Masterarbeit Endversion 1 kurz - pub.fh-campuswien.ac.at

95
Das Bewerbungsgespräch zur Auswahl von Studierenden für Gesundheitsberufe im wissenschaftlichen Diskurs. Eine systematische Literaturübersicht und kritische Auseinandersetzung am Beispiel des Studienganges Physiotherapie an der FH Campus Wien Masterarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science in Physiotherapy der Fachhochschule FH Campus Wien Masterlehrgang Advanced Integrative Health Studies Vorgelegt von: Andrea Buresch-Kirner Personenkennzeichen C1330025008 Erstbegutachter/in: Dr. Christina Hager Zweitbegutachter/in: Christine Stelzhammer, MEd. Eingereicht am: 30. 06. 2017

Transcript of Masterarbeit Endversion 1 kurz - pub.fh-campuswien.ac.at

Das Bewerbungsgespräch zur Auswahl von

Studierenden für Gesundheitsberufe im

wissenschaftlichen Diskurs. Eine systematische Literaturübersicht und kritische Auseinandersetzung am Beispiel des

Studienganges Physiotherapie an der FH Campus Wien

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Science in Physiotherapy

der Fachhochschule FH Campus Wien

Masterlehrgang Advanced Integrative Health Studies

Vorgelegt von:

Andrea Buresch-Kirner

Personenkennzeichen

C1330025008

Erstbegutachter/in:

Dr. Christina Hager

Zweitbegutachter/in:

Christine Stelzhammer, MEd.

Eingereicht am:

30. 06. 2017

Erklärung:

Ich erkläre, dass die vorliegende Masterarbeit von mir selbst verfasst wurde und ich keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet bzw. mich auch sonst keiner unerlaubter Hilfe bedient habe.

Ich versichere, dass ich diese Masterarbeit bisher weder im In- noch im Ausland (einer Beurteilerin/einem Beurteiler zur Begutachtung) in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe.

Weiters versichere ich, dass die von mir eingereichten Exemplare (ausgedruckt und elektronisch) identisch sind.

Ich bestätige, dass alle im Zuge dieser Masterthese erhobenen Daten in „Hardcopy“ (Ausdruck) zusammen mit der Masterthese in der FH Campus Wien abgegeben und nach Fertigstellung der Arbeit von meinem eigenen PC gelöscht wurden und dann nur noch in der jeweiligen Institution und der FH Campus Wien vorliegen.

Datum: ................................ Unterschrift: ...............................................................

iii

Kurzfassung

Vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem Bewerbungsgespräch zur Auswahl von

Studierenden für Gesundheitsberufe mit besonderem Fokus auf die Physiotherapie. Ziel

dabei ist den Stellenwert, die Durchführung und die psychometrische Qualität des

Interviews kritisch zu beleuchten und Handlungsempfehlungen für die Weiterentwicklung

des Bewerbungsgespräches am Studiengang Physiotherapie an der FHCW abzuleiten.

Zu diesem Zweck wurde ein systematischer, integrativer Review durchgeführt, welcher

die unterschiedliche Studienqualität berücksichtigte. Von den 116 themenbezogenen

Publikationen wurden acht Studien auf Basis definierter Ein- und Ausschlusskriterien in

den Review aufgenommen. Als zentrales Ergebnis kann festgehalten werden, dass dem

Interview in den physiotherapeutischen Studienprogrammen eine zentrale Bedeutung

zukommt und primär der Erfassung nicht-kognitiver Fähigkeiten dient. Strukturierte

Interviewformen werden in der medizinischen Hochschulzulassung präferiert eingesetzt,

wobei das Multiple Mini-Interview (MMI) im angloamerikanischen Raum verstärkte

Anwendung findet. Kontroversiell werden die Validität und Reliabilität des

Auswahlgespräches diskutiert, wobei Verbesserungen der psychometrischen Qualität

auch mit Trainings der InterviewerInnen einhergehen. Bemerkenswert ist die

Vorhersagekraft des Interviews auf den Erfolg im klinischen Praktikum im Rahmen des

Physiotherapiestudiums. Fähigkeiten, wie Teamarbeit, Multiprofessionalität und

Ressourcennutzung sind als künftige Qualitäten in der Planung, Umsetzung und

Evaluierung des gesprächsbasierten Verfahrens zu berücksichtigen.

iv

Abstract

This thesis deals with the admission interview in the selection process of applicants in

allied health professions focusing on physiotherapy. The aim is to critically comment the

value, execution and psychometric quality of an interview to give recommendations to

further develop the interview at the Physiotherapy Bachelor Programme at the University

of Applied Sciences Campus Vienna. To reach this goal a systematic, integrative review

was carried out, considering different study designs. Out of 116 possibly relevant

publications, eight have been included following the inclusion and exclusion criteria. In

conclusion, the main result is that the interview has a main value in the application

process as it primarily addresses the non-cognitive abilities of the prospective students.

Structured interviews are of preferred use in selection processes at medical universities,

whereby the multiple mini-interviews (MMIs) are used mostly in the Anglo-American

region. The validity and reliability of the admission interview are discussed controversially,

whereby coaching and training of the assessors lead to an improvement of the

psychometric quality. The predictive value of the assessment interview in relevance to the

achievements at the clinical placements/internships during the physiotherapy programme

is remarkable. Teamwork skills, multi-professionalism and utilisation of resources need to

be considered as future qualities in the planning, implementation and evaluation of an

interview-based selection process.

v

Abkürzungsverzeichnis

BDI Behavior Description Interview

EGE Erbringung gesundheitlicher Eignung

FHCW Fachhochschule Campus Wien

FIT-PT Fit für den Beruf – Physiotherapie

FH-MTD Fachhochschule – Medizintechnischer Dienst

BMWFW Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft

MMI Multiples Mini-Interview

SI Situative Interview

vi

Schlüsselbegriffe

Hochschulzulassung

Gesundheitsberufe

Physiotherapie

Bewerberauswahl

Bewerbungsgespräch

Interview

vii

INHALTSVERZEICHNIS

1. EINLEITUNG ......................................................................................... 1

2. DAS BEWERBUNGSGESPRÄCH ALS INSTRUMENT ZUR ERFASSUNG DER STUDIENEIGNUNG .............................................. 5

2.1. Zur Funktion von Studierendenauswahlverfahren ........................ 5

2.2. Methoden zur Studierendenauswahl .............................................. 7

2.3. Gütekriterien von Auswahlinstrumenten ..................................... 10

2.3.1. Objektivität ............................................................................................... 10

2.3.2. Reliabilität ................................................................................................ 11

2.3.3. Validität .................................................................................................... 12

2.3.4. Zur Güte von Auswahlinstrumenten in der Hochschulzulassung .............. 13

2.4. Rolle des Auswahlgespräches in der Hochschulzulassung ...... 15

3. AUSWAHL VON STUDIERENDEN FÜR DEN BACHELOR-STUDIENGANG PHYSIOTHERAPIE AN DER FH CAMPUS WIEN . 18

3.1. Anforderungsprofil und Zugangsvoraussetzungen für Studien-anwärter und Studienanwärterinnen ............................................ 18

3.2. Das Aufnahmeverfahren am Studiengang Physiotherapie der FHCW im Überblick ........................................................................ 19

3.3. Das Bewerbungsgespräch am Bachelorstudiengang Physio-therapie der FHCW ......................................................................... 22

3.3.1. Einschätzbogen ....................................................................................... 24

3.3.2. Setting und Durchführung ........................................................................ 25

4. METHODISCHES VORGEHEN .......................................................... 28

4.1. Der systematische Review............................................................. 28

4.2. Identifizieren relevanter Publikationen ......................................... 31

4.3. Auswahl der Publikationen ............................................................ 33

4.4. Analyse und Aufbereitung der Publikationen .............................. 34

5. DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE ................................................. 36

5.1. Inkludierte Studien ......................................................................... 36

5.2. Beschreibung der inkludierten Studien ....................................... 37

5.2.1. Auswahlverfahren und Interviews in der medizinischen Hochschulzulassung ................................................................................ 37

5.2.2. Verfahren zur Auswahl von Studierenden in den Gesundheitsberufen..... 45

viii

5.2.3. Das Interview als Methode zur Studierendenauswahl in den Gesundheitsberufen ................................................................................ 55

5.2.4. Zusammenfassende Darstellung der Studien .......................................... 63

6. DISKUSSION DER ERGEBNISSE ...................................................... 65

6.1.1. Kritische Reflexion des methodischen Vorgehens ................................... 65

6.1.2. Stellenwert, Durchführung und methodische Qualität des Interviews im Rahmen der Hochschulzulassung gesundheitsbezogener Berufe ........... 66

6.1.3. Implikationen für das Bewerbungsgespräch am Studiengang Physiotherapie an der FHCW .................................................................. 74

7. CONCLUSIO ........................................................................................ 77

LITERATURVERZEICHNIS ....................................................................... 79

ABBILDUNGSVERZEICHNIS .................................................................... 84

ANHANG .................................................................................................... 85

1

1. EINLEITUNG

An der Fachhochschule Campus Wien (FHCW) findet jährlich ein Aufnahmeverfahren im

Department Gesundheit statt, welches das Ziel verfolgt, die geeignetsten BewerberInnen

für das zukünftige Studium einer gesundheitswissenschaftlichen Studienrichtung an der

Fachhochschule zu finden. Im Studiengang Physiotherapie gestaltet sich das Auswahl-

verfahren zweistufig. Im ersten Schritt ist ein schriftlicher Test zu absolvieren, welcher die

Studierfähigkeit, das berufsrelevante Allgemeinwissen sowie Selbsteinschätzungen zu

persönlichen Denk- und Verhaltensweisen überprüft. BewerberInnen mit positivem

Ergebnis durchlaufen in einem zweiten Schritt einen praktischen Berufseignungstest und

werden zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen (FH Campus Wien, 2012, S. 163ff).

Im Zusammenhang mit Auswahlverfahren werden vor allem bei einer großen Anzahl an

BewerberInnen und zur Eignungsfeststellung primär psychologische Testverfahren, wie

Studierfähigkeitstests, Leistungstest und Persönlichkeitstests, eingesetzt. Für alle Test-

verfahren gilt, dass sie wissenschaftlichen Standards genügen müssen. Als besonders

wichtig wird beim Einsatz von Testverfahren dabei die Abklärung jener Merkmale

erachtet, welche in Hinblick auf die zu besetzende Position/Anforderung getestet werden

sollen. Am Studiengang Physiotherapie an der FHCW erfolgt dabei eine Konzentration

auf berufsrelevante Persönlichkeitsmerkmale und Kompetenzen, wobei neben speziellen

Testverfahren, auch das Interview eingesetzt wird.

International werden in vielen Industriestaaten – wie z.B. in Australien, Großbritannien,

Irland oder den USA – Auswahlgespräche zur Selektion von Studierenden heran-

gezogen. Insbesondere im angloamerikanischen Kulturraum haben Interviews als

Bestandteil von Auswahlverfahren eine längere Tradition (Gentsch & Gold, 2008, S. 157).

Im deutschen Sprachraum hingegen wurden Interviews bislang nur zurückhaltend ein-

gesetzt (Hell et al., 2007, S. 93). Das Interesse an Kriterien und eignungsdiagnostischen

Verfahren zur Auswahl von Studierenden im Rahmen der Hochschulzulassung hat in den

vergangenen Jahren im deutschsprachigen Raum stark zugenommen.

Obwohl Interviews „an integral part of the admissions process for many […] healthcare

programmes“ (Hay, 2016, S. 41) bilden, wurden bislang vor allem Human-, Zahn- und

Veterinärmedizin, Pharmazie sowie Gesundheits- und Pflegewissenschaften analysiert,

während die gehobenen medizinisch-technischen Berufe, insbesondere die Physio-

2

therapie, bislang noch kaum im Zentrum einer kritischen Auseinandersetzung hinsichtlich

der Durchführung, des Nutzens und der Prognosekraft von Interviews basierend auf

berufsbezogene Kompetenzen und Anforderungen standen. So folgern auch Green &

Waterfield (1997), dass unterschiedliche Methoden und Anforderungsprofile den Aus-

wahlprozess von BewerberInnen für das Bakkalaureatsstudium Physiotherapie in Groß-

britannien und Irland determinieren, weshalb die Autoren weiterführende Forschungen als

notwendig erachten. „Although published 18 years ago, Green and Waterfield´s work is

still of significant value because of the lack of research in this area“ (Hay, 2016, S. 33).

Ein Blick auf die aktuellen Studierendenzahlen zeigt, dass die medizinisch-technischen

Studienrichtungen mit 83% die stärkste Gruppe innerhalb der Gesundheitswissen-

schaften an österreichischen Fachhochschulen darstellen (Unger et al. 2012, S. 450).

Konstant bewegt sich dabei der Studierendenanteil in der Physiotherapie seit 2009 auf

rund 24% und bildet mit aktuell (Wintersemester, 2016) 1340 Studierenden österreichweit

den höchsten Anteil innerhalb der medizinisch-technischen Studienrichtungen (BMWFW,

2016, o.S.). Die FHCW erweist sich dabei mit 333 Studierenden als größter Anbieter

physiotherapeutischer Ausbildungsstätten in Österreich (25%).

Das starke Wachstum in den gesundheitswissenschaftlichen Studien im FH-Sektor

allgemein und jener im Bereich der Physiotherapie im Speziellen, aber auch die

zunehmenden Bewerberzahlen, die veränderte Studienarchitektur sowie der damit

verbundene Personalaufwand bedingen die Anwendung einer validen, reliablen und

objektiven Methode zur Auswahl geeigneter BewerberInnen, in der anforderungs-

relevante Informationen über Fähigkeiten, Einstellungen, Kenntnisse und Potenziale

gewonnen werden können. Betrug die BewerberInnenzahl für Physiotherapie im Jahr

2010 an der FHCW 1289 Personen so lag sie 2016 bereits bei 1441 BewerberInnen, was

einer 12% Steigerung entspricht. Von diesen 1441 absolvierten 500 Studien-

anwärterInnen den schriftlichen Aufnahmetest positiv und wurden zu einem Bewerbungs-

gespräch und dem praktischen Berufseignungstest eingeladen (Inzinger, 2016, S. 3f).

Derzeit stehen 115 Studienplätze zur Verfügung, wobei das Verhältnis der Studienplätze

zu BewerberInnen etwa 1:11 beträgt.

Das Bewerbungsgespräch stellt innerhalb der Studienrichtung Physiotherapie ein

zentrales Element des Aufnahmeverfahrens dar. Motive der Berufswahl, Interessen,

Einstellungen und Leistungsbereitschaft, sprachliche Fertigkeiten und Kontaktverhalten

3

sowie die Frage der Person-Organisation-Passung werden bewertet (FH Campus Wien,

2016, o.S.).

2015 wurde das Bewerbungsgespräch kompetenzorientiert und in Hinblick auf berufs-

relevante Persönlichkeitsmerkmale überarbeitet und seither in der veränderten Form am

Studiengang Physiotherapie an der FHCW eingesetzt. Basierend auf den Anforderungen

im Studium und Beruf wurden insgesamt 28 Personenmerkmale definiert, welche in ihrer

Bedeutsamkeit für die berufliche Tätigkeit und Veränderbarkeit im Rahmen von Lern-

prozessen von hauptberuflich Lehrenden eingeschätzt wurden (Buresch-Kirner, 2015, S.

14). Damit konnte zwar eine Standardisierung der normativen Grundlagen am Studien-

gang erreicht werden, es bedarf jedoch noch an kritischer Auseinandersetzung mit

wissenschaftlichen Erkenntnissen, um das gesprächsbasierte Auswahlverfahren in seiner

Funktion und Bedeutung für den Studiengang Physiotherapie zu verorten. Daher widmet

sich die vorliegende Arbeit vor dem Hintergrund folgender Fragestellungen dieser

Thematik.

1. Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich Stellenwert, Durchführung

und methodischer Qualität von Bewerbungsgesprächen liegen zur Auswahl von

Studierenden für Gesundheitsberufe vor?

2. Welche Aspekte zur Weiterentwicklung der Bewerbungsgespräche lassen sich für

das Studium der Physiotherapie an der FHCW daraus ableiten?

Um die Fragestellungen zu beantworten, wird methodisch eine systematische Übersicht-

arbeit in Form eines integrativen Reviews gewählt. Hierfür wurde in relevanten Daten-

banken auf der Basis von Einschluss- und Ausschlusskriterien nach Studien recherchiert,

die sich auf wissenschaftlicher Ebene mit Bewerbungsgesprächen als Teil von

Aufnahmeverfahren für akademische Ausbildungen auseinandersetzen.

Daher ist das Ziel der vorliegenden Arbeit durch eine systematische Literaturrecherche

den aktuellen Forschungsstand zu Bewerbungsgesprächen zusammenzutragen, um

darauf aufbauend wissenschaftliche Positionen zu kontrastieren und Handlungs-

empfehlungen zur Weiterentwicklung der Bewerbergespräche für den Studiengang

Physiotherapie an der FHCW abzuleiten.

4

Entsprechend der Zielsetzung der Arbeit erfolgt in einem ersten Schritt eine

Beschreibung des Bewerbungsgespräches als Instrument zur Erfassung der Studien-

eignung (Kapitel 2). Dabei wird auf die Funktion, Rolle und Methoden der Studierenden-

auswahl in der Hochschulzulassung eingegangen und die Gütekriterien von Auswahl-

instrumenten werden beleuchtet. Im Kapitel 3 wird das Auswahlverfahren von Studien-

anwärterInnen für den Studiengang Physiotherapie an der FHCW thematisiert, in dessen

Zentrum die Auseinandersetzung mit dem Bewerbungsgespräch steht. Das methodische

Vorgehen wird im 4. Kapitel beleuchtet und gibt Aufschluss über die Identifizierung,

Auswahl und Aufbereitung der eingeschlossenen Publikationen. In einem nächsten

Schritt erfolgen die Darstellung und Beschreibung der Ergebnisse (Kapitel 5), indem die

konkreten Studien vorgestellt und zusammengefasst werden. Eine argumentative

Gegenüberstellung wissenschaftlicher Positionen bildet den Ausgangspunkt einer

diskursiven Auseinandersetzung mit den Erkenntnissen (Kapitel 6) und mündet in eine

abschließende Conclusio (Kapitel 7).

5

2. DAS BEWERBUNGSGESPRÄCH ALS INSTRUMENT ZUR

ERFASSUNG DER STUDIENEIGNUNG

Unter einem Einstellungsinterview ist eine Gesprächssituation zwischen zwei oder

mehreren Personen – RepräsentantIn der auswählenden Organisation einerseits und

StellenbewerberInnen andererseits – zu verstehen, die Gelegenheit zum Austausch

bewerbungsrelevanter personen-, arbeits- und organisationsbezogener Informationen

bietet und damit als Grundlage für Auswahlentscheidungen seitens der Organisation und

der Organisationswahl seitens des Bewerbers dient (Schuler, 2002, S. 1). Das Interview

kann am Beginn eines Auswahlprozesses als Vorselektion, als Teil eines Assessment-

Centers oder am Ende einer Reihe von erfolgreich absolvierten Tests angesiedelt sein

(Schuler, 2014, S. 277).

Die Bezeichnungen Einstellungs- und Aufnahmeinterview, Auswahl-, Vorstellungs- und

Bewerbungsgespräch werden in der Literatur als Synonyme verwendet. Akzentuierende

Unterschiede liegen darin, dass ein Einstellungsinterview oder ein Interview durch eine

Systematik gekennzeichnet ist, unter Auswahlgespräche auch gänzlich unsystematisch

ablaufende Interaktionen verstanden werden und Vorstellungsgespräche verstärkt die

Seite der BewerberInnen betonen (Schuler, 2002, S. 2). Im Rahmen der Hochschul-

zulassung werden Auswahl- respektive Bewerbungsgespräche jedoch überwiegend nach

festgelegten Kriterien durchgeführt (Lewin, 2001, S. 3).

Bewerbungsgespräche nehmen in der Auswahl und Zulassung von potentiell Studieren-

den eine zentrale Rolle ein, stellen jedoch nur eines von vielen Verfahren dar. Im

folgenden Kapitel wird daher aufbauend auf der Funktion von Auswahlverfahren,

zunächst die Vielfalt an Methoden zur Selektion von StudienbewerberInnen skizziert, um

danach auf die Rolle des Auswahlgespräches im Rahmen der Hochschulzulassung

einzugehen.

2.1. Zur Funktion von Studierendenauswahlverfahren

StudienplatzanwärterInnen wie Hochschulen haben gleichermaßen Interesse daran, die

am besten geeigneten Personen mit den gewünschten Qualifikationen auszuwählen. So

wirkt sich eine erfolgreiche Auswahl von Studierenden nach Schuler & Hell (2008) positiv

auf das Leistungsverhalten, die Zufriedenheit, das Wohlbefinden und bessere Noten aus.

6

Ebenso werden kürzere Studienzeiten und geringere Studienabbruchquoten erreicht.

Valide Zulassungsverfahren sind somit in der Lage, Studienplatzkosten für sowohl für

Studierende wie für Hochschulen zu senken. Darüber hinaus können sie nach Schuler &

Hell (2008) die Arbeitsmarktchancen von Absolventen steigern, zu einer höherwertigen

Beschäftigung der ehemaligen Studierenden führen und so bis in die Erwerbsjahre hinein

wirken, indem sie zu einer größeren individuellen beruflichen Passung verhelfen. Hoch-

schulen verfügen über die Möglichkeit, durch die Gestaltung von Zulassungsverfahren

national und international ihre Konkurrenzfähigkeit zu erhöhen. Strenge Auswahl- und

Zulassungsverfahren können auch zu einer höheren Reputation der Hochschule führen.

Die gegenseitige Auswahl von Studierenden und Hochschulen weist ebenso einen

gesellschaftlichen Nutzenaspekt auf, als eine verbesserte Zuweisung von Talenten zu

Ausbildungsmöglichkeiten zu einer besseren Nutzung und Förderung geistiger Potentiale

führt (Schuler & Hell, 2008, S. 11).

Hochschulen sollten StudienanwärterInnen möglichst vollständig über die eingesetzten

Auswahlverfahren informieren, insbesondere dann, wenn BewerberInnen die Wahl

zwischen mehreren Hochschulen haben (Schuler & Hell 2008, S. 12). Die Verfahren

sollten einen starken Bezug zu den Anforderungen der Studienfächer haben. Eine höhere

Wertschätzung des Auswahlverfahrens sowie der Hochschule wird nach Schuler & Hell

(2008) durch die Transparenz und die Nachvollziehbarkeit der Auswahlprozedur inklusive

der Einzelverfahren erreicht.

Eine zentrale Aufgabe bei der Auswahl von Personen ist das Erstellen eines detaillierten

Anforderungsprofils, das die wesentlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten

beschreibt, die zur erfolgreichen Ausführung der jeweiligen Tätigkeit erforderlich sind.

Maßgeblich für das Erstellen eines Anforderungsprofils ist eine umfassende Analyse der

Tätigkeiten. Auf deren Basis, kann eine geeignete Selektionsmethode ausgewählt oder

entwickelt werden, um diese grundlegenden Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zu

messen oder zu beobachten (Mayrhofer et al., 2015, S. 295). Bezogen auf die Auswahl

von Studierenden gilt es, studiumsrelevante Prädikatoren zu definieren, die eine Erfolgs-

prognose erlauben, also jene BewerberInnen aufzunehmen, die zufriedenstellende

Prüfungsleistungen, Einhaltungen der Mindeststudiendauer, ausgewogene Studieren-

denzufriedenheit oder einen positiven Studienabschluss erwarten lassen (Schuler & Hell,

2008, S. 15).

7

2.2. Methoden zur Studierendenauswahl

Auswahlmethoden können nach Schuler et al. (2014) in drei Kategorien, biographie-

orientierte, eigenschaftsorientierte und simulationsorientierte Verfahren eingeteilt werden,

wobei den biographieorientierten Verfahren, und hierbei insbesondere dem Bewerbungs-

gespräch aufgrund seiner Bedeutung für die Forschungsfragen zentrales Gewicht

beigemessen wird. Alle Auswahlgespräche verfolgen das Ziel, die besten BewerberInnen

für die angestrebte Ausbildung auszuwählen. Neben den intellektuellen Fähigkeiten

kommt der Erfassung sozialer Kompetenzen im Auswahlprozess immer mehr an

Bedeutung zu.

Biographieorientierte Verfahren gehen davon aus, dass vorangegangene Leistungen

oder Verhalten einen Rückschluss auf zukünftiges Leistungsverhalten erlauben. Neben

der Prüfung von Bewerberunterlagen auf Vollständigkeit (Mayrhofer et al., 2015, S. 301f),

zählt das Vorstellungsgespräch zu den bekanntesten biographieorientierten Verfahren.

Diese werden nach ihrem Strukturiertheitsgrad unterschieden. Das unstrukturierte

Interview gibt keine Fragen vor, während das vollstrukturierte Gespräch sich durch

vorgegebene Fragen- und Antwortkategorien auszeichnet. Beim teilstrukturierten

Interview liegt ein Leitfaden vor, dessen Fragen sich aus dem Anforderungsprofil ableiten

lassen (Mayrhofer et al., 2015, S. 304). Reimann (2004) beschreibt, dass das Anforde-

rungsprofil alle erforderlichen und wünschenswerten Voraussetzungen und Kompetenzen

einer Person enthält, welche für die angestrebte Ausbildung, den Beruf, und das Berufs-

feld bedeutsam sind. Im Rahmen der Hochschulzulassung betont Tarazona (2006), dass

das Interview strukturiert oder teilstrukturiert sein soll. Verbindliche Kriterien zu den zu

erfragenden Vorinformationen über die KandidatInnen, die zu behandelnden Themen-

bereiche, die Dauer und die zu bewertenden Merkmalsbereiche und die Art des Beurtei-

lungsverfahrens sollen festgelegt sein. Kriterienbereiche, welche das Gesamturteil

stützen, sollen ebenfalls bestimmt werden (Gentsch & Gold 2008, S. 158). Nach

Erstellung aller Gesprächsmodule und Interviewfragen sollte ein Training der Interviewer

erfolgen. Verglichen mit anderen Instrumenten der Personalauswahl, benötigt das

Interview mehr Ressourcen als andere Verfahren, da an jedem Gespräch mehrere

Interviewer beteiligt sind (Schuler & Hell 2008, S. 12).

Bewerbergespräche werden auch dahingehend unterschieden, in welcher Verfahrens-

form und Art der Teilnehmerkombination diese stattfinden. Grundsätzlich werden

Einzelinterviews von Gruppeninterviews differenziert, wobei der Unterschied in der

8

Anzahl der am Gespräch beteiligten Personen liegt. So sind Einzelinterviews (face-to-

face interview) oder auch traditionelle Interviews, Einzelgespräche, bei denen

InterviewerInnen einer Person zu einem ausgewählten Thema standardisierte oder auch

offene Fragen stellen (Weuster, 2008, S. 198). Das bessere Eingehen auf Fragen und

das Beobachten und Ansprechen von nonverbalen Signalen werden unter anderem als

positive Aspekte des Einzelgespräches im Vergleich zu Gruppeninterviews beschrieben.

Im Unterschied zum Einzelinterview fokussiert das Gruppengespräch vor allem auf die

Interaktion der BewerberInnen untereinander und wird im Bewerbungsprozess dann als

Methode herangezogen, wenn eine hohe Anzahl an BewerberInnen zu testen ist. Eine

Sonderform des Gruppeninterviews ist das Panelinterview. Dabei werden BewerberIn-

nen von einer Gruppe von Interviewern (Panel), bestehend aus mindestens zwei bis fünf

Personen, befragt. Dieses Gremium kann sich aus internen und externen Mitgliedern

unterschiedlicher Funktionen sowie Disziplinen zusammensetzen. Alle Interviewer leisten

einen Beitrag dazu, die Eignung der KandidatInnen auszuleuchten (Dixon et al. 2002, S.

398). Im, von Janz, Hellervik & Gilmoreet 1986 entwickelten, Behavior Description

Interview (BDI) ist das Abfragen des Verhaltens von vergangenen, real erlebten

Problem- und Konfliktsituationen sowie deren Bewältigung Gegenstand des Gespräches

(Werkmann-Karcher & Rietiker, 2010, S. 231). Eine weitere Form des Interviews stellt

das von Latham, Saari, Pursell & Campion, 1980 entwickelte Situative Interview (SI)

dar. Hierbei nehmen die gestellten Fragen auf konkrete Problemsituationen Bezug, wobei

bei der Beantwortung dieser die BewerberInnen gefordert sind, ihr mögliches Verhalten

zur Bewältigung der angenommenen Situation darzulegen. Im Unterschied zum BDI

müssen die Situationen beim SI selbst nicht erlebt worden sein (McDaniel et al., 1994, S.

608). Im Multimodalen Interview, welches von Schuler 1992 entwickelt wurde, wird das

Vorgehen des BDI mit dem SI kombiniert. Das Verfahren umfasst acht Stufen, wobei fünf

davon der diagnostischen Urteilsbildung dienen, die verbleibenden drei Stufen auf den

Interaktionsprozess und dem freien Gesprächsverlauf fokussieren (Schuler, 2014, S.

