalition gegen nationale Brauereien bilden99. Wie jedoch im

nachstehenden Abschnitt deutlich werden wird, berücksichtigt Porter als Deter­

minante des brancheninternen Wettbewerbs explizit die Marktinterdependenz der

Anbieter bzw. strategischen Gruppen, d.h. das Ausmaß, in dem sich deren Zielkun­

densegmente überschneiden1OO. Außerdem ist die Zugehörigkeit zu einer strate­

gischen Gruppe nicht in jedem Fall mit "Konkurrenz" bzw. mit einer hohen gruppen­

internen Rivalität gleichzusetzen, da ja das Verfolgen ähnlicher Strategien gerade

eine abgestimmte Reaktion auf eine Herausforderung durch andere Gruppen

erleichtert.

Insgesamt sind also die Positionen der Harvard- und der Purdue-Schule nicht so

konträr, wie dies nach Hatten & Hatten den Anschein hat, obwohl sie mit der Indu­

strieökonomik und der Business Policy entgegengesetzte Ausgangspunkte aufweisen.

So gelangen Vertreter heider Schulen zu dem Schluß, daß mit dem Konzept strate­gischer Gruppen eine Brücke zwischen dem einzelnen Unternehmen und der

gesamten Branche101 sowie zwischen Industrial Organization und Strategischem Management102 geschlagen wurde. .

3.4.2. Strategische Gruppen und Mobilitätsbarrieren in der Theorie der Gewinn­

determinanten eines Unternehmens

Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß nach der traditionellen Business

Policy-Perspektive nicht die Umwelt (bzw. die Branche) für den Unternehmenserfolg

maßgeblich ist, sondern die individuelle Art und Weise, in der einzelne Firmen einen

Fit zwischen ihren spezifischen Ressourcen und den Umweltbedingungen herstellen:

"It is the differences in strategy that will lead to the success of Timex or Texas

Instruments in the wristwatch industry, not the environment in which they compete.,,103 Hier dominieren also die Finneneffekte in der Frage nach den Einfluß­

faktoren des Unternehmenserfolges. Demgegenüber analysiert die konventionelle

99 VgI. vorstehend Hatten & Hatten (Groups), S. 333 f.

100 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 190 f. Wie dort aus der schematischen Darstellung in Abb. 7·2 hervorgeht, können sich Unternehmen mit einer ähnlichen Strategie durchaus an verschiedene Zielkundensegmente richten, d.h. keine unmittelbaren Konkurrenten sein.

101 In diesem Sinne Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 178: "Die strategische Gruppe ... ist ein Bezugs. rahmen, der zwischen die Analyse der Gesamtbranche und die Berücksichtigung jedes einzelnen Unternehmens geschaltet ist."

102 Siehe hierzu das bereits oben, S. 180, angeführte Zitat von Hatten & Hatten (Groups).

103 Hatten, SchendeI & Cooper (Model), S. 597.

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Industrial Organization das Marktergebnis ganzer Branchen, die sich annahmegemäß

aus homogenen Firmen zusammensetzen. Die Unternehmensrentabilität wird also

weitgehend durch die Branchenzugehörigkeit bestimmt (Brancheneffekt). Die einzig

mögliche Vorteilsdimension besteht in der Unternehmensgröße. Das Ausmaß des

rivalisierenden Marktverhaltens innerhalb einer Branche wird daher nur auf die

Anzahl und die Gräßenunterschiede der Marktteilnehmer zurückgeführt. Zu einem

realistischen und differenzierteren Verständnis führte hier das Konzept der strate­

gischen Gruppen, das die Heterogenität der Wettbewerber und der Wettbewerbsstra­

tegien thematisiert. Die seitdem gültige zentrale Hypothese lautet, daß die intra­

industrielle Verschiedenheit der Oligopolisten zu einem stärker rivalisierenden

Wettbewerbsverhalten und damit zu einem besseren Marktergebnis führt104. Denn

Unterschiede in den Wettbewerbsstrategien vermindern die Fähigkeit der Konkur­

renten, ihre Handlungen zu koordinieren. Hierin sieht Porter den direkten Effekt der

strategischen Heterogenität auf das Marktergebnis bzw. die Unternehmensrentabi­

lität105• Daneben erkannte Hunt in seiner Pionieruntersuchung, daß die Eintrittsbar­

rieren heterogen zusammengesetzter Industriezweige nicht mehr auf die ganze

Branche bezogen werden können, sondern gruppenspezifisch zu bestimmen sind106.

Denn die Schwierigkeit des Markteintritts bemißt sich nach der angestrebten Position

innerhalb der Branche, also nach der anvisierten strategischen Gruppe. Aus diesem

Grunde analysierte Hunt die Eintrittsbarrieren der Haushaltsgroßgeräteindustrie

nach Gruppen getrennt107. Die Erkenntnis Hunts, daß strategische Gruppen durch

unterschiedliche und auch verschieden hohe Barrieren geschützt sind, verall­

gemeinerte Porter dann zu der Aussage, daß strukturelle Unterschiede zwischen den

Firmen eines Industriezweiges auftreten können. Denn Unterschiede in den Wett­

bewerbsstrategien schaffen uneinheitliche brancheninterne Marktstrukturen, die wie­

derum zu einem unterschiedlichen Gewinnpotential innerhalb einer Branche führen.

Diesen gruppenspezifischen, strukturellen Einfluß auf die Gewinnhöhe bezeichnet

Porter als den indirekten Effekt der strategischen Heterogenität auf die Unternehmens­

rentabilität108. Die vorgenannten Bausteine - den Brancheneffekt, den direkten und

indirekten Gruppeneffekt sowie den Firmeneffekt - verbindet und erweitert Porter in

der nachstehend dargelegten "Theorie der Gewinndeterminanten eines Unterneh-

104 Vgl. Newrnan (Groups), S. 419, Caves (IndustriaI Organization), S. 89, Greening (Groups), S. 475.

105 Vgl. Porter (Interbrand choice), S. 87. 106

Vgl. das wörtliche Zitat aus der unveröffentlichten Dissertation von Hunt (Competition), S. 57, bei Hatten & Hatten (Groups), S. 330.

107 Nach McGee & Thomas (Groups), S. 142.

108 Vgl. Porter (Interbrand choice), S. 77.

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mens,,109. Hierin schreitet er von den allgemeinen zu den speziellen erfolgsrelevanten

Merkmalen fort - ausgehend von den Einflußfaktoren der durchschnittlichen poten­

tiellen Branchenrentabilität (1) über die Determinanten des Rentabilitätspotentials

von strategischen Gruppen (2) bis hin zu den Bestimmungsgrößen der tatsächlichen

Unternehmensrentabilität (3).

Ad (1) Branchenweite Einflußgrößen auf den Unternehmenserfolg

Anders als in "monostrategischen Industriezweigen"110, deren durchschnittliches

Rentabilitätspotential über die fünf strukturellen Kräfte des Wettbewerbs ermittelt

werden kann, trägt eine allgemeine Branchenstrukturanalyse in "heterostrategischen

Industrien" nicht zur Bestimmung des Gewinnpotentials aller Unternehmen bei.

Denn wegen des Vorliegens strategischer Gruppen existiert kein allgemeiner

Struktur-Ergebnis-Zusammenhang. Unter die branchenweiten Erfolgsdetenninanten

fallen daher nur diejenigen Elemente, die die Stärke der fünf Wettbewerbskräfte

bestimmen und gleichermaßen auf alle Unternehmen zutreffen. Hierzu zählen z.B.

die Marktwachstumsrate, das Produktdifferenzierungspotential und die Struktur der

Zulieferbranchen etc.lll

Ad (2) Einflußfaktoren des Rentabilitätspotentials strategischer Gruppen

Die strategischen Gruppen einer Branche bergen im allgemeinen nicht das gleiche

Gewinnpotential, da die fünf Wettbewerbskräfte einen ungleichmäßigen Einfluß auf

die einzelnen Gruppen ausüben112. Ein Unternehmen bzw. eine Gruppe mit einer

ausgeprägten Produktdifferenzierung oder Angebotsbreite ist beispielsweise eher in

der Lage als ein undifferenzierter Konkurrent, diejenigen Abnehmer auszuwählen,

die weniger preissensibel sind und über eine geringere Verhandlungsstärke verfü­

gen113. In gleicher Weise können Unternehmen entsprechend ihrer Wettbewerbsstra­

tegien mit verschiedenen Zulieferern zusammenarbeiten, die ein unterschiedliches

Ausmaß an Lieferantenmacht aufweisen. Aber auch bei gemeinsamen Lieferanten

oder Abnehmern kann sich eine Gruppe strategiebedingt in einer günstigeren Ver-

109 Porter (Companies' performance), S. 218.

110 Thomas (Economics), S. 25.

111 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S.l92. Diese Faktoren werden im Industrial Organization· Paradigma als die Basisbedingungen bezeichnet, die der Marktstruktur zugrunde liegen. Vgl. z.B. Scherer (IndustriaI), S. 4.

112 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 180.

113 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 164.

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handlungsposition befinden114, z.B. wenn sie einen höheren Grad an partieller Vor­

oder Rückwärtsintegration besitzt. Die Bedrohung, die von Substitutionsprodukten ausgeht, kann einzelne Gruppen

ebenfalls stärker betreffen als andere, obwohl diese derselben Branche angehören115.

Rennräder als hochwertige und teure Sportgeräte werden beispielsweise von anderen

Trendänderungen bedroht als billigere und schwere Fahrräder, die dem Fortbewe­

gungszweck dienen.

Ein besonderer Stellenwert für das Rentabilitätspotential einer strategischen Gruppe

kommt den strukturellen (Eintritts-)Barrieren zu. Diese erfüllen in der Theorie strate­

gischer Gruppen eine doppelte Funktion: Zum einen schützen sie etablierte Unter­

nehmen vor Marktzutritten von außerhalb der Branche. Entgegen der konventio­

nellen Sichtweise, die alle Unternehmen als homogen ansieht und daher Eintrittsbar­

rieren als ein branchenweites Phänomen begreift, hängt die Höhe des Wettbewerbs­

nachteils potentieller Newcomer nun jedoch von der jeweiligen strategischen Gruppe

ab, der sich diese anschließen wollen. Denn häufig variiert beispielsweise das

Ausmaß der Produktdifferenzierung innerhalb einer Branche - und mit ihm die Höhe

der Produktdifferenzierungsbarriere116• Zum anderen be- oder verhindern dieselben

strukturellen Barrieren, welche die Mitglieder einer Gruppe vor dem Eintritt

branchenfremder Newcomer schützen, auch den Wechsel brancheninterner Konkur­

renten von einer strategischen Gruppe in eine andere. Das heißt, nicht nur neue

Konkurrenten, sondern auch Wettbewerber aus benachbarten Gruppen müssen

Kosten für die Überwindung struktureller Barrieren, der sog. Mobilitätsbarrieren, in

Kauf nehmen. Damit kann erklärt werden, warum erfolgreiche Strategien nicht

jeweils von anderen Marktteilnehmern nachgeahmt werden und warum einige

Unternehmen dauerhafte Rentabilitätsvorteile gegenüber anderen aufweisen

können. Während Eintrittsbarrieren also nur eine Begründung für die Rentabilitäts­

unterschiede zwischen verschiedenen Industriezweigen liefern, erklären Mobilitäts­

barrieren zusätzlich auch Rentabilitätsunterschiede innerhalb einer Branche. Wegen

dieses umfassenderen Aussagegehaltes sieht Porter Mobilitätsbarrieren, die einen

zweifachen Schutz bieten, als den allgemeinen Barrierentyp an. Markteintrittsbarrie­

ren hingegen bezieht er auf den speziellen oder eingeschränkteren Fall, in dem ein

114 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 186.

115 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 186 f.

116 Vgl. Caves & Porter (Mobility), S. 250 und S. 253.

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Newcomer von außerhalb der Branche in 'eine strategische Gruppe eindringen

will117•

Das Rentabilitätspotential einer strategischen Gruppe richtet sich schließlich noch nach dem Grad der Rivalität, die zwischen den Gruppen herrscht. Grundsätzlich gilt hier, daß Gruppen von Unternehmen, die stark divergierende Strategien verfolgen, sich nur schwer auf eine gemeinsame Vorgehensweise im Markt verständigen können und daß daher die Rivalität innerhalb der Branche steigt. Diese Grunderkenntnis Hunts verfeinert Porter wie folgt zu einem Modell des Kundenwettbewerbs unter den strategischen Gruppen118: Von zentraler Bedeutung für die Rivalität zwischen strate­gischen Gruppen ist zunächst der Grad ihrer Marktinterdependenz, also das Ausmaß,

in dem sie um die gleichen Kunden konkurrieren. Denn wenn zwei oder mehr Grup­pen von Anbietern innerhalb eines Marktsegmentes aufeinandertreffen, d.h. sich mit sehr unterschiedlichen Strategien um eine Käuferschicht oder Abnehmergruppe bemühen, führt dies zu einem scharfen Wettbewerb. Dessen Intensität verringert sich

jedoch tendenziell, wenn die Wettbewerbsstrategien der einzelnen Gruppen zu einer Produktdifferenzierung führen und bei den Abnehmern sehr unterschiedliche Präfe­

renzen bewirken, so daß die Produktangebote nicht als austauschbar angesehen

werden. Und je größer die Anzahl der strategischen Gruppen und je geringer ihre Größenunterschiede, desto stärker wirkt sich die strategische Asymmetrie - ceteris paribus - auf die Rivalität zwischen den Gruppen aus. Denn mit der Gruppenzahl steigt die Wahrscheinlichkeit, daß eine der Gruppen einen Wettbewerbskrieg initiiert, da die wechselseitige Abhängigkeit als gering wahrgenommen wird und da

die Hoffnung bestehen kann, von anderen Gruppen unbemerkt Maßnahmen zur

Positionsverbesserung ergreifen zu können. Eine relativ ausgeglichene Größe führt

ebenfalls zu einer instabilen Situation, da die Kampfbereitschaft in einem solchen

Fall höher ist als bei Vorliegen sehr starker Größenunterschiede, die das relative Macht- bzw. Einflußpotential innerhalb der Branche repräsentieren. Und schließlich

ist das Ausmaß der strategischen Heterogenität, die ja das Konzept der strategischen

Gruppen konstituiert, selbst für die Inter-Gruppen-Rivalität von Bedeutung. Denn je größer die strategische Distanz zwischen den Gruppen, desto schwerer fällt es diesen,

117 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 180 ff., und (Companies' performance), S.216. Inhaltlich gesehen stimmen die ökonomischen Faktoren, die zur Bildung von Eintritts- und Mobilitätshar­rieren führen, überein. Das heißt, die Generalisierung bzw. Erweiterung des Eintrittsbarricren­zum Mobilitätsbarrierenkonzept bezieht sich auf die Art des Herausforderers (branchencxtcrn versus branchenintem und -extern) und nicht auf die Art der strukturellen Barrieren.

118 Vgl. nachfolgend Porter (Companies' performance), S. 217 f., (Wettbewerbsstrategie), S. IR7 rr., (Interbrand choice), S. 83 ff.

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ihre Verhaltensweisen gegenseitig zu verstehen und falsche Reaktionen sowie das

Ausbrechen von Wettbewerbskriegen zu vermeiden.

Die Einflußfaktoren auf Gruppenebene zusammenfassend ist das Rentabilitätspotential also relativ günstig, wenn die Verhandlungsstärke der Lieferanten und Abnehmer

sowie die Substitutionsgefahr schwach ausgeprägt sind und wenn die betreffende

Gruppe hohe Mobilitätsbarrieren aufweist, die sie vor Marktzutritten von außerhalb der Branche oder vor Übertritten aus anderen Gruppen schützen. Ferner sind die

Gewinnaussichten günstig, wenn die Rivalität· mit anderen strategischen Gruppen

gering ist, also bei einer geringen Marktinterdependenz bzw. Überschneidung der

Zielkundensegmente mit anderen Gruppen; bei einer überschaubaren Zahl von stra­

tegischen Gruppen mit zugleich ausgewogener Größe; bei einer mäßigen strate­

gischen Distanz bzw. Heterogenität, die noch keine gravierenden Deutungs- oder

Koordinationsprobleme zwischen den Gruppen schafft; und bei einer deutlich unter­

schiedlichen Produktdifferenzierung, die zu einer Käuferloyalität führt und so die

Kunden einzelner strategischer Gruppen voneinander isoliert.

Ad (3) Bestimmungsfaktoren der tatsächlichen Unternehmensrentabilität119

Für die tatsächliche Rentabilität eines Unternehmens ist es u.a. maßgeblich, wie stark

der Intra-Gruppen-Wettbewerb ist, wieviele Anbieter also beispielsweise innerhalb

der betreffenden Gruppe um ein (begrenztes) Absatzpotential konkurrieren. Außer­

dem ist für die gruppeninterne Position eines Unternehmens dessen Größe bzw. rela­

tiver Marktanteil von Bedeutung, sofern sich Betriebsgrößenersparnisse bis in hohe

Mengenbereiche fortsetzen. Tatsächliche Rentabilitätsunterschiede innerhalb einer

Gruppe können weiterhin auf die Fähigkeiten und Ressourcen zurückzuführen sein,

die den Unternehmen beim Eintritt in die Gruppe zur Verfügung standen, z.B. auf­

grund von Synergien mit anderen Tätigkeitsbereichen oder auf grund von Fähigkei­

ten, die man in einer benachbarten Gruppe derselben Branche erworben hat. Außer­

dem kann die Wahl des Eintrittszeitpunktes ausschlaggebend für einen Wettbewerbs­

vorteil gegenüber anderen Gruppenangehörigen sein, wenn "first" oder "late mover

advantages" zu verzeichnen sind. Einen letzten firmenspezifischen Einflußfaktor auf

den Unternehmenserfolg bildet schließlich die Fähigkeit der Gruppenmitglieder, die

von ihnen gewählte ähnliche oder übereinstimmende Strategie zu implementieren.

Da nicht alle Vertreter einer Gruppe die gleiche Eignung zur Umsetzung der Strate­

gie in einen konkreten Handlungsvollzug aufweisen werden, lassen sich auch mit der

119 Vgl. nachstehend Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 192 CC.

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Implementationsfähigkeit tatsächliche Rentabilitätsunterschiede von Firmen erklä­

ren, die als Mitglieder einer strategischen Gruppe dasselbe Rentabilitätspotential

aufweisen120.

Zusammenfassung zur Theorie der Gewinndeterminanten eines Unternehmens:

Nach Porters "theory of firm profit determination" wird letztlich dasjenige Unter­

nehmen am rentabelsten sein, das sich in einer günstigen Branche befindet, in einer

günstigen Gruppe innerhalb dieser Branche plaziert ist und eine starke Position in

seiner Gruppe innehat121. Den Stellenwert, der dem Konzept strategischer Gruppen

im Rahmen dieser Theorie zukommt, würdigt Porter wie folgt: ''The concept of stra­

tegie groups allows us to systematically integrate differences in the skills and resour­

ces of an industry's member firms and their consequent strategie choices into a theory

of profit determination.,,122 Und als wesentliches Element, das die auf Strategieunter­

schiede zurückzuführenden dauerhaften Rentabilitätsunterschiede von Wettbewer­

bern einer Branche erklärt, sind die grnppenspezijischen Mobilitätsbarrieren festzuhal­

ten. Mit ihnen ist es gelungen, nicht nur die unterschiedlichen Gewinnraten einzelner

Industriezweige, sondern auch einzelner Konkurrenten innerhalb einer Branche zu

begründen.

3.4.3. Mobilitätsbarrieren und das Konzept des stufenweisen Markteintritts

Die Existenz strategischer Gruppen und der gruppenspezifische Charakter von Ein­

trittsbarrieren haben wichtige Implikationen für den Marktzutritt von außerhalb der

Branche: Die Eintrittsentscheidung kann nicht länger als eine einfache Ja/Nein-Ent­

scheidung aufgefaßt werden. Ein potentieller Newcomer muß vielmehr eine

bestimmte strategische Gruppe auswählen, in die er einzutreten gedenkt, oder gar

mit den Entwurf einer völlig neuen Wettbewerbsstrategie die Schaffung einer neuen

Gruppe in Erwägung ziehenl23. Eine zweite bedeutende Implikation besteht darin,

120

121

Als einen weiteren Erklärungsfaktor für Rentabilitätsunterschiede zwischen Angehörigen einer strategischen Gruppe führen Cool & Schende! (Performance differences) neuerdings die Risiko­profile einzelner Unternehmen an. Denn wenn es zutrifft, daß die Mitglieder einer strategischen Gruppe unterschiedliche Risikoprofile aufweisen und daß es einen "risk-return"-Zusammcnhang gibt, dann sind Ergebnisunterschiede illllerhalb einer Gruppe zu erwarten. Vgl. ebenda, S. 209.

Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S.195.

122 Porter (Companies' performance), S. 216.

123 Vgl. Caves & Porter (Mobility), S. 254.

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daß er den Eintritt in diese angezielte Gruppe nicht unmittelbar oder direkt in

Angriff nehmen muß, sondern auch einen "Umweg" über weniger gut geschützte stra­

tegische Gruppen als Zwischenstationen einschlagen kann124• Auf diese Art kann ein

branchenfremder Newcomer die Eintrittsbarrieren schrittweise nehmen, d.h. zunächst

die Zutrittsschranken der weniger geschützten, aber auch weniger lukrativen

Gruppen "überspringen". Von dort aus kann er die Überwindung der Mobilitätsbar­

rieren angehen, um schließlich die langfristig angestrebte Position innerhalb der

Branche einnehmen zu können, die hohe Erträge verspricht, aber eben auch von

Barrieren bedeutenden Ausmaßes umgeben ist.

Ein solches stufenweises Vorgehen beim Markteintritt kann aus zwei Gründen vorteil­

haft sein: Zum einen ist es geeignet, das Eintrittsrisiko zu vermindern, indem es die

Konsequenzen des Scheiterns begrenzt. So kann ein risikofeindlicher Newcomer die

Gesamtinvestitionen in die Überwindung der Mobilitätsbarrieren der letztendlich

angestrebten Gruppe auf mehrere Projektabschnitt aufteilen und sequentiell über die Realisation weiterer Teilpläne entscheiden. Hierbei kommt es ihm zugute, daß die

Überwindung der einzelnen Barrieren mit unterschiedlichen Risiken verbunden ist:

So sind beispielsweise Aufwendungen für Produktionsmittel und andere Posten des

Sachanlagevermögens weitgehend reversibel, während immaterielle Aktivitäten wie

Werbung oder Forschung und Entwicklung "sunk costs" verursachen. Ein Eintritts­pfad, der die Verluste für den Fall des Scheiterns minimiert, führt daher zunächst

über strategische Gruppen mit nur geringen irreversiblen produktspezifischen Investi­

tionen. Eine solche "Einstiegsgruppe" bildet beispielsweise die Herstellung von

Generics oder Handelsmarkenartikeln, von der aus ggf. der Gruppenwechsel in das

Markenproduktsegment eingeleitet wird.

Zum anderen ist durch einen stufenweisen Eintritt eine Verringerung der Gesamt­kosten für die Überwindung der Mobilitätsbarrieren denkbar - relativ zur direkten

Einnahme der endgültigen strategischen Position. Denn ein stufenweise vorgehender Newcomer kann durch ein "learning by doing" oder durch einen günstigeren Zugang

zu Informationen gegenüber einem Unternehmen im Vorteil sein, das unmittelbar in

die letztendliehe Zielgruppe eintritt. Oder er kann besser gestellt sein, wenn durch

den Eintritt in die anfängliche Gruppe Wissen und Markenidentifikation günstiger

erworben und später beim Wechsel in die eigentlich angestrebte Gruppe kostenlos transferiert werden können125•

124

125

Dieser Aspekt, der stufenweise Markteintritt, wurde bereits oben im Zusammenhang mit dem pro-zessualen Charakter von Marktzutritten gebraucht, als es darum ging, vergeltende Reaktionen als eine rationale Handlungsweise zu begründen. Vgl. oben, S. 151 ff.

Vgl. vorstehend Caves & Porter (Mobility), S. 255 ff., und Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 442 f.

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Unter umgekehrten Vorzeichen haben die Existenz strategischer Gruppen und die

Möglichkeit eines stufenweisen Markteintritts auch Implikationen für etablierte

Anbieter: Wenn es besonders erfolgversprechende und risikoarme Strategien des stufenweisen Eintritts gibt, lohnen sich Investitionen in Mobilitätsbarrieren, um

Übertritte aus der "Einstiegsgruppe" zu blockieren126.

Eine dritte Implikation der Existenz strategischer Gruppen und Mobilitätsbarrieren

betrifft weniger die Art des Markteintrittsprozesses als vielmehr die Art der Heraus­

forderer, der sich einzelne Gruppen gegenübersehen. Denn das Konzept strate­

gischer Gruppen spiegelt ja gerade die strategische Heterogenität individueller

Unternehmen wider, die auf deren unterschiedliche distinktive Kompetenz zurückzu­

führen ist. Diese Kompetenzunterschiede gelten nun nicht mehr nur für die bereits

etablierten Gruppenmitglieder, sondern sie erstrecken sich auch auf die Schar der

potentiellen Newcomer. Denn diese besitzen ihrerseits unterschiedliche Fähigkeiten

und Ressourcen zur Überwindung von Eintritts- und Mobilitätsbarrieren127.

Wegen der brancheninternen Unterschiede in der Barrierenhöhe sowie der unein­

heitlichen anfänglichen Ressourcen und Fähigkeiten potentieller Newcomer

schließen Caves & Porter - auf Hines zurückgreifend - auf die Identität der wahr­

scheinlichen Herausforderer für einzelne strategische Gruppen128: Bereits beste­

hende Unternehmen, die in anderen Branchen eine gute Marktposition innehaben,

verfügen häufig über Kompetenzen, die ihnen den Eintritt in eine Gruppe mit hohen

Barrieren erleichtern. Ihr angestammtes Geschäft, aus dem heraus sie diversifizieren,

kann ihnen als "strategische Plattform" dienen129• Zugleich haben diese Firmen häu­

fig hohe Opportunitätskosten, d.h. günstige alternative Investitionsmöglichkeiten. Sie zählen daher zu den wahrscheinlichen Herausforderern, die sich für den Eintritt in

126 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 443. 127 Aufgrund dieser Tatsache kann die Höhe der Barrieren, die eine Gruppe schützt, nicht "anonym",

d.h. ohne Bezugnahme auf wahrscheinliche Herausforderer bestimmt werden. Dieser Aspekt ging freilich nicht erst mit dem Konzept strategischer Gruppen in die Industrial Organization ein: Er kommt bereits bei Bain in der Vorstellung von einer Reihe bzw. Rangordnung unter den potentiel­len Newcomern und in der Unterscheidung von "immediate" und "general conditions of entry" zum Ausdruck. Unter den unmittelbaren Marktzutrittsbedingungen versteht Bain diejenige Preis-Kosten­Differenz, die gerade noch ausreicht, um den am meisten begünstigten potentiellen Newcomer am Markteintritt zu hindern. Die generellen Marktzutrittsbedingungen gelten für die nachrangigen potentiellen Konkurrenten in der Reihe. Wenn unter diesen ein "differential advantage" besteht, spricht Bain von progressiven, andernfalls von konstanten generellen Eintrittsbarrieren. Auf seiten der ebenfalls heterogenen Etablierten dient ihm die "most favored established ftrm" als Bezugs­punkt, d.h. das Unternehmen mit dem höchsten Differenzierungs- und Kostenvorteil. Vgl. Bain (Barriers), S. 7 ff.

128 Vgl. Caves & Porter (Mobility), S.255 und S. 257 ff., sowie Hines (Effectiveness), insbesondere S.140.

129 Vgl. Yip (Barriers), S. 25 f., und (Vorstoß), S. 48.

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die besser geschützten strategischen Gruppen einer Branche interessieren, die wegen

ihrer hohen Mobilitätsbarrieren - ceteris paribus - ein hohes Gewinnpotential aufwei­

sen. Demgegenüber betreten neugegründete Unternehmen den Markt typischerweise über weniger geschützte strategische Gruppenn<J.

Caves & Porter resümieren folglich zu dieser Implikation unterschiedlich hoher

Mobilitätsbarrieren und divergierender Eignungen zu deren Überwindung, daß

" ... going firms should be the chief entrants to oligopolistic cores of dominant firms

surrounded by product-differentiation and absolute-cost entry barriers, whereas new firms sprout in the competitve fringe ... ".131

130 Dies muß indes nicht so sein, denn häufig verfügen gerade diese Firmen über ein hohes Maß an Fähigkeiten und Ressourcen, weil sie von Managern geleitet werden, die von einer alteingesessenen Firma kommen. Vgl. Yip (Vorstoß), S. 47.

131 Caves & Porter (Mobility), S. 259.

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4. DIE NATIONALÖKONOMISCHE EINTRITI'SBARRIEREN-KONTROVERSE: ZUM STELLENWERT RIVALISIERENDER SCHULEN FÜR EIN UNTERNEHMENS STRATEGISCHES EIN­TRITTSBARRIERENKONZEPT

Mit dem Übergang von einem strukturalistischen zu einem strategischen und von

einem branchenweiten zu einem gruppenspezifischen Eintrittsbarrierenkonzept genügt die Industrial Organization den beiden zentralen Bedingungen, die aus

betriebswirtschaftlicher bzw. unternehmensstrategischer Perspektive für einen Rück­

griff auf die Theorie der Eintrittsbarrieren an die industrieökonomische Nachbardis­

ziplin zu richten sind. Innerhalb der Nationalökonomie jedoch sind die Industrial

Organization im allgemeinen1 und insbesondere das Konzept der strukturellen Ein­

trittsbarrieren und der strategischen wettbewerbsfeindlichen Verhaltensweisen bzw.

Vergeltungsreaktionen einer heftigen Kritik ausgesetzt, vorwiegend von Vertretern

der Chicago School. Diese stimmen zwar mit der oben thematisierten Position der

Harvard School darin überein, daß Markteintritte häufig schwierig zu bewerkstelligen

sind, führen dies aber auf andere Ursachen zurück: Nicht die Ausübung von Markt­

rnacht durch etablierte Anbieter erschwert potentiellen Newcomern den Markt­zugang, sondern die Tatsache, daß der Markteintritt in vielen Industriezweigen eine

sehr komplexe Aufgabe darstellt und es überdies schwierig ist, gegen effiziente etablierte Anbieter zu konkurrieren. Diese "natürlichen" Schwierigkeiten (Bork)

wollen Chicago School-Vertreter nicht unter dem ihrer Meinung nach negativ vorbe­

setzten Begriff "Eintrittsbarriere" subsumiert sehen2• Außerdem bestreiten sie einen

wettbewerbspolitischen Handlungsbedarf zum Abbau der angeblichen Zutritts­

hemmnisse bzw. zur Erleichterung von Markteintritten - nämlich aufgrund der' Auf­

fassung, daß sich bestehende Strukturen nicht staatlich regulierter Märkte als effi­

zient erwiesen haben und die Konsumentenwohlfahrt durch staatliche Eingriffe in die

Marktkräfte nicht gesteigert werden kann. Demgegenüber fördern nach Ansicht der

Harvard School hohe Eintrittsbarrieren die Monopolisierung einer Branche. Die

damit einhergehende Machtkonzentration verursacht ihres Erachtens Wohlfahrts­verluste.

Der nationalökonomischen Kontroverse um einen wettbewerbspolitisch adäquaten

Eintrittsbarrierenbegriff liegen also grundsätzliche Divergenzen hinsichtlich des Wett-

1

2 So Stigler (Industry), S. 1: "there is no such subject as industrial organization."

Vgl. Demsetz (Belief), S. 173, PeppereIl & Turner (Barriers), S.3O, und Waterson (Definition), S. 537 f.

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bewerbsverständnisses und bezüglich der Wohlfahrtsimplikationen des Ausbleibens

von Marktzutritten zugrunde, aber auch Meinungsverschiedenheiten zu den außer­

ökononllschen Zielvorstellungen der Antitrustpolitik. Damit berührt die Harvard­

Chicago-Kontroverse nicht die einzelwirtschaftliche Seite des Marktzutrittsproblems,

sondern ausschließlich die wettbewerbspolitisch bzw. wohlfahrtsökonomisch relevan­

ten Aspekte. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung, die sich dem Eintrittsbar­

rierenkonzept aus unternehmensstrategischer Perspektive widment, nimmt die Kon­

troverse zwischen diesen beiden Schulen daher den Charakter eines Exkurses an.

Dieser gestaltet sich wie folgt: Zunächst wird unter Punkt 4.1. anhand einiger ausge­

wählter Eintrittsbarrierendefinitionen die Bandbreite der verschiedenen Barrieren­

begriffe vorgestellt, die als Reaktion auf das ursprüngliche Konzept von Bain ent­

standen sind. Im Anschluß daran (Abschnitt 4.2.) werden mit der Marktkonzentra­

tionsdoktrin und dem sog. New Learning die Grundpositionen der Harvard und der

Chicago School beleuchtet und daran anknüpfend die von Chicago-Vertretern an

einzelnen strukturellen und strategischen Eintrittsbarrieren geäußerte Kritik präsen­

tiert. Den Abschluß bildet in Kapitel 4.3. die als Beispiel für eine "prokompetitive

Argumentation" dienende Eintrittsbarrierenanalyse bzw. -kritik der ökonomischen

Expertenzeugen der IBM Corp. im Antitrustverfahren "U.S. vs. IBM", in dem der

Beklagten u.a. die Behinderung des Marktzutritts neuer Konkurrenten vorgeworfen worden war.

4.1. Das Spektrum konkurrierender Eintrittsbarrierendefinitionen

Joe Bain, der "Vater" des Eintrittsbarrierenkonzeptes, definiert bei der Nennung der einzelnen Marktstrukturelemente die Bedingungen für den Markteintritt neuer Wettbewerber folgendermaßen: "Die Marktzutrittsbedingungen verweisen auf die

relative Einfachheit oder Schwierigkeit des Markteintritts für neue Anbieter; sie sind

generell durch die Vorteile bestimmt, die bestehende Wettbewerber gegenüber potentiellen Newcomern besitzen."3

Zum Stellenwert der so definierten Eintrittsbedingungen bzw. -barrieren fährt Bain

fort: "Sie kennzeichnen somit den relativen Druck, der von der potentiellen Konkur­renz als ein regulierender Einfluß auf das Marktverhalten und -ergebnis bereits bestehender Anbieter ausgeht."4

3

4

Bain (Industrial Organization), S. 7; Inhaltlich sind dies - wie bereits in Abschnitt 3.1.1. ausgeführt -Betriebsgrößenersparnisse, Produktdifferenzierungsvorteile und absolute Kostenvorteile.

Bain (Industrial Organization), S. 8.

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Mit einem inhaltlich ebenso breiten Begriff wartet William Shepherd auf: "Potentielle

Wettbewerber sind diejenigen Firmen außerhalb des Marktes, die wahrscheinlich ein­

treten werden und die zu aktuellen Konkurrenten werden können. Alles, was die

Wahrscheinlichkeit, das Ausmaß (scope) oder die Geschwindigkeit ihres Auftretens

herabsetzt, stellt eine Eintrittsbarriere dar.,,5

Und zur Rolle der potentiellen Konkurrenz als Garant für den Wettbewerb: "Einige

Ökonomen sehen sie als zentral an. Überwiegend gelten Eintrittsbarrieren und

Marktzutritte aber nur als das zweitwichtigste Thema, das die bedeutenderen Markt­anteils- und Konzentrationseffekte modifizieren kann. Nur in seltenen Fällen wird

die potentielle Konkurrenz den aktuellen Wettbewerb dominieren.,,6

Dagegen konstatiert George Stigler, inhaltlich bedeutend enger, nämlich vornehmlich

auf Kostenasymmetrien abstellend: "Eintrittsbarrieren können definiert werden als

die Produktionskosten (bei einer bestimmten oder beliebigen Ausbringungsmenge),

die ein Unternehmen zu tragen hat, das in die Branche eintreten will, nicht aber ein

bereits etabliertes Unternehmen."7

Und dann konkret zu den Economies of Scale: "Einige Ökonomen sagen, Größen­

degressionsvorteile stellen eine Eintrittsbarriere dar; sie meinen damit, daß derartige

Vorteile erklären, warum keine weiteren Firmen eintreten. Genauso könnte man

aber behaupten, eine nicht ausreichende Nachfrage sei eine Eintrittsbarriere. Wenn

wir Barrieren als die zusätzlichen Kosten neuer Anbieter definieren, gibt es keine

(solche) Eintrittsbarriere; die Unternehmensgröße wird von den Economies of Scale

und den Nachfragebedingungen regiert."8

An Stigler knüpft William Baumol bei der Beschreibung freier Marktzugangsbedin­

gungen im Sinne der "contestable markets"-Theorie an: "Wir gebrauchen 'freien

Marktzutritt' im Sinne Stiglers und meinen damit nicht, daß der Eintritt frei von

Kosten oder einfach zu bewältigen ist, sondern daß dem Newcomer kein Nachteil im

Hinblick auf die Produktionstechnik oder die perzipierte Produktqualität entstehen darf ... ".9

5

6

7

8

9

Shepherd (Economics), S. 54.

Shepherd (Economics), S. 54.

StigIer (Industry), S. 67.

StigIer (Industry), S.67. Hierzu merkt Brozen (Competition, S. 9, Fußnote 12) an: "He (Stigler) should add that the view economies of scale are a barrier to entry would also mean that it is equally possible to say that an equilibrium amoun! of capacity in industry in purely competitive, long run equilibrium is a barrier to entry."

Baumol (Contestable), S. 3.

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Im Hinblick auf die Kostenasymmetrien folgen Fisher, McGowan & Greenwood

Stigler und Baumol. Zu den Vergeltungsmaßnahmen gegen Newcomer ergänzen sie:

"Man muß verstehen, daß eine Marktzutrittsschranke nur dann existiert, wenn der

Altanbieter Marktzutritte verhindern kann, ohne sich konkurrenzmäßig zu verhalten.

Die Tatsache, daß Firmen, die schon auf dem Markt sind, energisch miteinander konkurrieren und man erwarten kann, daß sie auch mit Neuanbietern konkurrieren

werden, stellt keine Marktzutrittsschranke dar; sie ist ein Symptom des Wett­bewerbs."l0

e.e. von Weizsäcker rückt die Wohlfahrtsaspekte schließlich gänzlich in den Mittel­

punkt: "Eintrittsbarrieren in einen Markt können somit definiert werden als gesell­

schaftlich nicht wünschenswerte Beschränkungen des Zustroms von Ressourcen, die

dem Schutze etablierter Ressourcen(besitzer) im Markt dienen."u

Sofern eine Behinderung des Markteintritts neuer Wettbewerber erwünscht ist, wie

z.B. im Falle des Patentschutzes, spricht von Weizsäcker nicht von Zutrittsschranken.

Patente sind seines Erachtens erst dann Eintrittsbarrieren, wenn sie Imitatoren in

nicht wünschenswerter Weise zu restriktiv ausschließen12.

Dazu wiederum konträr Yale Brozen, der fast ausschließlich in solchen staatlichen

Interventionen Eintrittsbarrieren erblickt: "Wir müssen uns vor Augen führen, daß

Dinge wie Werbung und Produktdifferenzierung nicht zu Eintrittsbarrieren werden,

indem wir sie so nennen. Die hauptsächlichen Eintrittsbarrieren sind diejenigen, die

durch regulierende Tarife, Quoten und Lizenzbestimmungen auferlegt werden, sowie einige Maßnahmen der Antitrustbehörden.',13

10 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 159; Hervorhebung im Original.

U Von Weizsäcker (Barriers), S. 13.

12 Vgl. von Weizsäcker (Barriers), S. 13, und (Theory), S. 15. Ähnlich der Position von Weizsäckers auch Demsetz, der das Problem einer Wettbewerbspolitik gegenüber Eintrittsbarrieren darin sieht, definieren zu müssen, welche Kosten (für bestimmte Aktivitäten) als sozial wünschenswert gelten und welche nicht. Vgl. Demsetz (Barriers), S. 56.

13 Brozen (Competition), S. 14.

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Diese exemplarischen Eintrittsbarrierendefinitionen zusammenfassend ergibt sich

folgendes Spektrum sehr unterschiedlicher Begriffe von Marktzutrittsschranken:

Eintrittsbarrieren sind:

Eintrittsbarrieren sind nicht:

Eintrittsbarrieren sind nur:

Eintrittsbarrieren sind primär:

alle Hindernisse (Shepherd)

Marktstrukturelemente (Bain)

Kostenasymmetrien (Stigler, Baumol);

intensiver Wettbewerb (Fisher et al.); "Wohlfahrts-Barrieren" (v. Weizsäcker);

interventionistische Eingriffe (Brozen).

4.2. Markteintrittsbarrieren in der Kontroverse zwischen der Harvard und der Chicago School

Von den vorstehend aufgelisteten Positionen zur Eintrittsbarrierenthematik zählen

diejenigen von Bain und Shepherd zur Harvard School. Die übrigen Vertreter lassen

sich der Chicago School zurechnen bzw. können als dieser nahestehend angesehen

werden. Um nun die unterschiedlichen Eintrittsbarrierenkonzepte hinterfragen zu

können, ist es zunächst erforderlich, die wettbewerbstheoretischen l..eitvorstellungen der bei den Schulen zu analysieren. Diese äußern sich am deutlichsten in der Grund­

haltung gegenüber der Unternehmensgröße und der Konzentration: Die Harvard

School vertritt die These, daß Größe und Konzentration die Absprachemöglichkeit

unter den Konkurrenten begünstigen und somit das Marktergebnis beeinträchtigen.

Als Beleg für diese These führt sie die positive Korrelation zwischen der Konzentra­

tion und Profitabilität an. Diesen Zusammenhang - sofern er überhaupt anerkannt

wird - interpretiert die Chicago School in anderer Weise: " ... even if it could be

demonstrated (and probably it has not been) that there is a persistent correlation

between industry concentration and profitability, that fact would be utterly

ambiguous. High rates of return are consistent with other factors besides restriction of output, primarily superior efficiency .. .',14. Aufgrund der Tatsache, daß Unterneh­

mensgewinne nicht nur auf die kollusionsfördernde Branchenkonzentration, sondern

auch - bzw. vor allem - auf die Effizienz bestehender Firmen zurückzuführen sind,

kann eine hohe Konzentrationsrate bzw. Unternehmensgröße nach der Chicago­

Doktrin nicht per se als antikompetitiv und wohlfahrtsmindernd eingestuft werden.

Konzentrierte oligopolistische Marktstrukturen sind daher für Chicago-Vertreter

weitgehend unbedenklich. Hinter dieser Sichtweise steht folgendes Wettbewerbsver-

14 Bork (paradox), S. 181.

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ständnis: Sofern bestimmte Unternehmens größen und Marktstrukturen über einen

längeren Zeitraum Bestand hatten, haben sie sich als überlebensfähig und damit effi­

zient erwiesen. Denn andernfalls wären diese Strukturen - funktionsfähige Märkte

vorausgesetzt - vom Wettbewerb eliminiert worden.

An dieser Stelle tritt nun die Kontroverse um ein wettbewerbstheoretisch und -poli­

tisch adäquates Eintrittsbarrierenverständis zutage. Denn um ein "Status quo­

Konzept" effizienten Wettbewerbs verfechten zu können, muß die Chicago School

begründen, daß Markteintritte ggf. nur deshalb nicht stattfinden, weil der Markt

bereits effIzient bedient wird. Das heißt, die angeblichen strukturellen und strate­

gischen Zutrittsschranken müssen als Ausdruck oder Merkmal effizienten Wett­

bewerbsverhaltens enttarnt werden können15.

Mit dieser wettbewerbstheoretischen, effizienzorientierten Beurteilungsbasis für Eintrittsbarrieren, die in Abschnitt 4.2.1. noch genauer entfaltet wird, können dann

unter Punkt 4.2.2. die von der Harvard School als eintrittshemmend - und damit

wettbewerbsbegrenzend - eingestuften Faktoren aus der Sicht der Chicago School

analysiert werden. Das Ergebnis der Diskussion einzelner "angeblicher Barrieren"

vorwegnehmend kann hier bereits ausgesagt werden, daß bei "sorgfältiger Unter­

scheidung effizienzbedingter natürlicher und künstlicher Eintrittsbarrieren" (Bork)

die letztgenannte Kategorie - nach Ansicht der Chicago-Vertreter - eine nahezu leere

Menge darstellt, illegale Verhaltensweisen einmal ausgenommen. Eine Würdigung

der Chicago-Sichtweise zu Markteintrittsbarrieren für die Belange eines unterneh­

mensstrategischen Eintrittsbarrierenbegriffes beschließt sodann unter Punkt 4.2.3 den theoretischen Teil dieses Exkurses.

4.2.1. Marktmacht versus EßIzienz: Eintrittsbarrieren im Lichte divergierender Wettbewerbs doktrinen

Die nachstehenden Ausführungen hinterfragen das Eintrittsbarrierenverständnis der

Harvard und der Chicago Schoo!. Hierbei wird sich zeigen, daß die unterschiedliche

Ausgestaltung des Barrierenbegriffes auf unterschiedliche Wettbewerbsdoktrinen

zurückzuführen ist: Die Harvard School konstituiert sich um die Kollusionshypothese,

15 Bork (Paradox), S. 195, entwickelt diesen programmatischen Gedanken vom entgegengesetzten Standpunkt aus, nämlich anhand dessen, was man unternehmen müßte, um die Existenz von Ein­trittsbarrieren belegen zu können: 'What must be proved to exist, therefore, is a dass of barriers that do not reflect superior efficiency and can be erected by firms to inhibit rivals." Bekenntnishaft fährt Bork fort: 'I think it dear that no such dass of artificial barriers exists."

Page 220: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

205

nach der explizite Absprachen und stillschweigendes Parallelverhalten durch eine

geringe Zahl von Marktteilnehmern begünstigt werden. Eine derartige Verhal­

tenskoordination führt dann zu dauerhaft überdurchschnittlichen Preisen und

Gewinnen, sofern keine neuen Wettbewerber eintreten, welche die Kollusion gefähr­

den und die dadurch entstandenen Gewinne erodieren können. Vor dem Hinter­

grund dieser sog. Marktkonzentrationsdoktrin erklärt es sich, warum Eintrittsbarrie­

ren von der Harvard School als alle eintrittshemmenden Faktoren umfassend konzi­

piert wurden und nicht nur als die nicht effizienzbedingten Eintrittshemmnisse, die die

Chicago School im Lichte ihrer bereits kurz skizzierten Effizienz- oder Wettbewerbs­

überlegenheits-Hypothese ausschließlich als (künstliche) Eintrittsbarrieren anerkennt.

Denn das wie auch immer begründete Ausbleiben neuer Konkurrenten verhindert

nach Ansicht von Harvard-Vertretern den Abbau marktmacht- und kollusionsbeding­

ter Wohlfahrtsverluste, während aus Chicago-Sichtweise eine herrschende, stabile

Marktstruktur prinzipiell als die bestmögliche und die Konsumentenwohlfahrt maxi­

mierende Konstellation gilt und in langfristigen Gewinnen lediglich die überlegene

Effizienz eines Wettbewerbers zum Ausdruck kommt.

Als Marktkonzentrationsdoktrin bezeichnen Chicago-Repräsentanten wie Demsetz die in Harvard vertretene Auffassung, daß hohe und stabile Konzentrationsraten mit

wohlfahrtsmindernder Marktmacht in Verbindung zu bringen sind16. Der Begriff

Marktmacht meint in diesem Zusammenhang die Fähigkeit, den Output zu begren­

zen und die Preise dauerhaft über die langfristigen Durchschnittskosten anzuheben.

Diese Fähigkeit variiert mit der Zahl und relativen Größe der Marktteilnehmer und

folglich mit der Branchenkonzentration: Je höher der Konzentrationsgrad, desto

höher ist auch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen stillschweigenden oder

expliziten Kollusion. Diese wiederum führt dann zu suprakompetitiven Gewinnen.

Insofern liegen der Marktkonzentrationsdoktrin zwei zusammenwirkende Hypothe­

sen zugrunde: Nämlich erstens, daß ein hohes Ausmaß an Kollusion zu (im Bran­

chenvergleich) hohen Gewinnraten führt; und zweitens, daß eine wirksame Kollusion

in hoch konzentrierten Märkten wahrscheinlicher und leichter zu erreichen ist als in

fragmentierten Branchen17. Die zusammengefaßte Hypothese, daß eine hohe

Konzentration - über die Kollusionsmöglichkeit - hohe Gewinne hervorruft, wurde in

16 VgI. Demsetz (Leitfaden), S. 336 ff., und (Belief), S. 165 ff.

17 VgI. vorstehend LiebeIer (Superiority), S. 1235 - 1239. Zur Konzentrations-Gewinn.Hypothese vgI. Bain (Relation), S. 294 ff.

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206

zahlreichen empirischen Studien zum Konzentrations-Gewinn-Zusammenhang ge­

testet und bestätigt18•

Nun kann aber die Kollusion allein dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne nicht

erklären. Dazu bedarf es ferner der Markteintrittsbarrieren19. Ohne diese kann der

Preis nicht langfristig über dem Wettbewerbsniveau gehalten werden. Denn sonst

könnten neue Anbieter die kollusionsbedingt hohen Gewinnraten beseitigen und die

mit der Outputbegrenzung einhergehenden Wohlfahrtsverluste abbauen. Hierin sieht

die Harvard School die Funktion der potentiellen Konkurrenz.

Nach der Marktkonzentrationsdoktrin ist es also nicht die überragende Effizienz der

einzelnen Wettbewerber, sondern die Absprache unter den Marktteilnehmern, die zu

überhöhten Gewinnen führt. Und weil die Kollusionswahrscheinlichkeit bzw. -gefahr

mit abnehmender Anbieterzahl steigt, mißt die Harvard School einer ausreichenden

Zahl von Wettbewerbern die vordringliche Bedeutung für ein gutes Marktergebnis

bei. Daher gilt auch alles, was potentielle neue Konkurrenten vom Markt fernhält, als

eine wohlfahrts- und wettbewerbsbegrenzende Eintrittsbarriere. Denn der Marktzu­

tritt neuer Wettbewerber könnte ja die kollusionsfreundliche Struktur beseitigen und

überhöhte Gewinne eliminieren. Die Gefahr, daß die damit einhergehende Dekon­

zentration zu einem übermäßigen Verlust an produktiver Effizienz führt, wertet die

Harvard School als gering. Denn in der deutlich überwiegenden Zahl der Fälle sei

die tatsächliche Konzentration wesentlich höher als sie es sein müßte, nämlich wenn

jeder führende Anbieter die rnindesteffiziente Größe nicht überschreiten würde20.

Aber selbst wenn die Beseitigung oder Unterbindung allokativer Ineffizienz21 die

18 Vgl. den Überblick bei Böbel (Wettbewerb), sowie bei Weiss (Quantitative) und insbesondere (Relationship ), Tabelle 11, S.204 - 220. Demsetz (Leitfaden), S.337, geht so weit zu behaupten, daß die Marktkonzentrationsdoktrin in erster Linie auf der statistischen Korrelation zwischen Kon­zentration und Gewinnraten aufbaut. Dem entgegnet Rosenbluth (Anmerkung), S. 357, daß sie sich auf theoretische Überlegungen stützt, "besonders solche Überlegungen, die sich auf die Wahr­scheinlichkeit erfolgreicher Kollusion beziehen." In diesem Punkt ist die Chicago School der Ansicht, daß eine generelle Theorie der Kollusion noch fehlt, insbesondere eine solche, auf deren Grundlage sich ein Zusammenhang zwischen dem beobachtbaren Konzentrationsgrad einer bestimmten Branche und einer erfolgreichen Kollusion herstellen ließe. Vgl. Demsetz (Regulate), S.18.

19 Vgl. hierzu auch Dirrheimer (Marktkonzentration), S. 167 ff.

20 Vgl. Scherer (Economics), S.28. Dieses Ergebnis bestätigt auch Stigler (Price), S.223: "In the manufacturing sector there are few industries in which the minimum effident size of the firm is as much as 5 p.~r cent of the industry's output and concentration must be explained on other grounds." Zu einem Uberblicksbeitrag vgl. auch Greer (Industrial Organization), S. 164 - 169, der die zu erwartenden und tatsächlichen Konzentrationsraten verschiedener Branchen einander gegenüber­stellt.

21 Diese entsteht durch die marktrnachtbedingte Möglichkeit der Outputbegrenzung.

Page 222: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

207

produktive Effizienz beeinträchtigen und zu einer Kostensteigerung führen sollte,

steht dies nach Meinung der Harvard School im Einklang mit den pluralistischen

Zielen der Wettbewerbspolitik. Denn die Schutzzwecke des amerikanischen Anti­

trustrechts umfassen sowohl wohlfahrtsökonomische Effizienzüberlegungen als auch

die Sicherung der wirtschaftlichen Handlungs- und Entschließungsfreiheit sowie die Kontrolle wirtschaftlicher Macht, wobei der zweite Zielkomplex ursprünglich im

Vordergrund stand22• Die Gerichte hatten es unter der Harvard-Doktrin daher aus­

nahmslos abgelehnt, Effizienzsteigerungen als Ausgleich für eine potentielle Verrin­

gerung des Wettbewerbs zu berücksichtigen23.

In den 70er und 80er Jahren wandten sich die Gerichte und Antitrustbehörden dann jedoch immer stärker den ökonomischen Effizienzgesichtspunkten zu24. Diese Ent­

wicklung wurde von der Chicago School getragen, die das alleinige Ziel der Wettbe­

werbspolitik in der Konsumentenwohlfahrt und damit in der effizienten Produktion

von Gütern und Dienstleistungen nach den Wünschen der Verbraucher sieht25• Die

Chicago School konzentriert sich bei der Beurteilung von Marktstrukturen und

-verhaltensweisen daher ganz auf den Trade off zwischen allokativer Ineffizienz und

produktiver Effizienz, wobei ihres Erachtens - beispielsweise im Falle einer Fusion -

der Gewinn an produktiver Effizienz die Konsumentenwohlfahrt mehr steigert als

diese durch die allokative Ineffizienz aufgrund von Marktmacht geschmälert wird26.

Diese Vorstellung einer effizienzbedingten Wohlfahrtssteigerung ist im Lichte des

New Leaming, d.h. der neuen Lehre zur Konzentration zu sehen. Diese bildet den Kern

der Chicago-Doktrin und liefert eine neue Erklärung für überdurchschnittliche

Gewinnraten bei Konzentration - und zwar durch die Umkehrung des Kausalzu­sammenhangs zwischen (produktiver) Effizienz und Unternehmensgröße gegenüber

22 vgl. Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 41 ff.

23 Vgl. hierzu mit einigen Belegstellen Mueller (Antitrustrecht), S. 537.

24 Diesen Prozeß beschreibt Mueller (Antitrustrecht), S. 533 - 538.

25 Vgl. KalIfass (Chicago), S.597. Diese Haltung wird auf unterschiedliche Weise begründet: Bork konstatiert - im Widerspruch zu vielen anderen Lehrmeinungen -, "daß die Väter des amerikani­schen Antitrustrechts einzig und allein dieses Ziel verfolgt hätten." Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 13. Daneben begründet Bork die Überlegenheit des ausschließlichen Ziels der Konsumenten­wohlfahrt gegenüber einem pluralistischen Zielsystem u.a. mit der dadurch geschaffenen Rechts­sicherheit, mit der Beschneidung der Entscheidungsspielräume der Rechtsprechung und - damit zusammenhängend - mit der Stärkung der Legislative, sowie mit der Vermeidung von willkürlichen oder gegen die Konsumenten gerichteten Regeln. Vgl. Bork (Paradox), S. 81 ff., oder zu einer Kurzdarstellung Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 38 f. Andere Chicago-Vertreter argumentieren, daß sich außerökonomische Ziele besser mit anderen Methoden (z.B. der Steuerpolitik) verfolgen lassen als mit dem wettbewerbspolitischen Instrumentarium. Vgl. Bittlingmayer (Chicago), S. 716 f.

26 Vgl. hierzu - einschließlich einer Kritik - Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 50 - 53.

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208

der konventionellen mikroökonomischen Theorie. Dort ging man üblicherweise

davon aus, daß alle Unternehmen Zugang zur gleichen Produktionstechnologie

haben und daher auf einer gemeinsamen langfristigen Durchschnittskostenkurve

operieren. Weist diese Kurve eine negative Steigung und damit Skalenerträge auf, so

hat das größte Unternehmen die geringsten Kosten27. Größe bewirkt demnach Effi­

zienz bzw. niedrigere Kosten28.

Anders sehen dies hingegen die Vertreter der Chicago School: Sie bemängeln, daß

die Kollusionshypothese nur beschreiben kann, was nach erfolgter Konzentration

eintreten könnte, nicht aber, wie konzentrierte Marktstrukturen überhaupt zustande

kommen können29. Diese Lücke füllt nun die auf Demsetz und Brozen zurück­

gehende Effizienzhypothese auf30, die besagt, daß leistungsfähigere Unternehmen ein

schnelleres Wachstum aufweisen als ihre Konkurrenten. Damit kehrt die "neue

Lehre" den Kausalzusammenhang zwischen Effizienz und Größe um: Nicht die

Größe bewirkt Effizienz, sondern Effizienz führt zu Größe31• Und sofern dies von

überdurchschnittlichen Gewinnen begleitet wird, kommt hierin folglich nicht bzw.

weniger die Marktmacht als vielmehr die überlegene Wettbewerbsfähigkeit erfolg­

reicher Unternehmen zum Ausdruck. Denn wenn die Marktmacht- bzw. Kollusions­

hypothese zutreffend wäre, müßten nach Demsetz alle Unternehmen einer hoch kon­

zentrierten Branche suprakompetitive Gewinne erzielen32. Wenn jedoch nur die

größten Unternehmen eines solchen Industriezweiges höhere Gewinne aufweisen, was

die Untersuchung von Demsetz bestätigt, so folgt daraus, daß " ... large firms have

become large because they are more efficient than other firms and are able to earn a higher rate of return than other firms."33

27 Mit dieser Begründung wurden z.B. die zwischen 1895 und 1910 in den USA gebildeten Trusts verteidigt. Vgl. Shepherd (Scale), S. 165.

28 Vgl. Mueller (Antitrustrecht), S.538. Diese These wurde nach Mueller (ebenda, S. 538 f.) jedoch durch die oben dargelegte Kollusionshypothese ersetzt (also: Größe/Konzentration begünstigt Kollusion), nachdem empirische Untersuchungen ergeben hatten, daß der Stand der Konzentration im allgemeinen höher ist als es für die Realisation von Größenersparnissen nötig wäre.

29 . Vgl. LiebeIer (Superiority), S. 1248.

30 Vgl. Demsetz (Industry) und (Belief), sowie Brozen (Concentration).

31 Vgl. Mueller (Antitrustrecht), S. 539. Die überragende EffIzienz eines Unternehmens kann daher nicht mehr bzw. nicht mehr nur auf Betriebsgrößenersparnisse zurückgeführt werden, die wegen ihres meist zu geringen Ausmaßes die Wettbewerbsüberlegenheit ohnehin nicht allein erklären können. Deren Ursachen sieht die Chicago School vielmehr in "superior skill, foresight and management". Audretsch (SchooIs), S. 13. Zur Bedeutung der unterschiedlichen Qualität des Managements für die UnternehmenseffIzienz siehe insbesondere Bork (Paradox), S. 194 f.

32 Vgl. Demsetz (Industry), S. 266.

33 Demsetz (Industry), S.267. Porter (Companies' performance), S. 226 f., sowie Caves & Pugel (Differences), S. 14, bieten jedoch mit dem Konzept strategischer Gruppen eine alternative Deutungsmöglichkeit für Gewinnunterschiede innerhalb konzentrierter Branchen und üben zugleich Kritik an der Verwerfung der Marktmachthypothese: Die Effizienz im Sinne von Demsetz

Page 224: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

209

Aus dieser neuen Erkenntnis heraus ist die Marktstruktur bzw. der Konzentrations­

grad für die Chicago School kein wettbewerbspolitisches Thema: "Wenn uns die

Wettbewerbstheorie überhaupt irgend etwas über die Marktstruktur einer Branche

zu sagen hat, ist es dies: Die Organisation einer Industrie, die für einen längeren

Zeitraum nicht gesetzlichen Zulassungsbeschränkungen unterlegen hat und dabei

unverändert geblieben ist, spiegelt die zugrunde liegende Kostensituation wider.,,34

Sind jedoch in einer Branche Veränderungen der Marktstruktur zu beobachten, so

bewertet die Chicago School diese gerade konträr zur Harvard School: Ein abneh­mender Konzentrationsgrad wird als Indiz für eine monopolistische Preispolitik mit

überhöhten Gewinnen gewertet, die neue Konkurrenten zum Markteintritt veranlaßt

haben. Eine zunehmende Konzentration deutet hingegen auf ein aggressives Wett­

bewerbsverhalten mit Preisen nahe dem langfristigen Kostenniveau hin35•

An dieser Argumentation wird nochmals deutlich, daß man in Chicago Marktstruk­

turen keine (große) Bedeutung beimißt und statt dessen das Marktverhalten als wich­

tiger einschätzt: Geleitet von der Vorstellung, daß man "vernünftigerweise annehmen

(kann), daß eine Firma versuchen wird, ihre Konkurrenten dadurch auszustechen,

daß sie effizienter als diese arbeiten wird"36, verfolgt die Chicago School einen

Verhaltensansatz37• Trotz eines sehr langfristigen Zeithorizontes bei der Beurteilung

wettbewerbspolitischer Fragen38 dominiert dabei der kurzfristige Aspekt der Reali­

sierung von Effizienz39. Die langfristigen Wirkungen des "Ausstechens von Konkur­

renten" auf die Marktstruktur sind für die Chicago School unproblematisch, da man

hat ihren Platz in der Theorie der Gewinndeterminanten eines Unternehmens. Denn diese besagt, daß sich Unternehmen in ihrer Fähigkeit zur Strategierealisation unterscheiden, was auch Porters Theorie explizit berücksichtigt. Letztere zeigt jedoch ein Defizit der EfflZienzhypothese auf: Nämlich nicht nur eine überlegene Implementationsfähigkeit, sondern auch die Strategie selbst trägt ZU einem überragenden Unternehmenserfolg bei. Und ohne Mobilitätsbarrieren - ein Erklä­rungsansatz der Marktmachtdoktrin - ist der auf die Gruppen- bzw. Strategiewahl entfallende Erfolgsanteil nicht als dauerhaft erklärbar. Vgl. hierzu Porter (Companies' performance), S. 226 f.

34 Demsetz (Leitfaden), S. 336 f. In diesem Sinne auch McGee (Efftciency), S. 93: " ... in the absence of artificial strictures there is a strong presumption that the existing structure of industry is the efficient structure." Mueller (Antitrustrecht), S. 548, rezipiert diese Position mit den Worten: "Die Größten haben sich als die Besten erwiesen, und die Gesellschaft muß zwangsläufig davon profitieren, wenn sich die Produktion auf diese Unternehmen konzentriert." (Hinzugefügte Hervorhebung.) So hegt beispielsweise Bork (Paradox, S.178) Zweifel, ob es überhaupt ein signifikantes Outputbegren­zungsproblem gibt, das aus der Konzentration irgenddnes Industriezweiges resultiert.

35 Vgl. Brozen (Doctrine), S. 829 ff., sowie den Hinweis bei KalIfass (Chicago), S. 597.

36 Demsetz (Leitfaden), S. 344.

37 Vgl. Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 30.

38 Vgl. KalIfass (Chicago), S. 597.

39 Vgl. Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 69.

Page 225: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

210

allenfalls gegenüber absoluten Monopolen Bedenken hegt4O, eine Kollusion erst bei

sehr hohem Konzentrationsniveau für profitabel und dauerhaft durchführbar hält41

und im übrigen - wie gesagt - zuversichtlich ist, daß die sich selbst überlassenen

Wettbewerbskräfte bzw. Unternehmen die Konsumentenwohlfahrt maximieren und

die hierfür effizienteste Marktstruktur herbeiführen42•

Damit ist nun einsichtig geworden, warum die Chicago School den im Industrial

Organization-Paradigma postulierten Struktur~ Verhaltens-Ergebnis-Zusammenhang bzw. die Industrieökonomik überhaupt ablehnt. Wollte man - als Gegenüberstellung

hierzu - das Wettbewerbsparadigma der Chicago School mittels der industrieöko­nomischen Dreiteilung des Marktgeschehens darstellen, würde dies zu der in Abb. 13

ausgewiesenen Anordnung führen43: In dem Bestreben, einander beim Konkurrieren

um die Nachfrage zu übertreffen, maximieren die Wettbewerber die Konsumenten­

wohlfahrt. Mit anderen Worten: Das Wettbewerbsverhalten der auf Effizienz abstel­

lenden Marktteilnehmer führt zum bestmöglichen Marktergebnis. In diesem Wett­bewerbsprozeß setzen sich die effizientesten Anbieter durch. Dies bewirkt letztend­

lich diejenige Marktstruktur, die der Effizienz bzw. dem Marktergebnis dienlich ist.

(effizientes) Marktverhalten

Marktergebnis - (Konsumenten­

wohlfahrt) - (günstigste) Marktstruktur

Abb. 13: Der Marktverhaltensansatz der Chicago School

Quelle: in Anlehnung an Phillips (Commentary), S. 411

Mit den nunmehr hinreichend analysierten Divergenzen in den Grundpositionen der

Harvard und der Chicago School kann deren unterschiedliche Haltung gegenüber

den natürlichen Eintrittsbarrieren aus der jeweiligen Wettbewerbsdoktrin heraus

begründet werden: Für die Harvard School sind suprakompetitive Gewinne und

40 vgI. Bittlingmayer (Chicago), S. 715. 41

VgI. Audretsch (Schools), S.6, in einer Würdigung der Bedeutung der Kollusionstheorie Stiglers

42 für die Chicago Schoo!. Siehe auch Posner (Chicago), S. 933.

Kritiker sehen hierin ein tautologisches Argument. So z.B. Rosenbluth (Anmerkung), S. 358: "Wenn wirksamer Wettbewerb vorliegt, dann ist er so wirksam wie er sein muß, soll dies öko­nomisch sein."

43 VgI. hierzu Phillips (Commentary), S. 410 f.

Page 226: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

211

Wohlfahrtsverluste das Resultat eines kollusionsfördernden Konzentrationsgrades.

Funktionsfähiger Wettbewerb ist daher eine Frage der Marktstruktur: Für ein gutes

Marktergebnis ist nach der Harvard-Doktrin eine eher hohe Anzahl annähernd gleich

großer Konkurrenten von Nutzen. Konsistenterweise sieht man die Funktion der

potentiellen Konkurrenz darin, Druck auf etablierte Wettbewerber auszuüben -

entweder, indem neue Anbieter in konzentrierte Branchen eintreten, dort kollusive

Strukturen beseitigen und Monopolmacht erodieren, oder indem sie allein durch

ihren drohenden Marktzutritt die bestehenden Wettbewerber disziplinieren und eine

koordinierte Outputbegrenzung verhindern. Dies setzt voraus, daß potentielle New­

comer gegebenenfalls tatsächlich in einen Markt mit suprakompetitiven Gewinnen

eintreten können, d.h. daß die Marktzugangsbedingungen günstig bzw. die Barrieren

gering sind. Alle strukturellen Faktoren und Verhaltensweisen, die etwaigen Heraus­

forderern den Eintritt erschweren, legt die Harvard School im Lichte ihrer Markt­

konzentrationsdoktrin bzw. Kollusionshypothese daher als Eintrittsbarrieren aus -

gleichgültig, ob von Etablierten unbeabsichtigt oder mit dem Ziel der Eintrittsver­

hinderung hervorgerufen.

Zu einer anderen Bewertung insbesondere der natürlichen wettbewerbsimmanenten

Eintrittsbarrieren gelangt die Chicago School. Dies hängt mit deren konträrem Wett­

bewerbsverständnis zusammen, demzufolge Marktstrukturen weitestgehend irre­

levant sind und statt derer die (effIzienten) Verhaltensweisen rivalisierender Konkur­

renten das bewirken, was der Wettbewerb bewirken soll, nämlich eine Steigerung der

Konsumentenwohlfahrt. Die Funktion des Wettbewerbs besteht aus Chicago-Sicht­

weise bzw. nach der Wettbewerbsüberlegenheits-Doktrin folglich darin, das Streben

nach wohlfahrtssteigernder Effizienz zu belohnen: "Man kann es als vorteilhaft

ansehen, Firmen zu ermutigen, ihre Konkurrenten zu überflügeln, und deshalb soll­

ten wir zögern, Erfolg nur aus dem Grunde zu sanktionieren, weil er zu einer Steige­

rung der Marktkonzentration führt."44 Effizienzbedingte Konzentration ist für die

Chicago School daher - im Gegensatz zur Harvard-Doktrin - unproblematisch. Sie

sieht keine Notwendigkeit, die Anzahl gleichermaßen effIzienter oder gar unterle­

gener Wettbewerber zu erhöhen45•

44 Demsetz (Leitfaden), S.347. Zu den Sanktionen gegen erfolgreiche Unternehmen äußert sich Brozen (Concentration), S. 7: .... the law as presently interpreted seems to say that firms should compete but shouId not win:

45 Einem ineffIZiente Newcomer ausschließenden Limit Pricing, das mit der Begründung befürwortet wird, 'that the limit price gives the consumer aIl he could ever hope to gain from competition .. ." [Ray (Predatory), S. 177], hält Hay (ebenda, S.I77) in einer dynamischen Betrachtung entgegen: •... tbe argument overlooks (or dismisses) tbe possibility that a1lowing inefficient competitors to entcr in the short run may produce long-run benefits if those firms move down the learning curvc ovcr time."

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212

Den Maßstab der Effizienz legt die Chicago School auch bei der Beurteilung von

Eintrittsbarrieren an: Wenn neue, weniger effiziente Anbieter nicht im Markt Fuß

fassen können, ist es nicht angebracht, von Eintrittsbarrieren zu sprechen. Denn bei

eventuell auftretenden Marktzutrittsschwierigkeiten handelt es sich meist um natür­liche Eintrittshemmnisse, die allein daher rühren, daß überlegene etablierte Anbieter

ihrer Aufgabe nachkommen und die Wünsche der Konsumenten effizient erfüllen.

