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1 Vorbemerkung Am 25. Dezember 2008 meldete das Ge- sundheitsministerium von Zimbabwe 26.497 Fälle von Cholera mit 1518 Todes- fällen. Die Epidemie ist die größte Epide- mie, die jemals in diesem Land beobach- tet wurde und ist immer noch nicht unter Kontrolle. Die durchschnittliche Letalität ist auf bis zu 5,7 % der an Cholera Er- krankten angestiegen, deutlich höher als 1 %, welches die Norm für die bisherigen Epidemien ist und in manchen ländli- chen Regionen hat die Letalität 50 % erreicht. Es kommt zu einer Weiterver- breitung in andere angrenzende Länder wie Süd-Afrika. Die Ursache für die Epi- demie ist zurückzuführen auf – das Fehlen von einwandfreiem Trinkwasser, – auf die katastrophalen sanitären Bedingungen, – den Zusammenbruch der sanitären Infrastruktur und – das Fehlen von medizinischem Personal, das nicht mehr am Arbeitsplatz zur Ver- fügung steht. Es muss als Tragödie bezeichnet werden, dass ein Land wie Zimbabwe nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung vor der Cho- lera zu schützen. Hierbei handelt es sich um ein Versagen einer guten Regierungs- führung, mangelhaftem Gesundheits- schutz für die Bevölkerung und fehlender Prioritätensetzung. Die Erkrankung, die einst auch in Eu- ropa panisches Entsetzen auslöste, wurde vor jetzt 125 Jahren von einer deutschen derartigen Seuchenausbrüchen kommt. Sie können Anzeichen sein für zukünftige Bedrohungen auch der entwickelten Län- der, wenn es nicht gelingt vor dem Hin- tergrund der Bevölkerungsexplosion in den nächsten 30 Jahren mit 3 Milliarden Menschen in den unterentwickelten Län- dern, die Sicherung einer hygienischen Infrastruktur zu gewährleisten. Dies gilt übrigens auch für Länder wie den Irak, wo eine vorhandene hygienische Infra- struktur zerstört wurde, und dort jetzt die Cholera wieder endemisch geworden ist. Dieses Bedrohungspotential ist mindes- tens gleichwertig mit den Bedrohungen durch die Klimaveränderungen. Die Ent- deckung der Cholera-Ätiologie zählt zu einer der Sternstunden in der Medizin, weswegen es jetzt der richtige Zeitpunkt ist, sich vor dem Hintergrund der aktuel- len Epidemie hieran zu erinnern. Die Kommission zur Erforschung der Cholera 1883/84 in Ägypten und in Indien Die Expedition nach Ägypten August – November 1883 Am 24. Juni 1883 veröffentlichte Wolffs Telegraphisches Büro das nachstehende, aus Kairo eingegangene Telegramm: „Die Regierung hat von einem Arzt in Damiette tele- graphisch die Nachricht erhalten, dass ein bösartiges Fieber während der letzten Tage daselbst gewütet habe; von 20 Erkrankungsfäl- len seien 6 tödlich verlaufen. Die Sanitätskom- mission hat sich infolge dessen von hier nach Damiette begeben. Einer der dem „Reuterschen Büro“ zugehenden Meldung zufolge ist die Epidemie in Damiette während der dortigen Messe zum Ausbruch gekommen und es sollen Expedition unter Leitung von Robert Koch nach Ägypten und nach Kalkutta in Indien systemisch erforscht. Am 2. Febru- ar 1884 berichtet Robert Koch nach Ber- lin, dass „aus diesen Resultaten nun weiter der Schluss zu ziehen sei, dass die kommaähn- lichen Bazillen ganz allein der Cholera eigen- tümlich sind“. Der Erreger und die Wasse- rätiologie wurden auf dieser Expedition aufgedeckt, und hiernach die notwendi- gen Maßnahmen zur Verhütung und Kontrolle dieser Seuche in Deutschland umgesetzt. Diese Maßnahmen waren so wirksam, dass es nach der großen Chole- ra-Epidemie 1892 in Hamburg, die von Koch mit seinen auf der Expedition ge- sammelten Erfahrung meisterhaft unter Kontrolle gebracht wurde, zu keinem Ausbruch in Deutschland mehr kam. Keine andere Seuche hat die Infekti- onshygiene und die Wasserhygiene so sehr beeinflusst und zu so nachhaltigen hygienischen Verbesserungsmaßnahmen geführt wie die Cholera und damit auch andere Infektionskrankheiten beeinflusst, wodurch auch die Kindersterblichkeit mit dem Einsetzten der verbesserten Wasser- versorgung schlagartig sich verringerte. Die Cholera ist seit dieser Zeit synonym für eine Krankheit der fehlenden Zivilisation und des Versagens oder Nichtexistenz ei- ner staatlichen Infrastruktur, die den Ge- sundheitsschutz der Bevölkerung zu ga- rantieren hat. Am Ende des Internationalen Jahres der Sanitation muss es geradezu als Me- netekel angesehen werden, wenn es 125 Jahre nach der Entdeckung der Cholera- Ätiologie und deren Wasser-Ätiologie zu Die Entdeckung der Cholera-Ätiologie durch Robert Koch 1883/84 Martin Exner Prof. Dr. med. Martin Exner Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn, Germany Tel: +49 (0)228 2871 5520 – Fax: +49 (0)228 2871 5645 E-Mail: [email protected]

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VorbemerkungAm 25. Dezember 2008 meldete das Ge-sundheitsministerium von Zimbabwe 26.497 Fälle von Cholera mit 1518 Todes-fällen. Die Epidemie ist die größte Epide-mie, die jemals in diesem Land beobach-tet wurde und ist immer noch nicht unter Kontrolle. Die durchschnittliche Letalität ist auf bis zu 5,7 % der an Cholera Er-krankten angestiegen, deutlich höher als 1 %, welches die Norm für die bisherigen Epidemien ist und in manchen ländli-chen Regionen hat die Letalität 50 % erreicht. Es kommt zu einer Weiterver-breitung in andere angrenzende Länder wie Süd-Afrika. Die Ursache für die Epi-demie ist zurückzuführen auf– das Fehlen von einwandfreiem

Trinkwasser,– auf die katastrophalen sanitären

Bedingungen,– den Zusammenbruch der sanitären

Infrastruktur und – das Fehlen von medizinischem Personal,

das nicht mehr am Arbeitsplatz zur Ver-fügung steht.

Es muss als Tragödie bezeichnet werden, dass ein Land wie Zimbabwe nicht in der Lage ist, seine Bevölkerung vor der Cho-lera zu schützen. Hierbei handelt es sich um ein Versagen einer guten Regierungs-führung, mangelhaftem Gesundheits-schutz für die Bevölkerung und fehlender Prioritätensetzung.

Die Erkrankung, die einst auch in Eu-ropa panisches Entsetzen auslöste, wurde vor jetzt 125 Jahren von einer deutschen

derartigen Seuchenausbrüchen kommt. Sie können Anzeichen sein für zukünftige Bedrohungen auch der entwickelten Län-der, wenn es nicht gelingt vor dem Hin-tergrund der Bevölkerungsexplosion in den nächsten 30 Jahren mit 3 Milliarden Menschen in den unterentwickelten Län-dern, die Sicherung einer hygienischen Infrastruktur zu gewährleisten. Dies gilt übrigens auch für Länder wie den Irak, wo eine vorhandene hygienische Infra-struktur zerstört wurde, und dort jetzt die Cholera wieder endemisch geworden ist. Dieses Bedrohungspotential ist mindes-tens gleichwertig mit den Bedrohungen durch die Klimaveränderungen. Die Ent-deckung der Cholera-Ätiologie zählt zu einer der Sternstunden in der Medizin, weswegen es jetzt der richtige Zeitpunkt ist, sich vor dem Hintergrund der aktuel-len Epidemie hieran zu erinnern.

Die Kommission zur Erforschung der Cholera 1883/84 in Ägypten und in Indien

Die Expedition nach Ägypten August – November 1883

Am 24. Juni 1883 veröffentlichte Wolffs Telegraphisches Büro das nachstehende, aus Kairo eingegangene Telegramm: „Die Regierung hat von einem Arzt in Damiette tele-graphisch die Nachricht erhalten, dass ein bösartiges Fieber während der letzten Tage daselbst gewütet habe; von 20 Erkrankungsfäl-len seien 6 tödlich verlaufen. Die Sanitätskom-mission hat sich infolge dessen von hier nach Damiette begeben. Einer der dem „Reuterschen Büro“ zugehenden Meldung zufolge ist die Epidemie in Damiette während der dortigen Messe zum Ausbruch gekommen und es sollen

Expedition unter Leitung von Robert Koch nach Ägypten und nach Kalkutta in Indien systemisch erforscht. Am 2. Febru-ar 1884 berichtet Robert Koch nach Ber-lin, dass „aus diesen Resultaten nun weiter der Schluss zu ziehen sei, dass die kommaähn-lichen Bazillen ganz allein der Cholera eigen-tümlich sind“. Der Erreger und die Wasse-rätiologie wurden auf dieser Expedition aufgedeckt, und hiernach die notwendi-gen Maßnahmen zur Verhütung und Kontrolle dieser Seuche in Deutschland umgesetzt. Diese Maßnahmen waren so wirksam, dass es nach der großen Chole-ra-Epidemie 1892 in Hamburg, die von Koch mit seinen auf der Expedition ge-sammelten Erfahrung meisterhaft unter Kontrolle gebracht wurde, zu keinem Ausbruch in Deutschland mehr kam.

Keine andere Seuche hat die Infekti-onshygiene und die Wasserhygiene so sehr beeinflusst und zu so nachhaltigen hygienischen Verbesserungsmaßnahmen geführt wie die Cholera und damit auch andere Infektionskrankheiten beeinflusst, wodurch auch die Kindersterblichkeit mit dem Einsetzten der verbesserten Wasser-versorgung schlagartig sich verringerte. Die Cholera ist seit dieser Zeit synonym für eine Krankheit der fehlenden Zivilisation und des Versagens oder Nichtexistenz ei-ner staatlichen Infrastruktur, die den Ge-sundheitsschutz der Bevölkerung zu ga-rantieren hat.

Am Ende des Internationalen Jahres der Sanitation muss es geradezu als Me-netekel angesehen werden, wenn es 125 Jahre nach der Entdeckung der Cholera-Ätiologie und deren Wasser-Ätiologie zu

Die Entdeckung der Cholera-Ätiologie durch Robert Koch 1883/84

Martin Exner

Prof. Dr. med. Martin Exner Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn, Germany

Tel: +49 (0)228 2871 5520 – Fax: +49 (0)228 2871 5645E-Mail: [email protected]

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xandria eintreffen konnte, um ihre Ar-beiten im Hôpital Européen beginnen zu können. Zur französischen Kommission zählten die Forscher Roux, Thuillier (bei-de Mitarbeiter von L. Pasteur), Strauß (außerordentlicher Professor der medizi-nischen Fakultät zu Paris) und Nocart (Professor der Veterinärschule zu Alfort bei Paris.).

Auch Deutschland hatte ein Interesse an der Entsendung einer Expedition. Durch Erlass vom 9. August 1883 beauftragte da-her nach kurzen Vorverhandlungen der Staatssekretär des Inneren, Herr von Boet-ticher, das Mitglied des kaiserlichen Ge-sundheitsamtes, den geheimen Regie-rungsrat Herrn Dr. Koch, mit der Leitung der Expedition. Zu seiner Unterstützung wurden Stabsarzt Dr. Gaffky, Marinestabs-arzt Dr. Fischer sowie der im Gesundheits-amt als Präparator beschäftigte Chemiker Treskow Mitglieder der Kommission.

Am 16. August 1883 verließ die deut-sche Expedition unter Leitung von Koch Berlin. Am 23. August 1883 erreichte sie mit dem Schiff Port Said und unternahm unmittelbar eine Besichtigung der sanitä-ren Verhältnisse in der Stadt. Trotz un-günstigster sanitärer Bedingungen konn-te in Port Said kein großer Cholera-Aus-bruch festgestellt werden.

Am 24. August 1883 schiffte man sich zur Weiterfahrt nach Alexandria ein, wo ein Labor im griechischen Hospital mit Unterstützung von Dr. Kartulis und Dr. Hassan-Rifti und mit voller Unterstüt-zung der ägyptischen Regierung einge-richtet wurde.

Cholera in preußischen Armeen zur Beendigung des Preußisch-Österreichi-schen Krieges 1866 (Ni-kolsburger Frieden) bei, im Verlauf dessen in der preu-ßischen Armee 12.000 Cho-lera-Erkrankungen auftra-ten, an denen 3139 Solda-ten, also 1/4 der Erkrank-ten, verstarben.

Die europäischen Regie-rungen beabsichtigten nun, nicht erst zu warten, bis die Cholera in die jeweiligen Länder eingedrungen war, sondern sie versuchten durch wissenschaftliche Aufklärung der Ursachen, geeignete Maßnahmen zur Kontrolle und Prävention zu finden.

Die französische Regierung war die erste, welche auf Anregung Louis Pas-teurs die Entsendung einer wissenschaft-lichen Expedition nach Ägypten berief. Nachdem das Comité consultatif d´hygiène den Plan befürwortet hatte, genehmigte die französische Regierung einen Kredit von 50.000 Francs, so dass die französische Mission (Mission Pas-teur) bereits am 15. August 1883 in Ale-

bis jetzt bereits 19 Personen gestorben sein, 11 unter dem Verdacht der Cholera.“

Nachdem die Cholera damit in Ägypten festen Fuß gefasst hatte, war zu befürch-ten, dass auch Europa in der größten Gefahr schwebte. Bereits 1865 hatte die Cholera ebenfalls aus Ägypten kommend Einzug in die europäischen Mittelmeer-länder gehalten. Seit dem Jahr 1817 hatte ausgehend von dem Gangesdelta in Indien, die Cholera bereits 4mal zu Pan-demien geführt, die sich in den Jahren 1817–1823, 1826–1837, 1845–1862 und 1864–1875 über Asien, Afrika, Europa und Amerika mit unterschiedlicher Ge-schwindigkeit ausgebreitet hatte.

Bei der letzten Epidemiewelle wurde die Cholera im Mai 1865 von Ägypten inner-halb von wenigen Wochen in verschiede-ne Länder Europas verschleppt und brei-tete sich während des Jahres 1865 in Ita-lien, Frankreich, Spanien, der Türkei, Rumänien und Russland aus. England wurde 1866 von Rotterdam aus von der Seuche heimgesucht. In Deutschland griff die Cholera im Jahre 1866 so stark um sich, dass allein im Königreich Preußen in diesem Jahr 114.683 Personen an Cholera verstarben, darunter 6.000 in Berlin. Be-kanntlich trug auch das Auftreten der

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ter 6.000 in Berlin. Bekanntlich trug auch das Auftreten der Cholera in preußischen

Armeen zur Beendigung des Preußisch-Österreichischen Krieges 1866 (Nikolsburger

Frieden) bei, im Verlauf dessen in der preußischen Armee 12.000 Cholerakrankun-

gen auftraten, an denen 3139 Soldaten, also ¼ 1/4 der Erkrankten, verstarben.

Abb. 7: Cholera in der Kunst, Maler unbekannt, National Institute of Health, USA

Die europäischen Regierungen beabsichtigten nun, nicht erst zu warten, bis die Cho-

lera in den jeweiligen Ländern eingedrungen war, sondern sie versuchten durch

wissenschaftliche Aufklärung der Ursachen geeignete Maßnahmen zur Kontrolle und

Prävention zu finden.

Die französische Regierung war die erste, welche auf Anregung Louis Pasteurs die

Entsendung einer wissenschaftlichen Expedition nach Ägypten berief. Nachdem das

Comité consultatif d´hygiène den Plan befürwortet hatte, genehmigte die französi-

Cholera in der Kunst, Maler unbekannt, National Institute of Health, USA.

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sche Regierung einen Kredit von 50.000 Francs, so dass die französische Mission

(Mission Pasteur) bereits am 15. August 1883 in Alexandria eintreffen konnte, um

ihre Arbeiten im Hôpital Européen beginnen zu können. Zur französischen Kommis-

sion zählten die Forscher Roux, Thuillier (beide Mitarbeiter von L. Pasteur), Strauß

(außerordentlicher Professor der medizinischen Fakultät zu Paris) und Nocart (Pro-

fessor der Veterinärschule zu Alfort bei Paris.).