286f). Im Multiplen Mini-Interview (MMI), welches an der McMaster University in

Canada speziell für die Auswahl von Personen medizinischer Berufe entwickelt wurde,

werden neben klassischen Elementen in den Auswahlgesprächen Rollenspiele und

gestellte Szenarien eingebaut, in denen die BewerberInnen Aufgaben bewältigen und

dabei beobachtet und bewertet werden. Der Hauptfokus dabei liegt in der Ermittlung

nicht-kognitiver Eigenschaften, wie dem kritischen Denken, der ethisch-moralischen

Entscheidungsfähigkeit, der Selbstreflexion, der Kommunikation, der kulturellen

Kompetenz und dem Einfühlungsvermögen (Eva et al., 2004, S. 40). Die Testung erfolgt

9

in einem zeitlich limitierten Rotationsprinzip, indem BewerberInnen in unterschiedlichen

Räumen von einem/einer oder mehreren InterviewerInnen getestet werden.

Im Unterschied zu Auswahlgesprächen stellen Schulabschlussnoten trotz Kritik an ihrer

Vorhersagekraft für den Studienerfolg nach wie vor das häufigste Einzelkriterium dar,

welches zur Auswahl von Studierenden herangezogen wird (Hell et al. 2007, S. 11). So

spiegeln Schulabschlussnoten Fähigkeiten und Fertigkeiten wider, die sowohl für gute

Schulnoten als auch für gute Studiennoten relevant sind, wie beispielsweise kognitive

Leistungsfähigkeit, Lernbereitschaft, Leistungsmotivation, Fleiß, Konzentrationsfähigkeit

und sprachliche Ausdrucksfähigkeit (Arnold & Hachmeister, 2004, S. 9; Hell et al. 2007,

S. 24). Arnold & Hachmeister (2004) weisen in ihrer Publikation darauf hin, dass Schul-

noten einen Hinweis auf das erreichte Leistungsvermögen bzw. auf den Wissensstand

geben und als Maß für die intellektuelle Leistungsfähigkeit gelten. Aus Sicht der Autoren

kommen der Gesamtnotendurchschnitt, einzelne Fachnoten oder eine Kombination aus

relevanten Fachnoten oder belegten Kursen als Auswahlkriterien in Betracht. Schul-

zeugnisse dokumentieren nach Kasper & Mayrhofer (2009) die erreichten Leistungen des

Bildungssystems, wobei die Noten nur teilweise direkt vom Leistungsverhalten der

SchülerInnen abhängen, da die Leistungsnormen je nach Schule und Lehrperson

variieren. Die Aussagekraft von Schulnoten ist bei BerufseinsteigerInnen höher, mit

zunehmender Berufserfahrung sinkt jedoch deren Bedeutung (Kasper & Mayrhofer, 2009,

S. 390).

Bei den eigenschaftsorientierten Verfahren werden validierte psychologische Tests,

bezogen auf eine bestimmte Altersgruppe, eingesetzt. Eigenschaftsorientierte Verfahren

werden in kognitive Fähigkeitstest (Intelligenztest), welche die maximale Leistung eines

Individuums messen, und persönlichkeitsorientierte Verfahren (Persönlichkeitstest),

welche den Menschen in seinem Wesen erkunden und das (zukünftige) Verhalten

messen, eingeteilt (Schuler et al., 2014, S. 173).

Hell et al. (2007) beschreiben, dass Studierfähigkeitstests Verfahren darstellen, welche

wesentliche kognitive Fähigkeiten erfassen sollen, die zur erfolgreichen Bewältigung

eines Studiums notwendig sind (Hell et al. 2007, S. 252). Die Trainierbarkeit der

Aufgabenbewältigung innerhalb von Studierfähigkeitstest wird als gering eingeschätzt.

Nach Uthmann (2009) beschreiben allgemeine Studierfähigkeitstests kognitive Studien-

voraussetzungen. Im Vergleich dazu verfolgen spezifische Studierfähigkeitstests die

Erfassung von bestimmten Fähigkeiten, die für eine bestimmte Fachrichtung notwendig

10

sind. Nach Trost (2003) geben studienfeldspezifische Studierfähigkeitstests zwar

Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Studienabschlusses, vernach-

lässigen jedoch nicht-kognitive Fähigkeiten. Vor diesem Hintergrund sollten Studierfähig-

keitstests als auch Schulnoten lediglich zur Vorselektion von Bewerbern dienen (Arnhold

& Hachmeister, 2004, S. 10).

Simulationsorientierte Verfahren orientieren sich an typischen Situationen, die für die

jeweilige Stelle aussagekräftig sind. Bewerber werden mit dem Berufsalltag konfrontiert

und dahingehend geprüft, wie sie die jeweilige Situation bewältigen (Kanning & Schuler,

2014, S. 215). Kritiker äußern ihre Bedenken dahingehend, ob Personen zukünftig in der

Lage sein werden, das in der Auswahlsituation Geleistete, auch im späteren Tätigkeits-

alltag wiederzugeben (Nerdinger et al. 2011, S. 228).

2.3. Gütekriterien von Auswahlinstrumenten

Verfahren der Personalauswahl sind Messverfahren, die eine Trennung zwischen

geeigneten und nicht geeigneten BewerberInnen zulassen (Weuster, 2008, S. 14). So

wie jede wissenschaftliche Messmethode müssen auch Auswahlverfahren in der Hoch-

schulzulassung bestimmten Gütekriterien genügen. Objektivität, Reliabilität und Validität

sind zentrale Beurteilungskriterien der Eignungsdiagnostik und werden im Folgenden

allgemein und im Bezug zu den zentralen Forschungsfragen dargestellt.

2.3.1. Objektivität

Die Objektivität eines Tests ist gegeben, wenn Ergebnisse eines Tests unabhängig von

den Untersuchenden gewonnen werden (Schuler, 2002, S. 16). Vollständige Objektivität

liegt vor, wenn ein Verfahren unabhängig von der Anwendung und Auswertung, zu den

gleichen Messergebnissen führt (Kasper & Mayrhofer 2009, S. 386).

Der Durchführungsobjektivität kommt im Auswahlprozess besondere Bedeutung zu. Um

diese zu gewährleisten, ist bei der Durchführung von Tests, insbesondere bei

Bewerbungsgesprächen, darauf zu achten, dass sich untersuchende Personen konstant

gleich verhalten, um keine Verhaltensvariationen der ProbandInnen zu bewirken

(Schuler, 2002, S. 16). Auch die Gestaltung des Raumes und der Zeit sind Bestandteil

der Durchführungsobjektivität und bestmöglich zu standardisieren.

11

Im Zusammenhang mit Aufnahmegesprächen und deren Urteilsbildung ist weiters die

Interpretationsobjektivität von Relevanz. Diese ist gegeben, wenn BeurteilerInnen aus

den vorliegenden Ergebnissen die gleichen Schlussfolgerungen ziehen können. Nach

Schuler (2002) steigt die Objektivität mit dem Strukturiertheitsgrad und erreicht bei

standardisierten Interviews Werte von r=0,70, während bei völlig frei geführten Interviews

der Korrelationskoeffizient bei rund r=0,30 liegt.

Im Hinblick auf die Maturanoten referiert Seibert (2008) darüber, dass BewerberInnen mit

den besten Maturanoten nicht zwangsläufig auch die Besten für den angestrebten Beruf

seien. Problematisch an der Verwendung der Maturanote als Auswahlkriterium ist ihre

geringe Objektivität. Diese begründet sich nach Seibert (2008) darin, dass intransparente

Leistungs- bzw. Notenstandards, die zwischen Lehrern, Schulen, Schulformen und

Bundesländern bestehen, eine mangelnde Vergleichbarkeit der Noten zur Folge haben.

2.3.2. Reliabilität

Ein Verfahren der Personalauswahl misst genau, wenn es zwischen geeigneten und

weniger geeigneten BewerberInnen unterscheiden kann, indem vorhandene Einungs-

unterschiede zwischen den BewerberInnen erfasst werden (Weuster, 2008, S. 13). Ein in

Frage kommendes Eignungskriterium muss bei allen BewerberInnen unabhängig von

Geschlecht, Herkunft, Ethnie oder Alter gleich gut messen. Im Zusammenhang mit der

Reliabilität ist die Normierung eines Tests oder Auswahlinstruments zu nennen. Dies

bedeutet, dass Vergleichsdaten vorliegen, die eine Einordung der Messwerte in Bezug

auf die Grundgesamtheit ermöglichen. Bei Personalauswahlverfahren ist in Hinblick auf

die Messgenauigkeit zu erwähnen, dass sich Personen über einen bestimmten Zeitraum

hinweg nicht konstant gleich verhalten.

Bei der Durchführung von Messerverfahren oder Bewertungen von Menschen ist eine

hinreichende Objektivität eine Voraussetzung für die Reliabilität. Bei Vorstellungs-

gesprächen seien laut Weuster (2008) Objektivität und Reliabilität nicht voneinander zu

trennen, da die interviewende Person selbst das Messinstrument ist. Die individuelle

Urteilsstabilität der einzelnen BeurteilerInnen (Intrarater-Reliabilität) liegt vor, wenn ein/e

InterviewerIn in den Gesprächen gleiche Fragen stellt und gleiche Informationen bei

verschiedenen BewerberInnen gleich bewertet. Interrater-Reliabilität ist gegeben, wenn

verschiedene BeurteilerInnen gleiche Informationen erheben und dies bei gleichem Inhalt

gleich bewerten.

12

Ergebnisse der Untersuchungen von Trost & Haase (2005) zur Objektivität und

Reliabilität des Auswahlgespräches weisen nur mäßige Kennwerte der Übereinstimmung

auf. Arnhold & Hachmeister (2004) zeigen jedoch, dass Interviews durch eine Strukturie-

rung, also durch Vorgaben von Fragen, wie bereits im Kapitel 2.3.1. erwähnt, erhöht

werden können. Je stärker vorformuliert und je systematischer die Fragen auf das

Anforderungsprofil abgestimmt sind, desto geringer ist die Anfälligkeit für Fehlinter-

pretationen und Wahrnehmungsverzerrungen und desto höher ist die Vergleichbarkeit

der KandidatInnen (Kasper & Mayrhofer, 2009, S. 391).

Weuster (2008) weist darauf hin, dass zur Sicherung der Reliabilität bei Auswahl-

verfahren die Geheimhaltung der Inhalte von wesentlicher Bedeutung ist, damit eine

gezielte Vorbereitung durch die BewerberInnen nicht möglich ist. Grundsätzlich ist davon

auszugehen, dass reliable Tests eine gewisse Resistenz gegenüber Trainingseffekten

aufweisen (Weuster, 2008, S. 14).

2.3.3. Validität

Unter Validität eines Verfahrens ist die Genauigkeit oder Tauglichkeit einer Messung zu

verstehen. Als zentrales Merkmal der Testtheorie stellt Validität eine notwendige Voraus-

setzung dar, um die Ausprägung eines geprüften Merkmals zu beurteilen und dadurch

zukünftiges Verhalten zu prognostizieren (Weuster, 2008, S. 14).

Ein Berufseignungstest für zukünftige Studierende ist valide, wenn er die Eignung für

einen bestimmen Beruf misst. Dies wird dann erreicht, wenn Personen, die den Test gut

bestanden haben, die angestrebte Ausbildung mit gutem Erfolg abschließen und jene

Personen, welche aufgrund schlechterer Testergebnisse ihren Berufswunsch realisieren,

das Studium mit nur geringem Erfolg abschließen werden (Weuster, 2008, S. 14).

Die Validität wird durch Validitätskoeffizienten ausgedrückt, welches ein Korrelationsmaß

für die Stärke des Zusammenhanges zwischen einem Auswahlkriterium und einer

zukünftigen Anforderung darstellt. In der Personalauswahl liegen die Werte einzelner

Auswahlinstrumente selten über r=0.50 (Weuster, 2008, S.14).

Für die personale Eignungsdiagnostik ist die prognostische (prädiktive) Validität

bedeutsam. Diese ist gegeben, wenn eine signifikante Korrelation zwischen einem Test-

ergebnis und einem zeitlich später auftretenden Kriterium besteht. Bezogen auf das

13

Auswahlverfahren sind Verfahren notwendig, die es zulassen, zukünftige Leistungen und

andere Größen vorherzusagen. Je höher die prognostische Validität eines Auswahl-

verfahrens ist, umso höher wird sein praktischer Nutzen eingeschätzt (Weuster, 2008, S.

14).

Weuster (2008) weist darauf hin, bei der Personalauswahl mehrere Auswahlinstrumente

einzusetzen. Der Zuwachs an Validität, der durch die Verwendung eines zusätzlichen

Instruments entsteht, wird als inkrementelle Validität bezeichnet. Laut Hell et al. (2007) ist

die inkrementelle Validität von Auswahlgesprächen im Vergleich zu Schulnoten und

Leistungstests als eher gering zu bewerten.

Die soziale Validität von Auswahlverfahren richtet den Fokus darauf, in einem Auswahl-

prozess die Interessen der BewerberInnen besser zu beachten. Darunter sind nach

Weuster (2008) die Akzeptanz und das Erleben eignungsdiagnostischer Situationen

durch die BewerberInnen zu verstehen.

2.3.4. Zur Güte von Auswahlinstrumenten in der Hochschulzulassung

Bezogen auf das Auswahlgespräch konnte in mehreren Untersuchungen im Rahmen

beruflicher Eignungsdiagnostik das Ausmaß der Strukturiertheit von Interviews als

wichtiger Moderator für die diagnostische Qualität des Verfahrens dargestellt werden.

Eine Metaanalyse von Hell et al. (2007) konnte die Moderatorwirkung des Strukturiert-

heitsgrades bezüglich der prognostischen Validität von Interviews auch für den Kontext

der Studieneignung belegen. Demnach erweisen sich strukturierte Interviews in ihrer

Vorhersagekraft für den Studienerfolg im Vergleich zu unstrukturiert durchgeführten

Gesprächen als deutlich überlegen und liegen beim standardisierten Interviews nach

Kasper & Mayrhofer (2009) bei 0,40. Aufgrund der schwachen Prognosekraft von

unstrukturierten Auswahlgesprächen, bezeichnen Gentsch & Gold (2008), diese als

unbrauchbar. Bezüglich der sozialen Validität fordern Schuler & Hell (2008) für den

Hochschulbereich, StudienbewerberInnen vorab über das diagnostische Procedere des

Auswahlverfahrens entsprechend zu informieren. Eine faktorenanalytische Überprüfung

der Bewertung von Verfahren zur Studierendenauswahl durch BewerberInnen zeigte,

dass die Validität des Auswahlgespräches eher gering eingeschätzt wird. So empfinden

StudienanwärterInnen das Interview zwar als nützlich, persönlich, informativ und zeit-

gemäß, jedoch als weniger eindeutig, plausibel und fair (Schuler & Hell, 2008, S. 11ff).

14

Persönlichkeitstests als eine Methode zur Auswahl von Personen (siehe Kapitel 2.2.)

beruhen in hohem Maße auf Selbstberichten der betroffenen Person. Kritiker äußern

gegenüber dem Einsatz dieses Verfahrens starke Skepsis insofern, als das Verhalten von

Personen insbesondere von BewerberInnen in Auswahlsituationen verfälscht werden

kann, indem Stärken übertrieben und Schwächen verleugnet werden. Aktuelle

Forschungsergebnisse zeigen auf, dass sich durch die Bewerbungssituation die Mittel-

werte von Persönlichkeitsvariablen zwar in Richtung sozialer Erwünschtheit verändern,

die Höhe der Interkorrelationen der Persönlichkeitsdimensionen als Maß für die

Konstruktvalidität aber davon nicht beeinflusst wird (Blickle, 2011, S. 117). Ebenso würde

eine Kombination von Testverfahren mit Verfahren, die „eine geringe Anfälligkeit für

Verzerrungstendenzen nach oben haben, [wie] Intelligenztests oder strukturierte

Auswahlinterviews“ (Blickle, 2011, S. 117), die Kriterienvalidität positiv begünstigen. Bei

Auswahlinterviews, die ebenfalls ein erwünschtes Antwortverhalten begünstigen, könne

der Gefahr der Verfälschung durch geeignete Vorgangsweisen in der Gesprächsführung,

die verstärkt situative Fragen oder konkrete Handlungsstrategien einfordern, begegnet

werden (Heine et al., 2006, S. 23). Der damit einhergehenden negativen Konnotation von

sozialer Erwünschtheit als Verfälschung oder Verzerrungstendenz widerspricht Marcus

(2003). Er plädiert für den wertfreien Begriff der „Selbstdarstellung“ (Marcus, 2003, S.

139) als „Ausdruck einer durchaus legitimen Interaktionsregulation […] im Sinne einer

(sozial) intelligenten Anpassung an die Erfordernisse der Situation“ (Marcus, 2003, S.

144). Damit würde eine gezielte, sozial erwünschte Selbstdarstellung bei Auswahl-

verfahren durch BewerberInnen, wie dem strukturierten Interview, zu einer Steigerung der

kriterienbezogenen Validität führen.

Die Maturadurchschnittsnote gilt trotz der angezweifelten Vergleichbarkeit als der

valideste Einzelprädiktor für den Studienerfolg. Kritiker bemängeln an den Maturanoten

als Auswahlkriterium zur Studienzulassung die fehlende Spezifität im Hinblick auf die

Anforderungen einzelner Studiengänge. Angesichts der guten Validität und der günstigen

und einfachen Einsetzbarkeit wäre es daher sinnvoll, Schulnoten bei der Auswahl von

StudienplatzwerberInnen zu berücksichtigen (Hell et al. 2007, S. 25). Für Arnold &

Hachmeister (2004) stellt jedoch der Gesamtnotendurchschnitt des Schulabschluss-

zeugnisses den Prädiktor mit der höchsten Validität bezogen auf den Studienerfolg dar.

Demgegenüber zeigen Teilnoten oder eine Kombination aus verschiedenen Teilnoten nur

eine niedrige prognostische Validität auf. Verglichen mit anderen Methoden zur Auswahl

von Personen zeigen Schulnoten in der Gesamtbewertung eine Validität von 0,15,

welche als sehr gering eingeschätzt werden kann (Schuler, 2000, S. 165).

15

Studierfähigkeitstests zeigen im Hinblick auf die erfolgreiche Bewältigung eines

Studiums eine hohe prognostische Validität und erreichen Werte zwischen 0,4 und 0,6

und liegen dabei annähernd gleich oder im Einzelfall sogar höher als die prognostische

Validität von Maturanoten (Heine et al. 2006, S. 14). Im Vergleich zu Schulschlussnoten

ist die Prognosekraft von Studierfähigkeitstests laut Trost (2003) hingegen geringer,

weshalb die Kombination von Schulschlussnoten und dem Ergebnis eines Studierfähig-

keitstests zu einer deutlichen Erhöhung der Vorhersagegenauigkeit führen soll. Ebenso

kann die inkrementelle Validität von fachspezifischen Studierfähigkeitstests durch gleich-

zeitige Berücksichtigung von Maturanoten erhöht werden (Hell et al 2007, S. 263).

2.4. Rolle des Auswahlgespräches in der Hochschulzulassung

International haben Auswahlgespräche im Rahmen der Hochschulzulassung eine lange

Tradition, verglichen dazu fanden sie im deutschsprachigen Raum – ausgenommen der

medizinischen Disziplinen sowie im privaten Hochschulbereich – in der Vergangenheit

kaum Verwendung (Gentsch & Gold, 2008, S. 157). In einer Metaanalyse von Hell et al.

2007 wird aufgezeigt, dass Interviews erst in den letzten Jahren auch in anderen

Disziplinen zur Erfassung der Studieneignung eingesetzt werden.

Bisherige Erfahrungen mit Interviews in der Hochschulzulassung sind gemischt.

Skeptiker bemängeln die Objektivität des Auswahlgespräches für die Eignungs-

bewertung, seien doch die Ergebnisse in hohem Maße abhängig von der Person des

Interviewers (Gentsch & Gold, 2008, S. 157). Ebenso wird die Validität von Auswahl-

gesprächen als eher gering eingeschätzt, wie im vorigen Kapitel aufgezeigt.

Befürworter des Auswahlgespräches betonen die persönliche Begegnung zwischen

StudienanwärterInnen und den Vertretern der Hochschule als zentrales Qualitäts-

kriterium. Nach Gentsch & Gold (2008) können individuelle Studien-voraussetzungen, wie

die Belegung bestimmter studienfachrelevanter Unterrichtsfächer in der Oberstufe sowie

extracurriculare Aktivitäten, auf diese Weise besser ausgelotet werden. Die BewerberIn-

nen können darüber hinaus Informationen zum Studium und zum Hochschulstandort

einholen und falsche Vorstellungen diesbezüglich korrigieren. Eine bessere Informiertheit

der StudienanfängerInnen konnte von Lewin (2004) als positiver Aspekt in der

Anwendung von Auswahlgesprächen nachgewiesen werden (Tarazona 2006, S. 77f).

16

Eine Studie von Rindermann & Oubaid (1999) stellte fest, dass sich durch Auswahl-

gespräche zugelassene BewerberInnen durch eine hohe Motivation auszeichnen und

sich selbst als interessierter, kooperativer und sozial kompetenter einschätzen. Ebenso

bestanden auf diesem Wege zugelassene Studierende in gleichem Umfang ihre

Prüfungen wie die nach HZB-Note1 und Testergebnis Ausgewählten. Basler et al. (1992)

zeigten auf, dass über Auswahlgespräche zugelassene Studierende eine signifikant

höhere Motivation und Identifikation mit der Universität aufweisen als jene aus der Test-

Matura-Quote.

In der Pilotstudie von Gentsch & Gold (2008, S. 165) wird aufgezeigt, dass bei der

Analyse der ersten Studienleistungen Studierende, welche durch das Auswahlgespräch

selektiert wurden, sich nicht von der Gruppe der Maturabesten unterscheiden, aber

deutlich bessere Leistungen erreichen als durch Wartezeit und im Nachrückungs-

verfahren zugelassene Studierende.

Bislang wurde die Perspektive der BewerberInnen für einen Studienplatz vernachlässigt.

Die Studie von Hell & Schuler (2005) bietet durch die Einschätzung der Auswahlverfahren

durch Studierende eine neuartige Perspektive bei der Auswahl von BewerberInnen. Die

Ergebnisse zeigen, dass auf den ersten drei Rängen die Verfahren Studierfähigkeitstests,

strukturiertes und anforderungsbezogenes Auswahlgespräch sowie Schulnoten

rangieren. Sie gehören zu den validesten Prädiktoren für den Studienerfolg und werden

Hochschulen zur Auswahl von Studierenden empfohlen (Hell & Schuler, 2005, S. 11). Als

strukturiertes Auswahlgespräch wird dabei ein Gespräch verstanden, welches einheitlich

und in einer vorbestimmten Abfolge von Fragen oder Themenbereichen abgehalten wird.

Anforderungsbezogene Gespräche beruhen auf einer Anforderungsanalyse und unter-

scheiden sich von frei geführten Bewerbungsgesprächen (Hell & Schuler, 2005, S. 4).

Tarazona (2006) stellte fest, dass Studierende bei der Beurteilung verschiedener

Auswahlinstrumente am ehesten Auswahlgespräche und studienfachspezifische

Wissensfragen als sinnvoll beurteilen, wobei Maturanoten sich hingegen im mittleren

Bereich platzieren. „Die gute Akzeptanz der Auswahlgespräche wird von Interview-

teilnehmern bzw. Studierenden aus Studiengängen mit Zulassung über Gesprächsquoten

bekräftigt, die sich im Allgemeinen positiv zu Interviews äußern“ (Tarazona, 2006, S. 80).

1 Durchschnittsnote der Hochschulzugangsberechtigung

17

Im Kapitel 2 wurde deutlich, dass es diskrepante Meinungen darüber gibt, inwieweit

Auswahlgespräche eine zuverlässige und geeignete Methode darstellen, um qualifizierte

BewerberInnen und potentiell Studierende aus der Kohorte der StudienplatzwerberInnen

auszuwählen. An der FH Campus Wien finden jährlich Bewerbungsgespräche im

Rahmen des Aufnahmeverfahrens statt, welches im nachfolgenden Kapitel dargestellt

wird.

18

3. AUSWAHL VON STUDIERENDEN FÜR DEN BACHELORSTUDIEN-

GANG PHYSIOTHERAPIE AN DER FH CAMPUS WIEN

Das Ziel des Studienganges Physiotherapie ist es, PhysiotherapeutInnen auszubilden,

die über eine fundierte berufspraktische Handlungskompetenz sowie wissenschaftliche,

sozialkommunikative und Problemlösungskompetenz verfügen. Auf Basis eines

Qualifikations- und Kompetenzprofils werden am Studiengang Physiotherapie an der

FHCW jährlich geeignete BewerberInnen in einem zweistufigen Auswahlverfahren

ausgewählt. In einem ersten Schritt ist ein schriftlicher Test zu absolvieren, BewerberIn-

nen mit positivem Ergebnis durchlaufen in einem zweiten Schritt einen Berufseignungs-

test und werden zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen. Im folgenden Kapitel

werden die Anforderungen und Zugangsvoraussetzungen für das Studium der Physio-

therapie beschrieben und das aktuelle Aufnahmeverfahren sowie das Bewerbungs-

gespräch als zentrale Methode dargelegt.

3.1. Anforderungsprofil und Zugangsvoraussetzungen für Studien-

anwärter und Studienanwärterinnen

Die Physiotherapie arbeitet an der Bewegung des Menschen. Sie richtet den Fokus auf

die Bewegungsfähigkeit und alle Systeme, die diese beeinflussen. Als wichtiger

Bestandteil des Gesundheitswesens orientiert sich die Physiotherapie an den

medizinischen Wissenschaften und den zentralen klinischen Fachbereichen. Das

Studium kombiniert theoretische Grundlagen von Physiotherapie und Medizin mit

praktisch therapeutischen Fächern. Um den Ansprüchen des Berufes gerecht zu werden,

sieht das Anforderungsprofil (siehe Kapitel 2.2.) vor, dass StudienanwärterInnen ein

grundlegendes Interesse für Pädagogik und Psychologie sowie für naturwissenschaftliche

Abläufe und Zusammenhänge in der Medizin und den Bewegungswissenschaften,

insbesondere dafür, wie Bewegung funktioniert, beeinflussbar und zu fördern ist,

mitbringen (FH Campus Wien, 2016, o.S.).

Neben Eignungsmerkmalen, wie der allgemeinen Studierfähigkeit, sind bestimmte

berufsspezifische Persönlichkeitsmerkmale notwendig. Die Arbeit mit gesunden und

kranken Menschen aller Altersstufen erfordert ein hohes Maß an sozialen Kompetenzen,

dabei sind Respekt, Wertschätzung und Empathie zentrale Merkmale im Umgang mit

Menschen. Die Freude, eigenständig mit Personen zu arbeiten, sie zu beraten und zu

19

behandeln, setzt Fähigkeiten wie Toleranz, Hilfsbereitschaft, Anpassungsfähigkeit und

die Bereitschaft für körperliche Nähe voraus. Der Physiotherapeutische Prozess prägt die

Untersuchung, Behandlung und Beratung von PatientInnen und KlientInnen (FH Campus

Wien, 2012, S. 59). Um diese Anforderungen zu bewältigen, sind kommunikative Fähig-

keiten, Strukturiertheit und Reflexionsfähigkeit zentrale personale Voraussetzungen.

Auch Teamfähigkeit und Konfliktfähigkeit sind mitzubringende Eigenschaften und stellen

eine grundlegende Anforderung in der Arbeit mit Gruppen und deren Anleitung dar. Die

eigene körperliche Gesundheit und ein ausgeprägtes Körperbewusstsein sind Vorausset-

zung dafür, um physiotherapeutische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden am

eigenen Körper zu erfahren und an anderen Menschen durchzuführen. Freude an der

Bewegung und daran, diese auch bei anderen Menschen in Gang zu setzen und zu

fördern, sind ebenfalls elementare Bestandteile und notwenige Fähigkeiten.

Zusätzlich zu den berufsspezifischen und gesundheitlichen Eignungsvoraussetzungen

gemäß der FH-MTD Ausbildungsverordnung gelten allgemeine Zugangsvoraussetzungen

und die Bestimmungen des FHStG §4. Dazu zählen die allgemeine Universitätsreife nach

§4 Abs. 3 des FHStG oder die Berufsreifeprüfung oder die Studienberechtigungsprüfung

in den Bereichen Deutsch, Physik 1, Biologie, Chemie 1 oder Mathematik 1,

einschließlich eines Wahlfaches. Relevante einschlägige berufliche Qualifikationen

(Lehrberufsgruppen, berufsbildende mittlere Schulen, Schulen für Gesundheitsberufe und

sonstige Qualifikationen) werden anerkannt. Die geforderte Fremdsprachenkenntnis ist

von den BewerberInnen in Englisch der Niveaustufe 2 nachzuweisen, die Beherrschung

der deutschen Sprache wird vorausgesetzt (FHCW, 2012, S. 163).