Würde man hingegen - wie in Harvard - alles, was den Marktzutritt schwierig gestal­

tet, als Eintrittsbarriere bezeichnen und würde man Eintrittsbarrieren schlecht

heißen, dann wäre Effizienz nach Bork ein Übel. Diese Sichtweise verträgt sich seines

Erachtens nicht mit der Idee der Konsumentenwohlfahrt46• Wettbewerbspolitisch

relevante Eintrittsbarrieren sind für die Chicago School daher nur künstlich geschaf­

fene Barrieren, d.h. nur solche Hindernisse, die nicht auf die überlegene Effizienz

bestehender Anbieter zurückzuführen sind. Hierzu zählen nicht die von der Harvard

School genannten Eintrittsbarrieren: "Angebliche Marktzutrittsschranken wie

Werbung, vertikale Integration und Mindestkapitalausstattung fallen allesamt in die

Kategorie von wettbewerblichen Verhaltensweisen, die man eher in Zusammenhang

mit produktivem Wettbewerbsverhalten bringen sollte, als mit unproduktiver Mono­polisierung. ,,47

Für beide Schulen haben Eintrittsbarrieren also einen hohen theoretischen Stellen­wert: Für die Harvard School sind sie als zusätzliche Erklärungsfaktoren wichtig, die

erst die Dauerhaftigkeit kollusionsbedingter Monopolrenten begründen können. Die

Chicago School muß sich aus einem anderen Grund mit der Bedeutung von Markt­

eintrittsbarrieren auseinandersetzen: Damit bestehende, stabile Strukturen als effi­

zient ausgewiesen werden können, muß auch das, was ihre Veränderung (durch neue

Wettbewerber) verhindert, als effiziente Erscheinungsform begründet werden

können. Wegen der unterschiedlichen wettbewerbstheoretischen Leitbilder - nämlich

zum einen der durch Konzentration und Marktrnacht verursachten Wohlfahrtsver­

luste, zum anderen der durch Konzentration und Größe bzw. Effizienz gewährleiste­

ten Konsumentenwohlfahrt - gelangen beide Schulen zu einer diametral entgegenge­

setzten Begrifflichkeit und auch Einschätzung einzelner ("angeblicher") Eintrittsbar­

rieren, wie die nachfolgende Analyse zeigen wird.

46 vgl. Bork (Paradox), S. 195.

47 Demsetz (Leitfaden), S. 346.

Page 228: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

213

4.2.2. Die Kritik der Chicago School an den einzelnen "angeblichen" Eintritts­

barrieren

Nach der Vermittlung des wettbewerbstheoretischen Hintergrundes der Eintrittsbar­

rierenkontroverse zwischen der Harvard und der Chicago School kann nun die von

Chicago-Vertretem aus der Effizienz-Perspektive an den einzelnen "angeblichen

Marktzutrittsschranken" (Dernsetz) geübte Kritik vorgestellt werden. Die Argumen­

tationslinie und das Ergebnis sind aus den Vorüberlegungen bereits bekannt -

nämlich daß strukturelle Marktschranken mit wettbewerblichem Marktverhalten

verwechselt werden. Hinsichtlich der stmkturellen Barrieren bleibt somit nur noch der

genaue Gang der Argumentation zu präsentieren. Zu den wettbewerbsfeindlichen

Verhaltensweisen vertritt die Chicago School die Position, daß Marktrnacht nicht

durch einseitige, d.h. nichtabgestimmte Verhaltensweisen erlangt werden kann und

daher eintrittsbehindernde Strategien wiederum nur als effizientes Marktverhalten

interpretiert werden können.

Zur angeblichen Betriebsgrößenersparnisbarriere

Die Industrial Organization-Argumentation zur größenabhängigen Eintrittsbarriere

lautet, daß die Existenz signifikanter Größenersparnisse den Markteintritt schwierig

gestalten kann, da ein Newcomer einen großen Marktanteil erreichen muß, um in gleichem Ausmaß wie Etablierte in den Genuß von Skalenerträgen zu gelangen. Die

Schwierigkeit resultiert dabei aus der Tatsache, daß seine zusätzliche Angebotsmenge

den Marktpreis unter sein Kostenniveau absenken kann, so daß sich der Markteintritt

möglicherweise als unrentabel herausstellt. Dieser Argumentation widerspricht die

Chicago School nicht, wohl aber der Schlußfolgerung, daß es sich bei Größenerspar­nissen um eine (künstliche) Eintrittsbarriere handelt48• Denn erstens operieren

bestehende und potentielle Anbieter (nach Voraussetzung) auf der gleichen langfri­

stigen Durchschnittskostenkurve, d.h. sie konkurrieren zu den gleichen Bedingungen.

Somit entsteht einem Newcomer - bei gleicher Größe - kein Kostennachteil, so daß

im Sinne der Definition Stiglers49 nicht von einer Eintrittsbarriere gesprochen

werden kann, auch wenn sich nur wenige Konkurrenten (oder gar nur ein Unter­

nehmen) im Markt behaupten können50. Und zweitens legt die Existenz von

48 Vgl. PeppereIl & Turner (Barriers), S. 33.

49 Vgl. oben, S. 201.

50 Vgl. Demsetz (Barriers), S. 50. Den letztgenannten Fall des natürlichen Monopols behandelt Demsetz in (Regulate); vgl. hierzu auch McGee (Competition), S. 38, und zu einer Kritik Waterson (Definition), S. 527 ff.

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214

Betriebsgrößenersparnissen die mindesteffiziente Produktionsmenge fest5!, so daß: " ... the underlying nature of this barrier to entry is efficiency."52 Aus diesem Grunde

handelt es sich für die Chicago School bei Skalenerträgen um ein natürliches wettbe­

werbsimmanentes Zutrittshemmnis, das keine staatlichen Eingriffe in die Markt­

struktur rechtfertigt53.

Zur angeblichen Kapitalbedarfsbarriere

Nach der klassischen Harvard-Argumentation liegt eine Kapitalbedarfsbarriere vor,

wenn ein potentieller Newcomer das für den Markteintritt erforderliche Kapital

entweder überhaupt nicht oder nur zu höheren Kosten als ein etablierter Anbieter aufbringen kann. Bis zu einem bestimmten Grad stimmen Chicago-Vertreter wie

Bork mit der Harvard-Position überein, nämlich darin, daß häufig massive Mittel für

den Markteintritt erforderlich sind und daß dies Eintritte mit Sicherheit auch verhin­

dert54. Allerdings teilen sie nicht die Auffassung, daß es sich hierbei um eine wettbe­

werbspolitisch relevante (künstliche) Eintrittsbarriere handelt. Denn damit ein

Handlungsbedarf für die Antitrustpolitik besteht, müßte nach Bork ein etablierter

Monopolist entweder in der Lage sein, den Kapitalbedarf potentieller Newcomer

übermäßig zu steigern, um dadurch deren Eintritt zu verhindern; oder aber der

"normale" Kapitalbedarf selbst müßte als Eintrittsbarriere gedeutet werden können55.

Im letztgenannten Fall ist es nach Bork56 selbsterläuternd, daß keine künstliche

Barriere vorliegt: Es ist die Betriebsgröße, die einen hohen Kapitaleinsatz erforder­

lich macht. Daher ist es nicht angebracht, den "natürlichen" Kapitalbedarf durch

wettbewerbspolitische Maßnahmen zu senken. Denn dies ginge zu Lasten der Kon­sumentenwohlfahrt und würde dazu führen, ökonomische Effizienz der Erleichterung des Marktzutrittes zu opfern.

Aber auch die "predatorische" Steigerung des Kapitalbedarfs bildet für Bork keine

realistische Strategie der Eintrittsverhinderung. Denn ein Unternehmen kann Ein­

trittsbarrieren nicht erhöhen, indern es seine horizontale Größe über das optimale

. Maß hinaus steigert. Dies würde im Gegenteil einem Newcomer die Gelegenheit bie­

ten, mit einer effizienteren Größe und daher mit einern Kostenvorteil erfolgreich im

51 Vgl. Posner (Antitrust), S.92, der aus diesem Grunde verneint, daß Skalenerträge eine Eintritts-barriere darstellen.

52 Liebeier (Superiority), S. 1243.

53 Vgl. PeppereIl & Turner (Barriers), S. 33. 54 Vgl. Bork (Paradox), S. 320. 55 Vgl. Bork (Paradox), S. 320.

56 Vgl. Bork (Paradox), S. 323.

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215

Markt Fuß zu fassen. Auch eine Möglichkeit, durch vertikale Integration einen poten­

tiellen Newcomer zum gleichzeitigen Markteintritt auf mehreren Stufen zu zwingen,

um dessen Kapitalbedarf prohibitiv zu steigern, sieht Bork nicht. Er kritisiert diese

Vorstellung zunächst dahingehend, daß sie überhaupt nur für diejenigen extremen und seltenen Fälle zutreffend ist, in denen vor- bzw. nachgelagerte Stufen vollständig

unter der Kontrolle vertikal integrierter Firmen sind und es keine unabhängigen Lieferanten oder Abnehmer gibt. Selbst in solchen extremen Fällen vertikaler Inte­

gration liegen nach Bork aber keine wirksamen künstlichen Barrieren vor. Denn

wenn die vertikale Ausweitung der Geschäftstätigkeit der Effizienz dient, dann ist der

daraus resultierende erhöhte Kapitalbedarf funktional für das Marktergebnis bzw.

die Konsumentenwohlfahrt. Außerdem sollte es einem Newcomer nicht schwer

fallen, einen Partner für den Markteintritt in die zweite Stufe zu finden und so den

zusätzlichen Kapitalbedarf zu umgehen, wenn die betreffende Branche ein attraktives

Eintrittsziel darstellt. Aber selbst wenn sich der Newcomer - um des Argumentes

willen - entscheiden sollte, auf beiden Stufen zugleich einzutreten, wird er nach Bork

in der Lage sein, bei Kapitalgebern Unterstützung zu finden: "Capital suppliers, like

all other suppliers, are interested in maximizing their returns, and an industry where

greater-than-competitive returns are available should be particularly attractive.,,57

Dem zweiten Aspekt des Harvard-Arguments zur Kapitalbedarfsbarriere, nämlich

daß nicht nur die absolute Höhe des Kapitaleinsatzes, sondern auch der Kapital­

kostennachteil potentielle Newcomer vom Markteintritt abhalten kann, begegnet die

Chicago School wie folgt: Die höheren Finanzierungskosten neuer Anbieter resultie­

ren im allgemeinen daraus, daß ihr Markteintritt ein höheres Risiko darstellt als

andere Anlagealternativen und das erforderliche Kapital daher nur gegen eine

Risikoprämie aufgenommen werden kann. Daß das Risiko neuer Wettbewerber vom

Kapitalmarkt höher eingestuft wird als das etablierter Unternehmen führt Demsetz

u.a. darauf zurück, daß letztere den Informationsbedürfnissen der Kapitalgeber

besser gerecht werden: "A large firm and a long history convey information about a

firms ability to weather unforseen risks and about its willingness to accept high risks.,,58 Auch wenn die Kreditvergabe nicht allein nach solchen vergangenheitsorien­

tierten Daten entschieden werde, seien diese nicht völlig irrelevant für die Bestim­

mung des Zinssatzes für das Kapitalangebot. Denn in einer Welt, in der die Informa­

tionsbeschaffung Kosten verursacht, liefert eine "Geschichte vergangener Erfolge"

57 Bork (Paradox), S. 322.

58 Demsetz (Barriers), S. 50.

Page 231: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

216

eine Begründung für Zinsdifferenzen zwischen etablierten und potentiellen Wett­

bewerbern59•

Die risikobedingt höheren Finanzierungskosten von Newcomern bilden also eine

Kostenasymmetrie zwischen bestehenden und neuen Wettbewerbern, so daß im

Sinne Stiglers von einer Eintrittsbarriere gesprochen werden kann. Dies erkennt beispielsweise Posner an6O• Dennoch ist er der Meinung, daß dieser Kostennachteil

kein solches Ausmaß annimmt, das einen potentiellen Newcomer von einem Markt

fernhalten könnte, in dem überdurchschnittliche Gewinne erzielt werden. Denn

selbst wenn ein neuer Anbieter um zehn Prozent höhere Zinsen und Dividenden bieten muß, damit er das notwendige Kapital aufbringen kann, bedeutet dies für ihn

einen Gesamtkostennachteil von nur ca. einem Prozent gegenüber bereits bestehen­

den Anbietern61.

Außerdem führt Posner an, daß Newcomer ja nicht unbedingt neugegründete Unter­

nehmen mit einem ungünstigen Risiko sein müssen, sondern durchaus bereits in anderen Märkten etabliert sein können. Ein solcher diversifizierender Newcomer

kann das erforderliche Kapital tendenziell zu den gleichen Bedingungen aufnehmen

wie die Unternehmen desjenigen Marktes, in den er einzutreten plant62. Oder aber er

hat die Möglichkeit der Innenfinanzierung seines Diversifikationseintrittes.

Hierzu argumentiert Bork, daß einen Newcomer keineswegs eine künstliche Barriere

behindert, wenn er anders als ein finanzstarkes etabliertes Unternehmen zur Außen­

finanzierung greifen muß. Denn die Kapitalverfügbarkeit ist eine bedeutende Effi­

zienzursache, die es dem Unternehmen erspart, Kapitalgeber mit Informationen zu versorgen63•

Mit Bork kann nunmehr die Position der Chicago School zur Kapitalbedarfsbarriere

resümiert werden: "In sum, capital does not constitute an artificial barrier to entry,

capital requirements cannot be arbitrarily imposed upon potential entrants, and the possession of capital is merely a socially valuable efficiency.'064

59 VgI. Demsetz (Barriers), S. 50.

60 VgI. Posner (Chicago), S. 945. Anders jedoch Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 178, die darauf verweisen, daß beim Vergleich unterschiedlicher Situationen die Zinssätze um Risikounterschiede ZU korrigieren sind. V gI. hierzu unten, S. 233 f.

61 VgI. Posner (Chicago), S. 945.

62 VgI. Posner (Antitrust), S. 93.

63 Vgl. Bork (Paradox), S. 323.

64 Bork (Paradox), S. 324.

Page 232: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

217

Zur angeblichen ProduktdifTerenzierungsbarriere

Bei der Stellungnahme zur angeblichen Produktdifferenzierungsbarriere unterschei­

det die Chicago School zwischen der physischen Produktdifferenzierung und der

Werbung.

Die physische ProduktdifJerenzierung erschwert nach Ansicht der Harvard School den

Markteintritt neuer Konkurrenten dann, wenn diesen die Möglichkeit der Speziali­sierung auf bestimmte Produktsegmente vorenthalten ist. Denn um Newcomern den

Zutritt über eine Nischenstrategie zu verwehren, können etablierte Anbieter den

"Raum der Produktcharakteristika" (Scherer) hinreichend dicht besetzen, so daß der Markt nicht über profitable neue Produktvarianten erschlossen werden kann65• Dies

stellt die Chicago School, insbesondere Bork, nicht in Frage.

Jedoch kann Bork nach eigenem Bekunden aus den Beiträgen der Harvard-Vertreter

nicht erkennen, warum es sich bei der physischen Produktdifferenzierung um eine

Eintrittsbarriere und nicht um eine Form der Effizienz handeln sollte66. Denn grund­

sätzlich steht es doch jedem Newcomer frei, sein Produkt nach seinen eigenen Vor­

stellungen zu konzipieren. Die Produktgestaltung bzw. Differenzierung etablierter

Konkurrenten erschwert einen Eintritt daher nur insoweit, als Konsumenten mög­

licherweise die Produktvariante bestehender Anbieter bevorzugen67.

Der Konsumentenwohlfahrt als einziger Zielvorstellung folgend stellt Bark bei seiner

Argumentation zur physischen Produktdifferenzierung also die Nachfrager und nicht

die potentiellen Konkurrenten in den Mittelpunkt. Er geht davon aus, daß etablierte

Unternehmen ihre Produkte funktional oder "dekorativ" (Bork) differenzieren, um

den Bedürfnissen der Abnehmer besser gerecht zu werden und nicht etwa um mög­

liche Eintrittspfade potentieller Newcomer zu blockieren. Denn eine erhöhte Ange­

botsvielfalt ist nur dann profitabel, wenn sie die Konsumenten anspricht. Ist dies der

Fall, so muß die physische Produktdifferenzierung als eine Form von Effizienz einge­

stuft werden68• Denn nach Bork resultiert Effizienz nicht nur aus Kostensenkungs­

maßnahmen. Sie liegt auch dann vor, wenn den Konsumenten Produkte angeboten

werden, die diese präferieren, selbst wenn solche Produkte höhere Kosten ver­ursachen69.

65 VgI. Scherer (IndustriaI), S. 258.

66 VgI. Bork (Paradox), S. 312.

67 VgI. Bork (Paradox), S. 312.

68 VgI. Bork (Paradox), S. 312.

69 VgI. Bork (Paradox), S. 318.

Page 233: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

218

Die physische Produktdifferenzierung kann also - von Chicago-Vertretern unbe­

stritten - etablierte Unternehmen vor dem Marktzutritt neuer Konkurrenten bewah­

ren, aber nur, indem Etablierte den Konsumenten das anbieten, was ihnen poten­

tielle Newcomer offerieren könnten. Nimmt die Nachfrage das differenzierte Pro­

duktangebot an, dient dieses der Effizienz70• Aus diesem Grunde sieht die Chicago

School in der physischen Produktdifferenzierung keine wettbewerbspolitisch rele­

vante Eintrittsbarriere. Sie kehrt die Harvard-Argumentation vielmehr in das Gegen­

teil um, nämlich daß sich potentielle Newcomer der unmittelbaren Konkurrenz be­

stehender Anbieter entziehen können, indem sie ein nichtidentisches Produkt offerie­

ren71. Die physische Produktdifferenzierung ist in diesem Sinne keine Eintrittsbar­

riere, sondern eine Eintrittsstrategie 72.

An der Werbung als angeblicher Eintrittsbarriere übt die Chicago School eine mehr­

fache Kritik: Zum einen setzt sie an der Vorstellung an, daß Newcomer relativ höhere Werbeaufwendungen zu tätigen haben als bereits bestehende Anbieter. In

diesem Zusammenhang knüpft sie an die Advertising Capital-Kontroverse um die

Beziehung zwischen der Werbeintensität und der Gewinnrate an. Zum anderen stellt sie mit der Informationsfunktion den prokompetitiven Charakter der Werbung

heraus, aufgrund deren Chicago-Vertreter - ähnlich wie bei der physischen

Produktdifferenzierung - in der Werbung eher einen eintrittsfördernden Faktor denn

eine Eintrittsbarriere sehen. Und schließlich wendet sie sich gegen den Einsatz der

Werbung als ein sinnvolles Mittel zur Abschreckung bevorstehender Markteintritte

und zur Ausübung von Vergeltung gegen neu eingetretene Wettbewerber73.

70 Von der Identität des jeweiligen Anbieters (d.h. von der Tatsache, ob es sich um einen neuen oder bereits bestehenden Wettbewerber handelt) bleibt die Konsumentenwohlfahrt nach der Chicago­Doktrin unberührt, da die Zahl der Marktteilnehmer als für das Marktergebnis irrelevant bzw. unproblematisch erachtet wird.

71 VgI. Brozen (Competiton), S. 9.

72 VgI. Bork (Paradox), S. 312. Dies bestreitet Scherer (vgl. oben, S. 217, Fußnote 65) keineswegs. Er bezieht sich lediglich auf diejenigen Fälle, in denen Newcomern die Differenzierung als Eintrittsstrategie verwehrt ist, weil die erfolgversprechenden DifferenzierungsmögIichkeiten schon erschöpft sind. Wie bereits gezeigt besagt dies für die Chicago School aber nur, daß die Bedürfnisse der Konsumenten bereits voH erfüHt werden, die Nachfrage also effIzient bedient wird und weitere Marktzutritte für die Konsumentenwohlfahrt nicht erforderlich sind.

73 Auf die Größenerspamisse in der Werbung, welche die Harvard School als Eintrittsbarriere betrachtet, muß hier nicht mehr gesondert eingegangen werden. Denn diese Sichtweise setzt voraus, daß man Skalenerträge überhaupt als Eintrittsbarriere anerkennt, was die Chicago School unter Verweis auf deren EffIzienzwirkung ablehnt. So merkt beispielsweise Demsetz (Belief, S.173) an, daß etablierten Unternehmen, die effizienter werben, Applaus und nicht Entflechtung gebührt.

Page 234: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

219

Einen Vorteil bestehender Anbieter gegenüber neuen Konkurrenten sieht die Harvard School darin, daß letztere zur Überwindung von Konsumentenpräferenzen

relativ höhere Werbeaujwendungen zu tragen haben und damit einen möglicherweise

eintrittsverhindernden Kostennachteil in Kauf nehmen müssen. Zu diesem Punkt ist

innerhalb der Chicago School keine völlige Übereinstimmung festzustellen: Durchaus

im Sinne der Harvard-Position konstatiert Demsetz, daß neue Wettbewerber wegen

bestehender Markenloyalitäten möglicherweise mehr werben müssen oder einen

anderen kompensatorischen Vorteil bieten müssen, wenn sie genausoviel absetzen

wollen wie ihre bereits etablierten Konkurrenten74. Posner hingegen erscheint es

unplausibel, daß durch hohe Werbeaufwendungen geschaffene Markenpräferenzen

nur durch eine noch umfangreichere Werbung zu überwinden sein sollen. Denn eine

massive Werbung für bestehende Marken erhöht die Kosten und Preise der betref­

fenden Produkte, so daß die weniger oder überhaupt nicht beworbenen Erzeugnisse

neuer Konkurrenten über einen Preisvorteil abgesetzt werden können75. Bork

wiederum ist der Meinung, daß Etablierte und Newcomer in jeder Zeitperiode hin­

sichtlich der Werbeaufwendungen gleichgestellt sind. Zu dem behaupteten langfri­

stigen Effekt vergangener Werbung, sofern er überhaupt besteht, merkt Bork an, daß

darin keine künstliche Barriere gesehen werden kann. Denn der Spill-over-Effekt

vergangener Werbung bedeutet lediglich, daß die Werbung und die von ihr bewirkte

Reputation einen (immateriellen) Bestandteil des Anlagevermögens bilden. Ein

bereits etabliertes Unternehmen hat nach Bork daher nur den Vorteil, für diesen

Vermögenswert - genauso wie für seine Fabriken - bereits bezahlt zu haben. Auch ein Newcomer wird für beides zu zahlen bereit sein, wenn sich überdurchschnittliche Gewinne erzielen lassen. Daher ist es für Bork nicht ersichtlich, wie Werbung neue

Anbieter künstlich von lukrativen Märkten fernhalten sollte76.

Außer in dieser theoretischen Argumentation Borks spielt der von Harvard-Vertre­

tern angeführte Aspekt der Langlebigkeit vergangener Werbung, die von neu einge­tretenen Wettbewerbern durch höhere Werbebudgets kompensiert werden muß, in

der Kontroverse um den empirischen Zusammenhang zwischen der Werbeintensität

und der Unternehmensrentabilität eine Rolle. Diese empirisch festgestellte Relation

wiederum ist für die Diskussion um die durch Werbung verursachten Eintrittsbarrie­

ren von Bedeutung. Denn die zuerst von Comanor & Wilson beobachtete positive

Beziehung zwischen der Werbeintensität und der Gewinnrate77 wird gewöhnlich als

ein Beleg dafür interpretiert, daß Werbung Eintrittsbarrieren erzeugt, die eine

74 VgI. Demsetz (Barriers), S. 50.

75 Vgl. Posner (Antitrust), S. 92 f.

76 Vgl. Bork (Paradox), S. 314 f.

77 VgI. Comanor & Wilson (Advertising).

Page 235: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

220

Erosion eben dieser hohen Gewinne verhindern78• Dieser Deutung hält die Chicago

School die "accounting bias"-Hypothese entgegen, nach der die hohen Gewinne

werbeintensiver Unternehmen nicht auf (werbebedingte) Eintrittsbarrieren, sondern

auf ein "accounting artifact" zurückzuführen sind79• Denn trotz des von der Harvard

School mit der nachhaltigen Werbewirksamkeit selbst eingeräumten Investitions­

charakters der Werbung wurde diese von Comanor & Wilson zunächst als eine

laufende Aufwendung behandelt. Diese in der Praxis des betrieblichen Rechnungs­

wesens übliche und für diesen Zweck von Demsetz80 als korrekt verteidigte abrech­

nungstechnische Handhabung führt in der empirischen Forschung möglicherweise zu

verfälschten Ergebnissen. Denn die Summe des investierten Kapitals derjenigen

Firmen, die Werbung als einen Aufwand behandeln, ist unterbewertet. Infolgedessen

ist die Rentabilität werbeintensiver Unternehmen zu hoch ausgewiesen - sie über­

steigt den tatsächlichen Return on Investment81. Dies kann zur Folge haben, daß die

überdurchschnittlichen Gewinnraten, die für Harvard-Vertreter auf die Existenz

werbebedingter Eintrittsbarrieren hindeuten, bei Berücksichtigung des Investitions­

aspektes keine Bestätigung mehr erfahren. Zur Klärung dieser Frage unternahm

Weiss eine Re-Untersuchung zu Comanor & Wilson82. Er behebt deren metho­

disches Defizit, indem er für dieselbe Stichprobe die Werbeaufwendungen bzw.

-investitionen über einen Zeitraum von sechs Jahren abschreibt. Trotz dieser Korrek­

tur bleibt ein positiver Zusammenhang zwischen der Werbeintensität und der Renta­

bilität bestehen, so daß die Re-Untersuchung von Weiss die Eintrittsbarrieren-Hypo­

these unterstützt. Zu konträren Ergebnissen gelangen indes Bloch83 und Ayanian84,

die die "accounting bias"-Hypothese bestätigen. Daß in diesen Untersuchungen kein

signifikanter Zusammenhang zwischen Werbeintensität und (tatsächlicher) Rentabi­lität gefunden wird, ist bei der Bloch-Studie auf deutlich geringere Abschreibungs­

raten, bei der Ayanian-Untersuchung auf die Verwendung uneinheitlicher Abschrei-

78 Vgl. Ayanian (Advertising), S.479, der in diesem Zusammenhang von der Eintrittsbarrieren­Hypothese spricht. Auch Comanor & Wilson (Advertising), S. 437, äußern sich beispielsweise in diesem Sinne: "11 is likely ... that much of tbis profit rate differential is accounted for by the entry barriers created by advertising expenditures and by the resulting achievement of market power."

79 Vgl. Ayanian (Controversy), S. 349.

80 Vgl. Demsetz (Accounting), S. 346 f.

81 Vgl. Brozen (Entry), S. 123 f., und (Barriers), S. 853, sowie Telser (Discussion), S. 122 f.

82 Vgl. Weiss (Advertising). Zu einer Stellungnahme hierzu vgl. Comanor & Wilson (Power), S. 170 ff.

83 Vgl. Bloch (Advertising).

84 Vgl. Ayanian (Advertising).

Page 236: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

221

bungszeiträume zurückzuführen85• Außerdem basieren diese beiden Studien auf

Untemehmensdaten, die Untersuchungen von Comanor & Wilson sowie Weiss hin­

gegen auf Branchendaten86•

Die Harvard und die Chicago School gelangen damit in der sogenannten Advertising

Capital-Kontroverse nicht zu einer übereinstimmenden Bewertung. Comanor &

Wilson konstatieren auf der einen Seite, daß Branchenanalysen zum Zusammenhang

von Werbung und Profitabilität nicht besonders sensitiv für die Wahl der Abschrei­

bungsrate sind, sofern diese nicht extrem gering ausfällt. Der Investitionscharakter

der Werbung ist daher nicht kritisch für einen signifikanten positiven Zusammen­

hant7. Auf der anderen Seite macht beispielsweise Ayanian die Nichtberücksich­

tigung der durch Werbung geschaffenen (immateriellen) Vermögenswerte im

Anlagekapital für die hohe buchhalterische Rentabilität werbeintensiver Unterneh­

men verantwortlich und nicht eine durch Werbung bewirkte Eintrittsbarriere. Seine

Schlußfolgerung lautet daher: "The theory that heavy advertising expenditures create entry barriers is without foundation in fact."ss

Gegenüber der traditionellen Sichtweise, die Werbung als verschwenderisch, mani­

pulativ und antikompetitiv erachtet89, folgt die Chicago School der modemen Sicht

Telsers, der in der Werbung ein begrüßenswertes Mittel zur Infonnation der

Konsumenten sieht und diese daher als dem Wettbewerb dienend einschätzt9O• Aus

dieser prokompetitiven Grundhaltung zur Werbung heraus kann diese nur noch als

eine natürliche, nicht aber als eine künstliche Barriere interpretiert werden. So

85 Vgl. den Überblick bei Brozen (Entry), S. 125 f., Demsetz (Belief), S. 173 f., sowie Comanor & Wilson (Effect), S. 464 ff. Ayanian behebt damit eine unrealistische Annahme von Weiss, der für alle Branchen eine einheitliche Abschreibungsrate unterstellt. Vgl. kritisch zu dieser Prämisse Schmalensee (Economics), S. 221, Fußnote 13, sowie Brozen (Entry), S. 125.

86 Vgl. Bloch (Comments), S. 1063, der hierin die Ursache dafür sieht, daß er selbst bei einer mit Weiss übereinstimmenden Abschreibungsrate von 33 Prozent zu einem abweichenden Ergebnis gelangt, nämlich zu einem nicht signifikanten Zusammenhang. Comanor & Wilson erwidern hier­auf, daß die Eintrittsbarrieren-Hypothese deshalb nicht zu verwerfen sei, da " ... tbis issue is appro­priately studied at the industry level." Commanor & Wilson (Reply), S. 1076.

87 Vgl. Comanor & Wilson (Reply), S. 1076. SS Ayanian (Controversy), S.363. Ein weiterer Streitpunkt im Zusammenhang mit der Relation

zwischen Werbung und Gewinn, der hier nicht näher ausgeführt werden soll, betrifft die Kausa­litätsrichtung. Hier sind mehrere Wirkungsketten in der Diskussion: Eine Hypothese besagt, daß die Konzentration zu einer hohen Profitabilität und diese wiederum zu einer hohen Werbeintensität führt. Eine andere Hypothese lautet, daß in der Werbeintensität die Ursache der Konzentration zu sehen ist, die dann zu einer hohen Rentabilität führt. Vgl. hierzu den Überblick bei Mann (Adver­tising), S. 149 ff., sowie Ferguson (Advertising), S. 7 f.

89 Vgl. Schmalensee (Advertising), S.374, Simon (Comment), S. 1066, und insbesondere Kaldor (Advertising).

90 Vgl. Telser (Advertising), S. 537.

Page 237: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

222

gelangt dann auch Demsetz, der ja zunächst noch einräumt, daß ein Newcomer zur

Überwindung bestehender MarkenpräferenzeJ.1 möglicherweise höhere Werbeauf­

wendungen tätigen muß, dennoch zu dem Ergebnis, daß Werbung per se keine Ein­

trittsbarriere darstellt. Statt dessen ist es die Notwendigkeit, potentielle Abnehmer

über das neu angebotene Produkt zu informieren, die Newcomern den Marktzutritt

erschwert. Würde man nun die Werbung untersagen, so würde dies den Eintritt neuer

Konkurrenten noch mehr erschweren91•

Insofern stimmt Demsetz doch mit der primär von Brozen geprägten Chicago­

Position überein, nach der Werbung eher als ein Mittel zur Überwindung informa­

tionsbedingter Zutrittshemmnisse denn als Eintrittsbarriere zu sehen ist: " ... adver­

tising is much more a means of entry than a barrier to entry.'092 Diese Sichtweise wird

von Chicago-Vertretern mit Effizienzaspekten begründet: Eine Einschränkung der

Werbemöglichkeit würde nach Brozen eher eine neue Barriere errichten als eine

bestehende zerstören. Denn Newcomer müßten dann verstärkt in andere, teurere

Alternativen zur Information der Abnehmer investieren, beispielsweise in ihr Händ­

lernetz oder Vertriebssystem. Dieses Ausweichen auf teurere Substitute für Werbung

hätte Effizienzverluste zur Folge93.

Diese "means of entry"-Argumentation baut auf der prokompetitiven Informations­

funktion der Werbung auf. Sie unterstellt, daß Werbung effizient ist, da Konsumen­

ten die Werbung eines Anbieters - in Form höherer Preise für das beworbene

Produkt - nur in dem Ausmaß honorieren, in dem Werbung ihre Suchkosten redu­

ziert94• Ein solches Handeln erfordert völlig rationale Konsumenten, die qua

Annahme vorausgesetzt werden. Die Vorstellung manipulierbarer und irrationaler

Nachfrager wird von der Chicago School als mit den Prämissen der Preistheorie

unverträglich abgelehnt95. Damit leugnen Chicago-Vertreter aber nicht einen gewis­

sen Anteil an suggestiver Werbung%. Man behauptet lediglich, daß der Hauptzweck

der Werbung in der Information der Konsumenten liegt. Dieser Zweck wird auch

noch von der am wenigsten informativen Werbung erfüllt, die potentiellen Nachfra-

91 vgl. Demsetz (Barriers), S.50. Als Beleg für diese Aussage führen Chicago-Vertreter häufig das Verbot von Femsehwerbung für Zigaretten aus dem Jahr 1970 an, das trotz einer unveränderten Anzahl von Produkteinführungsversuchen die Zahl der erfolgreichen neuen Marken drastisch reduzierte. Vgl. Z.B. Brozen (Entry), S. 127, und Bork (Paradox), S. 317.

92 Brozen (Entry), S. 115.

93 Vgl. Brozen (Competition), S. 9.

94 Vgl. Posner (Chicago), S. 930. Bei vollständiger Information der Konsumenten wären Markenprä­ferenzen daher auch gegenstandslos. Vgl. Demsetz (Barriers), S. 50.

95 Vgl. Posner (Chicago), S. 930 f., der in der Rationalitätsannahme eine "powerful simplification of economic theory" sieht.

96 Vgl. Telser (Advertising), S. 537.

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223

gern immerhin die Existenz des Produktes, seine Funktion etc. mitteilt97. Auch die

oftmals relativ einfach gehaltene Werbebotschaft und deren häufige Wiederholung

zielen nach Bork nicht auf die irrationale Seite der Konsumenten ab, sondern dienen

dazu, die Hürde der selektiven Wahrnehmung zu überwinden, um eine informative

Werbung zu ermöglichen98.

Die These, daß Werbung ein Mittel zum Markteintritt und nicht eine Barriere dar­stellt, sieht Brozen durch eine Reihe empirischer Beobachtungen zum Werbeverhal­

ten von Unternehmen bestätigt: Wenn Werbung etablierten Anbietern als Barriere

dienen würde, müßte erstens für alte Produkte mehr geworben werden als für neue

Modelle. Da aber genau das Gegenteil feststellbar ist, kann Werbung nur als "me ans

of entry" gedeutet werden99. Zweitens wäre zu erwarten, daß die großen Unterneh­

men einer Branche je Absatzeinheit genausoviel in Werbung investieren wie ihre

kleineren Konkurrenten, wenn Werbung eine Konsumentenloyalität erzeugen und

Eintritte verhindern soll. Empirische Untersuchungen haben aber ergeben, daß viele

kleine Unternehmen intensiver werben als der betreffende Marktführer, so daß Wer­

bung offenbar mehr als ein Mittel zur Zerstörung denn zur Erhaltung von Marken­

präferenzen eingesetzt wird 100. Drittens hat sich die Markenloyalität in werbeinten­

siven Branchen als geringer erwiesen als in weniger werbeintensiven Industriezwei­

gen. Hieraus folgern Chicago-Vertreter, daß hohe Werbe aufwendungen nicht die von

der Harvard School behauptete Präferenz einer Marke erzeugen, sondern daß sie

einen häufigen Markenwechsel induzieren101 bzw. das Ergebnis instabiler Präfe­

renzen sind102. Viertens legt die Tatsache, daß intensiv beworbene Produkte zugleich

eine hohe Qualität aufweisen, für Brozen den Schluß nahe, daß nicht die Werbung,

sondern die Produkteigenschaften eine Käuferloyalität und Präferenzen herbeifüh-

97 Vgl. Bork (Paradox), S. 317. Da detaillierte Informationen über Medienwerbung nur kostspielig zu übermitteln sind, ist nach Bork eine zunächst allgemein gehaltene Werbebotschaft effIZient. Denn diese führt den potentiellen Käufer zum Fachhandel, wo er gezielt beraten werden kann.

98 Vgl. Bork (paradox), S.317, und Schmidt & Rittaler (Chicago), S. 19, die dieses Argument kriti­sieren als " ... eine einzelwirtschaftliche Betrachtungsweise zur Funktion der Werbung im Rahmen des Marketinginstrumentariums, die jedoch nicht dazu geeignet ist, die gesamtwirtschaftIichen Bedenken gegen die Einschränkung der Konsumentensouveränität in einem marktwirtschaftlichen System auszuräumen."

99 Vgl. Brozen (Entry), S. 116 und S. 128, sowie die dort in den Fußnoten 1 und 57 angegebene Literatur.

100 Vgl. Brozen (Entry), S. 116 und S. 128 ff., einschließlich der entsprechenden Quellenverweise.

101 Vgl. Posner (Antitrust), S. 93.

102 So z.B. Telser (Aspects), S. 169: "Far from creating brand loyality the high advertising outlays are the result of brand disloyality".

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224

ren103. Und fünftens deutet die stärkere Werbung für Erfahrungsgüter im Vergleich

zu Suchgütem104 darauf hin, daß Werbung nicht zur Schaffung von Markenloyalität

eingesetzt wird. Denn die relative Werbeintensität dieser beiden Produktgruppen

entspricht den Informationsbedürfnissen der KonsumentenlOS.

Durch diese fünf empirischen Erkenntnisse sieht Brozen seine These der Werbung

als ein Mittel des Markteintritts bestätigt: "None of these data fits the view that adver­

tising is a barrier to entry or is used to create a barrier to entry."l06

Eine exzessive Werbung als "predatorische" Taktik gegen potentielle Newcomer

schließlich ist nach Bork107 eine undurchführbare Maßnahme. Denn präventiv einge­

setzt würde eine übermäßige Werbung die Monopolrente eliminieren, die der Mono­

polist ja eigentlich schützen will. Und als drohende Reaktion auf Markteintrittsver­

suche hält sie potentielle Newcomer nicht von ihrem Vorhaben ab. Denn die Andro­

hung einer vergeltenden Werbeschlacht ist - ähnlich wie im nachstehend thematisier­

ten Fall der Karnpfpreisunterbietung bzw. des Verdrängungswettbewerbs - nicht

glaubwürdig.

Zu den angeblich wettbewerbsCeindlichen Verhaltensweisen

Nach der Limitpreis-Theorie der Harvard School reichen strukturelle Eintrittsbar­

rieren allein in den meisten Fällen nicht aus, um den Zutritt neuer Wettbewerber zu

verhindern. Zu diesem Zweck müssen etablierte Unternehmen zusätzlich ein solches

(Limit-)Preisniveau wählen, das neue Anbieter für den Fall ihres Markteintrittes in

die Verlustzone bringt. Setzt man nun wie die Harvard School das Auftreten neuer

Konkurrenten mit Wettbewerb bzw. mit wettbewerblichen Marktstrukturen gleich, so

sind eintrittsverhindernde Preisstrategien den wettbewerbsbeeinträchtigenden Ver­

haltensweisen zuzurechnen. Außerdem fällt ein Limit Pricing deshalb in die Katego­

rie wettbewerbsfeindlicher Maßnahmen, weil es auf der Drohung etablierter Anbie­

ter basiert, für den Fall von Marktzutritten gegebenenfalls selbst Verluste in Kauf zu nehmen.

103 Vgl. Brozen (Entry), S. 13I.

104 Suchgüter sind solche Produkte, deren wesentliche Eigenschaften beobachtet werden können. Die Charakteristika von Erfahrungsgütern können hingegen nur durch deren Gebrauch festgestellt werden. Vgl. Brozen (Entry), S. 116.

105 Vgl. Brozen (Entry), S. 131 f.

106 Brozen (Entry), S. 116. Zu einer Kurzkritik vgl. z.B. Koutsoyiannis (Decisions), S. 127 f. 107 Vgl. Bork (Paradox), S. 315.

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225

Genau aus diesem Grunde hält die Chicago School eine Limitpreispolitik für

unglaubwürdig und damit unwirksam. Denn nach der bereits dargelegten McGee­

Telser-Bork-Theorie zum VerdrängungswettbewerblO8, die von der Chicago School

vertreten wird, führt die Hinnahme einer Preissenkung für einen Etablierten auf­

grund seines in der Regel wesentlich höheren Marktanteils zu deutlich höheren Ein­

bußen. Ein Limit Pricing ist daher - genauso wie eine Kampfpreisunterbietung - eine irrationale Taktik, von der sich potentielle Newcomer nicht abschrecken lassen

werden.

Wenn nun das vermeintliche Limit Pricing aus theoretischen Gründen kein solches

sein kann, aber dennoch praktiziert wird, so liegt der Schluß nahe, daß hier wieder

von Harvard-Vertretern ein beobachtbares wettbewerbliches Verhalten mit Monopoli­

sierung verwechselt wird - genauso wie oben Effizienz als eine strukturelle Eintritts­

barriere verkannt wurde. Diese Verwechslung ist für die Chicago School ganz augen­

scheinlich. Denn Monopolmacht kann nach Posner niemals durch einseitige, d.h.

durch nicht mit Konkurrenten abgesprochene Verhaltensweisen erlangt werdenHl9•

Daher bleibt für solche einseitige Maßnahmen nur eine Interpretation übrig -

nämlich daß es sich um ein wettbewerbliches Verhalten effizienter Unternehmen

handeln muß. Ein derartiges Verhalten kann zwar - das bestreiten Chicago-Vertreter

nicht - potentiellen, weniger effizienten Newcomern den Marktzutritt verwehren110,

jedoch entsprechen effizienzbedingt niedrige Preise genau dem, was man sich von einem funktionsfähigen Wettbewerb versprichtl11. Aus dieser (Marktverhaltens-)

Perspektive heraus überrascht es dann auch nicht, daß die Chicago School gegenüber

der primär an Marktstrukturen ausgerichteten Harvard School zu einem konträren

Urteil gelangt: "Being a low cost producer and not using such efficiency to pre-empt

the market would seem to me to be more akin to undesirable monopolistic behavior

than pre-empting the market by maintaining prices at levels such that no inefficient

producer would find the market an attractive one in which to remain resident or to enter. Efficiency is hardly an arbitrary or artificial barrier to entry.,,112

108 VgI. oben, Kap. 3.3.1.1., S. 117 ff.

109 VgI. Posner (Chicago), S. 928. 110

111

112

Diesen FaIl klammert z.B. Posner (Antitrust), S. 188, aus seiner Definition des "predatory pricing" aus. Hierunter versteht er ein " ... pricing at a level caIculated to exclude from the market an cqually or more effident competitor." (Im Original kursiv.)

Vgl. Demsetz (Barriers), S. 52.

Brozen (Competition), S. 10. Diese unterschiedlichen Positionen sind jedoch nicht, wie Demsetz (Barriers, S. 52) meint, auf eine ebenso oberflächliche Analyse des "predatory pricing" (durch Harvard-Vertreter) zurückzuführen wie auch im Falle anderer Barrieren, sondern auf unterschied· liehe Wettbewerbsdoktrinen.

Page 241: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

226

4.2.3. Schlußfolgerungen aus der Harvard-Chicago-Kontroverse mr ein unter­

nehmensstrategisches Eintrittsbarrierenkonzept

Um nun auf die einzelwirtschaftliche und unternehmensstrategische Ebene zurück­

zukommen wird nachstehend zunächst die Affinität der Harvard- und der Chicago­

Doktrin zum Konzept der Unternehmensstrategie beleuchtet. Im Anschluß daran

kann eine Würdigung der Harvard-Chicago-Kontroverse zum Eintrittsbarrierenver­

ständnis aus unternehmensstrategischer Perspektive vorgenommen werden. Hierbei

wird sich zeigen, daß der breitere Barrierenbegriff der Harvard School für unterneh­

mensstrategische Belange als fruchtbarer anzusehen ist, wenngleich auch die Chicago

School mit der Betonung staatlich auferlegter Zutrittshemmnisse einen wichtigen

Beitrag leistet.

Die Marktkonzentrationsdoktrin der Harvard School hat für das Konzept der Unter­

nehmensstrategie folgende Implikationen: Eine überdurchschnittliche Unter­

nehmensrentabilität resultiert nach der Kollusionshypothese der Harvard School aus

dem hohen Konzentrationsgrad einer Branche, der es den Marktteilnehmern erleich­

tert, ihre Handlungen durch explizite Absprachen zu koordinieren oder ein implizites

Parallelverhalten an den Tag zu ,legen. In der Terminologie des (klassischen)

Industrial Organization-Paradigmas ausgedrückt besagt die Harvard-Doktrin also,

daß die Marktstruktur für die Verhaltensweise der Wettbewerber, insbesondere für die Möglichkeit kollusiven Verhaltens maßgeblich ist, wovon dann wieder das

Marktergebnis bzw. die Höhe der Unternehmensgewinne abhängt. Im Mittelpunkt

eines Strategiekonzeptes, das auf der Harvard-Doktrin basiert, steht folglich die

Marktstruktur. Auf deren günstige Gestaltung müssen die Branchenteilnehmer hin­

wirken. Ihr Ziel muß es sein, die strukturellen Kräfte des Wettbewerbs möglichst

außer Kraft zu setzen, d.h. das neoklassische Idealbild der vollkommenen Konkur­renz abzuwenden, das ja keine suprakompetitiven Gewinne zuläßt.

Vordringlich ist es hierbei, die Zahl der Marktteilnehmer und die Schärfe des Wett­

bewerbs unter den Anbietern zu begrenzen. Denn nur wenn es den etablierten Kon­

kurrenten gelingt, sich auf ein gemeinsames Vorgehen zu einigen, können die Preise

nachhaltig angehoben oder die Produktqualität (bei normalen Wettbewerbspreisen)

vermindert werden, um so dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne zu erzielen.

Hierzu kann es eventuell erforderlich werden, nicht kooperierende Mitbewerber

durch Vergeltungsmaßnahmen zu disziplinieren. Dies verursacht zwar kurzfristig

Kosten, die jedoch nach wiederhergestellter Kollusion mehr als kompensiert werden.

Daneben müssen die Branchenteilnehmer die Gefährdung der Kollusion (bzw. der

"kollusiven Monopolrente") von außen abwehren. Zu diesem Zweck müssen sie durch

Page 242: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

227

den Aufbau struktureller Barrieren und durch das Androhen von Vergeltungsreak­

tionen potentielle Newcomer vom Markt fernhalten, die durch die kollusionsbedingt

hohen Gewinne angelockt werden113.

Die Harvard-Doktrin erklärt überdurchschnittliche Unternehmensrentabilitäten mit

der Kollusionshypothese letztlich also als Ergebnis einer gemeinsamen Gewinnmaxi­

mierung, die durch strukturelle Merkmale - wie z.B. hohe Konzentration und

Eintrittsbarrieren - begünstigt wird. Dieser Erklärung widerspricht die Chicago

School114, die - wie gezeigt - dauerhaft überdurchschnittliche Gewinne als Beleg für

die überragende Effizienz des jeweiligen Unternehmens erachtet. Dieser Effizienzvor­

sprung wird auf die Qualität des betreffenden Managements zurückgeführt, d.h. auf

dessen Fähigkeit, in fortgesetzter Weise Entscheidungen (über Produkte und Ferti­

gungsverfahren, Vertrieb, Finanzierung etc.) zu treffen, die häufiger zu Konsumen­

tenpräferenzen führen als die Entscheidungen des Managements von Konkurrenz­

unternehmen115.

Vergleicht man nun die Harvard- und die Chicago-Doktrin aus unternehmensstrate­

gischem Blickwinkel, so bildet aus Harvard-Sicht das Streben nach einer kooperativen Monopolisierung den Kern der Unternehmensstrategie, aus der Chicago-Perspektive

ein nichtkooperatives "rent-seeking,,116. Damit hat offenbar die Chicago-Doktrin mit

ihrer Effizienzhypothese eine größere Affinität zum Konzept der Unternehmensstra­

tegie bzw. des strategischen Wettbewerbsvorteils gegenüber Konkurrenten als die

(traditionelle) Harvard School mit ihrer Kollusionshypothese117.

113

114

Vgl. Thomas (Economics), S. 16. Dieser strukturelle Ansatzpunkt der Harvard School zur Erklä­rung überdurchschnittlicher Gewinne (ganzer Industriezweige) ist in Porters Strategiekonzept verwirklicht, nämlich in den fünf strukturellen Determinanten der Wettbewerbsintensität, die das durchschnittliche Rentabilitätspotential einer Branche bestimmen.

In Übereinstimmung mit der Harvard School hält zwar auch die Chicago School eine horizontale Kollusion zwischen Wettbewerbern nicht für unbedenklich, jedoch nach Posner - selbst ein "Chicagoan" - wohl nur aus taktischen Gründen, um in Fragen der Antitrustpolitik nicht als "notori­scher Neinsager" zu gelten. Vgl. Posner (Chicago), S. 932.

115 Vgl. Bork (Paradox), S. 194.

116 Vgl. Thomas (Economics), S. 20. 117 Dennoch hat sich Porters industrieökonomisch geprägter Ansatz zur strategischen Unternehmens­

führung, der auch dem Wettbewerbsvorteils-Aspekt Rechnung trägt, aus dem Harvard-Denken heraus entwickelt, das jedoch (außer von der dortigen Business Policy-Perspektive) in zahlreichen Punkten von der Chicago School beeinflußt wurde. Vgl. zu dieser Annäherung - die auch Bittling­mayer (Chicago, S.709) zu der Feststellung veranlaßt haben mag, " ... man könnte sagen, wir sind jetzt alle Chicagoer" - Posner (Chicago), S. 925 und S. 933 ff. Daß Effizienzaspekte von der soge­nannten "New Industrial Economics" bzw. neueren Harvard School nicht (mehr) geleugnet werden, dokumentiert die Bemerkung Salops, daß weder ein blinder Strukturalismus noch ein Beharren auf tautologischer EffIzienz einer ökonomisch rationalen Antitrustpolitik gerecht werden kann, sondern nur ein Mittelweg. Vgl. Salop (Predation), S. 42.

Page 243: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

228

Hieraus folgt nun aber nicht, daß auch der Eintrittsbarrierenbegriff der Chicago

School der für einzelwirtschaftliche strategische Analysen geeignetere ist. Denn dieser erhebt gar nicht den Anspruch, über die Schwierigkeit des Marktzutritts neuer

Konkurrenten Auskunft zu geben. So behauptet nämlich die Chicago School keines­

wegs, daß bei Abwesenheit künstlicher Barrieren Markteintritte einfach zu bewerk­

stelligen sind. Denn in komplexen Branchen ist es nach Bork nur natürlich, daß ein

Newcomer viele komplexe Aufgaben bewältigen und teure Anstrengungen unter­nehmen muß und daß er die sich stellenden Anforderungen gut erfüllen muß, um

Erfolg zu haben. Hierunter hat man natürliche Barrieren bzw. Eintrittskosten zu ver­

stehen. Diese zu identifizieren - so Bork - bedeutet eine deskriptive Aussage über die

Schwierigkeit des Marktzutrittes zu machen, weswegen aber der Ruf nach regulativen

Eingriffen zur Änderung der Größe und der Verhaltensweisen bereits etablierter

Anbieter nicht gerechtfertigt ist118.

Diese Unterscheidung natürlicher und künstlicher Eintrittsbarrieren ist nun zweifel­

los wettbewerbspolitisch relevant, nicht jedoch unternehmensstrategisch. Denn für

einen potentiellen Newcomer ist es zunächst unerheblich, ob sein Markteintritt durch

effIzienz- oder durch marktmachtbedingte Hindernisse bzw. durch natürliche oder

künstliche Wettbewerbsnachteile erschwert wird. Denn seine Eintrittsanalyse und -

entscheidung basiert nicht auf normativen oder wohlfahrtsökonomischen Überlegun­

gen, sondern auf einer deskriptiven Beurteilung (Bark) der Markteintrittsbedingungen

und Erfolgschancen. Die von Waterson119 aufgeworfene Frage, ob man den Begriff

Eintrittsbarriere für künstliche Zugangsschranken reservieren soll, oder ob man auch

natürliche Markteintrittsschwierigkeiten darunter verstehen soll, ist aus der einzel­

wirtschaftlichen Perspektive des strategischen Managements daher zugunsten des

beide Aspekte umfassenden Begriffes zu beantworten.

Als Ergebnis unseres Exkurses zur Harvard-Chicago-Kontroverse bleibt somit festzu­

halten, daß für unternehmensstrategische Analysezwecke das breitere Eintrittsbar­

rierenkonzept der Harvard School vorzuziehen ist.

118

119

Vgl. Bork (paradox), S. 329. Diese Auffassung teilt mit Spence (Competition), S. 75, auch ein Ver­treter der neueren Industrial Organization: "In a dynamic context, entry or expansion deterrence is an integral and ordinary part of the competitive process; it is not something that can be isolated as unusual or abnormal and then eliminated by regulation."

Vgl. Waterson (Definition), S. 537.

Page 244: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

229

4.3. Die Markteintritts- und Wettbewerbsanalyse der ökonomischen Expertenzeugen im Antitrust-Fall "U.S. vs. IBM": Ein Fallbeispiel

Bereits im einleitenden Problemaufriß von Kapitel 2.1. diente der Antitrust-Fall "U.S.

vs. IBM" dazu, die in der Anklageschrift der Regierung zum Ausdruck kommende Marktrnachtdoktrin, die von den Expertenzeugen der Verteidigung herangezogene Effizienzdoktrin sowie die rückblickende Beurteilung der Marktzutrittsschwierigkeit

durch einen Honeywell-Manager als konträre Situationsdeutungen bzw. Deutungs­

muster zu präsentieren. Dieser Antitrust-Fall soll nun hier beispielhaft wieder aufge­

griffen werden - insbesondere die Aussage der ökonomischen Expertenzeugen der

Verteidigung zu den von der Regierung behaupteten Zutrittsschranken zum EDV­

Marktl20.

In ihrem Gutachten gelangen die von der IBM Corp. bestellten ökonomischen Sach­

verständigen zu dem Ergebnis, daß es zum Markt für elektronische Datenverarbei­

tungsanlagen keine ernstzunehmenden Zutrittsschranken gegeben haben kann121. Sie

begründen dies zum einen empirisch, nämlich mit dem Hinweis auf die große Zahl

erfolgter Eintritte in den EDV-Markt, zum anderen durch eine ökonomische Analyse

der angeblichen Zutrittsbarrieren122• Hierin gelangen sie zu dem Schluß, daß die

Behauptungen der Regierung unhaltbar sind und " ... auf einem völligen Mißverständ­

nis dessen beruhen, was eine Marktzutrittsschranke überhaupt ist."l23 Diese methodi­

sche Kritik der Sachverständigen legt es nahe, zunächst deren eigenes Konzept für

eine ökonomische Analyse des Wettbewerbs zu klären, ehe sodann vor diesem Hin­

tergrund die prokompetitive Argumentation der Expertenzeugen zu den angeblichen

Zutrittsschranken Kapitalbedarf, Leasing, Softwarekonvertierung und Bundling

beispielhaft angeführt wird.

Einen ersten Hinweis auf die wettbewerbstheoretische Orientierung Fishers gibt

dessen Zugehörigkeit zur neueren Harvard School124, die das Marktverhalten

120 Eintrittsbarrieren sah die Regierung in folgenden Punkten gegeben: Skalenerträge, Kapitalbedarf, Leasing, Konversions- bzw. Umstellungskosten, Bundling und Wartung. Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 169 f.

121 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 169 und S. 211.

122 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 165 ff. bzw. S. 170 ff.

123 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 170. 124 Vgl. Markert (Besprechung), S. 593. Fishers akademischer Lehrer ist Carl Kaysen, der zusammen

mit Turner das wettbewerbspolitische Standardwerk (Antitrust) verfaßte, in dem die traditionelle Harvard-Doktrin ihren Niederschlag fand. In seinem Vorwort ZU Fisher et a1. (US gegen IBM, S. XVIII) räumt Kaysen auch etwaige Zweifel an der Objektivität Fishers und an der wissenschaft-

Page 245: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

230

gleichrangig neben die Marktstruktur stellt. So betont Fisher125 - im Gegensatz zur

traditionellen Harvard-Doktrin -, daß die Analyse der Marktstruktur nur in denjenigen

Fällen für eine Aussage zur Wettbewerbsintensität der betreffenden Branche

hinreicht, in denen die Kunden gut über Angebotsalternativen informiert sind, in

denen kein Unternehmen einen besonders hohen Marktanteil besitzt oder in denen

der Marktzutritt einfach ist. Bei weniger eindeutigen Marktstrukturen, z.B. wenn es

einen deutlichen Marktführer gibt, ist das Marktverhalten in die Wettbewerbsanalyse

einzubeziehen: Liegen keine wettbewerblichen Strukturen vor, die den Handlungs­

und Preisgestaltungsspielraum der Anbieter ganz offensichtlich begrenzen, so ist zu fragen, ob die Abweichung hiervon auf ein Verhalten zurückzuführen ist, das eine

Ausübung von Monopolmacht darstellt, oder ob die betreffende Struktur durch wett­

bewerbliche Aktivitäten zustande gekommen ist. Denn die Fähigkeit, zusätzliche

Marktanteile durch niedrige Preise oder bessere Produkte zu gewinnen, ist keine Monopolmacht, sondern Ausdruck überlegener Fähigkeiten, überlegener Zukunfts­

orientierung und überlegenen Fleißes126•

Nach dieser neueren Sichtweise, die gegenüber der traditionellen Harvard-Doktrin

Monopole nicht mehr als ein reines Strukturphänomen begreift, ist ein hoher Markt­

anteil also nicht mit Monopolmacht gleichzusetzen. Aus diesem Grunde ist die Frage

nach der Höhe des Marktanteils und nach der zutreffenden Marktabgrenzung nur

noch ein Element der Analyse von Monopolmacht und nicht etwa das Kernstück.

Denn ein hoher Marktanteil kann nur auf die Möglichkeit von Monopolmacht hin­

weisen. Er bildet daher nur ein Indiz für das Erfordernis weitergehender Analysen.

Diese müssen sich der Kernfrage widmen, ob der vermutete Monopolist den Wett­

bewerb ausschalten kann, d.h. ob er eine Preiserhöhung oder Qualitätsminderung

vornehmen kann, ohne Marktanteile zu verlieren127• Dies wiederum hängt sehr stark

davon ab, ob andere Firmen in den Markt eintreten und wachsen können. Insofern

spielt die Analyse der Marktzutrittsschranken in Monopol-Fällen eine zentrale

Rolle128•

Für eine "richtige Analyse der Marktzutrittsschranken" (Fisher et al.) genügt es nun

aber nicht, nur die Schwierigkeiten und Kosten potentieller Newcomer aufzuzählen.

125

lichen Qualität dessen Studie aus. Er gelangte nach eigenen Angaben im Zuge einer Überprüfung des Beweismaterials und der Argumente nach Abschluß des Verfahrens (ebenfalls im Auftrag von IBM) zu denselben Schlußfolgerungen wie Fisher.

Vgl. nachstehend Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 42 • 44.

126 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 20.

127 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 98 f.

128 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 332 f.

Page 246: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

231

Man muß vielmehr untersuchen, ob Altanbieter dauerhafte Vorteile besitzen129, d.h.

solche Vorteile, die ein Newcomer nicht mit vergleichbaren Anstrengungen und Aus­

gaben erreichen kann wie ein etablierter Anbieter. Kosten, die hingegen sowohl

bereits etablierte als auch etwaige neueintretende Unternehmen tragen müssen,

stellen keine "ökonomisch relevanten Zutrittsschranken" (Fisher et al.) dar. Denn in

diesem Fall liegt der Unterschied zwischen bestehenden und potentiellen Konkurren­

ten lediglich darin, daß die Etablierten ihre Investitionen bereits getätigt haben, die

Newcomer hingegen noch nicht. Dies bedeutet nach Fisher et al. aber nur, "daß sie

sich in einem anderen Stadium des Prozesses befinden."130 Denn beide stehen (bzw.

standen) vor einer vergleichbaren Investitionsentscheidung. Daher liegen nach Fisher

et al. selbst dann keine Eintrittsbarrieren vor, wenn keine neuen Wettbewerber"in

den Markt eintreten, weil die langfristigen Gewinne nicht genügen, um eine ausrei­

chende interne Verzinsung des zu investierenden Kapitals sicherzustellen131. Denn

"(d)er Wettbewerbsprozeß erreicht genau das, was er erreichen sollte.,,132

Diese Aussage kann wie folgt interpretiert werden: Wenn ein potentieller Newcomer

Investitionen in identischer Höhe zu tätigen hat wie ein bereits etablierter Anbieter,

so kann seine ungünstigere interne Verzinsung nur durch geringere Rückflüsse her­

vorgerufen werden. Dies kann wiederum darauf zurückzuführen sein, daß der

Etablierte - um Markteintritte abzuwehren - eine Preissenkung vorgenommen hat.

Dies bedeutet jedoch nicht, daß er mit seinem praktizierten Umit Pricing den Wett­

bewerb ausschaltet. Denn zur Verteidigung seines Marktanteils handelt er genau so,

wie man es unter Wettbewerb erwarten würde. Derartige Maßnahmen, die poten­

tiellen Rivalen schaden, können daher auch nicht als ruinös bzw. wettbewerbsfeind­

lich gelten, jedenfalls solange ihre Erträge (bzw. die Preise) über den vermeidbaren

Kosten liegen133.

Nach Fisher et al. stellt also eine die interne Verzinsung potentieller Newcomer

schmälernde Umitpreispolitik keine Eintrittsbarriere dar, auch wenn sie neue

Konkurrenten erfolgreich vom Markt fernhält. Denn eine Marktzutrittsschranke muß

es den Etablierten im Gegenteil gestatten, ihre Produktion oder Produktqualität ein-

129 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 333.

130 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 161. 131 Hierzu Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 333, in ihrer Zusammenfassung wört­

lich: "Es ist möglich, daß die Gewinne, die zusätzlich zu den lanfenden Kosten verdient werden, nicht hoch genug sind, damit ein potentieller Neuanbieter die Marktzutrittskosten anf sich nimmt, die für die Altanbieter 'sunk'·Kosten sind. Daraus kann man nicht auf Marktzutrittsschranken schließen."

132 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 161.

133 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 264 - 267.

Page 247: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

232

zuschränken, die effektiven Preise zu erhöhen und Monopolgewinne zu erzielen,

ohne damit Markteintritte heIVorzurufen134•

Die wettbewerbstheoretische Argumentation der ökonomischen Expertenzeugen der

Verteidigung läuft also - entgegen der traditionellen HaIVard-Doktrin - darauf hinaus,

daß "(n)icht alles, was den Marktzutritt für neue Firmen teuer oder für einige oder viele sogar unmöglich macht ... "135, eine Marktzutrittsschranke darstellt. Richtig ver­

standene Eintrittsbarrieren resultieren statt dessen nur aus den zusätzlichen Investi­

tionen, die für einen neuen Wettbewerber anfallen, wenn er den Status eines

Etablierten erlangen will - also aus Investitionen (und nicht aus Kostennachteilen!),

die nur ihm entstehen, nicht aber den bereits etablierten Unternehmen in der Ver­

gangenheit entstanden sind. Denn nur wenn sich die Summe der zu tätigenden Inve­

stitionen unterscheidet, hat ein etablierter Anbieter einen nachhaltigen Vorteil

gegenüber Newcomern136• In allen anderen Fällen genießen Altanbieter lediglich

einen vOlÜbergehenden Vorteil, der schwindet, wenn sich der Newcomer mit der Zeit

im Markt etabliert. Für die praktische Analyse von Markteintrittsbarrieren in einem

Antitrustverfahren heißt dies, daß Zutrittsschranken über den Zeitverlauf hinweg -

und nicht zu einem gegebenen Zeitpunkt, nämlich dem des Eintritts eines

Newcomers - untersucht werden müssen137 und daß Unterschiede in der Höhe der erforderlichen Investitionen identifiziert werden müssen.

Aus diesem wettbewerbstheoretischen Beurteilungskonzept heraus lautet die Kritik

der Expertenzeugen an der Eintrittsbarrierenanalyse der Regierung dann auch, daß

darin Kosten untersucht wurden, die bestehende und neue Konkurrenten gleicher­

maßen zu tragen haben. Hierbei habe man fälschlicherweise unterstellt, daß

Etablierte einen Vorteil besitzen, weil sie die Kosten des Marktzutritts schon in der

Vergangenheit getragen haben138.

Auf diese theoretische Fehlkonzeption von Markteintrittsbarrieren führen Fisher et

al. die von der Regierung aufgestellte Behauptung zurück, daß der Kapitalbedarf eine

134

135

136

137

VgI. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S.333. Zu dem antizipierten Einwand, Umitpreise seien zwar niedriger als der Monopolpreis, aber höher als der langfristige Wettbe­werbspreis, vgI. ebenda, S. 266 f.

Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 160.

Die Dauerhaftigkeit eines Vorteils ist es dann auch nach Fisher et aI., die eine Eintrittsbarriere konstituiert. VgI. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 161.

VgI. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 165.

138 VgI. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S.335, oder - vorzugsweise - die ameri­kanische Originalausgabe, S. 345.

Page 248: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

233

Zutrittsschranke zum EDV-Markt darstellt13~. Nach deren ökonomischer Analyse

beläuft sich der Kapitalbedarf - u.a. aufgrund der Tatsache, daß EDV-Anlagen über­

wiegend vermietet und nicht verkauft werden - auf einen Betrag, der von potentiellen

Newcomern zu fast jedem Preis nur sehr schwer aufzubringen ist.

Die Expertenzeugen der Verteidigung halten dem entgegen, daß die Höhe des Kapi­

talbedarfs überschätzt wurde, weil man den Markt so weit abgrenzte, daß ein New­

comer praktisch mit einem Angebotsspektrum in den Markt eintreten muß, das dem

der IBM entspricht. Hierbei habe man übersehen, daß der Marktzutritt auch über

spezielle Segmente möglich ist und daß es nicht erforderlich ist, zu jedem Produkt

von IBM ein Pendant anzubieten. Dieser Punkt ist laut Fisher et al. für eine ökono­

mische Analyse des Wettbewerbs von Bedeutung, da auch von kleinen Spezialanbie­

tern ein Konkurrenzdruck auf den Marktführer ausgehen kann, der dessen Hand­

lungsspielraum begrenzt.

Aber selbst wenn der von den Anklagevertretern bzw. Zeugen der Regierung

geschätzte Kapitalbedarf zutreffend wäre, folgt hieraus für Fisher et al. nicht, daß

eine Marktzutrittsschranke vorliegt. Denn die absolute Höhe des Kapitalbedaifs wäre

nur von Bedeutung, wenn ein Newcomer mehr Kapital aufnehmen müßte als ein

etablierter Anbieter, wofür es aber keine Anzeichen gibt. Die Sachverständigen

sehen hier im Gegenteil einen später eintretenden Wettbewerber im Vorteil, da dieser von einigen Aktivitäten des Pionierunternehmens profitieren kann.

Haltbar wäre die These einer Eintrittsbarriere bei gleichem (oder geringerem) Kapi­

talbedarf eines Newcomers daher nur dann, wenn dieser höhere Kapitalkosten zu

tragen hätte als bereits etablierte Wettbewerber. Hierbei ist jedoch zu berücksichti­gen, daß nicht alle Kapitalkostenunterschiede auf das Vorliegen einer Marktzutritts­

schranke hinweisen. Denn die Existenz unterschiedlich hoher Finanzierungskosten

kann auch auf Risikounterschiede zurückzuführen sein. Wenn in einem solchen Fall

ein relativ riskoreicher Schuldner einen höheren Zinssatz akzeptieren muß als ein

relativ sicherer Schuldner, so besagt dies nach Fisher et al. nicht, daß es reale Kosten­

unterschiede gibt. Vielmehr spiegelt dies die Tatsache wider, daß es sich wegen der

unterschiedlichen Risiken um zwei verschiedene Kredite handelt. Wenn nun ein

potentieller Newcomer wegen seines höheren Risikos den Kredit mit den ungünstige­

ren Konditionen erhält, so ist er zwar zu einem gegebenen Zeitpunkt im Nachteil.

Nach dem oben vorgestellten zeitraumbezogenen Beurteilungskonzept der ökono­

mischen Expertenzeugen kann hieraus jedoch nicht auf das Vorliegen einer Marktzu­

trittsschranke geschlossen werden. Denn n(a)uch die jetzigen Altanbieter waren

139 Vgl. nachstehend Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 177 - 184.

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234

früher einmal gezwungen, den Investoren ähnliche Risikoprämien zu zahlen, um Kapital zu erhalten.,,14O

Bei der Frage nach dem Bestehen von Eintrittsbarrieren geht es nach Fisher et al.

also lediglich um den Vergleich der risikobereinigten Kapitalkosten. Es ist also einzig

maßgeblich, " ... ob die Investoren die Risiken der Altanbieter und Neuanbieter rich­

tig einschätzen können und diese Einschätzung sich richtig in ihrem Verhalten wider­spiegelt."141 Trifft dies nicht zu, liegen Kapitalmarktunvollkommenheiten vor. In

diesem Fall haben Newcomer gegenüber etablierten Anbietern einen Kapitalkosten­nachteil, " ... der auf mehr als nur unterschiedlichen Risikoeinschätzungen beruht.,,142

Für den EDV-Markt ist die in der Wissenschaft strittige Frage der (Un-)Voll­

kommenheit von Kapitalmärkten - den Sachverständigen der Verteidigung zufolge -

jedoch nur von untergeordneter Bedeutung. Denn selbst wenn es Kapitalmarkt­

unvollkommenheiten gibt, die neugegründete Konkurrenten gegenüber bereits

bestehenden Unternehmen benachteiligen, bleiben in anderen Märkten etablierte

potentielle Newcomer hiervon unberührt. Von diesen geht eine Markteintrittsgefahr

aus, die im EDV-Markt für ein wettbewerbliches Marktverhalten sorgt.

Die ökonomischen Expertenzeugen argumentieren also im wesentlichen, daß die

absolute Höhe des Kapitalsbedarfs für die Prüfung der Existenz von Zutrittsschranken

unerheblich ist, sofern etwaige Newcomer Investitionen in (maximal) gleicher Höhe

tätigen müssen wie etablierte Anbieter. Ausschlaggebend sind allein die schwer

quantifizierbaren risikobereinigten Kapitalkostennachteile potentieller Newcomer, für

die es im EDV-Markt keine Anzeichen gibt - jedenfalls keine schlüssigen Anzeichen.

Denn den Rückgriff auf den absoluten Kapitalbedarf, der wegen der Quantifi­

zierungsprobleme riskobereinigter Kapitalkostenunterschiede häufig als Indikator für

das Vorliegen von Eintrittsbarrieren herangezogen wird, weisen Fisher et al. als

ungeeignet zurück143.

Diese Analyse, die den Kapitalbedarf als Marktzutrittsschranke verneint, sehen die

Expertenzeugen der Verteidigung als zentral an, da sich alle anderen von der Regie­rung behaupteten Eintrittsbarrieren letztendlich auf den Kapitalbedarf reduzieren

lassen144. So räumen Fisher et al. zwar ein, daß die praktizierte kurzfristige Vennietung

von EDV-Anlagen zwar den Kapitalbedarf erhöht, den man für dieses Geschäft

benötigt; jedoch kritisieren sie die ökonomische Analyse der Regierung, da der

140 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 179.

141 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 179.

142 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 179.

143 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 180.

144 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 184.

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235

erhöhte Kapitalbedarf zum einen bestehende Unternehmen ebenso wie potentielle

neue Konkurrenten betrifft und zum anderen - wie gezeigt - keine Marktzutritts­schranke darstellt. Außerdem argumentieren die Sachverständigen, daß Leasing den

Markteintritt erleichtert und nicht erschwert. Denn kurzfristige Mietverträge führen

dazu, daß bereits versorgte Kunden für Newcomer leichter erreichbar sind, als dies

nach einem Kauf der Fall wäre145.