Auch Deutschland hatte ein Interesse an der Entsendung einer Expedition. Durch

Erlass vom 9. August 1883 beauftragte daher nach kurzen Vorverhandlungen der

Staatssekretär des Inneren, Herr von Boetticher, das Mitglied des kaiserlichen Ge-

sundheitsamtes, den geheimen Regierungsrat Herrn Dr. Koch, mit der Leitung der

Expedition. Zu seiner Unterstützung wurden Stabsarzt Dr. Gaffky, Marinestabsarzt

Dr. Fischer sowie der im Gesundheitsamt als Präparator beschäftigte Chemiker

Treskow Mitglieder der Kommission.

Die Mitglieder der Cholera-Expedition 1883.von links: Gaffky, Treskow (stehend), Koch, Fischer.

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Nach der Mitteilung zahlreicher glaub-würdiger Personen soll das Leitungswas-ser im Hochsommer gewöhnlich trübe und von schlechtem Geschmack sein. Dass es diese Beschaffenheit auch wäh-rend der Epidemie gab, ist der Kommissi-on von Dr. Wild und Dr. Achmed Hamdy Bey ausdrücklich bestätigt.

Übrigens wird einzelnen Stadteilen re-gelmäßig nur unfiltriertes Wasser zuge-führt, da die Quantität des filtrierten Was-sers nicht ausreicht. Allgemeinere Anwen-dung findet diese Maßregel notgedrungen, wenn die an Zahlen nicht genügenden Fil-ter der Reinigung wegen einmal außer Funktion gesetzt werden müssen. Die Un-zufriedenheit über die Beschaffenheit die-ses Leitungswassers, in welchem bisweilen selbst lebende kleine Fische gefunden wer-den, ist denn auch eine allgemeine.

Dass selbst trotz der Epidemie hierin eine Besserung nicht eingetreten ist, wird aus der nachstehenden, in der „Egyptian Gazette“ v. 8. Juli 1884 abgedruckten Klage deutlich: „La compagnie des Eaux du Caire, une des administrations francaises mo-dèles, jouissant d’un monopole de 99 années fournit au quartier Ismailia, le plus beau de toute la ville, de l’eau tirée directement du canal Ismailia, qui est malpropre et qui n’est qu´a une centaine de mètres de là. Il est évident, qu’aucuns filtres ne sont employés pour purifier cette eau, car sa couleur est d’un brun foncé, actuellement tout à fait noire, remplie d’une boue épaisse, de dèbris de paille etc. Et (cela peut

der Kompagnie befindet. Die Wasserwerke liegen auf dem südlichen Ufer des Ismailia-Kanals, einige 100 m unterhalb dessen Ab-zweigung vom Nil, und entnehmen ihren Be-darf an Wasser teils aus dem Nil selbst und zwar dicht oberhalb der Brücke von Kasr El Nil, teils direkt aus dem Ismailia-Kanal. Die großen Saugrohre sind bis nahezu in die Mitte des Kanalbettes geführt, so dass wenigstens das Wasser nicht unmittelbar am Ufer entnommen wird. Die Werke besitzen 4 Bassins, von denen

2 zur vorläufigen Klärung des Wassers durch Abset-zen-Lassen der schweren suspendierten Bestandteile, 2 andere als Filter dienen. Die oberste Schicht der Fil-ter bildet ein verhältnismä-ßig grober Sand. Die Quan-tität des von der Kompagnie täglich gelieferten filtrierten und unfiltrierten Wassers beträgt im Mittel etwa 22.000 mm3 einschließlich des Bedarfs von 51 Straßen-auslässen, von welchen 45 mit filtriertem, 6 mit unfil-triertem Wasser versehen sein sollen.“

Die Kommission hat-te Gelegenheit, bei einem Besuch der Werke Proben des unmittelbar vorher fil-trierten Wassers zu sehen. Es enthielt al-lerlei Fasern und gröbere Partikel und zeigte eine deutliche Opaleszenz.

1883 nahm die Cholera in Ägypten einen charakteristischen Verlauf, wobei die ersten Fälle am 22. Juni 1883 in Damiet-te festgestellt wurden, am 27. Juni in Port Said, am 2. Juli in Alexandria und am 15. Juli in Kairo. Die Gesamtmortalität der Cholera während der Epidemie in Ägyp-ten betrug nach den offiziellen Statistiken 28.722 Todesfälle, wobei jedoch nach Feststellung Koch´s von einer erhebli-chen Dunkelziffer auszugehen ist.

Am 18. September 1883 verstarb der junge und hoffnungsvolle französische Wissenschaftler Louis Thuillier (1856– 1883), der Mitglied der französischen Mission Pasteur war, an der Cholera. Er wurde unter Teilnahme auch aller Mit-glieder der deutschen Expedition beerdigt.

Neben den pathologischen und mikrobiolo-gischen Untersuchungen befasste sich Koch während seines Aufenthaltes in Ägypten auch intensiv mit den Lebensverhältnissen der Bevölkerung, u. a. auf einer Reise am 6. Oktober nach Damiette. Hierbei konnte er u. a. auf die hervorragenden vergleichen-den epidemiologischen Statistiken über die Cholera-Mortalität aus den Jahren 1865 und 1883 zurückgreifen.

Von besonderem Interesse aus heuti-ger Sicht sind auch seine systematischen medizinisch-geographischen Darstellun-gen, wobei er u. a. die auftretenden Er-krankungsfälle an Cholera im Stadtplan von Damiette aufzeichnete und den Ver-lauf der Cholera im De-tail räumlich und zeit-lich beschrieb.

Vom 16. bis 30. Ok-tober 1883 hielt sich Koch in Kairo auf, wo die Cholera-Epidemie einen deutlich gravierenderen Verlauf als in Alexandria genommen hatte. Koch beschrieb detailliert den Stand der sanitären Ver-hältnisse in Kairo, wo einige Vorstädte über keine filtrierte Wasser-versorgung verfügten.

In dem Bericht heißt es „Mit der Wasserversor-gung von Kairo sah es zur Zeit der Epidemie nicht minder traurig aus, obwohl bereits seit einer großen Reihe von Jahren eine Wasserleitung besteht, erbaut und verwaltet von einer Privat-Kompagnie, welche sich noch für lange Zeit im alleinigen Besitze

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Abb. 8: Koch und die Mitglieder der Cholera- Expedition 1883

Am 16. August 1883 verließ die deutsche Expedition unter Leitung von Koch Berlin.

Am 23. August 1883 erreichte sie mit dem Schiff Port Said und unternahm unmittel-

bar eine Besichtigung der sanitären Verhältnisse in der Stadt. Trotz ungünstigster

sanitärer Bedingungen konnte in Port Said kein großer Cholera-Ausbruch festgestellt

werden. Am 24. August 1883 schiffte man sich zur Weiterfahrt nach Alexandria ein,

wo ein Labor im griechischen Hospital mit Unterstützung von Dr. Kartulis und Dr.

Hassan-Rifti und mit voller Unterstützung der ägyptischen Regierung eingerichtet

wurde.

Abb. 9: Landkarte des Mündungsdelta des Nil 1883 aus dem Bericht Kochs. Landkarte des Mündungsdelta des Nil 1883 aus dem Bericht Kochs.

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1883 nahm die Cholera in Ägypten einen charakteristischen Verlauf, wobei die ersten

Fälle am 22. Juni 1883 in Damiette festgestellt wurden, am 27. Juni in Port Said, am

2. Juli in Alexandria und am 15. Juli in Kairo. Die Gesamtmortalität der Cholera wäh-

rend der Epidemie in Ägypten betrug nach den offiziellen Statistiken 28.722 Todes-

fälle, wobei jedoch nach Feststellung Koch´s von einer erheblichen Dunkelziffer aus-

zugehen ist.

Am 18. September 1883 verstarb der junge und hoffnungsvolle französische Wissen-

schaftler Louis Thuillier (1856 – 1883), der Mitglied der französischen Mission Pas-

teur war, an der Cholera. Er wurde unter Teilnahme auch aller Mitglieder der deut-

schen Expedition beerdigt.

Abb. 10: Louis Thuillier ( geb. in Amiens, 4.Mai 1856 – gest. in Alexandrien, Ägypten 18.September 1883),

Neben den pathologischen und mikrobiologischen Untersuchungen befasste sich

Koch während seines Aufenthaltes in Ägypten auch intensiv mit den Lebensverhält-

nissen der Bevölkerung, u. a. auf einer Reise am 6. Oktober nach Damiette. Hierbei

konnte er u. a. auf die hervorragenden vergleichenden epidemiologischen Statistiken

über die Cholera-Mortalität aus den Jahren 1865 und 1883 zurückgreifen.

Louis Thuillier (geb. in Amiens, am 4. Mai 1856, gest. inAlexandrien, Ägypten, am 18. September 1883)

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die Moulins Francais zu erfreuen gehabt, gro-ße Getreidemühlen, deren Gebäude von der Umgebung durch Mauern abgesperrt sind. In diesen Mühlen soll nicht ein einziger Cholera-Fall vorgekommen sein, obgleich in ihrer un-mittelbaren Nähe zwei Hüttenkomplexe aufs heftigste von der Krankheit heimgesucht wur-den. Die Kenntnis dieser Verhältnisse ver-dankte die Kommission dem Inspecteur Sani-taire der Stadt Herrn Ahmed Hamdy Bey. Die einzige Maßregel, welche, abgesehen von der Absperrung ( in den Moulins francais ) getrof-fen wurde, war die, dass ausschließlich filtrier-tes und gekochtes Nilwasser zur Anwendung kam. Zwei Mitarbeiter entzogen sich jedoch der strikten Anweisung des Direktors der fran-zösischen Mühle, das Mühlengelände nicht zu verlassen und wurden entlassen. Beide Mitar-beiter verstarben an der Cholera.“

Zur Situation der Wasserversorgung in Kairo ging Koch auf der zweiten Konfe-renz zur Erörterung der Cholera-Frage in Berlin 1885 nochmals im Detail ein. Er führte aus: „Im Jahre 1865 hatten sowohl Alexandrien und Kairo sehr heftige Cholera-Epidemien. Nach dieser Zeit erhielten sie beide Wasserleitungen. Die nächste Epidemie 1883 verlief in Alexandrien sehr gelinde, wie diese niedrige Kurve anzeigt; in Kairo dagegen ist die letzte Epidemie ebenso mörderisch gewesen wie die vom Jahre 1865. Die Kurven beider Jahre sind fast gleich. Was hat nun der Stadt Kairo die Wasserleitung genützt? so wird man fragen. Höchst wahrscheinlich würde sie ihr genützt haben, wenn die Anlage eine bessere gewesen wäre. Die Wasserleitung von Kairo kann als höchst lehrreiches Beispiel dienen, wie ein Wasserwerk nicht beschaffen sein darf, wenn es gegen Cholera nützen soll. Die Stelle für die Wasserentnahme befindet sich nämlich im Ismailia-Kanal neben der Brücke, welche von Kairo nach der Vorstadt Boulacq führt. Als ich diese Stelle besucht habe, bot sich mir ein Anblick dar, der mich glauben ließ, dass ich nach Indien zurückversetzt sei. Am Ufer des Kanals, dicht bei dem Saugrohr wuschen Leute aus Boulacq schmutzige Wäsche, andere badeten im Kanal und reichliche Spuren von Fäkalien an den Böschungen des Kanals deu-teten noch schlimmere Verunreinigungen des Wassers an. Zur Zeit der Cholera sollen die Zustände ganz dieselben gewesen sein und vielfach Cholera-Wäsche aus Boulacq dort gewaschen sein. Ist allerdings das Wasserwerk mit Filtern versehen und das Wasser soll ei-gentlich in filtriertem Zustand geliefert wer-den; dies geschieht aber in so unvollkommener Weise, dass, wie mir zuverlässige Personen

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Abb.12: Stadtkarte von Damiette im Jahr1883 mit den Häusern, in denen die ersten Cholera- Erkrankungen aufgetreten waren

Vom 16. – 30. Oktober hielt sich Koch in Kairo auf, wo die Cholera-Epidemie einen

deutlich gravierenderen Verlauf als in Alexandria genommen hatte.

Koch beschrieb detailliert den Stand der sanitären Verhältnisse in Kairo, wo einige

Vorstädte über keine filtrierte Wasserversorgung verfügten.

In dem Bericht heißt es

„Mit der Wasserversorgung von Kairo sah es zur Zeit der Epidemie nicht minder

traurig aus, obwohl bereits seit einer großen Reihe von Jahren eine Wasserleitung

besteht, erbaut und verwaltet von einer Privat-Kompagnie, welche sich noch für lan-

ge Zeit im alleinigen Besitze der Kompagnie befindet. Die Wasserwerke liegen auf

dem südlichen Ufer des Ismailia-Kanals, einige 100 m unterhalb dessen Abzweigung

vom Nil, und entnehmen ihren Bedarf an Wasser teils aus dem Nil selbst und zwar

dicht oberhalb der Brücke von Kasr El Nil, teils direkt aus dem Ismailia-Kanal. Die

großen Saugrohre sind bis nahezu in die Mitte des Kanalbettes geführt, so dass

Stadtkarte von Damiette im Jahr1883 mit den Häusern, in denen die ersten Cholera- Erkrankungen aufgetreten waren.

Vergleich der Cholera-Todesfälle bei der Cholera-Epidemie 1865 und 1883 in Damiette.

vous sembler exagéré, mais c’est la vérité pure) j’ai pris dans mon bain, il ya quelques jours, deux petits poissons, tout à fait vivants et se liv-rant dans l’eau à leurs évolutions.“

In den Häusern der besser situierten Bevölkerung wird das Wasser übrigens vor dem Genuss allgemein einer noch-maligen Filtration durch poröse Tongefä-ße unterworfen.

Koch kommt außerdem zu der Fest-stellung, dass möglicherweise auch der Ramadan, der vom 6. Juli bis 14. August 1883 stattfand, sich ungünstig auf den

Verlauf der Cholera in Kairo ausgewirkt habe.

Aufgrund der epidemiologischen Da-ten konnte er anhand der Inzidenz der Cholera-Todesfälle medizinisch-geogra-phisch unterschiedliche Inzidenzen, die sich zum Teil gravierend voneinander unterschieden, in den einzelnen Stadttei-len von Kairo feststellen.

Hierzu erläutert Koch: „Einer beson-ders auffälligen Immunität haben sich inner-halb des am schwersten betroffenen Stadteiles von Kairo nämlich desjenigen von Boulacq,

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versicherten, bisweilen in den Häusern mit dem Leitungswasser kleine Fische zum Vor-schein kamen. Eine solche Wasserleitung ist nicht geeignet, die Cholera-Infektion abzuhal-ten. Hier muss vielmehr eine Beförderung derselben angesehen werden.“

Am 30. Oktober 1883 besichtigte Koch neben Luxor noch andere Orte wie El Tor und El Wedj und beschrieb im Detail die hygienischen Verhältnisse im Zusammen-hang mit den Pilgerströmen nach Mekka. Hierbei schloss er nicht aus, dass es über Pilger aus Indien zu einer Einschleppung der Cholera nach Ägypten kam.

Koch konnte in Ägypten jedoch die Cholera-Ätiologie nicht eindeutig abklä-ren. In allen größeren Städten Ägyptens war die Cholera bereits erloschen. Nur in den Dörfern Oberägyptens breitete sich die Epidemie noch aus.