3.2. Das Aufnahmeverfahren am Studiengang Physiotherapie der

FHCW im Überblick

Das mehrstufige Aufnahmeverfahren (siehe Abbildung 1) umfasst die persönliche

Bewerbung, den schriftlichen Aufnahmetest, den Berufseignungstest und das

Bewerbungsgespräch. Darüber hinaus wird der Notendurchschnitt des Maturazeugnisses

bzw. ein Äquivalent einbezogen. Ein Leumundszeugnis ist ebenso zu erbringen wie der

Nachweis Erster Hilfe Kenntnisse. Die Erhebung der gesundheitlichen Eignung (EGE)

erfolgt durch ärztliche Begutachtung.

20

Abbildung 1: Aufnahmeprozess im Überblick

Persönliche Bewerbung

Die persönliche Bewerbung erfolgt mittels Online-Bewerbung unter Beifügung eines

ausführlichen Lebenslaufes und eines Motivationsschreibens. Durch den Bewerbungs-

bogen werden erste Informationen – wie persönliche Daten, bisherige Ausbildungen,

besondere Kenntnisse, bisherige Berufserfahrung oder frühere Beschäftigungs-

verhältnisse einschließlich der Dauer – über die Person erfasst. Die Erbringung eines

vollständigen Bewerbungsbogens gilt als Zugangserlaubnis zum schriftlichen Aufnahme-

test (FH Campus Wien, 2012, S. 168).

Schriftlicher Aufnahmetest

Mit dem schriftlichen Aufnahmetest werden wesentliche persönliche Voraussetzungen

der BewerberInnen erfasst, denen in Bezug auf eine erfolgreiche Bewältigung der

Anforderung der Ausbildung und der späteren Berufstätigkeit Bedeutung zukommt.

Gegenstand des schriftlichen Aufnahmetests ist die Überprüfung der grundlegenden

intellektuellen Leistungsvoraussetzungen, des natur- und humanwissenschaftlichen

Allgemeinwissens und das Wissen über den Beruf sowie der berufsrelevanten Persön-

lichkeitsmerkmale. Alle BewerberInnen, die in keinem Testteil unterdurchschnittliche

Leistungen erreichen, verbleiben im Aufnahmeverfahren. Für sie schließen ein Berufs-

21

eignungstest sowie ein Bewerbungsgespräch an. Die nicht qualifizierten BewerberInnen

scheiden aus dem Auswahlprozess aus, da sie das wünschenswerte Leistungs- und

Anspruchsniveau für die Ausbildung und den Beruf nicht nachweisen konnten (FH-

Campus Wien, 2012, S167).

Berufseignungstest

Der Eignungstest dient der Überprüfung und Einschätzung von berufsspezifischen,

psychomotorischen und sensomotorischen Fähigkeiten der BewerberInnen. Darunter

fallen Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Reaktionsvermögen, Beobachtungsgabe,

Koordinationsfähigkeit und Körpergefühl. Die erbrachten Leistungen werden von den

Testpersonen anhand eines Beurteilungsbogens in einer mehrstufigen Ratingskala

erfasst. Alle Daten werden digitalisiert und stehen gegebenenfalls beim Bewerbungs-

gespräch dem/der GesprächsleiterIn zur Verfügung. Im Bewerbungsgespräch kann auf

bereits absolvierte Testabschnitte Bezug genommen werden (FH Campus Wien, 2016,

o.S.).

Bewerbungsgespräch

Das Bewerbungsgespräch (siehe auch Kapitel 2.3.) vermittelt einen ersten Eindruck von

der persönlichen Eignung. Dazu gehören Berufsmotivation, Berufsverständnis,

Leistungsverhalten, sowie die Fähigkeit zur Problemanalyse, -lösung und Reflexion. Die

vorliegenden schriftlichen Unterlagen bzw. die Ergebnisse der vorangegangenen Test-

teile sind Ausgangspunkt für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den BewerberIn-

nen. Es soll im Besonderen die Lernfähigkeit und Lernbereitschaft ausgelotet, der

Ausbildungsmotivation und Berufsmotivation nachgegangen und die persönliche Eignung

(Fähigkeit zur Selbstreflexion, Entwicklungsfähigkeit, Belastbarkeit und Ausdauer) sowie

die mündliche Ausdrucksfähigkeit festgestellt werden. Die Einschätzungen werden von

den gesprächsführenden Lehrenden in einem Beurteilungsbogen dokumentiert (FH-

Campus Wien, 2012, S. 168).

Aufnahme

Die abschließende Reihung der BewerberInnen erfolgt unter Einbeziehung der

Ergebnisse des Berufseignungstests mit einer Gewichtung von 40%, der Durchschnitts-

note des Maturazeugnisses bzw. eines Äquivalents mit einer Gewichtung von 20% und

des Bewerbungsgespräches mit einer Gewichtung von 40%. Die StudienwerberInnen

werden schriftlich von ihrer Aufnahme in Kenntnis gesetzt. Bis zur Erbringung des

22

Leumundszeugnisses, der Erhebung der gesundheitlichen Eignung, dem Nachweis über

Kenntnisse in Erster Hilfe und der Entrichtung des Studienbeitrages sind die Studieren-

den bedingt aufgenommen. Nach Erfüllung aller Anforderungen erfolgen eine endgültige

Aufnahme und die Zuweisung eines Studienplatzes durch die Aufnahmekommission. Um

das Qualitätsprofil des Studienganges zu sichern und das Risiko eines Studienabbruches

zu minimieren vergibt die Aufnahmekommission die Studienplätze anhand einer Ranking-

reihe2, wobei alle Testergebnisse und Bewertungen des gesamten Aufnahmeverfahrens

herangezogen werden (FH Campus Wien, 2012 S. 167f).

3.3. Das Bewerbungsgespräch am Bachelorstudiengang Physio-

therapie der FHCW

Mit 40% Gewichtung nimmt das Bewerbungsgespräch innerhalb des Auswahlverfahrens

einen hohen Stellenwert ein und schließt den Prozess der Bewerbung ab. Im Rahmen

dieses Gespräches wird auf Basis eines Einschätzbogens „durch die abschließende

Klärung einiger grundlegender Eignungsvoraussetzungen, die Eignung der BewerberIn-

nen beurteilt“ (Fischer, 2014, S. 1).

Am Studiengang Physiotherapie werden im Rahmen des Aufnahmeverfahrens jährlich

etwa 500 Bewerbungsgespräche von allen hauptberuflich Lehrenden mit den Bewerbe-

rInnen durchgeführt. Inhaltlich soll im Bewerbungsgespräch am schriftlichen Aufnahme-

test und dem praktischen Berufseignungstest angeknüpft werden, wobei seit 2012 ein

weiteres standardisiertes Instrument, nämlich „FIT für den Beruf – Physiotherapie“ (FIT-

PT), zum Einsatz kommt. Dieser Fragebogen steht interessierten BewerberInnen zur

Selbsteinschätzung ihrer persönlichen Voraussetzungen und Anforderungen für das

Studium und den Beruf Physiotherapie zur Verfügung. Zusätzlich kann eine Fremd-

einschätzung einer selbst gewählten Person eingeholt werden. Der Link dazu befindet

sich auf der Homepage der FH Campus Wien unter der Rubrik „Aufnahme und Zugangs-

voraussetzungen“. Die Bearbeitung des Fragebogens erfolgt auf freiwilliger Basis. Den

BewerberInnen wurde damit eine Gelegenheit geschaffen, unter standardisierten Voraus-

setzungen im Bewerbungsverfahren selbst aktiv zu werden und einen eigenen Beitrag

zur Klärung ihrer Eignung zu leisten. Damit ist es möglich, die Nutzung des Instruments 2 Das Ranking bezieht sich auf die Gruppen der AHS und BHS AbsolventInnen sowie auf KandidatInnen mit

Studienberechtigungsprüfung, mit Berufsreifeprüfung oder mit facheinschlägiger beruflicher Qualifikation.

Innerhalb der Gruppen werden die BewerberInnen auf Grund von deren Ergebnissen aus dem

Aufnahmeverfahren gereiht.

23

und die Auseinandersetzung mit den Ergebnissen zum Gegenstand des Bewerbungs-

gesprächs zu machen (Fischer, 2014, S. 1).

Eine wesentliche Voraussetzung bei den Gesprächsführenden für die Einschätzung der

Eignung der BewerberInnen ist ein klar abgestimmtes Verständnis über mitzubringende

Selbst- und Sozialkompetenzen der Auszubildenden, standardisierte Rahmen-

bedingungen in der Gesprächsführung, eine klar definierte Haltung hinsichtlich der Rolle

der Gesprächsführenden sowie Klarheit über das eigene berufliche Selbstverständis.

Trotz einer jährlichen Vorbereitung auf die Gesprächsführung bestanden Auffassungs-

unterschiede und merkbare Interpretationsspielräume bei den Gesprächsführenden, sei

es hinsichtlich der mitzubringenden Selbst- und Sozialkompetenzen der BewerberInnen,

unterschiedlich lange Erfahrungen in der Durchführung von Bewerbungsgesprächen,

unterschiedliche Gesprächsgestaltungen oder des inhomogenem Rollenverständnisses

bei den Gesprächsführenden (z.B. in der Rolle als PhysiotherapeutIn, Lehrende oder

Erziehende). Vor diesem Hintergrund wurde 2013 das Ressort Aufnahmeverfahren von

der Studiengangsleitung beauftragt, sich dieser Problematik zu widmen. Es wurde ein

Projekt unter der Leitung der Autorin durchgeführt, welches das Ziel verfolgte, unter

Einbeziehung der hauptberuflich Lehrenden die berufsspezifischen Eignungsmerkmale

zu bestimmen und zu bewerten, die der Auswahl und der Ausbildung am Studiengang

Physiotherapie zugrunde gelegt werden sollen (Buresch-Kirner 2015, S. 7). In einem

ersten Schritt sollte durch die Festlegung und Operationalisierung von ausbildungs- und

berufsrelevanten Personenmerkmalen eine Klärung eines gemeinsamen Verständnisses

der grundlegenden Begrifflichkeiten erfolgen. In einem zweiten Schritt galt es, durch die

Einschätzungen der Lehrenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Bedeutsam-

keit dieser Begrifflichkeiten für Studium und Beruf sichtbar zu machen, um darauf

aufbauend in einem abschließenden Schritt zentrale von variablen Merkmalen zu

differenzieren. Als zentral wurden dabei jene Merkmale erachtet, die mehrheitlich als

unabdingbare Voraussetzungen für Studium und Beruf eingeschätzt wurden und durch

die Methode des Bewerbungsgespräches erfasst werden sollten. Variable Merkmale

hingegen stellen eine individuelle Gewichtung dar, welche innerhalb des Bewerbungs-

gespräches aber auch in der Lehre als ergänzende Bereicherung fungieren, sodass ein

gewisser Interpretationsspielraum bestehen blieb. Zur Erreichung des Projektziels

wurden auf Basis der Anforderungen des Studiums und des Berufes 14 Tätigkeitsklassen

gebildet, welche die Zuordnung von relevanten Personenmerkmalen ermöglichte. Auf der

Grundlage von ExpertInnenbefragungen wurden 28 personale Voraussetzungen in Form

von Eigenschaften, Fähigkeiten, Einstellungen und Haltungen zugeordnet, denen für die

24

erfolgreiche Anforderungsbewältigung grundlegende Bedeutung zugemessen wurde. Die

Einschätzungen wurden in einer Arbeit-Personen-Matrix eingetragen und einer

statistischen Auswertung zugeführt (Buresch-Kirner 2015, S. 7). Die Ergebnisse der

Expertenvalidierung stellen eine normative Grundlage für die Auswahl von Studierenden

am Studiengang Physiotherapie dar. Alle Eignungsmerkmale, welche mit der Methode

des Bewerbungsgesprächs erfasst werden können, wurden zur Weiterentwicklung der

Bewerbergesprächsführung 2015 herangezogen, deren zugrundliegender Einschätz-

bogen und Durchführungsmodalitäten im Folgenden dargestellt werden.

3.3.1. Einschätzbogen

Umfasste der Einschätzbogen bis 2015 die zentralen Dimensionen der Berufsmotivation,

respektive des Berufsverständnisses, des Leistungsverhaltens und dessen Entwicklung,

der Problemauseinandersetzung sowie des sozial-emotionalen Verhaltens und der

Selbstpräsentation (Fischer, 2014, S. 2), so wurde dieser im Zuge der Experten-

validierung auf folgende acht studiums- und berufsrelevante Merkmalsdimension

erweitert:

1. Berufsverständnis (Aspekte und Einschätzungen des Berufsbildes Physio-

therapie)

2. Studium und Lernen (Einschätzungen zu Studienanforderungen)

3. Motivation und Anstrengungsbereitschaft (Aspekte der Motivation und Interesse

am angestrebten Beruf)

4. Problemauseinandersetzung (Fähigkeiten zur Problemanalyse und Lösungs-

findung)

5. Sozial- emotionales Verhalten (das Verhalten im Umgang mit Menschen)

6. Körperlichkeit (Aspekte therapeutischer körperlicher Nähe und das eigene Körper-

bewusstsein)

7. Ausdruck und Selbstpräsentation (Rhetorik und das Auftreten)

8. Übergeordnete qualitative Einschätzungen (wie z.B. Frustrationstoleranz,…)

Die Dimensionen des Einschätzbogens spiegeln dabei die 28 Personenmerkmale wider,

welche durch das physiotherapeutische Lehrerkollegium an der FHCW definiert wurden.

Durch diesen Operationalisierungsprozess, welcher anhand einer Faktorenanalyse mit

79,9% erklärter Varianz bestätigt wurde, erfolgte eine bessere Differenzierung hinsichtlich

des allgemeinen und gemeinsamen Verständnisses, was ebenso zu einer spezifischeren

25

Fragemöglichkeit und Einschätzung im Gespräch führte. Alle Merkmalsdimensionen,

ausgenommen Dimension acht, welche optional in Form einer Mehrfachvorgabe ohne

Rangordnung anzukreuzen ist, werden anhand einer fünfstufigen Ratingskala beurteilt.

Eine Gesamteinschätzung der Eignung auf Basis eines Summenscores über die

Dimensionen eins bis sieben sowie ein zusammenfassender Gesamteindruck schließen

die Beurteilung des Bewerbergespräches ab.

Ergänzend zum Einschätzbogen wurde ein umfassendes Manual zur Bewerber-

gesprächsführung (Studiengang Physiotherapie, 2017) entwickelt, welches zum einen

Operationalisierungen der Merkmalsdimensionen in Form von Indikatoren und konkreten

Fragestellungen enthält, andererseits Vorschläge zur Klärung spezifischer Problemfelder

im Gespräch anbietet. Ebenso werden Anregungen zum Umgang des FIT-Tests im

Rahmen des Bewerbergespräches angeboten und konkrete Erläuterungen zur

Ratingskala und dessen Ausprägungen gegeben.

3.3.2. Setting und Durchführung

Die Prozessbeschreibung sieht vor, dass das Bewerbergespräch als Face-to-Face-

Interview zwischen einem/r Lehrenden und zwei BewerberInnen stattfindet. Die

Gesprächsführenden haben für die Vorbereitung, Durchführung und Einschätzung dieser

zwei BewerberInnen eine Stunde Zeit zur Verfügung. Die Vorbereitung beinhaltete das

Durchlesen der Bewerbungsunterlagen mit dem Fokus auf dem Motivationsschreiben,

dem Lebenslauf und der Auswertung des Persönlichkeitsprofils, welches sich aus

verschiedenen Fragen zur beruflichen Alltagsituationen sowie persönlichen Verhaltens-

und Denkmustern aus dem schriftlichen Aufnahmetest zusammensetzt.

Bis zum Projektbeginn waren alle hauptberuflich Lehrenden des Studienganges

eingesetzt, Bewerbergespräche zu führen. Die Anzahl der zu führenden Gespräche war

von persönlichen Ressourcen und denen des Studienganges abhängig. Zur Klärung der

Eignungsvoraussetzungen stand dem Lehrpersonal ein Fragenkatalog zur Verfügung.

Die Gesprächsdauer pro Person betrug in etwa 25 Minuten, wobei die Reihenfolge der

gestellten Fragen nicht vorgegeben war. Die Gespräche fanden in unterschiedlichen

Räumlichkeiten am Studiengang statt. Nach Abschluss des Gespräches wurden beide

BewerberInnen von den GesprächsleiterInnen anhand eines Einschätzbogens beurteilt.

Aufgrund der Zielsetzung und der Ergebnisse des Projekts wurden in den Jahren 2015

bis 2017 hinsichtlich des Gesprächsablaufes und des Settings folgende acht relevante

26

Veränderungen vorgenommen (Studiengang Physiotherapie, 2015, S.1f, Studiengang

Physiotherapie, 2017, S.10f).

1. Lehrende führen aktuell nicht mehr verpflichtend, sondern auf freiwilliger Basis

Bewerbungsgespräche durch. Zudem ist die Tätigkeit nunmehr im Aktivitäten-

rechner verankert. Insgesamt sind für die Durchführung der Bewerbergespräche

17 hauptberuflich tätige Lehrende erforderlich.

2. Alle Gesprächsleitenden nahmen an einer Schulung zur Gesprächsführung teil.

Gegenstand der Schulung war die Klärung der Rolle der Lehrenden im Gespräch,

eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Antwortverhalten der BewerberIn-

nen, eine Schärfung der Beurteilung sowie die Gestaltung eines Gesprächs-

leitfadens, der das Vorgehen im Gespräch regelt. Ein jährlich durchgeführtes

Training dient dabei als qualitätssichernde Maßnahme, um die Gespräche

kompetent zu gestalten, Probleme zu artikulieren, Aspekte der Gesprächsführung

zu vertiefen und KollegInnen, welche in den Prozess neu einsteigen, zu schulen.

3. Das Manual zum Bewerbergespräch regelt die Struktur (teilstrukturiertes

Interview) des Gesprächsablaufes und enthält Vorschläge zur vertiefenden Nach-

frage bei unpräzisen Aussagen oder einseitigen Standpunkten seitens der

BewerberInnen sowie Hilfestellungen, den Redefluss der KanditatInnen

anzuregen. Alle Gesprächsinhalte sind vom Gesprächsführenden in schriftlicher

Form festzuhalten.

4. Es werden pro Gespräch zwei unterschiedliche Einschätzbögen verwendet, die

sich in der Reihenfolge der gestellten Fragen unterscheiden. Die Zuteilung zu den

BewerberInnen erfolgt zufällig, die Reihenfolge der zu erfassenden Dimensionen

ist von allen Gesprächsführenden verbindlich einzuhalten.

5. Treten beim Gespräch Besonderheiten oder Auffälligkeiten auf, so besteht die

Möglichkeit, im Anschluss an das Gespräch mit der Studiengangsleitung Rück-

sprache zu halten.

6. Durch die Art und Weise der Gesprächsführung ist zu gewährleisten, dass

BewerberInnen nicht wegen des Geschlechts, des Alters oder einer Behinderung

Diskriminierung erfahren. Fragen, welche die Würde der BewerberInnen verletzen

oder dies bezwecken, unangebracht oder anstößig sind, sind im Gespräch zu

unterlassen. Darüber hinaus dürfen keine Aussagen getroffen werden, welches

ein einschüchterndes, feindseliges, entwürdigendes, beleidigendes oder

demütigendes Umfeld schafft oder bezweckt.

27

7. Der Einstieg und der Abschluss des Gespräches hinsichtlich des Inhaltes sind

vorgegeben und von allen Gesprächsführenden gleich zu gestalten.

8. Die Gespräche finden in geeigneten Räumen der FH Campus Wien statt, die Art

des Raumes (Büro) und die Gestaltung der Sitzanordnung zwischen dem

Gesprächsführenden und den Bewerbern sind standardisiert.

Damit konnte zwar eine Standardisierung der normativen Grundlagen erreicht werden,

gleichwohl ein individueller Spielraum bei der Durchführung des Bewerbungsgespräches

einerseits und Interpretation bei den Einschätzungen und der Beurteilungen andererseits

vorhanden sind, welche aktuell in Fragen der Identifizierung sozial erwünschtem Antwort-

verhaltens oder des Umganges mit Diversität mündet (Levai, 2017, S. 6ff). Da das

Bewerbungsgespräch studiengangsintern entwickelt worden ist und durch Lehrende des

Studienganges Physiotherapie durchgeführt wird, ist es zwar verbindlich, jedoch grund-

sätzlich in hohem Maß von den Gesprächsführenden abhängig und damit nicht mit einem

objektiven Testverfahren gleichzusetzen. Obwohl die Entwicklung des Bewerbungs-

gespräches auf personaldiagnostischen Grundlagen basiert und die Merkmals-

dimensionen des Bewerbungsgespräches faktorenanalytisch überprüft wurde, ist eine

kritische Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen noch ausständig, um

das gesprächsbasierte Auswahlverfahren in seiner Funktion und Bedeutung für den

Studiengang Physiotherapie zu verorten. Daher widmet sich die vorliegende Arbeit dieser

Thematik und analysiert den aktuellen Forschungsstand und die wissenschaftliche

Evidenz zu Auswahlgesprächen für potentiell Studierende gesundheitswissenschaftlicher

Studienrichtungen, wofür ein systematischer Review durchgeführt wird, dessen

methodische Vorgangsweise im nachfolgenden Kapitel vorgestellt wird.

28

4. METHODISCHES VORGEHEN

In der vorliegenden Arbeit wurde zur Beantwortung der zentralen Forschungsfragen die

Methode des systematischen Reviews gewählt, dessen Vorgangsweise im folgenden

Kapitel dargelegt wird. Beginnend mit einer begrifflichen Abgrenzung und damit einher-

gehender Begründung der Methodik, erfolgt darauf aufbauend die Beschreibung

relevanter Phasen und Forschungsschritte, die der Identifizierung, Auswahl und Analyse

der Publikationen diente.

4.1. Der systematische Review

Literaturreviews stellen eine kritische Auseinandersetzung mit bereits bestehendem

Material dar und werden meist dann als geeignete Methode gewählt, wenn ein Überblick

über bereits bestehendes Wissen hergestellt werden soll (Sturma et al., 2016, S. 208)

oder Zusammenhänge untersucht werden sollen (Blettner et al. 2009, S. 457). Literatur-

reviews verfolgen dabei das Ziel, das Wissen von Forschungsarbeiten zusammen-

zutragen, um den aktuellen Forschungsstand zu einem Themenbereich zu erfassen und

die Ergebnisse zu präsentieren (Sturma et al., 2016, S. 208).

In der Literatur werden abhängig von der spezifischen Zielsetzung, der Themenstellung

und vorhandener Literatur verschiedene Arten von Literaturreviews unterschieden.

Grundsätzlich bezieht sich der Terminus Literaturreview auf das Sichten, Interpretieren

und Analysieren von Literatur (Grandt & Booth, 2009, S. 92). Unterliegt dem Literatur-

review eine klare und explizite Forschungsmethodologie, dann wird von einem

systematischen Review gesprochen. Der Begriff „systematisch“ unterscheidet damit

diesen Forschungsansatz von all jenen Reviews, die von keinem strukturierten

methodischen Prozess geleitet werden. Diese als traditionelle oder narrative Reviews

bezeichneten Formen umfassen „a critical approach, which might assess theories or

hypotheses by critically examining the methods and results of single primary studies, with

an emphasis on background and contextual material“ (Jesson et al., 2011, S. 15). Zu

diesen traditionellen-narrativen Reviews zählen der Conceptual Review, Scoping

Review, A-state-of-the-art und auch der Expert Review (Jesson et al., 2011, S. 15).

Gemeinsam ist diesen Formen an Reviews, dass sie zwar einen breiten und allgemeinen

Überblick über ein Forschungsfeld bieten, jedoch erfolgt die Literaturauswahl nach

29

persönlichen Aspekten und ohne Berücksichtigung der Studienqualität bzw. der Seriosität

(Jesson et al., 2011, S. 15).

Im Unterschied zu den traditionellen Reviews sind systematische Reviews durch ein

vorher festgelegtes methodischen Vorgehen gekennzeichnet und unterliegen ebenso wie

alle anderen Forschungsansätze methodischen Standards (Sturma et al., 2016, S. 208).

Mit einem systematischen Review ist daher eine „wiederholbare, wissenschaftliche und

transparente Vorgehensweise“ (Scherfer & Bossmann, 2011, S. 135) verknüpft, wobei

unterschiedliche Begriffe für gleiche methodische Zugänge oder vive versa vorliegen

(Gough et al., 2012, S. 2). Somit existieren keine oder mehrere gültige Definitionen und

Vorgehensweisen in der Literatur, wobei im deutschsprachigen Raum der Begriff des

systematischen Literaturreviews als Synonym für alle Formen von strukturierten und einer

bestimmten Methodologie folgenden Übersichtsarbeit verwendet wird (Sturma et al.,

2016, S. 209).

Nach Moher et al. (2011, S. 9) ist ein systematischer Review eine Übersicht zu einer klar

definierten Fragestellung, die systematisch und mit spezifischen Methoden relevante

Forschungsergebnisse identifiziert, selektiert und kritisch bewertet. Systematische Über-

sichtarbeiten haben den Anspruch, durch vorab definierte Ein- und Ausschlusskriterien,

nach Möglichkeit alle publizierten Studien zu einem Thema in den Suchprozess zu

inkludieren (Blettner et al., 2009, S. 457). Dabei sollen alle relevanten Erkenntnisse

systematisch aus den Publikationen extrahiert werden. Blettner et al. (2009) weisen

darauf hin, bei der Auswahl der Studien die methodische Qualität zu beurteilen und die

Unterschiede im Hinblick auf die Ergebnisse zu thematisieren. Die Resultate jeder Studie

werden skizziert und nach festgelegten Kriterien bewertet.

Systematische Reviews lassen sich nach der Art der inkludierten Studien

unterscheiden. Vielfach wird unter „systematic review“ eine Zusammenfassung

quantitativer Studien verstanden, um Aufschluss über die Effektivität von Maßnahmen

oder Interventionen zu erhalten (Sturma et al., 2016, S. 209), wobei die Einbeziehung

von randomisierten kontrollierten Studien als Golden Standard gilt (Higgins & Green,

2011, o.S.). Werden die Studienergebnisse zusätzlich einer statistischen Analyse unter-

worfen, so wird diese Methodenform als Meta-Analyse bezeichnet (Moher et al., 2011, S.

9). Basiert der systematische Review auf einer Zusammenfassung qualitativer Studien,

so werden darunter qualitative Synthese, Metasynthese und Metaethnographie

subsumiert (Sturma et al., 2016, S. 210f).

30

Eine spezielle Form des systematischen Reviews stellt der sogenannte integrative

Review dar, welcher qualitative und quantitative Studien so wie auch theoretische

Arbeiten gleichsam miteinschließt (Sturma et al., 2016, S. 211). Als „the most

comprehensive methodological approach of reviews“ (Souza et al., 2010, S. 103) dient

der integrative Review dazu, ein eingehendes Verständnis zu einem spezifischen

Phänomen zu erhalten (Whittemore & Knafl, 2005, S. 546). Durch das holistische Vor-

gehen sind integrative Reviews darüber hinaus geeignet, praxisrelevante Anwendungs-

bereiche aufzuzeigen (Sturma et al., 2016, S. 211). Um das gesprächsbasierte Auswahl-

verfahren in seiner Funktion und Bedeutung für den Studiengang Physiotherapie an der

FHCW weiter zu entwickeln, wird daher in vorliegender Arbeit ein systematischer,

integrativer Review durchgeführt, in dem der aktuelle Forschungsstand und die zur

Verfügung stehende wissenschaftliche Evidenz zu Auswahlgesprächen mit Studien-

anwärterInnen im Rahmen der Hochschulzulassung für gesundheitswissenschaftlichen

Studienrichtungen analysiert wird.

Souza et al. (2010, S. 104f) definieren sechs Phasen des integrativen Reviews, welche

das methodische Vorgehen leiten und die Grundschritte jeglicher Reviewmethode wider-

spiegeln (Sturma et al., 2016, S. 212):

1. Preparing the guiding question

2. Searching or sampling the literature

3. Data collection

4. Critical analysis of the studies included

5. Discussion of results

6. Presentation of the integrative review

Ausgehend von den Fragestellungen wird das schrittweise methodische Vorgehen

anhand der Identifizierung relevanter Publikationen durch eine umfassende Literatur-

recherche, die darauf aufbauende Selektion relevanter Studien basierend auf Einschluss-

und Ausschlusskriterien und abschließender Erläuterung der Kriterien für die Analyse und

Aufbereitung der Studienergebnisse vorgestellt.

31

4.2. Identifizieren relevanter Publikationen

Aufgrund der umfangreichen Anzahl an Literaturdatenbanken mit eigenen thematischen

Schwerpunkten oder fachlichen Spezialgebieten ist es notwendig, vor der systematischen

Literaturrecherche diejenigen zu identifizieren, die für die vorliegenden Fragestellungen

relevante Publikationen enthalten (Souza et al., 2010, S. 104).