In ähnlicher Weise widersprechen Fisher et al. der Behauptung der Regierung, daß

die Schwierigkeit, die Software der Kunden auf eine andere Anlage zu übertragen,

eine Eintrittsbarriere darstellt146. Denn grundsätzlich können sich Neuanbieter bei

ihrem Markteintritt an diejenigen Kunden wenden, die zu den Erstanwendern zählen

und daher keine Umstellungskosten zu tragen haben, die diese von der Entscheidung

zugunsten des Systems eines Newcomers abhalten könnten. Aber selbst wenn die

Marktdurchdringung bereits 100 Prozent betragen würde, führen Software-Konvertie­

mngskosten nach Fisher et al. nicht zu Eintrittsbarrieren. Denn bestehende und

potentielle neue Konkurrenten haben nicht nur die gleichen Handlungsbeschränkun­

gen, sondern auch die gleichen Handlungsalternativen: So ist nicht nur ein New­

comer, sondern auch ein bereits etablierter Anbieter bei der Entwicklung neuer Pro­

dukte gezwungen, auf die Softwareinvestitionen der Kunden Rücksicht zu nehmen.

Der Altanbieter unterschiedet sich in dieser Hinsicht also nicht von einem neuen

Wettbewerber. Dies gilt ebenso für die Möglichkeit der Einführung eines innova­

tiven, inkompatiblen Computers. Auch hier sind bestehende wie neue Anbieter von

der Inkompatibilität ihrer neuen verbesserten Produktlinie zu den installierten

Systemen der Kunden betroffen und beide müssen diese bei der Lösung von Konver­

tierungsproblemen unterstützen. Hinsichtlich der Neuproduktentwicklung sind also

bestehende und potentielle Konkurrenten gleichgestellt. Auch aus der Tatsache, daß etablierte Anbieter bereits über eine Systemfamilie verfügen, die mit der Software

der Kunden kompatibel ist, während Newcomer eine solche erst noch entwickeln müssen, resultiert kein Eintrittsbarrierenvorteil. Diese Situation spiegelt lediglich den

Sachverhalt wider, daß der Etablierte schon .(Entwicklungs-)Investitionen getätigt

hat, die der Newcomer erst noch tätigen muß. Eine Marktzutrittsschranke entsteht

hieraus - nach der theoretischen Konzeption der Expertenzeugen - nur, wenn

Newcomer höhere Entwicklungsinvestitionen vorzunehmen hätten. Im EDV-Markt

145 Vgl. hierzu Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 184 - 190, insbesondere S. 189. 146 Vgl. hierzu Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 190 - 197, insbesondere S. 192 ff.

Die Anwendungssoftware der Kunden könnte insofern eine Eintrittsbarriere bedeuten, als sie im Gegensatz zur Hardware nicht gemietet wird, sondern Eigentum des Anwenders ist und daher bei einem HersteUerwechsel nicht zurückgegeben werden kann. (Genau genommen wird Software nicht verkauft, sondern lizenziert, was jedoch hier unerheblich ist.)

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236

ist dies jedoch nicht der Fall, da Hersteller ffiM-kompatibler Zentraleinheiten und

Peripheriegeräte in den Genuß von "second mover"-Vorteilen gelangen und von den

Anstrengungen des Marktführers profitieren können.

Insgesamt bewerten die Expertenzeugen der Verteidigung die Entscheidung von

ffiM, mit dem System/360 eine kompatible ·Produktfamilie anzubieten, als eine Maßnahme, die den Marktzutritt neuer Wettbewerber eher erleichterte als

erschwerte. Denn wenn nicht so viele ffiM-Systeme untereinander kompatibel gewe­sen wären, hätten die Wettbewerber mit ihren EDV-Anlagen zu vielen verschiedenen

ffiM-Systemen verträglich sein müssen, um sich an die gesamte Kundenbasis von

ruM richten zu können. Insofern eröffnete die Vereinheitlichung der Schnittstellen

des Systems/360 Marktchancen für neue Anbieter ruM-kompatibler Zentralein­

heiten und steckerkompatibler Peripheriegeräte. Aber selbst wenn sich ein neuer

Konkurrent nicht für die ruM-Kompatibilität entschied, sondern eine eigene in sich kompatible Systemfarnilie favorisierte, " ... muß(te) er nur genau das tun, was auch

ruM schon machen mußte, um Kompatibilität zu erreichen."147 Insofern standen

diese Wettbewerber vor genau den gleichen Problemen und Investitionen. Eine

Eintrittsbarriere ist aus diesem Grunde nicht ersichtlich.

Auf die Behauptung der Regierung, daß die Bündelung von Hardware, Systemsoftware

und Dienstleistungen (wie z.B. Wartung) eine Eintrittsbarriere darstellt, entgegnen

Fisher et al.148 schließlich, daß die Bündelung in den frühen Jahren der EDV­

Branche eine Voraussetzung für die Markt- bzw. Nachfrageentwicklung bildete.

Denn die damals mit der neuen Technologie noch nicht vertrauten Anwender ver­

langten von den Herstellern einen Überblick über die Gesamtkosten für eine ihren

Bedürfnissen entsprechende Problemlösung149. Insofern kann man nicht von einem "Zwang zur Bündelung" durch IBM sprechen: "Es gab keinen Grund, daß alle das­

selbe machen mußten wie ruM, wenn nicht die Kunden genau das verlangten. Die

Tatsache, daß die anderen Produzenten ihre Geschäfte genauso führten wie ruM ist

der beste Beweis dafür, daß dies den Bedürfnissen der Kunden am besten ent­sprach."150

147 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 194.

148 Vgl. nachstehend Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 197 - 208.

149 Vgl. hierzu auch Fisher, McKie & Mancke (History), S. 19 ff. 150 Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S: 206. 1%9 gab IBM die Politik der Bündelung

mit der Begründung auf, daß die Benutzer fünf Jahre nach der Markteinführung des Systems/360 mit dessen komplexer Architektur nunmehr hinreichend vertraut waren. Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 199. Andere Quellen sehen diese Maßnahme hingegen als Reaktion anf das in diesem Jahr eröffnete Antitrustverfahren gegen IBM. Vgl. z.B. Schulte-Braucks (Auflösung), S. 166 f., und Hoffmann (IBM), S. 162. Gegen einen Zusammenhang mit der Anti­trustklage gegen IBM spricht jedoch, daß die Praxis des Bundling auch nach ihrer Beendigung im

Page 252: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

237

Eine Eintrittsbarriere resultiert nach Fisher et al. aus dem Kundenwunsch nach

einem Komplettangebot schon deshalb nicht, weil ihm die Hardwarelieferanten nicht

eigenständig nachkommen mußten. Sie konnten sich dabei unabhängiger dritter

Firmen bedienen, so daß das Bundling den Marktzutritt nicht erschwerte. Außerdem

wurde den Herstellern ffiM-kompatibler Zentraleinheiten und Peripheriegeräte der

Markteintritt erleichtert, da sie ffiM-Kunden kein Betriebssystem bereitstellen

mußten, das diesen bereits von ffiM ohne getrennten Preis mitgeliefert wurde.

Aber auch wenn Newcomer den Benutzern eigenständig ein Komplettangebot hätten

liefern müssen, um deren Bedürfnissen zu entsprechen, läge nach den Experten­

zeugen der Verteidigung keine Marktzutrittsschranke vor. Denn selbst wenn ffiM ein

Bundling deshalb betrieben hätte, um ihre Konkurrenten zum Bündeln zu zwingen,

hätte ffiM die gleichen Anforderungen erfüllen müssen wie jedes andere Unterneh­

men auch. Und umgekehrt mußten potentielle Newcomer, wenn sie die zu bündeln­

den Aktivitäten selbst ausführen wollten, lediglich die gleichen Kosten auf sich nehmen wie ffiM auch151• Eine Marktzutrittsschranke hätte jedoch nur dann vorge­

legen, wenn es einen Grund dafür gegeben hätte, daß IBM kostengünstiger bündeln

kann als ihre Konkurrenten. Das heißt, es hätten Kapital- oder andere Kostenvorteile

existieren müssen, was nach Fisher et al. nicht der Fall war152•

Schlußbemerkung zur ökonomischen Analyse der Expertenzeugen der Verteidigung

zu den angeblichen Marktzutrittsschranken:

Aufgrund der vorstehend auszugsweise präsentierten Analyse gelangen die ökono­

mischen Sachverständigen der Verteidigung zu dem Schluß, daß die angeblich vor­

handenen Zutrittsschranken zum EDV-Markt nicht als solche haltbar sind. Dies

führen sie darauf zurück, daß die Behauptungen der Regierung auf einem völligen

Mißverständnis dessen beruhen, was eine Eintrittsbarriere überhaupt darstellt: Im

Gegensatz zur ökonomischen Analyse der Anklagevertreter bildet nach Fisher et al.

nicht jeder scheinbare Vorteil eines etablierten Unternehmens eine Marktzutritts­

schranke. Echte Eintrittsbarrieren entstehen nur aus nicht reproduzierbaren Vorteilen,

die bestehende Anbieter gegenüber potentiellen neuen Konkurrenten genießen.

Hierzu zählen nicht diejenigen Kostenvorteile, die auf eine höhere Produktivität, ein

besseres Management oder innovative Forschung und Entwicklung zurückzuführen

Jahr 1%9 noch für das "wilful acquisition"-Element des Monopolisierungsvorwurfes relevant blieb, nach dem es nicht auf den gegenwärtigen Mißbrauch von Marktrnacht ankommt, sondern auf den aktiv und durch wettbewerbsfeindliche Praktiken herbeigeführten Erwerb von Marktrnacht. Vgl. Schulte-Braucks (Auflösung), S. 167.

151 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 204.

152 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 205.

Page 253: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

238

sind, sondern nur Kostenvorteile aufgrund des Zugangs zu besseren Ressourcenl53.

Auch Preisvorteile, die in der Reputation etablierter Hersteller für zuverlässige

Produkte und Dienstleistungen oder in anderen Differenzierungsfaktoren begründet

sind, rufen keine Eintrittsbarriere hervor. Dies meint nicht, daß neue Anbieter sofort

in der Lage sind, diese Charakteristika der Etablierten zu replizieren. Sie werden

vielmehr vorübergehende- Kosten- und/oder Preisnachteile in Kauf nehmen müssen,

bis es ihnen gelungen ist, ihre Produkte ebenfalls zu differenzieren und die Quellen

ihres Kostennachteils zu beseitigen. Nur wenn sie hierfür (gegenwärtig) höhere

Investitionen tätigen müssen als bereits bestehende Wettbewerber (in der Vergan­

genheit), kann nach Fisher et al. korrekterweise von einer Eintrittsbarriere ge­

sprochen werdeni54.

Aufgrund des zeitraumbezogenen Vergleichs der Gesamtkosten bzw. -investitionen

von Etablierten und Newcomern gelangen die Expertenzeugen der Verteidigung

schließlich zu einem anderen Ergebnis als diejenigen Untersuchungen, die sich an der

Eintrittsbarrierenkonzeption Bains orientieren, d.h. die Preise sowie Kosten etablier­

ter und neuer Konkurrenten zu einem bestimmten Zeitpunkt gegenüberstellen und

daher jegliche Kosten- und Differenzierungsnachteile als Marktzutrittsschranken

werten.

So folgert beispielsweise Brock aus den in Abb. 14 ersichtlichen Kostennachteilen

neuer Anbieterl55, daß die Eintrittsbarrieren des Segmentes integrierter Computer­

systeme für potentielle Newcomer - unter Berücksichtigung des "enormen" Kapital­

bedarfs (Brock) - praktisch unüberwindbar sind, außer wenn die Etablierten "exorbi­

tant hohe Preise" (Brock) festsetzen. Die Höhe der Zutrittsschranken zum Peri­

pheriegerätesegment bezeichnet er als mäßig - jedenfalls solange, wie die etablierten

Anbieter das Preisniveau nicht reduzieren. Und die Barrieren, die den Minicompu­

termarkt umgeben, fallen nach Brock wegen des geringen Kostennachteils poten­

tieller Newcomer schließlich extrem gering ausI56/157.

153 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 164.

154 Vgl. Fisher, McGowan & Greenwood (US gegen IBM), S. 165.

155 Siehe S. 239. Zu der detaillierten Analyse, die in diese Zusammenstellung der Kostennachteile von Newcomern mündet, vgl. Brock (Computer), Kapitel 3 - 5, S. 27 ff.

156 Vgl. Brock (Computer), S. 65 f. Zwei weitere Eintrittsbarrierenanalysen, die auf die traditionelle Konzeption Bains Bezug nehmen, fmden sich bei Rösner (WettbewerbsverhäItnisse), Kapitel3, S. 135 ff., sowie bei Dorfman (Innovation), S. 63 - 80, und S. 226 ff.

157 An dieser Stelle soll mit DeLamarter abschließend noch ein Vertreter der Antitrust Division ZU

Wort kommen, der die Erkenntnisse, die er während seiner 8jährigen Tätigkeit in diesem Verfah­ren gewonnen hat, wie folgt beschreibt: "I learned that it was not IBM's excellent management or its superior products that made it successful; rather, it was the clever ways in which the company has exploited an exclusive position of power." DeLamarter (Big), S. XIV. DeLamarter verdeutlicht

Page 254: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

239

Item Integrated Systems Peripherals Makers Minicomputers

Economies of scale 20% 10% 5% Marketing

5-10% advantages 20-30% 10-20% Capital moderate-depends rrunor

req uiremen ts blocked on IBM actions Total evaluation 20-30% disadvantage 10-15%

ofentry no entry possible compared to IBM disadvantage

Abb.14: Zusammenstellung der Kostennachteile neuer Wettbewerber im EDV­

Markt Quelle: Brock (Computer), S. 65

dies anschaulich an den Raktionen auf den Markteintritt von Gene Amdahl, der als 'Vater des Systems/360' gilt und sich von IBM loslöste, als er mit seinen Produktplänen auf Widerstand stieß. Nachdem sich Amdahl selbständig gemacht hatte, mit seinem überlegenen und preiswerteren Computer Erfolg hatte und sich seine Prognose bewahrheitete, daß IBMs hardwareseitige und preisliche Reaktionsmöglichkeiten sehr eingeschränkt waren, führte IBM einen neuen und leistungsfähigeren Instruktionssatz ein, der Amdahl vor Kompatibilitätsprobleme stellte. Amdahl kündigte zwar ein wiederum leistungsfähigeres kompatibles Produkt an, das sechs Monate nach der Erstauslieferung des neuen IBM-Systems verfügbar sein sollte, und war auch binnen drei Monaten (nach der ersten Auslieferung von IBM) in der Lage, die Kompatibilitätsprobleme zu lösen; jedoch verlor die Amdahl Corporation Umsätze aufgrund der Ungewißheit bzw. Furcht der Anwender vor einer erneuten zukünftigen Inkompatibilität. Gene Amdahl umschrieb diese Waffe IBMs mit "PUD Factor', d.h. mit dem 'Fear, Uncertainty and Doubt'-Faktor. Vgl. hierzu DeLamarter (Big), Kapitel 15, S. 219 - 233.

Page 255: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

240

5. ZWISCHENERGEBNIS: SCHLUSSFOLGERUNGEN ZUM STRA­TEGIERELEVANTEN EINTRITTSBARRIERENBEGRIFF UND VORBEMERKUNG ZUR EMPIRISCHEN UNTERSUCHUNG

Nach der nunmehr abgeschlossenen Diskussion der vier Problemfelder bzw. Frage­

stellungen, die der Strukturierung der vorliegenden Untersuchung dienten1, soll an

dieser Stelle als Zwischenergebnis festgehalten werden, wann Eintrittsbarrieren aus

unternehmensstrategischer Perspektive vorliegen und wodurch sie hervorgerufen

werden. Einige Vorüberlegungen zu den Implikationen dieses Eintrittsbarrieren­

begriffes für die empirische Forschung leiten sodann zur Untersuchung der Zugangs­

schranken des Mikrocomputermarktes in Kapitel 6 über.

-'" '" ..c u Vl

'a '-'" :> '-

'" ::

C> C> ..c u Vl

C>

~ u

..c ~

Marktstruktur (strukturalistisches Eintrittsbarrieren­konzept)

- Alle strukturellen Zu-trittshemmnisse sind Eintrittsbarrieren.

- Komplementäre Verhal-tensweise: Limit Pricing.

- Nur künstlich geschaffene Zutrittshemmnisse stel-len Eintrittsbarrieren dar.

- Die meisten der angeb-lichen Eintrittsbarrieren sind lediglich natürliche Zutrittshemmnisse.

Marktyerhal ten (strategisches Eintrittsbarrieren­konzept)

- Alle Abschreckungs-maßnahmen und Vergel-tungsdrohungen, die den Markteintritt für New-comer unattraktiv er-scheinen lassen, führen zu Eintrittsbarrieren.

- Vergeltung ist eine ir-rationale Strategie, die potentielle Newcomer nicht abschrecken kann.

- Maßnahmen, die New-comern den Eintritt er-schweren, führen zu Effizienz und dienen der Konsumentenwohlfahrt.

Abb. 15: Ergebnisüberblick ZU den vier Problemfeldern der Diskussion eines

strategierelevanten Eintrittsbarrierenbegriffes

1 Vgl. oben, Abb. 5, S. 46. Zu einer Zusammenstellung der wichtigsten Argumente siehe Abb. 15.

Page 256: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

241

Zur Beantwortung der Frage, wann in der Lehre von der Unternehmensstrategie

sinnvollerweise vom Vorliegen von Eintrittsbarrieren gesprochen werden soll, greifen

wir nochmals auf die vorstehende Analyse der ökonomischen Sachverständigen im

Fall "U.S. gegen IBM" zurück. Denn die Expertenzeugen der Verteidigung stellen bei

der Herleitung des ihres Erachtens anzuwendenden Eintrittsbarrierenbegriffs einen

bislang vernachlässigten Aspekt heraus, nämlich daß potentielle Newcomer ihre Ein­

trittsentscheidung auf der Grundlage einer Investitionsrechnung fällen.

Die Behandlung der Markteintrittsentscheidung als eine Investitionsentscheidung hat

zur Folge, daß die (momentanen) Wettbewerbsnachteile neueintretender Unterneh­

men allein noch keine Auskunft über die Rentabilität des geplanten Projektes und

somit über die Existenz von Eintrittsbarrieren geben. Denn ein Newcomer könnte ja

in der Lage sein, seinen anfänglichen Nachteil im Zeitablauf zu verringern und aus­

zugleichen, so daß dennoch eine ausreichende interne Verzinsung erzielt werden

kann und die Entscheidung daher für einen Markteintritt ausfällt.

Allerdings ist eine ungenügende interne Verzinsung, die den Kalkulations- bzw. Markt­

zins also nicht übertrifft, nach Fisher et al. nicht in jedem Falle auf das Bestehen von

Eintrittsbarrieren zurückzuführen. Denn ein Investitionsprojekt kann sich auch des­

halb als umentabel herausstellen und unterlassen werden, weil das Preisniveau seit

dem Markteintritt der bereits etablierten Unternehmen auf eine Höhe abgesunken

ist, die für ansonsten gleichgestellte Newcomer unwirtschaftlich ist. Hierunter hat

man - wie bereits ausgeführt2 - nach Fisher et al. keine ökonomisch relevanten

Marktzugangsschranken zu verstehen. Denn mit der Verfolgung einer Limitpreispoli­

tik verhalten sich die Etablierten wettbewerblich: Zur Verteidigung ihres Markt­

anteils müssen sie die Preise senken. Nur wenn sie das Preisniveau anheben könnten,

ohne dadurch den Eintritt neuer Wettbewerber hervorzurufen, kann man den Exper­

tenzeugen zufolge berechtigterweise von Eintrittsbarrieren sprechen.

Deren Position zusammenfassend liegen Eintrittsbarrieren also dann vor, wenn

potentielle Newcomer nicht rentabel in einem Markt operieren können, und zwar

weil ihnen zusätzliche Investitionen abverlangt werden, die Etablierte nicht auf sich

nehmen mußten, und wenn'dies zu einer unzureichenden internen Verzinsung führt­

und nicht etwa ein Preisverfall.

In ähnlicher Weise kann in Anlehnung an Demsetz vom Vorliegen von Eintrittsbar­

rieren gesprochen werden, wenn Markteintritte deshalb nicht erfolgen, weil sie auf-

2 Vgl. oben, S. 231 f.

Page 257: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

242

grund staatlicher Auflagen unwirtschaftlich sind, und wenn sie ohne diese Auflagen

rentabel wären3.

Und schließlich kann man argumentieren, daß wettbewerbspolitisch relevante Ein­

trittsbarrieren dann gegeben sind, wenn ein potentieller Newcomer nicht in einen

Markt eintreten kann, obwohl er diesen Schritt für wirtschaftlich durchführbar hält4 -

also im Falle staatlicher Zugangsbeschränkungen.

Demgegenüber können Markteintrittsbarrieren aus einzelwirtschaftlicher und unter­

nehmensstrategischer Sicht bereits dann als existent angesehen werden, wenn sich der

Markteintritt - aus welchen Gründen auch immer - für einen potentiellen Newcomer

"nicht rechnet". Das heißt, die Eintrittsbarrieren des betreffenden Marktes sind für

einen bestimmten potentiellen Konkurrenten dann (zu) hoch, wenn dieser über gün­

stigere alternative Anlagemöglichkeiten des zu investierenden Kapitals verfügt und

folglich diese wahrnimmt. Demnach ist der zutreffende Indikator für die Höhe der

Eintrittsbarrieren - aus dem Blickwinkel eines Unternehmens, das den Markteintritt

erwägt - die in diesem Markt erzielbare interne Verzinsung oder auch die Zeitspanne

bis zum Erreichen der Gewinnschwelle5. Dieser Eintrittsbarrierenbegriff macht also

die Existenz von Marktzutrittsschranken am Ergebnis fest, d.h. am Ausbleiben des

Zutritts eines eintrittswilligen potentiellen Newcomers.

Im Unterschied hierzu kann man das Konzept der Markteintrittsbarrieren jedoch

auch als ein bloßes Analyseraster begreifen, mittels dessen man eine Aussage über die

Art und auch die Höhe des Wettbewerbsnachteils neueintretender Unternehmen

gegenüber bereits etablierten Anbietern treffen will. In diesem Sprachgebrauch

bezeichnen Eintrittsbarrieren also zunächst nur die Quellen von Wettbewerbsnach­

teilen potentieller Konkurrenten, auch wenn diese möglicherweise kein prohibitiv

hohes Ausmaß annehmen und Markteintritte nicht tatsächlich verhindern. Eintritts­

barrieren sind in diesem Sinne dann alle für einen Newcomer entscheidungsrele­

vanten Nachteile (bzw. Quellen von Nachteilen) gegenüber bereits bestehenden

Anbietern, die entweder aus den natürlichen bzv.:. marktstrukturellen Anforderungen

entstehen, die ein neuer Konkurrent bei seinem Markteintritt erfüllen muß, oder aus

strategischen Verhaltensweisen der Etablierten resultieren.

3

4

5

Vgl. ähnlich Demsetz (Barriers), S. 48.

Für diesen Hinweis danke ich Herrn Prof. Dr. Manfred Neumann.

Vgl. in letztgenanntem Sinne Biggadike (Corporate diversification), S. 51 ff., insbesondere S. 57.

Page 258: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

243

Welchen Beitrag zur Entscheidungsvorbereitung und -findung vermag nun ein der­

artiges Analyseraster für einen potentiellen Newcomer zu leisten, der seine Entschei­

dung ja auf der Grundlage einer Investitionsrechnung und nicht eines Kostenverglei­

ches trifft? Mit Porter können Eintrittsbarrierenüberlegungen wie folgt in das Investi­

tionskalkül eines eventuellen Neuanbieters einfließen und eine fundiertere Beurtei­

lung des geplanten Projektes ermöglichen6: Ein Newcomer hat den aus der Präsenz

in der Branche erwarteten Umsätzen7 zunächst die für das neue Geschäft vorzuneh­

menden Investitionen in Sachanlage- und Urnlaufvermögen (z.B. Produktionsanlagen

und Vorräte) gegenüberzustellen. Der hierfür erforderliche Investitionsbedarf kann -

wie oben mit dem Konzept des Raising rivals' costs beschrieben - von den Etablierten

durch die Erhöhung struktureller Barrieren gesteigert worden sein. Daneben sind

Investitionskosten für die Überwindung weiterer struktureller Barrieren in Ansatz zu

bringen, etwa für die Bewältigung der Differenzierungsbarriere aufgrund einer Mar­

kenidentifikation oder der absoluten Eintrittsbarriere aufgrund unternehmenseigener

Technologien. Und schließlich müssen die voraussichtlichen Reaktionen etablierter

Unternehmen berücksichtigt werden, d.h. die Kosten aufgrund zu erwartender Ver­

geltungsmaßnahmen müssen abgeschätzt und in das Kalkül einbezogen werden.

Diese Kosten errechnen sich nach Porter "aus den negativen Folgen der Vergeltung

(z.B. niedrigere Preise und erhöhte Marketingkosten), multipliziert mit der Wahr­

scheinlichkeit, daß die Vergeltung stattfinden wird."S

Gelangt nun ein (bestimmter) Newcomer auf der Basis dieses Kalküls zu dem Ergeb­

nis, daß das geplante Projekt nur eine unterdurchschnittliche Verzinsung des zu inve­

stierenden Kapitals aufweist, und nimmt er aus diesem Grunde vom Markteintritt

Abstand, so liegen für ihn Eintrittsbarrieren (im engeren, d.h. ergebnisorientierten

Sinne) vor. Hiermit wird deutlich, daß mit einem ergebnisbezogenen Begriff die Frage

nach der Existenz von Eintrittsbarrieren für eine bestimmte Branche - wie z.B. in

Kapitel 6 für den Mikrocomputermarkt - nicht generell, d.h. unabhängig von der

(Ausgangs-)Situation des bzw. der jeweiligen Eintrittskandidaten beantwortbar ist.

Denn es müssen die distinktiven Kompetenzen der betreffenden potentiellen Kon­

kurrenten und auch ihre alternativen Anlagemäglichkeiten berücksichtigt werden, um

beurteilen zu können, ob der zu untersuchende Markt ein attraktives Investitions­objekt bzw. Eintrittsziel darstellt.

6

7

S

Vgl. nachstehend Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 424 f.

Porter spricht vom Cash-flow.

Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 424.

Page 259: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

244

Dem könnte man nun aber entgegenhalten, daß ein Markt mit einer hohen Anbieter­

zahl - wie z.B. der Mikrocomputermarkt - nicht von hohen Barrieren umgeben sein

kann, da sonst nicht so viele Markteintritte stattgefunden hätten. Dieser Rückschluß

vom beobachtbaren Ergebnis (nämlich dem Erfolgen von Marktzutritten) auf die

zugrundeliegenden Marktzugangsbedingungen9 liefert im Branchenvergleich einen

Hinweis auf die relative Schwierigkeit des Markteintrittes. Auch kann aus einer Viel­

zahl vergangener Zutritte abgeleitet werden, daß frühere Newcomer offenbar eine

ausreichende Kapitalverzinsung erwartet haben und deshalb in den Markt eingetre­

ten sind, wobei man dann davon ausgeht, daß keine anderen Eintrittsgründe maß­

geblich warenlO• Aber mehr als einen ersten Anhaltspunkt kann der Erfolg oder

Mißerfolg bereits früher eingetretener Unternehmen einem vor der Eintrittsent­

scheidung stehenden Newcomer nicht bieten. Denn die für den Erfolg eines bereits

etablierten Anbieters maßgeblichen (Eintritts-)Bedingungen können möglicherweise

nicht "duplizierbar" sein und Mißerfolge können mit anderen Gründen als Eintritts­

barrieren in Zusammenhang stehen, wie die nachfolgenden Ausführungen anhand

einiger Beispiele aus dem Personal Computer-Markt belegen.

Bei diesem handelt es sich um einen Teilmarkt des Datenverarbeitungssektors, in

dem einerseits einige renommierte Hersteller aus dem Großrechner- und Minicom­

puterbereich nicht erfolgreich Fuß' fassen konnten, sofern man dies anhand des

erreichten Absatzvolumens beurteilt, in dem aber andererseits einem neugegrün­

deten Unternehmen ein - auch für amerikanische Verhältnisse - beispielloser Markt­

erfolg gelang: Bereits nach neun Monaten konnte die im Februar 1982 in

Houston/Texas gegründete Compaq Computer Corporation ein positives Quartals­

ergebnis vorlegen. Im ersten Geschäftsjahr wurde bei einem Umsatz von 111,22

Mio. $ ein Gewinn von 4,7 Mio. $ erzielt, womit Compaq das höchste Erst-Jahres­

Ergebnis in der amerikanischen Wirtschaftsgeschichte erreichtell. Dank anhaltender

überdurchschnittlicher Wachstumsraten konnte sich Compaq bis heute in die Liste

der 500 größten amerikanischen Industrieunternehmen einreihen und besetzte 1986 -

gemessen am wertmäßigen US-Marktanteil - mit 19 % Rang 2 hinter IBM (52 %),

jedoch noch vor dem Branchenpionier Apple (10 %)12. Auf dem deutschen Personal

Computer-Markt belegte Compaq 1985 - wie auch 1984 - nach Erhebungen des

Marktforschungsunternehmens Intelligent Electronics mengenmäßig Position sieben.

9 Vgl. zur Beurteilung des Vorliegens von Marktzutrittsschranken vom Ergebnis her insbesondere von Weizsäcker in seinem Vorwort zu Fisher et aL (US gegen IBM), S. XIII.

10 Diesem Aspekt wendet sich weiter unten Kap. 7 zu. V gL insbesondere S. 370 f.

11 Vgl. FAZ vom 06.01.1987, S. 11.

12 Vgl. Compaq Computer Corporation, 1986 Annual Report, S. 14.

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245

Hingegen erreichte mit dem Elektronikkonzern Fujitsu Ltd. der größte japanische

DV-Anbieter, der in seinem angestammten Segment der IBM-kompatiblen Groß­

rechner und steckerkompatiblen Peripheriegeräte eine führende Rolle einnimmt, das

für Ende 1985 gesteckte Ziel eines 5 %igen Marktanteils am deutschen und euro­

päischen PC-Markt nicht13. Als das Unternehmen zur Hannover Messe 1983 seine

beiden Mikrocomputermodelle (Mikro 7 und Mikro 16) der Öffentlichkeit vorstellte,

wurden in Japan jährlich bereits 200.000 Stück des Einstiegsmodells Mikro 7 produ­

ziert. Auch bestand mit der Fujitsu Mikroelektronik GmbH bereits eine deutsche

Niederlassung, der die Vermarktung der beiden Mikrocomputer übertragen werden

konnte. Mit dieser Tochtergesellschaft war Fujitsu erstmals unter eigenem Namen in

Deutschland in Erscheinung getreten. Bis dahin war man primär als OEM-Lieferant

für andere Anbieter tätig gewesen - im Großrechnerbereich beispielsweise für

Siemens, ICL und Burroughs - und somit einem breiteren Publikum weitgehend

unbekannt geblieben14. Um sich auch außerhalb der begrenzten Fachwelt einer brei­

teren Öffentlichkeit als Hersteller von Mikrocomputern zu präsentieren, investierte

Fujitsu nach der Produktvorstellung innerhalb eines knappen Jahres mehr als

1 Mio. DM in eine Imagekampagne15, deren Werbebotschaft lautete: "Der größte

Computer-Hersteller Japans jetzt in Deutschland." Parallel dazu begann der Aufbau

eines Vertriebsnetzes. Bis zur Systems im November 1983 konnten 39 Händler

gewonnen werden, womit die für diesen Zeitpunkt geplante Anzahl von 15 autorisier­

ten Vertriebspartnern deutlich übertroffen wurde16. Die große Resonanz der Händ­

ler gründete sich auf die durchgeführte Werbekampagne, auf den Verzicht der

Bedienung paralleler Vertriebswege neben dem Fachhandel, auf die zugesagte

Bereitstellung entsprechender Software und Dokumentation für die angebotene

Hardware, sowie auf das starke Commitment seitens Fujitsu, auch noch in zehn

Jahren im deutschen Markt präsent zu sein, was dem Handel eine gewisse Sicherheit

bot17. Entgegen dem großen Interesse seitens des Handels und der Endkunden hatte

die deutsche Vertriebsgesellschaft jedoch nur "mit der Hälfte der Händler und der

Hälfte der Stückzahlen gerechnet,,18. Der Handel beklagte Verzögerungen bei der

Bereitstellung von Demonstrationsmodellen und deutschsprachiger Dokumentation.

Die Auslieferung der beiden Mikrocomputer begann zwar im Februar 1984, jedoch

13 Hierzu hätte Fujitsu zum fünftgrößten Anbieter aufsteigen müssen. VgI. Computerwoche 10 (1983) 17, S. 2.

14 VgI. CW 10 (1983) 17, S. 1 f.

15 VgI. Kirchmann (Falsch programmiert), S. 237.

16 VgI. CW 11 (1984) 15, S. 11.

17 VgI. hierzu bit 20 (1984) 2, S. 2 ff., und CW 11 (1984) 18, S. 6.

18 Klaus Brand, Marketing and Sales Manager Europe, zitiert nach CW 11 (1984) 18, S. 6.

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246

konnte den Kundenbestellungen nicht in vollem Umfang nachgekommen werden,

worauf Aufträge z.T. wieder storniert wurden. Fujitsu stellte daraufhin die plan­

mäßige Ausweitung des Vertriebsnetzes zurück, um den bestehenden Händlern die

nötige Unterstützung zukommen lassen zu können19•

Auch wenn Fujitsu letztlich die Erwartungen der Nachfrage und des Handels nicht

erfüllen konnte, scheint dies eher auf eine Fehleinschätzung der Absatzentwicklung

und bzw. oder auf eine bevorzugte Bedienung des amerikanischen Marktes gegen­

über dem europäischen Markt zurückzuführen zu sein und weniger auf die Tatsache,

daß Eintrittsbarrieren in den PC-Markt unterschätzt wurden: Fujitsus Vertriebs- und

Marketingstrategie war offenbar im Gegenteil unerwartet erfolgreich, was das

Unternehmen vor Probleme der Vertriebsunterstützung und Geräteverfügbarkeit

stellte.

Das Scheitern von Markteintritten oder Nichterreichen von Marktanteilszielen gibt damit per se noch keinen Aufschluß über die Höhe der Markteintrittsbarrieren.

Diese lassen sich nur bei Abwesenheit von Planungs- oder Prognosefehlern aus der

Marktreaktion ablesen. So erfolgte auch der weitgehende Austritt der Digital

Equipment Corporation (DEC) aus dem Markt der Stand-alone-PCs aufgrund einer

anders antizipierten Marktentwicklung, wenngleich sich auch dafür argumentieren

läßt, daß der Markteintritt von DEC wegen einer schlechten Aufnahme der Produkte im Handel weniger erfolgreich verlief20: Der Marktführer bei Minicomputern und

zweitgrößte Anbieter im gesamten DV-Markt blieb mit seinen im Mai 1982 in den

USA eingeführten Personal Computern unter dem für 1983 angestrebten Absatz­

volumen von weltweit 100.000 Stück. Im deutschen Markt wurden von der Rainbow­

und Professional-Serie seit der Markteinführung im Februar 1983 bis zum Ende des gleichen Jahres 2.000 Geräte verkauft, womit die Erwartungen nicht erfüllt wurden21.

Ende 1984 reduzierte DEC schließlich sein Comrnitment für die Rainbow-Linie und

zog sich aus dem PC-Massenmarkt zurück, der über indirekte Vertriebswege bedient

wird. Von der Digital Equipment GmbH in München verlautete, "daß eine breite Streuung des Mikroabsatzes nicht im Sinne des Unternehmens liege. Auf keinen Fall

werde man sich an den Preiskämpfen im Mikromarkt beteiligen."22 Rückblickend

beurteilt man intern das Engagement im Mikrocomputermarkt, das auch durch den

Markteintritt von IBM "provoziert" wurde, als eine Fehleinschätzung des Entwick-

19 Vgl. ebenda, S. 1 und S. 6.

20 Siehe hierzu unten, S. 328 f.

21 Vgl. ÖVD /Online 1984/3, S. 12.

22 Willi Kistner, Vorsitzender der Geschäftsführung, zitiert nach CW 11 (1984) 42, S. 1.

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247

lungstempos und des Gewinnpotentials: Zum einen hatte man geglaubt, daß sich die Lücke zwischen den professionellen PCs und den Minicomputern schneller schließen

würde, so daß man sich zum Einstieg in dieses Segment genötigt sah, um nicht den

Anschluß zu verlieren. Diese Vorstellung, daß es unerläßlich sei, bereits zu diesem

Zeitpunkt im PC-Bereich Fuß zu fassen, wurde schließlich Ende 1983 von President

Olsen korrigiert: " ... this first round of personal computers is not the important one. The major contest will be the 32-bit machine.',23 Aus dieser veränderten Prämisse

heraus wurde dann das Commitment für Personal Computer stark reduziert. Man

betrachtete diese Sparte eher als ein Zusatzgeschäft bzw. als Service für den Kunden­

stamm24• Ausdruck dieser Produktstrategie ist auch der 1986 vorgestellte V AXmate,

der zwar zum IBM AT kompatibel ist, jedoch nicht als neuer Personal Computer dar­

gestellt wurde. Statt dessen ist das Gerät als ein Arbeitsplatzrechner positioniert, der

in die DEC-Netzwerkarchitektur integriert ist, sich zugleich aber am Industriestan­

dard für Personal Computer orientiert. Damit ist der VAXmate an den eingeschränk­

ten Benutzerkreis von DEC-Minicomputern (VAX) adressiert: Er soll die Umgebung einer VAX für solche Anwender abdecken, die zugleich Wert auf einen Industrie­

standard-PC bzw. auf MS-DOS-Fähigkeit legen.

DECs Rückzug aus dem Massenmarkt und die defensive Plazierung von Produkten,

die in die DEC-Welt eingebunden sind und zugleich PC-Funktionen erfüllen, hängen somit nicht unmittelbar bzw. nicht allein mit dem Mißerfolg beim Markteintritt oder

mit den Eintrittsbarrieren in das Mikrocomputer-Segment zusammen. Diese Schritte

resultieren vielmehr aus revidierten Prämissen hinsichtlich der Entwicklungsgeschwin­

digkeit der Technologie und der Leistungsfähigkeit von Mikrocomrutern sowie aus

einer Neubewertung der Bedrohung, die von dieser Seite für das Minicomputer­

geschäft von DEC ausging25.

Anhaltspunkte zur Beurteilung der Höhe der Eintrittsbarrieren ergeben sich statt

dessen aber aus der zweiten eingeräumten Fehlbeurteilung des finanziell aus diesem

Geschäft zu ziehenden Erfolges: Die Einschätzung, daß die in diesem Markt erziel­

baren finanziellen Resultate - auch für den Marktführer IBM - nicht mit denen anderer

23 Kenneth H. Olsen, President, zitiert nach Fraker (DEC) S. 86. Mit der 'ersten Runde' ist die Gene­ration der 8-Bit- und 16-Bit-Geräte gemeint.

24 VgI. Kenneth H. Olsen, President, in einem Interview gegenüber dem Manager Magazin, in: mm 14 (1984) 5, S. 137.

25 In diesem Sinne ist der Rückzug von DEC Ergebnis einer Prämissenkontrolle, die sicherlich auch durch das Nichterreichen der Absatzziele angeregt wurde. Diese Prämissenkontrolle führte dazu, daß die (strategischen) Austrittsbarrieren von DEC als gering perzipiert wurden. Zur Prämissen­kontrolle im Rahmen eines Konzeptes strategischer Kontrolle vgI. Schreyögg & Steinmann (Stra­tegic control).

Page 263: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

248

Segmente des DV-Marktes vergleichbar seien, läßt zwei Interpretationen bzw. Erklä­

rungsmöglichkeiten zu:

1) Die potentielle, durchschnittliche Branchenrentabilität ist vergleichsweise

niedrig, was in einem eher geringen Schutz durch Markteintrittsbarrieren, einer

eher hohen Rivalität und/oder Abnehmermacht begründet sein könnte26;

2) Oberdurchschnittliche Ergebnisse, insbesondere aufgrund eines Differenzierungs­

vorteils, sind in diesem Markt nur schwer erzielba?7.

Es wäre damit keine für Newcomer spezifische Situation, mit einer eher niedrigen

(potentiellen) Rendite konfrontiert zu sein, jedoch bleibt zu beantworten, ob neue

Wettbewerber hier nicht dennoch aufgrund von absoluten, Kosten- oder Differenzie­

rungsnachteilen in einer relativ ungünstigeren Lage sind. Dies zu klären ist Gegen­

stand der nachfolgenden Ausführungen von Kapitel 6.

Hierin werden Eintritts- und Mobilitätsbarrieren - wie oben dargelegt - als ein

analytisches Raster zur Identifikation von Art und Ausmaß der Wettbewerbsnachteile

potentieller Newcomer verwendet. Ob diese Nachteile etablierten Anbietern einen

tatsächlichen Schutz vor Markteintritten bieten, hängt davon ab, ob potentielle

Neuanbieter meinen, unter den zu erwartenden Bedingungen im Mikrocomputer­

markt eine angemessene Rendite erwirtschaften zu können. Dies müßte - unter

Zugrundelegung eines analytischen Eintrittsbarrierenbegriffes - entweder anhand

eines realen Falles gezeigt werden, oder aber es müßte eine Investitionsrechnung für

einen hypothetischen Newcomer in idealisierter Form durchgeführt werden28. Da

jedoch ein realer Fall nicht zugänglich war, in dem eine Markteintrittsanalyse nach

dem Schema Porters zu einem negativen Ergebnis führte29, und da auch die für einen

hypothetischen Fall erforderlichen Daten zum Investitionsbedarf für die einzelnen

Wertaktivitäten nicht in der notwendigen Genauigkeit und Vollständigkeit beschafft

26 Die Verbandlunl!$Stärke der Lieferanten ist demgegenüber von unterge<>rdneter Bedeutung. Hinsichtlich der Substitutionskonkurrenz geht die Bedrohung \'0171 Arlkrocomputer aus und wirkt nicht auf diesen ein.

n VgJ. in diesem Sinne z.B. Hergert (Standards, S. 81 ff.), der im Zuge einer Analyse des Einflusses von IBM auf die Herausbildung eines Branchenstandards die abnehmenden DifTerenzierungsmög­Iichkeiten beschreibt. Siehe hierzu auch S. 350, Fußnote 25.

28 Zu einem derartigen Procedere vgl. die exemplarische MarkteintrittskaU;u1ation eines fiktiven Newcomers in den amerikanischen Wegwerf\\indelmarkt bei Porter (Strategie interaction), S. 503 -506.

29 Siehe hierzu unten, S. 364, Fußnote 73.

Page 264: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

249

werden konnten, kann nur das Urteil der befragten Branchenvertreter über die Aus­

sicht auf Gewinnerzielung für einen potentiellen Newcomer wiedergegeben werden.

Der wesentliche Beitrag der nachfolgenden Untersuchung liegt folglich darin zu zei­

gen, aus welchen Quellen die Eintrittsbarrieren des Mikrocomputermarktes resultie­

ren und welches Ausmaß die Wettbewerbsnachteile neuer Konkurrenten annehmen,

die ein potentieller Newomer dann (im Einzelfall) in seinem Markteintrittskalkül in

Ansatz zu bringen hätte. Auch ohne diesen zweiten Schritt gelingt es bereits, die

Zweckmäßigkeit (und auch den praktischen Nutzen) eines Eintrittsbarrierenbegriffes

zu demonstrieren, der nicht bloß vom Ergebnis her auf die Existenz von Marktzu­

trittsschranken schließt, sondern ein inhaltliches Raster für die Analyse von Wett­

bewerbsnachteilen neueintretender Unternehmen bietet.

Page 265: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

250

"Die neueste Errungenschaft auf dem Gebiet der Personal Computer von Upstart Systems! Das Gerät verwendet denselben Mikroprozessor wie das von IBM, aber dank unserer cleveren Techniker läuft es ein kleines bißchen schnel­ler. Das Betriebssystem ist fast identisch, und schneller läuft es auch. Natürlich gibt es reichlich Software. Es verwendet größtenteils dieselben Programme, die für den IBM geliefert werden. Wie groß es ist? Na, seine Schuhnummer ist klei­ner als die des IBM-Gerätes - es braucht 10 Prozent weniger Platz auf Ihrem Schreibtisch. Wo man es kaufen kann? Sehen Sie es sich bei Ihrem nächsten Upstart Systems-Vetragshändler an. Um ihn zu finden, rufen Sie 1-800-UPSTART an. Upstart ist übrigens 10 Prozent billiger als IBM in seiner meist­verkauften Systemkonfiguration."l

6. BARRIEREN UND STRATEGIEN DES EINTRITTS IN DEN PERSONAL COMPUTER-MARKT: EINE FALLSTUDIE ZU DEN WETTBEWERBSNACHTEILEN POTENTIELLER UND NEU EIN­GETRETENER KONKURRENTEN2

Zielsetzung der empirischen Studie zu den Eintrittsbarrieren des Mikrocomputer­

marktes ist es, die Zweckmäßigkeit des Eintrittsbarrierenkonzeptes als analytisches

Raster für die Beurteilung der Wettbewerbsnachteile potentieller Konkurrenten zu

demonstrieren. Hierzu ist es zunächst erforderlich, die strategische Heterogenität der

Wettbewerber, die keine branchenweit einheitlichen Eintrittsbarrieren erwarten läßt,

auf ein hinreichendes (und zugleich notwendiges) Maß zu reduzieren. Die Unter­

suchung beginnt daher mit der Identifikation der strategischen Gruppen innerhalb

der Branche und der sie umgebenden Mobilitätsbarrieren. Im Zuge dieser bran­

cheninternen Strukturanalyse werden Konzepte erfolgter Markteintritte in diese

Gruppen beschrieben, um auf diesem Wege die Wettbewerbsnachteile (und ggf.

1

2

Diese treffende Persiflage auf die "Clones", wie im Branchenjargon die Hersteller standardkompa­tibler Produkte bezeichnet werden, fmdet sich bei Davidow (High Tech), S. 66. Sie leitet dort das Kapitel zur Differenzierung in High Tech-Branchen ein, das überschrieben ist mit "Ein bißchen besser ist gefährlich".

Hinweis zur Zitiertechnik: Die nachfolgende empirische Untersuchung basiert auf einer Reihe von Interviews, die im Frühjahr 1985 (Voruntersuchung) und im Frühjahr 1987 (Hauptuntersuchung und Abschlußbefragung) durchgeführt wurden. Da wichtige Branchenvertreter ihre Mitwirkung an die Auflage knüpften, nicht zitiert zu werden, muß in den betreffenden Fällen eine Quellenangabe unterbleiben. Iuformationen, die nicht aus Interviews, sondern aus publizierten Quellen stammen, sind entspre­chend kenntlich gemacht. Für (Redaktions-)Beiträge aus Fachzeitschriften und Wirtschaftspresse wird eine Kurzzitierweise angewandt, die sich auf die Angabe der FundsteIle beschränkt.

Page 266: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

251

-vorteile) von Newcomern zu erfassen. Auf eine separate Marktbeschreibung wird

dabei verzichtet. Statt dessen erfolgt die Darstellung des relevanten Branchenhinter­

grundes jeweils bei der Diskussion der einzelnen Dimensionen für die Erstellung der

strategischen Karte.

Im Anschluß an die Bestimmung der vier strategischen Gruppen und der diese

abschirmenden Mobilitätsbarrieren werden Art und Ausmaß der Wettbewerbsnach­teile untersucht, die potentiellen Wettbewerbern bzw. neu eingetretenen Unterneh­

men aufgrund der strukturellen Barrieren entstehen. Hierauf folgt eine Analyse der

reaktionsbedingten Zutrittsschranken, d.h. der Vergeltungsgefahr, mit der potentielle

Newcomer rechnen müssen. Eine zusammenfassende Beurteilung der Eintrittsbar­

rierenhöhe beschließt die exemplarische Anwendung des Eintrittsbarrierenkonzeptes

auf die Mikrocomputerbranche.

6.1. Strategische Gruppen und Mobilitätsbarrieren des Mikrocom­putermarktes

6.1.1. Heterogene Strategien in der frühen Phase der Branchenentwicklung

Die Mikrocomputerbranche ist Mitte der siebziger Jahre in den USA entstanden.

Dort boten 1975 Firmen wie MITS, Imsai oder MOS Technology die ersten Mikro­

computer in Form von Bausätzen für technisch interessierte Bastler an3. Die ent­scheidende Marktphase begann mit der Markteinführung komplett montierter Geräte im Jahr 1977. Eine Schlüsselrolle spielten hierbei die Unternehmen Apple,

Commodore und Tandy, allerdings auf eine sehr unterschiedliche Art und Weise:

Commodore erwarb Ende 1976 MOS Technology, wo im gleichen Jahr mit dem PET der erste eigentliche Personal Computer entwickelt wurde. Dieses Gerät wurde über

Warenhäuser, Computergeschäfte und eigene Vertriebsstätten abgesetzt. Der Haupt­

vorteil des PET war sein mit 595 $ damals sensationell niedriger Preis. Weniger Beachtung schenkte Commodore dem Vertrieb und dem Marketing: Die Beziehun­

gen zum Handel galten traditionell als eher schlecht, das Werbebudget war gering.

Commodore stellte höherwertige Komponenten selbst her, nicht nur für den eigenen

Personal Computer, sondern auch für Fremdgeräte4•

3

4 Vgl. Pleil (Handbuch), S. 19, und Bues & Pleil (Mikrocomputer), S. 13.

Vgl. zu Commodore: Harrigan (Strategies), S. 258 f.

Page 267: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

252

Im Gegensatz dazu konzentrierte sich Apple anfangs auf die Montage, investierte

dann aber sehr bald 600.000 $ Wagniskapital primär in die Verkaufsförderung. Der

Vertrieb erfolgte über unabhängige Händler. Auch wurden frühzeitig die technischen

Spezifikationen des Apple 11 publiziert, um externen Programmierern die Erstellung

von Software für dieses Modell zu ermöglichen. 1978 entstand auf diese Weise das

Programm VisiCalc, das elf Monate lang ausschließlich auf dem Apple 11 ablauffähig

war und stark zur Popularität dieses Produktes beitrugS.

Rndio Shack - eine Konsumelektronik-Kette mit mehr als 1400 Geschäften und Divi­

sion der Tandy Corp. - verstand sich wiederum in erster Linie als Distributeur von

Mikrocomputern, wenngleich nach Lieferschwierigkeiten eine eigene Montage einge­

richtet wurde. Preislich lag der TRS-80 von Radio Shack mit 600 $ deutlich unter den

1000 $ des Apple 11, der dafür jedoch ein professionelleres Design und umfang­

reichere Leistungsmerkmale aufwies6• Nachdem eine Kundenanalyse bei Radio

Shack 1978 ergeben hatte, daß immer mehr Geschäftskunden den TRS-80 kauften,

wurden zwei neue Modelle für diesen Anwenderkreis eingeführt. Als wachstum­

hemmend erwies sich jedoch der Mangel an Software 7.

Trotz dieser heterogenen Verhaltensweisen im Markt kann für diesen Zeitpunkt

mangels Branchenspielregeln noch nicht von strategischen Gruppen ausgegangen

werden, die ja stabile Rentabilitätsunterschiede zwischen Wettbewerbern erklären

sollen. Die Differenzen im Hinblick auf die Software-Strategie, die Modellvielfalt,

Marketing und Vertrieb, sowie hinsichtlich der vertikalen Integration können als

Ausdruck der strategischen Unsicherheit in einer jungen Branche gewertet werden8.

Diese Unsicherheit hielt auch Ende der siebziger Jahre an, als die Branche einen

Wechsel in den Abnehmersegmenten anstrebte, nämlich von den technisch vorgebil­

deten Hobbyisten zu den programmierunerfahrenen Geschäftskunden. Das Bestre­

ben der Hardwareanbieter nach einer Marktausweitung führte nach Pest zu einer

Dreier-Gruppierung bei den Personal Comp~ter-Herstellern9: Die einen gingen

Kooperationen mit Softwarehäusern oder anderen externen Partnern ein, von denen

sie mit Programmen versorgt wurden. Andere versuchten, mit hohen Investitionen

selbst eine Programm-Bibliothek aufzubauen, während die dritte Gruppe ganz von

5

6

7

8

9

VgI. hierzu Davidson (Apple), S. 204 ff.

VgI. Pest (Hardware), S. 19.

VgI. Harrigan (Strategies), S. 259.

VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 275. Pest (Hardware, S. 19) bestätigt, daß diese Anfangszeit für fast alle Anbieter im Mikrocomputermarkt marketing- und vertriebsmäßig eine Experimentier­und Lernphase darstellte.

V gI. Pest (Hardware), S. 19 f.

Page 268: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

253

einem Softwareangebot absah und statt dessen ein reines Hardwaregeschäft über die

höhere Leistungsfähigkeit ihrer Geräte oder über den Preis führte.

Nachdem sich mit dem Betriebssystem CP IM von Digital Research ein Industrie­standard für Personal Computer mit 8-Bit-Prozessoren durchgesetzt hatte, wuchs das

Programmangebot einer unabhängigen SW-Industrie. CP IM wurde für die meisten

Mikrocomputer angeboten und führte zu einer gewissen Softwarekompatibilität, auch

wenn die verschiedenen CP IM-Versionen hier Schwierigkeiten bereiteten. Für das Jahr 1981 schlägt Harrigan daher eine strategische Karte vor, die sich nicht nach der

Software-Strategie richtet, sondern von den Dimensionen vertikale Integration und

Vertriebskanäle aufgespannt wird10. Mit steigendem Absatzvolumen sei eine Rück­

wärtsintegration in die Komponentenfertigung möglich geworden, zugleich hätten

einige Wettbewerber vorwärts integriert und eigene Vertriebswege eingerichtet,

wenngleich beides keinen deutlichen strategischen Vorteil versprach11.

Zu einem Umbruch innerhalb der Branche führte 1981 der Eintritt IBMs und

anderer traditioneller DV-Hersteller. Die Branche spaltete sich daraufhin sehr bald

in einen Markt für private (Homecomputermarkt) und professionelle Anwendungen

(Personal Computer-Markt). Die Branchenpioniere widmeten sich überwiegend dem

Homecomputersegment, während sich die Newcomer dem kommerziellen Markt ver­

schrieben. In Deutschland fand diese Entwicklung mit einer Verzögerung von zwei

Jahren statt. Anfang 1983 trat - u.a. mit IBM, DEC, NCR und Siemens - eine Reihe

"etablierter" DV-Hersteller in den Mikrocomputermarkt ein. Diese Unternehmen

standen insofern vor einer neuartigen Aufgabe, als sie erstmals die breite Schicht der

Endanwender und DV-Laien ansprechen mußten, statt mit wenigen fachkundigen

Rechenzentrum- oder DV-Leitern zu kommunizieren. Auch die Erfahrungen aus

Auslandsmärkten waren nur bedingt übertragbar, da der deutsche Markt aufgrund

der hohen Anwenderansprüche im Vergleich zum amerikanischen Markt und zu

anderen europäischen Märkten als besonders schwierig gilt. Es folgte daher zunächst

eine Sondierungsphase, so daß ein interviewter Branchenvertreter für dieses Stadium

der Branchenentwicklung noch nicht von klaren strategischen Orientierungen

sprechen wollte. Strategische Gruppen im Sinne gleichartiger strategischer Verhal­

tensweisen im deutschen Markt seien erst ab 1984 erkennbar geworden. Diese Ver­

haltensweisen herauszukristallisieren ist Gegenstand der nachfolgenden Ausführun­

gen. Hierzu werden die von Porter vorgeschlagenen Dimensionen der Wettbewers-

10 VgI. Harrigan (Strategies), S. 256.

11 Vgl. Harrigan (Strategies), S. 2fj7.

Page 269: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

254

strategie12 analysiert. Da Unternehmensstrategien logische Kombinationen mehrerer

Strategiedimensionen sind13, werden gleichgerichtete Strategiemerkmale zusammen­

zufassen sein. Diese Reduzierung auf die zentralen Dimensionen ermöglicht dann die

Erstellung einer strategischen Karte für die Branche.

6.1.2. Analyse zentraler Strategieunterscbiede anband der Porterseben Dimen­sionen der Wettbewerbsstrategie

Bei der Identifikation von Strategieunterschieden anhand der einzelnen Dimensionen von Wettbewerbsstrategien ist in einem ersten Schritt zu fragen, ob jeweils überhaupt heterogene Ausprägungen gegeben sind, oder ob die wichtigsten Unternehmen hin­

sichtlich der betreffenden Dimension übereinstimmen. Diese Vorgehensweise führt jedoch zu einer Vielzahl von Strategieunterschieden, die zunächst isoliert darzustellen

wären. Um die damit verbundene ungeordnete Komplexität zu vermeiden, beginnt

die nachfolgende Analyse mit den beiden zentralen Dimensionen, nämlich der

Markenidentifikation und der Wahl des Vertriebsweges. Im Kontext der strategischen

Karte, die von diesen beiden Dimensionen aufgespannt wird, können dann weitere, z.T. abhängige Strategieunterschiede bezüglich anderer Dimensionen verortet werden.

Mit dieser Vorgehensweise wird zunächst implizit unterstellt, daß die ausgemachten

Unterschiede hinsichtlich der Vertriebswege und der Markenidentifikation für die

Bildung von strategischen Gruppen maßgeblich sind. Dies wird in einem zweiten

Schritt zu belegen sein. Denn für die Gruppenbildung erlangen nach dem Konzept

der brancheninternen Strukturanalyse nur diejenigen Strategieunterschiede Bedeu­tung, die zu Unterschieden bei der Produktdifferenzierung, den größenabhängigen

Kosten und/oder den größenunabhängigen Kosten führen14 und somit Mobilitäts­barrieren hervorrufen.

12 Vgl. Porler (WeUbewerbsslralegie), S. 174 f.

13 Vgl. Porler (WeUbewerbsstralegie), S. 176.

14 Vgl. Porler (Weubewerbsslralegie), S. 180.

Page 270: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

255

6.1.2.1. Wahl des Vertriebsweges

Während mit den Minicomputern die nächsthöhere Rechnerklasse oberhalb der

Mikrocomputer von den Herstellern noch im Direktvertrieb abgesetzt werden kann, ist

dies bei Personal Computern aufgrund des niedrigen Preisniveaus im Einzelgeschäjt nicht mehr rentabel möglich: Als Preisuntergrenze für den direkten Vertrieb einzel­

ner Systeme werden 50.000 DM genannt15• Demgegenüber liegt der Großteil der Hardwarekonfigurationen preislich jedoch unter 10.000 DM. Die Beschränkung auf den Direktvertrieb hätte also eine Konzentration auf das Großkundensegment bedeutet: Bei Unternehmen mit bis zu 200 Beschäftigten geht man von einem maxi­

malen Bedarf von 10 Geräten aus. Firmen mit dieser Abnahmemenge gelten als

Fachhandelskunden. Da aber einerseits das größte Absatzpotential bei den kleineren und mittleren Unternehmen sowie Angehörigen freier Berufe erwartet wurde und nicht bei den Großkunden, und da andererseits der am Markt realisierbare Preis nur

über große Stückzahlen verwirklicht werden kann, bestand auch für Hersteller mit dem Zielsegment Großunternehmen die Notwendigkeit, den Markt der kleineren

und mittleren Unternehmen zu bedienen.

Dies erforderte von denjenigen Anbietern, die von größeren DV-Systemen und somit vom Direktvertrieb herkommen, den Aufbau eines indirekten Vertriebsweges. Die gewählten Absatzkanäle reichen hierbei vom Computerfachhandel über Software­und Systemhäuser sowie über den Bürofachhandel und Büromaschinenhandel bis hin

zu Kauf- und Versandhäusern, Handelsketten und Großmärkten. Auch über den Phono- und Fernsehhandel sowie über Fotofachgeschäfte werden Mikrocomputer

vertrieben, jedoch mit dem Schwerpunkt bei Homecomputern und nicht bei profes­

sionellen Geräten.

Hinsichtlich der auf der Handelsstufe geschaffenen zusätzlichen Wertschöpfung

ragen unter den genannten Absatzkanälen insbesondere die System- und Software­

häuser heraus, die neben der allgemeinen Kaufberatung in besonderer Weise für die Erbringung von Softwareleistungen befähigt sind. Aufgrund der Schlüsselrolle, die

dem Komplementärprodukt Software beim Hardwareabsatz zukommt, wird diesem

Vertriebsweg von allen Anbietern, die sich an professionelle Kunden wenden, große Bedeutung beigemessen. Mengenmäßig entfällt auf die Software- und Systemhäuser

jedoch nur ein Anteil von 7 % des Absatzvolumens an kommerzielle Anwender.

15 vgl. Erik Hargesheimer, IDC Deutschland GmbH, nach Wiwo 38 (1984) 12, S. 86.

Page 271: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

256

Stückzahlmäßig ist der Computerfachhandel am bedeutendsten, über den 36 % des

Branchenabsatzes an kommerzielle Kunden getätigt werden16. Diese Wiederver­

käufer erbringen meist keine eigenen Softwareleistungen, sondern kombinieren in

der Regel die von den Hardwareanbietern gelieferten Personal Computer mit Pro­

grammpaketen der unabhängigen Softwareindustrie zu einer Problemlösung, sofern

diese Komplettierung nicht bereits durch den Hardwarelieferanten erfolgt ist. Im

Einzelfall kann die vom Hersteller gelieferte Grundkonfiguration auch noch mit HW­

Erweiterungen oder -Ergänzungen versehen werden. Da alle Wettbewerber den

Markt prinzipiell auch über den Computerfachhandel bedienen17, ergeben sich hier

nur Unterschiede hinsichtlich der Zusammensetzung der Vertriebspartner: Während

z.B. für die Victor Technologies GmbH der Anteil der Computerfachhändler mit

60 % angegeben wird18, ist die Mehrzahl der Compaq- und Ericsson-Vertriebspart­

ner der Kategorie Software- und Systemhäuser zuzuzählen.

Ein deutlicherer Unterschied könnte sich hinsichtlich der Vertriebswege Kaufhäuser

und Großmärkte ergeben, die nicht durchgehend von allen Wettbewerbern bedient

werden. Da aber in Kaufhäusern häufig Mikrocomputerabteilungen nach dem "shop

in the shop"-Prinzip eingerichtet sind, besteht hier kein grundsätzlicher Unterschied

zum Computerfachhandel. Eine überschneidungsfreie Zurechnung derartiger Ver­

triebspartner ist daher nicht mehr möglich19. Lediglich in den Fällen, in denen die

Computerabteilung eine Unterabteilung der Unterhaltungselektronik bildet und vor­

wiegend Home- und Spielcomputer abgesetzt werden, könnte anband des Vertriebs­

weges Kaufhäuser eine Unterteilung der Wettbewerber vorgenommen werden, die

dann jedoch mit Produktunterschieden (kommerzielle vs. Homecomputer) zur

Deckung gebracht werden kann.

Einen neuen Weg für den PC-Vertrieb beschritt IBM mit der Großhandelskette

Metro, um Zugang zu Gewerbetreibenden zu finden. Dieser Schritt wurde von

Olivetti nachvollzogen. Andere Wettbewerber stellten die Qualifikation dieses

Absatzkanals hinsichtlich Beratung und Service in Frage oder verzichteten aus Grün­

den der Fachhandelstreue auf die Bedienung dieses Vertriebsweges.

16 Vgl. Lopez-Diaz (Markt), S. 186. Hiervon entfallen 16 % auf den herstellergebundenen Com­puterfachbandel und 20 % auf den ungebundenen Fachhandel.

17 Eine Ausnahme bildet hier - wie bereits oben auf S. 246 f. erläutert - allenfalls DEC nach dem Rückzug aus dem Massenmarkt.

18 Vgl. bit 21 (1985) 4, S. 92.

19 Vgl. Pleil (Handbuch), S. 244.

Page 272: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

257

Im Hinblick auf die Breite der gewählten indirekten Vertriebskanäle zeichnen sich also Unterschiede ab, wobei IBM das gesamte Spektrum der Wiederverkäufer

abdeckt, während sich z.B. Compaq neben dem Computerfachhandel insbesondere auf System- und Softwarehäuser konzentriert. Ein weitaus gravierenderer Unter­

schied zwischen diesen beiden Wettbewerbern ergibt sich jedoch bezüglich des Direktvertriebes: IBM sowie die anderen klassischen DV-Anbieter, die aus ihrem an­gestammten Geschäft bereits über einen Direktvertrieb und über (Groß-)Kunden­kontakte verfügen, nutzen ihre bestehende Vertriebsorganisation auch für den Mikrobereich. Die originären Mikrocomputeranbieter, zu denen auch Compaq zählt,

verzichten hingegen generell auf die Einrichtung eines Direktvertriebes, obwohl sie ressourcenmäßig dazu in der Lage wären, und bekennen sich statt dessen zur (Fach-)

Handelstreue. Sie entfalten zwar auch eigene Aktivitäten im Großkundengeschäft,

die jedoch nur der Unterstützung der Vertragspartner bei Verhandlungen mit Groß­abnehmern dienen. Zu diesem Zweck unterhält beispielsweise Apple für den

deutschen Markt neun Regionalbüros, die für Händlerbetreuung, Großkundenunter­stützung und Servicefragen zuständig sind20. Auch berichtet z.B. Commodore, daß es

zwar Großkunden gibt, die nur mit dem Hersteller selbst verhandeln wollen, auf­grund entsprechender eigener Kapazitäten auf Serviceleistungen verzichten und dafür Rabatte verlangen, wie sie sonst dem Fachhandel eingeräumt werden. Sofern aber Serviceleistungen erbracht werden müssen, falle diese Aufgabe auch bei Groß­kunden - mit zudem häufig dezentraler Organisation, wie z.B. bei der Bundesbahn -den Händlern vor Ort zu21, weshalb man bestrebt sei, das Geschäft auch grundsätzlich

über die Vertragspartner zu tätigen bzw. diese einzubeziehen.

Von den traditionellen DV-Herstellern mit eigenen Verkaufsniederlassungen wurden als weitere Form des Direktvertriebes z.T. herstellereigene Computerläden eingerichtet - besonders aufsehenerregend bei IBM. Von den unmittelbaren Mitbewerbern wurden diese IBM-Läden nicht als Konkurrenz zum Fachhandel gesehen22, wenn­

gleich von dritten Branchenbeobachtern mit einer weiteren Ausdehnung dieses Ver­triebskonzeptes gerechnet wurde. Bei Ericsson sah man die IBM-Läden statt dessen

als eine Form der Imagewerbung an. Viele Wettbewerber verzichteten daher auf her-

20 vgl. B-W 1985/7-8, S. 8.

21 Dieser Service-Aspekt wird auch von seiten der PC-Hersteller mit eigenem Direktvertrieb betont, z.B. durch Ericsson: Nicht nur aus Kostengründen bei der Akquisition sei der PC-Direktvertricb in kleinen Stückzahlen nicht möglich. Vielmehr könne auch der erforderliche l1ächendeckende Support nicht vom Hersteller allein gewährleistet werden.

22 Im Gegensatz hierzu bewerten die handelsorientierten Wettbewerber - wie z.B. Victor - den her­stellergebundenen Fachhandel als Konkurrenz zum ungebundenen Fachhandel, so daß die eigene Position gegenüber den Absatzmittlern geschwächt werden würde. Daher verzichtet diese Gruppe generell auf eigene Computerläden.

Page 273: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

258

stellereigene Computerläden, so daß auch innerhalb der Gruppe von Unternehmen

mit Direktvertrieb noch zwei Untergruppen gebildet werden könnten. Wie bei den

indirekten Vertriebskanälen tritt jedoch eine weitere Untergliederung des Direktver­triebes gegenüber der prinzipiellen strategischen Entscheidung, diesen Vertriebsweg

zu wählen, in den Hintergrund23•

Demnach lassen sich nach der Wahl des Vertriebsweges zwei wesentliche Gruppen

unterscheiden:

Die traditionellen DV-Hersteller behalten für größere Abschlüsse die Form des klassi­

schen Direktvertriebes bei, sind aber aus folgenden Gründen gezwungen, daneben

auch indirekte Vertriebskanäle zu bedienen:

Hohe Akquisitionskosten stehen im Einzelgeschäft nicht in einem ausgewogenen

Verhältnis zum Preis des Produktes.

Eine Konzentration auf das Großkundengeschäft - und somit auf Großaufträge -

ist aufgrund von Stückzahl-24 und preispolitischen Überlegungen nicht durch­

führbar. Ein flächendeckender Support ist nur über Vertragspartner möglich.

Die zweite Gruppe, die sich aus den originären Mikrocomputeranbietem zusammen­

setzt, richtet zugunsten einer hohen Loyalität des Fachhandels keinen eigenen

Direktvertrieb ein, sondern wickelt im kommerziellen Bereich Geschäfte aller

Größenordnungen grundsätzlich über indirekte, ungebundene Vertriebskanäle ab25•

23 Zudem ist seit Januar 1987 die Zielsetzung der acht in der Bundesrepublik bestehenden IBM­Läden geändert: Diese bisherigen Verkaufsstellen dienen nur noch als Iuformations- und Beratungszentren für die mittelständische Wirtschaft. Der Verkauf der Produkte erfolgt über Ver­tragshändler, Vertriebspartner und die IBM-Vertriebsorganisation. Mit dem Rückzug des Bran­chenführers aus diesem Vertriebsweg schwinden auch die Unterschiede hinsichtlich des Engage­ments im herstellergebundenen Fachhandel, so daß eine Gruppenbildung nach diesem Kriterium nicht angebracht scheint.

24 Branchenweit werden laut IDC Deutschland nur 14 % aller kommerziell genutzten PCs direkt abgesetzt, 86 % entfallen auf den indirekten Vertrieb. Vgl. manager magazin 14 (1984) 11, S. 92.

25 Der öffentliche Sektor wird von diesen Unternehmen z. T. aber auch direkt bedient. So hat z.B. Tandon im Mai 1986 in den USA eine "public sector marketing division" gebildet, die Personal Computer an Behörden, Bildungseinrichtungen und sonstige Institutionen vermarktet. Vgl. Tandon Corporation, 1986 Annual Report, S. 5.

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259

6.1.2.2. Grad der Markenidentifikation und Preispolitik

Der Grad der Markenidentifikation bezeichnet das Ausmaß, in dem ein Anbieter den

Wettbewerb anstelle des Preises über andere Strategieparameter betreibt26•

In engem Zusammenhang mit der Markenidentifikation steht der in der Branche

gegebene Differenzierungsspielraum und die Frage nach den Quellen der Einmalig­

keit. Aufgrund des von der IBM gesetzten Industriestandards besteht heute die Not­

wendigkeit zur IBM-Kompatibilität, um auf das an diesem Standard orientierte

umfangreiche Marktangebot an Komplementärprodukten zurückgreifen zu können.