Es wurde daher eine Anfrage an den Ministerpräsidenten Cherif Pascha gerich-tet, ob es möglich sei, in den von der Cholera befallenen Dörfern Material für die Untersuchung zu gewinnen. Die hier-auf erteilte telegraphische Antwort lautete aber folgendermaßen: „Je ne puis conseiller à Monsieur le Dr. Koch de se rendre dans les villages pour faire des autopsies, il est même de mon devoir de l´en dissuader, car elles pouraient donner lieu à de graves complications.“

Koch schrieb in seinem Bericht an den Staatssekretär des Inneren, Herrn Staats-minister von Boetticher, am 17. Septem-ber 1883 weiter: „Die Kommission ist aber von dem lebhaften Wunsche beseelt, das be-gonnene Werk fortzusetzen und womöglich auch die ihr gestellte Aufgabe zu lösen. Sie würde es schmerzlich empfinden, wenn die bis jetzt begonnenen Resultate fruchtlos bleiben sollten. Die einzige Möglichkeit zur Fortset-zung der Untersuchung bietet sich zurzeit in Indien, wo in mehreren großen Städten insbe-sondere in Bombay, die Cholera noch in einem Umfang herrscht, das ein baldiges Aufhören derselben nicht zu erwarten ist. Auch würde sich dort unzweifelhaft der Anschluss an ein Hospital, welcher sich in Alexandrien so sehr vorteilhaft erwiesen hat, am ehesten bewerk-stelligen lassen. Ew. Excellenz hochgeneigtem Ermessen stelle ich demgemäß ganz gehor-samst anheim, ob unter den obwaltenden Verhältnissen die Fortsetzung der Untersu-chungen in Indien statthaben soll und stelle ich mich, wenn Ew. Excellenz für die Ausdeh-nung der Expedition nach Indien sich hochge-

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wenigstens das Wasser nicht unmittelbar am Ufer entnommen wird. Die Werke besit-

zen 4 Bassins, von denen 2 zur vorläufigen Klärung des Wassers durch Absetzen-

Lassen der schweren suspendierten Bestandteile, 2 andere als Filter dienen. Die

oberste Schicht der Filter bildet ein verhältnismäßig grober Sand. Die Quantität des

von der Kompagnie täglich gelieferten filtrierten und unfiltrierten Wassers beträgt im

Mittel etwa 22.000 mm3 einschließlich des Bedarfs von 51 Straßenauslässen, von

welchen 45 mit filtriertem, 6 mit unfiltriertem Wasser versehen sein sollen.

Abb.13 : Stadtkarte von Kairo 1883

Vergleichende Darstellung der Cholera-Todesfälle und deren Inzidenz pro 1000 Einwohner in Abhängigkeit von den Stadtteilen in Kairo.

Stadtkarte von Kairo 1883.

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Dezember 1883 die weiteren Aufgaben, die sich die Kommission als Ziel ihres Aufent-haltes in Kalkutta gesetzt habe. Diese sind:

1. Mikroskopische Untersuchung eines möglichst zahlreichen Obduktionsmaterials zur Erweiterung und Prüfung der in Ägypten erhaltenen Befunde über das Vorkommen von Bazillen in der Darmschleimhaut von Chole-ra-Leichen, insbesondere auch Versuche über spezifische Eigenschaften dieser Bazillen in mikroskopischer Beziehung, um eine sichere Unterscheidung von anderen in Gestalt und Größe ähnlichen Bazillen zu gewinnen.

2. Nachforschungen über das Vorkommen von Cholera bei Tieren, Wiederaufnahme der Infektionsversuche von Cholera-Stoffen an ver-schiedenen Tiergattungen; namentlich auch mit Methoden, welche bisher noch nicht benutzt wurden, z. B. direkte Injektion in den Darm.

3. Gewinnung von Reinkulturen der im Darm der Cholera-Leichen gefundenen Bazillen und Benutzung dieser Reinkulturen zu Infekti-onsversuchen an Tieren.

4. Bestimmung der biologischen Eigenschaf-ten dieser Bazillen, insbesondere Sporenbildung, Lebensdauer, Verhalten in verschiedenen Nähr-medien und bei verschiedenen Temperaturen.

5. Desinfektionsversuche, um die Bazillen im Wachstum zu verhindern bzw. zu vernichten.

6. Untersuchung von Boden, Wasser, Luft in ihren Beziehungen zum Cholera-Infektions-stoff, namentlich in Bezug auf die Frage, ob derselbe in endemischen Cholera-Gebieten un-abhängig vom menschlichen Körper, beispiels-weise an bestimmten Zersetzungsvorgängen im Boden gebunden existieren kann.

7. Spezielle Nachforschung über die Cholera-Verhältnisse in Indien und zwar:a. Zusammenhang der Cholera in den ende-

mischen Gebieten mit besonderen Eigen-tümlichkeiten der daselbst lebenden Bevöl-kerung und ihrer Umgebung;

b. Cholera-Ausbrüche in Gefängnissen, unter Truppen auf Schiffen;

c. Verhältnisse der endemischen Gebiete der Cholera am meisten heimgesuchten, sowie der von der Krankheit verschonten Plätze;

d. Art und Weise der Verschleppung der Cho-lera über die Grenzen des endemischen Gebietes und die Wege, auf welchen die Verschleppung sowohl in Indien als auch über die Grenzen Indiens hinaus stattfindet;

e. Die in Indien bewährt gefundenen Maßre-geln zur Verminderung der Cholera in Ge-fängnissen und unter Truppen und die Be-dingungen, unter denen in einigen Städten wie Madras, Pondichery, Guntur, Kalkutta, eine auffallende Abnahme der Cholera-Sterblichkeit stattgefunden hat.

nitären Verhältnisse dieser Orte und hin-sichtlich der Cholera zu informieren.

Die Expedition nach Indien Dezember 1883 – März 1884Die Kommission traf nach einem Zwi-schenaufenthalt in Ceylon am 11. De-zember 1883, somit an Kochs 40. Ge-burtstag, in Kalkutta ein.

Am 12. Dezember 1883 wurden Koch und seine Mitarbeiter durch den Surgeon General of the Government of India, Dr. J. M. Cunningham, empfangen, der ih-nen seine volle Unterstützung zusagte. Sie wurden im Medical College Hospital in Kalkutta untergebracht.

Am 13. Dezember wurde im dortigen Hospital das Laboratorium eingerichtet. Am 14. Dezember 1883 begann die Kommissi-on bereits mit der Sektion einer vom Gene-ral Hospital übersandten Cholera-Leiche.

Am 15. Dezember werden weitere Cholera-Leichen seziert und eine Reihe von Untersuchungen und Experimenten begonnen. Im Gegensatz zu Ägypten war es hier möglich, die Sektion von Cholera-Leichen ohne Hindernisse durchzufüh-ren und so Beeinträchtigungen durch Fäulnis zu vermeiden. Zudem wurde festgestellt, dass es in Kalkutta zu einem Wiederanstieg der Cholera-Fälle gekom-men sei, weswegen Koch bemerkt, dass Kalkutta der ideale Ort zur Erforschung der Cholera sei.

Koch formuliert in einem Schreiben an den Staatssekretär von Boetticher vom 16.

neigtest entschließt, zur Führung derselben auch ferner ganz gehorsamst zur Verfügung. Auch die beiden ärztlichen Mitarbeiter der Expedition die Stabsärzte Dr. Gaffky und Dr. Fischer sind bereit, sich an einer derartigen weiteren Expedition zu beteiligen.“

Koch fährt weiter fort: „Die Arbeiten der Kommission, welche an für sich recht an-strengend und zum größten Teil auf sehr un-angenehme Art sind, waren infolge der hohen Temperatur, welche hier herrscht, doppelt beschwerlich. Bis jetzt litt es der Gang der Untersuchungen nicht, dass sie auch nur einen Tag unterbrochen werden konnten. Trotzdem erfreuen sich sämtliche Mitglieder bis auf ge-ringe in klimatischen Verhältnissen begründet und schnell vorübergehende Unpässlichkeiten eines guten Gesundheitszustandes. Ew. Exzel-lenz bitte ich schließlich ganz gehorsamst über die weitere Führung der Expedition hochge-neigtest mir Instruktionen erteilen zu wollen.“

Am 7. November 1883 kehrte Koch nach Suez zurück. Sein Antrag zur Weiterfahrt nach Indien war zwischenzeitlich seitens des Staatssekretärs des Inneren positiv be-schieden worden und so begab sich Koch mit den Mitgliedern seiner Expedition auf ein Schiff zur Weiterfahrt nach Indien.

Koch wählte als Ort für seine weitere Expedition Kalkutta aus, da englische Be-amte ihm mitgeteilt hatten, dass dort die Cholera endemisch sei. In Colombo auf Ceylon (heute Sri Lanka) und in Madras, Indien, wurden Zwischenaufenthalte von wenigen Tagen eingelegt, um sich wiede-rum, wie bereits in Ägypten, über die sa-

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Die Kommission traf nach einem Zwischenaufenthalt in Ceylon am 11. Dezember

1883, somit an Kochs 40. Geburtstag, in Kalkutta ein.

Am 12. Dezember 1883 wurden Koch und seine Mitarbeiter durch den Surgeon Ge-

neral of the Government of India, Dr. J. M. Cunningham, empfangen, der ihnen seine

volle Unterstützung zusagte. Sie wurden im Medical College Hospital in Kalkutta

untergebracht.

Abb. 14: Stadtplan von Kalkutta aus dem Jahr 1883 (der Pfeil kennzeichnet das

Medical College Hospital)

Stadtplan von Kalkutta aus dem Jahr 1883 (der Pfeil kennzeichnet das Medical College Hospital)

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wurde eine Anzahl von Proben des Fluss-wassers vor und nach der Filtration in den Wasserwerken von Pultah unter-sucht und aufgrund der bakteriologi-schen Befunde festgestellt, dass das der Stadt zugeführte Trinkwasser „von vorzüg-licher Beschaffenheit“ sei.

Am 1. November 1869 war die zentrale Wasserversorgung von Kalkutta in Be-trieb genommen worden. Seit dieser Zeit wurde das eigentliche Stadtgebiet von Kalkutta durch ein weit verzweigtes Röh-rensystem mit filtriertem Flusswasser versorgt. Die Pultah Wasserwerke befan-den sich 16 englische Meilen oberhalb Kalkuttas auf dem linken Ufer des Hoo-gly. Das Wasserwerk entnahm aus dem Hoogly Rohwasser und führte es über Absatzbassins zu insgesamt zunächst 12 Filterbassins. Die filtrierende Schicht be-stand damals von unten nach oben aus

Zudem teilte Koch mit, dass die epide-miologischen Untersuchungen unter Zu-grundelegung der britischen sanitätssta-tistischen Daten zeigen, dass die Cholera in Kalkutta seit 1870 drastisch abgenom-men habe. Vor 1870 betrug die Cholera-Sterblichkeit 10,1 pro 1000 Einwohner, nach 1870 nur noch 3 pro 1000 Einwoh-ner. Dies wird von Koch mit hoher Wahr-scheinlichkeit ursächlich auf die 1869 vollzogene Einführung der zentralen Trinkwasserleitung zurückgeführt.

„Nach dem fast einstimmigen Urteil der hiesigen Ärzte ist die Abnahme der Cholera allein der Einführung einer Trinkwasserlei-tung zuzuschreiben.“

Die Kommission hatte daher zum Zwecke der eigenen Anschauung und zum eigen-ständigen Urteil sowohl die Wasserwerke als auch die Kanalisationseinrichtung von Kalkutta besichtigt. Darüber hinaus

Die Kommission beabsichtigte für den Fall, dass die Untersuchungen über die mikros-kopischen Erreger der Cholera nicht zu dem Grad von Sicherheit gelangen sollten, um praktischen Maßnahmen zugrunde gelegt werden zu können, den unter 7. aufgeführ-ten Punkten eine besondere Aufmerksam-keit zu widmen, um demnächst praktisch verwertbare Vorschläge zur Kontrolle der Cholera-Gefahr für das deutsche Reich un-terbreiten zu können.

Am 7. Januar 1884 berichtet Koch aus Kalkutta dem Staatssekretär des Inneren, Herrn v. Boetticher, dass 9 Sektionen durchgeführt und Material von 8 Chole-ra-Kranken bislang untersucht wurden. Die mikroskopischen Untersuchungen bestätigten das Vorkommen derselben Bazillen, die bereits in Ägypten in Chole-ra-Leichen nachgewiesen worden waren.

Nunmehr sei die Isolation dieser Ba-zillen und Züchtung in Reinkulturen ge-lungen. Zudem sei es gelungen, charakte-ristische Eigenschaften hinsichtlich Form und Wachstum in Nährgelatine festzu-stellen, wodurch eine sichere Unterschei-dung von anderen Bazillen möglich sei.

Zur Absicherung der möglichen ur-sächlichen Bakterien sollte in weiteren Untersuchungen geklärt werden, ob diese Bazillen nur im Cholera-Darm oder auch bei anderen Erkrankten vorkommen würden. Die Untersuchungen ergaben, dass diese nur im Cholera-Darm nachzu-weisen waren, nicht jedoch bei anderen Erkrankungen, was als wichtiger Hinweis für die ursächliche Beziehung von Koch angegeben wird, selbst wenn der Tierver-such nicht gelingen sollte.

Cholera-Mortalität in Kalkutta von 1840 bis 1884. Die gestrichelte Linie markiert die Fertigstellung der Wasserleitung.

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Zur Absicherung der möglichen ursächlichen Bakterien sollte in weiteren Untersu-

chungen geklärt werden, ob diese Bazillen nur im Choleradarm oder auch bei ande-

ren Erkrankten vorkommen würden. Die Untersuchungen ergaben, dass diese nur im

Choleradarm nachzuweisen waren, nicht jedoch bei anderen Erkrankungen, was als

wichtiger Hinweis für die ursächliche Beziehung von Koch angegeben wird, selbst

wenn der Tierversuch nicht gelingen sollte.

Abb. 15: Photographie von Cholerabakterien aus einer 24 stündigen Bouillon-Kultur.

Fotografie von Cholera-Bakterien aus einer 24stündigen Bouillon-Kultur, Deckglaspräparat, mit Fuchsin gefärbt; 1000fache Vergrößerung.

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führlich die Art der Wasserversorgung und die hiermit assoziierte Epidemiologie der Cholera. In den Teilen Kalkuttas, wo filtriertes Leitungswasser verwendet wer-de, sei eine niedrige bzw. fehlende Chole-ra-Mortalität feststellbar. In den Teilen, insbesondere mit armer Bevölkerung, wo die Wasserversorgung aus Tanks erfolge, die gleichzeitig zum Waschen, Baden, zur Abwasserentsorgung und zur Fäkalie-nentsorgung und zur Trinkwasserversor-gung verwendet werde, sei die Cholera-Mortalität weiterhin hoch.

Die Zunahme der Cholera ab 1880 wurde von Koch und der Kommission damit erklärt, dass es offensichtlich zu einer deutlichen Zunahme des Wasserbedarfs gekommen sei, der über die zentrale Wasserversorgung nicht mehr gedeckt werden konnte.

In seinem Bericht vom 2. Februar 1884 an den Staatssekretär des Inneren, Herrn von Boetticher, erklärte Koch erstmalig, dass die Frage, ob die im Cholera-Darm gefundenen Bazillen ausschließlich der Cholera angehörenden Parasiten seien, nunmehr gelöst sei.

Er beschreibt die Bazillen als Komma-ähnliche halbkreisförmige Gestalten mit sehr lebhafter Eigenbewegung. Auf Gela-tine-Nährmedien zeigen sich diese als farblose Kolonien wie kleine Glasbrocken. Durch die allmähliche Verflüssigung der Gelatine sei eine gute Unterscheidung von anderen Bakterien eindeutig möglich. In 22 Cholera-Leichen, bei 17 Cholera-Kranken konnte Koch ausnahmslos diese kommaähnlichen Bazillen nachweisen, wohingegen in anderen Leichen und bei

und andauernd zu einem Rückgang der Zahl der Cholera-Todesfälle in der Stadt auf etwa ein Drittel der früheren Todeszahlen gekommen sei.

Die entsprechenden statistischen Dar-stellungen wurden der Kommission von Herrn MacNamara zur Verfügung gestellt, ein englischer Arzt, der lange Jahre in Indien in amtlicher Stellung gewesen war.

Die Kommission diskutierte ausführ-lich, ob nicht auch die Einführung der Abwasser-Kanalisation mit dem Rück-gang der Cholera-Todesfälle assoziiert sei. Da jedoch die Kanalisation deutlich früher als die zentrale Trinkwasserversorgung eingeführt worden war und es zu keinem Rückgang der Cholera gekommen war, kommt Koch zu dem Schluss, dass die Abnahme der Cholera-Todesfälle im We-sentlichen der Einführung der Trinkwas-serversorgung zuzuschreiben sei.