Die Auswahl der genannten Datenbanken und Datenbankhosts begründet sich im Bezug

zum Forschungsanliegen und den Fragestellungen, welche den psychologischen,

medizinischen und pädagogischen Themenbereichen zuzuordnen sind. Für vorliegende

Themenstellung wurden folgende acht Datenbanken bzw. Datenbankhosts (Meta-

Datenbanken, welche auf mehrere Datenbanken zugreifen) gewählt: Psyndex, als

Referenzdatenbank für psychologische Publikationen und relevante Nachbardisziplinen,

PubMed, ein Portal für biomedizinische Wissenschaften, Livivo als Suchportal für

Lebenswissenschaften, Sowiport als Suchmaschine für Sozialwissenschaften, ERIC als

weltweit umfangreichste bildungs- und erziehungswissenschaftliche Literaturdatenbank,

BASE, eine der weltweit größten Suchmaschinen für wissenschaftliche Web-Dokumente

und Science Direkt eine Onlinedatenbank für wissenschaftliche peer-reviewed Zeit-

schriften, sowie Francis & Taylor, eine weltweit tätige britische Verlagsgruppe für

medizinisch-wissenschaftliche Zeitschriften.

PSYNDEX ist eine Datenbank der Psychologie und verfügt über eine viertel Million

Publikationen, Tests, audiovisuelle Medien und Interventionsprogramme aus allen

Bereichen der Psychologie und ist über das Suchportal PubPsych zugängig. Diese ist ein

Open-Access Suchportal für Psychologie und verwandte Nachbardisziplinen, welche vom

Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) verwaltet

wird. Der Datenbankhost PubMed ist eine englischsprachige, textbasierte Meta-

datenbank und enthält über 26 Millionen Quellen. Er wurde vom nationalen Zentrum für

biotechnologische Informationen, dem National Center for Biotechnology Information,

entwickelt und bietet Publikationen unter anderem aus den Bereich Psychologie, Medizin

und dem Gesundheitswesen. Livivo ist eine zentrale Fachbibliothek für Medizin,

Gesundheitswesen, Ernährungs-, Umwelt- und Agrarwissenschaften, deren Zielgruppen

die Forschung, Wissenschaft und Studierende sind. Die Datenbank bietet Zugriff auf über

55 Millionen Datensätze aus über 45 Fachdatenquellen. Das sozialwissenschaftliche

Fachportal Sowiport ist eine zentrale Anlaufstelle für Nutzer sozialwissenschaftlicher

32

Informationen und bietet den Zugang zu gebündelten und qualitätsgeprüften

Informationen nationaler und internationaler Anbieter und verfügt derzeit über rund 8

Millionen Nachweise. ERIC ist die weltweit umfangreichste bildungs- und erziehungs-

wissenschaftliche Literaturdatenbank und wird vom Education Resources Information

Center erstellt. ERIC verfügt überwiegend über englischsprachige Literatur zu allen

Bereichen der Pädagogik und enthält rund 1,6 Millionen Quellen. BASE wird von der

Universitätsbibliothek Bielefeld betrieben. Sie indexieren die Metadaten von Quellen mit

wissenschaftlichen Inhalten, welche über 100 Millionen Dokumente aus über 5.000

Quellen umfasst. Science Direkt ist eine Volltextdatenbank und enthält einen Bestand

von mehr als 13 Millionen Artikeln in den Bereichen Gesundheits- und Sozialwissen-

schaften sowie Biowissenschaften. Die Verlagsgruppe Francis & Taylor stellt über die

Datenbank tandfonline den Zugang zu peer-reviewed Zeitschriften aus dem Bereich der

Sozial- und Geisteswissenschaften, Technik und Medizin bereit.

Um in den Datenbanken gezielt und effizient nach relevanten Publikationen zu

recherchieren, ist das Festlegen von Suchbegriffen respektive Schlagwörtern

notwendig (Whittemore & Knafl, 2005, S. 549). Hierfür wurden in einem ersten Schritt

themenspezifische Begriffe definiert und in einem iterativen Prozess in spezifische Such-

begriffe umformuliert sowie Synonyme und deren englische Übersetzung vorbereitet. Als

themenspezifisch wurden dabei jene Begriffe festgelegt, welche in ihrer Bedeutung einen

Bezug zu Auswahl- und Aufnahmeverfahren, zu Studierenden, Hochschulzulassung,

Bewerbergespräche (Interview) und Gesundheitsberufen im Allgemeinen sowie zu

Physiotherapie im Speziellen haben. In einem zweiten Schritt erfolgte eine Reduzierung

und Schärfung der möglichen Suchwörter auf relevante Suchbegriffe, welche sich

aufgrund der hohen Trefferquote im Rechercheprozess zum einen und dem Auffinden

relevanter Quellen im Bezug zu den Fragestellungen zum anderen ergaben. In einem

dritten Schritt wurden diese Suchbegriffe in deutsch- und englischsprachige Deskriptoren

und Schlagwörter sowie normierte, respektive kontrollierte medizinische Schlagwörter

(sogenannte Medical Subject Headings – MeSH) übergeführt, indem in den, den

jeweiligen Datenbanken zugrundeliegenden Thesauri, systematisch recherchiert wurde.

In einem abschließenden vierten Schritt wurden die Deskriptoren zu themenspezifischen

Clustern (Auswahl- und Aufnahmeverfahren/-kriterien, Bewerbergespräche/Interview,

Studierende, Hochschule bzw. -zulassung, Gesundheitsberufe/Physiotherapie

zusammengefasst, wobei farblich gleich ausgewiesene Begriffe zu einer Kategorie

gehören (siehe Tabelle im Anhang).

33

Vor dem Hintergrund, dass insgesamt 55 englische und 18 deutschsprachige

Deskriptoren identifiziert wurden, erfolgte die systematische Suche in den Datenbanken

mittels Kombination der Begriffskategorien. Hierbei wurden Deskriptoren, die zu einem

Cluster gehören mit einem OR verknüpft und mittels AND mit der Schlagwortkette eines

anderen Clusters kombiniert. Die Literaturrecherche erfolgte im Zeitraum vom 04.01.2017

bis 17.03.2017 und erbrachte 3141 Publikationen, die auf Basis von Ein- und

Ausschlusskriterien, wie im nächsten Kapitel beschrieben, auf ihre Eignung überprüft

wurden.

4.3. Auswahl der Publikationen

Die Selektion der relevanten Literatur erfolgte anhand von festgelegten Ein- und

Ausschlusskriterien. Während Einschlusskriterien jene Aspekte definieren, welche die

Aufnahme von Studien in den Review begründen, werden Ausschlusskriterien dazu

herangezogen, jene Studien auszuschließen, welche nicht in den Review eingeschlossen

werden dürfen. Die Ausschlusskriterien sollen die Einschlusskriterien ergänzen und zur

Präzisierung beitragen (Sturma et al., 2016, S. 215).

Einschlusskriterien

a) Artikel in Fachzeitschriften

b) Erscheinungsjahr 2000 – 2016: In den Review werden Studien einbezogen,

welchen einen relevanten und aktuellen Beitrag zur Beantwortung der

vorliegenden Forschungsfragen liefern. Der Zeitraum wurde absichtlich weit

gehalten, da laut Hay (2016) die Forschungsaktivitäten seit der Pionierarbeit von

Green & Waterfield (1997) zum Thema Interview als Auswahlmethode von

BewerberInnen für die Physiotherapieausbildung als marginal einzustufen sind

(siehe Kapitel 1).

c) Vorkommen der zentralen Begriffe und ihrer Synonyme (Bewerbungs-

gespräch/Interview, Auswahl-/Aufnahmeverfahren, Hochschul-zulassung/Student

und Medizin oder gesundheitswissenschaftliche Berufe) im Titel oder Abstract der

Studien unter besonderer Berücksichtigung der Physiotherapieausbildung.

d) Studien, welche das Interview als Methode der Studierendenauswahl

thematisieren, worunter Aspekte wie der Durchführungsmodus, die Praktikabilität,

der Nutzen, das Setting, die Dauer, die Rahmenbedingungen, die Form oder auch

InterviewerInnenqualifikationen und -verhalten subsumiert werden.

34

e) Verfügbarkeit der Publikationen in deutscher und englischer Sprache.

Ausschlusskriterien

a) Studien sind nicht deutsch- oder englischsprachig

b) Studien, deren Publikationsform nicht einem Artikel in einer Fachzeitschrift

entsprechen (z.B. Kommentare, Repliken, Letters, Dissertationen).

c) Erscheinungsjahr vor 2000

d) Studien, in denen Bewerbungsgespräche zur Einstellung von Personal zum

Zwecke eines Dienstverhältnisses dienen (z.B. Einstellungsgespräch, Stellen-

bewerbung, Karriereplanung, Führungskräfte).

e) Studien, welche eine spezielle studentische Zielgruppe beinhalten (z.B. Personen

mit Beeinträchtigungen, People of Colour, MigrantInnen, Personen mit bestimmter

Ethnizität/Religion/Kultur, Berufstätige, ältere Studierende).

f) Studien, die ein spezielles Interviewverfahren als Analysegegenstand haben (z.B.

MMI, verhaltensorientiertes Interview).

g) Primärtexte, in denen das Bewerbungsgespräch/Interview nicht als Methode zur

Studierendenauswahl erwähnt wird (z.B. Anamnesegespräch, PatientInnen/

KlientInnengespräche).

h) Publikationen, die nicht die Hochschulzulassung auf Bachelorniveau thematisieren

(z.B. Doktoratsstudien, sekundärer Bildungsbereich, Bildungswesen/-politik,

Praktika).

i) Publikationen, die nicht den Gesundheitsbereich thematisieren (z.B. Soziale

Arbeit).

j) Studien, welche sich ausschließlich mit der prognostische Validität, Objektivität

und Reliabilität von Schulnoten, Maturanoten, Intelligenztests, Persönlichkeitstests

und Studierfähigkeitstests befassen (z.B. SAT, HAM-Nat) oder primär auf den

Studienerfolg ausgerichtet sind.

k) Studien, deren Probanden ausschließlich aus einer angrenzenden Fachdisziplin

stammen (z.B. Pflegebereich, Facharztausbildungen, Zahn- oder Veterinär-

medizin).

4.4. Analyse und Aufbereitung der Publikationen

Die Analyse und Aufbereitung der Studien orientierte sich an den Vorgaben einer

kritischen Bewertung von quantitativen Studien, qualitativen Studien und systematischen

35

Reviews bzw. Metaanalysen. Aufgrund der unterschiedlichen Publikationstypen wurden

grundlegende Analysekriterien, die allen „critical appraisals“ zugrunde liegen, heran-

gezogen. Die Aufarbeitung der Studieninhalte erfolgt dabei nach Souza et al. (2010) auf

Basis eines validierten Analyseinstruments. Nachfolgende Beurteilungskriterien wurden

für Analyse und Aufbereitung der Studien herangezogen:

Allgemeine Informationen

1. AutorInnen

2. Erscheinungsjahr

3. Titel der Studie

4. Titel des Journals

5. Institution(en)

Fragestellungen und Ziel

1. Fragestellung(en) der Studie

2. Hypothesen der Studie

3. Ziel der Studie

Methodisches Vorgehen

1. Publikationstyp und Studiendesign (quantitative Studie, qualitative Studie,

Literaturreview, Metaanalyse, Fallbeispiel, etc.)

2. Land und Zeitpunkt/-dauer der Studie

3. Zielgruppe und Stichprobenumfang (Anzahl der TeilnehmerInnen bzw. Studien,

akademische Disziplinen)

4. Auswahlverfahren (systematisch, Zufallsauswahl, Einschluss- und Ausschluss-

kriterien, etc.)

5. Studienspezifische Merkmale (Erhebungsinstrument, Intervention, Variablen,

Auswertungsverfahren, etc.)

Ergebnisse

1. Relevante Ergebnisse

2. Limitationen

3. Implikationen und Schlussfolgerungen

Alle acht selektierten Studien wurden anhand dieser Kriterien analysiert, wobei die

Ergebnisse im nachfolgenden Kapitel dargestellt werden.

36

5. DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE

Im folgenden Kapitel werden die in den Review aufgenommenen Studien nach den im

Kapitel 4.4. erläuterten Analysekriterien beschrieben und die Studienergebnisse im Über-

blick dargestellt.

5.1. Inkludierte Studien

Insgesamt erbrachte die Literaturrecherche über die acht Datenbanken eine Gesamt-

anzahl von 3141 Studien. Nach Entfernung der Duplikate verblieben 1507 Publikationen.

Nach Ausschluss von Studien anhand der definierten Ausschlusskriterien (n=1391)

wurden 116 Publikationen in die Vorauswahl aufgenommen. Ein Screening anhand der

Abstracts führte zu einem weiteren Ausschluss von 108 Publikationen, sodass acht

Studien als geeignet eingestuft wurden, welche die Grundlage für den Review bilden.

Nachfolgendes Flussdiagramm veranschaulicht in Anlehnung an das PRISMA Statement

(Moher et al., 2011, S. e11) den Prozess der Identifizierung, Vorauswahl, Eignung und

Einschluss die der Arbeit zugrundeliegenden Studien.

Abbildung 2: Selektionsprozess – Flowdiagramm

37

5.2. Beschreibung der inkludierten Studien

Im Folgenden werden die inkludierten Studien in Bezug auf ihren thematischen Schwer-

punkt beschrieben. Unterschieden werden dabei Studien, welche sich mit Auswahl-

verfahren einschließlich dem Interview in der Medizin befassen, jene Publikationen, die

Verfahren zur Auswahl in anderen Gesundheitsberufen zum Inhalt haben, und schließlich

Studien, welche das Interview im Rahmen der BewerberInnenauswahl von Gesundheits-

berufen thematisieren.

5.2.1. Auswahlverfahren und Interviews in der medizinischen Hochschulzulassung

1) Patterson Fiona, Knight Alec, Dowell Jon, Nicholson Sandra, Cousans Fran, Cleland

Jennifer (2016): How effective are selection methods in medical education? A

systematic review. Journal of Medical Education, 50(1), 36-60.

Institutionen: City University (Department of Organisational Psychology), Work

Psychology Group, University of Dundee (School of Medicine), Queen Mary University of

London (Barts and The London School of Medicine and Dentistry), University of

Aberdeen (School of Medicine and Dentistry)

Fragestellung und Hypothese: Die Studie geht der Frage nach, wie effektiv Auswahl-

methoden in der medizinischen Ausbildung sind.

Ziel der Studie: Ziel des systematischen Reviews ist es, die erhobenen Forschungs-

ergebnisse verschiedener Auswahlverfahren im Hinblick auf ihre Stärken zusammen-

zufassen und Handlungsempfehlungen in Form einer Forschungsagenda abzuleiten.

Publikationstyp und Studiendesign: Systematic Review

Land und Zeitpunkt/-dauer der Studie: Großbritannien (UK), 2016

Zielgruppe und Stichprobenumfang: In den Review wurden englischsprachige Studien

von Jänner 1997 – April 2015 eingeschlossen. Die Recherche wurde in fünf Datenbanken

durchgeführt, wobei eine Gesamtsumme von n=3152 Studien identifiziert wurden. Davon

wurden 2716 Publikationen (nicht relevante Studien sowie Duplikate) exkludiert. Von den

verbleibenden n= 436 Studien wurden 31 Artikel aufgrund des Titels oder Abstract

38

ausgeschlossen. Die verbleibenden 405 Publikationen wurden im Volltext auf Basis der

Ausschlusskriterien gesichtet, was zu einer weiteren Reduktion von n=211 Studien führte.

194 relevante Volltextstudien wurden schlussendlich in den Review einbezogen.

Auswahlverfahren: Zur Auswahl relevanter Studien wurden Einschlusskriterien, wie peer-

reviewed und die Beinhaltung von Daten zu Auswahlverfahren von medizinischen

Bachelor/Master und Doktoratsstudien festgelegt. Ebenso wurden relevante

systematische/nicht systematische Reviews und Metaanalysen aufgenommen. Explizit

ausgeschlossen wurden allgemeine Annahmen und Meinungen, Kommentare sowie

Letters. Nach Anwendung der Einschlusskriterien wurden die verbleibenden Studien in

Volltextversion abgerufen. Im Anschluss erfolgte eine weitere Einteilung in sieben

Studientypen (Systematische/nicht systematische Reviews, Längs-/Querschnittstudien,

quantitative und qualitative Studien, Mixed-Methods, Kohortenstudien). Dafür wurden

folgende drei Kriterien herangezogen: die Auswahlmethoden (Interview, Assessment

Center), die Forschungsfrage (Kosteneffizienz, Zulässigkeit) sowie das Studiendesign

(Metaanalysen, qualitative Studien, Querschnittsstudien), wodurch ein Überblick über die

unterschiedlichen Auswahlmethoden gewonnen werden konnte. Bei der Beschreibung

der Auswahlmethoden wurden die Dimensionen Effektivität, die verfahrensbezogenen

Aspekte sowie die Akzeptierbarkeit und Kosteneffektivität herangezogen. Der vorliegende

Review diskutiert acht Auswahlmethoden: Eignungstests, Zeugnisse, persönliche

Stellungnahmen3, Referenzen, situative Beurteilungstests, Persönlichkeitstests (inklusive

Verfahren zur Messung von emotionaler Intelligenz), Interviews einschließlich dem

Multiple Mini Interview und Assessment Center.

Studienspezifische Merkmale: Zur Analyse des Interviews wurden 74 Studien heran-

gezogen.

Effektivität: Die Evidenzlage zur Effektivität war uneinheitlich, jedoch zeigte die Mehrheit

der Studien auf, dass das traditionelle Interview im Auswahlprozess von Studierenden im

medizinischen Bereich keine stabile Methode zur Erfassung der Eignung darstellt.

Kritisiert wurde dabei eine mangelnde prognostische Validität, darüber hinaus konnte

festgestellt werden, dass Interviewergebnisse bei Personen mit einem höheren Noten-

durchschnitt schlechtere Resultate hervorbrachten. Die unterschiedlichen Ergebnisse

hinsichtlich der Effektivität von Interviews werden darin begründet, dass unterschiedliche 3 Unter „personal statement“ wird eine persönliche Stellungnahme verstanden, welche an britischen und

amerikanischen Universitäten eingesetzt wird und dazu dient, die Wahl des Studienfaches zu begründen und

sich selbst zu präsentieren (Patterson et al, 2016, S. 41f).

39

Interviewmethoden, von unstrukturierten Einzelinterviews bis hin zum strukturierten

Gruppeninterview zum Einsatz kommen. In Bezug auf die Reliabilität konnten im MMI

zwischen den strukturierten und unstrukturierten Interviewformen keine Unterschiede

festgestellt werden, jedoch zeigen Stationen mit einem verhaltensorientierten Ansatz eine

höhere Reliabilität im Gegensatz zu anderen Stationen. Im Vergleich zum traditionellen

Interview werden MMIs als aussagekräftiger beurteilt. Die Reliabilität kann dabei durch

den Einsatz von anspruchsvollen Aufgaben verbessert werden. Zusätzlich wird ange-

merkt, dass Beurteilungsfehler (Wahrnehmungsfehler) durch InterviewerInnen einen

Einfluss auf die Ergebnisse der BewerberInnen haben. Die Konstruktvalidität ist nach wie

vor unklar und bislang noch nicht ausreichend erforscht. Darüber hinaus wird festgestellt,

dass Face-to-Face- Interviews nicht mit standardisierten Rollenspielen vergleichbar sind,

da in einem Rollenspiel mehr als nur eine Dimension erfasst werden kann.

Verfahrensbezogene Aspekte: Anzumerken sind signifikante Unterschiede im Hinblick auf

die Länge, die Zusammensetzung des Komitees, der Struktur, den Inhalten und den

Beurteilungsmethoden des Interviews. Diese unterschiedlichen Anwendungsmodalitäten

sind ein weiterer Erklärungsgrund für die unterschiedlichen Ergebnisse bei der Beurtei-

lung der Reliabilität und Validität der Interviews. Die Leistungen der KandidatInnen sind

möglicherweise durch Übungseffekte und Trainings beeinflusst. Aktuell stellen die

Auswahl und die Art der Fragestellung sowie die Subjektivität des Gesprächsführers

Schwierigkeiten dar. Einige Studien merken an, dass die Implementierung des MMI

grundsätzlich machbar sei, aber eine Herausforderung darstellt.

Akzeptierbarkeit: Die meisten Studien zeigen auf, dass sowohl BewerberInnen als auch

InterviewerInnen grundsätzlich das Interview als Auswahlmethode positiv bewerten und

das MMI und mehr strukturierte Interviewformen präferierte Verfahren gegenüber

unstrukturierten Gesprächsvarianten sind. Mehrheitlich halten BewerberInnen und Inter-

viewerInnen das MMI für eine angemessene und faire Methode um eine Reihe an

Kompetenzen zu erfassen, und bevorzugen dies gegenüber dem traditionellen Interview.

In einigen Studien wird deutlich, dass Studierende Universitäten anstreben, an denen

Interviews zum Einsatz kommen.

Kosteneffizienz: In Bezug auf die Kosten wird das MMI als gut eingestuft, jedoch ist es

gegenüber dem traditionellen Interview und technischen Verfahren eine teurere Methode,

da vermehrt Kosten für Schauspieler und die Entwicklung der Stationen anfallen. Das

traditionelle Interview ist ebenso aufgrund anfallender Personalkosten gegenüber

technischen Methoden teurer. Einige Studien merken an, dass die Erhöhung der

Reliabilität eher durch die Erhöhung der Anzahl der Fragen oder der Stationen erreicht

werden kann als durch die Steigerung der Anzahl der InterviewerInnen. Zur Erreichung

40

der internen Konsistenz mit einem Cronbach`s Alpha von 0.80 ist es allerdings erforder-

lich, dass das MMI mindestens 14 Stationen mit jeweils einem/r InterviewerIn umfasst.

Die Anzahl kann auf 7-12 Stationen mit jeweils zwei InterviewerInnen reduziert werden.

Eine minimale Reduzierung der Dauer von acht auf fünf Minuten führt zu einem

Ressourcengewinn bei geringen Auswirkungen auf das Ranking der BewerberInnen und

der Testreliabilität. Empfehlungen hinsichtlich der Mindestanzahl der Stationen im MMI

lassen sich nicht ableiten. Einsparungspotential im Bereich der Kosten und der Zeit

könnte eher durch eine Onlinedurchführung via Skype als durch Reduzierung durch

Personen erreicht werden. Allerdings ist es notwendig, noch mehr Vertrauen in diese

Form der Interaktion zu gewinnen. Für die Auswahl von Studierenden medizinischer

Ausbildungen gilt das Interview als das am meisten eingesetzte Verfahren. Die aktuelle

Forschungslage weist bei den traditionellen Interviews sowohl eine mangelhafte Validität

als auch Reliabilität auf, welche jedoch bei Auswahlprozessen von besonderer

Bedeutung sind. Ferner wird darauf hingewiesen, dass das MMI gegenüber dem

traditionellen Interview als reliabler und valider gilt. In Bezug auf die prädiktive und

Konstruktvalidität des MMIs ist weitere Forschungsaktivität berechtigt, um die zu

messenden Qualitäten wie Kommunikation, kritisches Denken und Empathie präzise zu

erheben. Des Weiteren sind messbare Eignungskriterien durch Interviews noch weiter zu

evaluieren und in Gültigkeitsstudien zu bearbeiten. Ebenso sollten alternative Nutzungs-

formen des MMIs zum Zwecke der Kostendämpfung etabliert werden. In den letzten

Jahren verbreitete sich das MMI rapide und kann als eine reliable Methode betrachtet

werden, allerdings ist nach wie vor von immenser Bedeutung, dass sich Universitäten

darüber einigen müssen, welche Kriterien im Auswahlverfahren gemessen werden sollen.

Relevante Ergebnisse: Die verfügbare Evidenz zeigt klar, dass strukturierte Interview-

formen (MMIs, SJTs, SCs)4 im Vergleich zu unstrukturierten Varianten (Referenzen,

persönliche Stellungnahmen) effektivere und fairere Auswahlmethoden darstellen. Aktuell

besteht noch weitgehend Unklarheit darüber, was unter Eignung verstanden werden

kann. Bei der Analyse der Studien wurde klar, dass ein breites Spektrum an verschiede-

nen Methoden mit unterschiedlichsten Designs eingesetzt wird. Diese Tatsache erfordert

eine Evaluierung jedes einzelnen Testverfahrens vorab, bevor Bewertungen hinsichtlich

der Effektivität durchgeführt werden können. Als fraglich gilt auch, welche Ergebnisse bei

unterschiedlichen Methoden als prädiktive Faktoren herangezogen werden können.

Auffallend ist, dass die meisten Auswahlmethoden vermehrt intellektuelle und leistungs-

4 MMI = Multiple Mini-Interview, SJT = Situational Judgement Test, SC = Selection Center

41

bezogene Fähigkeiten testen, jedoch berufsbezogene Kompetenzen noch zurückhaltend

geprüft werden. Es wird angenommen, dass Kompetenzen sich vom Zeitpunkt der

Ausbildung bis hin zum Berufsalltag verändern. Vor diesem Hintergrund sind komplexe

Selektionskriterien bezogen auf eine bestimmte Aufgabe unter Berücksichtig

kognitiver/nicht-kognitiver Eignungsmerkmalen argumentierbar. Unterschiedliche

Auswahlverfahren sind in der Lage, unterschiedliche Anforderungen vorherzusagen,

welche in den einzelnen Ausbildungsabschnitten in unterschiedlicher Ausprägung abge-

rufen werden müssen. Weiters wurde festgestellt, dass einige Eignungstests möglicher-

weise eine bestimmte Personengruppe in der Auswahl bevorzugt, bzw. benachteiligt. In

der Literatur wird darauf hingewiesen, bei der Gestaltung von Auswahlverfahren die

Gewichtung von kognitiven/nicht-kognitiven Kompetenzen zu berücksichtigen, damit ein

ausgewogenes Verhältnis zwischen Effizienz, Kosteneffektivität, verfahrenstechnischen

Fragen sowie der Akzeptanz der Interessensvertretungen besteht. Zusammenfassend

kann angemerkt werden, dass es derzeit keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber

gibt, ein bestimmtes Auswahlverfahren zu empfehlen. In Zukunft sind noch weitere

Forschungsarbeiten notwendig, welche den Fokus auf Langzeit-Follow-up-Studien

richten, um unterschiedliche Messzeitpunkte, wie den Zeitpunkt der Bewerbung, der

Zulassung, der Ausbildung und das Ausbildungsende, in die Analyse einzuschließen.

Limitationen: Die Analyse der Daten wurde aufgrund fehlender Langzeitstudien, fehlender

Rahmenbedingungen, unterschiedlicher Curricula, Ausbildungsphilosophien und

Ressourcen erschwert. Auch wären aufgrund der Vielzahl an herangezogenen Studien

Simplifizierungen einzelner Studienergebnisse nicht auszuschließen.

Implikationen und Schlussfolgerungen: Die Autoren empfehlen bei der Auswahl von

Studierenden unterschiedliche Schwerpunktsetzungen für spezifische berufsbezogene

Eigenschaften und Kompetenzen. Das Kompetenzprofil von Gesundheitsberufen soll mit

den Erwartungen der PatientInnen und KlientInnen zukünftig abgestimmt sein, denn

Kompetenzen Teamarbeit, Multiprofessionalität und Ressourcennutzung werden als

bedeutsamer erachtet. Die Herausforderung liegt darin, Verfahren zu etablieren, und

BewerberInnen, die nicht dem idealtypischen Profil entsprechen, dem Studium zugängig

zu machen.

42

2) Rippentrop A. Elizabeth, Wong Matthew Yung-Sang, Altmaier Elizabeth M., (2003): A

Content Analysis of Interviewee Reports of Medical School Admissions Interviews,

Journal of Medical Education, 8(10).

Institution: University of Iowa (College of Education, College of Public Health)

Fragestellung und Hypothese: keine spezifischen Angaben

Ziel der Studie: Vor dem Hintergrund, dass BewerberInnen medizinischer Ausbildungen

das Internet nutzen, um Informationen über den Ablauf des Interviews zu erhalten,

werden in der vorliegenden Studie Erfahrungsberichte von BeweberInnen zum

Aufnahmeinterview analysiert, um den Zweck des Auswahlgespräches an medizinischen

Universitäten zu erheben.

Publikationstyp und Studiendesign: Inhaltsanalyse

Land und Zeitpunkt/-dauer der Studie: USA, Kanada, Puerto Rico, die Daten wurden

zwischen 1995 – 2000 erhoben.

Zielgruppe und Stichprobenumfang: Als Datenbasis diente eine Datenbank, welche

Informationen zum Aufnahmeinterview aus studentischer Sicht von 161 medizinischen

Bildungseinrichtungen aus den USA, Kanada und Puerto Rico anbietet. Als integraler

Bestandteil einer Website (www.interviewfeedback.com/cgi-bin/questionnaire.pl/browse),

die über 150.000 Mal abgerufen wurde, wurde diese Datenbank auf Basis einer Frage-

bogenerhebung durch einen Studenten der Johns Hopkins Universität entwickelt.