Die Möglichkeiten, sich heute noch hardwareseitig zu differenzieren, werden von

Branchenvertretern als gering, die vom Industriestandard gezogenen Grenzen als eng

bezeichnet, wobei die Einschätzungen allerdings je nach dem Markteintrittszeitpunkt

divergieren: Als man bei Commodore die Produktkonzeption für die PC-Linie fest­

legte, die Anfang 1985 eingeführt wurde, lautete die Frage, ob man die konstruktiven

Mängel des IBM-Gerätes beheben und insofern "etwas mehr bieten" solle, oder ob

man sich am Industriestandard ausrichten solle. Da IBM in seiner Rolle als Bran­

chenführer jedoch für eine hohe Softwareverfügbarkeit gesorgt hatte und ein Markt­

eintritt ohne Software nicht möglich ist, fiel die Entscheidung, dem Standard zu

folgen. Die Geräte wurden entsprechend dem Industriestandard konfiguriert. Die

Möglichkeit, über die Grenzen des Standards hinauszugehen, wurde nicht wahrge­

nommen, um voll kompatibel zu sein. Innerhalb des damit vorgegebenen Rahmens

wurden einige technische Verbesserungen realisiert. Diese Vorgehensweise ent­

spricht der gängigen Praxis innerhalb der Branche, sich an den Vorgaben von IBM zu

orientieren und eine lediglich geringfügig leistungsfähigere Hardwarekonfiguration

anzubieten. Bei derart homogenen Produkten, die kaum etwas als einzigartig aus­

zeichnen kann, wird die Differenzierung dann zu einer Aufgabe des Marketings27•

Von den befragten Firmenvertretern IBM-kompatibler Anbieter wurde ein hard­

wareseitiges Differenzierungspotential lediglich bei Compaq gesehen: Bei Wahrung

der Kompatibilität sei es sehr wohl möglich, Innovationen zu tätigen, z.B. durch

Rückgriff auf schnellere Prozessoren, durch Einsatz von Festplatten mit geringerer

Zugriffszeit oder durch integrierte Bandlaufwerke zur Datensicherung. Bei dieser

Einschätzung ist jedoch zu berücksichtigen, daß Compaq nach dem Markteintritt von

IBM als erstes Unternehmen die Bedeutung des Industriestandards erkannt hat: Eine

26 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 174.

27 Vgl. Davidow (High Tech), S. 66 ff.

Page 275: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

260

Beobachtung der Entwicklung der IBM in ihren angestammten Märkten habe erge­

ben, daß überall dort, wo IBM mit einem hohen Commitment in den Markt eingetre­

ten ist, kurz- und mittelfristig deutliche Zeichen gesetzt werden konnten, an denen

sich der Markt orientiert hat. Für Compaq sei schon damals erkennbar gewesen, daß

um den IBM PC herum ein Markt für Komplementärprodukte entstehen würde28• In

dieser frühen Phase des IBM-kompatiblen Marktes bot sich für Compaq ein deut­licher "early mover advantage": Als damals einziger kompatibler Anbieter konnte sich

Compaq sehr früh ein Image als Technologieführer aufbauen. Dies gelang mittels

einer Produktphilosophie, wonach Cornpaq bei Akzeptanz des Industriestandards

immer mindestens 50 % mehr an Leistungsfähigkeit bietet als das entsprechende

IBM-Gerät29. Während heute zwar bereits weitere Wettbewerber im High-Perfor­

mance-Bereich des Mikromarktes anzutreffen sind (z.B. Zenith), haben es diese

Unternehmen nicht geschafft, ein entsprechendes Image aufzubauen. Trotz der

Differenzierungsmöglichkeiten gegenüber IBM, die man bei Compaq hinsichtlich der Hardware sieht, liegt der Differenzierungsvorteil gegenüber anderen innovativen

Wettbewerbern also wiederum im Marketing begründet. So bezeichnet sich auch

Compaq selbst als ein marketingorientiertes Unternehmen.

Ein Beispiel für einen fehlgeschlagenen Differenzierungsversuch außerhalb des

Marktstandards bildet der PC-D von Siemens. Dieses Gerät wurde nicht auf eine

volle Kompatibilität zum Industriestandard ausgelegt3O• Für diese Entscheidung

bieten sich zwei Deutungsaiternativen an: Siemens und IBM treffen nicht nur im

Mikrocomputermarkt als Konkurrenten aufeinander, sondern stehen sich auch noch

in anderen Segmenten der Datenverarbeitungsindustrie gegenüber. In diesen Berei­

chen sind die Siemensprodukte nicht IBM-kompatibel, so daß es möglicherweise

nahe lag, die dort verfolgte Produktpolitik für den PC-Bereich zu übernehmen. Denn

trotz der Inkompatibilität bei Großrechnern befindet sich Siemens im Mainframe­

Segment unter dem Schutz des Preisschirmes von IBM. Die gemeinsame Vergangen­

heit auf anderen Märkten könnte daher das Management dazu bewogen haben, das

Biid des "guten Marktführers,,31 auch auf den Personal Computer-Markt zu übertra-

28 Diese Beurteilung wurde 1981 nicht von allen Branchenbeobachtern geteilt: Der Markteintritt von IBM wurde von skeptischen Stimmen begleitet, IBM hätte die Mikro-Entwicklung "verschlafen". Auch sei es damals fraglich gewesen, ob der atypische Mikrocomputermarkt mit seinen "exotischen" Pionieranbietern jemals den Regeln anderer DV-Segmente gehorchen würde.

29 Dieses Grundprinzip kommt auch in der Namengebung von Compaq zum Ausdruck, einem Kunst­wort aus Compatibility and quality, das ein Bekenntnis zum Marktstandard und zur Qualität bzw. Leistungsfähigkeit beinhaltet.

30 Auch der ebenfalls relativ spät eingeführte "Yes" von Philips war nicht voll IBM-kompatibel. Die Produktion des Yes ist inzwischen wieder eingestellt worden.

31 Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 283.

Page 276: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

261

gen und von einer geringen Wettbewerbsintensität auszugehen, evtl. gepaart mit einer grundsätzlichen Aversion gegen die IBM-Kompatibilität. Nach dieser Interpre­

tation wäre eine Differenzierung auf technischer Seite bewußt angestrebt worden.

Ein zweites Deutungsmuster beschreibt Henning mit der Feststellung, daß Inkompa­

tibilität meist nicht mutwillig eingebaut wird. Vielmehr ist sie oft eine "nicht ver­

meidbare Folge einer vom PC-Hersteller ganz bewußt vorgenommenen wesentlichen Verbesserung seines PC gegenüber dem Standard."32 Diese Position wurde von Sie­

mens nach außen hin vertreten. So wären die zusätzlichen Leistungsmerkmale, näm­

lich ein verbesserter Bildschirm, eine ergonomische Tastatur und ein schnellerer

Prozessor, bei IBM-Kompatibilität nicht realisierbar gewesen33. Diese Verbesserun­gen führten dann dazu, daß der PC-D nur als "teilweise softwarekompatibel" einge­

stuft werden konnte. Dies besagt, daß nur sogenannte well-behaved-Software ablauf­fähig ist, nicht aber Programme, die zur Verbesserung der Ablaufgeschwindigkeit von

einem definierten Wohlverhalten abweichen34. Aufgrund dieses geringen Kompatibi­

litätsgrades wurde die über den Industriestandard hinausgehende Funktionalität des

PC-D vom Markt nicht durch eine Preisprämie honoriert. Das Nachfolgeprodukt, der

PCD-2, wurde daher als kompatibel zum entsprechenden IBM-Gerät konzipiert und

bewegt sich im Rahmen der marktüblichen Leistungsdaten. Differenzierungsmög­

lichkeiten werden nun primär im Bereich des Marketing gesucht.

Eine Sonderstellung unter den Wettbewerbern im professionellen Markt nimmt

Apple ein: Während sich die Mehrzahl der kompatiblen Anbieter über die Hardware

nur graduell differenziert und auch Compaq auf eine Leistungsdifferenzierung inner­halb des Industriestandards setzt, distanziert sich Apple von diesem Standard und

betont Alleinstellungsmerkmale hinsichtlich der Schnittstelle zum Benutzer. Unter

einem eigenen Betriebssystem ist eine einzigartige Benutzeroberfläche realisiert, die

dem Anwender das Erlernen des Umgangs mit einem Mikrocomputer erleichtern

soll. Hierzu werden auf dem Bildschirm kleine graphische Symbole dargestellt, die

bekannte Arbeitsmittel wie Ordner, Notizblock etc. darstellen. Der Benutzer muß

folglich keine Befehlsnamen erlernen, sondern kann durch das Anwählen eines

Symbols mit dem Computer arbeiten, ohne spezielle Vorkenntnisse mitbringen zu

müssen. Außerdem wurde für Softwareentwickler ein Oberflächenstandard gesetzt, so daß der Benutzer unabhängig von der Applikation bestimmte Befehle immer an

gleicher Stelle im Menü findet, was dem Anwender den Zugang zu neuen Pro-

32 Henning (Kompatibel), S. 52.

33 Vgl. Reiner Hallauer, Leiter Vertrieb Personal Computer bei der Siemens AG, in einem Interview gegenüber der Infowelt; in: Infowelt vom 24.03.1986, S. 12.

34 Vgl. hierzu sowie zu den Kompatibilitätsgraden Henning (Kompatibel), S. 50 ff.

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262

grarnmen erleichtert. Dank dieser einzigartigen Benutzeroberfläche kann sich Apple

von dem sonst eher homogenen Produktangebot des Industriestandards abheben.

Für die im kompatiblen Marktsegment positionierten Wettbewerber besagt die

geringe hardwareseitige Differenzierbarkeit jedoch nicht, daß die Mehrzahl der

bedeutenden Marktteilnehmer über den Preis konkurriert. Diese suchen statt dessen

marketingseitige Differenzierungsquellen und verfolgen die klassiche PCM-Preis­

politik, kompatible Produkte mit einer um 5 bis 15 % höheren Leistungsfähigkeit zu

Preisen von 5 bis 15 % unter IBM-Niveau zu verkaufen. Diese Mehrleistung und

Preisabschläge dienen dem Ausgleich des Differenzierungsnachteils gegenüber IBM

und sind daher nicht mit einer preisaggressiven Vorgehensweise gleichzusetzen. Auch

hier steht die Markenidentifikation im Vordergrund.

Zu dieser Gruppe der auf eine hohe Markenidentifikation bedachten Wettbewerber

zählen im wesentlichen die traditionellen Datenverarbeitungshersteller, die ihr Image als Anbieter größerer DV-Systeme auf den Mikro-Markt übertragen konnten35.

Wegen der Zusammensetzung der Gruppe aus renommierten Branchenvertretern

wie IBM, Siemens, Olivetti, NCR und anderen namhaften DV-Anbietern soll diese

Gruppe "Big Names" genannt werden36.

Unter den originären Mikrocomputeranbietem haben die Unternehmen Compaq und Apple einen hohen Grad an Markenidentifikation gewählt. Sie bieten den Kunden

bei hohem Preisniveau "echte" Produktvorteile, die über das zur Abgrenzung gegen­

über IBM übliche Mindestmaß hinausgehen. Aufgrund dieses geräteseitig geschaf­

fenen Mehrwertes wird diese Gruppe mit "ValueAdded Hardware"bezeichnet.

Neben den PC-Anbietern mit einem hohen Grad an Markenidentifikation und geho­

benem bis hohem Preisniveau existiert im Mikrocomputermarkt eine Reihe preis­

aggressiver Wettbewerber. Im professionellen Marktsegment sind hier die sogenannten

"Clones" zu nennen, deren einziges Ziel darin besteht, technisch möglichst original­

getreue und damit möglichst kompatible Nachbauten des IBM PC zu liefern und

diese aggressiv über den Preis zu vermarkten. Beispiele für derartige Niedrigpreis­

anbieter sind Tatung, Cosmos und Multitech aus dem ostasiatischen Raum.

35 Mit dieser horizontalen Strategie, die auf eine (marketingseitige) Verflechtung mit anderen Unter­nehmenseinheiten absteHt, konnte IBM frühe Marktführer wie Apple und Tandy überrunden. Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 655 f.

36 Wahl der Terminologie nach CW 11 (1984) 21, S. 1: Mikromarkt konzentriert sich auf "Big Names".

Page 278: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

263

Daneben entstand 1985 innerhalb des ffiM-kompatiblen Marktes eine weitere

Gruppe preisaggressiver Wettbewerber, welche sich gegenüber den fernöstlichen "No

Name-Clones" durch eine Reputation abheben, die sie aus verwandten Produktbe­

reichen übertragen konnten, die aber nicht an den Ruf der "Big Names" herameicht.

So war Commodore in Deutschland bereits Marktführer bei Homecomputern und

genoß bei bestimmten potentiellen Anwenderkreisen bereits einen hohen Bekannt­

heitsgrad, als zu Beginn des Jahres 1985 die PC-Linie vorgestellt wurde37. Ein ähn­

liches Strategieprofil wie Commodore besitzt die Tandon Computer GmbH, die als

deutsche Vertriebsgesellschaft der Tandon Corp. erst im Oktober 1985 gegründet

wurde. Die amerikanische Muttergesellschaft war zu diesem Zeitpunkt bereits 10

Jahre als Zulieferer im Mikrocomputermarkt tätig: 1975 wurde die Produktion

magnetischer Schreib-Lese-Köpfe aufgenommen. Hierzu wurde bei Tandon eine

eigene Fertigungs- und Produkttechnologie entwickelt, welche die Kosten von

Qualitäts-Schreibköpfen um mehr als die Hälfte reduzierte38• Von dieser Basis aus­

gehend beschritt Tandon seine "Strategie der vertikalen Produktintegration": 1979

ging man dazu über, für den herameifenden Mikrocomputermarkt ein komplettes

Diskettenlaufwerk zu entwickeln und zu fertigen. Trotz weniger spektakulärer Fort­

schritte als bei den Halbleitern wurde diesem 5 1/ 4-Zoll-Laufwerk eine gleichrangige

Bedeutung für die Entwicklung des Personal Computer-Marktes beigemessen39. Wie auch bei den Schreibköpfen verfolgte Tandon bei den Laufwerken eine Preisführer­

schaftsstrategie und avancierte damit innerhalb von drei Jahren zum weltgrößten

Hersteller von Mikrocomputer-Laufwerken. Die Produktpalette wurde in vertikaler Richtung schließlich auf Festplattenlaufwerke, Mikrocomputer-Subsysteme

(Zentraleinheiten) und letztlich komplette Personal Computer für OEM-Kunden

(z.B. Tandy und Victor) ausgedehnt4O• Das strategische Konzept für den Zuliefer­

markt lautete dabei in allen Fällen Kostenführerschaft, die über die Fertigungstech­

nologie verfolgt wurde: Im Vordergrund stehen Produktion und Engineering. Die

Produkttechnologie spielt nur eine untergeordnete Rolle: Produktinnovationen

werden nicht autonom, sondern nur in Reaktion auf Kundenwünsche vorgenommen. Das Streben nach einer Kostenführerschaft in der Produktion kommt in einer hohen

Fertigungstiefe zum Ausdruck, wobei sich Tandon der Vorteile einer internationalen

Arbeitsteilung in der Komponentenfertigung bedient. Die Kostenvorteile, die aus dem hohen Grad an vertikaler Integration in der Laufwerkeherstellung resultieren,

37 VgI. zu Commodore unten, S. 271 f.

38 VgI. Jürgen Tepper, Geschäftsführer der Tandon GmbH, in einem Interview gegenüber dem Fachmagazin bit, in: bit 22 (1986) 1, S. 50.

39 Vgl. McClellan (Shakeout), S. 227.

40 VgI. FAZ vom 14.10.1985, S. 17.

Page 279: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

264

werden über den Preis an die Abnehmer weitergegeben: Tandon kündigt seine

Produkte frühzeitig mit sehr niedrigen Preisen an, um den Markt zu verunsichern und

die Computerhersteller daran zu hindern, sich auf andere Zulieferer festzulegen41•

Als 1984 die auf ein hohes Wachstum ausgelegten Kapazitäten nicht mehr ausgelastet

waren, da Aufträge von OEM-Kunden - wegen der Verlangsamung des Branchen­

wachsturns42 - weniger hoch ausfielen als erwartet, war man bei Tandon bestrebt, die

Abhängigkeit vom Geschäftsverlauf der Kunden zu reduzieren, auf den man als Komponentenhersteller keinen Einfluß hatte. Der Einstieg in das Endkundengeschäft

führte dann zur Vermarktung von Personal Computern unter eigenem Namen. Dem

Markteintritt von Tandon - mit dem Preis als wichtigstem Wettbewerbsparameter -

ging die Grundüberlegung voraus, daß es bei der Homogenität der IBM-kompatiblen

Produkte nicht gelingen würde, sich durch einige zusätzliche Ausstattungsmerkmale

gegenüber anderen existierenden Modellen abzuheben. Die zweite Grundüberlegung

lautete, daß sich die Anwender und auch der Handel an IBM orientieren und daß der

Kunde nur noch über das Verkaufsargument Preis von IBM wegbewegt werden kann.

Um dies bewirken zu können - so nahm man an -, muß dem Kunden ein 40 %iger

Preisvorteil gegenüber IBM geboten werden. Dies erforderte bei all denjenigen

Komponenten eine strikte Anpassung an IBM, bei denen eine hardwareseitige Diffe­

renzierung zu Mehrkosten und somit zu höheren Preisen geführt hätte. Dies ist bei allen Teilen der Fall, die Tandon zukaufen muß, so daß keine Kostenvorteile aus ver­

tikaler Integration realisiert werden können. Über derartige Vorteile verfügt Tandon nach eigenen Angaben als führender Hersteller von Laufwerken für Mikrocomputer

bei den Speichermedien. Aufwertungen gegenüber dem Standard beschränken sich daher auf die peripheren Speichereinheiten und andere eigengefertigte Komponen­

ten. Damit ist man in der Lage, ein deutlich günstigeres Preis-/Leistungsverhältnis bei ebenbürtiger und z.T. verbesserter Geräteausstattung zu bieten. Aufgrund der

Möglichkeit, PCs - dank der Vorteile aus der ''vertikalen Produktintegration" und

dank der Erfahrung im Bau von ganzen Computern für OEM-Kunden - sehr preis­

günstig anbieten zu können, sah man in Niedrigpreisen die für Tandon geeignetste Eintrittsstrategie.

Eine preisaggressive Vorgehensweise beinhaltete jedoch die Gefahr, mit den ostasia­

tischen Clones in Verbindung gebracht zu werden. Man erkannte daher die Notwen­

digkeit, sich gegenüber den "fernöstlichen Billigimporten" abzuheben. Dazu mußte

bei den potentiellen Kunden und dem Handel, aber auch bei der Fachpresse der

Eindruck eines Markenproduktes geweckt werden. Da der Fachwelt (Handel und

41 Vgl. zu diesem Strategieprofil McClellan (Shakeout), S. 228 f.

42 So die Darstellung von Tandon. Einige Mitbewerber sahen als Grund für die Überkapazitäten bei Tandon den Ausfall wichtiger Großabnehmer an, die partiell zur Eigenfertigung übergingen.

Page 280: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

265

Presse) der Name Tandon als Laufwerkespezialist bereits bekannt war, bestand die

Hauptaufgabe in der Vermittlung eines Markenimages gegenüber dem Endkunden43•

Um hier nicht als Billiganbieter zu gelten, mußte das Zustandekommen des günstigen

Preises erklärt werden. Hierzu stellte das Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit

heraus, daß Tandon mit den Laufwerken die kompliziertesten und - wegen des hohen

Anteils an Mechanik - kostenintensivsten Bauteile eines PC selbst herstellt. Die aus der Eigenfertigung resultierenden Kostenvorteile würden an den Kunden weiter­

gegeben.

Da man aus Gründen der durch eine Hardwaredifferenzierung verursachten Kosten

darauf verzichtete, höherwertige Komponenten zuzukaufen, als sie im entsprechen­

den Modell von mM Verwendung finden, können Tandon-Geräte als Clone­

Produkte verstanden werden. Gemeinsam mit den ostasiatischen Clone-Anbietern ist

Tandon die Niedrigpreispolitik. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch hin­

sichtlich der höheren Markenidentifikation, die neben Tandon auch Unternehmen

wie Commodore und - in geringerem Ausmaß - auch Schneider dem Markt ver­

mitteln. Gegenüber den "No Name-Clones" wird diese Gruppe daher als ''Brand

Identification-Clones" betitelt.

Innerhalb dieser strategischen Gruppe begann sich Tandon nach der erfolgreichen

Etablierung im Markt in einem zweiten Schritt nach oben abzusetzen, in Richtung

der "Value Added Hardware"-Anbieter: Noch im Frühjahr 1986 mußte Tandon eine

Preissenkung hinnehmen, um den 40 %-Abstand wiederherzustellen. Zu diesem

Zeitpunkt war Tandon erst fünf Monate auf dem Markt und noch nicht ausreichend

aus der Anonymität herausgetreten. Bis heute gelang es Tandon jedoch, sich von der

allgemeinen Preis entwicklung abzukoppeln und den Preisunterschied gegenüber mM

auf ca. 30 % absinken zu lassen. Denn zwischenzeitlich hat sich Tandon im Markt einen Namen verschafft und mit innovativen Produkten - z.B. dem PAC 286 - hard­

wareseitige Alleinstellungsmerkmale verwirklicht. Auch wenn Tandon mit diesem zweiten Schritt seines stufenweisen Markteintrittskonzeptes kein typischer Clone­

Hersteller mehr ist, sondern sich der "Value Added Hardware"-Gruppe annähert,

bleiben wesentliche Unterschiede in der Preispolitik bestehen, die gegen einen

Gruppenwechsel sprechen: Anders als Compaq und Apple führt Tandon neue, inno­

vative Produkte nicht mit anfänglich hohen Preisen ein, die erst allmählich abgesenkt

werden, sondern startet bereits auf einem niedrigeren Preisniveau. Das heißt, es

43 Nachdem Tandon 1985 dazu übergegangen war, Festplatten.Nachrüstsätze auch für Endkunden über den Handel anzubieten, hatte man bereits einen gewissen Bekanntheitsgrad bei potentiellen Abnehmern (allerdings nur bei Wiederholungskäufern) erlangt. Vgl. Tandon Corporation, 1985 AnnuaI Report, S. 9.

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266

werden zwar Differenzierungspotentiale bei der Hardware verwirklicht, jedoch

werden diese nicht im Sinne einer Preisprämie ausgenutzt. Nach wie 'vor dominiert

also die Preispolitik die Markenidentifikation als strategischer Parameter44•

6.1.2.3. Zwischenergebnis: Die strategische Karte rur den Kembereich der

Personal Computer-Branche

Aus der Kombination der zentralen Dimensionen "Wahl des Vertriebsweges" und

"Grad der Markenidentifikation" ergibt sich folgende strategische Karte für den

Kernbereich der Branche (vgl. auch Abb. 16):

Mitglieder der "Rig Names"-Gruppe sind renommierte Hersteller verwandter DV­

Produkte, die eine hohe Markenidentifikation als Wettbewerbsparameter heranzie­

hen und die in das gehobene Preissegment einzuordnen sind. IBM setzt in diesem

Preisbereich die Orientierungspunkte. Die Mehrzahl der Mitbewerber aus dieser

Gruppe weist ein günstigeres Preis-/Leistungsverhältnis auf, das zugleich über mode­

rat niedrigere Preise und eine leicht höhere Hardware-Performance erreicht wird.

Hochpreisige Anbieter aus diesem Segment sind DEC und HP, deren Preise ober­

halb von IBM liegen. Vertriebsseitig bedienen die Mitglieder dieser Gruppe

typischerweise sowohl direkte als auch indirekte Kanäle, von Ausnahmen wie DEC

abgesehen.

Ein den "Big Names" vergleichbares Ausmaß an Markenidentifikation weist die

Gruppe der ''Value Added Hardware"-Anbieter auf, mit Vertretern wie Compaq und

Apple. Diese Unternehmen sind nicht wie die "Big Names"-Mitglieder mit einem

Imagevorteil in den PC-Markt eingetreten, sondern stellen originäre Mikrocom­

puteranbieter dar. Als Quellen der Differenzierung können hier u.a. deutliche Unter­schiede bei den Geräten selbst ausgemacht werden. Daneben differenzieren sich

44 Statt hoher Einführungspreise lautet die grundsätzliche Maxime bei Tandon, breite Kundenschich­ten schnell über den Preis zu erschließen. Zu dieser grundsätzlichen Preisphilosophie kommt bei dem PAC 286 ein spezielles Moment hinzu, das hohe Einführungspreise verbietet: Der PAC 286 ist mit einer herausnehmbaren Festplatte ausgestattet. Diese Festplatte beinhaltet das eigentliche per­sönliche Element eines Personal Computers. Denn im Gegensatz zu dezentralen DV-Systemen mit verteilter Intelligenz wird der PC erst durch die individuelle Nutzbarkeit zum persönlichen Arbeitsmittel, also durch persönliche bzw. individuelle Daten und Programme, die auf der Fest­platte gespeichert sind. Durch den "Personal Data Pac" des PAC 286 kann der persönliche Daten­bestand an andere Arbeitsplätze mitgenommen und in andere Hardwaregeräte eingesetzt werden. Somit liegt es in der Konzeption dieses Gerätes, daß der für den Kunden geschaffene Wert mit der Zahl der installierten Systeme steigt. Daher darf - nach Darstellung von Tandon - die schnelle Ver­breitung des Produktes nicht von vornherein durch hohe Preise gehemmt werden.

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267

nur indirekt

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direkt und indirekt

W a h 1 des U e r t r e b S H e g e S

Abb. 16: Die strategische Karte der Personal Computer-Branche

diese Unternehmen gegenüber den "Big Names" über den Vertrieb, der strikt auf

indirekte Kanäle beschränkt ist. Insbesondere Compaq wird von Mitbewerbern aus

der "namhaften" Gruppe eine hohe Händlerloyalität und -qualifikation nachgesagt.

Preislich ist Compaq auf IBM-Niveau plaziert, z.T. - je nach Verfügbarkeit der

Konkurrenzprodukte - auch knapp darüber: Für einen gewissen Preisunterschied von

etwa 500 bis 1000 DM kann laut Compaq argumentiert werden, wobei aber das

grundsätzliche Problem darin besteht, daß der Kundennutzen durch eine höhere

Bildschirmauflösung etc. schlecht bewertbar ist. Für die Apple-Produkte gilt eine

Page 283: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

268

geringere Vergleichbarkeit als unter den Geräten des Industriestandards45 I jedoch

werden Apple-Computer von Branchenbeobachtern als hochpreisig bzw. gegenüber

den kompatiblen PCs als zu teuer empfunden.

Mit den Anbietern von Personal Computern höherer Funktionalität haben die Her­

steller von Clone-Produkten (d.h. von gleichwertigen Nachbauten) die Konzentration

auf den indirekten Vertriebsweg gemein. Unter den Mee-too-Anbietern setzen die

fernöstlichen Importeure bzw. "No Name-Clones" ausschließlich auf eine Preisführer­

schaft. Trotz ähnlich preisaggressiver Verhaltensweisen verfügen die ''Brand Identi­

fication-Clones" über ein gewisses Maß an Markenidentifikation, primäres Verkaufs­

argument bleibt jedoch der Preis. Die Preisführerschaft in dieser Gruppe beansprucht

Schneider. Tandon und Commodore kompensieren ihre höheren Preise auf dem

Wege der Markenidentifikation.

Aus praktischen Gründen empfahl es sich, zunächst die zentralen Dimensionen der

Wettbewerbsstrategien auf dem PC-Markt zu beleuchten. Im folgenden können nun

die weiteren Unterschiede zwischen den identifizierten Gruppen anband der verblei­

benden strategischen Dimensionen dargestellt werden. Dies führt schließlich zu einer

vollständigen Beschreibung der strategischen Karte46•

6.1.2.4. Spezialisierung, vertikale Integration und Dienstleistungen

Als prinzipielle Möglichkeiten der Spezialisierung kommen geographische

Märkte (1), Kundensegmente (2) und Produktsegmente (3) in Betracht47/ 48. Unter

45 Zusätzliche Bewertungsprobleme ergeben sich dadurch, daß für einen Preis-Leistungs-Vergleich auch der durch die komfortablere Benutzeroberfläche geschaffene Wert für den Kunden zu berück­sichtigen wäre.

46 Siehe die Übersicht in Abb. 17, S. 294 f. Der mit der Branche vertraute oder nicht an den Details interessierte Leser sei direkt an diese Stelle verwiesen.

47 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 174.

48 Anmerkung zur Branchenabgrenzung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung: Nach der Einsatzart der Mikrocomputer kann sich ein Hersteller entweder auf Bürogeräte oder auf pes für die Fertigung konzentrieren, oder auch beide Einsatzbereiche abdecken. Während sich die meisten Anbieter auf den Bürobereich beschränken, bedient Z.B. Siemens außerdem den Produk­tionsbereich mit einem Industrie-pe (Sicomp pe 16-20). Auch wenn ein Mikrocomputer in der Fertigung für ungünstigere Umgebungsbedingungen ausgelegt sein muß, bestehen dennoch hard­wareseitige Gemeinsamkeiten bei den Produktkomponenten. Den damit verbundenen Kosten­gemeinsamkeiten kommt innerhalb der gesamten Wertkette jedoch nicht eine solche Bedeutung zu, daß hier gegenwärtig ein wichtiger Strategieunterschied auszumachen wäre. (So werden beispiels­weise im Hause Siemens büro- und prozeßorientierte pes an unterschiedlichen Standorten produ­ziert und von verschiedenen Unternehmensbereichen entwickelt und vermarktet.) Demzufolge

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269

Punkt 3 wird neben der Breite der Produktlinie zugleich auf das Angebot an Dienst­

leistungen eingegangen. Außerdem wird an dieser Stelle der Grad der vertikalen

Integration behandelt, d.h. das Ausmaß der eigenen Wertschöpfungsaktivitäten am

Produkt- und Dienstleistungsangebot untersucht.

Ad (1) Geographische Märkte

In der PC-Branche stehen sich weltweite Wettbewerber, nationale und regionale

Anbieter gegenüber. Der Großteil der bedeutenden Unternehmen ist dabei inter­

national präsent. Einige Wettbewerber konzentrieren sich jedoch auf einzelne

Landesmärkte49• Daneben gibt es eine Vielzahl von kleinen Nischenanbietern, die

ihre Produkte regional oder lokal begrenzt vermarkten.

Die Frage nach den Vorteilen aus einer weltweiten Position ist differenziert zu beant­

worten: Bezogen auf die Wertschöpfungsstruktur besagt eine Faustregel der Branche,

daß je ein Drittel der Wertschöpfung auf Produktion und Logistik, auf Marketing und

Vertrieb sowie auf die Handelsstufe entfällt. Möglichkeiten zur Kostenaufteilung auf

mehrere nationale Märkte ergeben sich nur auf der Hardwareseite, bei Produktion

und Eingangslogistik. Ein Großteil der Kosten innerhalb der Wertschöpfungskette ist

damit landesspezifisch, so daß ein hoher nationaler Marktanteil für den Erfolg in

dieser Branche von Bedeutung ist. Ein Unternehmen muß damit nicht weltweit kon­

kurrieren, sofern es nicht eine Position der Kostenführerschaft anstrebt. Auf der Differenzierungsseite können einige weltweite Anbieter mit einem Imagevorteil auf­

warten, der sich jedoch nicht aus der weltweiten Betätigung, sondern aus der Markt­

steIlung bei größeren DV-Systemen herleitet. Größenbedingte Kostennachteile bei

der Beschaffung und Herstellung können lokale Nischenanbieter durch deutlich

geringere Overheads gegenüber den multinationalen Unternehmen ausgleichen.

Daß es sich nicht um eine weltweite Branche handelt, zeigt sich auch an der unter­

schiedlichen MarktsteIlung der Wettbewerber in den verschiedenen Landesmärkten

und in der Notwendigkeit, bei der Vermarktung von Personal Computern auf natio­

nale Besonderheiten Rücksicht zu nehmen50.

können Industrie-PCs und Büro-PCs als getrennte Märkte angesehen werden, wobei sich die vor­liegende Untersuchung auf den Markt der Bürogeräte bezieht. Eine Überprüfung dieser Branchen­abgrenzung könnte jedoch im Zuge des Vordringens von CIM-Konzepten notwendig werden.

49 So bediente z.B. Siemens bis Ende 1986 nicht den nordamerikanischen Markt.

50 Vgl. Tate (European), S. 114-5.

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270

Für die strategische Karte der Mikrocomputerbranche ist es also nicht primär von

Bedeutung, ob ein Unternehmen auch noch auf anderen Landesmärkten präsent ist.

Innerhalb des hiesigen Marktes können jedoch regionale bzw. lokale Nischenanbieter

ausgemacht werden. Da diese Unternehmen jedoch nur marginale Marktbedeutung

haben und für die Bildung von strategischen Gruppen in einem ersten Schritt vorran­

gig die wichtigen Wettbewerber auf ihre Strategiemerkmale hin zu untersuchen

sind51, kann die geographische Marktabdeckung hier vernachlässigt werden52•

Ad (2) Kundensegmente

Das Marktforschungsunternehmen International Data Corporation (IDC) unterteilt den Markt für Mikrocomputer nach dem prinzipiellen Verwendungszweck der

Geräte in die Segmente

Heim- und Hobbybereich (a)

semiprofessioneller Bereich (b)

professioneller Bereich (c)

technisch-wissenschaftlicher Bereich (d) und

Ausbildungsbereich (e).

(a) Die Zielgruppe der Heim- und Hobby-Anwender setzt sich aus Privatkunden

zusammen, die Mikrocomputer in vielfältiger Weise für Spiele und Unterhaltung . (z.B. Schach), sowie für Aufgaben im häuslich-privaten Bereich heranziehen (z.B.

Korrespondenz oder Haushaltsplan) 53. Geräte für diese Kundengruppe unterschei­

den sich in Leistungsfähigkeit, Ausstattung und ~reis von den höherwertigen Personal

Computern und bilden eine eigene Produktklasse54• In der Vergangenheit hatten sich

51 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 177.

52 Prinzipiell können geographisch spezialisierte Wettbewerber in allen Feldern der strategischen Karte zu fmden sein, wobei in einigen Fällen zur regionalen Spezialisierung noch die pro­duktmäßige Konzentration hinzukommen müßte. Da diese Wettbewerber trotz der Gemeinsam­keiten bei Vertriebswegen und MarkenidentifIkation deutliche Unterschiede zu den branchen- bzw. landesweiten Anbietern bezüglich anderer Strategiedimensionen aufweisen, würde eine Zusam­menfassung von Spezialisten und branchenweiten Anbietern in einer Gruppe der Intention der brancheninternen Strukturanalyse nicht gerecht. Zur Verhinderung dieses Falles müßte die geogra­phische Ausdehnung (und Produktspezialisierung) als eine eigenständige Dimension herangezogen werden. (VgI. hierzu Punkt 6.1.3.) Damit könnten zwar Nischenanbiter separiert werden, jedoch liefert diese Trennung keinen Beitrag zu der zunächst beabsichtigten Analyse von Strategieunter­schieden zwischen den bedeutenden Wettbewerbern.

53 VgI. Pleil (Handbuch), S. 42.

54 Ein typischer Homecomputer ist mit einem 8-Bit-Prozessor und 64 KB Hauptspeicher ausgestattet, verfügt anstelle eines eingebauten Diskettenlaufwerkes nur über einen Anschluß für eine externe

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271

die Mikrocomputeranbieter entweder auf Homecomputer oder auf Personal Com­

puter konzentriert. Commodore, in der BRD und weltweit Marktführer bei Home­

computern, hatte zwar bereits 1981 mit der Unie 8000 einen Tischcomputer für

kommerzielle Anwendungen und Textverarbeitung im Programm und blieb auch

später noch in beiden Bereichen tätig, als sich die Teilung in einen professionellen

und einen hobbyorierentierten Markt vollzog: In Erwartung einer starken Nachfrage

nach professionellen PCs wurde das 1981 in Betrieb genommene Werk Braunschweig

für die Herstellung professioneller Geräte ausgelegt. Als Mitte 1983 jedoch ein

Nachfrage-Boom nach Homecomputern einsetzte55, konzentrierte man alle Ressour­

cen auf dieses Segment und stellte die Fertigung auf Horne-Geräte um56• Der profes­

sionelle Markt wurde vernachlässigt und 1984 zählte Commodore nicht mehr zu den

führenden PC-Anbietern. Umgekehrt waren namhafte PC-Anbieter, deren ange­

stammtes Geschäft bei den Mainframes lag, nicht im Homecomputersegment vertre­

ten. Einen derartigen Versuch unternahm IBM 1984 in den USA mit dem PC Junior,

dessen Produktion 1985 jedoch wieder eingestellt wurde. Auf dem deutschen Markt

wurde dieses Gerät nicht angeboten.

(h) Das Segment der semiprofessionellen Anwender bildete sich 1985 unter dem Ein­

fluß von Commodore heraus: Ende 1984 brach der amerikanische Homecomputer­

markt zusammen. Die Konzernmutter geriet bei dem Versuch, den Absatzeinbruch

durch Preisnachlässe aufzufangen, in die Verlustzone. Eine unübersichtliche Modell­

politik ließ die Bemühungen, im professionellen Markt wieder Fuß zu fassen, schei­

tern. Da auch im deutschen Homecomputermarkt 1984 ein drastischer Preisverfall

eine Umsatzsteigerung immer mehr erschwerte, entschloß sich die Europazentrale

von Commodore, die von Frankfurt aus geleitet wird, den professionellen Mikrocom­

putermarkt mit einem neuen Gerät wieder verstärkt zu bearbeiten57. Im Januar 1985

wurde ein IBM-kompatibler 16-Bit-Mikrocomputer, der Commodore PC, auf den

Markt gebracht. Durch die Kompatibilität zum Industriestandard konnte der Anwen­

der das breite Angebot an kommerzieller So.ftware nutzen, das für den IBM PC

geschrieben worden war. Die neuen Produkte wurden preislich aber so niedrig posi­

tioniert, daß auch Aufsteiger aus der Heimanwendergruppe ansprechbar waren.

Damit waren diese Geräte nicht mehr eindeutig dem kommerziellen oder dem

Homesegment zuordenbar. Für den dazwischen angesiedelten Bereich wurde die Be-

Diskettenstation und wird meist nicht mit einem Bildschirm ausgeliefert, sondern vom Kunden an einen bereits vorhandenen TV -Monitor angeschlossen.

55 Im Geschäftsjahr 1983/84 stieg Commodores Homecomputerabsatz von 63.000 auf 445.000 Stück.

56 Vgl. Industriemagazin 19 (1985) 1, S. 75

57 Vgl. mm 16 (1986) 3, S. 65 f.

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zeichnung "semiprofessionell" gewählt. Semiprofessionelle PCS sind also kommerziell

einsetzbare Geräte, die jedoch überwiegend von Privatkunden erworben und im häuslichen Bereich installiert werden. Daneben zählen zu dieser Produktkategorie

aber auch Rechner wie der Commodore Amiga, der für den Heim- und Hobbymarkt konzipiert wurde, mittels kommerzieller Programme aber auch professionell genutzt werden kann. Diesen Weg beschreitet auch Atari mit dem Konkurrenzprodukt ST, wobei auch der Schwerpunkt dieses Unternehmens früher bei Heim- und Spielcom­putern lag. Diese Zuwendung der Homecomputeranbieter zum semiprofessionellen Markt kann als genereller Trend und strategische Notwendigkeit gewertet werden,

. nachdem von Marktforschungsinstituten Wachstumsaussichten nur noch für profes­

sionelle PCs, für Heimcomputer hingegen ein Nachfragerückgang prognostiziert

wurde.

(e) Der Kreis der professionellen Anwender setzt sich aus Unternehmen und öffent­lichen Verwaltungen zusammen. Diese Kundengruppe wird nach der Unternehmens­

größe in weitere Anwendersegmente unterteilt, da Personal Computer in Großunter­

nehmen andere Funktionen erfüllen als in Klein- oder Mittelbetrieben58• In (Groß-)

Unternehmen, in denen bereits Computerleistung zur Verfügung steht, wird der Mikrocomputer vorwiegend als Instrument der individuellen Datenverarbeitung am Arbeitsplatz eingesetzt. Benutzergruppen bilden hier das Management, die Fach­abteilungen und die Sekretariate. Aufgrund eines hohen Anteils an betriebsinterner

Kommunikation werden Mikrocomputer in größeren Unternehmen verstärkt in

Netzwerke integriert und an große Computersysteme angeschlossen. Klein- und

Mittelbetriebe sind hingegen häufiger Erstanwender. Hier übernimmt der Personal

Computer die Aufgabe eines Universalrechners. Neben Standardprogrammen für Buchhaltung oder Lohn- und Gehaltsabrechnung, die in großen Unternehmen ein

Zentralrechner abwickelt, werden auch branchenspezifische Anwendungen auf

Mikrocomputern ausgeführt. Im Hinblick auf die branchenbezogenen AufgabensteI­lungen werden insbesondere kleinere kommerzielle Kunden59 auf einer zweiten

Ebene in Gewerbebetriebe und freie Berufe unterteilt. Letztere werden zur Erstellung

58 Die Unterscheidung nach der Unternehmensgröße Zielt dabei auf das Ausmaß der innerbetrieb­lichen Kommunikation und auf die Wahrscheinlichkeit ab, mit der bereits ein DV-System im Unternehmen vorhanden ist. Als Indikator flir die Unternehmensgröße wird die Beschäftigtenzahl herangezogen. Nach Bues & Plei! (Mikrocomputer, S. 181) verfügen ca. 90 % der Unternehmen mit mehr als 200 Beschäftigten über eine größere EDV-Anlage, während die Marktdurchdringung bei Unternehmen mit weniger als 100 Mitarbeitern nur bei 30 % liegt.

59 Das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Roland Berger & Partner zieht hier die Ober­grenze bei 50 Mitarbeitern.

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273

eines genauen Anforderungsprofils ausdifferenziert in Steuerberater, Ärzte, Archi­

tekten, Rechtsanwälte, Notare und Vertreter etc6O.

(d) Zielkunden des technisch-wissenschaftlichen Bereichs sind Ingenieure, Statiker,

Architekten, Mathematiker, Physiker und andere Wissenschaftler. Diese Kunden­

gruppe verwendet (universelle) Mikrocomputer mit technischen Programmen, aber

auch zur Erfassung und Auswertung von Meßwerten bei Versuchen. Hierbei wird der Mikrocomputer durch eine entsprechende Konfiguration zum dedizierten System.

(e) ImAusbildungsbereich, also in Schulen, Berufsschulen und Universitäten, werden

in der Regel professionelle Personal Computer eingesetzt, wobei hier jedoch beson­

derer Wert auf die Möglichkeit der Vernetzung gelegt wird. Unterschiede zu kom­

merziellen Abnehmern ergeben sich beim Beschaffungsprozess: Bildungseinrichtun­

gen sind meist an die Richtlinien der Kultusministerien gebunden, die Produkt­

leistungen und ein bestimmtes Preis-/Leistungsverhältnis genau festlegen61• Auf­

grund begrenzter Budgets müssen häufig auch Sonderkonditionen eingeräumt

werden.

Unterschiede hinsichtlich der bedienten Kundensegmente:

In Anbetracht der Verteilung der Absatzmengen des Jahres 1985 auf die einzelnen

IDC-Kundensegmente kann einzig klar ausgesagt werden, daß die Gruppe der PC­

Hersteller mit Büromaschinen oder Mainframes als angestammtem Geschäft weder

im Homebereich noch im semiprofessionellen Bereich tätig ist. Dieser Markt wird von

Schneider, Commodore, Apple und Epson beherrscht. Diese Unternehmen verein­

nahmen auch ca. 65 % des Ausbildungsmarktes, wobei aber auch Triumph Adler,

Siemens und Olivetti in diesem Segment als maßgebliche Wettbewerber gelten

können. Den technisch-wissenschaftlichen Bereich dominiert Hewlett Packard tradi­

tionell nach dem installierten Bestand. Nach dem Absatzvolumen des Jahres 1985

war Siemens gleichbedeutend, gefolgt von Olivetti, IBM, Commodore und DEC. Das

kommerzielle Kundensegment wird von IBM überlegen angeführt. Fast gleichrangig

folgen Olivetti und Commodore, dahinter Apple und Siemens62.

60 vgl. Lopez-Diaz (Markt), S. 184.

61 Vgl. CW 12 (1985) 16, S. 38 f.

62 Daten nach IDC Deutschland GmbH.

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274

Mit Ausnahme der Abwesenheit der "Big Names"-Gruppe im semiprofessionellen

Bereich können damit keine eindeutigen Strategie unterschiede im Hinblick auf die

bedienten Kundensegmente festgestellt werden. Schon die "Value Added Products"­

Anbieter divergieren in dieser Hinsicht: Compaq ist wie die "Big Names" nicht im

semiprofessionellen Markt vertreten, Apple hingegen ist in allen IDC-Segmenten

anzutreffen, jedoch mit unterschiedlichen Produktlinien: Die Apple lI-Linie richtet

sich an semiprofessionelle Kunden und an den Ausbildungsmarkt. Sie weist nicht die

einzigartige Benutzeroberfläche auf, mit der die Lisa- und die Macintosh-Linie kom­

merziellen Anwendern einen Mehrwert vermitteln. Auch ein typischer Mee-too-Ver­

treter wie Schneider, mit knapp 40 % Marktführer im semiprofessionellen Kunden­

segment, ist mit Ausnahme des technischen Marktes in allen vorgestellten Bereichen

präsent.

Nach der Breite der bedielltell IDC-KImderuegmellle können daher für den hier unter­

suchten Markt der kommerziell nutzbaren PCS nur zwei Ausprägungen unterschieden

werden. Deren spezifischer Unterschied besteht in der (Nicht-)Abded:ung des semi­

professionellen Anwenderkreises. Da diese Zielgruppe eher preissensibel entschei­

det, dominieren hier die "Brand Identification-" und "No Name-Clones". Eine ebenso

eindeutige Zuordnung von hoher Markenidentifikation und kommerziellen Abneh­

mern ist hingegen nicht gegeben.

Auch die vorgestellte Ausdifferenzierung der kommerziellen Kunden nach der Größe

und Branchenzugehörigkeit führt nur bedingt zu einer deutlichen Abgrenzungsmög­

lichkeit: Eine Spezialisierung auf Unternehmen einer bestimmten GrößellordllUIIg ist

kein trennschafes Kriterium, da sich hohe Absatzmengen nur im Segment der kleine­

ren Unternehmen erzielen lassen, so daß einerseits keine Anbieter auszumachen

sind, die sich ausschließlich auf den Markt der Großunternehmen konzentrieren.

Andererseits ist wegen der Imagewirkung von Referenzinstallationen das Großkun­

densegment auch für die auf Stückzahlen im Massenmarkt abzielenden Anbieter von

Bedeutung. Trotz des beiderseitigen Interesses an kleinen U1Id großen Zielkunden ist

aufgrund der unterschiedlichen Kaufkriterien der Abnehmer dennoch tendenziell zu

beobachten, daß sich Großunternehmen an Anbieter mit hoher Markenidentifikation

wenden, während preissensible Kleinunternehmen bzw. Angehörige freier Berufe

eher Geräte der "Brand Identification-Clones" wählen.

Ähnlich der Unternehmensgröße richten sich Anbieter von Universal·PCs mit ihrem

Hardwareangebot (potentiell) a~ kommerzielle Kunden aus allen Winsdlajiszweigell.

Denn aus Herstellersicht ist ein Personal Computer ein universell nutzbares Gerät

(general purpose PC), das erst durch die Anwendungssoftware speziell auf die Auf-

Page 290: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

275

gabensteIlung des Kunden zugeschnitten wird. Eine Spezialisierung auf einzelne

Anwenderbranchen erfolgt also über die Software. Eine Fokussierung der Mikro­

computerhersteller auf einzelne Wirtschaftszweige ist jedoch mangels spezifischem

Branchen-Know how und Image als Branchenexperte nur selten verteidigba~3.

Während sich demnach hinsichtlich vertikaler Märkte keine Spezialisierungsmöglich­

keiten ergeben, können Kunden-Nischen besetzt werden, die sich durch einen hohen

Leistungsbedarf auszeichnen: Komplexe Anwendungen wie Computer-Aided Design/

Computer-Aided Engineering, Desktop Publishing oder Artificial Intelligence setzen

eine leistungsfähige Hardwarekonfiguration voraus. Diese Zielgruppe der sog.

"Power User" und Softwareentwickler erschließen sich die "Value Added Hardware"­

Anbieter Compaq und Apple, sowie aus der Reihe der "Big Names" z.B. Unisys

(Sperry) mit einem um 48 % leistungsfähigeren Produkt als der IBM AT.

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, daß aufgrund der universellen

Einsetzbarkeit von Personal Computern im Mikrocomputermarkt eine hohe Ziel­

kundeninJerdependenz zwischen den Wettbewerbern gegeben ist. Deutlich unter­

schiedliche Kundensegmente ergeben sich nur nach dem Leistungsbedarf: Das obere

Ende der "Power User" wird von den "Value Added Products"-Anbietern, insbeson­

dere von Compaq, bearbeitet. Compaq trifft in diesem Zielkundensegment auf

Minicomputer-Hersteller wie DEC oder HP, aber auch auf "Big Names"-Mitbewer­

ber wie Sperry, die ebenfalls leistungsfähige Produkte für diese Kundengruppe offe­

rieren64• Am unteren Ende der Anwender mit durchschnittlichem Leistungsbedarf

herrscht ein ausgeprägter Kundenwettbewerb zwischen allen strategischen Gruppen

vor: Hier überschneiden sich die Zielkunden der einzelnen Gruppen hinsichtlich

ihrer Unternehmensgröße und Branchenzugehörigkeit sehr stark, was nach Porter in

der Tendenz zu einer hohen Rivalität zwischen den Gruppen führt. Diese Inter­

Gruppen-Rivalität wird tendenziell geringer ausfallen, wenn voneinander abwei­

chende Strategien zu deutlich unterschiedlichen Markenpräferenzen führen65. Dies

bezwecken zwar die "Big Names"-Anbieter mit ihrer Markenidentifikationsstrategie,

jedoch wirkt die hohe strategische Distanz66 zwischen den "Big Names" und den

63 Wenn dennoch Schwerpunkte bei eill7.elnen vertikalen Märkten gesetzt werden, so hat die.. seine Ursachen im Marketing: Komplette Branchenlösungen ermöglichen eine zjc1gruppenorientierte Abnehmeransprache.

64 Vgl. hierzu die Produktklassen unter Punkt (3).

65 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 188 f.

66 Die strategische Distanz bezeichnet deo Grad, in dem sich die Strategien verschiedener Gruppen hinsichtlich der Haupt- und Randmerkmale unterscheiden. Bei stark voneinander abweichenden strategischen Ansätzen neigen die Branchenteilnehmer zu sehr unterschiedlichen Vorstellungen

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276

"Brand Identification-Clones" dieser Abschwächung der Rivalität entgegen: Letztere

versuchen mit ihrer Preis- und Marketingpolitik gerade die Differenzierungsbestre­

bungen der "namhaften" Mikrocomputeranbieter zunichte zu machen und sich den

überlappenden Zielkunden als eine preiswerte Alternative zu präsentieren67•

Ad (3) Breite der Produktlinie, Dienstleistungsangebot und vertikale Integration

Im folgenden wird die Breite des Produkt- und Dienstleistungsangebotes der strategi­

schen Gruppen verglichen. Hierbei wird zugleich das Ausmaß der eigenen Wert­

schöpfungstiefe an der jeweiligen Angebotsbreite untersucht. Da sich ein Mikrocom­

putersystem prinzipiell aus einer Hardware- und einer Softwarekomponente zusam­

mensetzt, ist die Breite des Produktangebots hierbei in beiderlei Hinsicht zu be­

leuchten.

Hardwareseitig ist zwischen der Grundkonfiguration eines Personal Computers und

den HW-Erweiterungen68 zu unterscheiden. Letztere sind als Zubehörteile von

unabhängigen Herstellern über den Handel zu beziehen. Die gebräuchlichsten

Erweiterungskarten werden von einigen PC-Herstellern aber auch als Lizenzprodukte

angeboten und zählen z.T. bereits ,zur serienmäßigen Ausrüstung einzelner PC­

Modelle69• Von Mikrocomputerherstellern eigenentwickelte Zusatzkarten machen

nur einen sehr geringen Anteil aus. Das große Marktangebot an Fremdprodukten

geht auf eine strategische Entscheidung von IBM zurück, ihren PC als offenes System

zu konzipieren: Eine offene Systemarchitektur sollte für dritte Firmen zugleich die

Möglichkeit und einen Anreiz schaffen, Ergänzungsprodukte zum IBM PC zu ent­

wickeln, um diesem so zum Durchbruch als Industriestandard zu verhelfen. Herstel­

ler von kompatiblen Personal Computern partizipieren in der Regel an dem von drit­

ter Seite verfügbaren Marktangebot. Bei hochwertigen Geräten besteht jedoch die

über die Art des Wettbewerbs, was die Rivalität zwischen den Gruppen intensiviert. Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 189.

67 Eine geringere strategische Diskrepanz als zwischen den "Big Names" und den "Brand Identifi­cation-Clones" weisen die "Value Added Products"-Anbieter zu diesen beiden Gruppen auf, da jeweils zumindest eine der Hauptdimensionen übereinstimmt.

68 Zur Aufnahme von Erweiterungskarten sind auf der Grundplatine meist mehrere Steckplätze vor­gesehen. Mittels Zusatzkarten können z,B, Speichererweiterungen vorgenommen werden, über Adapterkarten kann der Anschluß an andere Computer realisiert werden. Auch ein Festplatten­laufwerk kann auf diese Weise nachträglich eingebaut werden,

69 In diesem Punkt unterscheidet sich Apple vom Industriestandard: IBM-kompatible Geräte sind in der Grundausstattung preisgünstiger als Apple-Produkte. Bei Geräten des Industriestandards bedarf es - nach Darstellung von Apple - zusätzlicher Einsteckkarten, um ein abgerundetes System zu erhalten. In der Summe komme ein solcher aufgerüsteter PC teurer als eine "Rundum-Lösung" von Apple.

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Tendenz, wichtige Optionen wie Grafik- oder Kommunikationsfähigkeit nicht über Zusatzkarten, sondern bereits auf der Grundplatine in Form von Chips zu realisieren.

In der Grundkonfiguration setzt sich ein Personal Computer zusammen aus der

Systemeinheit, der Tastatur und dem Bildschirm. Diese Komponenten sowie das

Betriebssystems gehören bei allen Anbietern zum standardmäßigen Lieferumfang.

Auch bezüglich der vertikalen Integration bestehen hier meist keine signifikanten

Unterschiede zwischen den PC-Herstellern70• Mit Ausnahme von Tandon werden die

Laufwerke branchenüblich fremdbezogen. Die Boards werden teils selbst, teils in

Auftragsfertigung hergestellt. Häufig beschränkt sich die Fertigungstiefe auf die

Montage, in manchen Fällen werden aber auch komplette OEM-Geräte zugekauft71•

Ein systematischer Zusammenhang zwischen dem Grad der Rückwärtsintegration in

die Komponentenfertigung und anderen Dimensionen der Wettbewerbsstrategie ist

kaum feststellbar. Selbst auf hohe Absatzvolumina ausgelegte Wettbewerber wie

Commodore - in einer strategischen Gruppe mit Tandon plaziert - verzichten aus

Flexibilitätsgründen auf eine überdurchschnittliche Rückwärtsintegration und arbei­

ten mit externen Zulieferern zusammen. Lediglich Hersteller, die sich in exklusiver

Weise technisch bzw. leistungsmäßig differenzieren wollen, könnten nach Angaben

von DEC zu einem höheren Eigenfertigungsanteil gezwungen sein72• Eine Integra­

tion in die Komponenten- oder Baugruppenherstellung ist also nur aus Differen­

zierungsgründen ratsam und führt bei Standardteilen, bei denen keine Differen­zierung beabsichtigt ist, nicht zu Kostenvorteilen.

Unterschiede hinsichtlich der Konfiguration der Hardware ergeben sich nur bei den

Druckern. In diesem Punkt ist ein Zusammenhang mit der Wahl des Vertriebsweges erkennbar: Wettbewerber mit eigener Direktvertriebsorganisation - also die "Big

Names" - bieten ihren Kunden auch eigene Drucker an, wobei es sich meist um

OEM-Geräte handelt. Hingegen verzichten die auf indirekte Vertriebskanäle

beschränkten Wettbewerber in der Regel auf die Vermarktung von Druckern unter eigenem Namen 73.

70 Durchschnittlich entfallen 65 bis 75 % der Herstellkosten auf zugekaufte Teile. Die eigene Wert­schöpfung in der Fertigung ist also vergleichsweise gering.

71 Hiermit scheint jedoch ein Unterschied bei einer unabhängigen Strategiedimension vorzuliegen, so daß ggf. die strategische Karte zu erweitern wäre. Eine stärkere Ausdifferenzierung der strate­gischen Karte wird unten unter Punkt 6.1.3. erörtert.

72 So hat z.B. Compaq 1986 die Conner Peripherals, Inc., akquiriert.

73 Ausnahmen bilden hier Apple und Commodore. Bei Apple mag dies mit der fehlenden Kompatibi­lität zum Industriestandard zusammenhängen, bei Commodore mit der Tatsache, daß auch flir Homecomputer Drucker geliefert werden. Dort handelt es sich jedoch um Geräte aus eigener Fertigung, während flir die PC-Linie OEM-Produkte zugekauft werden.

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278

Ein weitgehend kongruentes Bild ergibt sich hinsichtlich des Komplementärproduk­

tes Anwendungssoftware, so daß die Abrundung der Grundkonfiguration auf der Hardware- und Softwareseite einmal eher intern, sonst aber eher über den Markt

bzw. durch den Handel vollzogen wird: Während die "Big Names"-Vertreter für den

Mikrocomputermarkt ein Systemgeschäft für erforderlich halten74, betreiben die drei

auf den indirekten Vertrieb fokussierenden strategischen Gruppen überwiegend ein

Komponentengeschäft: Hier fällt dem Handel die Aufgabe zu, die vom Hersteller gelieferte Hardwarekonfiguration mit geeigneter, marktüblicher Anwendungssoft­

ware und meist auch mit Peripherie und Erweiterungskarten zu einer Problemlösung

zu komplettieren. Bei der Zusammenstellung einer solchen Kundenlösung unter­

stützen die Mikrocomputerhersteller den Handel in Form von Hard- und Software­

katalogen. Hierin sind "geprüfte und gelistete" Komplementärprodukte verzeichnet,

die vom PC-Hersteller auf Ablauffähigkeit und Kompatibilität getestet worden sind75. Derartige SW-Kataloge erstellen auch die "Big Names"-Firmen, die darüber

hinaus aber auch mit sog. "gelabelter Software" aufwarten, d.h. mit eigenentwickelten

Programmen oder mit fremdentwickelter, z.T. exklusiver Software: "Gelabelte SW­

Produkte" sind universelle horizontale Anwendungsprogramme (z.B. Fibu, Lohn und

Gehalt) und anwendungsnahe Programme (z.B. für Tabellenkalkulation), die von den

jeweiligen Softwareentwicklern bzw. SW-Publishern in Lizenz erworben und unter

eigenem Markenzeichen, aber unter der Produktbezeichnung des Lizenzgebers ver­

trieben werden. Unter die "geprüfte und gelistete Software" fallen Branchenlösungen

für einzelne vertikale Märkte, die von den PC-Herstellern selbst wegen der Vielzahl

der wünschenswerten Prograrnmpakete weder erstellt noch gepflegt werden können.

Diese SW-Kategorie bleibt in der Regel Software- und Systemhäusern überlassen.

"Eigenentwickelte Software" bzw. exklusive Auftragsentwicklungen umfassen neben

den absatzstärksten horizontalen Paketen - wie Textverarbeitung - auch systemnahe Software, Kommunikations- und Vernetzungs-Software. Die letztgenannten SW­

Produkte werden z.T. aber auch von den "Brand Identification-Clones" und "Value

74 Eine Befragung von Gewerbebetrieben und Angehörigen freier Berufe durch Roland Berger & Partner ergab, daß diese im Jahr 1984 zu 81 % bzw. 76 % Kompleulösungen des Herstellers bevor­zugten. Als häufigste Begründung wurde genannt, daß man nur einen Ansprechpartner wünsche und daß man durch Komplettangebote die Kompatibilität gewährleistet sehe. Vgl. Lopez-Diaz (Markt), S. 187. Neben den Nachfragerwünschen nach KomplettIösungen kann die Verfolgung des Systemgeschäftes als betriebswirtschaftliche Notwendigkeit für die großen Hersteller verstanden werden: Von mehreren interviewten Firmenvertretern wurde das Pe-Geschäft als ein "nicht selbst­tragendes Geschäft" charakterisiert. Es müssen Mischkalkulationen mit Komplementärprodukten zustande kommen, was Peripherie-, Software- und Zubehörverkäufe zur Voraussetzung hat.

75 Daneben wurde in der Vergangenheit aber auch auf nur "gelistete Software" verwiesen, also ohne eine Prüfung der Ablauffähigkeit durch den Hersteller von meist nicht kompatiblen Maschinen. Diese Listen waren ein Verzeichnis der für das jeweilige Gerät verfügbaren Software, die Prüfung mußte der Handel selbst vornehmen.

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279

Added Products"-Anbietern selbst vermarktet und gepflegt, da man diese Aufgabe als

zu komplex für Softwarehäuser erachtet.

Hinsichtlich der Angebotsbreite bestehen also sowohl hardware- als auch software­

seitig geringe Unterschiede, da kompatible Hersteller auch im KomponentengeschäJt

über Hard- und Softwarekataloge das gesamte Marktangebot erschließen können76.

Eine deutliche Diskrepanz liegt jedoch bezüglich der vertikalen Integration77 vor: Die "Big Names" treten als Systemanbieter auf, d.h. sie vermarkten auch erforderliche

Komplementärprodukte unter eigenem Namen, was jedoch nicht immer eine wesent­lich höhere Wertschöpfungstiefe bedeutet, da es sich meist um OEM-Produkte

handelt. Im Komponentengeschäft ist der Grad der vertikalen Integration in

Komplementärprodukte - schon nach Definition - gering78. Als Grund für ein nicht

weitergehendes diesbezügliches Engagement werden bei Compaq die Vielfalt der

Komplementärprodukte und die rasche Produktentwicklung genannt: Aufgrund des

ca. 70 %igen Anteils von HW-Ergänzungen und Software am Branchenvolumen sei

es die einzige Möglichkeit, diese Funktion dem Handel zu übertragen. So sieht sich

Compaq als Mikrocomputerhersteller beispielsweise nicht in der Lage, auch nur das

gewünschte Spektrum an Druckern zu vertreiben und zu "supporten". Außerdem

zeige die hohe Entwicklungsgeschwindigkeit in der Druckertechnolgoie auch die

Schwierigkeit, die per OEM-Vertrag bestellte Menge an Druckern ob der kurzen

Lebenszyklen auch abzusetzen.

Eine Ausdifferenzierung des Angebots an Mikrocomputern in ihrer Grundkonfigura­

tion kann nach der Einsatzart, nach den Leistungsmerkmalen der Prozessoren und

der peripheren Speichereinheiten sowie nach dem verwendeten Betriebssystem vor­

genommen werden.

76 Es sind jedoch Ausnahmen möglich: So setzt Compaq ihre Value Added Product· bzw. Differenzie­rungsstrategie fort, indem bei der Aufnahme in die Kataloge eine Vorselektion qualitativ hoch­wertiger Komplementärprodukte vorgenommen wird, die professionellen Ansprüchen gerecht werden.

77 Der Begriff der vertikalen Integration ist hier im Sinne Harrigans "breadth of integration" und "stages of integration" gebraucht. Vgl. Harrigan (Strategies), S. 15 f.

78 Dies gilt nicht nur für die IBM·kompatiblen Wettbewerber. Auch Apple ist - nach der ursprüng­lichen Entscheidung, die Usa im Bundling mit Software anzubieten • nur noch mit wenigen Basispaketen vertreten. Obwohl nicht kompatibel zum Industriestandard, steht Apple an zweiter Stelle in der Prioritätenliste der großen SW· Entwickler und überläßt die Softwareseite inzwischen ebenfalls unabhängigen Marktpartnern.

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280

Nach der Einsatzart lassen sich Tischgeräte (Desktops), transportable Geräte

(Portables und Laptops) sowie Hand-held-Computer unterscheiden79•

Ursprünglich waren Personal Computer als Tischgeräte für den stationären Einsatz

konzipiert. Mit einem tragbaren Kompakt-Computer, dem Osbome 1, differenzierte

sich 1980 zunächst Osbome Computer von den Desktop-Anbietem. 1982 vollzog

dann Compaq den Markteintritt über diese Geräteklasse: Nachdem ursprünglich als

Geschäftszweck das Angebot von Peripherie beabsichtigt war, wurde den drei

Firmengründern Venture-Kapital nur für ein Produkt in Aussicht gestellt, das IDM

nicht vorzuweisen hatte80• Compaq entwickelte daraufhin einen Portable, der im

Gegensatz zum Osbome 1 voll IDM-kompatibel war. 15 Monate später brachte IDM

ein eigenes transportables Gerät auf den Markt. In umgekehrter Richtung betrat 1984 die bis dahin auf Portables spezialisierte Compaq Computer Corp. den Tisch­

gerätemarkt. Auch die Mehrzahl der anderen Branchenteilnehmer bietet heute sowohl Tischgeräte als auch Portables an, so daß in dieser Hinsicht keine systema­

tischen Unterschiede zwischen den strategischen Gruppen bestehen und die Mobili­

tät der angebotenen PCs heute auch nicht mehr als ein Kriterium für die Gruppen­

bildung in Frage kommt81•

Deutlichere Differenzen ergeben sich bezüglich der Laptops und Hand-helds. So ist

beispielsweise Compaq im Gegensatz zu IDM nicht im Markt der Laptops oder

Aktentaschencomputer vertreten. Pionier und Marktführer in diesem Produkt­segment ist mit Epson ein Wettbewerber, der im PC-Segment nur nachrangige

Marktbedeutung erlangt. Während ein Teil der PC-Anbieter neben Desktops und

Portables noch am ehesten Laptops im Sortiment hat82, sind Hand-helds nur selten

79 Transportable PCs (Portables) sind koffergroße Mikrocomputer, die den Leistungsmerkmalen von Tischgeräten sehr nabe kommen und wie diese vom Stromnetz abhängig sind. Aufgrund des relativ hohen Gewichtes von über 10 kg sind sie für einen gelegentlichen Standortwechsel geeignet, nicht aber für den Betrieb während Geschäftsreisen u.ä. Für derartige Einsatzzwecke sind die Laptops ("Kniecomputer") bzw. Aktentaschencomputer konzipiert, die bei DIN-A4-Format weniger als 5 kg wiegen und durch Batteriebetrieb netzunabhängig sind. Sie weisen in der Regel einen mehrzeiligen LCD-Bildschirm und eine Schreibmaschinentastatur auf. Noch kleiner und leichter (weniger als 1 kg) sind die Hand-helds, die nur mit einem ein- oder zweizeiligen Display und meist nicht mit einer Scbreibmaschinentastatur ausgestattet sind. Vgl. hierzu Nippa & Schönecker (Aktentaschen­computer).

80 Vgl. Udo Mäder, Geschäftsführer der Compaq Computer GmbH, nach online 1986/4, S. 27.

81 Nachdem die Produktpalette von Commodore keinen ausgesprochenen Portable mehr umfaßt (früher: SX Executive 64 und Commodore LCD) und auch Tandon und Schneider im Markt der stationären Geräte positioniert sind, weisen diese den "Brand Identification-Clones" angehörenden Wettbewerber in diesem Punkt zwar eine Gemeinsamkeit auf, die sie von anderen strategischen Gruppen unterscheidet. Jedoch erscheint dies eher als eine zufällige denn als eine typische Konstellation.

82 Beispiele sind hier u.a. IBM, Olivetti und Siemens.

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281

zu verzeichnen83• Da die Hand-held-Anbieter ihrerseits im allgemeinen nicht den

Markt der Desktop-PCs bedienen, scheinen hier getrennte Märkte mit weitgehend

überschneidungsfreien Wettbewerbern vorzuliegen.

Innerhalb der Tischgeräte, aber auch der transportablen Mikrocomputer, kann nach

den Leistungsmerkmalen der Prozessoren zwischen 8-, 16- und 32-Bit-Rechnern unter­schieden werden84• Die Generation der 8-Bit-Mikrocomputer wird heute vorwiegend

dem Home- und Hobbybereich zugerechnet, nachdem mit dem Markteintritt von

IBM für kommerzielle Anwendungen der Übergang zu 16-Bit-Prozessoren eingeleitet

wurde. Das 8-Bit-Produktsegment wird von dem Marktforschungsunternehmen IDC

nach den peripheren Speichermöglichkeiten nochmals unterteilt: Die Geräteklasse I

setzt sich aus 8-Bit-Systemen ohne eine Diskettenstation zusammen, während die

Klasse 11 von Geräten mit Diskettenlaufwerken gebildet wird.

Als Standard bei professionell genutzten Personal Computern gilt heute ein 16-Bit­

Prozessor. Auf dieser Leistungsstufe - IDC spricht von der Klasse III - haben sich die

Produktsegmente PC, XT und AT herausgebildet. Diese Klassifikation folgt den Gerätetypen von IBM, welche die kompatiblen Wettbewerber als Orientierungs­punkte für ihre eigene Gerätekonfiguration wählten. Mit "PC" werden Mikrocom­

puter charakterisiert, die in der Ausstattung dem 1981 von IBM eingeführten Modell

entsprechen: Sie verfügen über einen unechten 16-Bit-Prozessor Intel 8088 und über

ein oder zwei 360 KB-Diskettenlaufwerke. Der 1983 von IBM vorgestellte XT ist bei

gleichem Prozessor mit einer Festplatte und einem größeren Zentralspeicher ausge­stattet. Zur Steigerung der Verarbeitungsgeschwindigkeit entschieden sich einige

Wettbewerber für den echten 16-Bit-Prozessor 8086 oder 80186 von Intel anstatt des

8/16-Bit-Prozessors 8088, der in den IBM-Modellen Verwendung findet. IBM vollzog

mit dem AT (für Advanced Technology) 1984 gleich den Schritt zum Intel 80286, der

neben einer weiteren Leistungssteigerung zugleich die Möglichkeit des Multitasking­Betriebes eröffnete.

83 Zwar ist mit Hewlett Packard ein Vertreter der "Big Names" in diesem Produktsegment zugegen, wofür allerdings eine größere Verwandschaft zu den programmierbaren Taschenrechnern von HP als zu den Personal Computern ausschlaggebend sein dürfte.

84 Die Prozessoren werden nach ihrer Bus-Architektur klassifIZiert: Der Prozessor ist aus mehreren internen Einheiten zusammengesetzt. Im wesentlichen sind dies das Rechenwerk, die Register­einheit und die Steuereinheit. Diese internen Elemente des Prozessors sind durch den internen Datenbus miteinander verbunden, über den der Datentransport erfolgt. Je nach der Breite dieses Busses spricht man von 8-, 16- oder 32-Bit-Prozessoren. Ein 16-Bit-Bus verfügt über sechzehn parallele Leitungen, auf denen 16 Bits gleichzeitig übertragen werden. Bei einem 8-Bit-Prozessor müssen zwei Bytes nacheinander transportiert werden. Mit den externen Einheiten wie Arbeits­speicher und Ein-/ Ausgabeprozessor ist der Zentralprozessor durch externe Busse verknüpft. Prozessoren, deren interne Breite zwar 16 Bit beträgt, deren externe Busse jedoch nur acht Leitun­gen aufweisen, bezeichnet man als 8/16-Bit- oder unechte 16-Bit-Prozessoren. Vgl. hierzu Bangert (16-Bit), S. 60 ff.; ders. (Computer-Bus), S. 110 ff., und (System), S. 62 ff.