Er analysierte zusätzlich die Cholera-Mortalität im übrigen Westbengalen, wo sich keine Änderung der Cholera-Morta-lität zeigte und es im Gegenteil 1872 zu einer deutlichen Zunahme gekommen war. In Kalkutta dagegen war keine Zu-nahme der Cholera-Todesfälle zu ver-zeichnen. Hieraus schloss Koch, dass die Ursache für den Rückgang der Cholera in der Stadt selbst zu suchen sei.

Zusätzlich ging der Bericht auf die Beson-derheiten des Fort William ein, in welchem – ähnlich wie auch in den europäischen Vierteln von Kalkutta – eine nur geringe Cholera-Morbidität und -Mortalität festge-stellt wurden. Dies wird mit ausführlichen kartographischen Abbildungen belegt. Da-bei beschrieben Koch und Gaffky aus-

Hühnerei-schrotkorngroßen Steinen, ei-ner Schicht von gelbem Sand und einer weiteren Schicht von Fluss-Sand. Das von den Filterbassins gelieferte Wasser wurde zunächst in große bedeckte Sam-melbassins vereinigt und schließlich mit natürlichem Gefälle durch eiserne Röh-renleitungen zur Stadt geführt.

Schon 1869 waren sämtliche 360 Hauptstraßen und Gassen der Stadt mit der Rohrleitung versehen. Bis Ende 1870 waren 1164 Häuser an die Leitung ange-schlossen, 1877 waren es bereits 10.471 Häuser. Die Kommission führte selber mit der von Koch entwickelten Methode der Keimzahlbestimmung Wasserunter-suchungen durch. Im Hoogly-Wasser selber konnten 250.000 KBE/ml, im Ab-satzwasser 20.000 KBE/ml festgestellt werden und im Leitungswasser nur noch 50 KBE/ml festgestellt werden (KBE = Kolonie-bildende Einheiten). Damit ent-sprach die Wasserqualität von Kalkutta nach Feststellung Kochs der Wasserqua-lität des Berliner Leitungswassers. Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei dieser Untersuchung um die ers-te bakteriologische Wasseruntersuchung des Wassers von Kalkutta handelt.

Die Kommission besichtigte auch die Abwasserkanalisation und befasste sich mit den hygienischen Aspekten der Lei-chenverbrennung. Darüber hinaus wer-tete sie umfangreiches epidemiologisches Material über die Mortalität der Cholera und deren Ursachen aus.

Kalkutta galt zwar 1883 als endemisches Gebiet für Cholera. Es wurde jedoch die Frage erörtert, warum entsprechend der statistischen Auswertung der Cholera-Erkrankung offensichtlich die Cholera erst seit 1817 im endemischen Maße in Bengalen bekannt war.

Aufgrund der statistischen Erfassung der Cholera-Todesfälle konnte im zeitlichen Zusammenhang mit der Eröffnung der Wasserleitung ein rapider Rückgang der Cholera-Morbidität festgestellt werden. Koch diskutierte ausführlich die Validität der Ergebnisse, um keinem Fehlurteil zu unterliegen. Auch in späteren Ausführun-gen wies Koch darauf hin, dass es mit Ein-führung einer qualitativ hochwertigen Wasserversorgung (dokumentiert durch die bakteriologischen Untersuchungen der Kommission) mit dem Jahre 1870 plötzlich Cholera-Sterblichkeit in einzelnen Stadtteilen von Kalkutta 1883.

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William waren sowohl britische als auch einheimische Truppen zur damaligen Zeit stationiert. Bei diesen kam es bereits einige Jahre vor der Abnahme der Cholera in Kalkutta selbst zu einer plötzlichen und dauernden Abnahme der Cholera-Sterb-lichkeit. Die Besatzung des Forts bestand aus insgesamt 3300 Menschen.

Zur Wasserversorgung des Forts wur-de z. T. Trinkwasser aus den städtischen Wasserversorgungssystemen bezogen, welches als Trinkwasser und als Wasser zur Lebensmittelzubereitung verwendet wurde. Zusätzlich wurde filtriertes Teich-wasser verwendet, das jedoch nur für Wirtschaftszwecke wie Badewasser und Waschwasser, zum Tränken der Pferde und zum Sprengen der Wege benutzt wird. Das Wasser selber wurde von 2 bewachten Teichen (Tanks) entnommen,

funktionierendem Magen“ abgetötet wer-den. Diese Eigenschaften sowie das rasche Absterben bei Eintrocknen sei die Erklä-rung, warum bei unmittelbarem Verkehr mit Cholera-Erkrankten und mit deren Ausscheidungen es nur selten zu Infektio-nen komme. Wahrscheinlich sei keine Sporenform existent.

Abschließend berichtete er in seinem Schreiben an den Staatsekretär, dass wäh-rend der Zeit, in der keine experimentellen Arbeiten durchgeführt wurden, Ortsbege-hungen u. a. des Fort Williams und des Zentralgefängnisses in Alipore durchge-führt worden seien.

Der epidemiologischen Situation des Fort Williams und der hygienischen Situation wurde seitens der Cholera-Kommission große Aufmerksamkeit gewidmet. Im Fort

anderen Krankheitsprozessen diese Bazil-len nicht festgestellt werden konnten.Koch stellte in seinem Schreiben somit fest: „Aus diesen Resultaten ist nun weiter der Schluss zu ziehen, dass die kommaähnli-chen Bazillen ganz allein der Cholera eigen-tümlich sind“.

Hiermit handelt es sich um die erste amtliche Mitteilung aus der Feder Kochs, dass er den Erreger der Cholera definitiv gefunden habe. Somit muss die von ihm autorisierte Entdeckung der Cholera auf das Jahr 1884 und nicht – wie immer wieder zitiert – auf das Jahr 1883 datiert werden.

Er diskutierte andererseits sehr kri-tisch die Gründe, die für die Ursächlich-keit sprechen und die dagegen sprechen. Er kam jedoch zu der Schlussfolgerung, dass die Ursächlichkeit der von ihm nach-gewiesenen Vibrio cholerae durch weitere Fakten begründet sei.

So sei der Nachweis von Cholera-Vibri-onen auf das Krankheitsorgan Darm be-schränkt. Während des Krankheitsprozes-ses mit wässrigen geruchlosen Ausleerun-gen komme es zu einer deutlichen Zunah-me des Nachweises der Cholera-Vibrionen, die gleichzeitig einhergehen mit dem Ver-schwinden anderer Bakterien. Bei Besse-rung des klinischen Zustandes und Zunah-me fäkulenter Ausleerungen komme es hingegen wieder zu einem Verschwinden der Bakterien. Ein Tierversuch sei bislang nicht erfolgreich abgeschlossen, was mögli-cherweise darauf zurückzuführen sei, wie unempfindlich Tiere seien. Dies sei jedoch auch für ihn kein Gegenargument.

Es schlossen sich weitere Beobach-tungen zu Cholera-Bazillen an.

Hierzu zählt die starke Vermehrung der Bazillen in der Wäsche von Cholera-Kran-ken, wenn sie mit Dejektionen beschmutzt seien Er diskutierte dies als mögliche Ursa-che für das häufige Auftreten von Cholera-Infektionen bei Wäscherinnen.

Die Cholera-Vibrionen zeigten gleiche Eigenschaften auf Leinwandfließpapier und auf der Oberfläche feuchter Erde. Nach 24 Stunden sei auf Leinen eine dich-te Masse von Cholera-Bazillen festzustel-len. Nach Eintrocknen komme es jedoch zu einem raschen Absterben wie bei kaum einer anderen Bakterienart inner-halb von 3 Stunden.

Ein Wachstum sei nur in alkalischem Milieu möglich, hingegen sei bei freier Säu-re ein sofortiges Absterben feststellbar.

Aufgrund von Tierversuchen ging er davon aus, dass Cholera-Vibrionen „bei

Unterschiedliche mikroskopische Aufnahmen von Schleimflocken aus Cholera-Darm,dessen Inhalten und Bouillon-Kulturen von Cholera-Bakterien

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Auch diese epidemiologischen Zusammen-hänge sprachen für Koch dafür, dass eine Verbreitung der Cholera durch das Wasser im Fort ausgeschlossen war und dass seit Einführung der verbesserten Wasserversor-gung im Jahre 1865 die Krankheit nahezu verschwunden war und dies ursächlich mit der Verbesserung der Wasserversorgung zusammenhängen musste.

Die Kommission hatte sich weiterhin mit der Milchversorgung und der Möglich-keit der Vermehrung des Wachstums von Cholera-Vibrionen und dem Zusammen-hang von Reinigung der Milchkannen mit kontaminiertem Wasser und Auftre-ten der Cholera befasst. Sie konnte zei-gen, dass Milch ein ideales Nährmedium für Cholera-Vibrionen sein kann.

Weiterhin befasste sie sich mit der jahres-zeitlichen Verteilung der Cholera und konnte hierbei zeigen, dass das Maxi-mum der Cholera-Erkrankung im April lag und die Cholera-Morbidität und -Mortalität in den Monaten Juli bis Sep-tember ihren niedrigsten Stand während der Regenzeit hatte und ab Oktober wie-der im Zunehmen begriffen war.

Koch und Gaffky diskutierten die Zunahme der Cholera in Kalkutta wäh-rend der trockenen Monate (März, April) und ihre Abnahme während der Monate der Regenzeit (Juni, Juli, August) dahin-gehend, dass einerseits durch das Sinken des Wassers in den Tanks und das teilwei-se Austrocknen derselben den Anwoh-nern ein geringeres Quantum Wasser zur Verfügung stehe, welches begreiflicher-weise in viel höherem Maße durch den Schmutz der Badenden, durch Fäkalien usw. verunreinigt würde, als eine große Wassermenge und dass andererseits in der Regenzeit, wo der Boden des Ganges-Deltas nach und nach mit Wasser ganz gesättigt und die Tanks bis zum Überflie-ßen gefüllt werden, der Infektionsstoff fortgespült werde oder in dem Übermaß an Wasser zugrunde gehe.

Die relative Zunahme der Cholera in den späten 70iger Jahren nach ursprünglichem Rückgang der Cholera nach 1870 wurde trotz der zentralen Wasserversorgung dar-auf zurückgeführt, dass aufgrund der nicht mehr mengenmäßig ausreichenden Was-serversorgung insbesondere der ärmere Teil der Bevölkerung wieder auf die Wasserver-sorgung aus Tanks hatte übergehen müssen.

rung der neuen Wasserversorgung aus den Tanks und schließlich aus der städtischen Wasserversorgung kam es zu einem drasti-schen Rückgang der Cholera-Erkrankun-gen. Viele Jahre nach Verbesserung der Trinkwasserversorgungssituation konnte kein Todesfall an Cholera festgestellt werden.

zu denen Unbefugte keinen Zugang hat-ten und dessen Wasser gefiltert wurde.

Lange Jahre bestand im Fort ebenfalls eine hohe Cholera-Mortalität, die bis 1858 nicht selten bis zu 7 Prozent der englischen Trup-pen hinwegraffte. Nach 1865 mit Einfüh-

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Abb. 19: Detailplan des Fort William mit den beiden Wassertanks rechts oberhalb

des Forts

Zusätzlich wurde filtriertes Teichwasser verwendet, das jedoch nur für Wirtschafts-

zwecke wie Badewasser und Waschwasser, zum Tränken der Pferde und zum

Sprengen der Wege benutzt wird.

Das Wasser selber wurde von 2 bewachten Teichen (Tanks entnommen, zu denen

Unbefugte keinen Zugang hatten und dessen Wasser gefiltert wurde.

Detailplan des Fort William mit den beiden Wassertanks rechts oberhalb des Forts.

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Abb. 20: Darstellung der Tanks, dessen Wasser nach Filtration zur Versorgung des

Fort William verwendet wurde.

Lange Jahre bestand im Fort ebenfalls eine hohe Choleramortalität, die bis 1858

nicht selten bis zu 7 Prozent der englischen Truppen hinwegraffte. Nach 1865 mit

Einführung der neuen Wasserversorgung aus den Tanks und schließlich aus der

städtischen Wasserversorgung kam es zu einem drastischen Rückgang der Cholera-

erkrankungen. Viele Jahre nach Verbesserung der Trinkwasserversorgungssituation

konnte kein Todesfall an Cholera festgestellt werden.

Auch diese epidemiologischen Zusammenhänge sprachen für Koch dafür, dass eine

Verbreitung der Cholera durch das Wasser im Fort ausgeschlossen war und dass

seit Einführung der verbesserten Wasserversorgung im Jahre 1865 die Krankheit

Darstellung der Tanks, dessen Wasser nach Filtration zur Versorgung des Fort William verwendet wurde.

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am Ende der Epidemie geschöpft waren, erhielt nur noch eine, welche von einer besonders stark verunreinigten Stelle des Tanks her stammte, die Cholera-Bazillen; diese waren auch nur in sehr geringer Anzahl feststellbar.

Die Untersuchungen mit Nachweis der Cholera-Vibrionen im Wasser des Tanks wurden am 8. Februar (1. Besich-tigung) und am 11. Februar (2. Besichti-gung) durchgeführt.

Die letzte Untersuchung fand am 21. Februar statt, wobei in dieser nach nahe-zu vollständigem Erlöschen der Cholera-Epidemie nur noch 1 Kolonie von Vibrio cholerae nachgewiesen wurde.

Koch beschrieb die Entdeckung der Cholera-Vibrionen im Wasser des Tanks von Saheb-Bagan wie folgt: „In Kalkutta waren trotz sorgfältigster Untersuchungen des verschiedenartigsten bakterienreichen Materi-als, soweit es nicht von Cholera-Kranken oder Cholera-Leichen herrührte, niemals Organis-men gefunden worden, welche mit den Chole-ra-Bazillen hätten identifiziert werden kön-nen. Umso wichtiger war die Frage, ob es ge-lingen würde, sie in dem Wasser des Tanks A nachzuweisen, welche mit der allergrößten Wahrscheinlichkeit als Verbreiter des Infekti-onsstoffes unter den Anwohnern angesehen

ben 17 Personen an Cholera, während in einiger Entfernung vom Tank und dem dazugehörigen Teildistrikt die Cholera zur selben Zeit nicht auftrat.

Von der Kommission wurden über den Beginn und den Verlauf der Epidemie sorgfältige Untersuchungen angestellt, wobei sich herausstellte, dass in dem Tank, der wie üblich von den Anwohnern zum Baden, Waschen und Trinken be-nutzt wurde, auch die mit Cholera-Dejek-tionen beschmutzten Kleider des ersten tödlich verlaufenden Cholera-Falles ge-waschen worden waren.

Entscheidend war nun, dass seitens der Kommission eine Anzahl von Was-serproben von verschiedenen Stellen des Tanks und zu verschiedenen Zeiten ent-nommen wurde, mit Hilfe der Nährgela-tinekultur untersucht wurde und die Cholera-Bazillen in mehreren der ersten Wasserproben reichlich gefunden wur-den. Unter den späteren Proben, welche

In seinem letzten Schreiben vom 2. März 1884 aus Kalkutta berichtete Koch über auffallende epidemiologische Charakte-ristika und den erstmals geführte bakterio-logische Nachweis über die Ursächlichkeit von Wasser aus Tanks für lokal auftreten-de Cholera-Epidemien. Koch erwähnte in diesem Schreiben Berichte, wonach auch in endemischen Gebieten immer wieder abgegrenzte kleine Epidemien, haupt-sächlich in der Umgebung von sog. Tanks, auftraten. Hierbei handelte es sich um kleine, von Hütten umgebene Teiche und Sümpfe, die für die Anwohner sämtlichen Wasserbedarf lieferten, zum Baden, Wa-schen der Kleidungsstücke, Reinigung der Haushaltsgeräte sowie für die Entnahme von Trinkwasser. Zusätzlich ergossen sich Latrinen häufig in diese Tanks. Epidemio-logisch wurden von Ärzten immer wieder Cholera-Epidemien mit Trinkwasser in Zusammenhang gebracht. In Kalkutta selbst war es aufgrund der Anordnung der Stadtverwaltung, Tanks zuzuschütten, zu einer kontinuierlichen Abnahme der Was-sertanks gekommen. Allein in Kalkutta gab es bis zu 800 Tanks. Dennoch gingen diese Arbeiten nur schleppend voran und so schrieb der Health Officer Dr. Mc Leod in seinem Bericht für 1883/1884: „The work of filling up the tanks and wells has only, as a matter of fact, been commenced, and this must progress until the inhabitants of Calcutta are deprived of this means of committing sani-tary suicide“.