Insgesamt sind 4608 Fragebögen registriert. Ebenso sind Erfahrungen von BewerberIn-

nen zum Auswahlgespräch in der Datenbank verfügbar, welche von Studien-

anwärterInnen zu unterschiedlichen Themenbereichen gepostet werden. Dabei können

User zwischen der Kategorie „interessante/schwierige Fragen“ und „Beratung“ für

BewerberInnen wählen. In der vorliegenden Studie wurde ausschließlich die Kategorie

der „interessanten/schwierigen“ Fragen als Sample herangezogen5, welches aus 3571

Kommentaren besteht.

5 Die Untersuchung der anderen Kategorie zeigte, dass selten konkrete Fragen eingetragen wurden, sondern

beschrieben wird, wie man zum Interview kommt und welche Fragen am Campus zu stellen sind.

43

Auswahlverfahren: Auf Basis der Datenbank wurde eine disproportional geschichtete

Zufallsstickprobe gezogen. Hierbei wurden in einem ersten Schritt die Elemente der

Grundgesamtheit anhand der Hochschuleinrichtung gruppiert, wobei alle 161

medizinischen Ausbildungsstätten, einschließlich Schulen der Osteopathie, heran-

gezogen wurden. Die Einträge variierten dabei je nach Institution zwischen 2 und 176.

Davon wurden in einem zweiten Schritt jeweils 10 Einträge zufällig ausgewählt. Bei

weniger als 10 Einträgen wurden alle herangezogen. Eingeschlossen wurden alle

interviewrelevanten Kommentare eines Eintrages. Fragen, die keinen Bezug zum Inter-

view hatten, wurden explizit ausgeschlossen.

Studienspezifische Merkmale:

Inhaltsanalyse: Aus der Literatur wurden die Ziele des Interviews und typische

Informationen, welche gewonnen werden können, abgeleitet und in ein Kategorien-

system, bestehend aus sieben zentralen Dimensionen, überführt: a) Verifizierung und

Klärung bewerberbezogener Information, b) Beurteilung der persönlichen und zwischen-

menschlichen Fähigkeiten sowie andere nicht-kognitive Merkmale, c) Einschätzung der

kognitiven Fähigkeiten und Allgemeinwissen, d) ethische Sichtweisen und

Entscheidungsfindung, e) unerlaubte und unangebrachte Fragen, f) nicht-medizinische

respektive Konversationsfragen sowie g) Fragen der Rekrutierung. Zwei Forscher wurden

dazu befähigt, das System anzuwenden, Definitionen zu überarbeiten und die Zuteilung

der Antworten zu den Kategorien vorzunehmen. 20% der Antworten wurden durch beide

Beurteiler bewertet und zeigten eine hohe Übereinstimmung mit einem Kappa-Koeffizient

von 0.88, die verbleibenden Antworten wurden folglich von einem der beiden Beurteiler

bewertet.

Rating der medizinischen Universitäten: In die Analyse wurde eine Rankingliste der „Top

50“ medizinischen Ausbildungseinrichtungen der U.S. News and World Reports aufge-

nommen. Die Rangreihung basiert auf Reputationen und ermöglicht BewerberInnen den

Vergleich zwischen unterschiedlichen medizinischen Bildungseinrichtungen.

Auswertungsverfahren: Neben Häufigkeitsauszählungen kam der Chi-Quadrat-Test zur

Anwendung

Relevante Ergebnisse: Insgesamt wurden 3571 Kommentare bewertet und die Häufig-

keiten der Kategorien errechnet. Dabei wurden die Kategorien aller medizinischen

Bildungseinrichtungen und jeweils die „Top 10“ sowie jene der Rangplätze 40-50 („Lower

ranked“) berechnet. Innerhalb der gesamten medizinischen Institutionen war die häufigste

44

Kategorie mit 47% jene, welche auf die Erfassung nicht-kognitiver Merkmale abzielte. Am

wenigsten wurden die Kategorie „unerlaubte/unangebrachte Fragen“ (2%) und

Rekrutierung (1%) angeführt. In der Analyse der Kommentare zeigten sich in der Rubrik

„Top 10“ im Vergleich zu allen anderen Bildungseinrichtungen deutlich unterschiedliche

Akzentuierungen und Fragetypen (p<.01). Interessant dabei war, dass Fragen zu

ethischen Standpunkten weniger häufig gestellt wurden, während unangebrachte Fragen

vermehrt formuliert wurden. Bei den „Lower ranked“ bestanden keine signifikanten Unter-

schiede im Vergleich zu den verbleibenden medizinischen Ausbildungsstätten (p<.10).

Limitationen: Da bei der Kategorienbildung jeweils die schwierigsten als auch die

interessantesten Fragen herangezogen wurden, ist es möglich, dass Fragen aufgrund der

Bezeichnung der Kategorien ausgeschlossen wurden. Es wird darauf hingewiesen, dass

die Fragenkategorien keinesfalls repräsentativ sind und die Validität der Kommentare

nicht überprüft wurden.

Implikationen und Schlussfolgerungen: In 25% der Fälle waren die Fragen darauf ausge-

richtet, kognitive Fähigkeiten zu erfassen. Nur jede 10. Frage stand in Bezug zu einem

ethischen Thema, woraus geschlossen wird, dass den Fakultäten es nicht wichtig

erscheint, BewerberInnen mit ethischen Fragen zu konfrontieren. 5% der Fragen hatten

keinen Bezug zu medizinischen Themen, hierbei stand die allgemeine Konversation im

Vordergrund. Begründet wird die Verwendung dieser Fragen damit, den BewerberInnen

eine angenehme Atmosphäre zu schaffen. Interessant dabei ist aber, dass diese Fragen

in der Kategorie „interessante/schwierige Fragen“ angeführt wurden. Es wird angemerkt,

dass in 2% der Fälle unerlaubte Fragen, wie z.B. Fragen nach dem Alter, dem materiellen

Status, der Familienplanung während der Ausbildung sowie nach Platzierungen an

anderen medizinischen Hochschulen, gestellt wurden. Diese Fragen werden als irrelevant

und beleidigend bewertet und tragen nicht dazu bei, BewerberInnen als geeignet/nicht

geeignet einzuschätzen. Auffallend war, dass innerhalb der Kategorie „Top 10“ seltener

Fragen zu theoretischem Allgemeinwissen gestellt wurden. Da BewerberInnen einer

„Top“-Universität meistens sehr gute Testergebnisse und Notendurchschnitte erreicht

haben, herrscht die Annahme vor, dass top-gereihte Universitäten die gebildete Elite

anzieht, weshalb InterviewerInnen es nicht als notwendig erachten, kognitive Fähigkeiten

im Gespräch zu erfassen. Im Vergleich zu den verbleibenden anderen Ausbildungs-

einrichtungen werden bei den „top-10“-gereihten Universitäten vermehrt zwischen-

menschliche Fähigkeiten erfragt, um intellektuell und gleichsam sozial kompetent heraus-

ragende Persönlichkeiten auszuwählen. Durch die Nutzung der Webseite sind Bewerbe-

45

rInnen mit den Fragen des Interviews vertraut, was einen Vorteil für das Gespräch

darstellt. Der Nachteil dabei liegt darin, dass Fragen zum Teil einstudiert und geübt sind

und weniger spontan und authentisch geantwortet wird. Diese Tatsache vermindert die

Aussagekraft der Gespräche. Universitäten, welche jedes Jahr die gleichen Fragen im

Interview verwenden, werden dazu angeregt, ihr Vorgehen dahingehend zu verändern,

valide Antworten von den BewerberInnen zu erhalten. Dies könnte beispielweise durch

die Anwendung verschiedener Interviewformen (2 Interviewer/2 BewerberInnen) erreicht

werden. Um die Reliabilität und die Validität zu erhöhen, könnte ein strukturiertes Inter-

view eingesetzt werden. Der Vorteil dabei ist, dass alle BewerberInnen die gleichen

Fragen gestellt bekommen und die Antworten anhand einer Vorlage beurteilt werden. Um

den Interviewprozess aktiv und abwechslungsreich zu gestalten, wird empfohlen, dass

InterviewleiterInnen dazu angehalten werden, auswendig gelernte oder nicht authentisch

wirkende Antworten durch alternative Fragen zu ergänzen. Durch gezieltes jährliches

Training der InterviewerInnen und der Überarbeitung der Fragen soll sichergestellt

werden, die geeignetsten KandidatInnen für das Studium auszuwählen.

5.2.2. Verfahren zur Auswahl von Studierenden in den Gesundheitsberufen

3) Salvatori Penny (2001): Reliability and Validity of Admission Tools Used to Select

Students for the Health Professions: Advances in Health Sciences Education, 6, 159-

175.

Institutionen: McMaster University (School of Rehabilitation Science, Faculty of Health

Sciences)

Fragestellung und Hypothese: keine spezifischen Angaben

Ziel der Studie: Das Ziel der Studie ist es, einen Überblick hinsichtlich der Reliabilität und

Validität von kognitiven und personenbezogenen Merkmalen zur Auswahl von Studieren-

den für die Ausbildung in den Gesundheitsberufen zu geben. Die Studie bietet einen

zusammenfassenden Überblick über verschiedene Auswahlmethoden sowie

Empfehlungen für die Zukunft.

Publikationstyp und Studiendesign: Systematischer Review

Land und Zeitpunkt/-dauer der Studie: Kanada und USA, 2001

46

Zielgruppe und Stichprobenumfang: Es fand eine computerunterstützte Literatursuche in

den Datenbanken Medline (1991-1999) und Cinahl (1982-1999) statt und ergab einen

Gesamtumfang von n=866 Studien. In den Review wurden n=83 Publikationen einge-

schlossen, die meisten davon wurden im Bereich der medizinischen Ausbildung verfasst,

ebenso wurden andere Disziplinen, wie die Pflege, die Physiotherapie, die Ergotherapie,

die Atemtherapie, die Radiologietechnologie sowie die Hebammen, einbezogen.

Auswahlverfahren:

Die Studien wurden für die Zulassung hinsichtlich ihrer Relevanz überprüft, wobei der

Titel oder das Abstract herangezogen wurde. Die Publikationen mussten in englischer

Sprache verfügbar und zugängig sein. Einige Artikel aus früheren Jahren wurden ebenso

in den Review eingeschlossen, da diese häufig zitiert wurden. Artikel, welche sich mit

Minderheitenproblemen beschäftigten, wurden vom Review ausgeschlossen.

Studienspezifische Merkmale:

Zum Ziel und der Verwendung von Interviews: Bereits 1982 wird berichtet, dass in den

USA von 848 Ausbildungseinrichtungen in 81% bei der Physiotherapieausbildung und

63% bei der Ergotherapieausbildung das Interview zur Auswahl von Studierenden

verwendet wurde. 1992 wird vermerkt, dass das Interview in den USA zu 99% für

medizinische Ausbildungen und zu 83% für die Auswahl zum Physiotherapiestudium

herangezogen wurde. Interviewbewertungen stehen in ihrer Bedeutung innerhalb der

Zulassungsmethoden an erster Stelle und werden primär dazu herangezogen, nicht-

kognitive Eigenschaften zu messen. Jene Ausbildungseinrichtungen, welche ein Interview

einsetzen, beurteilen dieses als eine effektive Methode, da es zur Klärung offener Fragen

aus dem Motivationsschreiben beiträgt, die Messung nicht-kognitiver Fähigkeiten

gestattet, die Eignung und Leistungsfähigkeit erfasst sowie das Kommunizieren von

Erwartungen der Ausbildungseinrichtung an die BewerberInnen erlaubt. In medizinischen

Ausbildungsstätten wird das Interview im Rahmen des Auswahlprozesses dazu

verwendet, um Erfahrungen und Wissen zum Beruf, Motivation, persönliches Verhalten,

Verantwortungsbewusstsein und Engagement sowie den schulischen, sozialen und

wirtschaftlichen Hintergrund zu erfassen. Demgegenüber wird in der Ergotherapie im

Interview Initiative, Einfühlungsvermögen, Führungsqualitäten, Selbstvertrauen,

Sensibilität und Problemlösungsfähigkeit gemessen. Die Autorin berichtet, dass das

Interview im Hinblick auf die Form und den Strukturiertheitsgrad weitgehend unterschied-

lich angewendet wird. Während einige Ausbildungseinrichtungen eine offene, nicht

strukturierte Form verwenden, setzen andere ein stärker standardisiertes Interview ein.

47

Manche führen das Gespräch in einem Setting von einem/r GesprächsführerIn und

einem/r Bewerber/In, andere Ausbildungseinrichtungen entscheiden sich für das Panel-

interview. So setzten 1991 46% der medizinischen Einrichtungen ein unstrukturiertes

Interview mit minimalen Richtlinien für die GesprächsführerInnen ein, während 43% eine

mäßige Struktur aufwiesen und adäquate Leitfäden für die InterviewerInnen anwendeten.

Eine Art von Training für die InterviewerInnen boten 69% der medizinischen Universitäten

an. Verstärkten Einsatz finden strukturierte Interviewformen in Kanada, wo alle außer

einer Universität halb oder vollstrukturierte Gesprächsformen einsetzen.

Zur Reliabilität von Interviews: In Bezug auf die Reliabilität konnten diverse Standpunkte

recherchiert werden. Mit Koeffizienten von 0.34 bis 0.90 wurde die interviewbezogene

Interrater-, Interteam- und/oder Intrateamreliabilität von schwach bis gut eingeschätzt. Die

Verschiedenartigkeit der InterviewerInnen wird ebenfalls in der Literatur häufig diskutiert.

56% der Varianz in den Beurteilungen durch die InterviewerInnen begründen sich durch

die Unterschiedlichkeit in der Durchführung und deren unterschiedliche Erfahrungen. Es

zeigt sich bei Untersuchungen, dass bei Mitgliedern einer Aufnahmekommission die

Einschätzungen einheitlicher waren als bei anderen BeurteilerInnen, woraus geschlossen

wurde, dass die signifikanten Abweichungen der Beurteilungen mit sozialen und persönli-

chen Hintergründen der Gesprächsführenden zusammenhängen. Divergente Ergebnisse

liefern auch Studien zu geschlechtsspezifischen Effekten. So zeigen Untersuchungen

einerseits, dass Beurteilungen durch Frauen verglichen mit Männern zu niedrigeren

Interviewscores führten und ebenso wie studentische InterviewerInnen das Gespräch

milder beurteilten. Andererseits widerlegen Gegenbefunde diese Aussagen, als keine

Unterschiede hinsichtlich der InterviewerInnen (Fakultät, Personal, Studenten) fest-

zustellen waren. Zwei Studien zeigten auf, dass GesprächsführerInnen im Vorfeld durch

Kenntnisse über Schulnoten der BewerberInnen bei der Beurteilung beeinflusst wurden

und weibliche Bewerber im Vergleich zu männlichen bei den Interviews bessere

Ergebnisse erzielten. Eine andere Studie hingegen betonte, dass Frauen sowohl von

männlichen als auch weiblichen GesprächsführerInnen schlechter beurteilt wurden, der

Geschlechterunterschied in der Beurteilung also auch zu einem Halo-Effekt beitragen

kann. Ebenso würde die Voreingenommenheit der Gesprächsführenden als geeigneter

oder ungeeigneter Kandidat die Einschätzungen spezifischer Merkmale determinieren.

Allgemein kann festgehalten werden, dass durch Training und Erfahrung der Inter-

viewerInnen sowie durch die Strukturierung des Gespräches eine Verbesserung der

Reliabilität erreicht werden kann.

Zur Vorhersagekraft des Interviews: Aus den Studien geht hervor, dass es ebenso bei der

Beurteilung der Vorhersagekraft unterschiedliche Standpunkte gibt. So wird sichtbar,

48

dass einige Studien einen positiven Zusammenhang zwischen dem Aufnahmegespräch

und den Leistungen innerhalb des Studiums sowie dem klinischen Praktikum aufzeigen.

Zwei retrospektive Kontrollstudien zeigten, dass Studierende welche mit schlechten

Noten zum Interview kamen, denjenigen gegenüber benachteiligt wurden, welche gute

Leistungen nachweisen konnten. Eine methodisch ähnliche Studie konnte belegen, dass

InterviewerInnen zwar jene BewerberInnen identifizieren konnten, welche sehr gut

geeignet waren, aber jene nicht erfassen konnten, welche in der Ausbildung problema-

tisch waren. Davon wurden 93,8% der StudienanwärterInnen für die Ausbildung zugelas-

sen. Weiters konnte aufgezeigt werden, dass durch das Interview in 34,6% der Fälle

Vorhersagen zu den klinischen Leistungen getroffen werden konnten. Andere Studien

belegten, dass durch das Gespräch keine zukünftigen Erfolge vorhergesagt werden

können. In einer randomisierten Studie zeigt sich, dass von 106 Ergotherapie-

studierenden, welche entweder zufällig, auf Basis des Notendurchschnittes oder durch

das Interview aufgenommen wurden, keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der

Ausfallsrate, der theoretischen und klinischen Leistungen zwischen den drei Gruppen

festgestellt werden konnten. Diese Erkenntnis konnte durch weitere Untersuchungen

auch innerhalb der Physiotherapieausbildungen bestätigt werden. Die schwache

prädiktive Validität des Interviews zeigte sich insbesondere in der Identifizierung jener

Physiotherapiestudierenden, welche in der Ausbildung Probleme entwickelten. Bei einem

Vergleich zwischen ursprünglich abgewiesenen BewerberInnen zum Medizinstudium und

aufgenommenen Studierenden zeigte sich, dass zwar 78% des Gruppenunterschiedes

durch Präferenzen im Interview zustande kamen, hinsichtlich der theoretischen und

praktischen Leistungen schnitten die beiden Gruppen jedoch gleich gut ab. Keine Unter-

schiede bei den theoretischen Leistungen konnten auch bei Ergotherpiestudierenden,

welche entweder aufgrund guter Noten oder guter Interviewergebnissen aufgenommen

wurden, festgestellt werden. Allerderdings erbrachten jene, welche aufgrund des Inter-

views aufgenommen wurden, bessere Leistungen in der Praxis. In Hinblick auf die

Ökonomie des Interviews wird angemerkt, dass hohe Kosten hinsichtlich des Personal-

aufwandes und der Administration auf Seiten der Hochschule, aber auch für BewerberIn-

nen in Bezug auf Reisekosten und Zeitwandaufwand entstehen.

Relevante Ergebnisse: Generell zeigt sich eine Übereinstimmung innerhalb der Gesund-

heitsprofessionen, nämlich dass die Studierendenauswahl sowohl kognitive als auch

personenbezogene Fähigkeiten beinhalten soll. Obgleich der Schulnotendurchschnitt als

bester Prädiktor für die akademische Leistung gilt, ist die Varianz noch nicht vollständig

geklärt. Die Bedeutung nicht-kognitiver Fähigkeiten bei der Auswahl von Studierenden ist

49

unbestritten, wie diese jedoch adäquat erfasst werden sollen, ist ungeklärt. Dem

Bewerbergespräch kommt im Unterschied zu anderen Auswahlmethoden hierbei eine

besondere Rolle zu, da diesem Potential für die Vorhersage der klinisch-praktischen

Leistungen zugesprochen wird. Zwar gibt es hinsichtlich der Reliabilität, der Validität und

der Kosteneffektivität kontroversielle Ansichten, durch die Strukturierung der Gespräche

sowie durch das Training der InterviewerInnen können jedoch bessere psychometrische

Ergebnisse erzielt werden.

Limitationen: keine spezifischen Anmerkungen

Implikationen und Schlussfolgerungen: Der Notendurchschnitt stellt den besten Single-

prädiktor zur Vorhersage theoretischer Leistungen dar. Jedoch ist der Zusammenhang

zwischen den Durchschnittsnoten und den Leistungen in der Praxis weitgehend unklar.

Daraus kann geschlossen werden, dass andere, nicht-kognitive Fähigkeiten, wie Berufs-

erfahrung, zwischenmenschliche Fähigkeiten, Motivation, Reife, Einfühlungsvermögen,

ethische Integrität, wesentliche Eigenschaften darstellen, die eine erfolgreiche

Ausbildung beeinflussen. Der Einsatz des Interviews unterstützt die Messung nicht-

kognitiver Eigenschaften, allerdings weist das Auswahlgespräch Schwächen, wie die

Voreingenommenheit der InterviewerInnen gegenüber den BewerberInnen, mangelhafte

Erfahrungen in der Durchführung sowie den Einfluss der Geschlechterunterschiede, auf

die Einschätzungen auf. Einige Autoren vertraten die Meinung, dass eine Aufnahme nach

dem Zufallsprinzip nach einer vorangegangenen Erstbeurteilung auf Basis von Noten die

beste Methode der Studierendenauswahl wäre. Diese Form wäre fair, würde aber am

Widerstand der BewerberInnen, der Aufnahmekommission und der Öffentlichkeit

scheitern. Zusammenfassend kann angemerkt werden, dass durch die Strukturierung der

Gespräche sowie durch das Training der InterviewerInnen die Reliabilität und Validität

des Auswahlgespräches erhöht werden kann, aber noch weitere Forschungstätigkeit

notwendig ist, um Möglichkeiten zur Erfassung nicht-kognitiver Merkmale zu entwickeln.

4) Elam Carol L., Seaver Daniel C., Berres Peter N., Brandt Barbara F. (2000): An

Overview of Admission Processes for Medical, Dental, Pharmacy, Physical

Therapy, and Physician Assistant Programs, NACADA Journal, 20(1), 24-32.

Institution: University of Kentucky (College of Medicine, College of Dentistry, College of

Allied Health Professions), University of Minnesota (Academic Health Center)

50

Fragestellung und Hypothese: keine spezifischen Angaben

Ziel der Studie: Der vorliegende Artikel beschäftigt sich mit dem Auswahlprozess in der

Human- und Zahnmedizin, der Pharmazie, sowie dem Studium der Physiotherapie und

der Arztassistenz. Das Ziel ist es, BewerberInnen über die einzelnen Berufsgruppen zu

informieren, um die richtige Auswahl zu treffen, und sich danach zielgerecht auf den

Bewerbungsprozess vorzubereiten. Auch BeraterInnen sollen wertvolle Informationen

erhalten, um die BewerberInnen bestmöglich im Entscheidungsprozess unterstützen zu

können.

Publikationstyp und Studiendesign: Artikel/Praktischer Leitfaden

Land und Zeitpunkt/-dauer der Studie: USA, 2000

Zielgruppe und Stichprobenumfang: keine spezifischen Angaben

Auswahlverfahren: keine spezifischen Angaben

Studienspezifische Merkmale:

Praktischer Schwerpunkt: Im vorliegenden Leitfaden wird auf die theoretische und

praktische Vorbereitung und den Bewerbungsprozess der einzelnen Fachbereiche

eingegangen. Dabei werden folgende Basisanforderungen für die fünf medizinischen

Ausbildungen in den USA näher beleuchtet: studiumspezifische Grundvoraussetzungen,

Kenntnisse über den Beruf, standardisierte Tests, Aufnahmeprozess, Bewerbungs-

zeitrahmen, Beurteilungsschreiben und Interviews. Weiters wird auf die Rolle des

Beraters in der Unterstützung der Studienwahl eingegangen. Potentielle BewerberInnen

haben bereits konkrete Vorstellungen über ihren Berufswunsch, während andere lediglich

wissen, dass sie in einem medizinischen Beruf arbeiten zu wollen. Erst bei der Beratung

bekommen viele der zukünftigen Studierenden einen Überblick über die Vielfalt der

medizinischen Berufe, deren unterschiedliche Ausbildungen und Tätigkeitsbereiche. Ziel

der Beratungen ist es, die Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten der jeweiligen

Berufsgruppen zu differenzieren und dabei den eigenen Berufswunsch herauszufinden.

Es wird angemerkt, dass der Beratung eine bedeutsame Funktion zukommt und es

wichtig ist, potentiellen BewerberInnen für Gesundheitsberufe entsprechende

Informationen und zuverlässige Unterstützung zukommen zu lassen.

51

Zur Physiotherapieaufnahme: Grundsätzlich können in den USA ein Bakkalaureat-,

Master-, oder Doktoratsstudium in der Physiotherapie belegt werden, wobei es im Jahr

2000 insgesamt 196 physiotherapeutische Ausbildungsprogramme gab. Es wird

angemerkt, dass die Grundvoraussetzungen zum Bakkalaureatsstudium zwischen den

Ausbildungseinrichtungen variieren, die meisten davon verlangen ein Jahr allgemeine

Chemie, Physik und Biologie, einschließlich Laborerfahrungen. Empfohlen werden

zusätzliche Ausbildungsnachweise in den Sozial- und Verhaltenswissenschaften.

Informationen über Grundvoraussetzungskurse zur Ausbildung können aus der

Broschüre „Directory of Physical Therapy Education Programm“ entnommen werden. Um

in ein Master- oder Doktoratsstudium aufgenommen zu werden, muss der GRE6

bestanden werden. Es wird angemerkt, dass die meisten Physiotherapieausbildungs-

einrichtungen einmal jährlich den Aufnahmeprozess durchführen und dabei spezifische

Aufnahmefristen anberaumen. Da es keine zentralisierte Aufnahme gibt, müssen sich die

StudienanwärterInnen an jeder einzelnen Institution bewerben. Der Aufnahmeprozess

variiert ja nach Ausbildungseinrichtung, wobei meistens ein Interview durchgeführt wird.

Eine frühere Bewerbung erbringt keinen Vorteil, manchmal werden Beurteilungsschreiben

gefordert.

Zum Interview: Das Interview wird dazu herangezogen, weitere Informationen von den

BewerberInnen zu erfahren. Dazu zählen persönliche Eigenschaften, Interesse,

theoretische Leistungen sowie berufliche Zielsetzungen. Bei den Interviews werden

Unterschiedlichkeiten hinsichtlich der Durchführungsphilosophie, der Anzahl und Länge

des Gespräches, der Interviewform, der gestellten Fragen, der Voraussetzungen und des

relativen Stellenwerts des Interviews im Rahmen des Auswahlprozesses beschrieben.

Die meisten Interviews sind so gestaltet, nicht-kognitive Fähigkeiten wie sprachliches

Ausdrucksvermögen, Selbstständigkeit, Selbsteinschätzung, Zielstrebigkeit, Mitgefühl

und Interesse am Menschen sowie einen Grad an Reife zu erfassen. Darüber hinaus

werden Einschätzungen zu Einstellungen zum Beruf, Führungsqualitäten sowie soziales

Engagement von den BewerberInnen vorgenommen. Manche GesprächsleiterInnen

vertreten die Meinung, dass Noten der BewerberInnen aus vorangegangenen Ausbildun-

gen einen zuverlässigen Prädiktor für die zukünftigen Leistungen darstellen.

Relevante Ergebnisse: Ausbildungseinrichtungen mögen einen Mindestdurchschnitt der

Noten, eine Mindestpunkteanzahl bei den standardisierten Tests, ein Minimum an

6 Graduate Record Examination ist ein standardisierter Test zur Aufnahme in US-amerikanische Graduate

Schools. Dies sind Bildungseinrichtungen, welche einen akademischen Grad (Master, Ph.D.) verleihen.

52

Hospitation im Berufsfeld sowie andere zusätzliche Qualifikationen erwarten. Um die

richtige Entscheidung zur Berufsauswahl zu treffen und erfolgreich und zufriedenstellend

zu studieren, sollten BewerberInnen zusätzliche Informationen über das jeweilige

Studienprogramm einholen und die Studienberatung in Anspruch nehmen. Die Aufgabe

der BeraterInnen besteht darin, zukünftige Studierende auf das bevorstehende Gespräch

vorzubereiten. Die Reflexion über den angestrebten Beruf ist dabei ein zentraler

Bestandteil. In Simulationsgesprächen werden Studierende auf mögliche Fragen vorbe-

reitet. Die BeraterInnen informieren BewerberInnen darüber, dass die Gesprächs-

führerInnen nicht nur Informationen von den StudienanwärterInnen erhalten, sondern

diese auch Fragen zur Bildungseinrichtung stellen können.

Limitationen: keine spezifischen Angaben

Implikationen und Schlussfolgerungen: keine spezifischen Angaben

5) Lewis Mark, Smith Susan (2002): Selection of Pre-registration Physiotherapy

Students. Changing to a more objective process, Journal of Physiotherapy, 88(11),

688-698.

Institution: Leeds Metropolitan University, Großbritannien

Fragestellung und Hypothese: keine spezifischen Angaben

Ziel der Studie: Die Studie beschreibt den traditionellen Auswahlprozess zum Physio-

therapiestudium an einer englischen Universität und die Entwicklung eines neues

Verfahrens, welches nach einer Literaturanalyse konzipiert wurde und als Kernelemente

die Elimination des Interviews und die Objektivierung des Auswahlverfahrens durch

Randomisierung beinhaltet.