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Entsprechend dem XT und dem AT konfigurierte Modelle werden heute von fast

allen bedeutenden, zum Industriestandard kompatiblen Wettbewerbern angeboten.

Lediglich Schneider hat kein AT-Modell in seiner Produktpalette, während Tandon­

in derselben strategischen Gruppe plaziert - mit fünf Produktvarianten sogar eine

größere Vielfalt an AT-Modellen aufweist als der Marktführer IBM oder der gruppeninterne Konkurrent Commodore85• Nachdem aber alle wichtigen Wettbe­

werber im 16-Bit-Segment präsent sind und dort in der Regel sowohl die XT- als

auch die AT-Modelle abdecken - wenn auch mit einer unterschiedlichen Varianten­

zahl -, kommt diesem Produktsegment keine Bedeutung für die Gruppeneinteilung

und -charakterisierung zu.

Zu einer vorübergehenden Spaltung der Wettbewerber führt indes die 32-Bit­

Technologie: In der (IDC-)Geräteklasse IV sind nach dem Stand dieser Untersuchung

erst die "Value Added Hardware"-Anbieter Compaq und Apple vertreten86, die dort

allerdings in Konkurrenz zu den Herstellern von 32-Bit-Workstations (z.B. Sun

Microsystems oder Apollo Computer Inc.) treten. Nachdem IBM bis April 1987 ihre

Pläne für die 32-Bit-Technologie nicht offenlegte und aus diesem Grunde auch noch

keine Software für die neue Produktgeneration vorlag, verhielten sich die kompati­

blen Wettbewerber bei 32-Bit-Mikrocomputern zunächst abwartend87• Nach der

inzwischen erfolgten Ankündigung des IBM Personal System/2 Modell 80, das mit einem entsprechenden Betriebssystem/2 1988 verfügbar sein soll, ist auf absehbare Zeit mit entsprechenden Schritten der anderen "Big Names"- und der "Clone"­

Konkurrenten zu rechnen88, so daß nur temporär von Unterschieden im Produktpro­

gramm zwischen der "Value Added"- und den anderen Gruppen gesprochen werden

kann.

85 Ein breites Spektrum an Produktvarianten, die sich häufig nur in der Speicherkapazität der Fest­platte unterscheiden, liegt aus Gründen der Lagerhaltung nicht im Interesse des Handels: Der Fachhandel zieht es vor, eine Grundversion im Bedarfsfalle entsprechend den Kundenwünschen selbst aufzurüsten. Tandon begegnet diesem Problem durch kurze Lieferzeiten, so daß der Händler erst nach Vorliegen eines Kundenauftrages seine Bestellung vornehmen kann.

86 Ein (unechter) 32-Bit-Prozessor (Motorola 68000) ist auch im Commodore Amiga enthalten, obwohl dieses Produkt nicht im professionellen, sondern im semiprofessionellen Markt positioniert ist: Für die Zielgruppe der medienschaffenden Anwender und für Homeanwender sind die graphi­schen Eigenschaften von besonderer Bedeutung. Um eine ansprechende Bildschirmgraphik bieten zu können, muß eine hohe Anzahl von Bildpunkten adressiert werden, wozu leistungsfähige Prozes­soren erforderlich sind.

87 So z.B. die Erklärung von Tandon, vgl. HB vom 31.01.1987, S. 22. 88 Außer Compaq und IBM haben nach einer Übersicht von Möller (PC 1987) zwischenzeitlich fol­

gende Firmen ebenfalls ein "386er"-Modell eingeführt oder angekündigt: asscodata/apricot, Gewico, ICF, Kaypro, Mirwald, Multitech, Plantron und Zenith Data. Ferner haben bereits Unisys und NCR ihre "386er"-PCs vorgestellt [vgl. CW 14 (1987) 20, S. 18, bzw. CW 14 (1987) 23, S.7]. Eine Marktübersicht der Computerwoche weist im April 1988, also ein Jahr nach der Ankündigung des PS/2 durch IBM, bereits 45 Anbieter von PCs auf der Basis des 80386er Prozessors aus. Vgl. CW 15 (1988) 17, S. 41 ff.

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283

Das (frühe) Engagement von Compaq im 32-Bit-Segment ist daher weniger als Stra­tegie einer breiten Produktlinie zu werten, sondern vielmehr als Streben nach einem

Technologievorsprunt9 zu interpretieren: Mit dem Deskpro 386, der bereits im

Oktober 1986 verfügbar war, als ruM seine 80386-Modelle noch nicht einmal ange­

kündigt hatte, präsentierte sich Compaq dem Markt als Vorreiter in der 32-Bit-Tech­

nologie. Analog kann Apple als Pionier einer einheitlichen Benutzeroberfläche

gelten, nachdem ffiM erst im Frühjahr 1987 mit der Ankündigung der System­

Anwendungs-Architektur (SAA) einen - wenn auch etwas anders gelagerten - Ober­

flächenstandard setzte.

Die Gruppe der "Value Added Products"-Anbieter hebt sich damit von den "Big

Names" und "Clones" als Technologieführer ab. Dies gilt auch gegenüber ruM. Von

Branchenbeobachtern wird der Marktführer trotz der Forcierung der 16-Bit-Tech­

nologie im Jahre 1981 und der "Advanced Technology" von 1984 nicht als innovativ

bezeichnet90. Auch das Personal System/2 wird von den befragten Konkurrenten nicht als bahnbrechend bewertet, lediglich die neue Mikro-Kanal-Architektur könnte

sich nach ersten Einschätzungen als deutlicher Produktvorteil herausstellen. Und

wenn ruM aufgrund seiner MarktsteIlung technische Standards für die Branche setzt,

bedeutet dies nicht eine Technologieführerschaft im Sinne eines Technologievor­

sprungs. Vielfach wird der Industriestandard sogar als behindernd beurteilt.

Nach dem eingesetzten Betriebssystem kann das Produktangebot schließlich in

Einplatz-Systeme (z.B. MS-DOS-PCs) und Mehrplatz-Systeme (wie Unix-PCs) unter­

teilt werden. Hinsichtlich der Angebotsbreite ergibt sich hier folgendes Bild:

Einplatz-Mikros werden von allen Wettbewerbern angeboten. Unix-Systeme hin­

gegen hauptsächlich von der "Big-Names"- und "Value Added Hardware"-Gruppe91•

Analog werden von diesen beiden strategischen Gruppen spezielle Systeme ange­

boten, wie z.B. der 3270-PC und der XT /370 von ruM oder der PC-2000 von Siemens

89 Vgl. zu dieser Dimension der Wettbewerbsstrategie Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 175.

90 So z.B. McClellan (Shakeout), S.215: "The move to 16-bit personal computers was almost inevi­table, an event widely anticipated throughout the industry. IBM, in the right place at the right time, was more than happy to lead the way. The only additonal ingredient needed was marketing strength." Anderen kritischen Stimmen zufolge hat es IBM seit der Vorstellung des AT im August 1984 versäumt, sich technologisch gegen den Clone-Wettbewerb zu behaupten. Von einem befrag­ten Firmenvertreter wurde das PC-Geschäft wegen der dominanten Stellung von IBM gar als eine "einschlafende Branche" charakterisiert.

91 Z.B. von Olivetti mit dem 3B1 oder von Siemens mit dem PC-MX2. Aus der Gruppe der "Brand Identification-Clones" unternahm Commodore mit dem CBM 900 im Jahr 1986 einen Markttest mit einem Unix-PC. Man gelangte jedoch zu dem Ergebnis, daß dieser Markt für eine Volumenstra­tegie noch nicht reif sei, und zog das Produkt wieder zurück.

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284

- also Produkte, die mit der jeweiligen Großrechnerwelt in Zusammenhang stehen92•

Die Domäne der "Clones" sind hingegen Stand-alone-Geräte, die jedoch grundsätz­lich auch mittels Netzwerken untereinander verknüpft und an größere Systeme ange­

bunden werden können.

Im Zuge der Diskussion der Angebotsbreite soll an dieser Stelle neben der PC­

Hardware und den Komplementärprodukten das Dienstleistungsangebot tangiert

werden. Dieses umfaßt - für Vertriebspartner und Endkunden - z.B. Schulungsmög­

lichkeiten, technischen Support und Kundendienst, Finanzierungshilfen und Leasing­

angebote sowie Großkundenbetreuung. Tendenziell kann hier ausgesagt werden, daß

sich das Angebot an Dienstleistungen mit abnehmender Markenidentifikation ver­

ringert93•

Die Strategiedimension Spezialisierung bzw. Angebotsbreite abschließend sei hier noch auf den Zusammenhang zwischen den bedienten Produkt- sowie Kundenseg­

menten und der Wahl des Vertriebsweges eingegangen: Bei Ericsson war es z.B.

beabsichtigt, Großkunden nur direkt, mittlere und kleine Kunden hingegen indirekt zu bedienen. Diese Trennung erwies sich jedoch auch für die "Big Names"-Vertreter

als nicht haltbar, woraus folgte, daß auch Wettbewerber ohne Direktvertrieb den

Markt der Großunternehmen bearbeiten konnten. Dies unterstreicht nochmals die

Tatsache, daß weniger die gewählten Kimdensegmente, sondern die Wahl des Ver­

trlebsweges als gruppenbildendes Merkmal heranzuziehen ist.

Zum Zusammenhang zwischen Produktsegmenten und Vertriebskanälen läßt sich

konstatieren, daß ein Teil der Produkte nur direkt94, andere nur indirekt abgesetzt

werden95, größtenteils aber - sofern vorhanden - beide Vertriebskanäle parallel

92 Der PC x:r/370 ist kompatibel mit dem Zentralcomputer und erlaubt den Zugriff auf zentrale Programme und Dateien für die Verarbeitung vor Ort. Er ist an die Zielgruppe der DV-Experten in Großunternehmen (z.B. Programmierer) adressiert. Beim 3270-PC handelt es sich um ein 3270-kompatibles Terminal mit PC-Eigenschaften. Der PC-2000 von Siemens arbeitet mit dem Siemens­eigenen Betriebssystem BS-2000 und ist als Einstiegsmodell in diese Betriebssystem-Welt kon­zipiert.

93 Wegen sinkender Hardwarepreise und abnehmender geräteseitiger Differenzierungsmöglichkeiten sind insbesondere die "Big Names" bestrebt, die Wertschöpfung durch Dienstleistungen zu erhöhen. So wird z.B. für die Zukunft erwartet, daß die Einbindung von Personal Computern in BÜlokom­munikationskonzepte eine Organisationsberatung beim Anwender erforderlich bzw. möglich machen wird.

94 Z.B. der 327O-PC und der PC x:r /370 von ffiM.

95 Der "Step One" von Ericsson - ein MS-DOS-Rechner, der aber nicht voU ffiM-kompatibel ist - wird von Ericsson nur indirekt abgesetzt, da er aufgrund seines geringeren Kompatibilitätsgrades für Großkunden als meist ungeeignet erachtet wird. (NCR vertreibt hingegen seinen ebenfalls nicht voU kompatiblen Decision Mate V auch an Großkunden.) Der zum Industriestandard kompatible Ericsson PC wird dagegen über beide Kanäle vertrieben.

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285

herangezogen werden. Über welchen Vertriebsweg ein Geschäft getätigt wird, richtet

sich primär nach der Abnahmemenge, mit der aber meist die Einsatzart korreliert: So

sind z.B. die Siemens-Zweigniederlassungen für den Systemvertrieb von Personal

Computern zuständig, d.h. für PCs in Hostumgebung und bei Großkunden.

6.1.2.5. Druck versus Sog

Die Wettbewerbsdimension "Druck vs. Sog" bezweckt, die Branchenteilnehmer

dahingehend zu unterscheiden, ob sie eher eine Markenidentifikation direkt beim

Anwender entwickeln wollen (Pull bzw. Sog), oder ob sie eher darauf abstellen, die

Vertriebskanäle beim Verkauf der Produkte zu unterstützen (Push bzw. Druck)%.

Nachdem der Handel in den Anfangsjahren zunächst wenig unterstützt wurde, hat die

Branche zunehmend die Bedeutung der Verkaufsförderung97 erkannt. Heute bieten

mit Ausnahme der "No Name-Clones" praktisch alle Wettbewerber ein gewisses Maß

an Sales Promotion, das jedoch je nach dem Grad der Markenidentifikation variiert:

Die "Big Names" und "Value Added Products"-Anbieter investieren stark in ihre indi­

rekten Vertriebskanäle, wenden sich daneben jedoch mit intensiven Werbernaßnah­

men auch direkt an potentielle Anwender, so daß diesen beiden Gruppen sowohl ein

ausgeprägter Push- wie auch Pull-Effekt zugesprochen werden kann. Als führend wird

von einem Branchenbeobachter das Händler-Marketing von mM bezeichnet, wobei

den mM-Vertriebspartnern eine Fülle gezielter Marketinghilfen geboten werde,

unter denen Schulungsmaßnahmen und Planungshilfen eine herausragende Bedeu­

tung erlangen. Jedoch haben auch Wettbewerber wie Compaq, Hewlett Packard,

Olivetti und Siemens ihre Anstrengungen im Fachhandels-Marketing verstärkt98: So

offeriert beispielsweise das Unternehmen Siemens seinen Vertriebspartnern neben

den schon früher gebotenen Leistungen wie Werbung, Pressearbeit, Dokumentation,

Händlerzeitschrift, Hotline, Produktschulung, Messen und Ausstellungen nunmehr

auch individuelle Marketingberatung und Betreuung sowie die Entwicklung gemein­

samer Marketing- und Geschäftspläne99. Einen deutlichen Push-Effekt bescheinigten

einige "Big Names"-Vertreter auch der Firma Compaq. Die Bereitschaft des Handels,

Compaq-Produkte bevorzugt abzuverkaufen, basiere dabei auf der uneingeschränk-

% VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 174.

97 Branchenterminologie: Händler-Marketing

98 VgI. Pleil (Händler-Marketing), S. 130.

99 VgI. B-W 1986/12, S. 9, sowie KnoU (Pe-Händler).

Page 301: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

286

ten Fachhandelstreue von Compaq und auf der herausragenden Handelsunter­

stützung1OO•

Daß neben dem Push-Effekt durch Vertriebspartner auch ein Abnehmer-Sog bei den

beiden strategischen Gruppen mit hoher Markenidentifikation vorherrscht, verdeut­

licht inbesondere das Beispiel IBM: Mit der Wahl der Produktbezeichnung "Personal

Computer" beanspruchte IBM für sein Produkt den Gattungsnamen dieser Rechner­

klasse. Mit der zusätzlichen Publizität, die der iBM PC durch die Fachpresse erfuhr,

entstand bei den Kunden der Eindruck, IBM sei ein Synonym für Personal Computer,

was (mittelfristig) zu einem beträchtlichen Nachfragesog führte.

Eine geringere Qualität und Intensität des Händler-Marketings ist bei den "Brand

Identifikation-Clones" zu verzeichnen. Zwar ist auch hier ein bestimmtes Ausmaß an

Verkaufsförderung (z.B. Hardwareprospekte etc.) und Schulung durch die Hersteller

gegeben, jedoch sollen durch die Betonung des günstigen Preises in der Werbung die

Produkte von den Nachfragern primär "durch den Handel gezogen" werden. Dies

kann beispielsweise an der Kommunikations- und Werbepolitik von Tandon verdeut­

licht werden101: Tandon richtet sich mit seiner Produktwerbung an den bereits sach­

kundigen potentiellen Kunden, der in einer Phase des Kaufentscheidungsprozesses

steht, in der er durch die Beratung des Fachhandels bereits weiß, wie die Lösung für

sein Problem aussehen muß. Er hat ein Komplettangebot für die benötigte Software

und die zugehörige Hardware vorliegen, auf der die empfohlene Applikation lauf­

fähig ist. In Kenntnis der benötigten Rechnerklasse und -konfiguration unternimmt

der Interessent nun Preisvergleiche bei der Hardware. An dieser Stelle setzt die

Werbebotschaft von Tandon an, in deren Mittelpunkt der Preis der Produkte steht,

die für den ja bereits kundigen Nachfrager lediglich durch knappe Angaben zu den

technischen Ausstattungsmerkmalen beschrieben sind. Tandon will damit dem Push­

Effekt des Handels zugunsten von IBM (oder anderen "Big Names") einen Pull­

Effekt der Endkunden entgegensetzen.

Die direkte Unterstützung der Absatzmittler beim Verkauf der Produkte fällt bei

Tandon gegenüber den Gruppen mit hoher Markenidentifikation geringer aus: So

richtete Tandon bewußt kein Werbezuschußbudget für den Handel ein. Gegenüber

den autorisierten Händlern wurde diese Entscheidung damit begründet, daß nur etwa

100 Ähnlich der "IBM·Händlerakademie" unterhält Compaq z.B. ein technisches Schulungszentrum. In den Bereichen Marketing und Vertrieb werden die autorisierten Compaq-Händler durch ein exter­nes Schulungsinstitut ausgebildet. Vgl. B-W 1986/9, S. 13.

101 Auch das Gruppenmitglied Commodore setzt auf einen Sog-Effekt durch einen hohen Bekannt­heitsgrad, den man bei den Anwendern erzielen will (Jahresbericht 1985, Mikros für alle Märkte, S. 9: "Commodore muß zum Synonym für Mikrocomputer werden!", ebenda, S. 22: "Marktanteile erreicht man über MeinungsanteiJe!"). Hierzu beschreitet Commodore auch für die Branche atypische Wege, wie etwa die Werbepartnerschaft mit dem FC Bayern München.

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287

ein Drittel aller Handelspartner in nennenswertem Umfang Gemeinschaftswerbung

betreibt, letztlich aber alle Händler für die dadurch verursachten Kosten aufkommen

müssen. Daher habe man sich entschlossen, auf Werbezuschüsse zu verzichten und

statt dessen allen Händlern die gleiche Marge einzuräumen, die dafür auch etwas

höher angesetzt wurde. Diese Maßnahme stieß - nach Angaben von Tandon -

zunächst auf die Kritik derjenigen Händler, die üblicherweise Gemeinschaftswerbung in Anspruch nahmen, konnte dann aber erklärt und einsichtig gemacht werden.

Als Ergebnis zu dieser Strategiedimension kann also festgehalten werden, daß die

Gruppen "Big Names" und "Value Added Products" sowohl auf einen Druck seitens

des Handels als auch auf einen Sog durch die· Kunden bauen, während die "Brand

Identification-Clones" hauptsächlich einen Pull-Effekt erzielen wollen und dazu die

Preiswürdigkeit ihrer Produkte in ihrer Werbung in den Vordergrund rücken102•

6.1.2.6. Kostenposition

Die Kostenposition als potentielles Unterscheidungsmerkmal stellt ab auf die Inten­

sität, mit der die Branchenteilnehmer einen Kostenvorsprung in Produktion und Ver­trieb anstreben, und zwar durch Investition in kostensenkende Anlagen und Aus­

rüstungen103•

Hinsichtlich dieser Dimension der Wettbewerbsstrategie lassen sich keine systema­

tischen Unterschiede zwischen den strategischen Gruppen feststellen, da aufgrund

sinkender Hardwarepreise Kostensenkungsinvestitionen von Vertretern aller

Gruppen forciert werden104. So wird beispielsweise u.a. von IBM, NCR, Compaq und

Tandon - also von Angehörigen der Gruppen "Big Names", "Value Added Products"

und "Brand Identification-Clones" - statt der herkömmlichen Leiterplattenbestückung

102 Von den beiden Gruppen mit umfangreicher Handelsunterstützung wird die Absatzstrategie dieser Gruppe mit "Cash & Carry-Geschäft" umschrieben, in dem die Geräte "über den Ladentisch" ver­kauft werden. Die betreffenden Wettbewerber werden als "Kistenverschieber" oder "Box-Pusher" bezeichnet.

103 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 175. 104 Selbst der überdurchschnittlich wachsende Technologieführer Compaq bezeichnet die Rentabili­

tätssteigerung als primäres Ziel der Jahre 1985 und 1986. Vgl. Compaq Corporation, 1986 Annual Report, S. 3. Apple schloß 1986 eine Konsolidierungsphase ab, in deren Zuge von einer Sparten­auf eine funktionale Organisation umgestellt wurde (vgl. Apple Computer, Inc., 1986 Annual Report, S.17). Zuvor hatte Apple bereits ein hochautomatisiertes Werk für die Macintosh­Produktlinie errichtet, mit einem Geräteausstoß alle 27 Sekunden bzw. mit einer Kapazität von 1000 Stück je 8-Stunden-Schicht [vgl. Yasaki (Mac), S. 64).

Page 303: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

288

eine neue Oberflächenmontagetechnik (Surface Mounting Technology) ange­wandt105• Auch im Vertriebsbereich ist branchenweit die Tendenz zu beobachten, die

Händlernetze und z.T. auch die interne Vertriebsorganisation zu straffen106• Allen­falls hinsichtlich des Bestrebens, auf dem Wege einer deutlich geringeren Mitarbei­

terzahl die Gemeinkosten in Verwaltung und Vertrieb zu kontrollieren, können die

kleineren Wettbewerber der Gruppen "Value Added Products" und "Brand Identifi­cation-Clones" gegenüber den größeren "Big Names"-Konkurrenten abgegrenzt

werden.

Wenn auch - abgesehen von diesen Gemeinkostenvorteilen - zwischen den strate­gischen Gruppen keine systematischen Unterschiede hinsichtlich der Kostensen­

kungsbestrebungen bestehen, so sind dennoch innerhalb der ''Big Names" Abwei­chungen hinsichtlich dieser Strategiedimension zu verzeichnen. Während beispiels­weise IBM, Olivetti und NCR eine Volumenstrategie verfolgen, um Kostendegres­

sionen zu realisieren107, wurde von Siemens ~er Kostenseite eine geringere strate­gische Bedeutung beigemessen: Bei der Analyse der Marktverhältnisse gelangte man zu dem Ergebnis, daß eine Kostenführerschaft nicht erreichbar sei. Man wählte daher den verbleibenden Weg der Differenzierung, indem man mit dem PC-D ein dem Industriestandard überlegenes Produkt kreierte, das jedoch - vor allem wegen geänderter Speicheradressen und einer höheren Taktfrequenz des Prozessors - nicht voll IBM-kompatibel war. In diesem Punkt glaubte man, aufgrund der breiten eige­nen Vertriebsorganisation eine Marktstärke aufzuweisen, die es dem Unternehmen erlaubt, auch ein inkompatibles Produkt erfolgreich zu vermarkten. Während jedoch die Leistungssteigerung bzw. -differenzierung Mehrkosten verursachte, wurden die gebotenen Produktvorteile von den Abnehmern letztlich nicht mit einer Preisprämie

honoriert: Die Inkompatibilität reduzierte bei Anwendern, die bereits über einen

Bestand an Industriestandard-PCs verfügten, den Kundennutzen, da diese zwei Soft-

105 Nach herkömmlicher Bestückungstechnik müssen die Bauteile mit ihren Anschlußstiften durch die Bohrungen der Platine gesteckt und von der Leiterplattenrückseite verlötet werden. Bei der Ober­flächenmontage, bei der Miniaturbauelemente (sog. Surface Mounted Devices) von Handhabungs­automaten auf die Platine geklebt werden, entfallen bis auf das Verlöten sämtliche bei der traditio­nellen Bestückungstechnik erforderlichen Arbeitsschritte. Vgl. hierzu Chip 1987/4, S. 36 - 38.

106 So z.B. bei Olivetti, wo zum Jahresbeginn 1987 der Vertrieb neu geordnet wurde: Nach bisher fünf VertriebskanäIen besteht die neue Struktur nur noch aus den drei Vertriebsdirektionen Büro­produkte, Computer Indirekt und Großkunden-Direktgeschäft. Vgl. OM 1987/1, S. 43.

107 NCR ist hierzu auch im OEM-Geschäft präsent, d.h. produziert auch Personal Computer für Mitbewerber (z.B. N'1Xdorf), die das (NCR-)Produkt unter ihrem Namen vermarkten. mM nimmt neben der Kostenführerschafts- auch eine günstige, überdurchschnittliche Differenzie­rungsposition ein, was u.a. durch die MarktsteIlung und Marktbedeutung als De-facto-Standard bedingt ist. Nach Auskunft eines befragten Branchenvertreters betreibt mM - aber auch Olivetti -primär eine Strategie der Kostenoptimierung. Die Differenzierungsbestrebungen sind demgegen­über von untergeordneter bzw. funktionaler Bedeutung.

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289

warebestände pflegen mußten108• Man war daher zu Preisnachlässen gezwungen, d.h. die Inkompatibilität kostete Siemens die potentielle Preisprämie.

Nach der oben vorgestellten strategischen Karte treffen mit ffiM, Olivetti und NCR auf der einen und mit Siemens auf der anderen Seite Kostenführer und Differenzie­

rer in einer strategischen Gruppe aufeinander. Dies stellt nun die "Big Names"­Gruppe in Frage, denn nach dem Konzept der strategischen Gruppen sollten die einer Gruppe zugezählten Wettbewerber eine ähnliche Strategie verfolgen. Das heißt, es könnte eine andere Gruppeneinteilung vorzunehmen sein109• Jedoch ist

Siemens mit dem Nachfolgeprodukt PCD-2 von seiner Strategie der Leistungsdiffe­renzierung außerhalb bzw. am Rande des Industriestandards abgerückt und somit

eindeutig den "Big Names" zuzuordnen. Dies bedeutete dann auch, für die Zukunft Kostensenkungsbestrebungen stärker in den Mittelpunkt zu stellen, was beispiels­

weise auf dem Wege des Zukaufs von Kostenerfahrung bei ORM-Mitbewerbern (z.B. Tandon und NCR) erfolgtllO.

6.1.2.7. Produkt qualität

Das Qualitätsniveau der Produkte bemißt sich 'nach Faktoren wie Güte der verwen­deten Komponenten und Grad der Kompatibilität zum Industriestandard, aber auch nach der Qualität der Hard- und Softwaredokumentation oder der Ausstattung mit einer deutschen Tastatur, etc.

Unterschiede im Qualitätsanspruch bestehen zwischen den Wettbewerbern mit hoher und mittlerer Markenidentifikation und den "No Name-Clones". So unterscheiden

108 Aus diesem Grunde vertrieb Ericsson den inkompatiblen "Step One" nicht an Großunternehmen. Für Kleinunternehmen steht hingegen der Problemlösungsaspekt im Vordergrund, d.h. für diesen Anwenderkreis ist die Kompatibilitätsfrage kaum relevant, solange ihm von Herstellerseite eine Komplettlösung für seine Problemstellung geboten wird. Es stellt sich jedoch die Frage, ob diese Zielgruppe nicht preissensibler entscheidet und daher eher auf die niedrigpreisigeren Industrie­standard-PCS zurückgreift.

109 So könnten Unternehmen wie Siemens, DEC und HP zu einer Gruppe zusammengefaßt werden, die nach Preisniveau und MarkenidentifIkation oberhalb der "Big Names"-Volumenanbieter anzu­siedeln wäre.

110 In einer ähnlichen Situation, also nach einer ebenfalls gescheiterten Differenzierungsstrategie, wählte DEC die strategische Option des Rückzugs aus dem Massenmarkt in den Markt der Work­stations, Als Differenzierungsquelle hatte DEC auf ein Doppelprozessor-System gesetzt, das dem Anwender die Möglichkeit eröffnete, mehrere Betriebssystem-Welten zu erschließen. Dieses Alleinstellungsmerkmal wurde von den Abnehmern jedoch ebenfalls nicht als ein solches angenommen.

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290

sich nach Auskunft eines Branchenvertreters hochqualitative Gerätell1 von den

Clone-Produkten bereits hinsichtlich der Auslegung der Hardware, z.B. bezüglich der Spannungsfestigkeit gegen elektrostatische Einflüsse von der Tastatur, oder hinsicht­

lich der Umschaltbarkeit und dem Glättungsaufwand bei der Stromversorgung etc.112

Der Grad der Kompatibilität stellt heute hingegen kein primäres Unterscheidungs­

merkmal mehr dar. Unterschiede bestehen bezüglich einer ausführlichen, deutsch­

sprachigen Dokumentation, die bei fernöstlichen Clone-Produkten noch nicht

Standard ist.

6.1.2.8. Beziehung zum Gesamtunternehmen

Die Beziehung einer Geschäftseinheit zum Gesamtunternehmen ist in die Analyse

der strategischen Gruppen einzubeziehen, da die Geschäftsfeldstrategie wesentlich

von der Gesamtunternehmensstrategie (corporate strategy) abhängen wird: "Die Art

der Beziehung zum Konzern beeinflußt die Ziele, mit denen das Unternehmen

geführt wird, bestimmt die ihm zur Verfügung stehenden Mittel und verlangt mög­

licherweise, bestimmte Funktionen oder Operationen mit anderen Geschäftseinhei­

ten gemeinsam zu betreiben .. ."113.

Die PC-Divisionen bzw. -Geschäftsbereiche der "Big Names" sind Teil von meist

gering bis mäßig diversifizierten Konzernen, die in der Regel in verwandten

Geschäftsfeldern tätig sind: Diese Unternehmen sind entweder aus dem Mainframe­

oder Minicomputerbereich, der Nachrichtentechnik oder dem Büromaschinenbereich

in den PC-Markt eingetreten. Ihr angestammtes Produkt-Markt-Konzept war inso­

fern gefährdet, als mit dem Personal Computer ein Substitutionsprodukt heranzurei­fen drohte. Dieses hätte bisher getrennte Endgeräte integrieren oder in Bereiche

größerer Rechnerklassen hineinwachsen können. Hierbei war früh zu erkennen, daß

die PC-Technologie zu großen Stückzahlen führen wird, es daher zu großen Lern­

und Erfahrungskurveneffekten kommen wird und auch die Komponenten im Preis

sinken werden, so daß ein billiges Endprodukt entstehen könnte. Es war also abseh­

bar, daß bestehende Endgeräte (z.B. Speicherschreibmaschinen, Terminals, Teletex­

Geräte, Bildschirmtextgeräte) vom günstigen Preis-/Leistungsverhältnis der Personal

Computer bedroht sein werden. Man war zwar bestrebt, die dedizierten Endgeräte

111 Wie etwa die Personal Computer von Hewlett Packard oder der NCR 6.

112 Dementsprechend liegen die Kosten für die Stromversorgung zwischen 30 und 200 DM.

113 Porter (Wettbewerbsstrategie), S.175 f.

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291

zunächst noch abzuschirmen, bereitete sich aber zugleich auf den Einstieg in multi­

funktionale Endgeräte auf PC-Basis vor, um diesen Schritt ausführen zu können,

sobald der Markt verbindlich zur Substitution zwingen würde.

Neben der Substitutionsgefahr, die von Personal Computern für andere Endgeräte­märkte, Workstations und Minicomputer ausging, erlangten Mikrocomputer für die

"Big Names" strategische Bedeutung für den sich erst entwickelnden Markt für Büro­

kommunikationssysteme: Anfang der 80er Jahre wurde das Zusammenwachsen der

Bereiche Datenverarbeitung, Nachrichtentechnik und Büromaschinen prognostiziert.

Die führenden Wettbewerber der betreffenden Bereiche eigneten sich das jeweils

fehlende Know how an und konzipierten branchenübergreifende Produktsysteme.

Ein Markt für derartige Bürokommunikationsprodukte existierte damals jedoch noch

nicht. Um dennoch bereits auf Arbeitsplatzebene präsent zu sein, wurden von den

"Big Names" die PC-Projekte initiiert. So ist beispielsweise Ericsson ursprünglich ein

Telekommunikationskonzern gewesen. Ausgangspunkt für das PC-Engagement von

Ericsson waren strategische Überlegungen auf Konzernebene über zukünftige

Märkte: In den Mittelpunkt der Konzernstrategie wurde der Bürokommunikations­

markt gerückt. Dementsprechend ist aus der Sicht von Ericsson Information Systems

der Personal Computer ein Gerät, das in Verbindung mit Großrechnern oder öffent­

lichen Netzen genutzt wird. Zielmarkt im Sinne des Gesamtgeschäftes ist daher der

PC, der als Workstation betrieben wird und als Einstiegsprodukt in die Bürokommu­

nikation angesehen werden kann114•

Ein weiteres Beispiel für die Beziehung zum Gesamtunternehmen liefert die NCR

Corporation: Ziel der NCR ist nicht der Großrechnermarkt, sondern die dezentrale

Rechnerwelt um den Host. Wegen dieser Ausrichtung des Gesamtunternehmens

gewinnt der Personal Computer als Arbeitsplatzrechner für NCR strategische Bedeu­

tung. Ein eventueller Rückzug aus diesem Bereich wird daher auch als problematisch erachtet.

Der PC-Markt wurde also von den "Big Names" mit dem Ziel betreten, an einer sich

abzeichnenden Substitution zu partizipieren, oder um mit Personal Computern als

Vorstufe zur Bürokommunikation am Arbeitsplatz präsent zu sein. Eine derartige

Beziehung zum Gesamtunternehmen fehlt bei den "Value Added Products"­

Anbietern, die - als originäre Wettbewerber - das PC-Geschäft als "alleinstehende Einheit" betreiben.

114 Wie bereits erläutert, bearbeitet Ericsson jedoch auch den Markt der Stand-alone·PCs, die als "miniaturisierte Universalrechner" eingesetzt werden: Dieser Markt ist aus Stückzahl- und Preis· gründen für Ericcson von Bedeutung, auch wenn er nicht als Kernmarkt betrachtet wird.

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Die Gruppe der ''Brand Identification-Clones" ist hinsichtlich der Relation zum

Gesamtunternehmen sehr heterogen zusammengesetzt: In ihr sind ebenfalls originäre Mikrocomputeranbieter vertreten (z.B. Victor Technologies), die nur in diesem

Geschäftsfeld tätig sind. Demgegenüber stellt die Tandon Computer Corp. eine Ver­

triebsgesellschaft dar, die das letzte Glied einer vertikalen Geschäftskette bildet,

welche auf den vorgelagerten Stufen komplette PCS für den OEM-Markt produziert und bis in die Komponentenfertigung zurückreicht, wo die "Strategie der vertikalen

Produktintegration" bei Laufwerken bzw. Schreib-Lese-Köpfen ihren Ausgangspunkt

nahm. Entsprechend der Geschäftspolitik im OEM-Bereich operiert Tandon im

Endkundenmarkt, der zu einer größeren Unabhängigkeit vom OEM-Geschäft und zu

einer höheren Kapazitätsauslastung beitragen sollte, gemäß der allgemeinen Philo­

sophie des Unternehmens: ''Upward integration, combined with volume production

techniques, is aimed at achieving competitive cost-effectiveness and, with it, price leadership, which is a critical factor in the volatile computer marketplace."115 Bei

Mitbewerbern wie Commodore und Atari schließlich wird der Personal Computer­

Bereich von einer umsatzstarken Homecomputerlinie flankiert. Diese Unternehmen

verfolgen - analog dem Homecomputersegment - auch im (semi-)professionellen

Markt eine Niedrigpreis- und Volumenstrategie.

6.1.2.9. Beziehungen zu Regierungen

Ebenso wie die Relation zum Gesamtunternehmen ist die Beziehung zu Regierungs­

stellen in die Bestimmung der strategischen Gruppen einzubeziehen, da von dieser

Seite unterstützende, aber auch restriktive Einflüsse ausgehen können116•

Von den befragten Personen wurde diese Dimension der Wettbewerbsstrategie als

bedeutsam erachtet. Dies habe sich unmittelbar bei der Ausschreibung und Vergabe

öffentlicher Aufträge gezeigt, z.B. anläßlich der Ausstattung des Bundeskanzleramtes

mit Personal Computern. Im Vorteil seien hier einheimische Großunternehmen

gewesen, insbesondere das Haus Siemens, das gute Kontakte pflege, u.a. zur Bonner

Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung (GMD), die eine Vorauswahl zu

treffen hatte. Unter den ausländischen Unternehmen sind die "Big Names"-Firmen

gut angesehen, während kleinere US-Unternehmen mit einem amerikanischen Image

benachteiligt sind, selbst wenn sie in Deutschland produzieren. So werden beispiels­

weise von Commodore die Beziehungen zum Gastland als verbesserungsbedürftig

115 Tandon Corporation, 1986 Annual Report, S. 1.

116 VgI. Porter (WeUbewerbsstrategie), S. 176.

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293

angesehen, wozu man in Werbeaussagen die deutsche Herkunft und Herstellung der

PCs betont, sich in Selbstdarstellungen als "ein fest in die heimische Wirtschaft inte­

griertes Unternehmen"117 präsentiert und eine Direktionsstelle für die Kontaktpflege

zu Behörden, Verbänden und Wissenschaft eingerichtet hat. Die ungünstigsten

Gastlandbeziehungen dürften die fernöstlichen "No Name-Clones" aufweisen, insbe­

sondere wenn sie nur über Distributoren in Deutschland vertreten sind.

6.1.3. Zusammenfassung der Gruppenprofile, Präzisierung der strategischen Karte

und Bestimmung der Mobilitätsbarrieren

Die Ergebnisse der vorstehenden Analyse zentraler Strategieunterschiede und unter­

geordneter Dimensionen der Wettbewerbsstrategie sind in Abb. 17 zu einer Über­

sicht zusammengefaßt, aus der die Strategieprofile der einzelnen Gruppen hervor­

gehen.

Nicht enthalten in der dem Mikrocomputermarkt bisher zugrunde gelegten strate­

gischen Karte sind die Wiederverkäufer (Value Added Reseller) als Wettbewerber im

Personal Computer-Markt: Die Dimension "Wahl des Vertriebsweges" bezieht sich

auf die Mikrocomputerhersteller bzw. Hardwareanbieter. Deren Software- und

Systemhäuser fallen aus Herstellersicht in die Rubrik "indirekter Vertriebsweg".

Damit erscheint z.B. Taylorix118 als ein Absatzkanal für Siemens-PCs, obwohl für den

Kunden nicht erkennbar ist, daß die der Lösung zugrundeliegende Hardware mit

Siemens-Geräten identisch ist. Wollte man alle Marktteilnehmer klassifizieren, die

an Endkunden verkaufen, müßte als zusätzliche strategische Dimension die "vertikale

Integration" bzw. "Wertschöpfungsstufe" gewählt werden. Value Added Reseller

(V AR) bzw. Systemhäuser könnten in der daraus resultierenden dreidimensionalen

Karte dann als Mitbewerber ihrer Hardwarelieferanten ausgewiesen werden. Hierin

könnten auch die OEM-Nehmer begründeterweise als Konkurrenten ihrer jeweiligen

117 Commodore Büromaschinen GmbH (Hrsg.), Mikros für alle Märkte, Jahresbericht 1985, S. 3. 118 Die Taylorix Organisation, Stiegler, Haußer GmbH & Co., 1921 als Büroorganisationsuntemehmen

gegründet, leitete 1969 in Kooperation mit Triumph-Adler den Eintritt in den Bürocomputermarkt ein. 1984 lief diese Verbindung zu TA aus, als Taylorix einen eigenen Einzelplatz-Mikrocomputer einführte. Das Unternehmen verfügt über ein Vertriebsnetz von 44 Niederlassungen. Der Gesamt­umsatz von Taylorix verteilte sich im Geschäftsjahr 1984/85 in absteigender Folge auf die Bereiche: Dienstleistungen der beiden Service-Rechenzentren; Mikrocomputer und Mehrplatzsysteme; Beratungsleistungen; Software und technische Dienstleistungen; klassische Organisationsmittel. Das Unternehmen, das über ca. 200 branchenspezifische Softwarepakete verfügt, vertreibt mM PCs und seit 1986 auch den PC-D von Siemens. Vgl. hierzu Schrem (Taylorix) und FAZ vom 26.11.1985, S. 15.

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Page 311: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

296

Anmerkungen zur Tabelle der strategischen Gruppen:

1) Keine systematischen Unterschiede zwischen den Gruppen; innerhalb der

Gruppen jedoch landesweit und regional operierende Wettbewerber.

2) Apple, jedoch nicht mit einem "Value Added Product"; Compaq ist hinge­

gegen nur im professionellen Segment angesiedelt.

3) Grad der Rückwärtsintegration im Branchendurchschnitt gering; keine

systematischen Unterschiede zwischen den Gruppen; Ausnahmestellung:

evt. Tandon.

4) Keine systematischen Unterschiede.

DEM-Lieferanten positioniert werden, was in einer zweidimensionalen Karte

Schwierigkeiten bereitet: Dort wären DEM-Nehmer genauso zu behandeln wie

V ARs, also ebenfalls nicht als Wettbewerber aufzunehmen. Allerdings verbietet sich

dies hier aus Plausibilitätsgründen. So erscheint (in der zweidimensionalen Karte)

z.B. Nixdorf, obwohl DEM-Kunde von NCR, nicht als ein Absatzkanal für NCR­Produkte, sondern als Wettbewerber im Endkundenmarkt119. Keine Zurechnungs­

probleme verursachen hingegen reine DEM-Hersteller (wie Convergent Technolo­

gies), die nicht im Endkundengeschäft vertreten sind und daher eindeutig als Zulie­

ferer von PC-Anbietern eingestuft werden können. Dies hat allerdings zur Folge, daß

sie - wie auch die V ARs - in einer zweidimensionalen Darstellung nicht als Branchen­

teilnehmer in Erscheinung treten.

Wollte man auch diese Unternehmen in der strategischen Karte der Branche aus­weisen, so müßte als weitere, unabhängige Strategiedimension die gewählte Wert­

schöpfungsstufe hinzutreten. Aus darstellungstechnischen Gründen empfiehlt es sich

für diesen Fall, die beiden Dimensionen "Markenidentifikation" und "Vertriebswege" zusammenzufassen. Auf der daraus resultierenden kombinierten Achse wären fol­gende Ausprägungen anzutragen:

119 Es handelt sich hierbei wohlgemerkt um ein empirisches Argument. Daß Wiederverkäufer einmal (nämlich bei VARs) als Absatzmittler, im anderen Fall (bei OEM-Nehmern) als Mitbewerber per­zipiert werden, hängt mit der Konkurrenzsituation in anderen, verwandten Märkten zusammen.

Page 312: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

297

direkter und indirekter Vertrieb / hohe Markenidentifikation

indirekter Vertrieb / hohe Markenidentifikation indirekter Vertrieb / mittlere Markenidentifikation

indirekter Vertrieb / geringe Markenidentifikation.

Auf der frei gewordenen Achse könnten dann die PC-Hersteller von den PC-Anbietem

getrennt werden, die wie folgt weiter zu untergliedern wären:

V ARs } PC-Anbieter OEM-Nehmer

nur Endkundengeschäft } OEM- und Endkundengeschäft PC-Hersteller

reine OEM-Lieferanten

Eine derart differenzierte Karte bietet den Vorteil, die beim Eintritt in eine der vier

Hauptgruppen gewählte Wertschöpfungsstufe abbilden zu können. Der damit

erreichte zusätzliche Aussagegehalt betrifft den Schutz bzw. die Überwindbarkeit der

Mobilitätsbarrieren dieser Gruppen. So hat z.B. Victor Technologies die Gruppe der

"Brand Identification-Clones" als OEM-Nehmer betreten, wobei ein Gruppenwechsel

aus dem Kreis der "Value Added Products"-Anbieter vorgenommen wurde: Victor

(damals noch Sirius) wurde Anfang 1981 in den USA von ehemaligen Commodore­

Mitarbeitern gegründet. Innerhalb eines Jahres wurde der Sirius 1 entwickelt, einer der ersten 16-Bit-Mikrocomputer, die auf den Markt kamen. Dieser Rechner wies

neben dem 8/16-Bit-Prozessor Intel 8088 eine Reihe weiterer, außergewöhnlicher

Merkmale auf, z.B. eine frei programrnierbare Tastatur, einen Bildschirm mit hoher

Auflösung, zwei 1,2-MB-Diskettenlaufwerke und die Anschlußmöglichkeit einer

externen 10-MB-Festplatte. In Deutschland war der Sirius 1 zu Beginn des Jahres 1982 lieferbar, also etwa ein Jahr vor dem Markteintritt von IBM. Aufgrund dieses

zeitlichen Vorsprungs avancierte Victor in Europa zum Marktführer im 16-Bit­

Segment. Außerdem entstand aufgrund der frühen Verfügbarkeit ein breites Soft­ware angebot für den Sirius 1, so daß man zunächst auch nach dem Markteintritt von

IBM keine Veranlassung zur Kompatibilität zum Industriestandard sah. Im zweiten

Quartal des Jahres 1983 geriet Victor Technologies jedoch in die Verlustzone und mußte sich 1984 zur Konsolidierung unter den Schutz von Chapter 11 des amerika­

nischen Konkursrechts begeben. Als Grund wurde von Victors President Charles

Peddle der Eintritt von IBM in den Mikrocomputermarkt genannt, aufgrund dessen man sich gezwungen sah, die Marktstrategie zu ändern120. 1985 stellte Victor den

120 vgl. CW 10 (1983) 40, S. 1.

Page 313: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

298

Sirius VI vor, der über eine Softwarelösung die positiven Eigenschaften des Sirius 1

mit den Vorzügen der MS-DOS-Softwarepakete verbindet. Daneben wurde das Indu­

striestandard-Modell VPC eingeführt, gefolgt von dem AT-kompatiblen V286. Im August 1985 wurden die Preise für die kompatible Produktlinie gesenkt. Ähnlich wie

bei Commodore wurde für den VPC eine preisaggressive Werbung betrieben.

Während der Sirius 1 von Victor in den USA noch selbst montiert wurde, ließ man

die Nachfolgemodelle bei Kyocera in Japan fertigen. Victor überträgt damit seinen Markennamen, der von den Erfolgen des innovativen Sirius 1 herrührt, auf ein fremdgefertigtes Industriestandard-Produkt. Die Verlagerung der Fertigung auf einen

fernöstlichen Produzenten ermöglichte es Victor, die Hardwarekosten auf ein solches Niveau zu senken, das für die Verfolgung einer preisaggressiven Strategie im unteren

Segment des IBM-kompatiblen Marktes erforderlich ist. Victor überwand also die

MobiIitätsbarrieren zur Gruppe der "Brand Identification-Clones", indem man die

Kostenerfahrung auf der Hardware- bzw. Produktseite zukaufte, während die

Markenidentifikationsbarriere aufgrund des Images aus der Pionierzeit des 16-Bit­

Marktes kein Hindernis darstellte und auch der Zugang zum Fachhandel schon be­

reitet war. Vor dem entgegengesetzten Problem stand die Tandon Corporation, die als bishe­

riger OEM- und Komponentenhersteller bereits über Erfahrung im Bau kompletter

Personal Computer verfügte und daher von der Kostenseite her die Voraussetzungen

für den Eintritt als Hersteller in die "Brand Identification-Clones"-Gruppe erfüllt

haben dürfteU1. Gravierender waren hier die Barrieren "Fachhandelszugang" und "Markenidentifikation", da ja Tandon - anders als Victor - bislang nicht mit Personal

Computern im Endanwendermarkt vertreten war. Allerdings war durch das sich ent­

wickelnde Endkundengeschäft mit nachrüstbaren Festplatten eine gewisse Basis vor­

handen, welche die Ansprache des Handels und z.T. auch der Endabnehmer er­

leichterte.

Vor der umfassendsten (aber nicht unbedingt schwierigsten) Aufgabe beim Zutritt

zur Gruppe der "Brand Identification-Clones" dürfte Commodore gestanden haben:

Um sich als PC-Hersteller in dieser Gruppe zu etablieren, mußte Commodore Ferti­

gungskapazitäten für eine entsprechend hohe Stückzahl einrichten, die eine kosten­

günstige Produktion erlaubte, mußte den Fachhandelsvertrieb für seine PC-Linie

aufbauen bzw. reaktivieren und verstärkt die Zielgruppe der professionellen Anwen­der ansprechen, die in der Homecomputer-Ära vernachlässigt worden war. Trotz der

im Vergleich zu Victor und Tandon breiteren AufgabensteIlung war Commodores

Ausgangsposition jedoch ebenfalls in mehrerer Hinsicht günstig: Man verfügte bereits

121 Der Eintritt über zugekaufte OEM-pes kam für Tandon nicht in Frage, da man durch das End­kundengeschäft ja gerade die eigenen Kapazitäten besser auslasten wollte.

Page 314: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

299

über Massenproduktionserfahrung aus dem Homecomputerbereich, genoß einen

hohen Bekanntheitsgrad bei bestimmten semiprofessionellen Anwendern und hatte

bereits in der Vergangenheit kommerzielle Mikrocomputer über den Fachhandel

vertrieben122•

Sieht man von den Vorteilen ab, welche die beschriebenen Vertreter der "Brand

Identification-Clones" aus ihren früheren Tätigkeitsfeldern ziehen konnten, so ist diese strategische Gruppe vor dem Zutritt von DEM-Nehmem (nur) durch die

Vertriebs- und Markenidentifikationsbarriere geschützt. Ein Wettbewerber dieser

Gruppe, der nur im Endkundengeschäft als Hersteller operiert, muß zusätzlich eine günstige Kostenposition (selbst) realisieren, die ihm das Setzen von Niedrigpreisen

ermöglicht. Dabei ist er - ceteris paribus - gegenüber einem Konkurrenten im Nach­teil, der auch im DEM-Geschäft tätig ist und daher die Möglichkeit der Kostenauf­teilung in der Fertigung besitzt bzw. eher Degressionseffekte verwirklichen kann.

Die Wertschöpfungsstufe ist also unter Eintrittsgesichtspunkten von Bedeutung, nicht

aber hinsichtlich des Angebotsverhaltens im Marktl23. Hier stellen die Wahl des Ver­

triebsweges und der Grad der Markenidentifikation die zentralen Strategiedimen­

sionen dar, die zugleich die wesentlichen Mobilitätsbarrieren zwischen den strategischen

Gruppen hervorrufenl24:

Die "Big Names" sind durch eine "Direktvertriebsbarriere" vor Übertritten der "Value

Added Products"-Anbieter geschützt, denen eine eigene Direktvertriebsorganisation

fehlt. Diese können die Vertriebsstrategie der "Big Names" nicht nachvollziehen, da

die Bedienung paralleler Absatzkanäle zu Lasten der Loyalität des Fachhandels

gehen würde, die als zentraler Erfolgsfaktor dieser Gruppe erachtet wird. In umge­

kehrter Richtung können die "Big Names" nicht auf den traditionellen Direktvertrieb

verzichten, da sie ihren Großkunden verpflichtet sind, die meist direkt mit dem

Hersteller in Verhandlung treten wollen.

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Wegen fehlender Fachhandelstreue im Homecomputergeschäft waren Commodores Beziehungen zum Fachhandel jedoch eher schlecht: Durch die Öffnung zu den Warenhäusern, die den C64 auf­grund einer anderen Kalkulationsbasis billiger anbieten konnten, war das Vertrauensverhältnis zu den C64-Händlern beeinträchtigt worden.

OEM-Nehmer und OEM-Hersteller sind denn auch keine exklusive Erscheinung der 'Brand Identification-Clones'-Gruppe, die aufgrund des niedrigen Preisniveaus einem starken Kostendruck ausgesetzt ist. Mit Nixdorf bzw. NCR sind auch unter den 'Big Names' OEM-Nehmer bzw. -Hersteller auszumachen.

Nach den von Porter (Wettbewerbsstrategie, S.204) aufgestellten Grundsätzen für den Entwurf einer strategischen Karte eignen sich als Achsen jene strategischen Variablen am besten, die die entscheidenden Mobilitätsbarrieren in der Branche bestimmen. Dementsprechend wird hier auch dem in Abb. 16 dargestellten Diagramm der Vorzug gegenüber einer Karte gegeben, die zudem auch die Wertschöpfungsstufe berücksichtigt.

Page 315: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

300

Vor Übertritten aus den "Clones"-Gruppen sind die Unternehmen mit einem hohen

Grad an Markenidentifikation durch eine Produktdifferenzierungs- bzw. Image­

barriere geschützt, die "Big Names" außerdem durch die Direktvertriebsbarriere, die

allerdings von einigen "Brand Identification-Clones" (z.B. Zenith und Tandon) im

Segment der öffentlichen Abnehmer bereits durchbrochen wurde - vorerst allerdings

nur im US-Markt. Eine Verbesserung der Imageposition ist jedoch mit nachhaltigen

Schwierigkeiten verbunden, da die "Big Names" ihren Differenzierungsvorteil marke­tingseitig aus verwandten DV-Segmenten ziehen, in denen die "Brand Identification­

Clones" nicht vertreten sind. Die Differenzierungsposition der Mikrocomputer­

spezialisten Compaq und Apple ist in einem "first mover advantage" im sog. "high

end" des standardkompatiblen Marktes bzw. in der Pionier-Rolle bei der bediener­

freundlichen Benutzeroberfläche begründet. Diese "early mover"-Vorteile, die durch

eine starke Marketingunterstützung abgesichert sind, können von den "Brand Iden­

tification-Clones" nicht kompensiert oder überwunden werden, indem diese ihre bis­

herige Strategie besser realisieren. Die Einnahme einer vergleichbaren Position setzt

strategische Durchbrüche voraus125• Werden hierzu beispielsweise - wie bei Apple -produktseitige Alleinstellungsmerkmale außerhalb des Industriestandards angestrebt,

ergibt sich als zusätzliche Schwierigkeit die Bereitstellung von Komplementärproduk­ten. Hierfür müßten Softwarehäuser und Add-on-Lieferanten gewonnen werden, die

sich jedoch in der Regel am De-facto-Standard orientieren.

Die Gruppe der "Brand Identification-Clones" schließlich ist durch ihre mittlere

Differenzierungsposition gegenüber Zutritten aus der "No Names"-Gruppe abge­schirmt. Ein Eintrittshemmnis für Konkurrenten mit höherer Markenidentifikation,

die einen Gruppenwechsel vornehmen wollen, könnte in dem niedrigen Preisniveau

liegen, von dem ein entsprechender Druck auf die Kostenposition ausgeht. Wie

bereits am Beispiel der Firma Victor Technologies gezeigt, kann diesem Kostendruck

auf der Hardware- bzw. Fertigungsseite durch eine OEM-Strategie begegnet werden,

so daß letztlich nur Größenersparnisse in Marketing und Vertrieb zutrittshemmend wirken.

Eine Möglichkeit zur Kompensation gerade der Größenersparnisse in den Bereichen

Marketing und Vertrieb besteht in der regionalen Konzentration. Obwohl sie ein stra­

tegisch wichtiges Unterscheidungsmerkmal darstellt, wurde die regionale Spezialisie­

rung innerhalb des bundesdeutschen Gesamtmarktes aus Gründen der Komplexitäts-

125 VgI. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 182.

Page 316: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

301

reduzierung bislang zurückgestellt126. Insofern bezog sich die strategische Karte vor­

erst nur auf den Kernbereich der Branche, in dem 1985 allein 18 landesweit operie­

rende Unternehmen (der insgesamt auf über 200 geschätzten Branchenteilnehmer)

ca. 90 % des gesamten Branchenvolumens auf sich vereinigten127•

Eine Erweiterung der strategischen Karte um den "Grad der geographischen

Marktabdeckung" als dritten Achsenabschnitt gestattet es nun, die regionalen

Nischenanbieter von den national vertretenen Marktteilnehmern zu unterscheiden.

Nach Schätzung eines befragten Branchenvertreters verkaufen diese regional

begrenzt operierenden Anbieter zu zwei Dritteln über den Preis und zu einem Drittel

über das Angebot einer Problemlösung. Im letztgenannten Fall handelt es sich jedoch

zumeist um OEM-Nehmer bzw. Value Added Reseller, die das zugekaufte Gerät z.B.

hardwareseitig für spezielle Abnehmerkreise erweitern, so daß es sich hier im allge­

meinen nicht mehr um "general purpose"-PCs handelt128.

Die Mehrheit der Nischenanbieter, die ihre Produkte über den Preis vermarktet, tritt

aufgrund einer geringen Markenidentifikation und übereinstimmender Ver­

triebskanäle in Konkurrenz zu den "Brand Identification-" oder "No Name-Clones".

Ihre Wertschöpfung beschränkt sich auf der Fertigungsseite auf die Montage zuge­

kaufter Teile, nennenswerte FuE wird nicht betrieben. Selbst wenn diese Firmen

Kostennachteile aufgrund geringerer Einkaufsvolumina und auch höhere Herstell­

kosten als Massenproduzenten in Kauf nehmen müssen, können sie nach Aussagen

eines Branchenvertreters gegenüber Herstellern aus Übersee dennoch im Vorteil

sein, deren Transport- und Zollkosten nicht dem Scale-Effekt unterliegen. Denn nach

der bereits vorgestellten Branchenregel entfällt lediglich ein Drittel der Gesamt­

kosten auf Produktion und Entwicklung, d.h. nur dieser Kostenanteil kann auf die

weltweite Absatzmenge umgelegt werden. Zwei Drittel der Wertschöpfungsaktivi­

täten und -kosten sind hingegen landesspezifisch und damit auch regional stark

begrenzbar. Ein Beispiel für einen derartigen Regionalanbieter bildet die Mainzer

ICF GmbH, die IBM-kompatible Modelle aus zugekauften Teilen zusammen­

montiert, die überwiegend aus Taiwan, aber auch aus den USA bezogen werden. Als

Absatzgebiet nennt das Unternehmen einen Umkreis von ca. 100 km um den Stand­

ort Mainz. Über eine größere Entfernung kann die persönliche Unterstützung nicht

geleistet werden, mit der das Unternehmen operiert. Auch darf eine bestimmte

126 Unter Punkt 6.1.2.4. wurde die geographische Marktabdeckung zunächst nur auf internatioanler Ebene beleuchtet.

127 Sowohl wert- als auch stückzahlmäßig. Angaben nach IDC Deutschland GmbH.

128 Der Gesprächspartner aus dem Hause NCR berichtete beispielsweise über einen VAR, der NCR­PCs mit einer Wiegevorrichtung und entsprechender Software versieht und dieses Paket an Schlachthöfe vertreibt.

Page 317: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

302

Unternehmensgröße nicht überschritten werden, die man bei ICF bereits als erreicht

sieht129•

Damit stellen sich offenbar Ersparnisse mit einer sehr unterschiedlichen Wertkette

bei geringer Betriebsgröße in einem regional eng begrenzten Markt ein. Außerhalb

dieser Absatzregion und oberhalb einer kritischen Betriebsgröße treten bei der gege­

benen Ausgestaltung der Wertaktivitäten jedoch "diseconomies" auf, worin die Mobi­

litätsbarriere zum Kembereich der Branche zu sehen ist.

Zusammenfassung zur Analyse der brancheninternen Struktur:

Als die wesentlichen strategischen Dimensionen, die die strategische Karte der

Mikrocomputerbranche aufspannen, wurden die Wahl des Vertriebsweges und der

Grad der Markenidentifikation bestimmt. Diese beiden Quellen zentraler Strategie­

unterschiede rufen auch die Mobilitätsbarrieren hervor, die zwischen den Gruppen

bestehen: Die "Big Names" sind vor Übertritten aus den drei anderen Gruppen durch

eine Direktvertriebsbarriere geschützt, vor einem Gruppenwechsel von "No Name-"

oder "Brand Identification-Clones" zusätzlich durch eine Produktdifferenzierungs­

bzw. Markenidentifikationsbarriere. Diese schirmt auch die "Value Added

Hardware"-Anbieter gegenüber den beiden Clones-Gruppen ab und trennt außerdem

die "No Name-Clones" von den "Brand Identification-Clones".

129 Vgl. Chip 1987/4, S. 40 - 42.

Page 318: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

303

6.2. Art und Ausmaß struktureller Eintrittsbarrieren

Nach der Bestimmung der strategischen Gruppen und der sie umgebenden Mobili­

tätsbarrieren gilt es nun, Art und Ausmaß der strukturellen (Eintritts-)Barrieren zu untersuchen. Hierzu sind, wie oben in Kapitel 3.1.1. dargelegt, die Kosten- und Diffe­

renzierungsposition bestehender und potentiell neueintretender Wettbewerber ein­

ander gegenüberzustellen, wobei zu beachten ist, daß ein Newcomer immer mit Ver­

tretern der von ihm anvisierten strategischen Gruppe verglichen wird.

Empirisch kann dies erfolgen, indem mehr oder weniger plausible bzw. stichhaltige

Annahmen darüber getroffen werden, welches quantitative Ausmaß die Wett­

bewerbsnachteile eines potentiellen, nicht näher spezifizierten Newcomers annehmen

könnenl . Ein zweiter Weg besteht darin, in der Vergangenheit erfolgte Markteintritte

auf die tatsächlichen Nachteile hin zu beleuchten. Die letztgenannte Vorgehensweise

hat gegenüber einer hypothetischen Analyse zugleich den Vorteil, auch die Über­

windung eventueller Kosten- oder Differenzierungsnachteile durch entsprechende

Eintrittsstrategien beschreiben zu können2•

Dieser Weg wird nachfolgend beschritten. Er erweist sich jedoch im Hinblick auf eine

exakte Quantifizierung der Wettbewerbsnachteile neu eingetretener Anbieter nicht

als vollständig gangbar: Da Informationen über die Kostenstrukturen der betreffen­

den Unternehmen nicht immer in der erforderlichen Detaillierung zugänglich

gemacht werden konnten und da von den Gesprächspartnern zu verschiedenen Punk­

ten nur ungefähre Angaben gemacht werden konnten3, muß zwangsläufig über eine

Synthese aus "harten" (quantitativen) und "weichen" (qualitativen) Aussagen eine

Einschätzung über das Ausmaß der Wettbewerbsnachteile von Newcomern ge­

wonnen werden.

1

2

3

Bei dieser Vorgehensweise könnte eine beispielhafte Fragestellung lauten: Welche Marge müßte ein Newcomer dem Handel einräumen, um noch Zugang zu indirekten Vertriebskanälen zu finden?

Die zu oben vergleichbare Frage könnte folgende Gestalt annehmen: Mußte sich Tandon beim Aufbau eines Vertriebsnetzes im Jahr 1985/86 den Zugang zum Fachhandel durch eine höhere Handelsspanne erkaufen, die über der branchen- bzw. gruppenüblichen Marge lag, oder gelang es auf eine andere Weise, dem Handel attraktiv zu erscheinen?

Etwa derart: geringer, mittlerer oder hoher Nachteil.

Page 319: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

304

6.2.1. Die ProduktdifTerenzierungsbarriere: DifTerenzierungsnachteile neuer

Wettbewerber

Der Differenzierungsnachteil eines Newcomers findet nach Bain4 seinen Ausdruck in

den Preisnachlässen und den Mehrkosten (z.B. in Form überdurchschnittlich hoher

Werbeaufwendungen), die ein neuer Wettbewerber in Kauf nehmen muß, um beste­

hende Konsumentenpräferenzen zu überwinden. In der Mikrocomputerbranche ent­

stehen neuen Anbietern derartige Nachteile in folgenden Bereichen oder aus folgen­

den Gründen: bei der Hardwaredifferenzierung und der Erfüllung anderer Kaufkri­

terien, beim Signalisieren des Kundennutzens, bei der Differenzierung außerhalb des

Branchenstandards und durch Preisunterbietungen anstelle eines höheren Kunden­

nutzens.

6.2.1.1. Nachteile bei der HardwaredifTerenzierung

Am deutlichsten tritt der Differenzierungsnachteil neuer Wettbewerber gegenüber

dem Branchenführer IBM in der Preis- und Produktpolitik der "Big Names"-Mitbe­

werber zutage: Nach dem Muster des PCM-Wettbewerbs im Großrechnerbereich

unterbieten diese den Marktführer preislich um einige Prozentpunkte, wobei ihre

Produkte dem entsprechenden IBM-Modell leistungsmäßig meist sogar überlegen

sind. Wie von verschiedenen Gesprächspartnern betont, verursacht die Differen­

zierung der Geräte selbst erhebliche Differenzierungskosten, insbesondere in Gestalt

von FuE, aber auch durch höherwertige Komponenten. Nach Auskunft des Hauses DEC bestehen hinsichtlich der Entwicklungskosten nur die gegensätzlichen Alterna­

tiven an den beiden Extrempunkten: Entweder man beschränkt die eigenen Ent­

wicklungsanstrengungen auf das absolut notwendige Minimum, um praktisch nur eine

Stückliste für einen Standard-PC zu generieren; oder aber man veranschlagt Ent­

wicklungskosten von mindestens 5 bis 6 Mio. DM, um fühlbare Produktverbesserun­

gen vornehmen zu können, z.B. durch Adaption eines schnelleren Prozessors oder

durch technische Verbesserungen in dessen direkter UmgebungS. Die mit einem

Budget von 2 bis 3 Mio. DM erzielbaren Resultate sind hingegen nicht merklich

besser als bei einem Aufwand von beispielsweise 150.000 DM.

4

5 Vgl. Bain (Barriers), S. 116.

So beschäftigt z.B. NCR knapp 200 Mitarbeiter im Bereich FuE, während Charles Peddle, der Konstrukteur so erfolgreicher Produkte wie des Sirius 1 von Victor, mit einem Team von nur wenigen Personen die standardkompatible Produktgeneration für Tandon entwarf. Noch extremer soll die Minimierung der Entwicklungskosten bei Amstrad/Schneider betrieben werden.

Page 320: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

305

Um seinen Differenzierungsnachteil ausgleichen und signifikante Hardwareverbesse­

rungen vornehmen zu können, muß ein Newcomer also die genannte Mindest­

schwelle bei seinen FuE-Aktivitäten überschreiten - Kosten, die der Marktführer auf­

grund seiner Differenzierungsposition nicht zu tragen hat. Allerdings könnte ein

Newcomer aber davon profitieren, daß ein "imitierbares Standard-Gerät" vorliegt, für

dessen Bauteile ein umfangreicher Komponentenmarkt existiert, so daß immerhin

das "Standard-Know how" nahezu kostenlos zugänglich ist, worin ein "late mover

advantage" zu sehen wäre. Einschränkend ist hierzu jedoch zu sagen, daß die Ent­

wicklungskosten von ffiM als eher gering bezeichnet werden, da mit der Entschei­

dung für ein offenes System zugleich ein Großteil der Entwicklungsarbeit ebenfalls

nach außen auf die Zulieferanten verlagert werden konnte6.

Für einen Newcomer bzw. "Big Names"-Mitbewerber, der sich gegenüber ffiM

dadurch abzuheben versucht, daß er dem Kunden ein günstigeres Preis-/Leistungs­

verhältnis bietet, nimmt der Differenzierungsnachteil also folgendes Ausmaß an:

Die Höhe des eingeräumtenPreisvorteils',

zuzüglich der DiJferenzierungskosten auf der Hard- bzw. Softwareseite, die bei­

spielsweise durch den Einsatz höherwertiger und teurerer Komponenten oder

durch FuE-Projekte entstehen können,

abzüglich der Kostenvorteile für die Nutzung allgemein zugänglichen Know hows,

soweit dies dem Marktführer nicht bereits durch das bloße Setzen eines Bran­

chenstandards ebenfalls möglich war.

Der sich ergebende Saldo spiegelt den Differenzierungsnachteil jedoch nicht notwen­

digerweise in vollem Umfang wider. Denn wenn es einem Konkurrenten gelingt,

durch intensive Entwicklungsanstrengungen seinen Differenzierungsnachteil voll­

ständig auszugleichen, müßte er - sonstige Mobilitätsbarrieren und Zufallseinflüsse

einmal ausgeklammert - das gleiche Absatzvolumen vorzuweisen haben, das auf den

führenden Differenzierer entfällt. Der Branchenzweite und -dritte liegenaber hinter

dem Marktführer ffiM mit einem Abstand von ca. 50 % zurück, gemessen an dessen

Absatzvolumen im Jahr 1985. Folglich bestehen immer noch Käuferpräferenzen

zugunsten von ffiM, so daß der rein rechnerische Nachteil den tatsächlichen Diffe­

renzierungsnachteil gegenüber ffiM unterbewertet: Um gleiche Absatzchancen auf-

6 So beschreibt Henk den IBM PC wie folgt: "Die Diskettenlaufwerke des PC sind von Tandon, der Bildschirm stammt aus Taiwan, der Drucker ist von Epson, das Betriebssystem DOS ist von Microsoft (MS-DOS), das zweite Betriebssystem CP /M·86 ist von Digital Research, der Mikropro­zessor 8088 kommt von Intel, das Textsystem Easy Writer stammt von der Software-Firma IUS ... ; und als erste kommerzielle Anwendungssoftware wurde ein auf anderen Rechnern bereits bewähr­tes Paket von Peachtree ausgewählt." Henk (IBM-PC), S. 16.

Page 321: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

306

zuweisen, müßten die Mitbewerber noch höhere Differenzierungskosten auf sich

nehmen. Und solange die zusätzlich getragenen Differenzierungskosten, die wie im Falle der FuE-Aufwendungen Fixkostencharakter haben, nicht zur Kompensation des

Differenzierungsnachteils ausreichen, verteilen sich diese Fixkosten auf ein gerin­

geres Absatzvolumen, d.h. es liegt zugleich ein größenabhängiger Nachteil vor, der zu

höheren Stückkosten führt7•

6.2.1.2. Nachteile bei der Erf"tillung sonstiger Kautkriterien

Im allgemeinen schafft nicht nur das Gerät selbst einen Wert für den Abnehmer. Ein

Kundennutzen kann sich vielmehr überall dort einstellen, wo ein Anbieter auf die

Wertkette des Abnehmers Einfluß zu nehmen vermag, entweder indem er die Kosten der betreffenden Abnehmeraktivität senkt, oder indem er die Abnehmerleistung

selbst steigert8. Damit kann von jeder Aktivität in der Wertkette eines Unternehmens

ein Beitrag zur Differenzierung ausgehen, nicht nur von der "Hardware" selbst9.

Für einen Newcomer unter den "Big Names" bedeutet dies, daß er einen Wettbe­

werbsnachteil, der aus anderen Differenzierungsquellen des Marktführers herrührt, nicht unbedingt bzw. nicht allein mittels eines überlegenen Produktes und vermehrter

Entwicklungsanstrengungen ausgleichen kann: Da die Stärke von IBM darin besteht,

technologisch durchschnittliche Produkte erfolgreich zu vermarkten, eröffnet sich für

Wettbewerber zwar prinzipiell die Chance, sich mittels leistungsfähigerer Geräte vom

Standard abzuheben. Jedoch hat die Erfahrung in der Mikrocomputerbranche

gezeigt, daß eine Differenzierung dank überlegener Leistungsmerkmale der Hard­

ware selbst nur begrenzt von den Kunden honoriert wird. Davidow spricht in diesem

Zusammenhang von der "fixen Idee der Gerätedifferenzierung", die in vielen High

tech-Bereichen beobachtbar ist: "Marginale Produktdifferenzierung ist nicht die

alleinige Domäne der PC-Branche. Überraschend viele Technologie-Unternehmen

sind in der Lage, ihre Produkte von denen der Konkurrenz durch nur allerkleinste

7

8

9

Vgl. hierzu auch Wells (Synergy), S. 186. Reill allalytisch liegt jedoch ein Differenzierungsnachteil und nicht ein größenabhängiger Nachteil vor, d.h. die Ursache des Kostennachteils liegt primär in der ungünstigeren Differenzierungsposition begründet. Simultane Größennachteile ergeben sich ggf. als Folge hiervon.

Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 180 ff.

Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 166. Zu einer Aufstellung typischer Differenzierungsquellen in der Wertkette vgl. ebenda, S. 167, Abb. 4-1.