Wegen des Zusammenhangs zwischen Cholera und Wassertank hatte Koch die Bitte an den Sanitary Commissioner of the Government gerichtet, ihn zu unter-richten, wenn wieder das Auftreten eines lokalen Cholera-Ausbruches festgestellt werden würde.

Ein derartiger Fall trat in den Februar-wochen 1884 auf. Aus Saheb-Baghan in Belliaghatta, einer der Vorstädte von Kal-kutta, wurden während weniger Tage un-gewöhnlich viele Cholera-Fälle gemeldet. Die Erkrankungen beschränkten sich aus-schließlich auf die um einen Tank gelegene Region, die von einigen 100 Personen be-wohnt wurde. Von diesen Menschen star-

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nahezu verschwunden war und dies ursächlich mit der Verbesserung der Wasser-

versorgung zusammenhängen musste.

Die Kommission hatte sich weiterhin mit der Milchversorgung und der Möglichkeit

der Vermehrung des Wachstums von Cholera Vibrionen und dem Zusammenhang

von Reinigung der Milchkannen mit kontaminiertem Wasser und Auftreten der Cho-

lera befasst. Sie konnte zeigen, dass Milch ein ideales Nährmedium für Choleravib-

rionen sein kann.

Weiterhin befasste sie sich mit der jahreszeitlichen Verteilung der Cholera und

konnte hierbei zeigen, dass das Maximum der Choleraerkrankung im April lagund die

Choleramorbidität und Mortalität in den Monaten Juli – September ihren niedrigsten

Stand während der Regenzeit hatte und ab Oktober wieder im Zunehmen begriffen

war.

Tab. 2: Monatliche Choleramortalität in Kalkutta während eines Zeitraumes von 26

Jahren.

Koch und Gaffky diskutierten die Zunahme der Cholera in Kalkutta während der

trockenen Monate (März, April) und ihre Abnahme während der Monate der Regen-

zeit (Juni, Juli, August) dahingehend, dass einerseits durch das Sinken des Wassers

in den Tanks und das teilweise Austrocknen derselben den Anwohnern ein geringe-

res Quantum Wasser zur Verfügung stehe, welches begreiflicherweise in viel höhe-

rem Maße durch den Schmutz der Badenden, durch Fäkalien usw. verunreinigt wür-

de, als eine große Wassermenge und dass andererseits in der Regenzeit, wo der

Boden des Ganges-Deltas nach und nach mit Wasser ganz gesättigt und die Tanks

bis zum Überfließen gefüllt werden, der Infektionsstoff fortgespült werde oder in dem

Übermaß an Wasser zugrunde gehe.

Monatliche Cholera-Mortalität in Kalkutta während eines Zeitraums von 26 Jahren.

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Die letzte Untersuchung fand am 21. Februar statt, wobei in dieser nach nahezu

vollständigem Erlöschen der Cholera-Epidemie nur noch 1 Kolonie von Vibrio chole-

rae nachgewiesen wurde.

Abb. 21: Darstellung des Tanks von Saheb-Bagan

Koch beschrieb die Entdeckung der Cholera-Vibrionen im Wasser des Tanks von

Saheb-Bagan wie folgt:

„In Kalkutta waren trotz sorgfältigster Untersuchungen des verschiedenartigsten

bakterienreichen Materials, soweit es nicht von Cholerakranken oder Choleraleichen

herrührte, niemals Organismen gefunden worden, welche mit den Cholerabazillen

hätten identifiziert werden können. Umso wichtiger war die Frage, ob es gelingen

würde, sie in dem Wasser des Tanks A nachzuweisen, welche mit der allergrößten

Wahrscheinlichkeit als Verbreiter des Infektionsstoffes unter den Anwohnern ange-

sehen werden musste.

Darstellung des Tanks von Saheb-Bagan.

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gel des Tierexperimentes in diesem Falle er-setzt, und ist eine weitere Bestätigung für die Richtigkeit der Annahme, dass die spezifi-schen Cholera-Bazillen in der Tat die Krank-heitsursache bilden. Seit dem letzten Bericht wurden insgesamt 43 Cholera-Leichen und 28 Cholera-Kranke untersucht, die alle über-einstimmende Ergebnisse brachten.“

Weiterhin wurden eingehende Untersu-chungen über den Einfluss verschiede-ner Substanzen wie Sublimat, Karbol-säure und anderer desinfizierender Stoffe auf die Entwicklung der Cholera-Bazillen in der Nährflüssigkeit durchge-führt. Hierbei kamen die Untersuchun-gen zur Desinfektion Koch experimen-tell sehr zugute. Auf der Grundlage sei-ner Untersuchungen von 1881 und nachfolgenden Untersuchungen beant-wortet Koch auf der zweiten Konferenz zur Erörterung der Cholera-Frage die Frage nach dem Wert von Desinfektions-verfahren wie das Sublimat- und der Karbolsäure folgendermaßen: „Ich hatte bei der vorherigen Konferenz von der Desin-fektion überhaupt nicht gesprochen; es war von einer Entwicklungshemmung der Bakte-rien die Rede. Dieselbe ist aber von der eigent-lichen Desinfektion, welche in einer Abtötung der Mikroorganismen besteht, wohl zu unter-scheiden. In Bezug auf Entwicklungshem-mung hatten schon meine damals mitgeteilten Versuche ergeben, dass das Sublimat ebenso wie für alle übrigen Bakterien auch für die Cholera-Bazillen der Karbolsäure weit über-legen ist. Dasselbe gilt nach weiteren Versu-chen aber auch in Bezug auf die Desinfektion. Schon außerordentlich geringe Mengen von Sublimat sind imstande, die Cholera-Bazillen zu töten. Trotzdem würde ich nicht dafür sein, das Sublimat für die Desinfektion im Großen anzuwenden. Dazu ist es doch ein zu gefähr-liches Mittel und ich würde es nur in Ausnah-mefällen gebrauchen lassen, wo das Desinfek-tionsmittel und dessen Verwendung durch Sachverständige überwacht werden kann.

Ich sehe aber auch nicht etwa die Karbol-säure als ausschließliches Desinfektionsmittel für Cholera an. Sie hat sich nur bei den Ver-suchen, die hier gemacht sind, entschieden als eines der kräftigsten von denjenigen Desinfek-tionsmitteln herausgestellt, deren praktische Verwendung nicht entgegensteht. Die Karbol-säure kann man zu jeder Zeit in großen Quantitäten und mit geringen Kosten be-schaffen. Sie ist ferner leicht transportabel und geht nicht wie die Metallsalze eine un-wirksame Verbindung mit organischen Sub-

Somit war auch die ursächliche Rolle von Tanks und des dort befindlichen Wassers nicht nur durch epidemiologische Me-thoden (wie bereits von John Snow auf-grund seiner epidemiologischen Untersu-chungen), sondern durch die Kombinati-on von Epidemiologie, Geomedizin und hygienisch-mikrobiologischen Untersu-chungen bei Erkrankten und im Wasser bewiesen worden. Dies ist die entschei-dende Ergänzung zu der von John Snow 1854 aufgrund seiner epidemiologischen Untersuchungen postulierten These, dass die in London aufgetretenen Cholera-Fälle mit der Wasserpumpe an der Broad Street assoziiert seien.

Die Kommission stellte jedoch fest, dass es auch unter anderen deutlich günstige-ren Verhältnissen zu einer Übertragung von Cholera kommen könne. Hierzu äußerte sich die Kommission „Auch unter Verhältnissen, wie sie noch heute in der bei weitem überwiegenden Zahl der europäi-schen Städte bestehen, können Cholera-De-jektionen und das zum Reinigen von Cholera-Wäsche benutzte Wasser leicht in Brunnen, öffentliche Wasserläufe oder sonstige Entnah-mestellen für Trink- und Gebrauchswasser geraten. Von da finden die Kommabazillen vielfach Gelegenheit, in den menschlichen Haushalt zurück zu gelangen, entweder mit dem Trinkwasser oder mit dem Wasser, wel-ches zum Verdünnen der Milch, zum Kochen der Speisen, zum Abspülen der Gerätschaften, zum Reinigen von Gemüse und Früchten, zum Waschen, Baden usw. dienen.“

Die Kommission stellte weiterhin in ihrem Bericht fest: „Wenn man berücksich-tigt, dass bis dahin vergeblich in zahlreichen Proben von Tankwasser, Abwässern, Fluss-wasser und sonstigen Verunreinigungen ausgesetztem Wasser nach den Cholera-Bazil-len gesucht wurde, und dass sie zum ersten Male mit allen ihren charakteristischen Ei-genschaften in einem von einer Cholera-Epi-demie umschlossenen Tank gefunden sind, dann muss dieses Resultat als ein höchst wich-tiges angesehen werden. Es steht fest, dass das Wasser im Tank infiziert wurde, durch Cho-lera-Wäsche, welches nach den früheren Be-obachtungen die Cholera-Bazillen besonders reichlich sich zu enthalten pflegte; ferner wird konstatiert, dass die Anwohner des Tanks dieses infizierte Wasser zu häuslichen Zwe-cken und namentlich zum Trinken benutzt haben. Es handelt sich hier also gewisserma-ßen um ein durch den Zufall herbeigeführtes Experiment am Menschen, welches den Man-

werden musste. Gelegentlich der ersten Besich-tigung am 8. Februar waren im ganzen 6 Wasserproben entnommen, davon 4 aus dem Tank A (bei a, b, c und d. der Skizze), je eine aus dem Tank B (bei f) und aus dem in der Nähe desselben verlaufenden Graben (bei e). Wie die Untersuchung dieser Proben mit Hilfe des Gelatine-Platten-Strich Verfahrens ergab, waren sie sämtlich ganz außerordentlich reich an den verschiedensten entwicklungsfähigen Mikroorganismen. Cholera-Bazillen konnten in den Proben e und f (Tank B und Graben) trotz sorgfältigster Nachforschung nicht gefun-den werden, das gleiche ergaben die aus dem Tank entnommenen Proben a und d nach diesen Richtungen ein negatives Resultat; da-gegen kam auf denjenigen Gelatineplatten, welche mit den Wasserproben b und c aus dem Tank A bereitet waren, neben vielen anderen Kolonien eine ziemlich große Anzahl von sol-chen zur Entwicklung, welche von Kolonien der Cholera-Bazillen in keiner Weise zu unter-scheiden waren. Die in denselben enthaltenen Organismen wurden aufs eingehendste so-wohl durch mikroskopische Untersuchungen wie durch mannigfache Züchtung geprüft; sie glichen in allen ihren Eigenschaften den aus Cholera-Dejektionen und Cholera-Darmin-halt gewonnenen Bazillen.

Bei der am 11. Februar aufgeführten zweiten Besichtigung wurden im ganzen 7 Wasserproben entnommen, darunter aus dem Tank A bei a, b, c, d, g und h. Von diesen Proben, welche in der gleichen Weise wie die am 8. Februar entnommenen, untersucht wurden, enthielten entwicklungsfähige Cho-lera-Bazillen die Proben b, d und h; die Zahl der Kolonien war indes eine weit geringere als bei der ersten Untersuchung. Die aus dem Tank C entnommene Probe i war sehr reich an den verschiedensten Organismen. Chole-ra-Bazillen enthielt sie aber nicht; das gleiche ist über die aus dem Tank A entnommene Probe g zu berichten, obgleich an der bezüg-lichen Entnahme Stelle nicht allzu lange vorher die Wäsche jenes von der Kommission vorgefundenen Cholera-Kranken gewaschen worden war.“

Somit war es im Februar 1884 zum ersten Mal gelungen, die Cholera-Bazillen auch außerhalb des menschlichen Körpers und seiner unmittelbaren Abgänge auf-zufinden und zwar unter Verhältnissen, welche die Überzeugung ihrer ätiologi-schen Bedeutung zu bekräftigen durch-aus geeignet waren, wobei es sich um den ersten Nachweis von Krankheitserregern im Trinkwasser handelte.

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way die Fahrt nach Darjeeling an. Die Kommission verbrachte in Darjeeling 9 Tage und erhielt schließlich die Geneh-migung zur Rückkehr nach Deutschland.

Am 14. März trat die Kommission die Rückreise nach Kalkutta an und verließ am 17. März Kalkutta.

Die Kommission beschloss jedoch, sich über andere Städte Indiens ein eigenes Bild zu machen und auf der Fahrt nach Bombay die Eisenbahn zu benutzen. Begleitet wurde die Kommission von Dr. Cunningham, der in den Cholera-Verhältnissen des Landes sich bestens auskannte.

Vom 17. bis 19. März hielt sich die Kommission in Benares auf.

Am 20. März traf sie in Agra ein. Am 23. März begab sich die Kommission nach Delhi und traf am 1. April in Bombay ein. Hier befasste sie sich intensiv mit der Cholera-Situation in Bombay selbst. Am 4. April 1884 trat die Kommission schließlich die Heimreise von Bombay nach Berlin an.

Am 2. Mai 1884, nach mehr als 8 Monaten Aufenthalt in Ägypten und In-dien, traf die Kommission wohlbehalten wieder in Berlin ein.

Während dieser Expedition konnten alle grundlegenden Fragen der Cholera einschließlich der klinischen, pathologi-schen, bakteriologischen und epidemio-logischen Fragen geklärt werden, die auch für die Prävention und Kontrolle bestimmend waren.

Dennoch war es keineswegs so, dass die von der Kommission ermittelten Ergebnisse allseits akzeptiert wurden und es brauchte noch mehr als ein Jahrzehnt, bis die Chole-ra-Ätiologie in Deutschland als allgemein akzeptiert angesehen wurde und die not-wendigen seuchenhygienischen Maßnah-men konsequent umgesetzt wurden.

Die Arbeiten zur Prävention und Kontrolle der Cholera nach der Expedition 1883/84

3.1 Die Erste Konferenz zur Erörterung der Cholera-Frage in Berlin

Am 26. Juli 1884 fand in Berlin unter Be-teiligung von Robert Koch und Rudolf Virchow am kaiserlichen Gesundheitsamt die erste Konferenz zur Erörterung der

fehlendem Auftreten bei anderen Erkran-kungen identifiziert worden war,

– dass Wasser die herausragende Bedeu-tung für die Cholera-Übertragung hat und es nach Einführung der Wasserversor-gung mit filtriertem Wasser zu einer dras-tischen Abnahme der Cholera-Morbidität und -Mortalität gekommen ist.

Zusätzlich wurden eine Reihe von wichti-gen ökologischen Aspekten und Untersu-chungen zur Desinfektion von Cholera-Vibrionen während des Aufenthaltes, ins-besondere in Kalkutta festgestellt. Damit waren die Voraussetzungen geschaffen, um sukzessive Maßregeln zur Prävention und Kontrolle der Cholera zu entwickeln.

Zusätzlich wurden Hinweise dafür gesammelt, dass es zur Ausbildung einer gewissen Immunität gegen Cholera bei häufig Exponierten kommen würde.

Die Untersuchungen in Kalkutta mussten dann jedoch abgebrochen wer-den, da durch die immer größer werden-de Hitze eine Fortführung der Arbeiten nicht mehr möglich war.

Bis gegen Mitte des Februars waren die Temperaturverhältnisse in Kalkutta sehr günstig gewesen. Schon in der zweiten Hälfte des Februars – ungewöhnlich früh für Kalkutta – begann es jedoch so heiß zu werden, dass die Laboratoriumsarbeit, zumal es auch infolge der Verflüssigung zu der für die Bakterienkulturen benutzten Nährgelatine immer schwieriger wurde, und gegen Anfang März erreichte die Hit-ze so hohe Temperaturen, dass an einer Fortsetzung der Laboratoriumsarbeiten nicht mehr zu denken war.

Die Kommission hatte jedoch bereits die wesentlichen ihr gestellten Aufgaben ge-löst und die Kommissionsmitglieder be-durften einer dringenden Erholung. So beschloss man, die nördlich von Kalkutta am Südhange des Himalaya gelegene Bergstation Darjeeling aufzusuchen und die weitere Entscheidung über eine Fort-setzung der Laboratoriumsarbeiten in Darjeeling seitens des Staatsministers von Boetticher abzuwarten.