Publikationstyp und Studiendesign: Traditioneller Literaturreview und Verfahrens-

beschreibung

Land und Zeitpunkt/-dauer der Studie: England, 1999-2002

Zielgruppe und Stichprobenumfang: Es fand eine computerunterstützte Literatursuche in

den Datenbanken Medline und Cinahl mit den Suchbegriffen „interview“, „admissions

53

students“, „admissions procedure“ und „admissions criteria“ statt. Konkrete Angaben zum

Stichprobenumfang liegen keine vor.

Auswahlverfahren: keine spezifischen Angaben

Studienspezifische Merkmale:

Ausgangslage: In Anbetracht der großen Anzahl von Bewerbern und der Tatsache, dass

der Aufnahmeprozess vor 1999 eher Studierende unter 30 Jahren bevorzugt zugelassen

hatte, wurde nach einer Möglichkeit gesucht, eine alternative Methode zu entwickeln,

welche den Zugang für verschiedenartige Studierende öffnete. Das Bestreben dabei war,

das Interview aus dem Auswahlprozess für einen Probezeitraum zu exkludieren.

Das Prozedere vor 1999: Nach Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten und der Begut-

achtung der persönlichen Stellungnahmen nach festgelegten Kriterien wurden die

BewerberInnen zu einem Interview geladen. SchulabgängerInnen wurden von

mindestens zwei InterviewerInnen befragt, wobei auch ausgebildete Physio-

therapeutInnen hinzugezogen wurden. Spätstudierende wurden hingegen zu einem face-

to-face Interview geladen. Die Resultate der Aufnahmedaten und die zu erwarteten

Abschlussnoten der Ausbildung ergaben eine vorläufige Rangreihe der Studien-

anwärterInnen für die Aufnahme des Studiums. Die hohe Bewerberzahl forderte ein

hohes Ausmaß an personellen Ressourcen, um den Bewerbungsprozess zu bewältigen.

Aufgrund der zahlreichen Informationsangebote, waren BewerberInnen gut informiert und

erzielten ähnliche Interviewergebnisse. Daraufhin wurde das Interview in seiner Form in

Frage gestellt, da dadurch keine wesentlichen neuen Erkenntnisse gewonnen werden

konnten. Um die Effektivität des Auswahlverfahrens zu erhöhen, wurde eine Literatur-

recherche durchgeführt.

Kritikpunkte des Interviews: Studien belegen, dass das Interview in Bezug auf das

Geschlecht, das Auftreten, die Herkunft und andere Wahrnehmungsverzerrungen einen

wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis des Gespräches haben. Unterbewusst werden

KandidatInnen im Interview bevorzugt oder benachteiligt eingeschätzt. Eine mangelnde

Standardisierung innerhalb der InterviewerInnen wurde ebenso kritisch angemerkt. Die

Resultate von Interviews, die von einer Person geführt wurden, werden im Verhältnis zu

zwei GesprächsführerInnen als unzuverlässiger eingestuft. Der ständige Wechsel des

Interviewteams wurde ebenso bemängelt.

Das neue Verfahren:

Aufgrund der unzuverlässigen Vorhersagkraft und des enormen Zeitaufwandes der

Fakultäten wurde der Entschluss gefasst, das Interview aus dem Auswahlprozess

54

auszuschließen. Ziel des neuen Verfahrens war es, eine Chancengleichheit zu

gewährleisten und eine ausgeglichene Kohorte aus den BewerberInnen zu finden.

Aufgrund der hohen Bewerberzahl und der geringen Anzahl an Studienplätzen wurde

eine hohe Objektivität im Aufnahmeverfahren angestrebt. Basis des neuen Verfahrens

waren die Standards für Chancengleichheit mit dem Ziel, direkte oder indirekte

Diskriminierung zu vermeiden. Jene BewerberInnen, welche die bestmögliche Eignung

hatten, sollten einen Studienplatz erhalten. In einem ersten Schritt wurden die Bewerbe-

rInnen in vier Kategorien (weibliche und männliche SchulabsolventInnen, weibliche und

männliche Spätstudierende) eingeteilt, um ein möglichst breites Spektrum an Vielfalt zu

erreichen. Die Auswahl der KandidatInnen erfolgte prozentual entsprechend der Anzahl

der BewerberInnen der jeweiligen Kategorien. Die finale Reduzierung der BewerberInnen

fand durch eine computergenerierte Selektion statt.

Relevante Ergebnisse: Das neue Verfahren wurde grundsätzlich als objektiv bewertet.

Dennoch waren einige Aspekte unklar, welche im „Dearing Report“ festgehalten wurden.

Auffallend war die Dominanz von Frauen im Beruf, die geringe Anzahl von ethnischen

Gruppen, Personen mit Beeinträchtigungen und älteren BewerberInnen. Infolgedessen

wurde beschlossen, Strategien zu entwickeln, um zukünftig unterrepräsentierte Gruppen

verstärkt in die Ausbildung aufzunehmen. Trotz der neuen Stratifizierungsmethode

konnte kein Einfluss auf die hohe Anzahl der BewerberInnen genommen werden. Eine

wesentliche Veränderung im neuen Aufnahmeprozess war die Neugewichtung des

Punktesystems der Schulnoten und eine Entwicklung eines Beurteilungsblattes zur

Bewertung der kognitiven Leistungen und der persönlichen Stellungnahmen (Bewerber-

unterlagen). Die Auswertung der Bewerberunterlagen erfolgte durch das Abhaken der

Anforderungen auf dem Beurteilungsblatt. Auf diese Weise sollte eine bessere Nachvoll-

ziehbarkeit und eine objektivere Zugangsmöglichkeit gewährleistet werden.

Limitationen: keine spezifischen Angaben

Implikationen und Schlussfolgerungen: Angemerkt wurde, dass zwar eine Steigerung der

Objektivität erreicht werden konnte, hingegen der Personalaufwand nach wir vor sehr

hoch angemessen ist. Die Kategorienbildung bewirkte ein gleichbleibendes Verhältnis

von weiblichen sowie männlichen SchulabsolventInnen, aber einen Anstieg der Anzahl

der Spätstudierenden. Nach wie vor gibt es einen deutlichen Überhang an weiblichen

Studierenden. Aufgrund der neuen Methode kam es bei stetig hoher BewerberInnen-

anzahl zu keiner wesentlichen Veränderung in der Zusammensetzung der Studierenden.

55

Während im alten Procedere das Personal mit der Interviewabhaltung ausgelastet war,

kam es im neuen Verfahren zu einer erhöhten Anzahl an Personalstunden, welche auf

das Screening der Bewerbungsunterlagen und das Ausfüllen des Beurteilungsblattes

zurückzuführen sind. Es blieben noch Unklarheiten offen, welches das Weglassen des

Interviews im Auswahlprozess rechtfertigen. Zukünftig sollte das Augenmerk darauf

gelegt werden, möglichst unterschiedlichen Personen die Aufnahme in das Studium der

Physiotherapie zu ermöglichen. Durch diese Studie konnte ein erster Schritt in diese

Richtung gesetzt werden.

5.2.3. Das Interview als Methode zur Studierendenauswahl in den Gesundheits-

berufen

6) Glazer Greer, Startsman Laura, Bankston Karen, Michaels Julia, Danek Jeniffer

C., Fair Malika (2016): How many schools adopt interviews during the student

admission process across the health professions in the United States of America?

Journal of Educational Evaluation for Health Professions, 13(12).

Institutionen: University of Cincinnati (College of Nursing), Urban Universities für

HEALTH, Association of Public and Land-grant Universities, Association of American

Medical Colleges

Fragestellung und Hypothese: keine spezifischen Angaben

Ziel der Studie: Die Studie zielt darauf ab, die Häufigkeiten und Varianten von Interviews

und deren Methoden im Rahmen des Aufnahmeverfahrens von BewerberInnen für

Studienrichtungen gesundheitsbezogener Disziplinen zur Erfassung nicht-kognitiver

Merkmale und Fähigkeiten zu evaluieren und beschreibt darüber hinaus den

Interviewprozess bei der Auswahl von Studierenden.

Publikationstyp und Studiendesign: Quantitative Befragung im Rahmen eines nationalen

Surveys

Land und Zeitpunkt/-dauer der Studie: US-Survey aus dem Jahr 2014

Zielgruppe und Stichprobenumfang: Es wurden 228 Ausbildungslehrgänge für Gesund-

heitsberufe an 104 öffentlichen Universitäten befragt. Dabei wurden die Human- und

56

Zahnmedizin, die Pharmazie, die Pflege und Gesundheitswissenschaften (Public Health)

berücksichtigt.

Auswahlverfahren: Auf Basis der Datenbank „Integrated Postsecondary Education Data

System“ (IPEDS) wurde eine geschichtete Zufallsstichprobe gezogen.

Studienspezifische Merkmale:

Erhebungsinstrument: Der Fragebogen für den nationalen Survey diente als Grundlage

für die Studie, wobei zwei Fragenkomplexe auf das Interview abzielten und für die

Analyse herangezogen wurden. Erfragt wurden einerseits der Screeningprozess,

andererseits der Einsatz, Ablauf und das Prozedere des Interviews im Rahmen des

Aufnahmeverfahrens.

Auswertungsverfahren: Deskriptive statistische Verfahren in Form von Häufigkeits-

aufzählungen

Relevante Ergebnisse: 130 von 228 Bildungseinrichtungen (57%) verwendeten im

Auswahlprozess ein Interview, wobei es deutliche Unterschiede zwischen den Disziplinen

gab. Während medizinische, zahnärztliche und pharmazeutische Studiengänge zu über

80% das Interview einsetzten, war es im Bereich der Pflege und Public Health nur jede

fünfte Ausbildungseinrichtung. Mehrheitlich kamen dabei Beurteilungsschemata,

sogenannte „interview rubrics“, zur Anwendung (71,5%), wobei weitere 40% zusätzlich

qualitative Antwortbeispiele auf die Fragen bereitstellten. 34 Ausbildungseinrichtungen

betonten die Zentralität von berufsrelevanten Merkmalen, wobei 88% davon darauf

hinwiesen, dass kommunikative Fähigkeiten die besten Voraussetzungen innerhalb der

Gesundheitsberufe darstellen. Zu den wünschenswerten nicht-kognitiven Fähigkeiten

zählen neben den sprachlichen Kompetenzen insbesondere die Motivation (65%), gefolgt

von der Bereitschaft für den Beruf (50%), der Leistungsbereitschaft und der Problem-

lösungsfähigkeit (jeweils 35%). In einem geringeren Ausmaß wurden Extrovertiertheit,

Reife und kulturelle Kompetenzen, äußere Erscheinung und manuelle Geschicklichkeit

als weitere notwendige Fähigkeiten erhoben. Überwiegend wurden die Interviews

traditionell als persönliches Gespräch durchgeführt (74%), während das MMI in 24% der

Ausbildungseinrichtungen Anwendung fand und in zwei Institutionen beide Varianten zum

Einsatz kamen. Durchschnittlich wurden im MMI zwischen 6 bis10 Fragen mit einer

Dauer von 8 bis 10 Minuten gestellt.

57

Limitationen: Die Autoren merken an, dass nur ein geringer Teil der Einrichtungen der

Aufforderung nachkamen, ihr Bewertungsschema für die Studienanalyse zur Verfügung

zu stellen. Aufgrund der kleinen Stichprobe konnten weder berufsrelevante Kompetenzen

noch Interviewmethoden disziplin-respektive professionsspezifisch analysiert werden.

Implikationen und Schlussfolgerungen: Aus Sicht der Autoren sind weitere Forschungs-

tätigkeiten notwendig, um die Effektivität verschiedener Varianten von Aufnahme-

strategien zu beforschen. Darüber hinaus lassen die Ergebnisse vermuten, dass sprach-

liche und motivationale Aspekte Kernkompetenzen für alle Gesundheitsberufe darstellen,

wobei eine Identifizierung eines übergreifenden Kompetenzprofiles noch ausständig ist.

7) Goho James, Blackman Ashley (2006): The effectivness of academic admission

interviews: an exploratory meta-analysis. Journal of Medical Teacher, 28(4), 335-340.

Institution: Red River College

Fragestellung und Hypothese: keine spezifischen Angaben

Ziel der Studie: Die Studie hat zum Ziel, die Effektivität und Zuverlässigkeit des Interviews

in Bezug auf die Vorhersagekraft von kognitiven und klinischen/praktischen Leistungen

im Auswahlprozess von Studierenden gesundheitsbezogener Berufe zu analysieren.

Publikationstyp und Studiendesign: Metaanalyse, Prinzipien von Lipsey & Wilson (2001)

werden angewandt

Land und Zeitpunkt/-dauer der Studie: Kanada, 2006

Zielgruppe und Stichprobenumfang: In die Metanalyse wurden jene 20 Studien aufge-

nommen, welche Morris (1999) zur Analyse der Effektivität des Interviews im Auswahl-

prozess herangezogen hat und zwischen 1978 – 1997 publiziert wurden. Dabei handelt

es sich um Studien aus folgenden vier Gesundheitsdisziplinen: Medizin, Zahnmedizin,

Ergotherapie und Physiotherapie.

Auswahlverfahren: keine spezifischen Angaben. Alle 20 inkludierten Studien wurden in

Journalen publiziert oder entstammen einem umfassenden Review. Jene 19, zwischen

1981 – 1997 publizierten Studien, wurden für die Analyse der Effektivität des Interviews

58

herangezogen, während 10 Studien, welche zwischen 1978 – 1997 veröffentlicht wurden,

sich auf den Zusammenhang der Interviewergebnisse mit den Erfolgen der klinischen

Praxis konzentrierten.

Studienspezifische Merkmale:

Durchführung der Metaanalyse: Die Durchführung der Metaanalyse erfolgte in Anlehnung

an Lipsey & Wilson (2001). Grundsätzlich wurden für jede Studie detaillierte

Informationen über die jeweilige Ausbildungseinrichtung, die Berufsgruppe, das Land, der

Durchführung, die Stichprobengröße und Charakteristika, den Typ und Design, den

Prädiktor, relevante Kriterien und Variablen, die Effektgröße sowie das Signifikanzniveau

erhoben. Darüber hinaus wurde das Interviewprozedere jeder Studie nach folgenden vier

Kriterien bewertet: Faktorenanalyse, Verwendung von standardisierten Fragen,

Vorbereitung von Antwortmustern und Training der Interviewer. Eine Reliabilitätsprüfung

erreichte für diese Kriterien ein Cronbach´s Alpha von 0.82. Des Weiteren erfolgte eine

Einteilung hinsichtlich der Struktur, wobei eine Unterteilung in unstrukturierte und

strukturierte Interviewformen vorgenommen wurde.

Statistische Verfahren: Zur Ermittlung der Effektstärke wurde der Korrelationskoeffizient

nach Pearson berechnet. Bei Studien, welche keine Angaben zur Effektstärke aufwiesen,

wurde auf Basis der Stichprobendaten die Effektgröße berechnet oder bei fehlenden

Werten eine Schätzung vorgenommen. Wurden Ergebnisse nur als „nicht signifikant“

bezeichnet, wurde die Effektstärke mit dem Wert 0 codiert.

Relevante Ergebnisse: Von den 20 Studien wurden 19 in Bezug auf die Effektivität des

Interviews analysiert. Der Stichprobenumfang variierte dabei von n=32 bis n=1866, wobei

die meisten Studien davon einen Prädiktor enthielten, der in Bezug zu einem Messwert

des Interviews stand. Die Messergebnisse variierten innerhalb der Studien weitgehend.

Das Design der Studien war meist retrospektiv, indem die Interviewleistung mit den

Studienleistungen ohne Kontrollgruppe verglichen wurde. Einige Studien wiesen lediglich

darauf hin, dass das Interview kein valider Prädiktor für den theoretischen sowie

praktischen Studienerfolg sei. Der gewichtete Korrelationskoeffizient lag bei Studien, die

das Interview als Prädiktor für den Studienerfolg analysierten, bei 0.06 (95%) und das

Konfidenzintervall zwischen 0.03 und 0.08. Die Effektgröße der Studien betrug -0.14 bis

0.18, welche die mangelnde Vorhersagekraft des Studienerfolges durch das Interview

belegt. In 10 von den 20 Studien wurde der Zusammenhang der Interviewergebnisse mit

den Erfolgen der klinischen Praxis verglichen. Der Stichprobenumfang variierte dabei von

n=32 bis n=442. Als unabhängige Variable fungierten Interviewwerte, respektive –

59

einschätzungen, oder das Bestehen des Interviews. Die abhängigen Variablen

divergieren nach Studientyp in Form von Beurteilung des klinischen Praktikums, durch-

schnittlicher klinischer Leistungsperformance, mündlichen oder praktischen Prüfungen

und anderen Outcomeparameter. Bei der Betrachtung aller Studien konnte ein geringer

positiver Gesamteffekt in Vorhersagekraft des Erfolges in der klinischen Praxis durch das

Interview festgestellt werden. Mit einem Korrelationskoeffizienten von r=0.17 kann die

Annahme gestützt werden, dass durch das Interview eher nicht-kognitive Fähigkeiten

erfasst werden und dieses daher geeignet ist, den klinisch/praktischen Erfolg vorher-

zusagen. Die Effektgrößen der Studien rangierten dabei zwischen -0.06 bis 0.68.

Limitationen: Aufgrund der zu geringen Anzahl der Studien, welche aus einem

bestehenden Review entnommen wurden, konnten keine repräsentativen Ergebnisse

ermittelt werden. Zudem ist die methodologische Qualität der Studien zu unterschiedlich,

um Generalisierungen vorzunehmen.

Implikationen und Schlussfolgerungen: Die Studienlage zur Vorhersage des Studien-

erfolges ist widersprüchlich. Unterschiedliche Faktoren haben Einfluss auf die Leistungen

der Studierenden, wodurch eine Prognose für einen erfolgreichen Abschluss des

Studiums schwierig vorherzusagen ist. Ausbildungseinrichtungen haben den Anspruch,

die besten Studierenden gesundheitsbezogener Studien auszuwählen, wobei das Inter-

view dabei sowohl zum Ein- als auch Ausschluss von Studierenden herangezogen wird.

Das Interview wird als durchaus kostenaufwendig eingeschätzt, da für die Entwicklung

und die Durchführung für die Fakultät und auch für die Bewerber nicht unerhebliche

Kosten entstehen. Für den gesamten Interviewprozess wird ein Stundenkontingent von

28 Arbeitsstunden pro Interviewleiter angeführt mit einer durchschnittlichen Interview-

dauer von 41 Minuten pro BewerberIn. Aufwendig strukturierte Interviewprozesse werden

kritisch hinterfragt, da die Kosten in Relation zur Aussagekraft des Studienerfolg nicht

angemessen sind. Für fundiertere Analysen und Schlussfolgerungen sind weitere

Forschungsaktivitäten notwendig.

8) Edgar Susan, Mercer Annette, Hamera Peter (2014): Admission interview scores

are associated with clinical performance in an undergraduate physiotherapy

course: an observational study. Journal of Physiotherapy, 100(4), 331-335.

Institutionen: The University of Notre Dame Australia (School of Physiotherapy), The

University of Western Australia (Faculty of Medicine, Dentistry and Health Sciences)

60

Fragestellung und Hypothese: Wie ist die prognostische Validität des Aufnahme-

gespräches für die Zulassung von BewerberInnen für das Physiotherapiestudium an der

Notre Dame Universität einzuschätzen?

a) Besteht ein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen des Interviews und den

kognitiven Leistungen in der Physiotherapieausbildung an der Notre Dame

Universität?

b) Besteht ein Zusammenhang zwischen den Ergebnissen des Interviews und den

Leistungen der klinischen Praxis in der Physiotherapieausbildung an der Notre

Dame Universität?

c) Welchen Einfluss haben das Alter und das Geschlecht auf die Leistungen der

Studierenden in der Physiotherapieausbildung?

Ziel der Studie: Die Studie zielt darauf ab, Zusammenhänge zwischen den Interview-

ergebnissen und späteren Leistungen während der Ausbildung zu erfassen. Des

Weiteren wird die Bedeutsamkeit soziodemographischer Faktoren beleuchtet, um

Geschlechterunterschiede in der Leistungsperformance zu analysieren.

Publikationstyp und Studiendesign: Retrospektive Beobachtungsstudie

Land und Zeitpunkt/-dauer der Studie: Australien, der Zeitraum der Beobachtung erfolgte

von 2006 – 2007.

Zielgruppe und Stichprobenumfang: Die Zielgruppe der Analyse sind Studierende der

Physiotherapieausbildung der Notre Dame Universität in Australien, mit einem Gesamt-

stichprobenumfang von n=141.

Auswahlverfahren: In die Studie wurden Studierende, welche die Ausbildung verzögert

begannen, während des Jahres oder in einem Unterrichtsfach ausgeschieden oder frei-

gestellt wurden, eingeschlossen (n=152). Nicht eingeschlossen wurden jene Studierende,

welche sich im ersten Jahr aus der Ausbildung zurückgezogen, um Prüfungen nach-

zuholen (n=3), Studierende, welche vor 2005 mit einem anderen Verfahren interviewt

wurden, (n=1) und Studierende, von denen keine Interviewergebnisse vorlagen oder

Dokumente, wie schriftliche Aufzeichnungen vergangene Abschlüsse, fehlten (n=7). Nach

Ausschluss aller Studierenden anhand dieser Kriterien ergab sich eine verbleibende

Stichprobengröße von n=141.

61

Studienspezifische Merkmale:

Aufnahmeinterview: 2010 zeigte eine Literaturrecherche, dass von 17 Universitäten,

welche Physiotherapieausbildungen in Australien anbieten, nur zwei davon ein Interview

im Auswahlprozess von Studierenden einsetzen. Seit 2003 ist an der Universität von

Notre Dame das Aufnahmeinterview integraler Bestandteil des Auswahlprozesses, wobei

erst seit 2006 ein teilstrukturiertes Interview Anwendung findet. Mit einer 50% Gewich-

tung fließt das Interview in die Gesamtbewertung ein. Im Gespräch werden personen-

bezogene Eigenschaften in den Bereichen Erfolg, Herausforderungen, Motivation,

Problemlösung und Kommunikation erhoben und mit den kognitiven Testergebnissen

zusammengeführt. Die vorliegende Studie ist bis dato die einzige in Australien, welche

sich mit der Vorhersagekraft von Interviewergebnissen im Auswahlprozess von

Studierenden des Physiotherapiestudiums beschäftigt.

Variablen: Die Ergebniswerte des Aufnahmeprozesses („Interview Score“, „Tertiary

Entrence Rank“ und „Educational Score“) sowie demographische Daten (Geschlecht,

Alter zum Zeitpunkt der Zulassung, Zugangsniveau der SchulabsolventInnen und

Spätstudierenden) wurden als Prädiktoren definiert. Der „Tertiary Entrence Rank“ (Score

zur Zulassung an Universität in Westaustralien) wurde herangezogen, um die Leistungen

jedes einzelnen Studierenden mit Leistungen anderer Studierender nach Studiums-

abschluss zu vergleichen. Der „Educational Score“ wurde von der Universität berechnet

und stellt einen allgemeinen Messwert für beide Gruppen, also die SchulabsolventInnen

und Spätstudierenden dar. SchulabsolventInnen wurden durch den „Tertiary Entrence

Rank“, Spätstudierende nach dem „Mature Age Ranke“ rekrutiert, in dem bereits abge-

schlossene Ausbildungen oder Ausbildungsabbrüche berücksichtigt werden. Insgesamt

wurden 54 Outcomevariablen definiert, welche alle Aspekte der Leistungen des

Bachelorprogramms widerspiegelten. Diese umfassten die individuellen Leistungs-

ergebnisse eines Jahres sowie die Durchschnittswerte der gesamten Ausbildung,

individuellen Leistungen des klinischen Praktikums eines Ausbildungsjahres sowie

Durchschnittswerte der gesamten praktischen Ausbildung, und individuelle und objektive

klinische Leistungsbeurteilungen. Im Falle einer Wiederholung einer Prüfung wurde das

erste Prüfungsergebnis herangezogen.

Statistische Verfahren: Demografische Daten und die Aufnahmeergebnisse wurden durch

deskriptive Verfahren ausgewertet. Unterschiede zwischen den beiden Jahrgangs-

gruppen (2006 und 2007) wurden durch eine Varianzanalyse (ANOVA) berechnet.

Aufgrund des beobachteten Deckeneffekts bei den Educational Score wurden für alle

Outcomevariablen Rangkorrelationen nach Spearman durchgeführt. Die Berechnung des

62

Pearson-Korrelationskoeffizienten wurde für Zusammenhänge der Ergebnisparameter mit

den Prädiktorenvariablen „Interview Score“, „Tertiary Entrence Rank“ und Alter angewen-

det. Für alle dichotomen Variablen wurden punktbiserale Korrelationen berechnet.

Cohen´s Effektgröße wurde ermittelt, um die Stärke der Zusammenhänge zu belegen.

Um den Einfluss der Prädiktoren auf die Outcomevariablen zu erfassen, wurde eine

multiple lineare Regression durchgeführt. Für alle inferenzstatistischen Verfahren wurde

ein p-Wert von 0.05 als statistisch signifikant festgelegt.

Relevante Ergebnisse: Das Durchschnittsalter beider Gruppen betrug zum Zeitpunkt des

Ausbildungsbeginns 19.6 Jahre. 66% davon waren weibliche Studierende und davon

62% Schulabgängerinnen. Zum Zeitpunkt des Studiumbeginns war verglichen mit 2007

der durchschnittliche „Educational Score“ niedriger, der Durchschnittswert der

Interviewergebnisse hingegen höher als im Jahre 2006. Die Studierendenanzahl

reduzierte sich von n=141 um 26 Studierende, wobei 24% 2006 und 10% 2007 die Aus-

bildung nicht abgeschlossen haben. 69% der ausgeschiedenen Studierenden waren

dabei Schulabgänger, davon 62% weibliche Studierende. Jeder Studienabbrecher hatte

im Vergleich zu den Studierenden, welche die Ausbildung abgeschlossen hatten,

niedrigere Durchschnittswerte im Interview (Wert 3). In drei von acht Lehrveranstaltungen

des ersten Jahres und in vier von acht Fächern des zweiten Jahres zeigte der Interview-

wert einen signifikanten Zusammenhang zu den Leistungen der Studierenden. In drei von

sechs klinischen Praktika zeigte das Interview in Bezug auf Leistungen, mehr als jedes

andere Auswahlkriterium einen signifikanten Zusammenhang, hingegen korrelierten

theoretische Leistungstests nur mit einem Praktikum (Muskuloskelettale System). Der

Interviewscore war die einzige Variable, welche signifikante Übereinstimmungen zu den

Notendurchschnitten aller praktischen Leistungen aufwies. Der Einfluss des Geschlechts

zeigte, dass Frauen die gesamte Ausbildung hindurch, insbesondere ab dem 2.

Ausbildungsjahr, auf einem höheren Niveau in vielen Lehrveranstaltungen, abschnitten.

In Bezug auf Spätstudierende zeigte sich, dass diese im ersten Jahr gegenüber den

SchulabsolventInnen bessere Leistungen erzielten, jedoch im dritten Jahr in drei Lehr-

veranstaltungen deutlich bessere Leistungen von den SchulabsolventInnen erreicht

werden konnte.

Limitationen: Eine unvollständige Datendokumentation vor 2007 erschwerte die Analyse

der Interviewwerte. Die Häufigkeit der Maximalpunkteanzahl beim „Educational Score“

bewirkte einen Deckeneffekt, welcher die Interpretation der Zusammenhänge erschwerte.

63

Implikationen und Schlussfolgerungen: Studierende mit einem schlechteren theoretischen

Aufnahmetest scheiden nicht eher aus dem Studium aus als jene, welche bessere

Ergebnisse erreichten. Studierende, die aber im Interview durchschnittlich um drei Punkte

weniger erzielten als jene, die das Studium abschlossen, beendeten die Ausbildung

vorzeitig. Demnach begründen die Autoren, dass das Interview als eine durchaus

prognostische valide Methode angesehen werden kann. Insbesondere zeigen

Interviewscores einen signifikanten Zusammenhang mit den Leistungen in der klinischen

Praxis. Bedeutsam scheint der Zusammenhang zwischen den theoretischen Leistungs-

tests und der praktischen muskluloskelettalen Lehrveranstaltung, was bis dato noch nicht

publiziert wurde. Studienberichte von medizinischen Universitäten in Australien und

Großbritannien belegten bereits, dass Frauen gegenüber Männern bessere Ergebnisse in

der Physiotherapieausbildung erzielten, dies konnte auch in der vorliegenden Studie

nachgewiesen werden. Als Grund dafür werden unrealistische berufliche Erwartungen

vermutet. Das bessere Abschneiden von Spätstudierenden zu Beginn des Studiums wird

damit erklärt, dass jene Personen zum Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns zumeist einen

medizinischen Hintergrund aufweisen und Alter und Lebenserfahrung einen positiven

Beitrag dazu leisten. Abschließend kann festgehalten werden, dass die Autoren ein

jährlich standardisiertes Interviewtraining empfehlen. Jeder Interviewer sollte ein Feed-

back nach jeder Interviewrunde erhalten und das Gespräch ohne Vorwissen über die

Schulnoten der BewerberInnen führen. Die Studie nimmt mit ihren Konklusionen Bezug

auf das Physiotherapiestudium der Notre Dame Universität, dennoch können die

gewonnen Erkenntnisse von anderen Universitäten und anderen Fachdisziplinen heran-

gezogen werden, welche das Interview im Aufnahmeprozess bereits anwenden oder es

planen, es als Auswahlmethode zu integrieren.