Page 322: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

307

Unterschiede zu differenzieren."l0 Die Tatsache, daß hochtechnologische Produkte

einander immer mehr gleichen, führt Davidow11 auf die Standardisierung, aber auch

auf die Komplexität der Produkte selbst zurück: Das Erlernen des Umganges mit so

komplizierten Produkten wie einem Personal Computer erfordert eine relativ lange

Einarbeitungszeit. Noch mehr Zeit ist erforderlich, um die subtilen Unterschiede

zwischen verschiedenen Produkten würdigen zu können. Auch wenn es die technolo­gische Kompliziertheit von Produkten erleichtert, sie zu differenzieren, fällt "es aber

dem Kunden sehr schwer, zu wissen, daß es Unterschiede gibt. Und wenn die Unter­

schiede nicht im Kundenbewußtsein existieren, existieren sie auch nicht auf dem Markt."u Hierauf baut schließlich Davidows Plädoyer für eine Produkt-Differenzie­

rung anstelle einer Geräte-Differenzierung auf: Wenn Geräte selbst keine ausrei­

chende Möglichkeit bieten, um in den Augen der Kunden einen signifikanten Vorzug

gegenüber konkurrierenden Geräten zu entfalten, müssen andere Unterscheidungs­

merkmale in den Vordergrund gerückt werden13, z.B. Kundendienst und Kunden­

betreuung, der Außendienst oder die Vertriebskanäle. Für einen Newcomer ergibt

sich in dieser Hinsicht die Schwierigkeit, überhaupt noch Alleinstellungsmerkmale

ausfindig zu machen. Denn wenn "ein mächtiger Konkurrent bereits auf dem Markt

ist und seine Sache gut macht, ist das ein Hindernis, wie die meisten Hersteller von

IBM-kompatiblen PCs feststellen mußten."14 Sind nämlich weiteren Differenzie­

rungsmöglichkeiten Grenzen gesteckt, so ist der Spielraum für strategische Durch­

brüche beschränkt. Die Differenzierungsnachteile können wieder nur durch einen

verstärkten Ressourceneinsatz kompensiert werden.

6.2.1.3. Nachteile bei der Signalisierung eines Kundennutzens

Selbst wenn es einem Newcomer gelingen sollte, Alleinstellungsmerkmale zu kre­

ieren, die einen Wert für potentielle Abnehmer darstellen, also zu deren Kostensen­

kung oder Leistungssteigerung beitragen können, ist es nicht geWährleistet, daß

dieser zusätzlich geschaffene Wert von den Abnehmern auch wahrgenommen wird15•

10 Davidow (High Tech), S. 67. Als Beispiele nennt Davidow an dieser Stelle Halbleiterprodukte, Dis-kettenlaufwerke und Drucker.

11 Vgl. Davidow (High Tech), S. 69 f.

U Davidow (High Tech), S. 70.

13 Vgl. Davidow (High Tech), S. 71 ff.

14 Davidow (High Tech), S. 68.

15 Zum Zwecke dieser Unterscheidung zwischen dem tatsächlichen und dem perzipierten Ahnehmer. wert unterteilt Porter (Wettbewerbsvorteile, S. 191 ff.) die Kaufkriterien der Abnehmer in

Page 323: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

308

Daher wird ein Newcomer neben den Maßnahmen zur Kreierung eines tatsächlichen

Kundennutzens auch in Wertsignale investieren müssen.

Die Bedeutung dieser Wertsignale für die Differenzierung kann dabei genauso wich­tig werden wie der tatsächlich geschaffene Wert. Dies wird nach Porter insbesondere

dort der Fall sein, wo der Abnehmerwert "subjektiv oder indirekt ist oder er sich nur

schwer quantifizieren läßt, wo außerdem Abnehmer das Produkt zum ersten Mal

kaufen, wenig sachkundig sind oder Ersatzkäufe seiten sind.ot16 Diesbezüglich ergibt

sich für die Mikrocomputerbranche folgendes Bild: Die Meßbarkeit des geschaffenen

Wertes ist insbesondere in denjenigen (größeren) Unternehmen eher gering, in

denen Personal Computer als individuelle Produktivitätswerkzeuge und nicht als "miniaturisierte Universalrechner" eingesetzt werden. Während PCs in früheren

Jahren - dem allgemeinen Trend folgend - eher optimistisch und zum Zwecke des Sammelns von Erfahrung installiert wurden, werden inzwischen jedoch insbesondere

von Großkunden kritische Kosten-Nutzen-Abwägungen angestellt. Die Reife der

Anwender und auch die Qualifikation des Fachhandels sind gestiegen. Auch wenn

der Grad der Marktdurchdringung als noch sehr gering angesehen wird, nehmen Ersatzkäufe bereits zu, da es sich im Vergleich zu anderen Investitions- und

Gebrauchsgütern um Produkte mit einer relativ schnellen technologischen Veraltung handelt. Für einen gestiegenen Sachverstand spricht auch ein Wechsel bei den

Entscheidungsträgern im Beschaffungsprozeß, der zumindest bei größeren Organisa­

tionen mit bereits vorhandenen DV-Experten beobachtbar ist: Ursprünglich wurden

Personal Computer von den Benutzern in den Fachabteilungen autonom geordert, da

die Investitionen aufgrund der relativ geringen Anschaffungskosten im allgemeinen

nicht genehmigungspflichtig waren. Inzwischen wird die PC-Beschaffung jedoch von

DV-Spezialisten koordiniert. In dem Maße, in dem also Rechenzentrum- oder DV­

Leiter die Kontrolle über den sog. Mikrowildwuchs im Unternehmen zurückgewin­

nen und in dem kompetentere Wiederholungskäufer ihren Ersatzbedarf mit einer

leistungsfähigeren Rechnerklasse decken (werden), verlieren die Wertsignale für die

Differenzierung eines Herstellers an Bedeutung.

Nutzungskriterien und SignaIkriterien: NutzlIllgskriteriell geben Auskunft darüber, welche Produkt­eigenschaften oder Attribute flankierender "value activities" einen Abnehmerwert hervorrufen. SilJllalkriterien sind Indikatoren, anhand derer der Abnehmer darauf schließt, welchen Wert ihm ein Lieferant bietet. Diejenigen Faktoren, aus denen Abnehmer auf den geschaffenen Wert schließen, nennt Porter WertsilJllale. Als Beispiele hierfür führt er unter anderem Werbung, Ruf, Verpackung, professioneUes Auftreten sowie Erscheinungsbild und Persönlichkeit der Mitarbeiter an. Vgl. ebenda, S. 188. Zu einer Untersuchung der Einkaufskriterien für Personal Computer vgl. auch die Studie von Kassicieh & Rogers (purchase criteria), die Unterschiede im Kaufverhalten der Firmen nach Branchenzugehörigkeit, Unternehmensgröße und DV -Erfahrung beleuchtet.

16 Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 188.

Page 324: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

309

Trotz dieser abnehmenden Tendenz ist der Differenzierungs-beitrag der Werlsignale im

Branchenvergleich eher hoch: Verglichen mit problemlosen Konsumgütern sind

hochtechnologische Produkte für den Abnehmer höchst risikoreich. Ihm ist daher

daran gelegen, "daß das System pünktlich geliefert wird, daß es wie angegeben funk­

tioniert, daß es richtig eingesetzt werden kann, und daß der Anbieter es reparieren

kann, wenn es ausfällt. Ein High-Tech-Käufer ist mehr als die meisten anderen dem

Anbieter zugetan, von dem er glaubt, daß er den Erfolg garantierl. Die immateriellen

Aspekte sind überaus wichtig. Der gute Ruf von ffiM in Sachen Betreuung, das Qualitäts-Image von HP, ... sind integrale Bestandteile ihrer Produkte. Diese

immateriellen Werte machen Geräte zu Produkten mit erkennbaren Vorzügen."17

Voraussetzung für die Differenzierung eines Newcomers bzw. für den Ausgleich

seines Differenzierungsnachteils ist also die Schaffung eines zusätzlichen Kunden­

nutzensl8, aber ohne Investitionen in Werlsign~le sind Differenzierungsmaßnahmen gerade in der Mikrocomputerbranche nicht wirkungsvoll. Für einen Teil der erfor­

derlichen Wertsignale, z.B. für Werbung, müssen ständige Aufwendungen getätigt werden, während andere auf einem Vertrauensvorrat oder dem Ruf eines (etablier­

ten) Unternehmens aufbauen, der sich im Laufe der Zeit gebildet hat. Daher lassen sich manche Wertsignale nicht unmittelbar bzw. kurzfristig durch das betreffende

Unternehmen steuernl9.

Für einen Newcomer heißt dies, daß ein solcher Differenzierungsnachteil gegenüber

einem bestehenden Wettbewerber anfänglich nicht kompensiert werden kann, auch

nicht mit einem überdurchschnittlichen Ressourceneinsatz. Denn derartige Differen­

zierungsvorteile resultieren aus der längeren Präsenz im Markt - eine Voraussetzung,

die dem Newcomer (nach Definition) fehlt20• Als Beispiel für eine kaum überwind­

bare Differenzierungsbarriere mag ein hervorragender Kundendienst dienen, von

dem ein Unternehmen seine Abnehmer dadurch überzeugt, daß "es ihn jahrein, jahraus leistet."21

17 Davidow (High Tech), S. 71; ergänzte Hervorhebung.

18 Denn nur aus Nutzungskriterien entspringt ein echter Abnehmerwert. Für die Erfüllung der Signal­kriterien bezahlen die Abnehmer nach Porter (Wettbewerbsvorteile, S. 192) nicht per se. Vgl. ähn­lich auch Davidow (High Tech, S.81) zum Stellenwert der Werbung, die bei Hochtechnologie­produkten kaum je Unterschiede schafft, in Kombination mit echten Produktunterschieden aber von beträchtlichem Einfluß ist.

19 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 188.

20 Gleichwohl können diversiftzierende Newcomer (also die "Big Names"-Konkurrenten von IBM) eine 'strategische Plattform' in anderen, verwandten Geschäftsbereichen besitzen, die ihnen bei der Überwindung dieser zeitabhängigen Eintrittshemmnisse hilfreich ist.

21 Davidow (High Tech), S. 79. Hierin sieht Davidow (ebenda, S. 93) auch einen zentralen Differen. zierungsvorteil von IBM, dem das Unternehmen die technologische Führungsrolle geopfert hat:

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310

Zu den besser beeinflußbaren Werlsignalen eines Newcomers zählt die Werbung,

wobei jedoch auch hier gilt, daß die vergangenen Werbeaktivitäten der Etablierten

bei den Abnehmern bereits eine bestimmte Wirkung hinterlassen haben, so daß auch

bei einem vollständigen Verzicht auf Werbung die Absatzzahlen des Marktführers

nicht unmittelbar auf Null sinken würden22• Diesen Vorsprung können etablierte

Anbieter dazu benutzen, nur noch Erinnerungswerbung zu betreiben, während ein

Newcomer zunächst mittels einer höher zu veranschlagenden Einführungswerbung

auf sich aufmerksam machen müßte. Nach Schätzung eines "Big Names"-Vertreters müssen sich die gesamten Werbeauf­

wendungen auf jährlich 6 bis 10 % des Umsatzes belaufen, mindestens jedoch auf 4

bis 5 Mio. DM je Land. Nach Marktforschungsergebnissen dieses Unternehmens

betrugen 1985 allein die Aufwendungen für Medienwerbung'l3 bei IBM

13,5 Mio. DM, bei Siemens 11,6 Mio. DM. Auf deutlich geringere Werbeaufwendun­gen beschränkten sich unter den "Big Names" Olivetti mit 2,0 Mio. DM, NCR mit

1,7 Mio. DM und Hewlett Packard mit 950.000 DM. Die Budgets der "Value Added Products"-Anbieter Apple und Compaq beliefen sich auf 1,4 bzw. 1,2 Mio. DM.

Damit gelingt es den Mitbewerbern von IBM, die ebenfalls auf eine hohe Marken­

identifikation abstellen, nicht, mittels einer vergleichbaren Anzahl von Werbebot­

schaften die Aufmerksamkeit der potentiellen Abnehmer in ähnlichem Umfang auf

sich zu ziehen: Die Aufwendungen des Marktführers sind gewissermaßen ein Datum für die Branche, das von den Wettbewerbern - ceteris paribus - nicht wesentlich unterschritten werden darf bzw. sogar übertroffen werden muß, wenn diese dem

Branchenführer vom Absatzvolumen her gleichgestellt sein wollen. Für einen New­

comer mit weniger ehrgeizigen Marktanteilszielen, der sich beispielsweise auf einen

nur 5 %igen Marktanteil festlegt und sein Werbebudget dementsprechend geringer dimensioniert, kann die Höhe des Differenzierungsnachteils durch die Werbestück­

kosten relativ zum Marktführer beziffert werden: Während von einem Vertreter der "Big Names"-Gruppe die gesamten Werbekosten seines Unternehmens je 1984 abge­

setztem PC mit etwas mehr als 1.000 DM pro Stück angegeben wurden, betrug die

Vergleichszahl für IBM zwischen 400 und 500 DM. Die Mehraufwendungen für Wer­

bung in Höhe von ca. 500 bis 600 DM je verkauftem Gerät entsprechen dem Diffe-

Ständige technologische Veränderungen, insbesondere bei den Rechnerarchitekturen, hätten es unmöglich gemacht, guten Kundendienst zu leisten. Im PC-Segment .wird der Kundendienst allerdings überwiegend von Vertragshändlern ausgeführt und nicht von IBM selbst. Insofern trägt hier der Fachhandel zur Differenzierung bei. Ein Bran­chenvertreter brachte dies zum Ausdruck, indem er den IBM PC als den Volkswagen unter den Personal Computern bezeichnete, der überall repariert werden kann.

22 Zu diesem Time-lag-Argument der Werbung vgl. oben, S. 63 rf.

23 Es handelt sich bei den nachfolgenden Angaben um die PC-speziflschen Werbeetats, die allge­meine Dachwerbung ist darin nicht enthalten.

Page 326: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

311

renzierungsnachteil dieses Wettbewerbers. Jedoch kommt hierin zugleich auch der

Nachteil einer geringeren Größe zum Tragen, denn obwohl Werbeaufwendungen als

Proportion vom Umsatz angegeben wurden (6 bis 10 %), stellen sie - ähnlich den FuE-Budgets, die projektbezogen aufzustellen sind und nicht in Abhängigkeit vom

Umsatz - einen relativ fixen Kostenblock dar24. Und der Tendenz nach fixe Kosten führen zu Größenersparnissen25. So gereicht denn das mindestnotwendige Werbe­

budget von 4 bis 5 Mio. DM denjenigen Wettbewerbern zum Nachteil, die sich mit

einem relativ geringen Marktanteil bzw. Absatzvolumen begnügen wollen oder

müssen26•

6.2.1.4. Die Kosten der Differenzierung außerhalb des Branchenstandards

Während der Differenzierungsspielraum aufgrund der engen Grenzen des Industrie­

standards von den "Big Names"-Mitbewerbern durchgehend als gering empfunden wurde, versuchte sich Apple durch eine Produktlinie mit einem eigenen, inkompati­

blen Betriebssystem vom De-facto-Standard zu distanzieren27• Um das geräteseitige

24 vgl. WelJs (Synergy), S. 181.

25 Vgl. WelJs (Synergy), S. 186. 26

27

Analytisch exakt handelt es sich (analog zu oben) um Differenzierungsnachteile, die - weil nicht vollständig kompensiert - Größennachteile nach sicli ziehen. Hiergegen ließe sich kritisch einwen­den, daß Größennachteile überhaupt nicht ohne Differenzierungsnachteile denkbar sind, da eine geringere Größe letztendlich immer von einer geringeren Nachfrage und folglich von nachteiligen Käuferpräferenzen ausgeht. Der entscheidende Punkt liegt jedoch darin, daß bei jeder Größe die Werbestückkosten höher sind, also ein Nachteil ungeachtet der Größe vorliegt.

Zwischenzeitlich mußte jedoch auch Apple die Notwendigkeit erkennen, seine Geräte zur MS­DOS-Welt hin zu öffnen. Dieser Schritt wurde 1987 mit den beiden Modellen Macintosh II und Macintosh SE vollzogen, die über sechs bzw. einen Steckplatz verfügen, welche auch Karten für MS-DOS-Anwendungen aufnehmen können. Auch Commodore weist mit dem Amiga eine inkompatible Produktlinie auf, die sich ursprünglich nicht in die MS-DOS-Welt einfügte, obwohl das Unternehmen mit der Einführung der PC-Linie im Jahre 1985 die Bedeutung des Industriestandards erkannt hatte. Das Entstehen einer neuen, inkompatiblen Produktlinie erklärt man bei Commodore damit, daß die Entwicklung dieser Gerätefamilie nicht im eigenen Hause, sondern durch das (inzwischen aufgekaufte) amerikanische Entwicklungsunternehmen Amiga erfolgte. Mit der Aufnahme dieser ProduktIinie wollte man einem Angriff des Commodore-Gründers Jack Tramiel begegnen, der nach Meinungsverschieden­heiten bei Commodore ausgeschieden war und daraufhin 1984 Atari von Warner Communications übernahm, um gegen seine frühere Firma vorzugehen. Nachdem Tramiel eine Optionsfrist auf Amiga verstreichen ließ, nahm Commodore die Gelegenheit zur Übernahme wahr. Die Produkt­linie Amiga wurde gewissermaßen aus der Not heraus geboren und hatte anfänglich Schwierig­keiten, ihre Zielgruppe zu finden. Die Probleme, die sich durch die Fremdentwicklung ergaben, hat man inzwischen beigelegt, indem man mit dem in Braunschweig eigenentwickelten Modell Amiga 2000 eine Brücke zwischen der MS-DOS-Welt und der Amiga-Welt schlug - ähnlich dem "Mac Open" von Apple. Nach Auskunft von Commodore konnte so dieser "Ausreißer wieder eingefangen werden, der aus der Tatsache der Fremdentwicklung resultierte."

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312

Alleinstellungsmerkmal. die benutzerfreundliche Oberfläche. auf der Usa zu imple­

mentieren. sind nach Angaben verschiedener Quellen ca. 50 Mio. S erforderlich

gewesen28• wobei die graphische Oberfläche selbst nicht von Apple. sondern im Palo

A1to Research Center von Xerox entwickelte wurde. Apple hat damit bei hohen

Differenzierungskosten eine technische Einzigartigkeit geschaffen, die für die

Kunden einen Wert in Form von Bedienungskomfort und kürzeren Einarbeitungs­

und Schulungszeiten darstellt29•

Mit diesem Gerät, der Usa, wollte Apple den Einzug in das kommerzielle Segment,

insbesondere in die "Fortune lOOO"-Unternehmen bewältigen, nachdem der Apple II

auf se mi professionelle Einsatzgebiete und den Ausbildungsbereich beschränkt war.

Jedoch blieb Apple der Erfolg bei dieser Zielgruppe versagt: Trotz der gebotenen

Produktvorteile bzw. des für den Benutzer geschaffenen Wertes waren diese Abneh­

mer nicht bereit, den relativ hohen Preis von ursprünglich 28.500 DM zu bezahlen.

Als Gründe für das Scheitern der Usa wurden in der Fachpresse neben dem Preis­

niveau das ungenügende Softwareangebot und die Inkompatibilität zum Industrie­

standard genannt30• Eine Erklärung des Mißerfolges dieses einzigartigen Produktes

kann jedoch auch über die Vernachlässigung der Wertsignale für kommerzielle

Abnehmer erfolgen: Trotz umfangreicher Einführungskampagnen31 gelang es dem

Unternehmen nicht, ein Vertrauen bei professionellen Anwendern zu schaffen.

Davidow führt dies darauf zurück, daß Apple in seinem bisherigen Marktsegment "gefangen" war:

·Steve Jobs, die Kultfigur der Personal-Computer-Branche. hatte einen besonderen Appeal für junge Leute. und er hat das Produkt von Apple nach ihren Bedürfnissen geformt. Darüber hinaus hat Jobs Apple selbst zu etwas Besonderem gemacht. Er war der Held. der die Welt vor der Herrschaft der Männer in den grauen Anzügen rettete. Das mag absurd klingen, aber Studenten und Lehrer im ganzen Land kauften diesen Unterschied und die Apple-Computer noch dazu. Aber dieses Heldenimage war für das kommerzielle Amerika nicht annähernd so attraktiv. Viele Unternehmen, von ihren Problemen beschämt und in derselben Fachpresse aufs Korn genommen, die Jobs in den Himmel lobte. waren durch die Haltung dieses Unter-

28 vgI. Wiwo 37 (1983) 38, S. 1.$8, oder mcw 198-1/2, S. 12.

29 Applc gab die durchschnittliche Einarbeitungszcit in eines der sechs Ao,,=dungsprogramme mit etwa 20 Minuten aD, gegenüber mehreren Stunden bei anderea Systemen. VgI.. Da\idson (Apple), S.114.

30 VgI. LB. Yasaki (Mac), S. 63, und mcw 198-1/2, S. 12, so"ie McClcllan (SlWcout), S. 218 f.

31 McClellan (SlWcout. S. 118) spricht \'Om "._ most ballyhood computer produc:t of the decade - six pages in FOIOuI~. four in Business Wea. one in Tun~ - _".

Page 328: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

313

nehmens nicht nur beleidigt. sondern sie kauften auch keine Apples:32

Mit wachsendem Einfluß von John Sculley (vormals PepsiCo.). der von der Grilnder­

generation zum Chief Executive Officer berufen worden war und dessen Mission in

der Schaffung eines strikten Kostenbewußtseins und einer professionellen

Gewinn/Verlust-Orientierung bestand, konnte das behindernde 'Turnschuh-Image"

zunehmend abgelegt werden. Mit dem Nachfolgeprodukt Macintosh gelang es

schließlich - bei gleichzeitiger Professionalisierung des Erscheinungsbildes der Firma

- das Imagedefizit zu überwinden. So wird Apple heute auch von Mitbewerbern eine

"ganz spezifische, sehr loyale Klientel" bescheinigt. Es ist also Apple zwischenzeitlich

gelungen. kommerzielle Anwender. aber auch sehr loyale SW-Entwickler und Fach­

händler an sich zu binden.

Trotzdem sieht man bei Apple - neben den hohen Entwicklungskosten bzw. Kosten

der physischen Differenzierung des Produktes - eine Barriere auf der Vermarktungs­

seite: Die Produkte müssen wegen ihrer Alleinstellungsmerkmale mit einem Mehr an

Marketingaufwand und Überzeugungsarbeit abgesetzt werden33• Denn obwohl die

Produktvorzüge dem Anwender mittels eines einfachen "Hands-On"34 nahegebracht

werden können. wirken sich hier die geringe Experimentierbereitschaft und das hohe

Anspruchsniveau deutscher Benutzer nachteilig aus. Auch für Entscheidungsträger in

Großunternehmen birgt die Einzigartigkeit der Produkte ein gewisses Risiko in sich,

nämlich wenn die Geräte nicht zur Zufriedenheit der Anwender arbeiten oder nicht

akzeptiert werden. Eine Entscheidung für den Marktführer bzw. Industriestandard

hingegen enthebt einen DV-l..eiter bei auftretenden Problemen in der Hinsicht der

Verantwortung. daß er mit der Orientierung am Industriestandard keine ungewöhn­

liche Entscheidung zu vertreten hat35.

Der Differenzierungsnachteil eines Newcomers. der Alleinstellungsmerkmale außer­halb des 11ldllstriestandards sucht, besteht also zunächst in den erheblichen Entwick­

lungskosten. Selbst wenn daraus leicht kommunizierbare Produktvorteile resultieren.

die auch bZ\'1. gerade den Laien verständlich mitgeteilt werden können. bedarf es

32 Da,idow (High Tccl1), S. 8lf.

33 Dennoch "';u Apple durch eine zielgruppengerechte Kundenaruprache in der Lage, das Werbe­budget (''On frilber 25 Mio. DM p.a.) absolut zu s.enken. VgJ. mm 15 (1985) 9, S. SO.

J..I Hierunter ''eTSleht man bei Apple das Ausprobieren der Geräte ohne vorherige Lektüre der Be­nut:z.erhandbücher.

35 VgJ. hierzu auch Porter (Wettbcwerbs-.'Orteile), S. 192. Ein Branchensprichwort besagt: "You ean't bc fired ror bu)ing an IBM:

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314

wegen der überragenden Dominanz des Industriestandards dennoch zusätzlich

außergewöhnlicher Verrnarktungsanstrengungen.

6.2.1.5. DifTerenzierungsnachteile der "Brand Identification-Clones"

Auf eine andere Weise als die "Big Names" und die "Value Added Products"­

Anbieter versuchen die ''Brand Identification-Clones" dem Differenzierungsnachteil

gegenüber IBM zu begegnen: Sie verzichten von vornherein auf das Angebot eines

zusätzlichen, über den Standard hinausgehenden Kundennutzens, da sie grundsätz­lich skeptisch sind, ob die Abnehmer höherwertige Komponenten, eigene FuE und

sonstige Differenzierungsquellen mindestens in dem Ausmaß der dafür entstehenden

Kosten honorieren. Produktverbesserungen, die sich in Kostennachteilen nieder­schlagen, werden also nicht vorgenommen. So verzichtet beispielsweise Tandon auf

höherwertige Komponenten, sofern diese zugekauft werden müßten, verwendet aber

eigenentwickelte und -produzierte Bauteile oder Baugruppen, die zwar über die

Standardkonfiguration hinausgehen, aber aufgrund von Vorteilen der vertikalen

Integration nicht zu Kostennachteilen führen. Es werden also lediglich nicht mit

Kosten verbundene Differenzierungsquellen genutzt36.

Das hauptsächliche Verkaufsargument dieser strategischen Gruppe liegt jedoch in

den Preisnachlässen, deren Notwendigkeit von Tandon explizit mit einem Differen­

zierungsnachteil gegenüber dem Marktführer begründet wurde: Die Loyalität des

Handels und die Präferenzen der Anwender zugunsten von ruM seien so hoch, daß

deren Interesse für Tandon-PCs nur durch einen Preisvorteil von ca. 40 % geweckt

werden konnte.

Der Differenzierungsnachteil der "Brand Identification-Clones" gegenüber ruM und

anderen "Big Names" bestimmt sich also wiederum durch die

Höhe der Preisnachlässe, die einen Kaufanreiz bewirken sollen,

abzüglich der Kosteneinsparungen gegenüber den "Big Names", die aus dem Ver­

zicht auf Differenzierungsmaßnahmen und deren Vermittlung durch Wertsignale resultieren.

Hierbei sind jedoch ggf. geringere Absatzvolumina wieder ein Zeichen für die Unter­bewertung des Differenzierungsnachteils.

36 Zu diesem Weg des Ausbaus der Differenzierung vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. W7.

Page 330: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

315

Der so ermittelte Differenzierungsnachteil kennzeichnet die Höhe der Mobilitäts­

barrieren für Tandon oder andere "Brand Identification-Clones" gegenüber den

Gruppen mit einer hohen Markenidentifikation. Die Differenzierungsbarriere, durch

die die "Brand Identification-Clones" ihrerseits vor Newcomern geschützt sind, ergibt

sich durch einen Vergleich der Differenzierungspositionen und -kosten etablierter

und neu eingetretener Gruppenmitglieder, z.B. aus der Gegenüberstellung von

Commodore und Tandon. Nachdem zwischen diesen Wettbewerbern zum Zeitpunkt des Markteintritts von

Tandon preislich kein deutlicher Unterschied bestand, wäre prinzipiell zu erwarten,

daß Tandon als Newcomer beispielsweise mindestens ebensoviel Werbung hätte

betreiben müssen wie Commodore als größter Vertreter und Pionier dieser Gruppe.

Diese ceteris paribus getroffene Aussage gilt jedoch nicht, wenn Commodore bis zum Markteintritt von Tandon noch keine ausgeprägte

Differenzierungsposition aufbauen konnte, und

wenn sich die beiden Unternehmen in ihren Werbekonzeptionen signifikant

unterscheiden.

Nachdem Commodore die verfügbaren Ressourcen auf das Homecomputergeschäft

konzentriert hatte und bis zur Einführung der kompatiblen PC-Linie Anfang 1985 keine wesentliche Rolle im kommerziellen Segment mehr gespielt hatte, wurden die neuen Geräte in den ersten drei Monaten nur zögernd vom Markt aufgenommen, bis

ihnen dann der Durchbruch gelang. Im Herbst des gleichen Jahres war aber bereits

Tandon mit einer ähnlichen Strategie präsent. In der dazwischen liegenden Zeit

dürfte es Commodore nicht gelungen sein, einen deutlichen Differenzierungsvor­

sprung zu erzielen, da den Abnehmern eben kein spezieller und schwer imitierbarer

Kundennutzen geboten wurde außer den Preisnachlässen, die keinen vergleichbar

nachhaltigen Schutz bieten. Auch hinsichtlich des Markenimages war Tandon in

einer ebenso günstigen, wenn nicht besseren Ausgangssituation: Tandon war nicht als

Homecomputeranbieter "vorbelastet", sondern aus dem Zuliefermarkt eingetreten,

wo man in Fachkreisen bereits einen Markennamen besaß, teilweise aber auch den

Endkunden von den nachrüstbaren Festplatten her bekannt war. Der Vorteil von

Commodore beschränkt sich damit im wesentlichen auf den hohen Bekanntheitsgrad als Anbieter von "low end PCs".

Obwohl Tandon also zwar keinen bedeutenden Differenzierungsnachteil auszuglei­

chen hatte, der aus einem geringeren perzipierten Kundennutzen hätte resultieren

können, so bestand die Aufgabe dennoch darin, ein vergleichbares Maß an Bekannt­

heit zu entwickeln. c;eteris paribus bedeutet dies gleiche Werbeaufwendungen für

Commodore und Tandon. Aufgrund heterogener Werbekonzeptionen war es Tandon

Page 331: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

316

jedoch möglich, den Werbeetat stark zu begrenzen. Denn ein großer Teil des

gesamten Werbeaufwandes von Commodore37 ist darauf ausgerichtet, einen hohen

ungestützten Bekanntheitsgrad in der Gesamtbevölkerung zu bewirken38• Hierfür

betreibt Commodore in großem Umfang Sport-Werbung: Mit einem Budget von

8 Mio. DM p.a. nimmt Commodore den dritten Rang unter allen in der BRD mittels

Sport-Sponsoring werbenden Unternehmen ein39• In der gezielten Käuferansprache

geht Commodore nach dem "argumentativen Weil-Postulat" vor und betreibt damit

eine eher bedarfsweckende Werbung, indem Nutzen und Anwendungsmöglichkeiten

von (Commodore-)Computern beschrieben werden4O• Damit tätigt Commodore

neben der Werbung für das eigene Produkt zugleich Investitionen in die Branchen­

struktur41, während sich Tandon in ihren Werbekampagnen ganz auf Abnehmer mit

einer konkreten, bereits geweckten Kaufabsicht konzentriert, die unmittelbar vor der

Entscheidung für ein bestimmtes Produkt stehen. Diesen Abnehmern, die sich

zunächst am Industriestandard und damit wahrscheinlich an den Produkten von IBM

orientieren, präsentiert sich Tandon als eine preiswertere Alternative. Die Werbung

von Tandon stellt damit nicht auf einen hohen allgemeinen Bekanntheitsgrad ab, sondern spricht gezielt Interessenten in der (Entscheidungs-)Phase des Angebotsver­

gleichs an. Mit dieser gezielten Kundenansprache gelang es Tandon, das Werbe­

budget auf 2 Mio. DM zu beschränken, gegenüber 15 Mio. DM bei Commodore für eine im Vergleich dazu eher ungerichtete Werbung, die allerdings auch das Home­

computergeschäft mit umfaßt42. Diesen Betrag bezeichnete Tandon als das absolut erforderliche Minimum, bei dem es schon nicht mehr möglich gewesen war, mehr als

ganzseitige und in schwarzweiß gehaltene Anzeigen zu schalten, entgegen der mehr­

seitigen farbigen Beilagen von IBM.

37 Dieser beträgt jährlich ca. 15 Mio. DM, allerdings für die Personal Computer- und Home· computersparte.

38 Demgemäß lautet die Marketingmaxime bei Commodore: "Marktanteile steigert man über Meinungsanteile!" Vgl. Commodore Jahresbericht 1985, Mikros für alle Märkte, S.22. In dieser Firmenschrift (vgl. ebenda, S. 4) berichtet Commodore, daß der ungestützte Bekanntheitsgrad nach Ermittlungen eines unabhängigen Marktforschungsinstituts innerhalb eines Jahres von 6 auf 19 Prozent gestiegen ist.

39 Vgl. FAZ vom 02.07.1987, S. 14.

40 Eine solche Werbebotschaft lautete z.B.: "Warum die Wirtschaft einen Commodore Computer benötigt. Weil er hilft, die richtigen Prognosen zu stellen - von der Absatz- bis zur Trendentwick­lung. Weil er sich beim Kalkulieren, Bilanzieren und bei Betriebsübersichten nützlich macht." Commodore, Mikros für alle Märkte, S. 22.

41 Zum Beitrag von Konkurrenten zur Marktentwicklung vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 274.

42 Nach Angaben von Tandon sagt die Höhe der Werbeaufwendungen einiger Wettbewerber auch deshalb nichts über das erforderliche eigene Werbebudget aus, da die Inhalte der Werbekam­pagnen häufig innerhalb eines Jahres mehrfach geändert wurden, so daß sich ein dem Mitteleinsatz entsprechender Werbeerfolg nicht einstellen konnte.

Page 332: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

317

Fazit zur DilTerenzierungsbarriere:

Das vorstehende Beispiel zeigt, daß die Differenzierungspositionen und -kosten

wegen des bestehenden Gestaltungsspielraumes ungleich schwerer zu vergleichen

sind als die Preisnachlässe, mit denen ebenfalls den bestehenden Käuferpräferenzen

entgegengewirkt werden soll. Zieht man jedoch den eingeräumten Preisvorteil als

Näherungswert für den Differenzierungsnachteil heran, so ergibt sich zusammen­

fassend folgendes Bild:

Die "Big Names" haben gegenüber IBM einen Preis- bzw. Differenzierungsnach­

teil zwischen 5 und 10 Prozent43.

Aus der "Value Added Products"-Gruppe liegt Compaq etwa auf dem Preisniveau

von IBM. Die Preise von Apple sind mit den IBM-Preisen nicht direkt vergleich­

bar, da es sich nicht um Geräte des Industriestandards handelt. Jedoch werden

Apple-Produkte allgemein als (zu) teuer empfunden.

Die "Brand Identification-Clones" räumen einen Preisvorteil von ca. 40 % ein, um

Abnehmer für sich zu gewinnen. Innerhalb dieser Gruppe bestehen keine sehr

signifikanten Differenzierungsvorteile für etablierte Anbieter gegenüber neuen

Wettbewerbern, die aus verwandten Produk.tbereichen eintreten und von dort ein ähnliches Image bzw. einen Markennamen mitbringen.

Unter Einbeziehung der DiJferenzierungskosten ist der Nachteil der beiden erst­genannten Gruppen mit hoher Markenidentifikation deutlich unterbewertet, da diese

- ggf. neben den Preisvorteilen - weitere Formen des Kundennutzens unterbreiten wollen, worauf die "Brand Identification-Clones" tendenziell eher verzichten.

6.2.2. Absolute Eintrittsbarrieren

Absolute Eintrittsbarrieren entsprechen größenunabhängigen Kostenvorteilen

etablierter Wettbewerber, die für Newcomer unerreichbar sind, welche Eintrittsgröße

diese auch immer wählen mögen oder welche Größenersparnisse bei skalenanfälligen

Wertaktivitäten sie auch immer erreichen mögen44• Absolute Kostenvorteile ergeben

sich aus dem privilegierten Zugang bestehender Wettbewerber zu etwaigen Engpaß­

faktoren, wie z.B. zu patentgeschütztem Know how, zu Rohstoffen oder Inputteilen

43 So gab z.B. Ericsson an, immer 5 % unter den Preisen von IBM liegen zu wollen. Vgl. ÖVD/Online 1984/10, S. 43.

44 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 34.

Page 333: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

318

sowie zu Vertriebskanälen. Sie resultieren also nicht aus Mengendegressionseffekten

oder aus der Umlage von Fixkosten auf ein höheres Absatzvolumen, sondern nehmen

die Form proportionaler Kostennachteile an, z.B. im Falle höherer Transportkosten

aufgrund von Standortnachteilen.

Für die Mikrocomputerbranche werden nachstehend folgende absolute Eintrittsbar­

rieren diskutiert: der Zugang zum Fachhandel, zur Produkttechnologie, zu Hard­

warekomponenten und zu Komplementärprodukten. Hierbei wird sich zeigen, daß

der Zugang zu qualifizierten Fachhändlern die bedeutendste (größenunabhängige)

Eintrittsbarriere darstellt. Die Produkttechnologie des Industriestandards ist hin­

gegen für alle Wettbewerber weitgehend verfügbar. Auch auf der Beschaffungsseite

und hinsichtlich der Komplementärprodukte bestehen keine signifikanten Nachteile,

sofern ein Newcomer dem Industriestandard folgt.

6.2.2.1. Zugang zu Fachhandelskanälen

Als bedeutendste absolute Eintrittsbarriere, wenn nicht als größtes Eintrittshemmnis

bzw. als schwierigste Aufgabe überhaupt, wurde von den befragten Firmenvertretern

übereinstimmend der Aufbau eines indirekten Vertriebsnetzes genannt. Besonders

betont wurde dies von denjenigen Unternehmen, die ausschließlich auf diesen Ver­

triebsweg angewiesen sind. Allerdings bedeutet die Beschränkung auf den indirekten

Vertrieb, und dort wiederum auf den Fachhandel, zugleich eine Erleichterung für

den Zugang zu herstellerungebundenen Vertriebskanälen. In diesem Sinne werden

nachfolgend die hemmenden und die fördernden Faktoren des Zugangs zu indirekten Vertriebswegen analysiert.

Der Engpaß im Bereich des indirekten Vertriebs resultiert aus einer begrenzten

Anzahl qualifizierter Fachhändler, relativ zur mindesterforderlichen Dichte des

Vertragshändlernetzes eines PC-Anbieters: Nach einer Studie von Kellerbach45 sind

für ein flächendeckendes Vertriebsnetz mindestens 150 bis 170 Verkaufsstellen

erforderlich. Diese Zahl basiert auf einem Einzugsgebiet von ca. 50 Kilometern,

wobei diese Entfernung als die maximal annehmbare Distanz zwischen Kunde und

Händler unterstellt wird. Bei Einräumung einer regionalen Exklusivität bedeutet dies

allein ca. 130 Outlets, die zur Abdeckung von Ballungszentren um nochmals 30 bis 40

Händler zu erhöhen wären. Diese Vertriebskapazität hatten 1982 nach einer

45 Vgl. BddW vom 28.07.1983, S. 3.

Page 334: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

319

Zusammenstellung von Kellerbach zwar erst Commodore, Apple, Triumph Adler

sowie annähernd auch Philips erreicht46, jedoch wurde von den im ersten Halbjahr 1983 eingetretenen "namhaften" Newcomern die Zahl der Händler nicht als problema­

tisch bezeichnet. Bei einem für 1983 geschätzten Bestand von 1.800 bis 2.000

Händlern47 konnten die meisten Anbieter relativ schnell die gewünschte Verkaufs­

stättendichte erreichen.

Das eigentliche Problem bestand vielmehr in der Qualifikation der Händler: Es gab

und gibt nur relativ wenige kompetente und zugleich gut eingeführt~ und absatz­

starke Händler48, wobei der Neuaufbau gleichwertiger Vertriebspartner als sehr

schwierig gilt. Während das Bestreben der PC-Anbieter zunächst dahin ging, aus

Absatzgründen möglichst schnell möglichst viele Händler zu gewinnen und daher die

zwar bestehenden Anforderungsprofile für Vertragshändler großzügig gehandhabt

wurden, haben zwischenzeitlich praktisch alle Hersteller die Bedeutung der Qualifi­

kation des Fachhandels für die Kundenzufriedenheit erkannt: Sollten Abnehmer

wegen mangelnder Beratung seitens des Fachhandels nicht mit dem erworbenen

Gerät bzw. der Problemlösung zufrieden sein, so fällt dies auf das Produkt und auf

dessen Hersteller zurück, nicht aber auf den Händler. Aus dieser Erkenntnis heraus

fand eine Qualifizierung, aber auch eine Selektion unter den jeweiligen autorisierten

Händlern statt. Sollen die konsolidierten Vertriebsnetze jedoch in der von Kellerbach

analysierten Größenordnung liegen, so macht sich der Mangel an qualifizierten

Händlern negativ bemerkbar. Hinzu kommt, daß der zunehmend in professionellere

Bahnen gelenkte Fachhandel sich zu profilieren suchte und sich daher um die Auf­

nahme als IBM-Vertragshändler bzw. -Vertriebspartner bemühte49. Zugleich gingen

aber die Überlegungen des Fachhandels dahin, daß ein zweiter oder dritter Ueferant

für die Risikostreuung wünschenswert ist, nämlich für den Fall der Nichtverfügbar­

keit von Geräten oder der Beendigung der Kooperation durch IBM. Durch dieses

46 vgl. ebenda, s. 3. Die Angaben von Kellerbach basieren auf den Händlerlisten der damals führen­den Mikrocomupteranbieter.

47 Vgl. BddW vom 28.07.1983, S. 3. Hierin sind jedoch Kleinsthändler für Homecomputer ebenso ent­halten wie größere ED V -Distributoren.

48 Von den Marktforschungs- und Beratungsgesellschaften IDC und Diebold werden rund 200 Mikrohändler für kompetent befunden [Angaben nach Pest (Auswahl), S. 40, bzw. Capital 1985/3, S. 238]. Andere Quellen [IM 20 (1986) 6, S. 139] gehen von bestenfalls 600 qualifizierten PC­Händlern aus, die in der Lage sind, auch die erforderliche Beratung und den entsprechenden Kundendienst zu gewährleisten. Nach einer Untersuchung der BBE-Unternehmensberatung GmbH teilen sich von den 7.200 bestehenden PC-Händlern 400 bis 500 den größten Teil der PC­Umsätze (vgl. HB vom 09.06.1987, S. 15).

49 So konnte IBM zum Ende des ersten Geschäftsjahres bereits ca. 120 Händler mit 150 Verkaufs­steIlen vorweisen. Diese Zahl stieg bis 1985 auf 280 Händler und 360 Outlets. Für Anfang 1987 beziffert IBM die Dichte des Händlernetzes mit etwa 500 Verkaufsstellen. Vgl. IBM Verbands- und Innungsbrief, Februar 1987, S. 15.

Page 335: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

320

Bestreben, die Abhängigkeit von IBM zu begrenzen, waren ein zweiter und ein

dritter Anbieter begünstigt, jedoch wird dadurch der Zugang zu den Vertriebs­

kanälen nicht für alle weiteren Newcomer verbessert: Geht man von den jeweils gün­

stigsten Fällen aus, d.h. von bundesweit 600 qualifizierten Händlern, die drei

lieferanten parallel führen und um die sich die PC-Anbieter mit nur 150 angestreb­ten Verkaufsstellen bewerben, so finden rein rechnerisch nur 12 Wettbewerber

Zugang zu diesen Kanälen. Die Gesamtzahl der Anbieter wird hingegen mit minde­

stens 200 beziffert, worin allerdings auch die regionalen Nischenanbieter enthalten

sind.

Nachdem also die kompetenten Kanäle als besetzt gelten können, muß ein New­

comer einen überdurchschnittlichen Anreiz bieten, um noch Zugang zum Fachhandel

finden zu können. Dies setzt zunächst eine Analyse der Fachhandelssituation voraus:

Nach Angaben von Commodore rührt der Engpaß im Fachhandel daher, daß es im

allgemeinen am Know how für eine qualifizierte Beratung und an einer ausreichen­

den Kapitaldecke der Händler mangelt. Dementsprechend unterschied der

Gesprächspartner aus dem Hause Ericsson auch die meist jungen Händler mit Know

how, aber ohne eine entsprechende finanzielle Basis, und die finanzkräftigen (Büro­

maschinen-)Händler ohne Know how. Als Ansatzpunkte für eine Abhilfe kommen

also hauptsächlich

finanzielle Anreize (a) und

Schulungsmaßnahmen (b)

von seiten eines Newcomers in Betracht, wenn er sich über die Lösung der Probleme

des Handels Zugang zu diesem verschaffen will.

Ad (a) Monetäre Anreize

Die Rentabilitätslage des Handels wurde von einem Firmenvertreter wie folgt um­

rissen: Ein mittelgroßer Händler mit einem lahresabsatz von 150 Systemen hat Ver­

marktungskosten50 in Höhe von ca. 1.500 DM je PC, bei einer Erfolgsquote von

einem verkauften Gerät auf drei Anfragen51. Bei einer durchschnittlichen Handels­

spanne von 35 % auf den listenpreis und bei einem Händlerrabatt von 5 bis 10 % auf

den empfohlenen Verkaufspreis, ohne den fast keine Verkäufe mehr möglich sind,

müssen - bei einer verbleibenden Spanne von 25 % - der "Straßenpreis" bei 6.000 DM

50 Für Kontaktpflege, Beratung, Kundenbetreuung eIe.

51 Die Rair Computer GmbH beziffert den Verlriebsaufwand des Fachhandels gar auf 3.000 DM. VgI. B-W 1984/10, S. 18.

Page 336: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

321

(0. MwSt.) und der Listenpreis bei 6.700 DM liegen. Dies ist (im Jahr 1987) jedoch

allenfalls noch bei Geräten der AT-Klasse der Fall; die PC- bzw. XT-Klasse bewegt

sich nur noch zwischen 1.500 und 3.500 DM. Bei diesem Preisniveau ist das Geschäft

auf der Handelsstufe demnach nicht mehr rentabel. Hier bestünde für einen New­

comer nun die Möglichkeit, den Zugang zum Fachhandel mittels monetärer Anreize

zu bewältigen, welche die Rentabilitätssituation des Handels verbessern.

Dies könnte zum einen erfolgen, indem man dem Handel eine aberdurchschnittlich

hohe Marge eimäumt. Im Branchemnittel beträgt die Handelsspanne 35 % des Listenpreises, wobei die Bandbreite der mengenabhängigen Rabattklassen 25 bis ca.

40 Prozent beträgt52. Unter durchschnittlich 32 % ist der Fachhandel im allgemeinen

nicht bereit, neue Geräte aufzunehmen. Ein Firmenvertreter berichtete, daß zur Gewinnung neuer Händler ein Startpaket

angeboten wurde, das auf das erste Jahr der Kooperation begrenzt war. Hierin wurde

dem Handel eine um ca. 10 Prozent höhere Spanne eingeräumt, wobei der Händler

hinsichtlich des Volumens eine Verpflichtung eingehen mußte. Auch Compaq gibt

an, gegenüber IBM eine für den Handel günstigere Mengenstaffelung anzubieten:

Bereits seit Jahren liegt die Obergrenze der Compaq-Handelsspanne bei 41 %, wäh­

rend IBM nach der neuen Discountstruktur erst maximal 38,65 % offeriert.

Der Handel ist jedoch nicht allein an einer hohen prozentualen Marge, sondern ins­

besondere an einer hohen absoluten Handelsspanne interessiert. Diese kann auf dem

Wege überdurchschnittlich hoher und stabiler Listenpreise erzielt werden.

So wird der Handel eher bestrebt sein, hochpreisige Produkte der "Big Names"- oder

der "Value Added Products"-Gruppe aufzunehmen, die ihm - bei gleicher prozen­

tualer Spanne - absolut gesehen eine höhere Marge einbringen. Demnach wären Ver­

treter der "Brand Identification-Clones" mit ihrem niedrigen Preisniveau für den

Handel weniger attraktiv, d.h. sie müßten diesen Nachteil ggf. durch eine höhere pro­

zentuale Handelsspanne ausgleichen. Diesem Argument wurde von den "Brand Iden­

tification-Clones" jedoch entgegengehalten, daß die Produkte der "Big Names" wegen

der Konkurrenz billiger kompatibler Geräte auf der Handelsstufe sehr bzw. stärker

für Preisnachlässe und Rabatte anfällig seien, so daß sich die Diskrepanz zwischen

den IBM-"Straßenpreisen" und den Listenpreisen der Clones verringere. Und damit

schrumpfe auch der Differenzbetrag der Margen.

52 Bisweilen hängt die Höhe der Marge auch davon ab, ob der Händler tcchnischen Kundcndienst übernimmt oder nicht.

Page 337: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

322

Für den Handel ist daher auch nicht allein das Niveau der Listenpreise ausschlag­

gebend, sondern ebenfalls die Stabilität des empfohlenen Verkaufspreises. Dies gilt ins­

besondere vor dem Hintergrund der im PC-Handel bereits üblichen Nachlässe auf

die Listenpreise53. Als Ursache für die sinkenden "Straßenpreise" wird der intensive

Wettbewerb auf der Handelsstufe angeführt, der durch einen fehlenden Gebiets­

schutz von seiten der Hersteller bedingt ist, aber auch durch den grauen Markt der

zahlreichen B-Händler, die sich bei autorisierten Vertragshändlern nachversorgen.

Hierfür wird wiederum die Rabattstaffelung der PC-Anbieter verantwortlich

gemacht54.

Ein Newcomer könnte also vom Handel bevorzugt werden, wenn es ihm gelingt, die

Rabattgewährung auf der Handelsstufe zu verhindern oder einzudämmen, z.B. durch

Gewährung eines Gebietsschutzes oder durch' Unterbindung nicht autorisierter B­

Händler. Als einzig wirksame Maßnahme hierfür sehen Howell et al. eine "one price

for all-policy" an, also einen Verzicht auf eine mengenabhängig gestaffelte Marge55•

Eine derartige Politik wurde erstmalig in der Branche von der Firma Tandon bei

ihrem relativ späten Markteintritt im Herbst 1985 gewählt, als die Vertriebskanäle allgemein bereits als überbelegt galten: Man bot dem Handel eine einheitliche

Spanne von 34 %, die nicht mit einer Mindestabnahmemenge verbunden war, son­

dern auch für Einzelbestellungen galt. Insofern gewährte man bei geringen Bestel­lungen eine deutlich überdurchschnittliche Marge, die gegenüber bestellmengen­

abhängigen Discountstrukturen anderer Wettbewerber um etwa 8 Prozentpunkte

günstiger war. Allerdings antizipierte man bei Tandon, daß die Vereinheitlichung der

Handelsspanne zu Problemen bei der Gewinnung großer Händler führen könnte:

Diese sehen sich möglicherweise benachteiligt, da sie bei anderen Herstellern Men­

genrabatte erhalten. Man ging jedoch davon aus, daß sich das Einkaufsverhalten die­

ser Händler ändern könnte, angesichts der allgemein geringen Finanzdecke des

Fachhandels. Denn um bei anderen PC-Anbietern in eine akzeptable Rabattstufe von

etwa 35 % zu gelangen, müssen große Mengen bestellt und abgenommen werden.

53 Nach Angaben von Compaq liegen die "street prices" von IBM - gemittelt aus allen Produkten -22 % unter dem empfohlenen Verkaufspreis, die der Compaq-Produkte liegen hingegen durch­schnittlich nur 6,2 % unter dem Listenpreis.

54 VgI. Howell, Britney, Kuzdrall & Wilcox (Gray markets), S. 259 f. Die Autoren zeigen in ihrem Beitrag anhand der Discountstruktur des IBM AT, daß es sich für einen Händler rechnet, mehr als die benötigte Menge zu bestellen und die überzähligen Geräte an einen B-Händler zu liefern. Im Einzelfall kann die Konstellation sogar so günstig sein, daß der autorisierte Händler seine Beschaffungskosten allein durch Überschreiten der nächsten Discountschwelle minimiert, also auch ohne Weiterveräußerung der überschüssigen Ware. Darüber hinaus trägt jeder Betrag, den er einem B-Händler in Rechnung stellt, dazu bei, seine Kosten weiter zu senken. Auf diese Weise können selbst Preise unter dem Kostenniveau von IBM zustande kommen.

55 VgI. Howell, Britney, Kuzdrall & Wilcox (Gray markets), S. 262 f. Zu Beispielen für ineffektive Strategien der Bekämpfung grauer Märkte vgI. ebenda, S. 260 ff.

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323

Wegen der Liquiditätsengpässe im Handel werden die gelagerten Geräte dann zu

Lasten der effektiven Marge über den Preis abverkauft. Das eigentliche Problem auch

der großen Händler ist damit die ungenügende Kapitalausstattung, die - zusammen mit

dem Zwang zu großen Abnahmemengen - dann zu Preiskämpfen im Handel führt. In

dieser Situation kann es durchaus auch für große Händler attraktiv sein, kurzfristig und in kleinen Mengen zu disponieren: Bei Lieferfristen von nur 24 Stunden kann

der Händler seine Bestellung auch noch dann vornehmen, wenn ihm bereits ein Kun­

denauftrag vorliegt. Damit übernimmt Tandon die Lagerhaltung für den Handel, der

auf diese Weise die von anderen Herstellern eingeräumten Rabattvorteile bei großen

Mengen gegen Liquiditätsvorteile aufgrund einer geringeren Kapitalbindung im Lager

eintauscht56. Gleichzeitig bewirken die Konditionen von Tandon eine Stabilität der

Endverkaufspreise, so daß trotz des geringeren Niveaus der Listenpreise dem Handel

hieraus kein Nachteil erwächst57.

Mit diesen Konditionen gelang es Tandon, bis zum Frühjahr 1986 150 Händler zu

gewinnen58. Innerhalb eines Jahres konnte das Vertriebsnetz auf 260 Händler und

Systemhäuser ausgebaut werden59, Anfang 1987 belief sich diese Zahl auf etwa 28060•

Damit belegt das Beispiel der Firma Tandon, daß die Klage vieler Hersteller über

''verstopfte Händlerkanäle" offenbar überflüssig wird, wenn diese dem Handel etwas

zu bieten haben61•

Diese Aussage des Tandon-Geschäftsführers besagt aber keineswegs, daß es keine

(absolute) Zugangsbarriere zum Handel gibt62, sondern daß zu deren Überwindung

56 Über die einheitliche Spanne von 34 % hinaus wurde dem Handel die Möglichkeit eingeräumt, weitere 4 Prozent bei Vorausbezahlung in Anspruch zu nehmen, was wegen der schnellen Belie­ferung und fehlender Rabattklassen attraktiv war.

57 Bei einem Jahresumsatz von 80,2 Mio. DM und einer Absatzmenge von 19.840 Stück im ersten Geschäftsjahr (eigene Angaben von Tandon; vgl. HB vom 30./31.01.1987, S. 22) betrug der durch­schnittliche Abgabepreis eines Tandon-PC an den Handel 4.040 DM (Beträge auf 10 DM gerun­det). Unter der Annahme, daß die Hälfte der Händler den zusätzlichen Vorauszahlungsrabatt von 4 % in Anspruch nahm, d.h. unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Marge von 36 %, betrug der Listenpreis aller verkauften PCs im Mittel 6.310 DM, die absolute Handelsspanne 2.270 DM. Um diesen Betrag bei einem teureren "Big Names"-Produkt zu erzielen, bei dem der Händler jedoch einen Nachlaß von 10 % gewähren muß, so daß sich die effektive Marge auf 26 % verringert, müßte dessen Listenpreis bei äquivalent 8.730 DM liegen.

58 Vgl. FAZ vom 10.03.1986, S. 15.

59 Vgl. FAZ vom 20.10.1986, S. 16.

60 Vgl. HB vom 30./31.01.1987, S. 22.

61 So Jürgen Tepper, Geschäftsführer der Tandon Computer GmbH, nach FAZ vom 10.03.1986, S. 15.

62 Die Existenz einer absoluten Zugangsbarriere bedeutet nicht, daß ein Markteintritt absolut unmöglich ist, sondern daß er mit absoluten bzw. größenunabhängigen Nachteilen verbunden ist.

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324

dem Handel außergewöhnliche Angebote zu unterbreiten sind. Denn um den Zugang

zum Fachhandel so souverän meistern zu können, mußte Tandon absolute Kosten­

nachteile in Kauf nehmen: Während z.B. der gruppeninterne Wettbewerber Commo­

dore dem Handel bei Einzelbestellungen oder Kleinaufträgen nur eine Spanne von

25 % einräumt, gewährt Tandon 34 Prozent. Somit liegt ein 9 %iger absoluter

Kostennachteil bei geringen Bestellmengen vor63. Selbst wenn man davon ausgeht,

daß der Fachhandel diese geringe Marge (25 %) auch bei etablierten Herstellern

nicht akzeptiert und statt dessen so disponiert, daß er ebenfalls eine 34 %ige Spanne

erzielt, so hat Tandon im Vergleich zu anderen Wettbewerbern dennoch die Kosten

der Finanzierung des Lagerbestandes zu tragen, die die Mitbewerber auf den Handel

überwälzen64/ 65•

Ad (b) Schulungsmaßnahmen

Einen weiteren Ansatzpunkt für den Zugang zum Fachhandel bilden Schulungsmaß­

nahmen und andere nichtmonetäre Formen der Handelsunterstützung bzw. des

Händler-Marketings.

Ein Newcomer müßte also - analog zu den meisten etablierten Wettbewerbern66 -

eine System- und Vertriebsschulung anbieten, um so zur Qualifizierung der Vertrags­

händler beizutragen. Abgesehen von der reinen Produktunterweisung sind diese internen und z.T. auch extern durchgeführten Weiterbildungsseminare für die

Händler meist kostenpflichtig, so daß sich ein Newcomer durch die Übernahme der Schulungskosten differenzieren könnte. Indirekt tragen jedoch auch die etablierten

Hersteller die Weiterbildungskosten des Handels. So argumentierte z.B. Compaq,

daß die im Vergleich zu IBM überdurchschnittliche Handelsspanne (max. 41 % statt

63 Dieser Kostennachteil gegenüber bestehenden Wettbewerbern ist jedoch insofern ZU hoch ange­setzt, als Tandon keine Gemeinschaftswerbung mit dem Handel betreibt. Die Kosten hierfür hat der Händler ggf. aus seiner Marge zu decken, so daß die Handelsspanne von Tandon für einen exakten Vergleich nach unten zu korrigieren wäre.

64 . Auch die Kosten der Versandabwicklung dürften bei Tandon wegen der größeren Bestellhäufigkeit insgesamt höher ausfallen.

65 Aus der Vereinheitlichung der Handelsspanne ergeben sich jedoch möglicherweise auch absolute Kostenvorteile für Tandon: Man verhindert, daß A- und B-Händler gemeinsam ordern, wodurch sie bei einer mengenabhängigen Discountstruktur in eine Rabattklasse über 34 % gelangen könnten. Vgl. hierzu auch Howell et a1. (Gray markets, S. 259 f.), die betonen, daß die Hersteller ihre Pro­dukte keineswegs zu den geplanten Preisen verkaufen und daß auch nicht lediglich den Ver­triebskanälen ein (selbstverschuldeter) Schaden entsteht, sondern daß sich die Hersteller mit einer Rabattstaffelung auch selbst benachteiligen: Die Autoren gehen davon aus, daß die durch einen gemeinsamen Einkauf entstehenden Umsatzeinbußen größer sind als die Fixkosten einer zusätz­lichen Bestellabwicklung.

66 Vgl. z.B. die Umfrage unter den PC-Anbietern zu den von ihnen gewährten Einstiegshilfen, in B-W 1984/6, S. 23 ff.

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max. 38,65 %) bei gleichzeitig stabileren Listenpreisen (durchschnittlicher Preis­nachlaß 6,2 % statt 22 %) für den Handel erforderlich ist, um in Weiterbildungs­

maßnahmen investieren zu können. Die direkte Übernahme der Schulungskosten bzw. die indirekte Förderung der

Qualifizierung des Handels über eine "angemessene Marge" bedeuten also wiederum

einen absoluten Kostennachteil eines Newcomers. Da aber der Handel - wie im Beispiel der Firma Compaq - durch qualifizierte Beratung auch zur Differenzierung

eines PC-Anbieters beitragen kann, sind in den nichtmonetären Formen der

Handelsunterstützung zugleich Differenzierungskosten zu sehen. Denn aus der für

andere Wettbewerber verschlossenen Möglichkeit, besonders qualifizierte Fach­

händler und Softwarehäuser zu bedienen, kann nach Bain eine Differenzierungs­

barriere entstehen67• Insofern kann die von Compaq eingeräumte Marge nicht allein

als absoluter Kostennachteil interpretiert werden, da sie zugleich zu einem Differen­

zierungsvorteil führt.

(e) Differenzierungsposition und Image der Lieferanten

Der Fachhandel ist also einerseits selbst eine Differenzierungsquelle für die PC­

Anbieter, erwartete bzw. begünstigte aber andererseits auch Lieferanten mit einer

ausgeprägten Differenzierungs- oder Imageposition: Insbesondere in der frühen Phase der Marktentwicklung (ca. 1982/83) galt der Fachhandel als "chaotisch,,68. Mit

der zunehmenden Orientierung der Mikrocomputerhersteller an kommerziellen Anwendern war der Handel dann jedoch vor die Aufgabe gestellt, 'mit kommerziellen

Abnehmern zu kommunizieren und sich mit einem professionellen Erscheingungsbild

zu profilieren. Durch dieses Profilierungsbestreben des Handels waren namhafte PC­Anbieter wie z.B. IBM oder Siemens im Vorteil, von deren Markenimage der Handel in dieser Hinsicht profitieren konnte.

(d) Pult-Effekt

In ähnlicher Weise sind (neue) Wettbewerber mit einem hohen Bekanntheitsgrad

beim Zugang zu Vertriebskanälen in einer günstigen Ausgangsposition. Aufgrund der

intensiven Werbekampagnen und der hohen Aufmerksamkeit, die IBM wegen des

geschaffenen De-facto-Standards von den Software entwicklern und der Fachpresse

67 Vgl. Bain (IndustriaI Organization), S. 260.

68 Ein Firmenvertreter brachte dies so zum Ausdruck: "Es gab viele wilde Händler mit vielen wilden Produkten."

Page 341: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

326

zuteil wurde, entstand z.B. ein starker Sog-Effekt nach IBM-PCs. Für den Fachhandel bedeutet dies eine geringere Beratungsintensität als bei unbekannten Konkurrenz­produkten, für die evtl. mehr Verkaufsgespräche erforderlich sind. Auch Commodore

nannte seine durch hohe Werbeaufwendungen bewirkte Bekanntheit als Anbieter

von "low cost"-PCs als hilfreich beim (Wieder-)Aufbau des Systemvertriebs.

Ein Teil der Kosten für Endkundenwerbung sind damit der Überwindung der

"Handelsbarriere" zuzurechnen.

(e) Fachhandelstreue und -kontakte

Als ein entscheidendes Kriterium für die Aufnahme eines neuen Wettbewerbers

durch den Fachhandel wurde übereinstimmend die exklusive Bedienung dieses

Vertriebsweges genannt. So differenzierte sich z.B. Compaq gegenüber den "Big

Names" durch die Beschränkung auf den indirekten Vertrieb, und zwar ausschließlich

auf den Fachhandel. Dies führte zu einer außergewöhnlichen Loyalität der Ver­

triebspartner, die Compaq von Mitbewerbern bescheinigt wurde.

Allerdings ist es IBM - aufgrund anderweitiger Attraktivität für den Fachhandel -

trotz eines eigenen Direktvertriebes gelungen, das dichteste indirekte Vertriebsnetz

aufzubauen69• Jedoch wurde u.a. die ursprüngliche Entscheidung von IBM,

bestimmte Produkte (wie den 3270-PC und den XT/370) exklusiv über den eigenen

Direktvertrieb abzusetzen, vom Fachhandel kritisch aufgenommen und führte zu

Spekulationen über einen Abbau bzw. Rückzug des Marktführers aus dem Fachhan­

delskanal. Obwohl nur wenige autorisierte IBM-Händler ihre Vertragshändlerschaft

kündigten 70, dürfte die Unterstützung IBMs durch den Fachhandel hierunter gelitten

haben, zum Vorteil von fachhandelstreuen Wettbewerbern wie Compaq, aber auch der "Brand Identification-Clones"71.

Verstärkt durch die für IBM-Geräte unvermeidbare Rabattgewährung auf den

Listenpreis verloren die IBM-Produkte also an Attraktivität für den Handel. Den

daraus resultierenden Vorteil fachhandelsorientierter Wettbewerber beschreibt

69 Hierbei bildeten auch die herstellereigenen Computerläden kein wesentliches Hindernis: In Fach­handelskreisen wurden die IBM-Läden anfänglich als 'preisstabilisierendes Element' begrüßt. Inzwischen wird aber über deren aggressive Preisgestaltung geklagt. VgI. B-W 1985/9, S. 11.

70 So z.B. das Nürnberger Fachhandelshaus Schuster & Walther, das an der Kontinuität des Fachhan­delsvertriebs der IBM zweifelte. Vgl. B-W 1985/9, S. 16.

71 Andere 'Big Names'-Vertreter, z.B. DEC, waren auf eine Harmonisierung der Vertriebswege bedacht: DEC setzte seine drei Produktlinien Rainbow, Professional und DECmate über unter­schiedliche Kanäle ab. Wenngleich auf diese Weise die Konkurrenz zwischen direktem und indirektem Vertrieb vermieden werden konnte, bewährte sich diese Vertriebsstruktur mangels Transparenz für den Kunden nicht. VgI. Fraker (DEC), S. 86.

Page 342: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

327

Davidow wie folgt: "Alle Computerhändler sind wegen der Marktrnacht von IBM

besorgt. ... Die Einzelhändler, die darum kämpfen, ihre Abhängigkeit von IBM zu vermindern, fördern Compaq bei jeder passenden Gelegenheit."72

Auch von Tandon verlautete, daß der Zugang zum Handel durch ein klares Bekennt­

nis zur Fachhandelstreue erleichtert wurde. Auch sei diese Verpflichtung glaubwür­dig gewesen, da der Geschäftsführer den Händlern von seiner früheren Tätigkeit her

bekannt war und einen guten Ruf wegen seiner Loyalität zum Fachhandel genoß73.

Insofern habe keine Notwendigkeit bestanden, ein solches Vertrauen erst aufzu­

bauen, was bei einem neuen, unbekannten Team erforderlich gewesen wäre.

if) Sinnvolle Ergänzungsprodukte statt Me-too-Produkte

Einen weiteren vereinfachenden Faktor für den Zugang zum Fachhandel bildet das

Angebot sinnvoller Ergänzungsprodukte, die nicht nur in direkter Konkurrenz zu den

bereits von einem Händler geführten Produktlinien stehen. Hierbei muß jedoch zur

Vermeidung von Umstellungskosten für den Handel (z.B. beim Zubehör- und Soft­

wareangebot) die Kompatibilität zum Industriestandard möglichst gewahrt bleiben. Dies war z.B. bei der Firma Compaq der Fall: Compaq bot dem Handel die Möglich­

keit der Abrundung seines Sortiments mit einem tragbaren Gerät, das IBM selbst zu

diesem Zeitpunkt nicht im Programm hatte. Daher konnten IBM-Händler gezielt

angegangen werden. Das Produkt war ihnen von der Rechnerarchitektur und der

Bedienung her ja bereits bekannt, nämlich wegen der Kompatibilität zum Industrie­

standard. Insofern konnten Compaq-Geräte bei bestimmten Kundenanfragen ohne

besondere Beratungsprcibleme angeboten werden.

Abschließende Würdigung der absoluten Zugangsbarriere zum Handel:

Die vorstehenden Ausführungen belegten zunächst, daß die Zahl der qualifIZierten

und absatzstarken Fachhändler angesichts des auf der Anbieterseite überbesetzten

Marktes einen bedeutenden Engpaß darstellt. Anhand des Beispiels der Firma

Tandon wurde gezeigt, daß einem neuen Wettbewerber dennoch der Zugang zum

Handel gelingen kann, daß dies aber dann mit größenunabhängigen Kostennach­

teilen verbunden ist, die z.B. aus einer höheren Handelsspanne resultieren. Die

72 Davidow (High Tech), S. 77.

73 Der Geschäftsführer wechselte mit einem dreiköpfigen Team für die Funktionen Software, Tech­nischer Support und Marketing-Communication von der Victor Technologies GmbH zu Tandon.

Page 343: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

328

anschließenden Erörterungen machten deutlich, daß die Gewinnung von Ver­

triebspartnern durch eine Reihe nichtmonetärer - und evtl. kostenneutraler -

Leistungen und Anreize erleichtert werden kann, z.B. durch ein Bekenntnis zur

Fachhandelstreue oder durch das Angebot sinnvoller ErgänZllngsprodukte74•

Diese zutrittsfördernden Faktoren allein wiegen jedoch nicht so schwer, daß - wie das

Beispiel der Firma DEC belegt - die gewährte Handelsspanne auf oder gar unter dem Branchendurchschnitt angesetzt werden kann: Die Digital Equipment GmbH

glaubte, mit einern Mikrocomputer, der als Besonderheit einen Doppelprozessor und ein Hybrid-Betriebssystem aufwies, ein sinnvolles Ergänzungsprodukt vorgeigt zu

haben. das der Handel begrüßen würde. Hinsichtlich der möglichen Marge, die dem

Mikrocomputerhandel zugestanden werden konnte, war man jedoch durch das Mini­computergeschäft gebunden: Hier waren klare Regeln aufgestellt worden. die auch für den Mikrocomputerbereich verbindlich waren. Die Durchsetzung unterschied­

licher Rabattstrukturen - so der Interviewpartner aus dem Hause DEC - wäre intern

sehr schwierig gewesen75• Und da DEC traditionell mit Systemveredlern (V ARs) zusammenarbeitete, die eigene Wertschöpfungsleistungen erbringen und daher mit

einer Hardware-Spanne zwischen 25 und 28 Prozent operieren können, konnten dem

Mikro-Vertrieb ebenfalls nicht mehr als 25 bis 28 % vorn Listenpreis eingeräumt

werden76•

74 In dem Maße, in dem die Herstellung solcher (Ergänzungs)Produkte jedoch signifikante Differen­zierungskosten auf der Hardware- oder Entwicklungsseite bedeutet, oder in dem die Beschränkung auf den indirekten Vertrieb zu Opportunitätskosten führt, verursacht die Überwindung der "Handelsbarriere" jedoch wieder ( absolute) Kostennachteile.

75 Der befragte Firmenvertreter räumte für seine Organisation in diesem Punkt eine gewisse Inflexi­bilität ein. Dieses Problem unterschiedlicher Rabattstrukturen ist bei IBM mit der Gründung einer 'Independent Business Unit" besser gelöst worden: Wegen Unverträglichkeiten zwischen den Ver­marktungserfordernissen der Personal Computer und der internen "Business Guidelines' ist der Mikrocomputervertrieb nicht in der Stuttgarter IBM Deutschland GmbH verankert worden, son­dern der neugegründeten IBM Deutschland Produktvertrieb GmbH mit Sitz in Frankfurt übertra­gen worden. Denn insbesondere im Umgang mit Händlern kann IBM nicht an ihren Grundsätzen festhalten, sondern muß diesen bei Abnahme größerer Mengen erhebliche Preiszugeständnisse machen. Vgl. CW 10 (1983) 1/2, S.3. Derartige Preiskonzessionen waren mit den traditionellen IBM-Geschäftsgiundsätzen nicht vereinbar. Vgl. zu diesen Leitlinien Watson (Grundsätze) und zur Aus- bzw. Neugründung von Venture-Einheiten als Organisationsform von Markteintritten Hanan (Venture), sowie Nathusius (Venture) und (Venture Management).