An eine Fortsetzung experimenteller Arbeiten in Deutschland war nicht zu denken, da die Sorge bestand, hierdurch die Cholera wieder erneut nach Deutsch-land einzuschleppen. Anfang März 1884 wurde das Laboratorium „Medical Col-lege“ aufgelöst. Am 4. März 1884 trat die Kommission auf der North Bengal Rail-

stanzen ein. Nur mit Rücksicht auf diese Ei-genschaften sowie auf die langjährige und ausgedehnte Erfahrung, welche hier über ihre desinfizierende Eigenschaft bereits besit-zen, gebe ich der Karbolsäure den Vorzug.“

Koch hatte für seine Expedition nach Ägyp-ten und nach Indien sowohl Karbolsäure, Sublimat als Karbolöl mit in seinem Ver-zeichnis der Ausrüstungsgegenstände mit aufgeführt. Es kann davon ausgegangen werden, dass trotz der intensiven Expositi-on gegenüber Cholera-Vibrionen wie ins-besondere bei der Präparation der Leichen durch gewissenhaften Umgang und konti-nuierliche Desinfektion von Händen und Gegenständen es nicht zu einer Übertra-gung der Cholera auf die Mitglieder der Expedition kam. Dies steht im Gegensatz zu dem bereits erwähnten tragischen Todesfall des französischen jungen Wissenschaftlers Thuillier, der an den Folgen der Cholera, die er sich bei der Expedition in Ägypten zuge-zogen hatte, im September 1883 in Alexan-dria verstorben war.

Untersuchungen zur Auffindung von Dauerformen der Cholera-Bazillen wur-den durchgeführt, ohne dass eine Dauer-form jedoch hätte nachgewiesen werden können.

Die einzige Möglichkeit, die Cholera-Bazillen längere Zeit lebensfähig zu halten, bestehe nach Angaben des Berichtes darin, dass man sie vor dem Eintrocknen bewah-re. In Flüssigkeiten blieben Cholera-Vibrio-nen nach Aussage und Feststellung der Kommission wochenlang entwicklungsfä-hig und es könne davon ausgegangen wer-den, dass sie nur in feuchtem Zustand ver-schleppt und in den menschlichen Körper wirksam einverleibt werden können.

Weitere Untersuchungen konnten da-nach nicht mehr durchgeführt werden, da die heiße Witterung eine weitere Untersu-chung u. a. wegen der Verflüssigung von Nährmedien unmöglich machte.

Zusätzlich wurden die Verhältnisse in Hospitälern und in Gefängnissen beschrie-ben, und die Maßnahmen zur Kranken-haushygiene und zur Behandlung, wie sie angetroffen wurden, dargestellt.

Mit Abschluss der Tätigkeit der Chole-ra-Kommission in Ägypten und Indien konnte somit festgestellt werden, dass– der Erreger der Cholera aufgrund der

mikrobiologischen Untersuchungen un-ter Berücksichtigung der Klinik und pa-thologischer Untersuchungen und dem

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men der Seuche Einhalt geboten worden wäre), über die Überwachung des Eisen-bahnverkehrs und die Überwachung von Kranken während des Eisenbahnver-kehrs, über die Sanierung von Häusern und Wohnungen von Cholera-Kranken, über die Desinfektion mit Sublimat-Lö-sung, die anderen Desinfektionsmittel wie z. B. Karbolsäure weit überlegen sei. (Den-noch sollte Sublimat wegen seiner toxi-schen Eigenschaften nur von Fachperso-nal angewendet werden.).

Koch führte im Einzelnen zu den Maßnahmen aus: „Um den Infektionsstoff unschädlich zu machen, sind also die Auslee-rungen sofort mit geeigneten Desinfektions-mitteln zu mischen. Nach meinem Dafürhal-ten ist hierzu die Karbollösung am geeignets-ten und zwar wird eine 5%ige Lösung, wenn zu gleichen Teilen mit den Dejektionen und dem Erbrochenen gemischt wird, zur Ver-nichtung der Cholera-Bakterien vollkommen ausreichend sein.

Wenn es möglich wäre, alle Abgänge des Cholera-Kranken in Gefäßen aufzufangen und sofort mit Desinfektionsmitteln zu behan-deln, dann würde die Vernichtung des Infek-tionsstoffes einfach und sicher sein und dann hätte man bereits früher bessere Erfolge mit der Desinfektion erzielen müssen als geschehen ist. Aber ein jeder, der selbst mit Cholera-Kranken zu tun gehabt hat, weiß, dass oft nur ein Teil der Abgänge wirklich in die dazu be-stimmten Gefäße gelangt, dass das übrige auf den Boden, in das Bett, auf die Bekleidung und Hände des Kranken und des Pflegepersonals gerät. Es muss daher auch alles, was nur ir-gendwie mit den Cholera-Abgängen in Berüh-rung gekommen ist, oder nur gekommen sein kann, ebenfalls desinfiziert werden.

Bekleidungsstücke, welche nicht mit flüs-sigen Desinfektionsmitteln behandelt werden können, ferner Federbetten, Matratzen usw. sind in besonderen Desinfektionsapparaten mit durchströmendem Wasserdampf bei 100° C Temperaturen zu desinfizieren.

Solche Gegenstände, welche weder mit Desinfektionsflüssigkeiten noch mit heißen Dämpfen zu desinfizieren sind, z. B. größere Möbel, Wagen, welche zum Transport von Cholera-Kranken gedient haben und derglei-chen würde ich längere Zeit außer Gebrauch setzen und an einen Ort bringen lassen, wo sie einem austrocknenden Luftzuge ausgesetzt sind, indem ich damit rechne, dass der Infekti-onsstoff in getrocknetem Zustand bald abstirbt.

Die Austrocknung, evtl. durch Heizen unterstützt, scheint mir auch für die Desinfek-tion der Krankenräume das geeignetste Ver-

– Die Darlegung und Diskussion der neu-en seit der letzten Sitzung gewonnenen Erfahrungen über die Cholera-Bakteri-en mit besonderer Berücksichtigung ihrer Dauerfähigkeit;

– Die Verbreitung der Cholera durch den menschlichen Verkehr, insbesondere durch Schiffverkehr;

– Praktische Konsequenzen in Bezug auf gegen die Cholera zu ergreifenden Maß-regeln.

Neben einer zeitraubenden Diskussion zwi-schen Pettenkofer und Koch über die Frage der Cholera-Ätiologie hatte diese Konfe-renz insbesondere im Hinblick auf die zu ergreifenden Maßnahmen und Maßregeln erhebliche Bedeutung.

Wie auch in der vorherigen Sitzung wurden die Ausführungen maßgeblich von Koch geprägt.

Koch führte bezüglich der Maßnah-men zur Kontrolle der Cholera aus, dass – der Infektionsstoff vom Menschen sel-

ber stamme, im Menschen produziert werde und in dessen Ausleerung ent-halten sei;

– es notwendig sei, die Ausleerung sofort mit geeigneten Desinfektionsmitteln zu mischen, um den Infektionsstoff un-schädlich zu machen.

Man ging auf die Maßnahmen der Desin-fektion von Fäkalien, von Wäsche, Klei-dungsstücken, von Räumen und Latrinen ein. Behandelt wurden auch Maßnahmen bei Massenversammlungen und Massen-transporten, Aufklärung der Öffentlichkeit und Kommunikation über notwendige Verhaltensregeln.

So sei es erforderlich, die Bevölkerung in allgemeinverständlicher Weise über eine vernünftige Diät zu belehren sowie über die Vermeidung des unnötigen Kon-takts mit Cholera-Kranken und Cholera-Orten, über das Verhalten bei der Pflege der Cholera-Erkrankten, über Reinhal-tung und Desinfektion der Hände, über Behandlung beschmutzter Kleidung und Wäsche, über die Gefahren, welche in Cholera-Zeiten mit der Versendung und dem Waschen von kranken Menschen verbunden seien, über Vorsichtsmaßnah-men in Bezug auf Trinkwasser und Spei-sen, über die Behandlung der Cholera-Leichen, über die ausreichende Medikati-on und ärztliche Hilfe (obwohl Koch dar-auf hinwies, dass in der Vergangenheit noch nie durch therapeutische Maßnah-

Cholera-Frage statt. Auf dieser Konferenz stellte Koch nochmals seine bisherigen For-schungen im Detail dar. Er ging auf den Einfluss entwicklungshemmender Subs-tanzen auf das Wachstum der Bazillen ein. Er erörterte die Frage der Probleme bei Tierversuchen, der Übertragung der Chole-ra durch Wäsche, die hohe Bedeutung der Wasserübertragung, den fehlenden Nach-weis von „Kommabazillen“ in den übrigen Körperbereichen. Er ging auf die Bedeu-tung der Temperatur für das Wachstum von Cholera-Vibrionen ein und auf die rasche Abtötung von Cholera-Vibrionen durch Austrocknen. Schließlich betonte er die Bedeutung einer frühzeitigen Diagnose.

Im Anschluss an den Vortrag sprach Virchow ihm im Namen aller Anwesen-den seinen Dank aus. Der große Patholo-ge, der in früheren Jahren so skeptisch gegenüber den Untersuchungsergebnis-sen von Koch aufgetreten war, sagte: „Wir waren ja einigermaßen durch die einge-henden und lichtvollen Berichte, die er wäh-rend der Reise geschickt hatte, in der Lage, den Weg seiner Untersuchungen zu verfolgen, indes ich kann wenigstens von mir, und ich denke, dass wird auch ihnen so ergangen sein, sagen, dass die detaillierte und ausführliche Darlegung, wie wir sie heute gehört haben, ganz wesentlich gewesen ist, um unser Urteil bilden zu können. Ich erkläre ausdrücklich für mich, dass ich es von Anfang an für höchst wahrscheinlich gehalten habe, dass der Bazil-lus in der Tat das „ens morbi“ sei, indes nachdem, was ich heute hörte, haben meine Vorstellungen doch ein ganzes Stück an Si-cherheit mehr gewonnen.“

1884, im gleichen Jahr der Rückkehr aus Indien und nach der ersten Konferenz zur Erörterung der Cholera-Frage veröf-fentlichte Koch in der Deutschen Medizini-schen Wochenschrift Nr. 45 sein Grund-satzpapier „Über die Cholera-Bakterien“.

3.2 Die Zweite Konferenz zur Erörterung der Cholera-Frage in Berlin

Vom 4. bis 8. Mai 1885 fand die zweite Konferenz zur Erörterung der Cholera-Frage statt. Als Teilnehmer sind neben verschiedenen, bereits bei der ersten Kon-ferenz teilnehmenden Persönlichkeiten nunmehr Max von Pettenkofer zu nennen, der der Cholera-Ätiologie von Koch außer-ordentlich kritisch gegenüberstand.

Als Erörterungspunkte wurde folgen-des Programm aufgestellt

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überlassen, ferner die Versorgung der Kran-ken mit Leibwäsche, Betten usw., die Bereit-stellung von Cholera-Lazaretten in kleineren Orten, welche selbst nicht im Stande sind, sich ein Notlazarett zu beschaffen. Von großer Be-deutung für die Vorbeugung und als Kontroll-maßnahme bei Cholera-Ausbrüchen wird die Desinfektion angesehen.

Zum Abschluss der zweiten Cholera-Konferenz schließt Max von Pettenkofer mit folgender Bemerkung:„Kollege Günther und ich fühlen uns beide verpflichtet, den wärmsten Dank für die Auf-nahme auszusprechen, die wir hier in ihrem Kreis gefunden haben. Wenn wir in manchen Beziehungen auch andere Ansichten haben, so verfolgen wir doch dasselbe Ziel wie Sie. Man kommt nicht nur dadurch zusammen, dass man miteinander geht, sondern auch da-durch, dass man gegeneinander geht; man muss sich oft förmlich, wie man sagt „zusam-menraufen“, und es sind daraus oft schon ganz gute Freunde entstanden. Ich bitte also meine Ausführungen, die vielleicht manchmal in einer etwas scharfen Weise geschehen sind, keine persönlichen Motive beizumessen. Ich lebe jetzt so lange in diesen Cholera-Ideen, ich bin wirklich damit alt geworden, dass mich gewisse Gedanken absolut beherrschen. Ich kann nicht anders denken und stütze mich immer auf meine gemachten Erfahrungen und auf Tatsachen. Ich bitte also, in dem Fall, dass ich irgend jemand namentlich Herrn Geheimrat Koch etwas schärfer erwidert habe, es nur aus fachlichem Eifer zu erklären“.

Die Cholera-Epidemien in Deutschland 1892/931892 kommt es zu der dramatischen Cholera-Epidemie in Hamburg, in deren Verlauf 16.850 Menschen erkrankten und 8.576 Cholera-Todesfälle auftraten. Weitere Cholera-Epidemien ereigneten sich in Altona und Wandsbeck.

Diese 3 Städte, welche unmittelbar aneinander grenzen und eigentlich nur eine einzige Stadt bilden, unterschieden sich in ihren sonstigen Verhältnissen nicht wesentlich, wurden aber eine jede für sich und zwar in verschiedener Weise mit Wasser versorgt. Wandsbek erhielt filtrier-tes Wasser aus einem Landsee, der kaum der Verunreinigung mit Fäkalien ausge-setzt war. Hamburg bezog sein Wasser in unfiltriertem Zustand aus der Elbe ober-

in kürzester Zeit die Diagnose der Cholera gestellt werden kann.

Wenn nur erst ein vereinzelter oder weni-ge Fälle von Cholera vorliegen, also im Beginn einer Epidemie, dann wird es notwendig sein, dass man den Kranken isoliert, ihn entweder in ein besonderes Lazarett schafft und seine bisherige Umgebung der sorgfältigsten Beob-achtung unterwirft, oder wo es angängig ist, den Cholera-Kranken in seiner Behausung lässt, die Mitbewohner des Hauses evakuiert. Eine besondere Berücksichtigung verdienen in Cholera-Zeiten alle Massenversammlungen und Massentransporte. Erstere sollten soviel als möglich vermieden werden, letztere erfor-dern sowohl auf Schiffen als auch auf Eisen-bahnen eine sorgfältige Überwachung.

Als eine notwendige Ergänzung gegen die Cholera im Allgemeinen zu ergreifenden Maß-regeln muss schließlich noch eine möglichst weitgehende und für alle Schichten der Bevöl-kerung berechnete Belehrung dienen. Denn, wenn auch die Sanitätsbehörden alles tun, was in ihren Kräften steht, so würden doch viele Versuchsmaßregeln, welcher der einzelne zu seinem Schutze anwenden soll, unbeachtet bleiben, sofern er nicht ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht wird. Es ist deswegen erforderlich, das Volk in allgemein verständli-cher Weise zu belehren, über eine vernünftige Diät, über die Vermeidung alles unnötigen Verkehrs mit Cholera-Kranken und Cholera-Orten, über das Verhalten bei der Pflege der Cholera-Kranken, über Reinhaltung und Desinfektion der Hände, über Behandlung beschmutzter Kleidung und Wäsche, über die Gefahren, welche überhaupt in Cholera-Zei-ten mit der Versendung und dem Waschen kranker Menschen verbunden sind, über Vor-sichtsmaßregeln in Bezug auf Trinkwasser und Speisen, über die Behandlung von Chole-ra-Leichen und manchen anderen Dingen, welche der Sorge des einzelnen überlassen bleiben müssen oder bei denen die Sanitätsbe-hörden der Mithilfe des Publikums bedürfen.

Es bedarf wohl kaum der Erwähnung, dass in Cholera-Zeiten für ausreichende Medi-kamente und ärztliche Hilfe zu sorgen ist. Aber gerade in dieser Beziehung hat man es in frü-heren Epidemien nicht fehlen lassen. Meistens hat man dies als die Hauptsache angesehen aber leider noch nie durch therapeutische Maßnahmen der Seuche Einhalt getan oder die Mortalitätsprozente herabgesetzt.

Nicht unwichtig erscheint es mir, die Bei-hilfe der Privat-Wohltätigkeit in Anspruch zu nehmen, und derselben die Beschaffung einer kräftigen und gut gekochten Nahrung für die ärmeren Volksklassen in Volksküchen zu

fahren zu sein. Das Desinfizieren mit gasför-migen Mitteln, vor allem das Ausschwefeln der Krankenräume, welches früher eine so große Rolle gespielt hat, ist, wie alle neueren Versu-che, ebenso die Wirkung der gasförmigen Desinfektionsmittel auf Infektionsstoffe gezeigt haben, unsicher, meistens sogar unnütz.