5.2.4. Zusammenfassende Darstellung der Studien

Im vorliegenden Review wurden acht Studien analysiert, wovon drei in den Vereinigten

Staaten, zwei in Großbritannien, zwei in Kanada sowie eine in Australien publiziert

wurden. Der Publikationszeitraum schwankt zwischen 2000 – 2016, dabei wurden zwei

Studien 2016 und eine Publikation 2014 veröffentlicht. Im Zeitraum von 2000 – 2005

wurden fünf Studien verfasst. In Bezug auf den Publikationstyp wurden eine quantitative

Befragung (Glazer et al., 2016), zwei systematische Reviews (Patterson et al., 2016;

Salvatori, 2001), eine Metaanalyse (Goho & Blackman, 2006), eine retrospektive

Beobachtungsstudie (Edgar et al., 2014) ein traditioneller Review (Lewis & Smith, 2002)

ein Artikel in Form eines Leitfadens (Elam et al., 2002) sowie eine Inhaltsanalyse

64

(Rippentrop et al., 2003) eingeschlossen. Den Schwerpunkt innerhalb der eingeschlossen

Studien stellten Reviews dar, wobei die Literaturrecherche in zwei Studien (Lewis &

Smith, 2002; Salvatori, 2001) vorwiegend in den Datenbanken Medline und Cinahl

durchgeführt wurden. Patterson et al. (2016) führten die Literaturrecherche in fünf Daten-

banken durch, wobei die Nennung dieser vorbehalten wird. Die Zahl der analysierten

Publikationen war insofern unterschiedlich, als Patterson et al. (2016) 194 Studien und

Salvatori et al. (2001) 83 Publikationen in den Review aufnahmen. Bei Lewis & Smith

(2001) werden diesbezüglich keine spezifischen Angaben in der Studie angemerkt. Goho

& Blackman (2006) bezog sich in seiner Metaanalyse auf 20 Studien, welche im Zeitraum

zwischen 1978 – 1997 publiziert wurden. Glazer et al. (2016) schließt in der quantitativen

Befragung 228 Bildungseinrichtungen an 104 öffentlichen Universitäten ein. Rippentrop

et al. (2003) bezog sich in der Inhaltsanalyse auf eine Datenbank, welche Informationen

von 161 Bildungseinrichtungen berücksichtigte. Bezogen auf die Disziplinen konzentrierte

sich die Mehrheit der Publikationen, insgesamt sechs (Elam et al., 2002; Glazer et al.,

2016; Goho & Blackman, 2006; Patterson et al. 2016; Rippentrop et al., 2003; Salvatori,

2001) auf die (gesprächsbasierte) Auswahl von Studierenden der Medizin (Human- und

Zahnmedizin), weitere fünf Studien beschäftigten sich singulär oder zusätzlich mit der

Physiotherapie (Edgar et al., 2014; Elam et al., 2002; Goho & Blackman, 2006; Lewis &

Smith, 2002; Salvatori, 2001). Pharmazie, Pflege und Ergotherapie standen bei insge-

samt vier Studien ergänzend zur Medizin im Zentrum der Analyse (Elam et al., 2002;

Glazer et al., 2016; Goho & Blackman, 2006; Salvatori, 2001) Vereinzelt wurden zusätz-

lich noch die Gesundheitswissenschaften (Glazer et al., 2016), die Arztassistenz (Elam et

al., 2002) oder die Atemtherapie gemeinsam mit der Radiologietechnologie und den

Hebammen (Salvatori, 2001) berücksichtigt. Nicht näher spezifiziert wurden die Gesund-

heitsberufe in der Studie von Lewis & Smith (2002). Inhaltlich thematisierte die Hälfte der

analysierten Publikationen das Interview in Relation zu anderen Auswahlmethoden zur

Selektion von Studierenden (Elam et al., 2002; Lewis & Smith, 2002; Patterson et al.,

2016; Salvatori, 2001), während vier Studien nur das Interview als Instrument zur

BewerberInnenauswahl in den Fokus der Auseinandersetzung stellten (Edgar et al.,

2014; Glazer et al., 2016; Goho & Blackman, 2006; Rippentrop et al., 2003).

65

6. DISKUSSION DER ERGEBNISSE

Um den Stellenwert, die Durchführung und die methodische Qualität von Bewerbungs-

gesprächen zur Auswahl von Studierenden für Gesundheitsberufe zu analysieren und

Handlungsempfehlungen für das gesprächsbasierte Auswahlverfahren im Rahmen des

Aufnahmeverfahrens für den Studiengang Physiotherapie an der FHCW abzuleiten,

wurde ein systematischer, integrativer Review durchgeführt. Im nun folgenden Kapitel,

werden die Ergebnisse methodologisch kritisch reflektiert und in Relation zum aktuellen

Forschungsstand diskutiert.

6.1.1. Kritische Reflexion des methodischen Vorgehens

Zur Beantwortung der vorliegenden Fragestellungen wurde eine spezielle Form des

systematischen Reviews, ein integrativer Review durchgeführt, da diese Form der

Methode qualitative und quantitative Studien sowie theoretische Arbeiten einschließt.

Sturma et al. (2011) weisen darauf hin, dass ein integrativer Review dazu geeignet ist,

auch praxisrelevante Anwendungsbereiche aufzuzeigen (siehe Kapitel 4.1.), welche

insbesondere in der Beantwortung der zweiten Fragestellung durch die Erarbeitungen

von Handlungsempfehlungen für die Bewerbergesprächsführung am Studiengang

Physiotherapie ihren Niederschlag fanden. Die Literatursuche wurde dazu in jenen

Datenbanken durchgeführt, welche relevante Publikationen zur Beantwortung der Frage-

stellungen enthielten. Die Recherche in den Datenbanken zeigte, dass randomisierte

kontrollierte Studien (RCT) nicht identifiziert werden konnten, weshalb auch Kriterien wie

eine Blindierung und die Beurteilung einer Kontroll- und Vergleichsgruppe keine

Berücksichtigung fanden. Die unterschiedliche methodische Qualität der heran-

gezogenen Publikationen stellte eine Herausforderung dar, diese einer einheitlichen

Analyse zu unterziehen, welche sich auch limitierend auf die Aussagekraft des

vorliegenden Reviews auswirken vermag.

Die Aufarbeitung der Studieninhalte der ausgewählten Publikationen erfolge auf Basis

eines validierten Analyseinstruments nach Souza et al. (2010). Dazu kann angemerkt

werden, dass das Instrument in Bezug auf die Kriterien als geeignet eingeschätzt werden

kann, jedoch nicht alle Aspekte davon aufgrund der Unterschiedlichkeiten der

methodischen Studienqualitäten berücksichtigt werden konnten. Obgleich durch den

Rückgriff auf ein standardisiertes Instrument eine vertiefende Analyse der einge-

66

schlossenen Studien gewährleistet werden konnte, sind Restriktionen in der Ergebnis-

interpretation aufgrund ausgeblendeter Analysekriterien nicht gänzlich auszuschließen.

Systematische Übersichtsarbeiten haben den Anspruch, wie Blettner et al. (2009)

betonen, durch vorab definierte Ein- und Ausschlusskriterien nach Möglichkeit alle

publizierten Studien zu einem Thema in den Suchprozess einzuschließen (siehe Kapitel

4.1.). Durch die Festlegung der Ein- und Ausschlusskriterien konnte eine Einschränkung

auf relevante Publikationen zur Beantwortung der Fragestellung erreicht werden.

Aufgrund der restriktiven Selektionskriterien war die Anzahl der eingeschlossenen

Studien gering. Dabei kann kritisch angemerkt werden, dass durch die begrenzte

Studienanzahl auch Limitationen in der Aussagekraft der Ergebnisse des vorliegenden

Reviews bestehen könnten.

6.1.2. Stellenwert, Durchführung und methodische Qualität des Interviews im

Rahmen der Hochschulzulassung gesundheitsbezogener Berufe

Bezug nehmend auf die erste zentrale forschungsleitende Fragestellung, werden im

Folgenden die Ergebnisse inhaltlich nach dem Stellenwert des Interviews, seiner durch-

führungsspezifischen Aspekte sowie in Hinblick auf seine psychometrische und

methodische Qualität zusammengefasst und kritisch diskutiert.

Zum Stellenwert des Interviews

Im Rahmen der Hochschulzulassung wird, wie bereits bei Schuler et al. (2014)

beschrieben, ein breites Spektrum an verschiedenen Methoden eingesetzt (siehe Kapitel

2.2.), um BewerberInnen für das zukünftige Studium auszuwählen. So diskutieren auch

Patterson et al. (2016) acht zentrale Auswahlmethoden in medizinischen Studien-

programmen reichend von Eignungstests über persönliche Stellungnahmen bis hin zu

Assessment Center. Dem Bewerbergespräch kommt dabei im Unterschied zu anderen

Auswahlmethoden eine besondere Rolle zu, wie Salvatori (2001) betont. Für die Auswahl

von Studierenden medizinischer Ausbildungen gilt das Interview als das am meisten ein-

gesetzte Verfahren (Patterson et al., 2016). So führen über 80% der medizinischen,

zahnärztlichen und pharmazeutischen Studiengänge in den USA Interviews zur

Studierendenauswahl durch, während im Bereich der Pflege und der Gesundheits-

wissenschaften (Public Health) dies nur jede 5te Ausbildungseinrichtung umsetzt (Glazer

et al., 2016). Laut Salvatori (2001) findet das Interview in den USA sogar zu 99% für

67

medizinische Ausbildungen im Rahmen der Studierendenauswahl Anwendung. Im

angloamerikanischen Raum haben Interviews als Bestandteil von Auswahlverfahren im

Rahmen der medizinischen Hochschulzulassung eine lange Tradition, verglichen dazu

fanden sie im deutschsprachigen Raum – ausgenommen der medizinischen Disziplinen

sowie im privaten Hochschulbereich – in der Vergangenheit kaum Verwendung (Gentsch

& Gold, 2008, S. 157) und werden bislang nur zurückhaltend eingesetzt (Hell et al., 2007,

S. 93). Besonders deutlich zeigt sich dies beim von Eva et al. (2004) entwickelten

Multiplen Mini-Interview (MMI), welches sich in den letzten Jahren im anglo-

amerikanischen Raum rapide verbreitete (Patterson et al., 2016), im deutschsprachigen

Raum erst jüngst mit dem Göttinger Auswahlverfahren für Medizin seine erste

Umsetzung fand (Simmenroth, 2014, S. 610). Auffällig ist weiters, dass das Interview als

biographieorientiertes Verfahren (Mayrhofer et al., 2015: 301), stark für die Studieren-

denauswahl in der Medizin rezensiert wird, während Gesundheitsberufe im Allgemeinen,

die Physiotherapieausbildung im Speziellen selten im Zentrum wissenschaftlicher

Auseinandersetzung standen (Hay, 2016, S. 33).

Ein Blick auf die physiotherapeutischen Ausbildungsprogramme in den USA zeigt, dass

der Aufnahmeprozess zwar je nach universitären Einrichtungen variiert, jedoch meistens

ein Interview durchgeführt wird (Elam et al., 2000). Bereits 1982 setzen 81% der

Ausbildungsinstitutionen das Interview für die Auswahl zum Physiotherapiestudium auf

Bakkalaureatsniveau ein, mit minimalem Anstieg auf 83% im Jahr 1992 (Salvatori, 2001).

Im Unterschied dazu nimmt in Australien das Interview im Rahmen des physio-

therapeutischen Aufnahmeprozesses nur einen geringen Stellenwert ein. So setzen von

17 Universitäten lediglich zwei ein Interview zur Studierendenauswahl ein (Edgar et al.,

2014). Allerdings wird an diesen beiden australischen Universitäten dem Interview

insofern eine hohe Bedeutung zugemessen, als es mit einer 50% Gewichtung in die

Gesamtbewertung miteinfließt (Edgar et al., 2014). Dies ist insofern interessant, als am

Studiengang Physiotherapie der FHCW das Bewerbungsgespräch äquivalent mit den

Ergebnissen des Berufseignungstests mit jeweils 40% gewichtet wird und die ver-

bleibenden 20% auf den Matura-Notendurchschnitt entfallen (siehe Kapitel 3.2.).

Obgleich Interviewbewertungen in ihrer Bedeutung innerhalb der Zulassungsmethoden

zur Physiotherapieausbildung, aber auch bei anderen medizinischen Gesundheitsberufen

an erster Stelle stehen (Salvatori, 2001), gibt es auch Tendenzen, dieses aus dem Aus-

wahlprozess zu eliminieren, wie ein Physiotherapiestudiengang an einer englischen

Universität anstrebte (Lewis & Smith, 2002). Das alternative, auf Stratifizierung

beruhende Zufallsverfahren erbrachte für die Studierendenauswahl jedoch gleiche

68

Ergebnisse und stärkt dadurch indirekt den Nutzen, die Funktion und den Stellenwert des

Interviews, weshalb das Weglassen des Interviews aus dem Aufnahmeverfahren nicht zu

rechtfertigen ist (Lewis & Smith, 2002). Die Randomisierung der StudienbewerberInnen

birgt allerdings den anregenden Gedanken der Chancengleichheit in sich, möglichst

unterschiedlichen Personen die Aufnahme in das Studium der Physiotherapie zu

ermöglichen und somit etwaigen Verzerrungen durch das Interview entgegenzuwirken.

Gegen das Exkludieren des Interviews aus dem Auswahlprozess sprechen auch jene

Studien, welche die subjektiven Sichtweisen und Einstellungen der beteiligten Personen

am Interviewprozess einfangen. So bewerten BewerberInnen und InterviewerInnen

grundsätzlich das Interview als Auswahlmethode positiv (Patterson et al., 2016), ebenso

wie Studierende Auswahlgespräche neben studienfachspezifischen Wissensfragen als

sinnvollste Auswahlinstrumente beurteilen (Tarazona, 2006). Zudem streben Studierende

häufiger Universitäten an, an denen Interviews zum Einsatz kommen (Patterson et al.,

2016). Gemessen an dieser Dimension, kann Pattersons et al. (2016) Aussage aufgrund

mangelnder Evidenzlage keine eindeutige Empfehlung für ein bestimmtes Auswahl-

verfahren abgeben und nur bedingt zugestimmt werden, wenn Ausbildungseinrichtungen

das Interview als effektive und nutzvolle Auswahlmethode bezeichnen (Salvatori, 2001).

Primär werden Interviews im Rahmen des Auswahlprozesses zur Klärung offener Fragen

aus dem Motivationsschreiben, zur Erfassung der Eignung und Leistungsfähigkeit, zum

Kommunizieren von Erwartungen der Ausbildungseinrichtung an die BewerberInnen,

aber vor allem zur Messung von nicht-kognitiven Eigenschaften herangezogen (Edgar et

al., 2014; Elam et al., 2000; Glazer et al., 2016; Rippentrop et al., 2003; Salvatori, 2001).

Hierunter fallen Kommunikation und sprachliches Ausdrucksvermögen, Selbstständigkeit,

Selbsteinschätzung, Zielstrebigkeit, Problemlösung und kritisches Denken, Empathie und

Interesse am Menschen, Motivation und Anstrengungsbereitschaft, Führungsqualitäten

sowie soziales Engagement (Edgar et al., 2014; Elam et al., 2000; Patterson et al. 2016).

In medizinischen Ausbildungsstätten wird das Interview im Rahmen des Auswahl-

prozesses dazu verwendet, um Erfahrungen, Wissen und Einstellungen zum Beruf,

Motivation, persönliches Verhalten, Verantwortungsbewusstsein und Engagement sowie

den schulischen, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund zu erfassen (Salvatori, 2001).

Obgleich die Bedeutung personenbezogener Fähigkeiten bei der Auswahl von

Studierenden unbestritten ist, herrscht in Bezug auf ihre Gewichtung in Relation zu den

kognitiven Kompetenzen, ethischen Sichtweisen, Konversationsfragen und anderen

Themenfeldern Uneinigkeit. Während laut Rippentrop et al. (2003) in den medizinischen

69

Institutionen der USA, Kanada und Puerto Rico nicht-kognitive Merkmale mit 47% die am

häufigsten erfasste Dimension in Interviews darstellt, werden nach Patterson et al. (2016)

personen- und berufsbezogene Kompetenzen in der medizinischen Hochschulzulassung

noch zurückhaltend geprüft. Angesichts des Aspektes, dass der ethisch-moralischen

Entscheidungsfähigkeit, insbesondere im favorisierten MMI besondere Bedeutung

zukommt (siehe Kapitel 2.2.), verwundert es, dass nur jede 10. Frage in Bezug auf

ethische Standpunkte ausgerichtet ist (Rippentrop et al., 2003). Dies kann möglicher-

weise darauf zurückgeführt werden, dass es den Fakultäten unwichtig erscheint,

BewerberInnen mit ethischen Fragen zu konfrontieren. Eine alternative Erklärung könnte

auch im Einsatz anderer Verfahren, wie beispielsweise dem Rollenspiel oder verhaltens-

orientierten Tests, zur Erfassung ethischer Kompetenzen liegen.

Ähnlich wie bei den medizinischen Ausbildungen, haben auch die Gesundheitsberufe wie

das Studium der Ergotherapie, des Arztassistenten und insbesondere der Physiotherapie

den Anspruch, die besten Studierenden gesundheitsbezogener Studien auszuwählen

(Goho & Blackman, 2006). Das Interview wird dabei sowohl zum Ein- als auch

Ausschluss von Studierenden herangezogen und dient dem Einholen weiterer

Informationen, Einstellungen, Sichtweisen und nicht-kognitiven Fähigkeiten von den

BewerberInnen. Dazu zählen persönliche Eigenschaften, sprachliche und motivationale

Aspekte, Initiative, Einfühlungsvermögen, Führungsqualitäten, Selbstvertrauen,

Sensibilität, Problemlösungsfähigkeit sowie berufliche Zielsetzungen (Elam et al., 2000;

Salvatori, 2001), wobei die Definierung eines übergreifenden Kompetenzprofiles bislang

noch aussteht (Glazer et al., 2016). Einigkeit scheint in Hinblick auf die kommunikativen

Fähigkeiten zu bestehen, insofern als die Mehrheit der Ausbildungseinrichtungen (88%)

diese zu den zentralen Voraussetzungen innerhalb der Gesundheitsberufe zählen. Zu

den wünschenswerten nicht-kognitiven Kernkompetenzen zählen darüber hinaus die

Motivation (65%), gefolgt von der Bereitschaft für den Beruf (50%), der Leistungs-

bereitschaft und der Problemlösungsfähigkeit (jeweils 35%). In einem geringeren Ausmaß

werden Extrovertiertheit, Reife und kulturelle Kompetenzen, äußere Erscheinung und

manuelle Geschicklichkeit als wichtig erachtet (Glazer et al., 2016). Als zentrales Element

des Aufnahmeverfahrens innerhalb des Studienganges Physiotherapie an der FHCW

dient das Bewerbungsgespräch zur Erfassung von Motiven der Berufswahl, Interessen,

Einstellungen und Leistungsbereitschaft, sprachlichen Fertigkeiten und Kontaktverhalten

sowie der Person-Organisation-Passung (FH Campus Wien, 2016, o.S.). In Überein-

stimmung mit der Literatur werden insbesondere das Berufsverständnis, Studium und

Lernen, Motivation und Anstrengungsbereitschaft, Problemauseinandersetzung, sozial-

70

emotionales Verhalten, Ausdruck und Selbstpräsentation bewertet (siehe Kapitel 3.3.1.).

Darüber hinaus wird auch der Umgang mit dem eigenen Körper und dessen Wahr-

nehmung in Bezug auf Nähe und Distanz erfasst; ein Aspekt, welcher in den analysierten

Studien nicht explizit angesprochen wurde. Dies ist bemerkenswert, stehen doch der

menschliche Körper und die Interaktionen im Zentrum des Handelns gesundheits-

bezogener Professionen.

Durchführungsrelevante Aspekte zum gesprächsbasierten Auswahlverfahren

Bei den Interviews werden Unterschiedlichkeiten hinsichtlich der Interviewform, des

Strukturiertheitsgrades, der gestellten Fragen, der Länge und Dauer des Gespräches,

des Settings, der Kosten und Ressourcen sowie der Voraussetzungen des Interviews im

Rahmen des Auswahlprozesses beschrieben.

Im Hinblick auf die Form und den Strukturiertheitsgrad des Interviews (siehe Kapitel 2.2.)

zeigt sich ein breites Spektrum, reichend von unstrukturierten Einzelinterviews bis hin

zum strukturierten Gruppen- respektive Panelinterview, im Rahmen des Auswahl-

verfahrens gesundheitsbezogener Berufe (Elam et al., 2000; Patterson et al., 2016).

Allerdings zeigt sich in den analysierten Studien ein Trend zu stärker standardisierten

Interviewformen. Setzten 1991 noch 46% der medizinischen Ausbildungseinrichtungen

ein unstrukturiertes Interview mit minimalen Richtlinien für die GesprächsführerInnen ein,

wobei 43% auch eine mäßige Struktur aufwiesen (Salvatori, 2001), so präferieren aktuell

74% der universitären Institutionen strukturierte Interviews in Form eines persönlichen

Gespräches (Glazer et al., 2016). Neben dieser traditionellen Interviewform, wie von

Weuster (2008) beschrieben (siehe Kapitel 2.2.), findet verstärkt das MMI in 24% der US-

Ausbildungseinrichtungen Anwendung (Glazer et al., 2016), dessen Implementierung

jedoch zeit- und kostenaufwendig ist (Patterson et al., 2016).

In Hinblick auf die Anzahl und Art der gestellten Fragen wird in den analysierten Studien

zwar auf einen Variationsspielraum hingewiesen (Elam et al., 2000; Glazer et al., 2016;

Patterson et al., 2016), konkrete Angaben werden jedoch nur für das MMI thematisiert,

welches durchschnittlich zwischen 6 bis10 Fragen enthält (Glazer et al., 2016). Analoge

Richtlinien für andere Interviewformen im Allgemeinen, für das traditionelle und aktuell

am Studiengang Physiotherapie der FHCW durchgeführte Interview im Speziellen werden

hingegen kaum diskutiert. Angemerkt wird lediglich im Falle auswendig gelernter oder

nicht authentisch wirkender Antworten, alternative Fragen zu stellen und den

71

Interviewprozess aktiv und abwechslungsreich zu gestalten, wobei unerlaubte Fragen als

kontraproduktiv gewertet werden (Rippentrop et al., 2003). Mitunter werden im Interview

auch Konversationsfragen gestellt (Rippentrop et al., 2003), um eine freundliche

Atmosphäre und eine partnerschaftliche soziale Begegnung auf Basis gegenseitiger

Wertschätzung zu schaffen (Jetter, 2008, S. 149).

Im Unterschied zu den gestellten Fragen gestalten sich die Aussagen zu Länge und

Dauer des Gespräches differenzierter. Während im MMI die Fragen im Mittel zwischen 8

und 10 Minuten dauern (Glazer et al., 2016), beträgt die durchschnittliche Dauer eines

Einzelinterviews in der (Zahn)Medizin, der Ergo- und Physiotherapie 41 Minuten (Goho &

Blackman, 2006). Korrespondierend mit Kasper & Mayrhofer (2009), welche über

Redezeiten zwischen 20 bis 60 Minuten für ein BewerberInnengespräch referieren, steht

auch am Studiengang Physiotherapie der FHCW für die Vorbereitung, Durchführung und

Bewertung des Interviews eine Stunde Zeit zur Verfügung (siehe Kapitel 3.3.2.).

Signifikante Unterschiede bestehen auch bezüglich des Settings, da manche

medizinische Ausbildungsstätten das Gespräch in einer Zusammensetzung von einem/r

GesprächsführerIn und einem/r BewerberIIn, andere Ausbildungseinrichtungen sich für

das Panelinterview entscheiden (Patterson et al., 2016; Salvatori, 2001) oder, wie aktuell

am Studiengang Physiotherapie praktiziert, mit einem/r GesprächsführerIn und zwei

BewerberInnen. Verglichen mit anderen Instrumenten der Personalauswahl, benötigt das

Interview mehr Ressourcen als andere Verfahren, da an jedem Gespräch in der Regel

mehrere Interviewer beteiligt sind (Schuler & Hell 2008, S. 12), wie auch am Studiengang

Physiotherapie der FHCW, wo aktuell 17 Gesprächsführende Einzelinterviews durch-

führen (siehe Kapitel 3.3.2.).

In Hinblick auf die Ökonomie des Interviews werden hohe Kosten hinsichtlich des

Personalaufwandes und der Administration auf Seiten der Hochschule, aber auch für

BewerberInnen in Bezug auf Reisekosten und Zeitaufwand verzeichnet (Salvatori, 2001).

So wird für den gesamten Interviewprozess ein Stundenkontingent von durchschnittlich

28 Arbeitsstunden pro Interviewleiter angeführt (Goho & Blackman, 2006). Allerdings ist

kritisch anzumerken, dass diese Angaben keine Rückschlüsse auf das einzeln geführte

Interview erlauben. Fraglich bleibt daher, ob in dieses Kontingent die Vorbereitung,

Durchführung und Einschätzung des Interviews miteinfließt oder die Angaben sich auf

eine nicht näher definierte Gesamtanzahl an Gesprächen durch einen Gesprächs-

führenden bezieht. In Bezug auf die Kosten wird das MMI als gut eingestuft, jedoch ist es

72

gegenüber dem traditionellen Interview und technischen Verfahren eine teurere Methode,

da vermehrt Kosten für Schauspieler und die Entwicklung der Stationen anfallen

(Patterson et al., 2016). Grundsätzlich ist das traditionelle Interview aufgrund anfallender

Personalkosten, welche auch durch den Zukauf externer Leistungen im Falle kleiner

Studiengangteams oder mangelnder Expertise durch interne Mitarbeiter entstehen

können, gegenüber technischen Methoden teurer. Das von Patterson et al. (2016) ange-

regte Einsparungspotential durch eine Onlinedurchführung des Gespräches via Skype

bildet zwar eine interessante Alternative, inwiefern jedoch ein virtuelles Gespräch die

persönliche Erfahrung im direkten Kontakt ersetzen kann, bleibt offen.

Vor dem Hintergrund mangelnder Standardisierung, Voreingenommenheit und unzu-

reichender Erfahrung seitens der InterviewerInnen (Elam et al., 2000; Lewis & Smith,

2002; Salvatori 2001) empfehlen Edgar et al. (2014), Rippentrop et al. (2003) sowie

Salvatori (2001) ein Training für die InterviewerInnen, welches von 69% der

medizinischen Universitäten in den USA angeboten wird (Salvatori, 2001). Auch am

Studiengang Physiotherapie an der FHCW findet jährlich ein Interviewtraining statt (siehe

Kapitel 3.3.2.), welches neben der Überarbeitung der Fragen auch die Adaptierung des

Manuals zum Bewerbungsgespräch als qualitätssichernde Maßnahmen zum Ziel hat.

Flankierend zum Bewerbungsgespräch favorisieren Elam et al. (2000) darüber hinaus

noch StudienberaterInnen, deren Aufgabe darin besteht, zukünftige Studierende in

Simulationsgesprächen auf das bevorstehende Interview vorzubereiten, da sich bessere

Informiertheit positiv auf Bewältigung des Gespräches durch den BewerberInnen auswirkt

(Tarazona 2006, S. 77f).

Psychometrische und methodische Qualität

Auswahlgespräche werden in der Hochschulzulassung primär dazu eingesetzt,

qualifizierte StudienanwärterInnen auszuwählen, weshalb hohe Anforderungen an die

psychometrische Qualität dieses Instrumentes gestellt werden (Weuster, 2008, S. 14).