76 Für den amerikanischen Markt berichtet Burke (DEC, S. 30 f.), daß die erstklassigen Händler die geringen Margen nicht akzeptierten und DEC daher - aber auch wegen des späten Eintrittszeit­punktes - nur Zugang zu zweitklassigen Händlern fand, die kaum eingeführt waren und auch nicht einen so ausgezeichneten Service und Support boten wie die leistungsfähigen Händler.

Page 344: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

329

In den vom Fachhandel als nicht konkurrenzfähig beklagten Spannen sah man bei

DEC dann auch eine der Ursachen dafür, daß die Mikrocomputer vom Handel nicht

in der geplanten Stückzahl aufgenommen und abgesetzt wurden77•

6.2.2.2. Besitz von Produktechnologien

Wegen des hohen Anteils an Fremdbezugsteilen und Fremdentwicklungen, für die

IBM keine Exklusivität beanspruchte, ist die Produkttechnologie des IBM PC im

wesentlichen allgemein zugänglich. Dieser Bruch mit den bisherigen Gepflogenheiten

äußert sich in der für IBM bis dahin untypischen offenen Systemarchitektur, die bereits Apple und Tandy im semiprofessionellen Segment und im Homecomputerbereich

zum Erfolg verholfen hatte. Wegen der damit verbundenen Offenlegung der Schnitt­

stellen gilt der IBM PC als ein in seinen technischen Spezifikationen gut dokumen­

tiertes System78.

Mit dieser Strategie einer offenen Architektur bezweckte und bewirkte IBM ein reichhaltiges und in seiner Vielfalt marktgerechtes Angebot an fremdersteIlten Kom­

plementärprodukten, welche die Etablierung des IBM PCs als De-facto-Standard im

16-Bit-Bereich förderten. Aus dem gleichen Grund verzichtete IBM auch auf eine

"proprietary cpu" und auf ein herstellereigenes Betriebssystem: Als Prozessor wählte man einen marktüblichen Intel 8088 aus, der auch anderen Wettbewerbern zur Ver­

fügung stand. Mit der Entwicklung eines Betriebssystems für diesen Prozessor wurde Microsoft beauftragt. Microsoft erwarb von Seattle Computer Products die Rechte an

einem bestehenden 8086-Betriebssystem (SCP-DOS-86), das bei IBM unter PC-DOS

firmiert. Um diesem von IBM favorisierten Betriebssystem, für das aber noch keine

Anwendungssoftware existierte, zur Anerkennung als De-facto-Standard zu verhel­

fen, wurde auch Microsoft die Vermarktung gestattet. In nur geringfügiger Modifi­

kation wird es von Microsoft als MS-DOS an die Hersteller kompatibler Personal

Computer vertrieben. Damit war für die Softwarehäuser ein attraktives Marktpoten­

tial für PC-DOS- bzw. MS-DOS-Anwendungsprogramme gewährleistet, außerdem

bestand nicht die Gefahr, sich mit einem SW-Produkt ausschließlich an einen PC­

Anbieter zu binden und evtl. in Abhängigkeit zu geraten. Binnen kurzer Zeit verleg­

ten sich die namhaften SW-Entwickler auf MS-DOS-Produkte. Das anfängliche

77 Ein weiteres Problem bestand in den sehr hohen Listenpreisen, die sich wegen der geringen Handelsspanne als sehr stabil erwiesen, so daß die "Straßenpreise" prohibitiv hoch waren.

78 Vgl. Henk (IBM-PC), S. 16.

Page 345: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

330

Defizit an Anwendungssoftware für den IBM PC konnte schnell überwunden werden

und die IBM/Intel/Microsoft-Architektur wurde zum Industriestandard79.

Trotz der gegebenen Fremdbezugsmöglichkeit dieser zentralen Produktkomponenten

ist jedoch nicht jeder Konkurrenz-PC mit einem Intel-Prozessor und einem MS-DOS­

Betriebssystem voll standardkc::npatibel: Die Implementierung von MS-DOS auf

einen Personal Computer erfolgt über das Basic-Input/Output-System (BIOS), das von IBM patentrechtlich geschützt ist bzw. mit einem Copyright belegt ist80• Diese am

stärksten an einen PC angepaßte Softwarekomponente des Betriebssystems ist damit

vor dem direkten Zugriff neuer Wettbewerber geschützt. Da das Kopieren des IBM­

BIOS aus rechtlichen Gründen nicht möglich war, schrieben frühe standardkompa­

tible Wettbewerber wie Compaq oder Ericsson ihr eigenes Basic-Input/Output­

System, das sie wiederum mit einem Copyright schützten. Diese selbstentwickelten

BIOS emulieren die Funktionen des IBM-BIOS und stellen damit keine Patentver­

letzung dar. Im Mai 1984 schrieb schließlich die Phoenix Technologies Inc. eine

BIOS-Emulation, die nicht für den Eigenbedarf bestimmt war, sondern als kommer­

zielles Produkt an Hersteller standardkompatibler Personal Computer vertrieben

wurde81• Damit war auch das einzige geschützte Teil des IBM PC über den Zuliefer­

markt erhältlich.

In der Vergangenheit wurden also wesentliche Komponenten der Produkttechnologie - wenngleich gesetzlich geschützt - von IBM nicht wirksam unter Kontrolle gehalten. Newcomern entstand somit keine (absolute) Eintrittsbarriere aus einer vor der

Verbreitung geschützten Produkttechnologie.

Diese Situation könnte sich jedoch nach der Ankündigung des Personal System/2

(PS/2) durch IBM im April 1987 ändern. Denn mit der Nachfolgegeneration für die

bisherige PC-Linie, so die beinahe einhellige Meinung der Branchenbeobachter, hat

IBM eine Rechnerfamilie geschaffen, die die Nachbaubarkeit durch Clone-Konkur-

79 Vgl. Preston (Beginning), S. 74.

80 Das BIOS ist eine ROM-residente Betriebssystemerweiterung, d.h. ein spezieller Betriebssystem­zusatz, der in einem ROM-Speicherchip abgelegt ist. Es handelt sich dabei um "eine teilweise geräteabhängige, in ihrem Aufbau und ihren Funktionen jedoch standardisierte Software­Zwischenschicht" [Henning (Kompatibel), S. 50), welche den Datenverkehr zwischen dem Prozes­sor und den Ein-/Ausgabeeinheiten steuert. Sog. "ill-behaved" Anwendungssoftware, (z.B. Lotus 1-2-3), die nicht ausschließlich die geräteunabhängigen Schnittstellen des MS-DOS und des BIOS nutzt, sondern direkt auf das teilweise gerätespezifische Hardware·Software-Interface (HSI) zu­greift, um die Ablaufgeschwindigkeit des Programms ZU verbessern, kann mit einem erheblichen Anpassungsaufwand an einzelne Personal Computer verbunden sein. Vgl. Henning (Kompatibel), S. 50 ff.

81 Vgl. McCusker (Bolt), S. 41.

Page 346: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

331

renten erheblich erschwert82• Allerdings hat IBM, wie von vielen Seiten erwartet, das

PS/2 wiederum als ein offenes System gestaltet: Mit Vorabinformationen für SW­

Entwickler über das neue Betriebssystem und mit Bekanntgabe der Schnittstellen­

spezifikationen für die Erweiterungssteckplätze hat IBM nach wie vor unabhängigen

Zulieferern die Entwicklung von Add-On-Produkten ermöglicht83•

Trotz offener Systemarchitektur hat IBM das PS/2 aber so weit wie möglich geschlos­

sen, um es vor Imitation durch die bisherigen standardkompatiblen Konkurrenten zu schützen. Um den Nachbau zumindest zeit- und kostenintensiv, wenn nicht gar

unmöglich zu gestalten, hat IBM den früheren Standard - so die Einschätzung von

Lamond - in drei wesentlichen Punkten verändert84, nämlich durch

neue Videostandards (1),

durch ein neues BIOS (2) und

durch die neue Mikro-Kanal-Architektur (3).

Ad (l) Videostandards

Mit dem "Multi Color Graphics Array" (MCGA) und dem "Video Graphics Array"

(VGA) hat IBM zwei neue Grafikstandards für das PS/2 gesetzt. Anders als bei den alten Modellen sind diese Standards für Bildschirm-Farbgrafik nicht mehr in Form von Adapterkarten implementiert, die als Systemerweiterungen von den Steckplätzen

aufgenommen werden. Sie sind nunmehr in Gestalt zweier Grafikchips bereits serienmäßig auf der Mutterplatine der neuen Geräte enthalten. Diese Grafikchips sind zu einem bestimmten Teil '1BM proprietary". Sie werden von dem britischen

Chip-Hersteller Inmos für IBM gefertigt, wobei zwischen den beiden Unternehmen

ein exklusiver Belieferungsvertrag abgeschlossen wurde.

82 Als relativ pauschaler Beleg hierfür kann der gestiegene Eigenentwicklungsanteil von mM ange­führt werden: Während der ursprüngliche PC (laut Diebold Management Report 1987/4, S. 12) noch zu SO % aus Fremdteilen und nur zu 20 % aus eigenen Komponenten bestand, hat sich diese Relation beim PS/2 auf 50: 50 verschoben. Beim (Top-)ModellSO stammen angeblich sogar SO % der Teile von mM selbst.

83 Vgl. Lamond (Clones), S.44/13. So teilte z.B. Digital Research bereits zur Vorstellung der Personal System/2-Familie mit, daß alle GEM-Applikationen schon für die neue Produktlinie von mM verfügbar sind. Gleichwohl ist das PS/2 für die Hersteller von Zusatzkarten aus einer Reihe von Gründen weniger attraktiv als die bisherige Produktfamilie: Die geringere Anzahl von Steckplätzen, die bereits serienmäßige Realisierung von vormals über Zusatzkarten bereitgestellten Fuuktionen in Form von Chips auf der Grundplatine sowie das breitere Angebot an Festplatten von mM schränken die Möglichkeiten für Add-On-Produzenten gegenüber bisher ein. Vgl. Lamond (Clones), S. 44/13.

84 Vgl. zu den nachfolgenden Ausführungen Lamond (Clones), S. 44/13 - 44/16.

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332

Neben den technischen Vorteilen und den Kostenvorteilen, die diese Lösung in sich

birgt, führt die Verwendung kundenspezifischer integrierter Schaltkreise (ASICs)

zugleich zu einem Schutz vor Imitation: Ein Nachbau von ASICs-Bausteinen gilt als

"so gut wie ausgeschlossen"85.

Ad (2) Basic-Input/Output-System

Für diejenigen PS/2-Modelle, die unter dem neuen Betriebssystem BS/2 laufen

(werden), wurde von IBM ein neues Basic-Input/Output-System geschrieben, das sog.

A-BIOS. Entgegen dem ursprünglichen C-BIOS für die Generation der PC-DOS­

Geräte wurde von IBM jedoch nicht der urheberrechtlich geschützte Quelleode des

A-BIOS veröffentlicht, sondern nur dessen Schnittstellen. Dies erschwert wiederum­

relativ zum alten C-BIOS - das "Klonen" des neuen Basic-Input/Output-System.

Ad (3) Mikro-Kanal-Architektur

Der bisher gebräuchliche Systembus des IBM PC wird in den Modellen 50, 60 und 80

des PS/2 durch eine neue Mikro-Kanal-Architektur ersetzt, die um 50 % leistungs­fähiger sein soll. Um den Durchsatz zu optimieren, verfügt der Mikro-Kanal über

einen Prioritätenalgorithmus, der ebenfalls nicht veröffentlicht und zudem patent­

bzw. urheberrechtlich abgesichert wurde86•

Trotz dieser drei Schritte hält es Lamond für unwahrscheinlich, daß voll kompatible

Systeme nicht auch von anderen Herstellern angeboten werden: "Contrary to widely

held opinion, the leading compatible manufacturers will find it neither time-

85 Fink (Schaltkreis), S. 19. Fink erläutert hierzu: "Ohne Funktionsbeschreibung ist es praktisch unmöglich und vollkommen unökonomisch, das Funktionsverhalten eines komplexeren ASIC voll­ständig zu erfassen. Anders als bei Leiterplatten hat man ja nicht die Möglichkeit, durch den Typ der verwendeten Standardbausteine und deren Verdrahtung Rückschlüsse auf die Funktionsweise zu ziehen ... Um dies zu tun, müßte der ASIC durch Ätzmethoden schichtweise 'abgeschält' und jedes Gatter der Position und Verbindung nach untersucht werden. Und selbst dies ergibt erst die Architektur, nicht aber die Funktion in allen Parametern. Ein Nachbau aus kommerziellen Über· legungen heraus ist daher - auch aus der Sicht der raschen Weiterentwicklung aller elektronischen Geräte - nicht zu befürchten. Ein ASIC ist heute der beste Schutz eigener schaltungstechnischer Innovationen.' Ebenda, S. 19.

86 Daneben soll - nach Meldungen der Computerwoche . für die Unterstützung des Mikro·Kanals eine speziell optimierte Prozessorversion erforderlich sein, die den Clone·Hersteliern nicht zugänglich ist. Vgl. CW 14 (1987) 15, S. 4.

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333

consuming nor costly to produce PS/2-compatible models - at least for standalone

applications."87

Denn für die Standardversion des von IBM und Microsoft gemeinschaftlich entwickel­

ten Betriebssystem/2 verfügt auch Microsoft über das Recht der Linzenzvergabe.

Insofern kann Microsoft sein mit der IBM-Version BS/2 identisches Operating

System OS/2 genauso an die Hersteller kompatibler Systeme vertreiben, wie dies

auch bei dem Vorgänger PC- bzw. MS-DOS der Fall ist. Daher werden alle Pro­

gramme, die zukünftig unter BS/2 für den sogenannten "protected mode" eines

80X86-Prozessors88 geschrieben werden, auf allen bereits bestehenden AT-kompa­

tiblen Geräten ablauffähig sein, wie auch auf allen neuen, zu den IBM-Modellen 50

bis 80 kompatiblen Systemen. Hierzu ist es - im Gegensatz zur MS-DOS-Geräte­

generation - nicht eimnal mehr erforderlich, das IBM-BIOS nachzuvollziehen. Denn

das Betriebssystem/2 schirmt einerseits den Prozessor vor dem Zugriff der Anwen­

dungssoftware auf die Hardware ab, so daß das BIOS nicht mehr umgangen werden

kann89. Und da OS/2 - im Gegensatz zu MS-DOS - im Release 1.1 andererseits auch

die Möglichkeit bieten wird, alle Bildpunkte zu adressieren90, und da ferner die

Prozessoren 80286 und 80386 so leistungsfähig sind, daß sich ein Abweichen vom

Wohlverhalten zur Verbesserung der SW-Ablaufgeschwindigkeit erübrigt, besteht

keine Notwendigkeit mehr, das neue A-BIOS von IBM direkt zu adressieren. Außer­

dem nimmt IBM mit der Entscheidung, den Quellcode des A-BIOS geheimzuhalten,

den SW-Entwicklern die Möglichkeit, neue "ill behaved"-Programme zu schreiben.

Dies bedeutet wiederum, daß ein "reverse-engineering" des A-BIOS überflüssig wird,

um voll SW-kompatibel zu den Stand-alone-Applikationen für das PS/2 von IBM zu

sein91.

Genausowenig müssen kompatible Hersteller - laut Lamond - die Mikro-Kanal­

Architektur IBMs nachempfinden, um PS/2-Programme verarbeiten zu können: "All

they need to stay competitive is an 1/0 channel of equivalent or greater speed."92

87 Lamond (Clones), S. 44/16.

88 Der 80286-Prozessor von Intel verfügt über zwei' Betriebsformen, den "real mode" und den "protected mode". Im "real mode" ist der 80286 zu seinen Vorgängern aufwärtskompatibel, d.h. auch Applikationen, die unter MS-DOS geschrieben wurden, sind unter OS/2 ablauffähig. Der "real mode" wird daher auch als Kompatibilitätsmodus bezeichnet. Die volle Leistungsfähigkeit des 80286, nämlich Multitasking-Betrieb und 16 Megabyte Adreßraum, werden von OS/2 indes erst im "protected mode" ausgeschöpft.

89 Vgl. zu den vier Privilegstufen, die als Schutzmechanismen im Intel 80286 implementiert sind, PC Magazin Nr. 17 vom 15.04.1987, S. 26.

90 Bisher zählen vor allem Grafikprogramme zu den "ill behaved"-Applikationen.

91 Vgl. hierzu Lamond (Clones), S. 44/16.

92 Lamond (Clones), S. 44/16. Vgl. zu derartigen Bemühungen unten, S. 336, Fußnote 100.

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334

Im Bereich der Stand-alone-Systeme hat IBM die Wettbewerber also nicht vor eine

unlösbare Aufgabe gestellt, jedoch verspricht man sich einen zeitlichen Vorsprung

von etwa 6 bis 9 Monaten, ehe die kompatiblen Produkte der Konkurrenten fertig­

gestellt sein werden93. In diesem Zeitraum wird aber das BS/2, das die Leistungs­

fähigkeit der Modelle 50, 60 und 80 erst voll. zur Geltung bringt, für die Kunden

ebenso wenig verfügbar sein wie für den "protected mode" geschriebene BS/2-Appli­

kationen, so daß IBM aufgrund dieser temporären MonopolsteIlung nicht unbedingt Absatzerfolge erzielen kann: In dem Maße, in dem Kunden ihre Investitionen

zurückstellen oder auf alte ATs zurückgreifen, erwächst PS/2-Newcomern kein Nach­

teil aus der späteren Geräteverfügbarkeit.

Der für IBM strategisch bedeutsamere Schritt besteht in der Abschirmung des Mark­

tes für intelligente Workstations bei Anwendern, die ein System /370 als Host oder ein System /3X als Abteilungsrechner betreiben. Denn das PS/2 ist eine erste

Implementierung der System-Anwendungs-Architektur (SAA), die von IBM nur

wenige Wochen vor der PS/2-Vorstellung angekündigt wurde und in der die Lang­

friststrategie von IBM zum Ausdruck kommt: Die System-Anwendungs-Architektur

bildet das Rahmenwerk, das die Entwicklung und Implementierung von einheitlichen

Anwendungsprogrammen auf den verbreitetsten Hardware-Systemumgebungen

System /370, System /3X und Personal Computer ermöglicht94.

Das eigentliche strategische Produkt der PS/2-Neu ankündigungen ist daher die

Extended Version des Betriebssystems/2, die Großkunden benötigen, um ihre PS/2-

Geräte mit den Systemen /370 bzw. /3X zu verbinden. Und entgegen der Standard­

version des BS/2, die auch von Microsoft als OS/2 vertrieben wird, ist die erweiterte

Version eine Eigenentwicklung von IBM, die kompatiblen Wettbewerbern nicht zugänglich gemacht wird95.

Als Konsequenz der Auslegung des Extended BS/2 als ein herstellereigenes

Betriebssystem sieht Lamond folgende Probleme auf die Hersteller kompatibler

Systeme zukommen96: Die Extended Version des BS/2 wird für die Konkurrenten

(wie auch für die Kunden) erst im Laufe des Jahres 1988 zu erwerben sein. Ab die­

sem Zeitpunkt müssen sie mit dem "reverse-engineering" der Erweiterungen begin-

93 Vgl. Allen Krowe, Senior Vice President von IBM, zitiert nach IM 21 (1987) 5, S. 58.

94 Vgl. IBM input 41 vom 28.03.1987, S. 1.

95 Das Extended BS/2 von IBM unterscheidet sich von der Standardversion des BS/2 bzw. OS/2, die den Betriebssystem-Kern und den sog. Präsentations-Manager (graphische Benutzeroberfläche) umfaßt, durch den Kommunikations- und den Datenbank-Manager, die in der Basisversion nicht enthalten sind.

96 Vgl. ZU den folgenden Ausführungen Lamond (Clones), S. 44/16.

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nen. Und je mehr Zeit dies in Anspruch nimmt, desto mehr Kunden gehen an IBM

verloren. Wenn es schließlich gelungen sein sollte, entsprechende Kommunikations­

und Datenbank-Manager zu entwickeln, ist dennoch nicht sichergestellt, daß diese

mit der Kommunikationssoftware der Systeme /370 und /3X genauso harmonieren

wie ein IBM PS/2 unter dem Extended BS/297• Und zudem können dann von IBM

auch Vorkehrungen auf der Seite der größeren Systeme getroffen worden sein, die

die Identität des angeschlossenen PCs bzw. PS/2 abfragen und den Rechnerverbund

unterbrechen, falls es sich um ein fremdes Gerät handelt.

Sollte dieses Szenario von Lamond zutreffen, so bedeutet die "proprietary Extended Version" eine Zutrittsbarriere für neue und bestehende Wettbewerber zum Groß­

kundensegment der IBM-Mainframe-Anwender. Dies könnte nach Ansicht einiger

Branchenbeobachter und befragter Firmenvertreter zur Teilung des Marktes in einen offenen Standard Version-Bereich und in einen geschlossenen, von IBM kontrollier­

ten Extended Version-Bereich führen98• Ob dies tatsächlich der Fall sein wird, hängt

vom Erfolg der Bestrebungen von Unternehmen wie DCA, Microsoft und Compaq

ab, die - wie auf einer Konferenz von SW-Entwicklern in New York angekündigt -

gemeinsam eine Alternative zur BS/2 Extended Version von IBM anbieten wollen99.

Die Produkttechnologie des Stand-alone·PS/2 wird von IBM indes nicht stärker kon­

trolliert, als dies bei der PC-DOS-Generation der Fall ist. Im Gegenteil, die Anwen­

dungsschnittstelle des OS/2 wird die Erreichung der Kompatibilität sogar begün­

stigen, da sie Applikationen unabhängig von der jeweiligen Hardware und auch ohne

das A-BIOS von IBM auf verschiedenen Computern lauffähig macht. Und was die

vermeintlich schwer nachbaubaren Customized Chips von IBM anbetrifft, so arbeiten

bereits vier Halbleiterhersteller an der Entwicklung eines IBM-kompatiblen /2-Chip-

97 Hiervon geht Lamond (Clones, S.44/16) aufgrund von Unverträglichkeiten auch bei der jetzigen PC-Generation aus: "Some of this communications incompatibility has already appeared on the PC range, with users fmding that IBM 3274, 3278 or 5251 SDLC terminal emulator cards will not run properlyon otherwise compatibel pes. Equivalent emulator cards manufactured by AST or Digital Communications Associates, for example, run without trouble on all PCs with an IBM PC Bus, but cannot always execute IBM LU 6.2 protocol-based APPC links with System/3X and 370 hosts."

98 Diese Entwicklung hält z.B. ein Analyst des Marktforschungsuntemehmens Gartner Group für wahrscheinlich. Vgl. Business Week No. 3005 vom 29.06.1987, S. 74.

99 Vgl. CW 14 (1987) 29, S. 2. So zeigte sich Rod Canion, President und Chief Executive Officer der Compaq Computer Corp., optimistisch, daß unabhängige SW-Häuser die erweiterte Version von IBM noch übertreffen werden: "Tatsächlich werden diese (gemeint sind die Datenbank- und Datenübertragungsfunktionen der Extended Version) und darüber hinausgehende Funktionen über andere Soft- und Harware-Firmen erhältich sein". Canion, zitiert nach HB vom 21.07.1987, S. 12.

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336

Sets, das Anfang 1988 fertiggestellt sein soll und auch den Mikro-Kanal von IBM beinhalten solll(lO/101.

Die vorstehenden Ausführungen machen deutlich, daß sich weder zentrale Bestand­

teile der Produkttechnologie der PC-Generation noch der PS/2-Generation im

exklusiven Besitz von IBM befinden - abgesehen von der noch nicht abschließend

beurteilbaren BS/2-Extended Version -, so daß PC- bzw. PS/2-Newcomern hieraus

kein unmittelbarer Nachteil erwächst. Allerdings könnte IBM bis zur Markteinfüh­

rung kompatibler Konkurrenzprodukte, die allgemein für das erste Quartal 1988

erwartet werden, Kostenerfahrung auf einer neuen Erfahrungskurve sammeln, die

von den Followern nicht mehr einholbar sein könnte. Dies hängt jedoch von der

Resonanz der neuen Gerätefamilie bei den Kunden ab. Trotz beachtlicher

Anfangserfolge von IBM102 haben - laut IDC - 52 % der kommerziellen Abnehmer

bekundet, wegen der PS/2-Ankündigung größere Investitionsentscheidungen für

sechs Monate zurückzustellen103. Diese Kaufzurückhaltung könnte den Erfahrungs­

vorteil von IBM begrenzen. Und da die neue Erfahrungskurve nur bzw. vorwiegend

100

101

102

103

Vgl. CW 14 (1987) 29, S. 18 und CW 14 (1987) 23, S. 6. Der Nachbau des Mikro·Kanals ist jedoch weniger für den Stand-alone-Betrieb als für den IBM-Mainframe-Verbund von Bedeutung. Für den Stand-alone-Betrieb kann auch ein alternativer Mikro-Kanal verwendet werden, der entgegen der Mikro-Kanal-Architektur von IBM auch Erweiterungskarten aufnehmen könnte, die für die PC­Produktgeneration konzipiert wurden. Unter der Leitung der Phoerux Technologies Ltd. hat eine Gruppe von PC-Herstellern einen Vorschlag für einen solchen Mikro-Kanal erarbeitet, der von einem Komitee des Institute of Electrical & Electronics Engineers als Standard anerkannt werden soll. Vgl. Business Week No. 3005 vom 29.06.1987, S.74. Und unter Führung der Compaq Computer Corporation wollen neun PC-Hersteller mit der Extended Industry Standard Architec­ture (Eisa) einen eigenen 32-Bit-Datenbus als Standard etablieren, der nicht mit dem PS/2-Mikro­Kanal übereinstimmt, sondern eine technische Weiterentwicklung des 16-Bit-Bussystems der AT­Generation darstellt. Dies hat den Vorteil, daß - entgegen dem Mikro-Kanal der IBM - auch die bisherigen Steckkarten weiter verwendet werden können. Allerdings sollen entsprechende Produkte frühestens 1989 verfügbar sein. Nach Aussagen des Eisa-Verbandes wollen sich 30 Hersteller kom­patibler Mikrocomputer dieser Gruppe anschließen. Vgl. FAZ vom 19.09.1988, S. 17, sowie CW 15 (1988) 38, S. 1 f., und CW 15 (1988) 40, S. 1 f.

Aktualisierungsnachtrag: Bereits im Herbst 1987 verkündete die Western Digital Corp., daß es ihr gelungen sei, den Mikro-Kanal nachzubauen. Ein /2-Chip-Satz wurde im Frühjahr 1988 von der Firma Chips & Technologies vorgestellt [vgl. VDI Nachrichten Nr. 43 Vom 23.10.1987, S.24, und DMR 1988/3, S. 8]. Damit ist das technologische Problem gelöst. Nach der Warnunng IBMs, man werde eine Verletzung der Mikro-Kanal-Patente nicht hinnehmen, zögern potentielle PS/2-Clones indes (noch) mit dem Nachbau der neuen Modellreihe. Denn die zentrale Frage für die PS/2-Nachahmer hat sich geändert, von "Who will be the first?" zu "Who will be the fist in court?". Vgl. Frands (PS/2), S. 34. Zur diesbezüglichen Abschreckungspolitik IBMs vgl. unten, S. 358 f.

Im April 1987, also im Monat der Markteinführung, machten PS/2-Systeme - nach Angaben des Marktforschungsinstituts InfoCorp. - in den USA bereits 15 % aller über indirekte Kanäle abge­setzten Personal Computer aus. Zwei Drittel hiervon entfielen jedoch auf das Modell 30, das nicht über die neue Mikro-Kanal-Architektur und das BS/2 verfügt.

Vgl. Davis & Lewis (Afraid), S. 69. Allerdings ist IBM offenbar bestrebt, die Nachfrage nach PS/2-Systemen zu beleben, indem für die PC-Modelle XT und AT keine Bestellungen mehr entgegen­genommen werden. Vgl. CW 14 (1987) 26, S. 20.

Page 352: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

337

die Aktivitäten Eingangslogistik und Produktion betrifft, bleiben zwei Drittel der

Wertschöpfungskosten davon unberührt. Dennoch werden für mM Kostenvorteile zu

erwarten sein, die aus einem Erfahrungsvorsprung resultieren.

6.2.2.3. Zugang zu Hardwarekomponenten

Trotz der Tatsache, daß die Produkttechnologie als allgemein verfügbar gelten kann -

nicht zuletzt dank der zahlreichen Zulieferanten für die Komponenten eines

Industriestandard-PCs -, können etablierte Wettbewerber in Knappheitssituationen gegenüber Newcomern beim Zugang zu elektronischen Bauteilen im Vorteil sein.

Eine solche Teileknappheit lag 1984 beim Intel-Prozessor 80186 vor, der von vielen

PC-Herstellern für eine technologische Differenzierung gegenüber mM begehrt war,

deren PC- und XT-Modelle noch auf dem weniger leistungsfähigen 8088-Prozessor

basierten104•

Wegen Problemen beim Fertigungsanlauf und wegen logischer Fehler, die in den

ersten beiden Versionen des 80186 enthalten waren, konnte Intel 1984 nicht mehr als

eine Million Chips bereitstellenlOS. Diesem Angebot stand jedoch eine geschätzte

Nachfrage von 3 bis 4 Mio. Stück gegenüber. Die Bestellungen der PC-Hersteller

konnten daher nicht in vollem Umfang bedient werden. Bei der Zuteilung wurden kleinere Abnehmer gegenüber großen und langjährigen Kunden benachteiligt. In

dieser nachrangigen Bedienung kleiner und neuer Abnehmer ist eine absolute Ein­

trittsbarriere für Newcomer zum PC-Markt zu sehen: Neue Wettbewerber mußten

entweder ihre Geräte umkonstruieren, d.h. Performance-Einbußen mit langsameren

Prozessoren in Kauf nehmen106, oder sich auf dem Schwarzmarkt nachversorgen, auf

dem die Preise bis 250 $ gestiegen waren, gegenüber dem Intel-Preis von 93 $.

Neben den unmittelbar Betroffenen, d.h. den PC-Herstellern selbst, wirkte sich die

80186-Knappheit indirekt auch auf diejenigen PC-Anbieter aus, die ihre Geräte nicht

selbst produzierten. Denn auch die OEM-Hersteller konnten nicht voll beliefert wer­

den. Aus diesem Grund nahm z.B. Convergent Technologies für das erste Halbjahr

1984 keine Aufträge für das N-Gen-Modell mehr an, das auf dem 80186 basierte. Zu

104 Vgl. zur nachfolgenden Situationsbeschreibung Bruno (Chips), S. 47 f.

105 Auch Advanced Micro Devices, Second Souece für den Intel 80186, war zu diesem Zeitpunkt nicht lieferfähig.

106 Die Kunden wurden z.T. nur mit der 6 MHz·Version des 80186 beliefert, staU mit der Icistung.~. fähigeren 8 MHz-Version.

Page 353: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

338

den indirekt betroffenen OEM-Kunden von Convergent Technolgies zählte z.B. die

Firma Burroughs, die die Markteinführung ihrer B 25-Produktlinie verschieben

mußte.

Abgesehen von dieser temporären Teileknappheit gilt die Versorgungslage der PC­

Hersteller im allgemeinen jedoch als gesichert.

6.2.2.4. Verfiigbarkeit von Komplementärprodukten

Als wesentliche Erfolgsvoraussetzung für den Absatz von Personal Computern gilt

die Verfügbarkeit eines breiten Angebots an Komplementärprodukten, namentlich

an Anwendungssoftware und Erweiterungskarten. Für Newcomer, die sich am Indu­

striestandard orientieren, entsteht in diesem Zusammenhang kein absoluter Nachteil,

da sie sich mittels voll kompatibler Produkte das gesamte Marktangebot der unab­

hängigen Add-On- und Softwareindustrie erschließen können.

Ein anderes Bild ergibt sich für nur teilweise kompatible Neuanbieter und für voll­

ständig inkompatible Newcomer mit einem eigenen Betriebssystem und/oder einem

eigenen Bussystem.

Denn grundsätzlich schafft nicht allein die Hardware einen Wert für den Anwender,

sondern nur eine Komplettlösung für dessen spezielles Problem. Daher wird ein

potentieller Kunde auf der einen Seite nur darin ein vom Industriestandard deutlich

abweichendes, technisch überlegenes Gerät erwerben, wenn dafür auch eine Appli­

kation existiert, die dem von ihm gewünschten Einsatzzweck entspricht. Neben der

augenblicklichen Aufgabenstellung wird er seine Hardwareinvestitionen auch für

zukünftige Anwendungsgebiete geschützt sehen wollen und daher auch die Breite des

gegenwärtig verfügbaren Softwareangebots und die zukünftig zu erwartende Unter­stützung durch SW-Häuser in seine Entscheidung einbeziehen. Mit anderen Worten,

ein kommerzieller Kunde wird nur dann ein (nichtstandardkompatibles) Produkt

erwerben, wenn er gegenwärtig und zukünftig ein umfangreiches Softwareangebot

gewährleistet sieht. Auf der anderen Seite investieren unabhängige Softwarehäuser

nur in solche Produkte, von denen sie sich ein bestimmtes Marktpotential verspre­

chen, so daß eine (simultane) Interdependenz der Entscheidungen von SW-Entwick­

lern und Endkunden gegeben ist.

Primäre Aufgabe von Anbietern nichtstandardkompatibler Geräte ist es daher, die

SW-Entwickler vom Markterfolg ihrer Produkte zu überzeugen. Andernfalls ergibt

Page 354: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

339

sich eine signifikante absolute Eintrittsbarriere für einen inkompatiblen Newcomer.

Denn die Eintrittsbarrieren in die Softwareindustrie selbst nehmen ein erhebliches

Ausmaß an, außerdem kann die erforderliche Vielfalt an Komplementärprodukten

ohnehin nicht von einem PC-Anbieter allein bewältigt werden107.

Eine zu geringe Software ausstattung war z.B. eine der Ursachen dafür, daß Apple mit der Lisa der Eintritt in das Office-Segment nicht gelang108. Die mangelnde Unter­

stützung dieses Produktes durch die SW-Entwickler kann auf zwei mögliche Erklä­

rungsfaktoren zurückgeführt werden:

(1) Die SW-Häuser waren nicht von der Produkt- und Marketingkonzeption der

Lisa überzeugt und beurteilten sie nicht als einen aussichtsreichen Kandidaten,

für den es sich lohnt, Software zu entwickeln.

(2) Hierzu kann insbesondere die Entscheidung von Apple beigetragen haben, die

Lisa im Bundling mit sechs eigenentwickelten Applikationen anzubieten, was die

Attraktivität dieses Gerätes für die SW-Entwickler verminderte und zugleich die

Kunden nicht zufriedenstellte109•

Auch Commodore führte 1986 mit dem Amiga ein Produkt ein, das - wie die Lisa und

der Macintosh von Apple - nicht unter dem Standardbetriebssystem läuft und anstelle

eines Industriestandard-Prozessors von Intel mit einem Motorola 68000 bestückt ist.

Dieses ursprüngliche Amiga-Modell (heutige Bezeichnung: Amiga 1000) ist demnach

weder steckkartenkompatibel noch MS-DOS-verträglichllO.

107

108

109

Die Zutrittsbarrieren zur Softwareindustrie resultieren insbesondere aus den sehr hohen Fixkosten (bei gleichzeitig sehr geringen variablen Kosten): Die Gesamtkosten für Entwicklung und Ver­marktung eines PC-Standardprogramms werden von Prof. Toong von der Sloan School of Mana­gement auf mindestens 5 Mio. $ veranschlagt, wovon allein 4 Mio. $ für Werbung aufzuwenden sind. Noch ungünstiger ist das Verhältnis von Entwicklungs- zu Vermarktungskosten bei weniger komplexen, billigeren Programmen, bei denen die Vertriebskosten das Sechsfache der Entwick­lungskosten ausmachen. [Vgl. IM 20 (1986) 6, S. 152 f.] Ein Vertreter der Software Publishing Corp., Mountain View/Calif., bestätigt: "The barriers to entering the software business are marketing, marketing and marketing" [nach Sigel (Software), S. 126]. Er erklärt dies damit, daß innerhalb von sechs Monaten jedes beliebige SW-Produkt von jedermann reproduzierbar ist, so daß: "The way to protect a position in the marketplace ... is to advertise and promote so heavily that the competitor cannot gain a foothold." Ebenda, S. 126. Für einen inkompatiblen Newcomer zum PC-Markt bedeuten die hohen Eintrittsbarrieren der SW­Industrie ein zusätzliches Hemmnis. Denn wenn die Eintrittsbarrieren für das Komplementär­produkt erheblich sind, so erhöht dies nach Porter (Wettbewerbsvorteile, S. 530) auch die Zutritts-barrieren der davon abhängigen Branche.

Die Lisa war weder zu IBM noch zur Apple lI-Linie kompatibel, so daß nicht auf eine bereits bestehende SW-Basis zurückgegriffen werden konnte.

Vgl. Yasaki (Mac), S. 62 f. Beim Nachfolgeprodukt Macintosh verzichtete Apple dann weitest­gehend auf das Angebot eigenentwickelter Applikationen.

110 Zu den Hintergründen der Inkompatibilität des Amiga vgl. oben, S. 311, Fußnote 27.

Page 355: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

340

Nach Angaben von Commodore verfügte der Amiga 1000, der von seinen amerika­

nischen Entwicklern als Homecomputer konzipiert wurde, anfangs nicht über eine

breite Softwarebasis. Auch seien kommerzielle oder semiprofessionelle Anwender

trotz der Amiga-Produktvorteile111 aufgrund ihrer Investitionen in MS-DOS­Software nicht auf das Commodore-Produkt übergewechselt.

In dieser Situation entschied sich Commodore zu folgenden Schritten: Um für SW­Entwickler einen Anreiz zu schaffen, Amiga-Applikationen zu schreiben, führte man

1987 mit dem Modell 500 eine billigere, aber Amiga 1000-kompatible Version ein,

um hohe Absatzzahlen zu erreichen. Damit sollte auch den SW-Entwicklern ein attraktives Absatzpotential eröffnet werden112. Und um eventuell vorhandene SW­

Urnstellungskosten (semi-)professioneller Anwender zu vermeiden bzw. um über­

haupt Zugang zu kommerziellen SW-Produkten zu finden, suchte Commodore

Anschluß an die MS-DOS-Weltl13. Dies erfolgte zunächst mit einem sog. "Sidecar",

d.h. einer HW-Erweiterung, die den Amiga 1000 zu einem Doppelprozessorsystem

aufrüstet. 1987 wurde dann das Modell 2000 vorgestellt, das eine 8088-Prozessorkarte aufnehmen kann. Auf diese Weise kann ein standardkompatibles Subsystem im

Amiga 2000 implementiert werden. Weitere vier Steckplätze können mit PC­

kompatiblen Zusatzkarten bestückt werden114.

Die vorstehenden Beispiele verdeutlichen zum einen die Schlüsselrolle, die Komple­

mentärprodukten bei der Einführung neuer, grundsätzlich nicht standardkompatibler

Geräte (wie der Lisa) zukommt. Der Fall Amiga zeigt darüber hinaus die von

Commodore eingeleiteten Maßnahmen auf, um diese Barriere zu überwinden.

In abgemilderter Form sind aber auch neue Anbieter von nur teilweise kompatiblen

Personal Computern von der "Komplementärprodukt-Barriere" betroffen: Gegenüber

den Herstellern "100 %iger Clones" haben sie zunächst die Kosten der Portierung von

Industriestandard-Applikationen auf ihre Systeme zu tragen. In Abhängigkeit vom

111 Diese sind in der für diese Preisklasse überlegenen Grafikfähigkeit zu sehen.

112 VgI. VDI Nachrichten Nr. 9 vom 27.02.1987, S. 52.

113 Commodore legte zur Hannover Messe 1987 zwar bereits einen Katalog mit etwa 500 Amiga­Programmen vor, der jedoch die gebräuchlichsten horizontalen Pakete ebenso wenig beinhaltet wie vertikale Lösungen.

114 VgI. Commodore (Jahrbuch), S. 18 f.

Page 356: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

341

Grad der Inkompatibilität kann der Aufwand hierfür - nach Aussagen eines Firmen­

vertreters - "bis zu einigen Mannjahren" betragen115.

Außerdem existiert bei bedeutenden SW-Häusern wie Microsoft eine Rangfolge bei

der Belieferung von "Big Names"-Anbietern mit "gelabelter Software", wobei sich die

Priorität nach den jährlich abgenommenen Betriebssysternlizenzen bemißt. Nach

Angaben eines Interviewpartners werden demnach zunächst die Hauptkunden IBM

und Olivetti bedient, gefolgt von Apple und den voll kompatiblen "Big Names", ehe

schließlich für die nur teilweise kompatiblen Hersteller ein "Adaption Kit" bereit­

gestellt wird, mittels dessen diese dann das SW-Produkt auf ihre Computer portieren

können. Neben dem Portierungsaufwand selbst hatten die nicht vollständig kompa­

tiblen Newcomer (wie z.B. Siemens mit dem PC-D) also eine zweifache Zeitverzöge­

rung bis zur Verfügbarkeit der betreffenden Appliktion auf ihrer Hardware in Kauf

zu nehmen. Jedoch unterliegen auch weitgehend kompatible Newcomer einem Time­

lag, der aus der begrenzten Entwicklungskapazität der SW-Häuser resultiert:

Zunächst müssen für den Hauptkunden IBM die Fehler aus der Software eliminiert

werden, die von deren Anwendern zurückgemeldet werden. Erst wenn diese Fehler

beseitigt sind, kann die Zuwendung zum nächsten OEM-Kunden erfolgen116•

Fazit zu den absoluten Eintrittsbarrieren:

Die bedeutendste größenunabhängige Eintrittsbarriere, wenn nicht das größte Ein­

trittshemmrus überhaupt117, bildet der Zugang zu qualifizierten Fachhändlern. Indes

entsteht Newcomern im allgemeinen kein nennenswerter Wettbewerbsnachteil aus

der Produkttechnologie des Industriestandards, die - abgesehen vielleicht von der

"proprietary Extended Version" des Betriebssystems/2 - allen Marktteilnehmern

offensteht. Auch die einzelnen Komponenten eines Personal Computers sind de facto

standardisiert und in der Regel über den Zuliefermarkt zu beziehen. Für Newcomer,

115

116

117

Dieser Kostenfaktor wird nicht durch Größenunterschiede verursacht und bedeutet daher einen absoluten Kostennaehteil. Da es sich aber um einen F'txkostenblock handelt, sind im Sinne "unechter sca1e economies" größere Wettbewerber weniger betroffen.

Neben den nieht bzw. nur teilsweise standardkompatiblen Wettbewerbern war jedoch auch IBM von U nverträglichkeiten zum selbstgesetzten Standard betroffen. "After the introduction of the PC in August '81 and tbe PC XT in March '83, IBM came out with several products that had technica1 weaknesses and were not fully compatible with tbe standards tbe company itself bad created. As a result, tbese micros did not attract third-party development and tbey failed to meet end-user needs." Preston (Rebuilding), S. 74. Und weiter: "Tbe advantages tbey provided were not sufficient to compensate for tbe fact tbat tbey could not operate industry-standard software and peripberals because tbey were not fully compatible. This obviously meant that software and peripheral developers would not commit development resources to machines that they did feel would eam broad enough user acceptance." Ebenda, S. 76.

So z.B. aucb Davidson (Apple), S. 208.

Page 357: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

342

die sich strikt am Industriestandard orientieren, entstehen weiterhin keine signifi­

kanten Nachteile aus der Verfügbarkeit von Komplementärprodukten. Lediglich für

Wettbewerber, die den Stellenwert des De-facto-Standards nicht erkannt haben oder

diesem aus Gründen der technologischen Differenzierung nicht gefolgt sind, ergeben

sich Portierungkosten und auch Opportunitätskosten auf grund entgangener Umsätze,

die von einer späteren Softwareverfügbarkeit herrühren.

6.2.3. Größenabhängige Kostennachteile

Über Betriebsgrößenersparnisse bestehender Wettbewerber, aus denen Newcomern

u.U. ein größenabhängiger Nachteil erwächst, konnten nur wenige (präzise) Informa­

tionen erhoben werden118• Diese betreffen vor allem die Skalenerträge in der Ferti­

gung und die Einkaufsvorteile.

Im Produktionsbereich setzen sich die Skaleneffekte auch noch in Bereichen von über

200.000 Geräten p.a. fort. Allerdings verläuft die Stückkostenkurve in einer solchen

Größenordnung bereits so flach, daß sich keine sehr deutliche Kostenreduktion bei

weiter zunehmender Betriebsgröße mehr einstellt. Außerdem übersteigt eine solche

Ausbringungsmenge das Absatzvolumen einzelner europäischer Landesmärkte, so

daß Größenersparnisse in der Produktion von "diseconornies" im Transport und

durch die Verzollung teilweise wieder aufgezehrt werden119• Gegen einen erheb­

lichen Größenvorteil etablierter Anbieter in der Produktion spricht auch die Tat­

sache, daß - bei einer ohnehin eher flach verlaufenden Kostendegression - der

Montageanteil nur ca. 30 % der Herstellkosten ausmacht und durchschnittlich 70 %

auf zugekaufte Teile entfallen.

Ein größeres Potential für die Verbesserung der Kostenposition auf der Hardware­

seite birgt daher die Beschaffung von Fremdbezugsteilen in großen Mengen. Hier

stellen sich jeweils bei einer Verdoppelung der Bestellmenge Einkaufsvorteile von 10

bis 15 Prozentpunkten ein, wobei die erste Rabattschwelle bei 20.000 bis 25.000 Ein­

heiten liegt. Insofern beziffert z.B. Commodore seinen Kostenvorteil im Teilezukauf

118 Dies mag darin begründet sein, daß es sich bei den meisten bedeutenden PC-Anbietern um Ver­triebsgesellschaften ausländischer Hersteller handelt. Unter den namhaften Anbietern unterhalten nur Siemens, NCR und Commodore eine Fertigung bzw. Montage in Deutschland. Jedoch konnten auch von dieser Seite detailliertere Angaben zu Größenersparnissen nicht zugänglich gemacht werden.

119 Die Fracht- und Zollkosten betragen ca. 10 bis 15 % der Herstellkosten.

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343

gegenüber einem kleinen, regional operierenden Nischenanbieter mit etwa 50

Prozent120.

In der Summe belaufen sich die größenabhängigen Kostennachteile einzelner "Big

Names"-Vertreter gegenüber dem Marktführer z.T. auf über 1.000 DM: Für IBM

bezifferte ein Interviewpartner die Kosten eines kompletten PC auf 2.200 DM, bei

einer Stückzahl von 2 Mio. Geräten p.a.; für Olivetti bei 500.000 Geräten auf

3.000 DM und für NCR bei 400.000 Geräten auf 3.300 DM.

120 Die Einkaufspreise richten sich aber nicht nur nach der Abnahmemenge, sondern auch nach der terminlichen Dringlichkeit der Lieferung. So können durch eine exakt terminierte, längerfristige Beschaffungsplanung mitunter größere Vorteile erzielt werden als durch sehr hohe, aber kurzfristig disponierte Mengen. Geht man nun davon aus, daß ein neuer Wettbewerber mangels Erfahrungs­werten und mangels Resonanz von der Nachfrageseite seinen Bedarf an Bauteilen oder Bau­gruppen weniger gut prognostizieren kann als ein langjähriger Anbieter, so ist in den daraus resul­tierenden Einkaufsnachteilen ein größenunabhängiger, d.h. absoluter Kostennachteil zu sehen. Z.B. prognostizierte Arnstrad, Lieferant des pe 1512 von Schneider, den Anteil der Festplatten­pes bei deren Ankündigung im September 1986 mit 10 % des gesamten Auftragseingangs. Tatsächlich entfielen jedoch im Februar 1987 55 % der Nachfrage auf die Festplatten-Version. Kurzfristig konnte Arnstrad keinen fernöstlichen Hersteller finden, der die zusätzlich benötigten Plattenlaufwerke direkt an die koreanische Montagestätte liefern konnte, und war daher gezwun­gen, die nur vormontierten pes zur Komplettierung in die englische Niederlassung zu verschiffen. Vgl. CW 14 (1987) 6, S. 22.

Page 359: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

344

6.3. Reaktionsbedingte Eintrittsbarrieren: Die Gefahr der Vergeltung durch bestehende Wettbewerber

Die Aussicht auf Gewinnerzielung in einem neuen Markt bemißt sich zunächst nach

der Höhe der strukturbedingten Wettbewerbsnachteile, die ein Newcomer gegenüber

einem etablierten Wettbewerber ggf. aufweist. Je nach dem herrschenden Preis­

niveau kann ein Markteintritt unter den gegebenen Bedingungen unattraktiv oder aber

lukrativ erscheinen.

Jedoch muß der Status quo der Marktzutrittsbedingungen nicht notwendigerweise

mit der zukünftigen (Rentabilitäts-)Situation übereinstimmen. Denn etablierten

Wettbewerbern steht die Möglichkeit offen, mittels Vergeltungsmaßnahmen die post

entry-Bedingungen neu zu gestalten. Und da nach der Umitpreis-Theorie nicht die

pre-entry-Bedingungen einer Branche für die Markteintrittsentscheidung maßgeblich

sind, sondern die Bedingungen, die nach einem Eintritt vorherrschen werden, können

bestehende Wettbewerber das Markteintrittskalkül potentieller Newcomer mittels

glaubhaft angedrohter Vergeltungsmaßnahmen beeinflussen.

Die Perzeption der Gefahr, die von derartigen drohenden Reaktionen ausgeht, rich­

tet sich einerseits nach der Vergeltungswahrscheinlichkeit in der Wahrnehmung der

Herausforderer, andererseits nach der erwarteten Intensität solcher Gegenmaß­

nahmen1. Als Bestimmungsgrößen und Indikatoren für die Vergeltungswahrschein­lichkeit und -intensität nennt Porter folgende Faktoren2:

das Branchenwachstum;

die eingegangenen Verpflichtungen bzw. die Höhe der Austrittsbarrieren; das Vorhandensein von geeigneten Mitteln für Abwehrmaßnahmen und

die Intensität früherer Vergeltungsmaßnahmen.

6.3.1. Das Branchenwachstum als Bestimmungsgröße der Vergeltungsgefahr

Die Wahrscheinlichkeit einer harten Reaktion durch etablierte Anbieter sinkt im all­

gemeinen mit zunehmender Marktwachstumsrate. Denn das Marktvolumen ist dann

weniger beschränkt als im Falle einer stagnierenden Nachfrage, in dem Newcomer zu

Lasten des Umsatzes oder der Ertragslage bestehender Wettbewerber einen Teil des

1

2 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 618.

Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 37 f.

Page 360: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

345

Marktes beanspruchen3. In schnell wachsenden Branchen hingegen verlieren

etablierte Anbieter zwar Marktanteile an neu eingetretene Wettbewerber, sie können

aber dennoch einen absoluten Umsatz- oder Absatzzuwachs aufzuweisen haben, auch

wenn sie langsamer wachsen als der Markt4.

Im Jahr 1983, also zum Zeitpunkt des Markteintritts der wichtigsten "Big Names"­

Vertreter, wurde von der Marktforschungsgesellschaft IDC folgende Entwicklung der

Personal Computer-Umsätze für die Bundesrepublik Deutschland prognostiziert: 1987

sollte sich der Umsatz der vier IDC-Segmente auf durchschnittlich 248 % des Jahres­

umsatzes von 1982 belaufen. Das größte absolute und relative Umsatzvolumen wurde

dabei für das kommerzielle Segment mit 275 % vorhergesagt, gefolgt vom technisch­

wissenschaftlichen Segment mit 202 %, dem Heim- und Hobby-Bereich mit 188 %

und dem Ausbildungsbereich mit 182 % 5. Der installierte Bestand an professionellen

Mikrocomputern betrug Ende 1982 nach IDC 120.000 Einheiten, wuchs bis zum

Jahresende 1983 um 82.000 Geräte auf 202.000 Stück6 und sollte sich Ende 1984 auf

ca. 300.000 Einheiten belaufen 7. Zu diesem Zeitpunkt ging man von einer jährlichen

Marktwachstumsrate von etwa 30 bis 40 % aus8. Ende 1984 verzeichnete das Markt­

forschungsinstitut IDC dann sogar einen installierten Bestand von 455.000 Personal

Computern, die zu knapp 40 % allein in diesem Jahr nachgefragt worden waren9.

Ausgehend von einem Absatzvolumen von 170.000 Einheiten im Jahr 1985 prognosti­zierten die Marktforschungsunternehmen Roland Berger & Partner sowie Diebold

schließlich ein Abflachen der Wachstumskurve bis 198810• Auch die Firma Apple geht in ihrer Einschätzung der Marktentwicklung bis zum Jahr 1990 davon aus, daß

der Personal Computer-Markt stückzahlmäßig weiterhin um 10 bis 20 % p.a. wachsen

wird und 1990 ein Absatzvolumen von ca. 400.000 Einheiten erreicht haben wird11.

3

4

5

6

7

8

9

Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 38.

Neue Konkurrenten, die Nachfragespitzen abdecken, können im Sinne "guter Wettbewerber" für etablierte Anbieter auch von Vorteil sein. Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 266.

Entnommen aus Bues & Pleil (Mikrocomputer), S. 178. Diese Daten beziehen sich nur auf den Hardwareumsatz, ohne Drucker-, Peripherie- und Dienstleistungsumsätze.

Nach mcw 1984/7, S. 15.

Vgl. Bues & Pleil (Mikrocomputer), S. 180.

Vgl. Bues & Pleil (Mikrocomputer), S. 180.

Nach mcw 1985/9, S. 8.

10 Vgl. dazu im einzelnen die Zusammenstellung von Marktforschungsdaten bei ifw (Zahlen), S. 510.

11 Vgl. VDI Nachrichten Nr. 7 vom 14.02.1986, S.17.

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346

Gegenüber anderen Segmenten der Datenverarbeitungsindustrie weist der deutsche

Mikrocomputermarkt damit eine zwar bereits reduzierte, aber auf hohem Niveau

stagnierende Zuwachsrate auf12. Angesichts der vergleichsweise günstigen Prognosen

konnte jeder einzelne Newcomer davon ausgehen, daß der Branchenführer keinen

Anlaß zu harten Vergeltungsmaßnahmen aufgrund eines stagnierenden oder gar

rückläufigen Marktvolumens haben dürfte. Aufgrund der hohen Anzahl der Markt­

eintritte mußte jedoch evtl. damit gerechnet werden, daß der Marktführer und andere bedeutende etablierte Wettbewerber sich zur Verteidigung ihrer Position ent­

schließen würden, sofern eine Egalisierung der Marktanteile einsetzen sollte. Aller­dings wurde trotz der hohen Zahl der Marktteilnehmer für die Mikrocomputer­

branche keine polypolistische Struktur prognostiziert. So ging z.B. Diebold in einem

"Markt-Szenario 1984" davon aus, daß von den 200 Anbietern in der BRD nur etwa

50 Unternehmen überhaupt eine Marktbedeutung erlangen und nur 10 Firmen einen

Marktanteil von mehr als 5 bis 10 % erreichen werden13.

In Erwartung einer hohen Absatzkonzentration auf die zehn führenden Wettbewer­

ber und dank eines stetig zunehmenden Marktvolumens war die Gefahr einer harten

Vergeltung also eher als gering einzuschätzen14•

6.3.2. Die Höhe der Austrittsbarrieren als Vergeltungsdeterminante

Eine Vergeltung bestehender Wettbewerber als Reaktion auf den Markteintritt eines Newcomers wird - ceteris paribus - eher zu erwarten sein und umso härter ausfallen,

je höher die Austritts- bzw. Schrumpfungsbarrieren sind: Alle Faktoren, die den Rückzug eines etablierten Unternehmens aus einer Branche behindern oder auch nur

12 Nach Pleil (Handbuch, S. 44) schätzten kompetente Marktbeobachter die durchschnittlichen Stei­gerungsraten der einzelnen Computerklassen wie folgt ein: Die Wachstumsrate des Marktes für professionelle Mikrocomputer sollte sich von 30 % im Jahr 1985 auf 20 % im Jahr 1987 verringern, das Homecomputersegment sollte eine konstante Steigerungsrate von 20 % aufweisen. Demgegen­über sollte sich der Minicomputermarkt nach einem 15 %igen Wachstum im Jahr 1985 in den bei­den darauffolgenden Jahren nur noch um 10 % p.a. ausweiten. Und für das Großcomputersegment wurde eine bei 5 % stagnierende Wachstumsrate prognostiziert.

13 Vgl. B-W 1984/3, S. 42, oder VuB 1984/2, S. 12.

14 Auch international waren die Wachstumsaussichten sehr günstig. Lediglich 1984/85, als der US­Markt stagnierte, bestand die Gefahr, daß sich die amerikanischen Anbieter verstärkt den euro­päischen Märkten zuwenden könnten, auf denen sie aber bereits ohnehin einen Anteil von ca. 70 % hielten (vgl. mcw 1985/10, S. 8). Und da für Europa von Intelligent Electronics im Jahr 1985 eine Nachfragesteigerung von 50 % prognostiziert wurde (vgl. ebenda, S.8), bedeutete ein möglicher­weise verstärktes Engagement der US-Anbieter für eventuelle europäische Newcomer keine über­mäßige Bedrohung.

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347

die Reduzierung seiner Position innerhalb der Branche hemmen, bedeuten für einen

Newcomer eine ernsthafte Vergeltungsgefahr15.

Als Schrumpfungsbarriere können in der Mikrocomputerbranche die hohen Fixkosten

für Marketing- und Vertriebsaktivitäten angesehen werden. Diese Fixkosten wirken

einer Volumenreduzierung bei bestehenden Wettbewerbern entgegen, da dies mit einer größenbedingten Verschlechterung der Kostenposition verbunden wäre. Inso­

fern können Newcomer keinen Volumenverzicht seitens der etablierten Anbieter erwarten, was jedoch wegen des ausreichenden Branchenwachsturns kein Problem

bedeutet. In der Wahrnehmung neuer Wettbewerber hatten und haben Schrump­fungsbarrieren daher keine praktische Bedeutung als Ursache für Vergeltungs­

maßnahmen.

Gleichfalls ist die Wahrscheinlichkeit gering, daß bereits bestehende Wettbewerber

durch den Markteintritt von Newcomern aus dem (wachsenden) Markt verdrängt

werden und sich daher zu Vergeltungsaktionen gezwungen sehen. Sollten die Bran­

chenverhältnisse für einen bestehenden Anbieter dennoch so unattraktiv werden, daß

er den Rückzug aus diesem Geschäft vorzieht, so stehen dem meist keine prohibitiv

hohen Austrittsbarrieren entgegen.

Denn abgesehen von mM, Siemens und Olivetti sind die meisten "Big Names"­Firmen keine so unumstößliche Verpflichtung eingegangen, daß ein Verlassen des

Mikrocomputermarktes unmöglich wäre. Allerdings kommt dem Personal Computer

als Einstiegsprodukt in die Bürokommunikation eine strategische Bedeutung zu. Die

für diesen "Zukunftsmarkt" erforderliche Präsenz auf Arbeitsplatzebene kann einen

"Big Names"-Anbieter dazu veranlassen, Rentabilität zu opfern und auch unter

ungünstigen Bedingungen seine Position zu verteidigen. Ähnliche strategische Wech­

selbeziehungen ergeben sich für Wettbewerber wie NCR, deren unternehmensweite Gesamtstrategie (corporate strategy) auf die dezentrale Rechnerwelt um den Host ausgerichtet ist und deren Produkt-Markt-Konzept daher durch Mikrocomputer elementar tangiert ist. Ein Ausscheiden aus dem PC-Markt wird deshalb von NCR als

problematisch erachtet. In einer vergleichbaren Situation vollzog jedoch der Mini­computerhersteller DEC den Austritt aus dem Stand-alone- bzw. Massenmarkt.

Erleichtert werden derartige Schritte durch die Möglichkeit des Rückzuges in

Spezialmärkte oder Nischen, z.B. - wie im Falle DEC - in das Workstation-Segment

oder - wie von Xerox durchgeführt - in den Desktop-Publishing-BereichI6• Auch

15 Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 38 und S. 45 f., sowie (Wettbewerbsvorteile), S. 620.

16 Vgl. CW 14 (1987) 13, S. 88.

Page 363: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

348

gaben IBM und Texas Instruments ihr Engagement im Homecomputersegment wie­

der auf, wobei allerdings kein Imageverlust bei kommerziellen Anwendern drohte,

der die Austrittsentscheidung hätte erschweren können.

Strategische Wechselbeziehungen oder Verflechtungen liegen teilweise auch bei den "Brand Identification-Clones" vor: Bei Commodore oder Tandon ist die PC-Sparte

Teil einer horizontalen bzw. vertikalen Geschäftskette, so daß der Bestand des Gesamtunternehmens hier möglicherweise auch vom PC-Geschäft abhängt, das aus

diesem Grund ggf. nicht aufgegeben werden kann.

Schließlich können emotionale Austrittsbarrieren bei Pionierfirmen wie Apple, Victor,

Commodore und auch Osborne ökonomisch gerechtfertigte Austrittsentscheidungen

blockieren17• Zur Verbundenheit dieser Pionieranbieter mit der Mikrocomputer­

branche kommt die Tatsache hinzu, daß es sich meist um Einprodukt- bzw. Einspar­

tenunternehmen handelt. Wegen deren geringem Diversifikationsgrad besteht kaum

eine Rückzugsmöglichkeit in verwandte Bereiche.

Spezialisierte Aktiva liegen wegen der branchentypisch geringen vertikalen Integration

und aufgrund der extensiven Zusammenarbeit mit indirekten Vertriebskanälen und

Zulieferern nur in eher unbedeutendem Umfang vor: Die überwiegend anzutreffende

Beschränkung auf die Endrnontage wurde von den betreffenden Wettbewerbern u.a.

gerade aus Gründen der Erhaltung ihrer Flexibilität gewählt.

Unter Berücksichtigung des erwarteten nachhaltigen Branchenwachstums geht bzw.

ging von den Austritts- und Schrumpfungsbarrieren - trotz einiger derartiger

Hemmnisse - insgesamt keine Vergeltungsgefahr bedrohlichen Ausmaßes für

Newcomer aus.

6.3.3. Die Fähigkeit des Branchenführers zu einer elTektiven Vergeltung

Während sich die vorstehend analysierten Schrumpfungsbarrieren und die Markt­wachstumsrate nur auf die Notwendigkeit beziehen, mit der etablierte Wettbewerber

ggf. zu Abwehrmaßnahmen greifen müssen, hängt die (perzipierte) Vergeltungs­

gefahr aber auch von den vorhandenen Mitteln und Möglichkeiten für effektive Gegenmaßnahmen ab.

17 Statt des Marktaustritts hat sich eine Reihe von Branchenpionieren in der Vergangenheit unter den Schutz von Chapter 11 begeben und Sanierungsmaßnahmen eingeleitet.

Page 364: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

349

Die Fähigkeit eines etablierten Unternehmens zur wirksamen Vergeltung kann

abgelesen werden an Faktoren wie überschüssiger Liquidität, präventiv aufgebauten

unausgelasteten Produktionskapazitäten, an einer starken Position gegenüber Ver­triebskanälen und Kunden, an umfangreichen FuE-Kapazitäten, am Vorhandensein

von Kampfmarken und an einer schwächeren MarktsteIlung in anderen, gemein­

samen Bereichen, die für eine Querparade genutzt werden könnten18• Schließlich

kann die Fähigkeit zur Vergeltung demonstriert werden durch neue Modelle oder

Produktgenerationen, die in Reserve gehalten werden, über deren Existenz man aber Informationen durchsickern läßt19•

Bei der Analyse der Frage, ob etablierten Wettbewerbern - in der Wahrnehmung

neuer Anbieter - geeignete Maßnahmen zur Abwehr und Abschreckung von New­

comern zur Verfügung stehen bzw. standen, konzentrieren wir uns auf den Branchen­führer IBM20• Denn von den befragten Firmenvertretern wurde übereinstimmend

angegeben, daß man sich beim Markteintritt an IBM orientiert hat. Auch wenn dies

nicht bedeutet, daß IBM der Hauptwettbewerber für alle Unternehmen bzw. New­

comer ist21, sah man in IBM offenbar einen dominanten gemeinsamen Konkurrenten, durch dessen zukünftige Aktionen der Erfolg des eigenen Markteintritts am ehesten

beeinträchtigt werden könnte.

18 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 38 und S. 144.

19 Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 620.

20 Vor IBM hatte Apple die Position des Branchenführers inne. In den Augen von McClellan (Shakeout, S. 217 f.) unternahm Apple wenig, um der Bedrohung durch IBM wirksam entgegenzu­treten. Er führt dies darauf zurück, daß Apple in IBM möglicherweise einen zweiten "Fall Xerox" sah, der mit einem Fehlschlag endete (vgl. ebenda, S. 107 ff.). Als wahrscheinlichere Erklärung für dte nur schwach ausgeprägte Reaktion vermutet er, daß Apple vom eigenen Erfolg geblendet war. Bei derartigen Deutungsversuchen wäre jedoch zunächst zu klären, ob für Apple überhaupt eine unabdingbare Notwendigkeit vorlag, härtere Maßnahmen zu ergreifen, und wenn ja, ob dafür auch wirksame Möglichkeiten bestanden und ob außerdem die erforderlichen Mittel für die Abwehr eines so übermächtigen Herausforderers gegeben waren. Im Hinblick auf die Notwendigkeit von Ver­geltungsmaßnahmen betont Porter (Wettbewerbsvorteile, S.272), daß von IBM ein wichtiger Bei­trag zur Branchenentwicklung zu erwarten war. [In dieser Eigenschaft wird IBM auch als "Branchenkatalysator" bezeichnet. Siehe Datamation 32 (1986) 20, S. 46.] Denn mit ihrem Markt­eintritt konnte IBM Mikrocomputern zur Glaubwürdigkeit bei kommerziellen Abnehmern verhel­fen, die sich bis dahin noch stärker an der Großrechner-Welt orientierten. Dies wurde offenbar auch von Apple so gesehen, wie die Anzeigenkampagne "Welcorne, IBM. Seriously!" zeigt, mit der Apple den Newcomer IBM begrüßte.

21 Schließlich hat kein "Big Names"-Newcomer einen Angriff auf IBM gestartet, mit dem Ziel, die Marktführerschaft zu übernehmen. Insofern ist z.B. der vordringliche Konkurrent von Siemens oder NCR Olivetti, und nicht IBM. Und der Tandon nahestehendste Wettbewerber ist Commodore, was auch in der strategischen Karte der Branche zum Ausdruck kommt: Beide Unternehmen präsentieren sich mit einer vergleichbaren Strategie als Alternativen zu IBM.

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350

Trotz der vorhandenen finanziellen Ressourcen und trotz einiger Faktoren, die eine

Möglichkeit für effiziente Vergeltungsmaßnahmen beinhalteten, wurde der Bran­

chenführer von den Newcomern als ein "guter Marktführer" wahrgenommen22•

Zu den Faktoren, die einen Ansatzpunkt für Vergeltungsmaßnahmen darstellen

konnten, zählen IBMs starke Position gegenüber den Abnehmern und den indirekten

Vertriebskanälen. Denn auch wenn der Fachhandel bestrebt war, neben IBM noch

alternative Lieferanten zu führen, mußte befürchtet werden, daß IBM ein Netz von

Exklusivhändlern aufbauen könnte oder disziplinierende Maßnahmen gegenüber

solchen IBM-Händlern ergreifen könnte, die auch niedrigpreisige Clone-Produkte in

ihr Programm aufnehmen wollen. Neben nicht auszuschließender Bestrebungen, den

Zugang zum Handel zu erschweren, der ja einen wesentlichen Engpaß in der Mikro­

computerbranche bildet, bestand die Gefahr, daß IBM auch die Abnehmer selbst stärker an sich binden könnte: Durch eine Verunsicherung der Kunden können

beispielsweise in deren Wahrnehmung Umstellungskosten erzeugt werden, die einen

Wechsel auf Clone-Produkte verhindern23•

Jedoch gab es keine klaren Anhaltspunkte für derartige Reaktionen durch IBM.

Denn der Fachhandel befürchtete im Gegenteil wiederholt, daß sich IBM ganz aus dem indirekten Vertrieb zurückziehen könnte24, anstatt Händler exklusiv an sich zu

binden. Auch standen IBM zunehmend anspruchsvollere und selbstbewußtere

Anwender mit gestiegenen Kenntnissen gegenüber, die schließlich sogar die Diffe­

renzierungsprämie von IBM in Gefahr brachten25•

22 Nach Porter (Wettbewerbsvorteile, S.283) ist die wichtigste einzelne Eigenschaft eines guten Branchenführers aus der Perspektive der Verfolger, "daß der Führer Ziele und eine Strategie ver­folgt, die einen Schutzschirm bilden, unter dem die Verfolger mit Gewinn leben können." Gebraucht man den Terminus "guter Branchenführer" in diesem Sinne, so folgt hieraus, daß die Eintrittsbarrieren der betreffenden Branche definitionsgemäß gering sind. Von den befragten Firmen wurde IBM indes im übertragenen Sinne als guter Branchenführer bezeichnet.

23 IBM-Kritiker sprechen in diesemm Zusammenhang von einer "Fear, Uncertainty and Doubt"­Politik. Siehe z.B. Gene Amdahl, nach Vollmer (Wunder), S.36. Vgl. auch oben, S. 238 f., Fußnote 157.

24 Z.B. anläßlich der Einführung des PC AT. Vgl. zu den perzipierten möglichen Auswirkungen dieses Produktes auf den Fachhandelsvertrieb Tyler (Change), S. 30 ff.

25 Nach Porter (Wettbewerbsvorteile, S.201) werden gestiegene Ansprüche und Kenntnisse der Abnehmer zur Bedrohung für schwer meßbare Differenzierungsformen, die bislang ohne Wider­spruch hingenommen wurden. Hergert (Standards, S.84) analysiert dies für die Mikrocomputer­branche wie folgt: "IBM looks attractive to buyers in early market development because it has the resources and staying power to survive a competitive shakeout, it has a track record of commit­ments to supporting a standard for long periods of time, and it has an excellent reputation for service .... However, many of these concerns diminish as markets mature .... This means that IBM may face difficulties in the future in maintaining its price premiums, as buyers will increasingly view other suppliers as proven and capable."

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351

Zu den weitreichendsten Maßnahmen, die IBM hätte ergreifen können, zählen Preis­

reduzierungen oder gar die Schließung des standardkompatiblen Marktsegmentes mit

einem "proprietary product".

Eine Gefahr, von IBM mittels eines "geschützten" Produktes von der zukünftigen

Marktentwicklung abgeschnitten zu werden, sahen die befragten Firmenvertreter für

ihr Unternehmen nicht. Sie hielten dem entgegen, daß sie nicht kompatibel zu IBM

sind, sondern zum Branchenstandard und zu einer Basis von weltweit ca. 6 Mio.