Das Wartepersonal und die um den Kran-ken beschäftigten Angehörigen müsse ange-halten werden, sich so oft als möglich die Hände zu waschen, mit den Händen nicht den Mund zu berühren, jedes Mal, wenn die Hän-de mit Cholera-Abgängen beschmutzt wur-den, ebenso Speisen berührt werden, die Hände mit Karbolsäure oder Sublimat-Lö-sung zu desinfizieren.

Überhaupt sollte nicht geduldet werden, dass in denselben Räumen, in welchen sich Cholera-Kranke befinden, gegessen wird, was in den Wohnungen der Armen leider nur zu oft geschieht.

Um das Eindringen des trotz aller Vor-sicht verschleppten Infektionsstoffes in die Verdauungswege, von wo allein eine Infekti-on möglich ist, zu verhindern, muss dafür gesorgt werden, dass alle Nahrungsmittel vorzugsweise das Wasser eine Verunreini-gung durch den Infektionsschutz bewahrt werden. Letzteres erreicht man durch gute Wasserleitungen, für deren immensen Nutzen ich Ihnen hinreichende Beispiele mitgeteilt habe. In Bezug auf die eigentlichen Nah-rungsmittel empfiehlt es sich, die Bezugsquel-len, die Märkte, die Verkaufsstellen zu über-wachen; namentlich möchte ich auf den Milchhandel aufmerksam machen. Sobald Wasser und Nahrungsmittel nicht aus ganz zuverlässigen Bezugsquellen stammen, müs-sen dieselben gründlich und wiederholt ge-kocht werden, ehe man sie zum Genusse zu-lässt. Beiläufig will ich hier nur bemerken, dass auch für die englischen Truppen in Indi-en das Abkochen des Wassers unter den Maß-regeln gegen die Cholera aufgezählt ist….

Dies beweist, dass es von der aller größten Wichtigkeit ist, die ersten Cholera-Fälle rich-tig zu erkennen. Glücklicherweise sind wir jetzt in der Lage, dass mit Hilfe des Nachwei-ses der Cholera-Bazillen zu können. Ich lege deshalb den größten Wert darauf, dass es auch geschieht. Wenn man die ersten Fälle richtig diagnostiziert und mit aller Umsicht und Energie die erforderlichen Maßregeln ergreift, dann wird es gewiss in den meisten Fällen gelingen, die Seuche bereits im Keime zu er-sticken. Um dies zu ermöglichen, müssen aber alle Ärzte oder doch wenigstens eine hinrei-chende Zahl von Ärzten die Nachweise der Cholera-Bazillen soweit lernen, dass überall

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bezüglich der Infektionsstoffe in voller Über-einstimmung, sie enthält keine Widersprüche und nichts Gezwungenes oder Gekünzeltes…

Die Hamburg-Altona-Cholera hat uns also den unwiderleglichen Beweis dafür gelie-fert, dass die Filtration des Wassers durch Sand, und zwar in der Weise, wie sie in Altona geschieht, einen für die Praxis ausreichenden Schutz von Cholera-Infektionen gibt. Ich beto-ne ausdrücklich, dass wenn die Filtration schützen soll, sie so wie in Altona gehandhabt werden muss. Ich kenne eine ziemlich große Anzahl von Wasserwerken mit Filteranlagen aus eigener Anschauung und weiß, dass nur wenige von ihnen sich so streng an die zur Zeit geltenden Vorschriften an die Wasserfiltration halten, wie es in Altona geschieht, und ich habe allen Grund anzunehmen, dass die Ab-wehr der Cholera nicht überall in gleicher Weise gelungen sein würde wie in Altona.“

In Hamburg hatte schon seit 18 Jahren vor 1892 ein Tauziehen um die zentrale Filtra-tion stattgefunden. 1872 hatte das Medizi-nalkollegium in Hamburg festgestellt, „das Leitungswasser ist in seinem jetzigen Zustand verwerflich, zentrale Filtration kann gutes Trink-wasser liefern“.

Ein Diskussionsbeitrag des Direktors der Altonaer Gas- und Wassergesell-schaft, Kümmel, auf der Jahresver-sammlung des Deutschen Vereins der Gas- und Wasserfachmänner ( DVGW ) von 1888 in Hamburg brachte die Prob-lematik auf den Punkt. Kümmel führte aus: „[...] dass unter den maßgebenden Tech-nikern hier in Hamburg niemand ist, der daran zweifelt, dass der jetzige Zustand der Hamburger Stadtwasserkunst ein sehr be-dauerlicher ist, und läge es allein in der Hand der Techniker, so wäre dem Zustand seit sehr langer Zeit ein Ende gemacht worden. Aber

und sie blieb von Cholera vollkommen frei, während ringsherum auf Hamburger Gebiet zahlreiche Erkrankungen und Todesfälle vor-kamen. Hier haben wir es also mit einer Art von Experiment zu tun, das sich an mehr als 100.000 Menschen vollzogen hat, aber trotz seiner gewaltigen Dimensionen alle Bedin-gungen erfüllt, welche man an ein exaktes und vollkommen beweisendes Laboratorium Expe-riment stellt. In zwei großen Bevölkerungs-gruppen sind alle Faktoren gleich, ein einziger ist verschieden, nämlich die Wasserversor-gung. Die mit unfiltriertem Elbwasser versorg-te Gruppe wird von Cholera schwer, die mit filtriertem Wasser versorgte Gruppe in sehr geringem Maße befallen. Dieser Unterschied muss um so schwerer ins Gewicht fallen, als das Hamburger Wasser von einer Stelle ent-nommen wird, wo die Elbe noch verhältnis-mäßig wenig verunreinigt ist, Altona aber das Elbwasser nutzen muss, nachdem es die sämt-lichen flüssigen Abgänge, mit Einschluss der Fäkalien von nahezu 800.000 Menschen auf-genommen hat. Unter solchen Verhältnissen gibt es für den naturwissenschaftlich Denken-den zunächst gar keine andere Erklärung, als dass der Unterschied, welcher die beiden Be-völkerungsgruppen der Cholera gegenüber zeigen, durch die Verschiedenheit der Wasser-versorgung bedingt ist, und dass Altona durch die Filtration des Elbwassers gegenüber Cho-lera geschützt wurde [...]

Die Stadt Wandsbek blieb verschont, weil ihr Leitungswasser einer derartigen Verunrei-nigung nicht ausgesetzt war und überdies fil-triert wurde. Altona erhielt ein Wasser, wel-ches ursprünglich viel schlechter war als das Hamburger, aber durch sorgfältige Filtration von Cholera-Bakterien ganz oder doch nahezu vollständig befreit wurde. Diese Auffassung steht mit allen bisherigen bakteriologischen Erfahrungen mit unserem jetzigen Wissen

halb der Stadt und Altona erhielt filtriertes Wasser aus der Elbe unterhalb der Stadt.

Während Hamburg von der Cholera 1892 in dramatischer Weise betroffen wurde, blieben Wandsbek und Altona fast vollständig verschont. Die Cholera machte unmittelbar an der Stadtgrenze Hamburgs, die gleichzeitig auch die Gren-ze der Hamburger Wasserversorgung ist, zu Altona Halt.

Auf einer Straße, welche auf längere Strecke eine Grenze bildete, wurde die Hamburger Seite von Cholera befallen, die Altona-Seite blieb frei. Die mit unfilt-riertem Elbwasser versorgten Hamburger wurden von der Cholera schwer getrof-fen, die mit filtriertem Wasser versorgten Einwohner in Altona hingegen nicht. Das Hamburger Wasser wurde zudem von einer Stelle entnommen, an der die Elbe noch verhältnismäßig wenig verunreinigt war. Altona aber erhielt Elbwasser, das an einer Stelle entnommen wurde, nachdem es die sämtlichen flüssigen Abwässer mit Einschluss der Fäkalien von nahezu 800.000 Menschen aufgenommen hatte.

Koch schrieb in seinem Artikel „Wasserfilt-ration und Cholera“ in der Zeitschrift ‚Hy-giene und Infektionskrankheiten’ 1893 Band XIV: „Am überraschendsten haben sich die Cholera-Verhältnisse an der Grenze von Hamburg und Altona gestaltet. Auf beiden Seiten der Grenze sind die Bodenverhältniss´, Bebauung, Kanalisation, Bevölkerung, kurz-um alles, worauf es hier ankommt, vollkom-men gleich, und doch ist die Cholera in Ham-burg nur bis unmittelbar an die Grenze von Altona gegangen und hat hier Halt gemacht. Vor einer Straße, welche auf einer längeren Strecke die Grenze bildet, wurde die Hambur-ger Seite von Cholera befallen, die Altona blieb frei. Die Cholera hat an einer Häusergruppe, am sog. Ham-burger Platz, sogar mehr ver-mocht, als es ein Mensch ge-konnt hätte, dem die besten Karten der Grenze zwischen Hamburg und Altona zur Ver-fügung gestanden hätten. Sie hatten nicht nur die politische Grenze, sondern sogar die Grenze der Wasserversorgung zwischen beiden Städten hier scharf herausgefunden. Die er-wähnte von Arbeiterfamilien dicht bewohnte Häusergruppe gehört zu Hamburg, wird aber von Altona mit Wasser versorgt

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Die Stadt Wandsbek blieb verschont, weil ihr Leitungswasser einer derartigen Verun-

reinigung nicht ausgesetzt war und überdies filtriert wurde. Altona erhielt ein Wasser,

welches ursprünglich viel schlechter war als das Hamburger, aber durch sorgfältige

Filtration von Cholerabakterien ganz oder doch nahezu vollständig befreit wurde.

Diese Auffassung steht mit allen bisherigen bakteriologischen Erfahrungen mit unse-

rem jetzigen Wissen bezüglich der Infektionsstoffe in voller Übereinstimmung, sie

enthält keine Widersprüche und nichts Gezwungenes oder Gekünzeltes…

Die Hamburger – Altona-Cholera hat uns also den unwiderleglichen Beweis

dafür geliefert, dass die Filtration des Wassers durch Sand, und zwar in der

Weise, wie sie in Altona geschieht, einen für die Praxis ausreichenden Schutz

von Cholerainfektionen gibt. Ich betone ausdrücklich, dass wenn die Filtration

schützen soll, sie so wie in Altona gehandhabt werden muss. Ich kenne eine ziemlich

große Anzahl von Wasserwerken mit Filteranlagen aus eigener Anschauung und

weiß, dass nur wenige von ihnen sich so streng an die zur Zeit geltenden Vorschrif-

ten an die Wasserfiltration halten, wie es in Altona geschieht, und ich habe allen

Grund anzunehmen, dass die Abwehr der Cholera nicht überall in gleicher Weise

gelungen sein würde wie in Altona.“

Die Cholera an der Grenze von Hamburg und Altona in den vier Monaten August bis November 1892. Die durchgehende Linie stellt die Landesgrenze dar.

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kenanstalten, Dampfkessel, Fabriken mit ih-ren Arbeitsschutzvorkehrungen usw. stehen unter staatlicher Aufsicht, um zu verhüten, dass einzelne Menschen durch Ungeschick-lichkeit und Fahrlässigkeit zu Schaden kom-men. Bei einem Wasserwerk handelt es sich aber, wenn ein Unglück passiert, nicht um einzelne Menschen sondern um Gesundheit und Leben von tausenden. Nachdem sich die Überzeugung hiervon unabwendbar aufge-drängt hat, können wir unmöglich diese Dinge länger sich selbst überlassen und er-warten, dass noch mehr Unheil wie in Ham-burg und Nietleben durch Cholera oder in Altona und in Berlin durch den Typhus an-gerichtet wird. Es ist höchste Zeit, dass man die zu wartende Haltung aufgibt und sich zu energischen Eingreifen entschließt“.

Die Einführung der Sandfiltration im Jahre 1892 hatte eine schlagartige Ver-ringerung der Sterblichkeit von Säuglin-gen und Kleinkindern zur Folge. Meyer-Delius geht in seinem Beitrag „Die Sterb-lichkeit der Säuglinge und Kleinkinder in der Stadt Hamburg“ in dem 1928 heraus-gegebenen Band „Hygiene und soziale Hygiene in Hamburg“ zur 90igsten Ver-sammlung der Deutschen Naturforscher und Ärzte in Hamburg im Jahr 1928, herausgegeben von der Gesundheitsbe-hörde Hamburg, hierauf ein.

Er veröffentlichte eine Abbildung der Sterblichkeitskurve von Kleinkindern zwi-schen dem 2. und 5. Lebensjahr in der Stadt Hamburg seit 1881. Nach der hohen Sterb-lichkeit der 80iger Jahre, für die neben schweren Epidemien von Diphtherie, Ma-sern, Keuchhusten, Scharlach und Typhus, Brechdurchfälle und „Krämpfe“ in Betracht kommen, sank die Sterblichkeitsrate in Hamburg von etwa 4 % schlagartig auf ca. 2 % nach Einführung der Sandfiltration. Im weiteren Verlauf kam es zu einem kontinu-ierlichen Rückgang, wobei als Todesursa-chen Magen-Darm-Erkrankungen und „Krämpfe“ nahezu vollständig verschwun-den waren.

Zusätzlich war eine auffallend geringe Letalität der Infektionskrankheiten trotz zeitweise erheblicher Ausbreitung zu beobachten.

Im Jahre 2007 wählten mehr als 11.300 Leser des British Medical Journal die Einführung von sauberem Wasser und die Wasserentsorgung, „die sanitäre Re-volution“, als wichtigsten medizinischen Meilenstein seit 1840. Die sanitäre Revo-lution wird von 15,8 % der Leser ge-

und Infektionskrankheiten“ 1893, die auch heute für alle Hygieniker zur Pflichtlektüre gehören sollte. Er ging auf die Bedeutung der Wasserfiltration im Detail ein. Unter Berücksichtigung der Untersuchungen zur Wasserqualität von Altona, in welchem das Wasser nie mehr als 100 KBE/ml enthielt, empfiehlt er den Richtwert von 100 KBE/ml bei 20 °C zu etablieren.

Bei der Cholera-Epidemie in Nietle-ben konnte Koch zeigen, dass diese Epi-demie durch fehlerhaften Filterbetrieb und direkte Einleitung von massiv verun-reinigtem Abwasser ausgelöst wurde.

In Altona kam es nach der schweren Cholera-Epidemie 1892 in Hamburg im Winter 1893 zum Auftreten von Cholera-Erkrankungen, die auf einen angefrore-nen Filter, der schlecht filtrierte, zurück-zuführen war.

Die hieraus entwickelten Grundsätze für den Filterbetrieb haben ihre Gültig-keit bis heute nicht verloren. Insbesonde-re die regelmäßige Überwachung des Filterbetriebes ist bis heute eine Grund-notwendigkeit geblieben.

Koch forderte insbesondere die regel-mäßige Überwachung der Wasserversor-gung; er äußerte sich schließlich zu der nachfolgenden Frage: „Wo man sich aber nicht dazu versteht, das Wasserwerk bakterio-logisch kontrollieren zu lassen, da wird es allerdings, wenn Schaden verhütet werden soll, unbedingt notwendig sein, das Werk in Bezug auf alle die hier angedeuteten Fehler-quellen auf das schärfste zu überwachen. Aber wer soll diese Überwachung überneh-men? Nur der Staat kann es tun. Er kann es nicht nur, sondern er muss es übernehmen; es ist seine Pflicht. Was wird nicht schon alles überwacht und revidiert? Apotheken, Kran-

wie schon bemerkt, spielen in solchen Fragen nicht alleine die Hygieniker und Techniker sondern die Herren Stadtverordneten und die städtischen Verwaltungsbehörden eine bedeu-tende Rolle. Wenn hier in Hamburg die Filt-ration noch nicht eingeführt ist, so liegt es le-diglich an den letzteren und durchaus nicht an den Technikern“.

