Masha und Dasha - Kathi-Lampert-Schule: · PDF fileDas Buch erzählt die wahre Geschichte...

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Das Buch erzählt die wahre Geschichte von zwei Frauen, Mascha und Dasha, die seit ihrer Geburt sehr eng zusammen leben: Sie sind Schwestern, an der Taille zusammen gewachsen, teilen sich den Blutkreislauf und stehen auf einem Paar Beine. Was das für die zwei bedeutet und welche Konsequenzen damit verbunden sind, kann man sich eigentlich nicht oder nur ansatzweise vorstellen. Die Geburt der beiden im Jahr 1950 in Russland bedeutet für die Mutter ein Schock, sie erzählt niemandem, dass sie siamesische Zwillinge geboren hat. Der Vater versinkt im Alkohol. Dass ausgerechnet ihm so etwas passieren muss, verkraftet er nicht. Die Kinder werden der Mutter gleich nach der Geburt weggenommen und in der Folge für tot erklärt. Die Ärzte legen ein besonderes Augenmerk auf Masha und Dasha. Sie sind fasziniert von der Besonderheit und der Möglichkeit, sie in den Dienst der Wissenschaft zu stellen. Da gilt es unbedingt und um einen hohen Preis für die Kinder, neue Erkenntnisse zu sammeln. Dass die unzähligen Untersuchungen und Versuche an den Kindern oft sehr schmerzhaft, zum Teil unnötig und manchmal sogar boshaft sind, kann man sich unschwer vorstellen. Niemand fühlt sich emotional für die beiden zuständig, daher haben sie auch keinerlei Schutz. Zudem wird ihnen vermittelt, dass ihre Mutter tot sei. Die Tatsache, dass die Natur nicht immer fehlerfrei arbeitet, wird durch das gedanken- und zum Teil auch lieblose Verhalten der Mitmenschen gegenüber Masha und Dasha verschärft. Menschen mit Behinderung hatten damals so gut wie keine Menschenrechte, sie wurden auch nicht als Menschen, sondern als Missgeburten, ja sogar als Monster gesehen. Meistens wurden sie in Einrichtungen versteckt, ihre Existenz geleugnet. Die beiden sind grundsätzlich verschieden: die eine kämpferisch und rebellisch, die andere sanft und besonnen. Konflikte können da nicht ausbleiben und mit der Wahl der Freunde sind sie sich nicht immer untereinander einig. Die Möglichkeiten, als erwachsene Frauen ein selbstbestimmtes Leben zu führen und dem brennenden Wunsch einer sinnstiftenden Arbeit nachzugehen, bleibt ihnen leider auch verwehrt. Nicht weil sie es nicht könnten, sie sind intelligent und auf Grund eigener Initiative auch gebildet, sondern weil dies bewusst verhindert wird. Sogar ihnen nahestehende Personen sehen in ihnen nicht erwachsene Menschen, sondern wollen sie nach wie vor wie Kinder behandeln. Ihr Humor und Optimismus kommen trotzdem immer wieder durch. Masha und Dasha haben das Buch für alle geschrieben, die sich für ihre Geschichte interessieren. Sie wollten berichten, was diese Form von „behindert sein und werden“ im Moskau der letzten 50 Jahre bedeutete. Es erzählt von ihrem unermüdlichen und doch zum Teil erfolglosen Kampf um Normalität. Eine bewegende Lebensgeschichte, ein spannendes und zugleich erschütterndes Plädoyer für mehr Rechte und Selbstbestimmung von Menschen mit Handicap. Marie-Luise Huchler Juliet Butler Masha und Dasha Knaur Verlag München, vollständige TB-Ausgabe 2003

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Das Buch erzählt die wahre Geschichte von zwei Frauen, Mascha und Dasha, die seit ihrer Geburt sehr eng zusammen leben: Sie sind Schwestern, an der Taille zusammen gewachsen, teilen sich den Blutkreislauf und stehen auf einem Paar Beine. Was das für die zwei bedeutet und welche Konsequenzen damit verbunden sind, kann man sich eigentlich nicht oder nur ansatzweise vorstellen. Die Geburt der beiden im Jahr 1950 in Russland bedeutet für die Mutter ein Schock, sie erzählt niemandem, dass sie siamesische Zwillinge geboren hat. Der Vater versinkt im Alkohol. Dass ausgerechnet ihm so etwas passieren muss, verkraftet er nicht. Die Kinder werden der Mutter gleich nach der Geburt weggenommen und in der Folge für tot erklärt. Die Ärzte legen ein besonderes Augenmerk auf Masha und Dasha. Sie sind fasziniert von der Besonderheit und der Möglichkeit, sie in den Dienst der Wissenschaft zu stellen. Da gilt es unbedingt und um einen hohen Preis für die Kinder, neue Erkenntnisse zu sammeln. Dass die unzähligen Untersuchungen und Versuche an den Kindern oft sehr schmerzhaft, zum Teil unnötig und manchmal sogar boshaft sind, kann man sich unschwer vorstellen. Niemand fühlt sich emotional für die beiden zuständig, daher haben sie auch keinerlei Schutz. Zudem wird ihnen vermittelt, dass ihre Mutter tot sei. Die Tatsache, dass die Natur nicht immer fehlerfrei arbeitet, wird durch das gedanken- und zum Teil auch lieblose Verhalten der Mitmenschen gegenüber Masha und Dasha verschärft. Menschen mit Behinderung hatten damals so gut wie keine Menschenrechte, sie wurden auch nicht als Menschen, sondern als Missgeburten, ja sogar als Monster gesehen. Meistens wurden sie in Einrichtungen versteckt, ihre Existenz geleugnet. Die beiden sind grundsätzlich verschieden: die eine kämpferisch und rebellisch, die andere sanft und besonnen. Konflikte können da nicht ausbleiben und mit der Wahl der Freunde sind sie sich nicht immer untereinander einig. Die Möglichkeiten, als erwachsene Frauen ein selbstbestimmtes Leben zu führen und dem brennenden Wunsch einer sinnstiftenden Arbeit nachzugehen, bleibt ihnen leider auch verwehrt. Nicht weil sie es nicht könnten, sie sind intelligent und auf Grund eigener Initiative auch gebildet, sondern weil dies bewusst verhindert wird. Sogar ihnen nahestehende Personen sehen in ihnen nicht erwachsene Menschen, sondern wollen sie nach wie vor wie Kinder behandeln. Ihr Humor und Optimismus kommen trotzdem immer wieder durch. Masha und Dasha haben das Buch für alle geschrieben, die sich für ihre Geschichte interessieren. Sie wollten berichten, was diese Form von „behindert sein und werden“ im Moskau der letzten 50 Jahre bedeutete. Es erzählt von ihrem unermüdlichen und doch zum Teil erfolglosen Kampf um Normalität. Eine bewegende Lebensgeschichte, ein spannendes und zugleich erschütterndes Plädoyer für mehr Rechte und Selbstbestimmung von Menschen mit Handicap. Marie-Luise Huchler

Juliet Butler

Masha und Dasha

Knaur Verlag München, vollständige TB-Ausgabe

2003