Anwendern, die hohe Investitionen in Hardware und Anwendungssoftware des Indu­

striestandards getätigt haben26• In diesem Sinne betonte z.B. Tandon, daß man sich

nicht zur IBM-Kompatibilität bekannte, sondern zur größten vorhandenen Anwen­

dergruppe. Aufgrund des Volumens dieses Marktes und der immensen "sunk costs"

der Anwender ging man dort davon aus, daß der Standard MS-DOS trotz der Ankün­

digung der neuen IBM-Serie/2 weiter bestehen wird27.

Wegen der Vielzahl involvierter "Stakeholder" waren Branchenbeobachter und

Firmenvertreter außerdem der Meinung, daß IBM auch künftig - wie schon in der

Vergangenheit - nicht in der Lage sein würde, den neu gesetzten Standard (PS/2 bzw.

OS/2) allein zu kontrollieren, sondern daß hierbei eine Reihe von Interessengruppen

mitwirken würde: Die Anwender, die Softwareentwickler und Betriebssystemliefe­

ranten, die Prozessorenzulieferer und Hardwarehersteller, aber auch die Konkurren­

ten28• Denn all diese Bezugsgruppen - so ein Gesprächspartner - haben sich an die

Vorzüge einer offenen Systemarchitektur und eines offenen Branchenstandards

gewöhnt, zu deren Fortbestand sie erforderlichenfalls eine Koalition bilden würden.

Hätte sich IBM z.B. für ein vollkommenes "proprietary Personal System/2" entschie­

den, so hätten die genannten Interessengruppen hierauf u.a. mit einer Allianz für

Unix-Systeme auf 32-Bit-PCs reagieren können29, womit ein offener Industriestan-

26 Diese belaufen sicb nacb Angaben von Rod Canion, Compaq Computer Corp., auf 80 Mrd. Dollar. VgI. Business Week No. 3005 vom 29.06.1987, S. 69.

27 So mußte beispielsweise Microsofts Cbairman Bill Gates [zitiert nach Datamation 33 (1987) 24, S. 36] seine ursprüngliche Einschätzung revidieren: "I originally thought we'd see some slowdown in pc sales when the PS/2 was announced, but it bas not happend to tbe degree I thought it would. The pc market has continued to grow or, if anytbing, grow faster since April 2 than before." Für den (einstweiligen) Fortbestand des alten Industriestandards sprechen aucb die 1DC-Marktforschungs­daten des Jahres 1987: Über 45 Prozent des in der BRD installierten PC-Bestandes arbeiten mit den Prozessoren 8086 und 8088, können also nicht unter OS/2 laufen. Und auch die 42 Prozent Rechner der 286er-K1asse sind aus Performance-Gründen kaum für den Einsatz dieses Betriebs­systems geeignet. VgI. CW 15 (1988) 27, S. 56.

28 VgI. z.B. Preston (Rebuilding), S. 75.

29 Oder aucb mit einer Einigung auf Concurrent DOS von Digital Research. Zu einigen früheren Überlegungen zum zukünftigen Betriebssystem vgl. Healey (Viable OS), S. 92 ff.

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352

dard auch in dieser Rechnerklasse fortsetzbar gewesen wäre. Wegen der Notwendig­

keit, die Softwareinvestitionen der Anwender zu schützen, und wegen der von IBM

selbst erkannten Bedeutung eines offenen Branchenstandards war jedoch nicht von

einer radikalen Schließung des Systems und von einer vollständigen Abkehr von der

MS-DOS-Welt auszugehen. In dieser Hinsicht war IBM also in ihrer Vergeltungs­

möglichkeit durch gespaltene Interessenlagen (mixed motives) behindert3O•

Das Bekanntwerden einer von IBM geplanten Nachfolgegeneration31 bot New­

comern also keinen Anlaß, von einem Eintritt in die erste Gerätegeneration abzu­

sehen, da nicht mit einem abrupten Abbrechen des PC- bzw. MS-DOS-Lebenszyklus

zu rechnen war. Auch trat IBM selbst Gerüchten über einen frühen Einführungszeit­

punkt entgegen, z.B. im Juli 1985, als IBM offiziell mitteilte, das informell als PC2

gehandelte System existiere nicht und es werde in diesem Jahr auch kein weiterer,

neuer PC eingeführt32.

Andere, eher für Konsumgütermärkte typische Maßnahmen, wie z.B. Kampfmarken,

hatten die Wettbewerber von IBM in der Vergangenheit nicht zu befürchten. Auch

hinsichtlich aggressiver Preissenkungen - als Reaktion auf Markteintritte kompatibler

Konkurrenten - gingen die Mitbewerber in ihren Annahmen über IBM davon aus,

daß eine Niedrigpreispolitik nicht zu dem von IBM gepflegten Image paßt und der

Reputation des Marktführers schadet.

Als weitere Möglichkeit, gegen neu eingetretene Anbieter von Clone-Produkten vor­

zugehen, kam schließlich die Verfolgung von Verstößen gegen das Patent- und

Urheberrecht in Betracht. Dies bedeutete aber nur für diejenigen neuen Wettbewer­

ber eine Bedrohung, die das Basic-Input/Output-System von IBM kopierten, anstatt

dessen Funktionen zu emulieren. Im Hinblick auf den geringen Schutz anderer

Bestandteile der Produkttechnologie ging IBM - so die Perzeption befragter Mitbe­

werber - wahrscheinlich oder möglicherweise davon aus, daß das geschützte BIDS

nicht so schnell emuliert werden würde. Andere Quellen hingegen sehen in diesem

Schritt eine bewußte Strategie von IBM: "It is generally believed ... that IBMs basic

input/output system (BIOS) was loosely written so that competitive machines would

30 Hergert (Standards, S. 87) hierzu treffend: "Ironically, the same forces that gave IBM the power to create a standard in 1981 will impede the company from changing it."

31 Die Mikrocomputerbranche gilt nach Angaben eines Interviewpartners für solche Informationen als "sehr durchlässig".

32 VgI. Carlyle (PC2), S. 62.

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353

be able to use a comparable BIOS without infringing on the computer giant's copyrights."33

Insgesamt standen IBM damit in der Wahrnehmung von Newcomern nur vergleichs­

weise milde Reaktionsmöglichkeiten zur Verfügung. Gravierendere Vergeltungsmaß­

nahmen mußten aus verschiedenen Gründen nicht befürchtet werden: IBM war nicht

mehr in der Lage, den selbst geschaffenen Standard allein zu kontrollieren. Der

Markt bzw. die Vielzahl der betroffenen Marktteilnehmer favorisierte offene

Systeme. Andere Maßnahmen waren vielfach mit dem Erscheinungsbild von IBM -

zumindest in der Wahrnehmung von Newcomern - unverträglich. Und wegen der

Aufmerksamkeit, die IBM von der amerikanischen Antitrustbehörde sowie der EG­

Kommission zuteil wurde, konnten Newcomer damit rechnen, daß IBM eher

gemäßigte Maßnahmen ergreifen wird. Denn ein Unternehmen, das wiederholt in

kartellrechtliche Verfahren und zivilrechtliche Prozesse verwickelt war34, "kann

dadurch tatsächlich an nachhaltiger Vergeltung gehindert werden oder glauben, daran gehindert zu sein.,,35

6.3.4. Frühere Vergeltungsmaßnahmen als Indikator zu envartender Reaktionen

Neben der Notwendigkeit und den Möglichkeiten, Vergeltungsmaßnahmen zu ergrei­

fen, richtet sich die von Newcomern perzipierte Vergeltungsgefahr auch nach der

Intensität der Reaktionen auf frühere Markteintritte. Hieran können neue Wettbe­

werber die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit des Branchenführers ablesen, gegen

neueintretende Konkurrenten vorzugehen.

33 McCusker (Bolt), S. 41.

34 Als das Verfahren der EG-Kommission im August 1984 ausgesetzt wurde, hatte IBM erstmals seit über 15 Jahren - nämlich seit dem CDC-Prozeß - keine wichtigen Antitrustklagen mehr gegen sich laufen. Vgl. Sobel (Herausforderung), S. 134 f.

35 Porter (Wettbewerbsvorteile), S.668. Indes fällt die Personal Computer-Linie nicht unter den zwischen IBM und der EG-Kommission vereinbarten Kompromiß, der eine Offenlegung der Schnittstellen innerhalb von vier Monaten nach Ankündigung eines neuen Produktes der System­familie /370 festschreibt. Lediglich den PC XT /370 betrifft diese Verpflichtung, sofern er als Terminal an einem Mainframe betrieben wird. Vgl. hierzu Tate & Verity (Gun), S. 43 f., sowie EG­Kommission (Aussetzung).

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354

Zu den von IBM ergriffenen Maßnahmen, die als Indikatoren der Vergeltungsbereit­

schaft und -intensität herangezogen werden konnten, zählen:

die Beteiligung von IBM an Intel; die Produktkonzeption und der Ankündigungszeitpunkt des AT;

die Preispolitik von IBM und die Einführung des XT 286, sowie

Patentverletzungsklagen und andere gerichtliche Auseinandersetzungen.

Mit einer gewissen Besorgnis wurde die im Dezember 1982 erfolgte Verbindung

zwischen IBM und der Intel Corp. betrachtet, da Intel ja nicht nur den Marktführer, sondern auch die kompatiblen Mitbewerber mit Industriestandard-Prozessoren belie­

ferte36: Für 250 Mio. $ erwarb IBM 12 % der Intel-Anteile. Ferner wurde IBM eine

Option auf insgesamt 30 Prozent eingeräumt, wobei diese Grenze bis 1990 jedoch

nicht überschritten werden durfte. Über Aktienkäufe hatte IBM ihre Beteiligung an

Intel bis Dezember 1983 auf 16,28 % erhöht37• Branchenbeobachter gingen daher

davon aus, daß IBM Intel 1991 vollständig übernehmen würde38. Inzwischen hat

jedoch Intel einen Teil des Aktienkapitals zurückgekauft. Und nach einer neuer­

lichen Veräußerung von Anteilen beläuft sich die IBM-Beteiligung nur noch auf 6,5 %39.

Im Oktober 1986 unterzeichneten IBM und Intel dann einen Vertrag über den Aus­

tausch von Halbleiter-Know how und über die gemeinsame Entwicklung von Chips

für künftige IBM-Produkte. Nach Ansicht von Branchenbeobachtern sollte sich diese Kooperation gegen Hersteller von pes auf Basis des Intel-Prozessors 80386 richten,

deren Markteinführung unmittelbar bevorstand, während sich IBM bei dieser Pro­

duktgeneration noch zurückhielt4O• Als Ziel dieser Kooperation wurde von Bran­

chenkennern eine modifizierte IBM-Variante des Prozessors 80386 vermutet; die so

weit von Intels Originaldesign abweicht, daß die Systeme anderer Hersteller mit der

künftigen IBM-Generation nicht voll kompatibel sein werden41. Ein Sprecher von

36 Zwischen Anfang 1983 und Mitte 1984 entfiel auf Intel ein Anteil von 40 % an den Prozessoren­lieferungen. In den darauffolgenden 18 Monaten stieg dieser Anteil auf 46,7 %. Über eigene Perti­gungslizenzen für den Intel80SS verfügen nur IBM und Commodore. Vgl. Bruno (Chips), S. 52.

37 Vgl. Datamation 30 (1984) 2, S. 149.

38 Vgl. Sobel (Herausforderung), S. 199. Gegen diese Annahme sprach aber, daß Intel 1982f83 unter starkem Druck japanischer Wettbewerber stand und zur Verteidigung ihrer Position hohe Investi­tionen zu tätigen hatte. Insofern konnte die IBM-Beteiligung auch als Maßnahme zur (temporären) Stützung eines wichtigen bedrohten Zulieferers interpretiert werden und nicht als eine gegen Konkurrenten auf dem PC-Markt gerichtete Maßnahme.

39 Vgl. HB vom 01.09.1987, S. 15.

40 Diese Maßnahme konnte insofern als Vergeltung gegen den Vorreiter Compaq aufgefaßt werden.

41 Vgl. CW 13 (1986) 41, S. 2.

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355

ruM erklärte jedoch hierzu, der Vertrag sei nicht gegen diese Firmen gerichtet. Auch

sei die Zusammenarbeit nicht exklusiv, d.h. ''heide Firmen hätten das Recht, die

Derivate, die der Partner anhand des Know-hows des anderen herstellt, selbst zu verrnarkten.,,42 Ungeachtet der genauen Ziele, die ruM mit dieser Kooperation ver­

folgt, sind derartige Marktsignale jedenfalls nicht geeignet, das Image einer hart­näckigen Vergeltungsbereitschaft zu pflegen43.

Auch die Produktgestaltung und Einführung des PC- bzw. XT-Nachfolgers AT war in

den Augen der Mitbewerber kein Schritt, der einen dauerhaften Vorsprung oder gar

eine Vergeltung hätte bedeuten können. Denn obwohl es warnende Stimmen gab,

was die Offenheit des AT unter MS-DOS 3.1 oder TopView anlangt44, glaubten die

Mitbewerber dennoch, den Bemühungen von ruM um eine möglichst hohe Kompati­

bilität zu den Vorgängermodellen eine Verpflichtung für offene Systeme entnehmen

zu können. Und auch in der frühen Ankündigung bzw. späten Verfügbarkeit des AT

sahen die Wettbewerber keine Beeinträchtigung. Denn unabhängig davon, ob der AT

nun verfrüht angekündigt wurde oder ob tatsächliche Lieferschwierigkeiten vorlagen,

stellten die Abnehmer - nach Angaben von NCR - ihre Investitionen wegen der doch

eher geringen Anschaffungskosten nicht um 6 bis 9 Monate zurück. Hiervon hätten

dann gerade Mitbewerber mit leistungsfähigeren Produkten profitiert. Außerdem wurde es durch die verzögerte AT-Verfügbarkeit möglich, nahezu zeitgleich mit ruM

in größeren Mengen lieferbereit zu sein.

Für eine gewisse Überraschung sorgte jedoch anfänglich die Preisfestsetzung für den

AT. Branchenbeobachter und ruM-Händler sprachen von einer aggressiven Preisge­

staltung: "ruM could have charged $ 1,500 more for the machine and not lost a

sale."45 Dennoch wurde auch dieses Produkt von den "Big Names"-Herstellern

moderat, von den "Brand Identification-Clones" und den "No Name-Clones" deutlich

im Preis unterschritten. Als Antwort auf diese preisgünstigen AT-kompatiblen

Geräte kündigte ruM im September 1986 dann in den USA den XT 286 an46• Gleich­

zeitig wurde die Auslieferung der beiden Modelle AT 01 und AT 02 eingestellt.

Preislich wurde der XT 286 etwa 25 % unter dem technisch vergleichbaren Vorgän-

42 Welt vom 08.10.1986, S. 14.

43 Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 634.

44 Siehe Z.B. Datamation 30 (1984) 16, S. 36.

45 Zitat aus Tyler (Change), S. 30.

46 Bereits 1985 analysierten Branchenkenner eine Produktlücke zwischen dem XT und dem AT, die IBM mit einer kleineren und preiswerteren Version hätte schließen müssen: "A transient market window has opened up for a $ 3,000 or $ 4,000 AT-compatible machine, or clone. Ir IBM docsn't fill it first, the competition will." Zitat aus Carlyle (PC2), S. 67.

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ger AT 02 positioniert. Die Konkurrenz sah hierin einen Schritt, der den preisgün­

stigen Verkauf eines AT im Gewand eines XT ermöglichen sollte - also eine Kampf­

marke. Mitbewerber wie Tandon reagierten darauf mit einem "Target 286".

Abgesehen vom XT 286, der in der Branche als "das am wenigsten verstandene

Produkt" gilt, divergieren die Einschätzungen darüber, ob auf dem PC-Markt ein

Preiswettbewerb bzw. Preiskampf herrscht, je nach Blickwinkel und Zeitpunkt sehr

stark. So äußerte ein "Big Names"-Firmenvertreter, "auf und nach den Messen kann

man den Eindruck gewinnen, in der Branche werde bis aufs Messer gekämpft.,,47 Ins­

besondere Gruppenmitglieder der "Brand Identification-Clones" sind der Meinung,

daß sie einen Preisdruck auf IBM bzw. auf das allgemeine Preisniveau ausüben.

Diese Einschätzung wird von "Big Names"-Vertretern nicht geteilt. Ihrer Ansicht

nach geben unter dem Druck von Billigangeboten der Konkurrenz nur die "Straßen­

preise" nach, von denen jedoch nur ein geringer Sog auf die Listenpreise ausgeht.

Insofern bestehe kein Preiswettbewerb zwischen der "Big Names"- und der "Brand

Identification-Clones"-Gruppe. Die Leitfunktion hinsichtlich der Preise komme IBM

zu; und das IBM-Preisniveau sei u.a. Ergebnis des Wettbewerbs zwischen IBM und

insbesondere Olivetti.

Nach dieser Sichtweise reagiert IBM nicht oder nur unwesentlich auf Preisunterbie­

tungen durch Newcomer: Vordergründig könnte man zwar geneigt sein, z.B. die

Preissenkung bei PC-Modellen im Frühjahr 1983 als Reaktion auf die Markteintritte

bedeutender "Big Names"-Newcomer zu interpretieren, die vornehmlich im ersten

Quartal dieses Jahres stattfanden. Tatsächlich aber steht sie im Zusammenhang mit

der (weltweiten) Einführung der XT-Linie im März 1983. Diese Erfahrung wieder­

holte sich im Juni 1984, als IBM eine 23 %ige Preissenkung vornahm, der im August

desselben Jahres dann die Vorstellung des AT folgte. Mitbewerber wie NCR und

Compaq leiteten hieraus das IBM-Verhaltensmuster ab, daß eine Preissenkung bei

bestehenden Produkten mit dem Aufbau neuer Produkte einhergeht, die das alte

Preisniveau wieder erreichen. Allerdings wurden von IBM 1986 mehrere Preissen­

kungen vorgenommen, die nicht von Neuprodukteinführungen begleitet waren. Den­

noch mußten auch späte Newcomer - wie Tandon zum Jahresende 1985 - mangels

früherer Beispiele nicht mit harten Vergeltungsmaßnahmen über den Preis

rechnen48•

47 Z.B. soll Schneider - nach einer Meldung des PC-Magazins - aus Verärgerung über einige Mitbe­werber seine SO-Version des PC 1512 um 500 DM von 1999 auf 1499 DM reduziert haben: Andere Firmen hätten auf der CeBit 1987 den Markt verunsichert, weil sie PCs zeigten, die billiger als die Schneider-Modelle sein sollen, aber noch nicht einmal produziert würden. Diese Vergeltungsmaß. nahrne bezieht sich vor allem auf die direkten Ko'nkurrenten Atari und Commodore. Vgl. PC Magazin Nr. 17 vorn 15.04.1987, S. 7.

48 Zu einer anderen (unbegründeten) Einschätzung gelangt hier Meffert (Barrieren), S. 629.

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Die allgemeine Preisentwicklung ist also keine direkte und alleinige Reaktion auf

Newcomer bzw. Clone-Anbieter. Sie ist teilweise konkurrenzinduziert, teilweise

autonom, d.h. sie dient (auch) der Wiederherstellung des Preisgefüges zwischen den

Produktlinien bei einer bevorstehenden oder bereits erfolgten Einführung neuer

Produkte oder Produktversionen bzw. -varianten. So pendelt sich laut Compaq das

Preisniveau neu vorgestellter Produkte wieder auf der ungefähren Höhe des Einfüh­

rungspreises der Vorläufermodelle ein und gibt dann im Laufe der Zeit wegen sin­

kender Komponentenpreise und wegen Erfahrungs- und Größendegressionseffekten

nach49•

Schließlich konnte die Vergeltungsbereitschaft von IBM an Patentverletzungsklagen

und anderen gerichtlichen Auseinandersetzungen ·abgelesen werden.

Eine erste, aus der Sicht von IBM erfolgreiche Patentklage richtete sich gegen Eagle, einen amerikanischen Hersteller voll kompatibler Personal Computer, dem das

unberechtigte Kopieren des IBM-BIOS angelastet worden war. Inzwischen hat IBM 100 Verstöße gegen das Patent- und Urheberrecht untersucht50. In 24 Fällen - so ein

IBM-Sprecher - ist Anklage gegen die betreffenden, meist fernöstlichen Unterneh­

men erhoben worden. IBM behauptet damit nicht, daß alle PC-Clones gegen das

Urheberrecht verstoßen, spricht aber eine Warnung an diejenigen Unternehmen aus, die IBMs Rechte verletzen51. Laut Branchenbeobachtern richtet sich diese Warnung

vor allem an japanische und südkoreanische Clone-Anbieter, die im Gegensatz zu

Eagle eine tatsächliche Herausforderung für IBM bedeuten - und zwar nicht nur im

Personal Computer-Geschäft52. So mußte z.B. die japanische Matsushita Co. umge­

rechnet rund 2 Mio. Dollar wegen einer Copyright-Verletzung bei AT-Software an

IBM entrichten. Darüber hinaus mußte Matsushita den Export des AT-kompatiblen

FX 800, in dem unberechtigterweise ein BIOS-Chip verwendet wird, nach Europa

und in die USA einstellen53•

Trotz der klar signalisierten Vergeltungsbereitschaft bei Verletzung des Urheber­

rechts hatte diese Maßnahme jedoch keine abschreckende Wirkung für diejenigen

49 Gleichwohl kann dafür argumentiert werden, daß diese Kostensenkungen nicht sukzessive über den Preis an die Kunden weitergegeben werden müssen, wenn preisaggressive (bestehende oder neue) Wettbewerber nicht dazu zwingen. Hiergegen kann jedoch eingewandt werden, daß • wie in der Elektronikindustrie allgemein üblich - Preissenkungen zur Marktausweilllng vorgenommen werden, also auch ohne den Druck bestehender oder neuer Konkurrenten stattfinden.

50 Vgl. online 1987/3, S. 70.

51 Vgl. McCusker (Bolt), S. 41.

52 Insofern könnte der Fall Eagle IBM nur dazu gedient haben, ein Exempel zu statuieren. Vgl. hierzu Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 621. Zur japanischen Herausforderung von IBM vgl. insbesondere Sobel (Herausforderung).

53 Vgl. CW 14 (1987) 10, S. 4.

Page 373: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

358

Newcomer, die das ffiM-BIOS entweder selbst emulierten oder bei Phoenix Tech­

nologies eine BIOS-Emulation zukauften.

Auch auf andere Herausforderungen reagierte ffiM eher gemäßigt, nämlich mit einer

Verlagerung des Konfliktaustragungsortes vom Markt auf gerichtliche Instanzen. Auf

eine Anzeigenserie von ffiM mit dem Wortlaut "Schön, daß es noch Originale gibt"

konterte Tandon beispielsweise mit dem Werbetext "Was tun, wenn die Kopie besser

ist als das Original?". ffiM erwirkte daraufhin einen außergerichtlichen Vergleich,

der den beiderseitigen Verzicht auf solche Anzeigenkampagnen zum Gegenstand

hatte54• Derartige Bemühungen, jegliche öffentliche Aufmerksamkeit zu vermeiden,

reduzieren die Perzeptionsmöglichkeit einer Vergeltungsgefahr für Newcomer.

Eine veränderte Situation ist indes seit der Vorstellung des PS/2 gegeben: Durch ein

angekündigtes verschärftes Vorgehen gegen die unberechtigte Nutzung der Mikro­Kanal~Technologie versucht ffiM, PS/2-Imitatoren vom Markt fernzuhalten, nach­

dem der Nachbau dieser Modellreihe durch die inzwischen von dritter Seite verfüg­

baren /2-Chip-Sets technisch möglich geworden ist. Als beispielsweise bekannt wurde, daß mit der Computer Automation Inc. ein weiteres Unternehmen Patente auf Bestandteile der Mikro-Kanal-Architektur besitzt, stellte ffiM klar, daß eine

lizenz von Computer Automation keine ausreichende Berechtigung darstellt, PS/2-Clones zu fertigen. Branchenbeobachtern zufolge wagt es denn auch keiner der

Clone-Anbieter, als erster seinen PS/2-Nachbau auf den Markt zu bringen, weil die

lizenzrechtlichen Folgen unbekannt sind: ffiM läßt die Wettbewerber .über die Art der (noch gar nicht erteilten) Patente im unklaren. So wird lediglich gemutmaßt, daß

ffiM "mehrere Dutzend" Patente beantragt hat. Die Bearbeitung und Prüfung von

Patentanträgen dauert im allgemeinen mindestens ein Jahr, wobei ihr Inhalt bis zur Entscheidung geheim gehalten wird. So gingen Branchenbeobachter im Sommer 1987

davon aus, daß ffiM die Patente während der nächsten 18 Monate nicht publizieren wird.55 Für die Konkurrenten bringt dies folgendes Problem mit sich: "Interessenten

müssen uns mitteilen, für welches Patent sie eine Lizenz wünschen. Wir werden

weder aufdecken, durch welche Patente der Mikrokanal geschützt ist, noch führen wir

für andere Anbieter eine diesbezügliche Überprüfungen ihrer Produkte durch.,,56

Auch gilt es als sicher, daß IBM aus dem Ringen mit den taiwanesischen XT- und

AT-Clone-Herstellern gelernt hat und gegen jeden Versuch, die PS/2-Serie zu kopie-

54 Vgl. Wirtschaftswoche-Supplement Nr.5/86, S. 4, in: Wiwo 40 (1986) 42.

55 Vgl. CW 14 (1987) 25, S. 2, und CW 14 (1987) 37, S. 104.

56 Zitat eines IBM-Sprechers in CW 14 (1987) 25, S. 1.

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359

ren, härter als bisher vorgehen wird. Hierfür spricht zum einen die Meldung, daß der Branchenführer die Wettbewerbsbeobachtung intensiviert, um Patentverletzungen

durch Konkurrenten schneller und umfasender als bisher ahnden zu können. Zum

anderen demonstrierte IBM ihre Entschlossenheit durch zwei Klagen gegen Hesteller

von Speicherboards wegen Verletzung des geschützten Warenzeichens PS/2.57

Einen weiteren AbschreckUngseffekt - außer durch die angedrohten Patentver­

letzungsklagen - versucht IBM durch ein gezieltes "leapfrogging" zu erreichen: Noch

ehe die ersten Nachbauten auf dem Markt sind, die für Mitte 1988 erwartet wurden,

kündigte IBM im Februar 1988 bereits fünf neue PS/2-Modelle an, die gegen die

Clone-Konkurrenten gerichtet sind: "Wenn im Sommer wirklich die ersten PS/2-

Nachbauten angeboten werden sollten, dann werden wir schon mit neuen Modellen dasein.,,58

Fazit zu den reaktionsbedingten Eintrittsbarrieren:

Die vorstehenden Analysen machen deutlich, daß Newcomer (vor der Ankündigung des PS/2) nicht von der Gefahr einer Vergeltung durch den Branchenführer aus­

gehen mußten. Denn weder das hohe Branchenwachstum noch die eher mäßigen Austritts- bzw. Schrumpfungsbarrieren ließen eine Vergeltungsnotwendigkeit erken­

nen. Außerdem waren die perzipierten Reaktionsmöglichkeiten weniger schwerwie­gend und die von IBM in der Vergangenheit ergriffenen Vergeltungsmaßnahmen -

sofern man davon überhaupt sprechen kann - entfalteten keine abschreckende Wirkung.

Hinzu kommt, daß IBM im Jahr 1983 mit ca. 7.000 verkauften Geräten deutlich unter dem Absatzziel von 12.000 Einheiten blieb59. IBM war also zum Zeitpunkt des

Markteintritts bedeutender "Big Names"-Konkurrenten noch nicht im Besitz einer

starken Marktposition bzw. Basis für Vergeltungsmaßnahmen: Der Blick von IBM

57 Diese Maßnahmen zeigen Mitte 1988 die gewünschte Wirkung. Denn nach Angaben von Sam Tsai, Marketing Planning Manager bei Tatung, sind mehr als 60 Unternehmen bereit, Nachbauten der Modelle 50, 60 und 80 herzustellen: Wenn sie eine Lizenz von IBM erhalten, sind sie innerhalb eines Monats in der Lage, die Geräte auszuliefern. Vgl. vorstehend CW 15 (1988) 5, S.2, CW 15 (1988) 10, S. 22, CW 15 (1988) 17, S. 20, und CW 15 (1988) 27, S. 17.

58 William C. Lowe, Präsident der IBM Entry Systems Division, zitiert nach Wirtschaftswoche­Special-Supplement Nr.3/88, S. 45, in: Wiwo 42 (1988) 11. Siehe auch CW 15 (1988) 9, S. 6.

59 Vgl. Wiwo 38 (1984) 49, S.6O. Andere Quellen beziffern den Jahresabsatz von 1983 gar auf nur 4.000 bis 5.000 Stück.

Page 375: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

360

dürfte auf grund der Startschwierigkeiten eher auf die eigenen Probleme gerichtet

gewesen sein als auf neue Wettbewerber.

Insgesamt wird ffiM von den Mitbewerbern daher als "guter Marktführer" bezeich­

net. So charakterisierte ein Firmenvertreter ffiM als einen verläßlichen, sich gerad­

linig entwickelnden Wettbewerber, der keine Zick-Zack-Bewegungen vollzieht.

Lediglich bei gelegentlichen "Schüttelbewegungen" müsse man sich festklammern.

Auch Reaktionen von anderen etablierten Marktteilnehmern schienen Newcomer

nicht zu erwarten: Da z.B. Wettbewerber der "Brand Identification-Clones"-Gruppe

ffiM als ihren gemeinsamen Konkurrenten sehen, schien sich ihr Augenmerk in der

Vergangenheit mehr auf die gemeinsame denn auf die wechselseitige Bedrohung zu

richten60• Für eine gewisse Unruhe in dieser Gruppe sorgte allerdings Schneider mit

dem "Joyce", der dem semiprofessionellen Produkt von Commodore einen Absatzeinbruch bescherte, so daß die Reaktionsverbundenheit innerhalb der "Brand

Identification-Clones"-Gruppe gestiegen sein dürfte. Dies zeigt sich auch an der

"aggressiven" Preissenkung von Schneider, die im Hinblick auf Commodore und Atari

vorgenommen wurde61•

60 Z.B. präsentierte sich Tandon nicht als eine Alternative zu Commodore, sondern zu IBM. Außer­dem sah man die primäre Notwendigkeit darin, sich von den "No Name-Clones" abzuheben, d.h. eine Differenzierung gegenüber Commodore wurde nicht als vordringliche Aufgabe erachtet. Diese Verhaltensweise ähnelt einem gemeinsamen Vorgehen gegen den Konkurrenten IBM. Die Rivalität innerhalb der Gruppe der "Brand Identification-Clones" wurde insofern als gering perzipiert.

61 Vgl. oben, S. 356, Fußnote 47.

Page 376: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

361

6.4. Abschließende Beurteilung der Höhe der Eintrittsbarrieren in den Mikrocomputermarkt

Definiert man Eintrittsbarrieren nicht vom Ergebnis her, sondern versteht man

darunter mit Porter die Bestimmungsfaktoren der (Unternehmens-)Rentabilität eines

Newcomers, so kann anhand der strukturellen und reaktionsbedingten Barrieren die

Erfolgsaussicht von Markteintritten beurteilt werden62. Dies geschieht entweder auf

dem Wege der klassischen Investitionsrechnung oder mittels des Markteintritts­

kalküls nach Porter. Bei der Ermittlung des internen Zinsfußes bzw. des Barwertes

einer Investition kann das Konzept der Eintrittsbarrieren dazu beitragen, die struktu­

rellen Wettbewerbsnachteile und die zu erwartenden Vergeltungsmaßnahmen aus­

zahlungssteigernd bzw. einzahlungsmindernd in Ansatz zu bringen. Alternativ dazu

kann die Markteintrittsentscheidung auf der Basis der von Porter vorgeschlagenen

Kosten-Nutzen-Analyse erfolgen: Hierbei hat ein potentieller Newcomer dem zu

erwartenden Cash-Inflow neben den Investitionskosten in Personal, Material und

Betriebsmittel auch die Kosten der Überwindung struktureller Barrieren gegenüber­

zustellen, ebenso wie die Kosten, die ihm aus Vergeltungsmaßnahmen etablierter

Wettbewerber entstehen63•

Für ein solches Markteintrittskalkülliefert die durchgeführte Studie folgende Daten:

Kosten für die Überwindung der "Vergeltungsbarriere" mußten (potentielle) New­

comer bei ihrer Entscheidungsfindung nicht berücksichtigen. Allerdings - wenn auch

nicht als direktes Ergebnis von Vergeltungsmaßnahmen - mußte von einem Preisver­

fall von 20 bis 30 % p.a. ausgegangen werden. In den sinkenden Marktpreisen sah

dann auch der Gesprächspartner aus dem Hause Olivetti die zentrale Eintritts­

barriere. Ebenso wurde bei Tandon bestätigt, daß der 1985 erfolgte Markteintritt

heute ungleich schwerer zu wiederholen wäre, da das Preisniveau inzwischen deutlich

niedriger liegt. Hierzu gab man jedoch bei Compaq zu bedenken, daß dies nur

zutrifft, solange man nur die Preisentwicklung einer Produktlinie betrachtet. Denn da

Neuprodukte wieder annähernd die Einführungspreise der Vorgängermodelle er­

reichen64, bleibt das Preisniveau im Sortiments durchschnitt stabil.

62 Im Unterschied dazu wird die Höhe der ergebnisorientiert definierten Eintrittsbarrieren an der Zahl der Newcomer abgelesen.

63 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 424, bzw. oben, S. 243. 64 Insofern bilden Geräte, die erst am Anfang ihres Lebenszyklus stehen, das attraktivste Eintritts­

segment.

Page 377: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

362

Dies setzt jedoch voraus, daß es Newcomern gelingt, ihr Absatzvolumen zumindest

ausgewogen auf ältere und neue Produkte zu verteilen65. Eine weitere Bedingung

günstiger Durchschnittspreise besteht darin, daß Newcomer in der Lage sind, mit

dem Marktführer bei Neuprodukteinführungen Schritt zu halten. Dies war (und ist)

für die Mitbewerber aus zwei Gründen eher unproblematisch, auch wenn hierfür in

der Regel hohe Mitteleinsätze erforderlich sind: Während die Entwicklungszeiten des Branchenführers mit 12 bis 14 Monaten angegeben werden, sind andere Her­

steller (wie z.B. Compaq) in der Lage, ein neues Gerät nach nur 9 Monaten vorzu­

stellen sowie ein Redesign eines bestehenden Mikrocomputers innerhalb von 6

Monaten vorzunehmen66• Auch einen Technologiewettbewerb, der den Preisverfall

älterer Generationen hätte verschärfen können, mußten die Konkurrenten nicht

befürchten. Denn IBM war genauso wie die Mitbewerber an den Branchenstandard

gebunden67. Außerdem bestanden bei IBM konträre Interessenlagen zwischen ver­

schiedenen Produktbereichen, die einen frühzeitigen Übergang auf die 32-Bit­

Generation verzögerten: " ... increased performance by microcomputers will canniba­lize IBM's lucrative line of minicomputer products.,,68/69.

Der Preisverfall bedeutete also für Newcomer nur bedingt ein Hindernis, d.h. ein

Umsatzrückgang konnte durch Konzentration auf neuere, höherpreisige Produktklas­

sen vermieden werden70. Auch die Gefahr, erst dann mit aktuellen Produkten auf den Markt zu kommen, wenn die Preisreduzierung bereits sehr fortgeschritten ist,

65 Dies war z.B. bei Compaq im letzten Quartal von 1986 der Fall, als etwa n % des Umsatzes auf Geräte der AT-Klasse und auf den Deskpro 386 entfielen. Vgl. Datamation 33 (1987) 12, S. 120.

66 Auf Mikrocomputer spezialisierte Unternehmen wie Compaq führen ihre kürzeren Entwicklungs­zyklen darauf zurück, daß die Entscheidungsprozesse schneller ablaufen als bei "Big Names"­Firmen, die ihre PC-Produkte auf die Gesamtstrategie, d.h. auf übergeordnete Systeme abstimmen müssen. Auch der Gesprächspartner aus dem Hause NCR sah die Ursache für die späte Vorstel­lung des PS/2 darin, daß IBM ihre Betriebssysteme insgesamt neu ordnen mußte (SAA).

67 Siehe hierzu folgendes Zitat bei Hergert (Standards, S.87), aus Economist vom 26.09.1983 (!), S. 13: "IBM will soon be as much a prisoner of its own standards as its competitors are. Once enough IBM machines have been bought, IBM cannot make suddden changes in their basic design: what might be useful for shedding competitors would shake off even more customers.'

68 Hergert (Standards), S. 87.

69 Der lange Zeitraum zwischen der Vorstellung des IBM AT im August 1984 und der Ankündigung der PS/2-Serie im April 1987 brachte jedoch einen allmählichen Preisverfall mit sich (IBM nahm 1986 drei Preissenkungen vor, ohne daß eine neue Produktgeneration folgte), der nur durch schneller getaktete oder hochwertiger konfigurierte Modellvarianten vorübergehend aufgehalten werden konnte. Eine ganz neue Preisfunktion wurde erst Ende 1986 von Compaq mit dem ersten 386er Personal Computer geschaffen.

70 Allerdings konzentriert sich mit der Firma Amstrad (und deren deutschem Distributor Schneider) ein später Newcomer auch Anfang 1987 noch ausschließlich auf die Geräteklasse mit dem niedrig­sten Preisniveau und operiert dort - nach Angaben von Mitbewerbern - dank einer geschickten Einkaufspolitik profitabel.

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363

konnte von den kompatiblen Mitbewerbern meist gebannt werden, indem es ihnen

gelang, den zeitlichen Vorsprung von IBM gering zu halten.

Weniger günstig als hinsichtlich des durchschnittlichen (!) Preisniveaus und der

"Vergeltungsbarriere" stellte sich die Mikrocomputerbranche für neue Wettbewerber

von der Seite der strukturellen Eintrittsbarrieren dar. Denn trotz der für Newcomer

im Vergleich zu stagnierenden Märkten - eher günstigen Situation, ebenfalls in

höhere Degressionsbereiche vordringen zu können, betragen die größenbedingten

Kostenunterschiede innerhalb der "Big Names"-Gruppe bis über 1000 DM je Einheit. Das Ausmaß des Dijferenzierungsnachteils kann beispielsweise an den etwa 40 %igen

Preisnachlässen der "Brand Identification-Clones" gegenüber IBM abgelesen werden. Oder aber - vom umgekehrten Standpunkt aus betrachtet - an der Preisprämie, die

IBM gegenüber Mitbewerbern durchsetzen konnte: Nach einer hedonischen Preis­

regression, die Hergert für Ende 1985 und Anfang 1986 durchführte, war IBM in der

Lage, gegenüber kompatiblen Produkten gleicher Leistungsfähigkeit eine Preis­

prämie von 1.570 $ zu erzielen. Der Preisbonus gegenüber nichtstandardkompatiblen pes mit identischer Performance belief sich gar auf 2.108 $71. Hinzu kamen noch

bedeutende größenunabhängige, d.h. absolute Kostennachteile, die Newcomer in Kauf

nehmen mußten, um beispielsweise überlegene Produkte zu entwickeln oder um dem

Handel überdurchschnittlich attraktive Konditionen einräumen zu können.

Der tatsächliche Schutz vor Markteintritten, den diese Kosten- und Differenzierungs­

nachteile bieten, hängt davon ab, inwieweit potentielle Newcomer meinen, unter den

zu erwartenden Bedingungen im Mikrocomputermarkt eine angemessene Rendite

erwirtschaften zu können72• Daher kann die Schutzwirkung von Markteintrittsbarrie­

ren nur anhand des von Porter vorgeschlagenen Markteintrittskalküls bzw. durch eine

entsprechend modifizierte Investitionsrechnung untersucht werden, welche die

Markteintrittskosten aufgrund struktureller Zugangsbarrieren und zu erwartender

71 vgI. Hergert (Standards), S. 85 f. Einschränkend zum Aussagegehalt hedonischer Preisanalysen sei auf Michaels (Hedonic prices) verwiesen, der frühere Studien zur Preisprämie von IBM im Mainframe-Markt zum Anlaß für eine Reuntersuchung nahm. Während z.B. Ratchford & Ford (Mainframe, S. 217) zu dem Ergebnis gelangten, daß IBM gegenüber Mitbewerbern einen 40 bis 50 %igen Preisvorteil genießt, gelangte Michaels bei Zugrundelegung eines anderen SampIes zu abweichenden Schlußfolgerungen: "We fmd that brand premiums on IBM equipment are generally small or non-existent and that the dispersion of quality-adjusted (= hedonic, Anm. d. Verf.) prices is smaller for more costly equipment." Michaels (Hedonic prices), S. 273 f.

72 Auch wenn die im pe-Markt erzielbare Rendite nicht den Erwartungen neuer Wettbewerber ent­spricht, können sich diese aus strategischeIl GrÜlldel! dennoch veranIaßt sehen, in dieses Geschäft einzutreten. Diesen Punkt greift nachfolgend Kapitel 7 auf, in dem das nationalökonomische und das unternehmensstrategische Eintrittsbarrierenkonzept einander nochmals gegenübergestellt werden.

Page 379: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

364

Vergeltungsmaßnahmen berücksichtigt. Da ein exemplarischer Fall im Rahmen

dieser Studie nicht zugänglich war73, muß sich die vorliegende Untersuchung auf die

Angabe der GewinnschweIIe beschränken: Nach Auskunft eines "Big Names"-Vertre­

ters wird der Break-Even-Punkt in diesem Geschäft erst nach 7 bis 8 Jahren erreicht,

sofern man nicht eine langfristig nicht tragfähige Mischkalkulation vornimmt14•

Als Vergleichsmaßstab zur Beurteilung dieses Wertes können die Forschungsergeb­

nisse von Biggadike herangezogen werden. Nach dessen PIMS-Untersuchung zur

"entrant business performance" erstreckte sich (in der zugrundeliegenden Stichprobe)

die Phase der Anfangsverluste, gemessen am ROI vor Steuern, über 6 Jahre: In den

Geschäftsjahren 5 und 6 betrug der durchschnittliche ROI des SampIes -5 %, der

Median lag bei -8 %. Erst in der darauffolgenden Zweijahresperiode wurde das Ergebnis mit 5 % für den durchschnittlichen ROI und mit 7 % für den Median

positiv75. Die lange Break-Even-Phase, die in ·etwa der des Eintritts in den Mikro­

computermarkt entspricht, kommentiert Biggadike wie folgt: "It is an understatement

to say that these results demonstrate that corporate diversification is difficult. Negative fmancial performance as large as seen in this sampIe of entrants, and for as

long as eight years or more ... , is not an appealing investment opportunity for established firms. Indeed, some corporations would not tolerate such performance for so long.,,76

Als weiteres Ergebnis - neben den Eintrittsbarrieren, die den Industriezweig als

Ganzen schützen - förderte eine brancheninterne Strukturanalyse die strategischen

Gruppen innerhalb der Branche und die sie umgebenden MobiIitätsbarrieren zutage.

Diese Mobilititätsbarrieren erschweren oder verhindern den Wechsel eines beste­

henden Mikrocomputeranbieters in eine andere strategische Gruppe, kennzeichnen

aber auch die Bedingungen, die der Zutritt zu einer bestimmten Gruppe an einen

Newcomer richtet.

Vergleicht man nun Art und Ausmaß der MobiIitätsbarrieren zwischen den strate­

gischen Gruppen, so sind "Big Names"- und "Value Added Products"-Mitglieder am

besten vor Übertritten bestehender Wettbewerber geschützt. Da der Zugang zu den

73 . Dem Verfasser ist lediglich bekannt, daß ein Unternehmen aus der Datenverarbeitungsbranche mit Unterstützung einer Beratungsgesellschaft eine Eintrittsanalyse nach dem Konzept von M.E. Porter durchgeführt hat. Dieses Unternehmen nahm aufgrund günstigerer Investitionsalternativen vom Eintritt in den Mikrocomputermarkt Abstand.

74 In diese Richtung geht auch eine Meldung der Computerwoche anläßlich einer Umstrukturierung der PC-Sparte bei IBM. Hierin verlautet, daß IBM zwischen 1982 und 1985 16,5 Mrd. $ in die PC­Fertigung investierte. Dieser Betrag - so die Computerwoche weiter - hatte sich bis 1985, also 5 Jahre nach dem Markteintritt, noch nicht amortisiert. Vgl. CW 12 (1985) 12, S. 5.

75 Vgl. Biggadike (Corporate diversification), S. 55 ff., insbes. Tab. 8.

76 Biggadike (Corporate diversification), S. 57.

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365

"Big Names" auch über OEM-Produkte erfolgen kann, ist diese Gruppe zwar prinzi­

piell für Newcomer von außen anfällig, die über ein entsprechendes Image als DV­

Hersteler verfügen. Nachdem aber alle in Frage kommenden Anbieter bereits in der

Branche vertreten sind, ist der Kreis der potentiellen Newcomer weitgehend

erschöpft. In die "Value Added Products"-Gruppe hingegen könnten im Zuge der

Entwicklung des 32-Bit-Mikrocomputermarktes die namhaften Workstationhersteller

eindringen, die als Spezialisten über eine ausgeprägte Differenzierungsposition ver­

fügen77• Am anfälligsten für Neueintritte oder Übertritte scheint indes die Gruppe

der "Brand Identification-Clones" zu sein, die bereits 1985 einen starken Zustrom

bestehender Mikrocomputeranbieter zu verzeichnen hatte und in Zukunft Ziel japa­

nischer Anbieter sein dürfte, deren massiver Markteintritt noch erwartet wird78.

An der Herausbildung strategischer Gruppen im Zeitablauf kann schließlich die Ver­

änderung der Wettbewerbsparameter abgelesen werden, die sich mit fortschreitender

Marktentwicklung einstellte und von Newcomern genutzt wurde: Der frühe Markt­

eintrittszeitpunkt ermöglichte es dem originären Mikrocomputeranbieter Compaq,

sich sehr früh über die Kompatibilität zu IBM von anderen PC-Herstellern zu diffe­

renzieren, die zu diesem Zeitpunkt die Bedeutung des von IBM gesetzten Standards

noch nicht erkannt hatten bzw. noch nicht in Produkte umgesetzt hatten. Mit zuneh­mender Anerkennung der IBMjInteljMicrosoft-Konstellation als De-facto-Standard orientierten sich die "Big Names"-Mitbewerber ebenfalls am Industriestandard und

verfolgten eine Wettbewerbsstrategie, die der des Marktführers vergleichbar ist. In dieser Situation setzte sich Compaq nach oben in den Bereich der High-Perfor­

mance-PCs ab und schuf die "Value Added Products"-Gruppe, die sich bei vergleich­

barer Markenidentifikation von der "Big Names"-Gruppe durch die Beschränkung auf

den indirekten Vetrieb unterscheidet. Bestrebungen, sich mit einer grundsätzlich

anderen technischen Lösung vom Industriestandard abzuheben, verfolgte nur noch

77 Allerdings sind Workstationspezialisten - wie z.B. die Sun Microsystems GmbH - mit ihrem Direkt­vertrieb auf der Vertriebsseite anders strukturiert als Compaq oder Apple. Mit ihrer neuen Workstationfamilie 386i, die im unteren Leistungsbereich angesiedelt ist, nähert sich Sun jedoch auch hinsichtlich der Wahl des Vetriebsweges der PC-Welt (insbesondere den "Big Names") an: Die neuen Systeme sollen zukünftig auch über ein Netz von VARs ZU beziehen sein. Vgl. CW 15 (1988) 17, S. 2.

78 Zu einer Analyse des bislang wenig erfolgreichen Eintritts der Japaner in den europäischen und amerikanischen Personal Computer-Markt vgl. Sobel (Herausforderung), S. 223 ff. Sobel erklärt das Ausbleiben einer japanischen Offensive im Unterschied zu anderen verwandten Märkten damit, daß die Japaner als typische "Latecomer" üblicherweise ein geeignetes Vorbild suchen, "- ein Unternehmen oder eine Gruppe von Unternehmen -, das sie nachahmen konnten." (Ebenda, S. 224.) Sie benötigen ein feststehendes Ziel, das in der sich weiterentwickelnden und verändernden Personal Computer-Branche noch fehlt. Außerdem führt Sobel den einstweiligen Mißerfolg der Japaner auf eine Fehleinschätzung der Markterfordernisse und der Produkteigenschaften zurück.

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366

Apple mit der einzigartigen Benutzeroberfläche, die für den Anwender ebenfalls

einen Mehrwert schafft.

Die Verbreitung des Branchenstandards und die damit einhergehende Vergleichbar­

keit des Produktangebots führte schließlich dazu, daß sich das Abnehmerverhalten

änderte: Personal Computer wurden zu einem "commodity-like"-Gut und konnten

nach Spezifikationen gekauft werden. Dies machten sich 1985 die "Brand Identifi­

cation-Clones" zunutze, am deutlichsten wohl die Firma Tandon, die in ihrer Kun­

denansprache die Produktspezifikationen und den Preis in den Mittelpunkt rückte.

Frühen Newcomern wie Compaq bot sich als "early mover advantage" folglich die

Möglichkeit der Differenzierung, während die spät eingetretenen "Brand Identifi­

cation-Clones" als "late mover"-Gelegenheit die Produktstandardisierung und die

dadurch ermöglichten Preisvergleiche ergriffen.

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7. SCHLUSSBEMERKUNG: ZUR (SCHEINBAREN) DISKREPANZ ZWISCHEN EINER HOHEN ANBIETERZAHL UND HOHEN EIN­TRITTS BARRIEREN IN DER MIKROCOMPUTERBRANCHE

Die vorstehende Fallstudie zum Personal Computer-Markt beleuchtete die Eintritts­

und Mobilitätsbarrieren dieser Branche aus unternehmensstrategischem Blickwinkel.

Mittels einer analytischen Bestimmung von Art und Ausmaß der Wettbewerbsnach­teile neu eingetretener Anbieter und unter Berücksichtigung der (weniger schwer­

wiegenden) Vergeltungsgefahr sind wir zu dem Ergebnis gelangt, daß der Mikrocom­putermarkt für potentielle Konkurrenten kein attraktives Eintrittsziel darstellt, da

hier binnen angemessener Zeit keine überdurchschnittliche Rendite erzielbar ist.

Angesichts günstigerer Investitionsalternativen ist es daher zweckmäßig, diesen

Markt als von relativ hohen Eintrittsbarrieren umgeben zu bezeichnen. Diese sollten

potentielle Newcomer in der Vergangenheit denn auch vom Marktzutritt abgehalten

haben. Tatsächlich liegt jedoch mit über 200 Anbietern eine sehr hohe Zahl von

Wettbewerbern vor. Diesem Phänomen einer hohen Zahl von Marktteilnehmern

trotz hoher Eintrittsbarrieren wenden wir uns abschließend aus nationalökono­

mischer und unternehmensstrategischer Sichtweise zu.

Aus gesamtwirtschaftlicher bzw. wohlfahrtsökonomischer Perspektive mag man - vom

Ergebnis ausgehend - zunächst geneigt sein, die Zutrittsbedingungen zum PC-Markt

als günstig, d.h. die Eintrittsbarrieren als gering zu bewerten. Dies zeigt sich an einer

großen Anzahl von Newcomern im Randmarkt, von denen ein intensiver Wettbewerb

mit dem Kernsegment der PC-Branche ausgeht: Bei einem Preisverfall von 20 bis

30 % p.a. tendiert das allgemeine Preisniveau in Richtung der Grenzkosten. Mit

Preisnachlässen von teilweise über 40 % gegenüber IBM sorgen kompatible Konkur­

renten für einen Preiswettbewerb. Und zwischen Anbietern, deren Preise auf IBM­

Niveau liegen, herrscht ein Qualitätswettbewerb.

Von dieser Warte aus betrachtet muß der Wettbewerb im PC-Markt als intensiv, das

Marktergebnis als gut bezeichnet werden. Wenn nun der Wettbewerbsdruck, der

dieses Marktergebnis herbeiführt, nicht von anonymen Marktkräften ausgeht, son­

dern auf das Zusammenwirken der fünf strukturellen Determinanten der Wettbe­

werbsintensität zurückzuführen ist, so können als wesentliche Wettbewerbsfaktoren

dieser Branche identifiziert werden: Von Substitutionsprodukten geht keine Bedro­

hung für die Branchenrendite aus. Auch die Lieferanten befinden sich nicht in einer

starken Verhandlungsposition, stellen aber neben den Mikrocomputerkomponenten

auch die erforderlichen Komplementärprodukte bereit und sind daher an einem

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368

offenen Branchenstandard interessiert. Sie üben damit zwar keinen unmittelbaren

Wettbewerbsdruck aus, tr~agen aber letztendlich zur Homogenisierung des

Produktangebots bei und erhöhen insofern die Markttransparenz für die Kunden.

Dadurch gelangt der zunehmend kundigere Abnehmer in eine bessere Verhand­

lungsposition und ist in der Lage, über Produktspezifikationen einzukaufen und

preissensibel zu entscheiden1. Dieser gestiegenen Reife der Anwender und dem ver­

änderten Käuferverhalten trugen sowohl bestehende Mikrocomputeranbieter Rech­

nung, die in die Gruppe der "Brand Identification-Clones" überwechselten, als auch

neue Wettbewerber, die von außen in den Mikrocomputermarkt eintraten.

Einen wesentlichen Beitrag zum 2ustandek:ommen eines guten Marktergebnisses

leisten also die Abnehmer, die sich in einer guten Verhandlungspostion befinden, und

auf der Anbieterseite die etablierten Konkurrenten sowie zahlreiche neue Wett­

bewerber.

Dies spiegelt sich im Marktgeschehen wie folgt wider: Nach einem schleppenden

Start im Jahr 1983 übernimmt IBM 1984 die Marktführerschaft und behauptet sich

seit 1985 mit einem Marktanteil von knapp 30 %. Weltweit betrachtet verliert IBM

aber kontinuierlich Marktanteile an (neue) Wettbewerber, die zum Industriestandard

kompatible Geräte anbieten. Final argumentiert können also die Eintrittsbarrieren

nicht hoch gewesen sein, wenn IBM deutliche Marktanteilsverluste hinnehmen mußte

und wenn so viele Newcomer Zugang gefunden haben, daß man heute in der Bundes­

republik Deutschland bereits ca. 250 PC-Anbieter zählt, die allerdings meist nur mar­

ginale Marktbedeutung haben.

Wie ist es nun zu vereinbaren, daß bei ergebnisbezogener Eintrittsbarrierendefinition

die Zutrittsschranken als gering, nach der Porterschen Konzeption aber als hoch

gelten müssen? Mit anderen Worten, wie ist das Zustandekommen einer hohen

Anbieterzahl bei hohen Eintrittsbarrieren zu erklären?

Die Tatsache, daß das Branchenrendite-Potential (in einer Situation wie auf dem

Personal Computer-Markt) in Richtung der Newcomer diffundiert oder von diesen

1 Während bis 1985 als kaufentscheidende Kriterien die Verfügbarkeit von Software und die Auf­wärtskompatibilität wichtiger als der Preis waren, gewann dieser 1986 signifikant an Bedeutung und nahm erstmals Rang zwei unter den Auswahlkriterien ein. Die SW-Verfügbarkeit, 1984 noch auf Position eins gelegen, war 1986 nur mehr das drittwichtigste Merkmal. Zugleich verlor die Produkt­reputation als Entscheidungskriterium an Bedeutung - ein Indikator für die gestiegene Beurtei­lungskompetenz des Abnehmers. Diese Daten stammen aus dem 'mini/micro computer survey 1986-87" [siehe Verity, (Minis)], der auf einer Umfrage unter amerikanischen Anwendern beruht. Diese Entwicklung des Einkaufsverhaltens wurde von befragten Firmenvertretern der Tendenz nach jedoch auch für den bundesdeutschen Markt bestätigt.

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durch preisaggressive Eintrittsstrategien an die Kunden weitergegeben wird, muß

jedoch nicht zwangsläufig von niedrigen Eintrittsbarrieren hervorgerufen sein: Auch

das Bestehen vieler Branchenteilnehmer trotz hoher Eintrittsbarrieren ist in sich

konsistent, wenn das Stattfinden von Markteintritten auf eine unzureichende Ent­

scheidungsvorbereitung zurückzuführen ist (1). Newcomer können sich auch an den

Gewinnzielen von IBM orientieren und daher die Branche als attraktiv bewerten und

einen Eintritt wagen (2). Ferner kann sich für ein Unternehmen auch die strategische

Notwendigkeit ergeben, selbst in einen weniger attraktiven Markt einzutreten (3).

Und schließlich kann es sich bei einer hohen Anbieterzahl trotz hoher Eintrittsbar­

rieren um den Fall eines nicht abgeschlossenen Anpassungsprozesses handeln (4).

Ad (1) Unzureichende Vorbereitung der Markteintrittsentscheidung

Hohe Eintrittsbarrieren entfalten nur dann einen tatsächlichen Schutz für etablierte

Anbieter, wenn sie von potentiellen Newcomern korrekt wahrgenommen werden.

Denn nur bei sorgfältiger Gegenüberstellung von Markteintrittskosten und -erträgen

werden Newcomer ggf. auf den geplanten Schritt verzichten.

Die empirische Relevanz schlecht fundierter Eintrittsentscheidungen belegt Davidow

mit seinem Erfahrungswissen aus High-Tech-Branchen. Er bestätigt, daß oft zu viel

Beachtung in Geschäffsplänen dem gilt, "was das Unternehmen vor hat, und nicht der

Frage, ob diese Pläne dem vollständigen Set von Segmentbarrieren, vor denen das

Unternehmen steht, angemessen sind,,2. Häufig ließen sich daher Unternehmen

durch Märkte täuschen, die leichten Zugang bieten, in denen zu überleben sich dann

jedoch als schwierig erweist: "Oft werden die Entwicklungskosten für ein Gerät, das

man auf einem Markt verkaufen will, mit der Etablierung einer Führungsposition auf

diesem Markt verwechselt. Die Unternehmen vergessen, daß sie selbst mit einem

guten Gerät noch nicht in den Markt eingestiegen sind, bis sie eine bedeutende Posi­

tion etabliert haben.,,3 Damit zerstört dann Davidow auch den Mythos niedriger Ein­

trittsbarrieren in den Mikrocomputermarkt:

2

3

"Jeder weiß, wie einfach der Einstieg in den pe-Markt war. Für ein paar Millionen Dollar oder noch weniger konnte ein Unternehmen genug von einem Produkt entwickeln, um sich an dem Rennen zu beteiligen. Die Wahrheit ist, daß riesige Märkte riesige Investitions­mittel erfordern. Eine kleine Firma wie Apple konnte erfolgreich in den Markt einsteigen, als der Markt noch klein und die Barrieren niedrig waren. Durch den frühen Eintritt war Apple in der Lage, die

Davidow (High Tech), S. 46; im Original kursiv.

Davidow (High Tech), S. 51.

Page 385: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

370

nötigen Mittel aufzubringen, um entscheidenden Einfluß zu bekom­men. Das konnten Firmen, die folgten, nicht. Mittlerweile war der Markt reifer. Um eine Position zu entwickeln und zu behaupten, hätten die Nachzügler Investitionen in einer Höhe machen müssen, die einem beträchtlichen Jahresumsatz-Anteil des Marktführers ent­sprach. Nur wenige verfügten über derartige Ressourcen.,,4

Ad (2) Orientierung an den Gewinnzielen von IBM

Bei rationalem Entscheidungsverhalten potentieller Newcomer ist zu erwarten, daß

diese ihre Eintrittspläne verwerfen, wenn Wettbewerbsnachteile in Verbindung mit

der zu beobachtenden Preisentwicklung die Branche für sie unattraktiv erscheinen lassen. Wenn aber neue Wettbewerber von der (vermeintlich) hohen Rentabilität bestehender Anbieter angelockt werden, berücksichtigen sie die Eintrittskosten nicht

sorgfältig genug und unterschätzen sie oft5. Als ein derartiges Signal für eine Branche mit attraktivem Marktvolumen und hohen Gewinnaussichten konnte das Engagement von IBM im PC-Markt angesehen werden. Denn es war bekannt, daß ein Markt min­destens ein Volumen von 500 Mio. $ aufweisen mußte, um das Interesse von IBM zu wecken6• Nach Vollmer gelten bei IBM solche Bereiche als Wachstumsmärkte, in denen sich ein Umsatz von einer Milliarde Dollar und eine Rendite von 20 Prozent erzielen läßt7. Die hohen Gewinnziele von IBM könnten also Mitbewerber dazu

bewogen haben, trotz hoher Eintrittskosten im Gefolge des Marktführers in den PC­Markt einzutreten.

Ad (3) Markteintritte aus strategischer Notwendigkeit

Neben einer Nicht- oder Fehleinschätzung der Marktzutrittsbedingungen können

Newcomer auch ganz bewußt in Märkte eintreten, die nicht den sonst angelegten Ertragsmaßstäben genügen: Zahlreiche Marktteilnehmer werden trotz hoher Ein­

trittsbarrieren auch dann zu beobachten sein, wenn strategische Wechselwirkungen

mit anderen Bereichen vorliegen oder es sich um ein Schlüsselprodukt für andere Märkte handelt. In einer derartigen Situation besteht gewissermaßen ein "Zwang zum Markteintritt um jeden Preis".

4

5

6

7

Davidow (High Tech), S. 51.

Vgl. Porter (Wettbewerbsvorteile), S. 623.

Vgl. Die Zeit vom 09.08.1985, S. 26.

Vgl. Vollmer (Wunder), S. 134.

Page 386: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

371

Strategische Notwendigkeiten für den Eintritt in den PC-Markt gab es in mehrerer

Hinsicht: Terminalhersteller - wie z.B. Ericsson - mußten davon ausgehen, daß mit

Mikrocomputern - als intelligente Datensichtstationen eingesetzt - ein Substitutions­

produkt heranwächst. Ebenso mußten sich Hersteller von Kommunikationsend­

geräten - wie z.B. Siemens - von Personal Computern als multifunktionale Endgeräte

bedroht sehen. Auch DEC als führender Hersteller von Minicomputern gab an, sich

von IBM zum Eintritt in den Mikrocomputermarkt "provoziert" haben zu lassen.

Selbst Mainframeanbieter waren tangiert, da Marktprognosen für 1984/85 die

Mikrocomputerklasse als umsatzstärkstes DV-Segment vorhersagten. Schließlich

wurde dem PC-Markt von den Datenverarbeitungs-, Telekommunikations- und

Bürogeräteherstellern eine Schlüsselbedeutung für den zukünftigen Bürokommunika­

tionsmarkt beigemessen. Und die Firma Tandon sah sich gezwungen, in den PC-End­

abnehmermarkt vorzudringen, um ihre Kapazitäten in der Laufwerkefertigung aus­

lasten zu können. In den hier genannten Fällen konnte also der Mikrocomputer als

"strategisches Produkt" verstanden werden.

Bei diesen Unternehmen, deren Interesse über den PC-Markt hinausgeht, ist der

Mikrocomputerbereich kein selbsttragendes Geschäft. Aufgrund der Wechselbezie­

hungen mit anderen Tätigkeitsfeldern wird die PC-Sparte von diesen üblicherweise

subventioniert, wie ein "Big Names"-Vertreter bestätigte8• Während also auf dem

"business level" die Eintrittsbarrieren des PC-Marktes als hoch angesehen werden

müssen, relativiert die hohe strategische Bedeutung der Mikrocomputer (für die

Gesamtunternehmensstrategie) diese Aussage auf dem "corporate level".

Ad (4) Unvollendete Anpassungsprozesse

Die Erklärung für eine Vielzahl von Anbietern trotz hoher Eintrittsbarrieren könnte

auch in einem noch nicht abgeschlossenen Anpassungsprozeß zu suchen sein: Auf­

grund des scheinbar einfachen Zugangs, aber der schwierigen Behauptung in diesem

Markt9, wird vielfach mit dem bevorstehenden Ausscheiden vieler Wettbewerber

gerechnetlO. Damit wäre das Gleichgewicht zwischen der Anbieterzahl und der Höhe

der Eintrittsbarrieren wiederhergestellt.

8 Würde beispielsweise die Tandon Corporation die Laufwerke zu Marktpreisen an die Tandon Computer Corp. verrechnen, so wäre das (Verkaufs-)Argument des Kosten- und Preisvorteils auf­grund vertikaler Integration hinfällig. Insofern muß von der Verrechnung von Gewinnen von der verlustreichen Mutter an die profitable PC-Sparte ausgegangen werden.

9 Siehe hierzu nochmals das oben, S. 369 f., angeführte Zitat von Davidow (High Tech), S. 51.

10 Vgl. insbes. McClellan (Shakeout).

Page 387: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

372

Angesichts der prognostizierten Marktbereinigung stellt sich jedoch die Frage, ob

sich in diesem "Shakeout" die Fehleinschätzung der Marktzugangsbedingungen mani­

festiert, oder ob der Verdrängungswettbewerb nicht eine typische Erscheinung ist, die

mit fortschreitender Branchenentwicklung einsetzt. Es kann einerseits dafür argu­mentiert werden, daß in der Marktbereinigung eine Korrektur für das Verkennen der

Höhe der Eintrittsbarrieren zu sehen ist. Andererseits kann die Konsolidierung einer

Branche auch darauf zurückgeführt werden, daß die Eintritts- bzw. Mobilitätsbarrie­

ren im Laufe der Zeit steigen bzw. gestiegen sind11• Die Antwort auf diese Frage

wird sich danach bemessen, ob die Zeitspanne zwischen dem Markteintritt und dem

"Shakeout" ausreichend lang ist, um die getätigten Investitionen verdienen zu können

und sich im Sinne des "hit and run-competition" verlustfrei aus dem Markt zurückzu­

ziehen.

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß Erfolg oder Scheitern von Markteintritts­

versuchen genauso wenig einen eindeutigen Schluß auf die Höhe der Eintrittsbarrie­

ren zulassen12, wie diese aus der Zahl der Marktteilnehmer abgelesen werden kann.

Statt dessen ist die Schwierigkeit des Markteintritts letztendlich nach der Gewinner­

wartung bzw. Aussicht auf Gewinnerzielung in einem Markt zu bemessen. Vergegen­wärtigt man sich, daß ein potentieller Newcomer bei rationaler Eintrittsanalyse dem

zu erwartenden Cash-Inflow neben den Investitionskosten in Personal, Material und

Betriebsmittel auch die Kosten der Überwindung struktureller Barrieren und auf­

grund von Vergeltungsmaßnahmen gegenüberstellen wird, so kann dieSchutzwirkung

von Markteintrittsbarrieren nur durch ein derartiges Markteintrittskalkül untersucht

werden.

Die Fallstudie zum PC-Markt machte jedoch deutlich, daß selbst Branchen mithohe.n

Zutrittsschranken nicht vor Markteintritten sicher sind - auch nicht vor neuen Wett­bewerbern, die keine besonderen Fähigkeiten zur Überwindung der Eintrittsbarrie­ren aufweisen. Diese konnten das hohe Branchenwachstum oder die Gewinnziele von

IBM als Signale für einen attraktiven Markt herangezogen und daher eine Analyse

der Markteintrittskosten vernachlässigt haben. Außerdem konnten sie sich durch die

Offenheit des Marktes in technischer Hinsicht, also durch den offenen Industriestan­

dard, über die Aussicht auf Gewinnerzielung haben täuschen lassen. Und selbst wenn

sie die Kosten für die Überwindung der strukturellen Barrieren als (zu) hoch wahr­

genommen haben, konnte dennoch ein Engagement angezeigt sein, da positive Wir­

kungen für verwandte Geschäfte oder eine. strategische Notwendigkeit für den Markt-

11 Vgl. Porter (Wettbewerbsstrategie), S. 242.

12 Dies wurde anband der alternativen Deutungsmöglichkeiten für den teilweisen Rückzug von DEC aus dem Mikrocomputermarkt gezeigt. Vgl. oben, S. 246 f.

Page 388: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

373

eintritt bestanden haben konnten. Trotz hoher struktureller Eintrittsbarrieren präsen­

tiert sich damit der Mikrocomputermarkt als latent ungeschützt bzw. anfällig für

Neueintritte.

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ASIC

BIOS

BS/2

DEC

DV

EDV

Eisa

HW IBM

IDC

KB

MCGA

MHz

MS-DOS

OEM

OS/2

P&G

PC

PCM

PS/2

ROM

SAA

SW

VAR

VGA

374

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Anwendungsspezifischer intergrierter Schaltkreis

Basic Input/Output System

Betriebssystem/2

Digital Equipment Corporation

Datenverarbeitung

Elektronische Datenverarbeitung

Extended Industry Standard Architecture

Hardware

International Business Machines Corporation

International Data Corporation

Kilobyte

Multi Color Graphics Array

Megahertz

Microsoft Disk Operationg System

Original Equipment Manufacturer

Operationg System/2

Procter & Gamble

Personal Computer

Plug Compatible Manufacturer

(auch: Plug Compatible Mainframe)

Personal System/2

Read Only Memory

System-Anwendungs-Architektur

Software

Value Added Reseller

Video Graphics Array

Page 390: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

375

ZEITSCHRIFTENVERZEICHNIS

AB

AER

AU AMJ

AMR ASQ

B-W

BddW

BH

bit

BJE

Antitrust Bulletin

American Economic Review (P & P: Papers and Proceedings)

Antitrust Law Journal

Academy of Management Journal

Academy of Management Review

Administrative Science Quarterly

Büro-Wirtschaft

Blick durch die Wirtschaft

Business Horizons

büro- und informationstechnik

Bell Journal of Economics

Business Week

Capital

CMR California Management Review

COM Siemens Magazin für Computer & Communications

CW Computerwoche

Datamation

DBW Die Betriebswirtschaft

DMR Diebold Management Report

DU Die Unternehmung

Dun's Review

Econometrica

Economica

EJ Economic Journal

FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung

FB/IE Fortschrittliche Betriebsführung und Industrial Engineering

Fortune

HB

HBR

Hm

IJIO

IM

IMM

ISMO

Handelsblatt

Harvard Business Review

Harvard manager

International Journal of Industrial Organization

Industriemagazin

Industrial Marketing Management

International Studies of Management & Organization

Page 391: Markteintrittsbarrieren und Unternehmensstrategie: Industrie¶konomische Ans¤tze und eine Fallstudie zum Personal Computer-Markt

376

JBS Journal of Business Strategy

JEL Journal of Economic Literature

JET Journal of Economic Theory

J1E Journal of Industrial Economies

JLE Journal of Law and Economics

JM Journal of Marketing

JMS Journal of Management Studies

JoB Journal ofBusiness

JPE Journal of Political Economy

Management Today

mcw micro computer welt

MDE Managerial and Decision Economics

mm manager magazin

OEP Oxford Economic Papers

ÖVDjOnline

OM Office Management

OS Organization Studies

QJE Quarterly Journal ofEconomics

RES Review of Economics and Statistics

REStud Review of Economic Studies

RJE Rand Journal of Economics

SMJ Strategie Management Journal

SMR Sloan Management Review

TD Theory and Decision

UCLR University of Chicago Law Review

UPLR University of Pennsylvania Law Review

VDI Nachrichten

VuB Der Volks- und Betriebswirt

WWA Weltwirtschaftliches Archiv

WISU Das Wirtschaftsstudium

Wiwo

WuW

YU ZfHW

ZfB

ZfbF

ZfN

Die Zeit

Wirtschaftswoche

Wirtschaft und Wettbewerb

Yale Law Journal

Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht

Zeitschrift für Betriebswirtschaft

Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis

Zeitschrift für Nationalökonomie

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