Schließlich einigte man sich in Hamburg 1890 über ein Regulativ zur Einrichtung einer zentralen Filtration. Mit der Ausfüh-rung wurde begonnen. Als Bauzeit waren jedoch 4 Jahre vorgesehen. Als die Arbeiten im Gange waren, brach im August 1892 die Cholera aus. In Tag-, Nacht- und Sonntags-schichten wurde daraufhin an der Anlage weiter gebaut. Die Arbeiten wurden durch die in Hamburg herrschende Cholera so sehr erschwert, dass Lieferungen stockten und Arbeiter abwanderten. In dieser Situa-tion wurde das Hamburger Infanterie-Regi-ment 76 zur Beschleunigung der Bauarbei-ten abkommandiert. Zeitweise waren mehr als 1000 Mann eingesetzt. Hierdurch wurde ermöglicht, dass die Filteranlage bereits ab dem 1. Mai 1893 – etwa 1 Jahr früher als geplant – die Hälfte des täglichen Wasserbe-darfes decken konnte und dass dann ab 27. Mai 1893 nach Schließung der alten Schöpfstelle nur noch filtriertes Elbwasser in das Leitungsnetz gepumpt wurde. Die Kosten für die Filtrationsanlage waren ur-sprünglich auf 6.725.000 DM veranschlagt worden. Wegen der außerordentlichen Maßnahmen zur forcierten Fertigstellung stiegen sie auf 9,5 Millionen DM an.

Koch schilderte die Gegebenheiten in seiner berühmten Publikation „Wasserfiltration und Cholera“ in der Zeitschrift „Hygiene

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onsanlage waren ursprünglich auf 6.725.000 DM veranschlagt worden. Wegen der

außerordentlichen Maßnahmen zur forcierten Fertigstellung stiegen sie auf 9,5 Mil-

lionen DM an.

Abb. 23: Bau der Hamburger Wasser- Filtration 1892

Koch schilderte die Gegebenheiten in seiner berühmten Publikation „Wasserfiltration

und Cholera“ in der Zeitschrift „Hygiene und Infektionskrankheiten“ 1893, die auch

heute für alle Hygieniker zur Pflichtlektüre gehören sollte. Er ging auf die Bedeutung

der Wasserfiltration im Detail ein. Unter Berücksichtigung der Untersuchungen zur

Wasserqualität von Altona, in welchem das Wasser nie mehr als 100 KBE/ml enthielt,

empfiehlt er den Richtwert von 100 KBE/ml bei 20 °C zu etablieren.

Bei der Cholera-Epidemie in Nietleben konnte Koch zeigen, dass diese Epidemie

durch fehlerhaften Filterbetrieb und direkte Einleitung von massiv verunreinigtem

Abwasser ausgelöst wurde.

Bau der Hamburger Wasser- Filtration 1892.

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und Genussmittel sind hinsichtlich ihrer Provenienz wie andere Waren zu behan-deln, hinsichtlich ihrer Qualität aber ei-ner strengen gesundheitspolizeilichen Beaufsichtigung zu unterstellen. Qua-rantänen sind durch vernünftig einge-richtete Revisionen zu ersetzen.

6. Der Ausdruck „Stromverseuchung“ be-darf bei seiner enormen verkehrswirt-schaftlichen Bedeutung einer Einschrän-kung dahin, dass vereinzelte Vorkomm-nisse ferner nicht als Gründe zur Anwen-dung dieses Wortes angesehen werden.

7. Ermöglichung menschenwürdiger und menschenfreundlicher Pflege der Kran-ken innerhalb wie außerhalb der Kran-kenhäuser und der Fürsorge für Arme und Hilflose in geordneter Notstands-pflege ist auszusprechen, dass bei sach-gemäßem reinlichen Verhalten der Verkehr mit Cholera-kranken Perso-nen ungefährlich ist.

8. Die internationalen Bestrebungen, die Cholera auf ihre Heimat zu beschränken und ihre Verschleppung zu verhüten, wie sie in den Pariser und Dresdner Be-schlüssen Ausdruck finden, sind dankbar anzuerkennen und ihr wirksamer Voll-zug kräftig zu fördern.

Koch kommentierte diese Maßregeln und begrüßte zunächst ausdrücklich, dass der 10-jährige Streit, insbesondere mit Petten-kofer, über das Wesen der Cholera nach seiner Auffassung nunmehr ein Ende ge-funden habe: „Wir sind also nunmehr darüber einig, dass ein ganz bestimmter charakterisierter Parasit die Ursache der Cholera ist“.

Lediglich zu Pkt. 8 hinsichtlich der internationalen Bestrebung zur Be-kämpfung der Cholera bleibt er skep-tisch und schließt seine Bemerkungen mit folgender Schlussfolgerung: „Sie se-hen also, wie wenig wir uns auf die bisheri-gen internationalen Bestrebungen verlassen können. Ich halte sie aber auch für ganz überflüssig, denn wenn jeder Staat es so ma-chen wollte, wie es das Deutsche Reich wäh-rend der jetzigen Epidemie getan hat, dass es sich nämlich die Cholera im Inlande vom Halse hält, und dass er lernt sie im Inlande auszurotten, so würde das auch der allerbes-te internationale Schutz sein“.

Bis heute ist die Cholera nicht ausge-rottet und die Analyse der immer wieder auftretenden Cholera-Epidemien zeigt, wie wenig tatsächlich in den einzelnen Ländern die von Koch aufgestellten Grundsätze zur Bekämpfung der Cholera

Epidemien gewährt die schon in Cholera-freien Zeiten auszuführende Assanie-rung der Städte und Ortschaften, insbe-sondere deren reichliche Versorgung mit reinem Wasser sowie die entsprechende Beseitigung der Abfallstoffe.

3. Bei drohender Invasion der Cholera ist Vorsorge zu treffen für die frühzeitige Erkenntnis der Cholera-Erkrankungen, zuverlässiges Meldewesen, unauffällige Überwachung Zugereister; bei Verdäch-tigen bakteriologische Untersuchungen; Überwachung des See- und Fluss-Schiff-fahrtsverkehr; Bereitung von Räumlich-keiten, Transportmitteln für Kranke und Verstorbene.

4. Beim Auftreten der Cholera: Isolierung der Kranken oder Verdächtigen, soweit wie möglich ohne Anwendung von Krankenhauszwang; Desinfektion der Ausscheidungen und der mit letzteren verunreinigten Gegenstände; Evakuati-on von Infizierten, schlechten Woh-nungen und Flussfahrzeugen; Schlie-ßung von nachweislich infizierten oder infektionsverdächtigen Wasserentnah-mestellen; Heranziehung eines erfahre-nen Sachverständigen bei weiterer Verbreitung der Cholera.

5. Verkehrsbeschränkung hinsichtlich der Ein- und Durchfuhr sowie auf das Min-destmaß zurückzuführen; der Waren-verkehr bleibt unbehelligt, bei Personen-verkehr beschränkt man sich auf eine einfache ärztliche Kontrolle. Nahrungs-

wählt, während Antibiotika 15 %, die Einführung der Narkose 14 % der Stim-men erhielten, die Einführung von Impf-stoffen 12 % und die Entdeckung der Struktur der DNA 9 %. Allgemein wurde festgestellt, dass der Schutz vor Gesund-heitsrisiken häufig der beste Weg sei, um die Gesundheit der Bevölkerung sicher zu stellen und zu verbessern.

Die Maßregeln zur Bekämpfungder Cholera von 1894Auf der 19. Versammlung der Deutschen Gesellschaft für Öffentliche Gesundheits-pflege in Magdeburg (19. bis 21. Dez. 1894) wurden die „Maßregeln zur Be-kämpfung der Cholera“ behandelt. Die Maßregeln wurden in Anwesenheit von Robert Koch, von Herrn Dr. von Kerchen-steiner (München) und Prof. Gaffky (Gie-ßen – Schüler von Koch) vorgestellt. Die Grundsätze lauteten:1. Die Erfahrungstatsachen über zeitliche,

örtliche und persönliche Dispositionen, sowie über die Immunitäten, zeitliche, örtliche und persönliche verdienen un-beschadet der Bedeutung des Cholera Vibrio als unmittelbaren Krankheitserre-ger auch heute noch volle Beachtung.

2. Den sichersten Schutz gegen Cholera-

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burg“ zur 90igsten Versammlung der Deutschen Naturforscher und Ärzte in Hamburg

im Jahr 1928, herausgegeben von der Gesundheitsbehörde Hamburg, hierauf ein.

Er veröffentlichte eine Abbildung der Sterblichkeitskurve von Kleinkindern zwischen

dem 2. bis 5. Lebensjahr in der Stadt Hamburg seit 1881. Nach der hohen Sterblich-

keit der 80iger Jahre, für die neben schweren Epidemien von Diphtherie, Masern,

Keuchhusten, Scharlach und Typhus, Brechdurchfälle und „Krämpfe“ in Betracht

kommen, sank die Sterblichkeitsrate in Hamburg von etwa 4 % schlagartig auf ca. 2

% nach Einführung der Sandfiltration. Im weiteren Verlauf kam es zu einem konti-

nuierlichen Rückgang, wobei als Todesursachen Magen-Darm-Erkrankungen und

„Krämpfe“ nahezu vollständig verschwunden waren.

Zusätzlich war eine auffallend geringe Letalität der Infektionskrankheiten trotz zeit-

weise erheblicher Ausbreitung zu beobachten.

Entwicklung der Kleinkindersterblichkeit (2. bis 5. Lebensjahr) in Hamburg 1881bis1927.

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Gabe für die Kunst der ortshygienischen Begehung. Er hatte einen tiefen Einblick in epidemiologische Zusammenhänge und beschäftigte sich auch mit den für einen Medizinalbeamten so wichtigen Fragestel-lungen nach Prophylaxe und Therapie und nicht nur mit der Ätiologie. Er erfasste daher eine Krankheit immer in umfassender Wei-se und charakterisierte sie bei seinen Orts-besichtigungen hinsichtlich der Umweltbe-dingungen, der sozialen Merkmale, der mikrobiologischen Ätiologie, der klinisch-pathologischen Aspekte und der Aspekte zu Prävention und Kontrolle. Hierdurch wur-de eine Infektionskrankheit nicht nur diag-nostizierbar und behandelbar, sondern sie konnte auch ganz ausgerottet werden. Die-se einzigartige Kombination aus Begabung und Fähigkeiten ist heute aufgrund der verständlicherweise zunehmenden Spezia-lisierung nicht mehr in dieser glücklichen Synthese vorhanden, weswegen es heute um so schwerer gelingt, trotz gleicher Her-ausforderung durch neue epidemieartige Seuchenerkrankungen wie pandemischer Influenza und SARS diese Erkrankungen durch einzelne Personen umfassend behan-deln zu können.

Aus diesem Grunde ist es so notwen-dig und wünschenswert, sich unter Be-rücksichtigung der Originalarbeiten an der Herangehensweise Kochs zu messen und hierdurch Ansporn aber auch Be-scheidenheit im Hinblick auf die von Koch gesetzten Maßstäbe für seine eige-nen Arbeiten zu finden und diese Form vernetzten Denkens auch bereits im Me-dizinstudium zu vermitteln.

Literatur 1. Möllers B. Robert Koch Persönlichkeit und Lebens-

werk 1843-1910. Schmorl & von Seefeld Nachf. Hannover, 1950

2. Schwalbe J. Gesammelte Werke von Robert Koch, Verlag von Georg Thieme, Leipzig 1912

3. Koch R, Gaffky G. Bericht über die Thätigkeit der zur Erforschung der Cholera im Jahre 1883 nach Egyp-ten und Indien entsandten Kommission. Verlag von Julius Springer, Berlin, 1887

4. Meyer-Delius H. Die Sterblichkeit der Säuglinge und Kleinkinder in der Stadt Hamburg in: Hygiene und Soziale Hygiene in Hamburg. Paul Hartung Ver-lag Hamburg 1928.

5. Gärtner A. Leitfaden der Hygiene. Verlag S. Karger Berlin, 1905.

Schlussbetrachtung zum Wirken und zur Persönlichkeit Robert Kochs Wenn auch schwerpunktmäßig die Ent-deckung der Cholera-Ätiologie und der diesbezüglichen Regeln zur Prävention und Kontrolle dieser bis heute in vielen Entwicklungsländern nicht vollständig unter Kontrolle gebrachten Seuche im Wirken Kochs dargestellt wurden, so bleibt Koch auch hinsichtlich seiner übri-gen herausragenden Arbeiten für den heutigen Hygieniker, Mikrobiologen, Arzt im Öffentlichen Gesundheitsdienst und Infektiologen in seiner Persönlichkeit und als Forscher, Arzt, Hygieniker, Bakteriolo-ge und Arzt des öffentlichen Gesundheits-dienstes einzigartig und beispielhaft.

Was aber macht den Genius dieses Mannes auch aus heutiger Sicht aus? Es ist eine einzigartige Mischung aus glücklichen Voraussetzungen, Begabun-gen, und Umständen. Auf der Basis einer grundsoliden humanistisch geprägten Gymnasialausbildung folgt in seinem Cur-riculum vitae die Tätigkeit als praktischer Arzt und als Medizinalbeamter, der Freu-de und Begabung zum wissenschaftlichen Arbeiten besitzt. Diesem, seinem For-scherdrang, widmet er neben seinen viel-fältigen Aufgaben als praktischer Arzt und Medizinalbeamter, vertraut mit ärztlicher Behandlung der Landbevölkerung und mit der pathologisch-anatomischen Sekti-on seine ganze Kraft, wobei er die neues-ten technischen Entwicklungen der Mik-roskopie, der Färbeverfahren und der Fo-tografie mit einbezieht.

Ausgestattet mit einem enormen Pflichtbewusstsein (numquam otiosus –niemals müßig) gelang ihm aufgrund seiner präzisen und selbstkritischen Untersu-chung die Entdeckung der Ätiologie des Milzbrandes, der Tuberkulose und der Cho-lera sowie weiterer Charakteristika zahlrei-cher Infektionskrankheiten. Dabei kamen ihm seine humanistische Ausbildung und seine Sprachenkenntnisse (Deutsch, Eng-lisch, Französisch, Lateinisch, Griechisch und Hebräisch) zugute sowie seine patho-logisch-anatomischen, klinischen, mikro-biologischen und hygienischen Kenntnisse. Darüber hinaus hatte er eine besondere

und insbesondere die Aspekte zur Ver-besserung der Wasserversorgung, die Koch bereits während seiner Expedition 1883/84 in Kalkutta herausgearbeitet hatte, umgesetzt sind.

Im Gegensatz hierzu kam es jedoch in Deutschland mit Umsetzung der Maßre-geln zur Verbesserung der Wasserversor-gung, der bakteriologischen Diagnose und der Seuchengesetzgebung zu einer derart effizienten Bekämpfung der Cho-lera, dass seit dem 20. Jahrhundert die Cholera in Deutschland nicht mehr zu Ausbrüchen geführt hat – trotz zweier Weltkriege mit Einschleppung Cholera-kranker russischer Soldaten, insbesonde-re während des 1. Weltkrieges. Voraus-setzungen hierfür waren– Höchste politische Priorität und Einstu-

fung der Sicherung einer einwandfrei-en Wasserhygiene als Teil der Daseins-vorsorge;

– Schaffung der gesetzlichen Grundlagen zur Sicherung der Trinkwasserhygiene (verankert im Infektionsschutzgesetz);

– Etablierung eines Multibarrieren-Systems beginnend vom Einzugsgebiet bis zum Zapfhahn des Verbrauchers;

– Integration der Wasserfiltration als Haupt-bestandteil der Aufbereitung bei Oberflä-chenbeeinflusstem Wasser neben der Desinfektion;

– Sicherung eines intakten Wasserversor-gungsnetzes;

– Schaffung eines technischen Regelwerkes durch Vereinigung der Wasserversorger (DVGW);

– Etablierung für Monitoring-Kriterien von Parametern als Indikatoren für eine qua-litätsgesicherte Wasserversorgung;

– Überwachung der Hygiene der Wasser-versorgung durch staatlichen Gesund-heitsbehörden in Kooperation mit unab-hängigen Hygiene-Institute insbesondere an den Universitäten, wodurch auch ein wissenschaftliches hygienisch-medizini-sches Know How sichergestellt wurde;

– Surveillance und Abklärung wasserbe-dingter Erkrankungen durch staatliche Behörden;

– Sicherstellung eines kostendeckenden Wasserpreises zur Gewährleistung der hohen Anforderungen an die Sicherung der Wasserversorgung.