Insgesamt betrachtet ist die Forschungslandschaft jedoch durch Kontroversen geprägt,

inwiefern das Interview eine zuverlässige und geeignete Methode zur Studierenden-

auswahl darstellt (siehe Kapitel 2.). Im Hinblick auf die Reliabilität spiegeln die einge-

schlossen Studien des vorliegenden Reviews diese Diskussion wider. Während nach

Patterson et al. (2016) das traditionelle Interview im Auswahlprozess von Studierenden

im medizinischen Bereich keine reliable Methode darstellt, berichtet Salvatori (2001) von

schwachen bis guten Interrater-, Interteam- und/oder Intrateamreliabilitäten mit

73

Koeffizienten von 0.34 bis 0.90. Die verfügbare Evidenz zeigt darüber hinaus, dass

strukturierte Interviewformen und das MMI im Unterschied zu unstrukturierten Varianten

effektivere und fairere Auswahlmethoden darstellen (Patterson et al., 2016; Rippentrop et

al., 2003; Salvatori, 2001). Neben dem Strukturiertheitsgrad determinieren auch unter-

schiedliche Anwendungsformen des Interviews, der Trainings und der Erfahrung der

InterviewerInnen sowie Übungseffekte seitens der BewerberInnen die Aussagekraft der

Ergebnisse. So werden die Resultate von Interviews, die von einer Person geführt

werden, im Verhältnis zu zwei GesprächsführerInnen als unzuverlässiger eingestuft

(Lewis & Smith, 2002; Patterson et al., 2016; Rippentrop et al., 2003). Laut Salvatori

(2001) sind 56% der Varianz in den Gesprächsbeurteilungen durch die Unter-

schiedlichkeit in der Durchführung und den Erfahrungshintergründen der InterviewerInnen

begründet. Betont wird von der Autorin, dass durch eine InterviewerInnenschulung eine

Verbesserung der Reliabilität erzielt werden kann. Zudem mag auch eine Eignungs-

voraussetzung für das Führen von Interviews zu aussagekräftigeren Ergebnissen

beitragen; ein Aspekt, welcher aus der vorliegenden Analyse abgeleitet werden kann. Im

Zusammenhang mit den Erfahrungswerten und den damit einhergehenden persönlichen

Hintergründen der Gesprächsführenden (Salvatori, 2001), haben auch Wahrnehmungs-

verzerrungen einen Einfluss auf die Reliabilität der Interviewergebnisse (Lewis & Smith,

2002; Patterson et al., 2016), da unbewusst KandidatInnen im Interview bevorzugt oder

benachteiligt eingeschätzt werden. Unklarheit herrscht hingegen auf reliabilitätsbezogene

Geschlechtereffekte. Untersuchungen belegen einerseits, dass Frauen niedrigere

Interviewscores vergeben als Männer, andererseits widerlegen Studienergebnisse diesen

Befund (Salvatori, 2001). Im Zusammenhang mit Übungseffekten seitens der Studien-

anwärterInnen (Rippentrop et al., 2003) mag eine Vorbereitung von BewerberInnen durch

gezielte Informations- und Beratungsangebote, wie sie Elam et al. (2000) vorschlagen,

zwar ein hilfreicher und wertvoller Ansatz sein; zur Sicherung der Reliabilität ist jedoch

ein vertraulicher Umgang mit den Gesprächsinhalten eine wesentliche Voraussetzung

(Weuster, 2008, S. 14).

Kontroversiell ist die Studienlage auch zur Validität des Interviews im Rahmen des

studentischen Auswahlprozesses in den Medizin- und Gesundheitsberufen. In Überein-

stimmung mit Gentsch & Gold (2008, S. 157) sowie Hell et al. (2007, S. 100) wird in den

analysierten Studien die prognostische Validität von Interviews als gering eingeschätzt

(Goho & Blackman, 2006; Patterson et al., 2016). Dies gilt vor allem für den Studien-

erfolg, welcher mit einem r=0.06 nicht mit dem Interviewergebnis korreliert (Goho &

Blackman, 2006). Die schwache prädiktive Validität des Interviews zeigt sich u.a. auch in

74

der Identifizierung jener Physiotherapiestudierenden, welche in der Ausbildung

Leistungsprobleme zeigen (Salvatori, 2001). Bemerkenswert ist hingegen die Vorher-

sagekraft des Interviews auf den Erfolg im klinischen Praktikum (Goho & Blackman,

2006). Insbesondere für das Physiotherapiestudium konnte erstmals aufgezeigt werden,

dass in drei von sechs klinischen Praktika das Interview in Bezug auf Leistungen mehr

als jedes andere Auswahlkriterium einen signifikanten Zusammenhang zeigt, hingegen

korrelieren theoretische Leistungstests mit nur einem Praktikum (Edgar et al., 2014). Der

Interviewscore ist somit die einzige Variable, welche signifikante Übereinstimmungen zu

den Notendurchschnitten aller praktischen Leistungen aufweist, wodurch die Erfassung

nicht-kognitiver Fähigkeiten durch das Interview eine Abstützung erfährt.

6.1.3. Implikationen für das Bewerbungsgespräch am Studiengang Physiotherapie

an der FHCW

Vor dem Hintergrund der zweiten forschungsleitenden Fragestellung lassen sich aus den

Erkenntnissen insgesamt acht Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Bewerbungs-

gespräche für das Studium der Physiotherapie an der FH Campus Wien ableiten.

1) Ausgehend von Glazer et al. (2016) sowie Lewis & Smith (2002), welche den

Einsatz von Beurteilungsschemata zur Eignungsfeststellung beschreiben, kann

angemerkt werden, dass die Entwicklung von Antwortkategorien und Beispielen

sowie die Untermauerung von Beurteilungsscores eine sinnvolle Weiterentwicklung

an der FH Campus Wien darstellen würde. So könnten Aussagen zu Mehrfach-

bewerbungen an anderen Physiotherapieeinrichtungen des jeweiligen Jahres sowie

Bewerbungen in anderen Gesundheitsberufen, die Bedeutung von jährlichen

Wiederbewerbungen, das in Anspruch nehmen von Feedbackgesprächen im

Studiengang sowie unternommene Maßnahmen zwischen dem Zeitpunkt der

Abweisung und Wiederbewerbung von den InterviewerInnen einheitlicher

eingeschätzt und beurteilt werden. Diese Antwortkategorien wären in das Manual

einzuarbeiten und würden den bisherigen und zukünftigen GesprächsführerInnen

als Orientierung dienen.

2) Um den Gesprächsverlauf abwechslungsreich zu gestalten und stereotype Antwort-

muster zu reduzieren, könnten alternative Interviewformen eingesetzt werden. So

könnten verschiedene Situationen des Berufsalltages oder aktuelle gesundheits-

politische Sachverhalte in schriftlicher Form vorgelegt und im Interview aufgegriffen

werden, um anhand derer soziale Kompetenzen, wie die ethisch-moralische

75

Entscheidungsfähigkeit, das kritische Denken, Urteilsfähigkeit, Problemlösungs-

fähigkeit sowie interkulturelle Kompetenz, einzuschätzen.

3) Um die psychometrische Qualität des Interviews anzuheben, in Anlehnung an das

MMI eine Verbindung zwischen dem praktischen Eignungstest und dem Gespräch

hergestellt werden. Dabei würden die neun Stationen des praktischen Tests in

unterschiedlichen Räumen der FH einzurichten sein, wobei zusätzlich zur Über-

prüfung der psycho- und sensomotorischen Eignung ebenso die soziale

Qualifikation durch Gesprächselemente im stationären Setting erfasst werden

könnte.

4) Edgar et al. (2014) vermerken in ihrer Studie, dass an der Notre Dame Universität

das Gespräch mit einer Gewichtung von 50% in die Gesamtbewertung einfließt.

Durch gezielte Schulungen und Trainings der Gesprächsführer und die Kenntnis

darüber, wie nicht-kognitive Merkmale im Gespräch zu erfassen sind, könnte

aufgrund des hohen Personalaufwandes am Studiengang über die Gewichtung des

Gespräches nachgedacht werden. Im Kontext dazu sind Überlegungen dahin-

gehend anzustellen, nicht 500 BewerberInnen zu einem Gespräch einzuladen,

sondern bereits nach dem praktischen Eignungstest eine nochmalige Reduzierung

der KandidatInnen auf die besten 300 vorzunehmen. Die gewonnene Zeitressource

könnte in die Qualität der Gesprächsführung (Zeit, Setting) einfließen.

5) Patterson et al. (2016) zeigen auf, dass Interviews bestimmte Personen in der

Auswahl bevorzugen bzw. benachteiligen. Dazu kann für den Studiengang Physio-

therapie die Empfehlung abgegeben werden, bei der Planung und Gestaltung des

Aufnahmeverfahrens auch jenen Personen den Zugang zum Studium der Physio-

therapie zu ermöglichen, welche offensichtlich nicht dem idealtypischen Bild des/r

Physiotherapeuten/In entsprechen und divergierende Bildungsbiographien

vorweisen. Da sich zunehmend mehr ältere BewerberInnen dem Auswahlprozess

unterziehen, ist es anzudenken, diese als eigene Kategorie zu den bisherigen AHS,

BHS und „sonstige“ in der Rankingliste zu führen, weil diese meist eine

abgeschlossen Ausbildung hinter sich haben, über andere Zusatzqualifikationen

verfügen und daher nicht mit SchulabsolventInnen gleichgestellt werden können.

6) Lewis & Smith (2002) weisen darauf hin, dass der ständige Wechsel des Interview-

teams sowie Gespräche mit nur einem/r InterviewerIn als problematisch gelten. Vor

diesem Hintergrund scheint es angemessen, dass das Gespräch von zwei

Personen geführt wird und die Einschätzungen dadurch auch reliabler und

objektiver werden, da beide InterviewerInnen gemeinsam eine Beurteilung vor-

nehmen. In Bezug auf das Setting könnte auch die Bewerberzahl im Gespräch

76

erhöht werden, wodurch die Interaktion der BewerberInnen untereinander einge-

schätzt werden könnte.

7) An der FH Campus Wien finden seit 2015 qualitativ hochwertige Gesprächs-

schulungen mit PsychologInnen statt. Voreingenommenheiten seitens der Inter-

viewerInnen wie Salvatori (2001) und Lewis & Smith (2002) betonen, könnten im

Rahmen des Gesprächstrainings verstärkt aufgegriffen werden, um die Wichtigkeit

eines neutralen, nicht diskriminierenden Interviewverhaltens bewusst zu machen.

Andererseits, wäre es im Studiengang anzudenken, das Interview ohne jegliche

Vorinformation über die BewerberInnen zu führen.

8) Eine verpflichtende Hospitation, wie sie Elam et al. (2002) hervorheben, wäre als

ergänzende Zugangsvoraussetzung anzudenken, da BewerberInnen ein

realistischer und vertiefender Einblick in das Berufsfeld ermöglicht wird. Auf Basis

dieser Erfahrungen kann im Gespräch zur Auslotung der Eignung und dem

Interesse in Bezug auf die Berufswahl vertiefend nachgegangen werden. Die

Voraussetzung einer berufseinführenden Hospitation im Bewerbungsprozess würde

zu einer Chancengleichheit innerhalb der BewerberInnen bei den Schul-

absolventInnen und den Spätstudierenden beitragen.

77

7. CONCLUSIO

In der vorliegenden Arbeit wurde das Ziel verfolgt den aktuellen Forschungsstand zu

Bewerbungsgesprächen zusammenzutragen um darauf aufbauend, wissenschaftliche

Positionen zu kontrastieren und Handlungsempfehlungen zur Weiterentwicklung des

Bewerbungsgespräches am Studiengang Physiotherapie der FHCW abzuleiten. Um das

gesprächsbasierte Auswahlverfahren in seiner Funktion und Bedeutung für den Studien-

gang Physiotherapie zu verorten, wurde ein systematischer, integrativer Review durch-

geführt.

Im Unterschied zum angloamerikanischen Raum hat das Interview erst in den letzten

Jahren im deutschsprachigen Raum seine Verbreitung erfahren, um vorwiegend nicht-

kognitive Fähigkeiten im Auswahlprozess von Studierenden zu erfassen. Das Interview

gilt als das am meisten eingesetzte Verfahren für die Auswahl von Studierenden in

medizinischen Ausbildungen. Wichtige Themen im Gespräch sind Fragen zu Erfahrungen

und Wissen zum Beruf, zu motivationalen Aspekten, dem persönlichen Verhalten sowie

dem Verantwortungsbewusstsein und dem Engagement. Sowohl offene als auch

teilstrukturierte Formen des Interviews werden eingesetzt, wobei das strukturierte Inter-

view im Vergleich zu unstrukturierten Formen eine höhere Reliabilität aufweist. Durch

Trainings der InterviewerInnen und dem Einsatz mehrerer BeurteilerInnen kann eine Ver-

besserung der Reliabilität erreicht werden. Kenntnisse über Noten der BewerberInnen

können die GesprächsführerInnen im Vorfeld in ihrer Beurteilung beeinflussen. Das

Interview ist dazu geeignet, gute Erfolge im klinischen Praktikum vorauszusagen, wobei

ein hoher Zeitaufwand auf Seiten der Hochschule sowie bei den BewerberInnen nach-

gewiesen ist. Als Kritikpunkte werden Voreingenommenheiten und soziale Hintergründe

der IntervieweInnen genannt. Mangelnde Standardisierung, ein häufiger Wechsel der

Interviewteams sowie Gespräche mit nur einem/r InterviewerIn werden als weniger

effektiv bewertet. Die Aussagekraft der Gespräche nimmt durch Vorwissen und eingeübte

Fragen der BewerberInnen ab.

Was das Bewerbungsgespräch in der Physiotherapie anbelangt, so liegen zwar

Publikationen vor, jedoch ist verstärkte Forschungsarbeit mit entsprechender

Dissemination der Ergebnisse notwendig, um das Auswahlgespräch in Hinblick auf seine

psychometrische Qualität zu evaluieren und valide, reliable sowie ressourcensparend zu

gestalten. Hierfür stellt die Verbindung des praktischen Berufseignungstests mit dem

78

Interview einen neuen Ansatz dar, in dessen Rahmen, psycho- und sensomotorische

Fähigkeiten vernetzt mit sozial-kommunikativen Kompetenzen erfasst werden könnten.

Langjährige Auswahlprozesse ermöglichen darüber hinaus eine Sichtung des vorhande-

nen Datenmaterials, um Abläufe zu optimieren und Zusammenhänge zwischen einzelnen

Testteilen zu analysieren. Ein Vergleich der Ergebnisse des schriftlichen Tests mit den

Resultaten des praktischen Berufseignungstests und jenen des Gespräches, würden eine

Möglichkeit bieten, Unterschiede oder Gemeinsamkeiten in Hinblick auf die Rang-

reihungen zu erfassen. Ebenso könnten Ergebnisse des Gespräches mit Lern-

ergebnissen der theoretischen und praktischen Ausbildung einer vergleichenden Analyse

unterzogen werden, um Muster zu identifizieren, die Implikationen für das Aufnahme-

verfahren beinhalten.

Vor dem Hintergrund eines noch auszudifferenzierenden, übergreifendenden

Kompetenzprofiles für die Gesundheitsberufe, gilt es Kompetenzen mit den Erwartungen

der PatientInnen und KlientInnen abzustimmen. In Hinblick darauf, dass Teamarbeit,

Multiprofessionalität und Ressourcennutzung zunehmend als bedeutsame Qualitäten

erachtet werden, liegt die Herausforderung insbesondere darin, diese Kompetenzen in

der Planung, Umsetzung und Evaluierung des gesprächsbasierten Verfahrens zu

berücksichtigen.

Im deutschsprachigen Raum ist die derzeitige Studienlage zu Auswahlgesprächen,

welche die Berufsgruppe der gehobenen medizinisch-technischen Dienste ins Zentrum

des wissenschaftlichen Diskurses rückt, unterrepräsentiert. Verstärkte Forschungs-

aktivität und kontinuierliche Auseinandersetzung mit neuen Erkenntnissen im Auswahl-

verfahren von Studierenden zum Physiotherapiestudium sind notwendig, um auch im

europäischen Raum einen aktiven Beitrag zur hochschulischen Entwicklung zu leisten.

Mit der der vorliegenden Arbeit erfolgte ein erster Schritt in diese Richtung.

79

LITERATURVERZEICHNIS

Bücher

Basler, H.D., Bolm, G., & Bärwinkel, P. (1992). Auswahlgespräche für den humanmedizinischen Studiengang an der Philipps-Universität Marburg: Beurteilung durch die Teil-nehmer und prognostische Qualität des Verfahrens. Frankfurt a. M.: Haag &

Herchen.

Blickle, G. (2011). Intelligenz, Persönlichkeit und Selbstdarstellung. Aktuelle Perspektiven der Personalpsychologie. In P. Gelléri/C. Winter (Hrsg.), Potentiale der Personal-psychologie. Einfluss personaldiagnostischer Maßnahmen auf den Berufs- und

Unternehmenserfolg (S. 113-120). Göttingen: Hogrefe

Erten, Ch., Mayrhofer, W., Seebacher, U., & Strunk, G. (2006). Personalmanagement und

Führungskräfteentwicklung. 1. Auflage, Wien: Linde international.

Gentsch, S., & Gold, A. (2008). Studierendenauswahl durch Interviews. Ergebnisse einer Pilot-studie. In H. Schuler & B. Hell (Hrsg.), Studierendenauswahl und Studien-

entscheidung (S. 156-167). Göttingen: Hogrefe.

Jesson, J.K., Matheson, L., & Lacey, F.M. (2011). Doing your literature review. Traditional and

systematic techniques. Los Angeles: Sage.

Jetter, W. (2008). Effiziente Personalauswahl. Durch strukturierte Einstellungsgespräche die

richtigen Mitarbeiter finden. 3. Auflage, Stuttgart: Schäffer-Poeschel Verlag.

Kanning, U.P., & Schuler, H. (2014). Simulationsorientierte Verfahren der Personalauswahl. In H. Schuler & U.P. Kanning (Hrsg.), Lehrbuch der Personalpsychologie (S. 215-256).

3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Göttingen: Hogrefe.

Kasper, H., & Mayrhofer, W. (Hrsg.) (2009). Personalmanagement, Führung, Organisation. 4.

Auflage, Wien: Linde international.

Mayrhofer, W., Furtmüller, G., & Kasper, H. (Hrsg.) (2015). Personalmanagement, Führung,

Organisation. 5. überarbeitete Auflage, Wien: Linde international.

Nerdinger, F., Blickle, G., & Schaper, N. (2011). Arbeits- und Organisationspsychologie. 2. über-

arbeitete Auflage, Berlin, Heidelberg: Springer Medizin Verlag.

Reimann, G. (2004). Arbeits- und Anforderungsanalyse. In K. Westhoff, L.J. Hellfritsch, L.F. Hornke, K.D. Kubinger, F. Lang, H. Moosbrugger et al. (Hrsg.), Grundwissen für die berufsbezogene Eignungsbeurteilung nach DIN 33430 (S. 103-117).

Lengerich: Pabst Science Publishers.

Scherfer, E., & Bossmann, T. (2011). Forschung verstehen. Ein Grundkurs in evidenzbasierter Praxis. 2. Auflage, München: Pflaum.

Schuler, H. (2000). Psychologische Personalauswahl. Einführung in die Berufseignungsdiagnostik.

3. Auflage, Göttingen: Hogrefe.

Schuler, H. (2002). Das Einstellungsinterview. Göttingen: Hogrefe.

Schuler, H. (2014). Biografieorientierte Verfahren der Personalauswahl. In H. Schuler & U.P. Kanning (Hrsg.), Lehrbuch der Personalpsychologie (S. 257-299). 3., über-

arbeitete und erweiterte Auflage, Göttingen: Hogrefe.

80

Schuler, H., & Hell, B. (2008). Studierendenauswahl und Studienentscheidung aus eignungs-diagnostischer Sicht. In H. Schuler & B. Hell (Hrsg.), Studierendenauswahl und

Studienentscheidung (S. 11-13). Göttingen: Hogrefe.

Schuler, H., Höft, S., & Hell, B. (2014). Eigenschaftsorientierte Verfahren der Personalauswahl. In H. Schuler & U.P. Kanning (Hrsg.). Lehrbuch der Personalpsychologie (S. 149-

214). 3., überarbeitete und erweiterte Auflage, Göttingen: Hogrefe.

Sturma, A., Ritschl, V., Dennhardt, S., & Stamm, T. (2016). Reviews. In V. Ritschl, T. Stamm & R. Weigl (Hrsg.), Wissenschaftliches Arbeiten und Schreiben. Verstehen, Anwenden,

Nutzen für die Praxis (S. 207-222). Berlin: Springer.

Trost, G. (2003). Deutsche und internationale Studierfähigkeitstests. Arten, Brauchbarkeit, Handhabung. Dok&Mat Band 51. Bonn: DAAD Deutscher Akademischer

Austauschdienst.

Werkmann-Karcher, B., & Rietiker, J. (Hrsg.) (2010). Angewandte Psychologie für das Human Resource Management. Konzepte und Instrumente für ein wirkungsvolles

Personalmanagement. Berlin: Springer.

Weuster, A. (2008). Personalauswahl. Anforderungsprofil, Bewerbersuche, Vorauswahl und

Vorstellungsgespräch. 2. aktualisierte und überarbeitete Auflage. Wiesbaden:

Gabler.

Zeitschriften

Blettner, M., Klug, J., & Ressing, M. (2009). Systematische Übersichtsarbeiten und Metaanalysen. Deutsches Ärzteblatt, 106(27), 456-63. DOI: 10.3238/arztebl.2009.0456

Dixon, M., Wang, S., Calvin, J., Dineen, B., & Tomlinson, E. (2002). The Panel Interview: A Review of Empirical Research and Guidelines for Practice. Public Personal

Management Journal, 31(3), 397-428. DOI: 10.1177/009102600203100310

Edgar, S., Mercer, A., & Hamera, P. (2014). Admission interview scores are associated with clinical performance in an undergraduate physiotherapy course: an observational study. Journal of Physiotherapy, 100(4), 331-335. DOI:

10.1016/j.physio.2014.03.002

Elam, C.L., Seaver, D.C., Berres, P.N., & Brandt, B.F. (2000). An Overview of Admission Processes for Medical, Dental, Pharmacy, Physical Therapy, and Physician Assistant Programs. NACADA Journal, 20(1), 24-32.

DOI: 10.12930/0271-9517-20.1.24

Eva, K.W., Rosenfeld, J., Reiter, H.I., & Norman, G.R. (2004). An admissions OSCE: the multiple mini-interview. Medical Education, 38(3), 314-26.

Glazer, G., Startsman, L., Bankston, K., Michaels, J., Danek, J.C., & Fair, M. (2016). How many schools adopt interviews during the student admission process across the health professions in the United States of America? Journal of Educational Evaluation for Health Professions, 13(12). DOI: 10.3402/jchimp.v3i3-4.21362

Goho, J., & Blackman, A. (2006). The effectivness of academic admission interviews: an exploratory meta-analysis. Journal of Medical Teacher, 28(4), 335-340. DOI:

10.1080/01421590600603418

81

Grant, M.J., & Booth, A. (2009). A typology of reviews: An analysis of 14 review types and associated methologies. Health Information & Libraries Journal, 26(2), 91-108.

DOI: 10.1111/j.1471-1842.2009.00848.x

Green, A., & Waterfield, J. (1997). Admission and Progression Trends in Physiotherapie Under-graduate Education. Physiotherapie Journal, 83(9), 472-479. DOI: 10.1016/S0031-

9406(05)65635-0

Hell, B., & Schuler, H. (2005). Verfahren der Studierendenauswahl aus Sicht der Bewerber. Empirische Pädagogik, 19(4), 361-376.

Hell, B., Trapmann, S., Weigand, S., & Schuler, H. (2007). Die Validität von Auswahlgesprächen im Rahmen der Hochschulzulassung. Eine Metaanalyse. Psychologische Rundschau, 58(2), 93-102. DOI: 10.1026/0033-3042.58.2.93

Lewis, M., & Smith, S. (2002). Selection of Pre-registration Physiotherapy Students. Changing to a more objective process. Journal of Physiotherapy, 88(11), 688-698. DOI:

10.1016/S0031-9406(05)60112-5

Marcus, B. (2003): Persönlichkeitstests in der Personalauswahl. Sind „sozial erwünschte“ Antworten wirklich nicht wünschenswert? Zeitschrift für Psychologie, 211(3), 138-

148. DOI: 10.1026//0044-3409.211.3.138

McDaniel, M.A., Whetzel D.L., Schmidt F.L., & Maurer, S.D. (1994). The Validity of Employment Interviews: A Comprehensive Review and Meta-Analysis. Journal of Applied Psychology, 79(4), 599-616. DOI: 10.1037/0021-9010.79.4.599

Moher, D., Liberati, A., Tetzlaff, J., & Altman, D.G. (2011). Bevorzugte Report Items für systematische Übersichten und Meta-Analysen: Das PRISMA-Statement. Deutsche Medizinische Wochenschrift, 136: e9-e15. DOI: 10.1055/s-0031-

1272978

Patterson, F., Knight, A., Dowell, J., Nicholson, S., Cousans, F., & Cleland, J. (2016). How effective are selection methods in medical education? A systematic review. Journal of Medical Education, 50(1), 36-60. DOI: 10.1111/medu.1281

Rindermann, H. & Oubaid, V. (1999). Auswahl von Studienanfängern durch Universitäten – Kriterien, Verfahren und Prognostizierbarkeit des Studienerfolgs. Zeitschrift für

Differentielle und Diagnostische Psychologie, 20, 172-191.

Rippentrop, A.E., Wong, M.Y.S., & Altmaier, E.M. (2003). A Content Analysis of Interviewee Reports of Medical School Admissions Interviews. Journal of Medical Education, 8(10). DOI:10.3402/meo.v8i.4333

Salvatori, P. (2001). Reliability and Validity of Admission Tools Used to Select Students for the Health Professions. Advances in Health Sciences Education, 6, 159-175.

Souza, M.T., Silva, M.D., & Carvalho, R. (2010). Integrativ review: what is it? How to do it? Einstein, 8(1): 102-106.

Tarazona, M. (2006). Berechtigte Hoffnung auf bessere Studierende durch hochschuleigene Studierendenauswahl? Eine Analyse der Erfahrungen mit Auswahlverfahren in der Hochschulzulassung. Beiträge zur Hochschulforschung, 2(28), 68-89.

Whittemore, R., & Knafl, K. (2005): The integrativ review: updated methodology. Journal of

Advanced Nursing, 52(5), 546-553. DOI: 10.1111/j.1365-2648.2005.03621.x

Internet

82

Arnhold, N., & Hachmeister C-D. (2004). Leitfaden für die Gestaltung von Auswahlverfahren an Hochschulen. Arbeitspapier Nr. 52. Centrum für Hochschulentwicklung. Abgerufen

von http://www.che.de/downloads/Gestaltung_Auswahlverfahren_AP52.pdf

Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) (Hrsg.) (2016). Datawarehouse Hochschulbereich. Auswertungen. Studierende an FH nach Ausbildungsbereich. Abgerufen von https://oravm13.noc-

science.at/apex/f?p=103:6:::NO::P6_OPEN:N

FH Campus Wien (2016). Physiotherapie. Bachelorstudium, Vollzeit. Abgerufen von

https://www.fh-campuswien.ac.at/studium/studien-undweiterbildungsangebot/ detail/physiotherapie.html

Gough, D., Thomas, J., & Oliver, S. (2012). Clarifaying differences between review designs and methods. Systematic Reviews, 1 (28). Abgerufen von

http://www.systematicreviewsjournal.com/content/1/1/28

Higgins, J.P.T., & Green, S. (Eds.) (2011). Cochrane Handbook for Systematic Reviews of Interventions. Version 5.1.0. London: The Cochrane Collaboration. Abgerufen von

http://training.cochrane.org/handbook

Lewin, D. (2001). Übergang von der Schule in die Hochschule. Zugang zum Studium zwischen „Markt“ und „Recht auf Bildung“. Vortrag im Rahmen der HIS-Tagung vom 30. / 31.01. 2001. Hannover. Abgerufen von http://www.dzhw.eu/

aktuell/veranstaltung/dokumentation/Tagung2001/pdf/DirkLewin.pdf

Seibert, N. (2008). Der Bedeutung des Berufes gerecht werden! Eignungsfeststellungsverfahren als Zugangsvoraussetzung zum Lehramtsstudium. In. N. Seibert (Hrsg.), Paradigma. Beiträge aus Forschung und Lehre aus dem Zentrum für Lehrer-bildung und Fachdidaktik (S. 6-16). Passau: Zentrum für Lehrerbildung und Fach-

didaktik. Abgerufen von http://docplayer.org/13521608-Paradigma-themen-schwerpunkt-forschung-spezifisches-eignungsfeststellungsund-beratungs-

verfahren-im-lehrberuf-rechtliche-grundlagen-lehre.html

Hochschulschriften

Hay, C.J. (2016). Selecting Successful Students: a cohort survey of first year BSc (Hons)

Occupational Therapy students. (Veröffentlichte Dissertation). Coventry University.

Uthmann, C. (2009). Studierendenauswahl - Erprobung und Evaluation eines multidimensionalen testdiagnostischen Verfahrens zur Studienerfolgsprognose an der Fachhochschule Heidelberg. (Dissertation). Ruprecht-Karls-Universität

Heidelberg.

83

Forschungsbericht

Heine, C., Briedis, K., Didi, H-J., Haase, K., & Trost, G. (2006). Auswahl- und Eignungs-feststellungsverfahren beim Hochschulzugang in Deutschland und ausgewählten Ländern. Eine Bestandsaufnahme. Hannover: HIS Hochschul-Informations-

System GMBH.

Unger, M., Dünser, L., Fessler, A., Grabher, A., Hartl, J., Laimer, A. et al. (2012). Studierenden-Sozialerhebung 2012. Bericht zur sozialen Lage der Studierenden. Band 2. Wien:

Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung/Institut für höhere Studien.

Sonstige Quellen

Buresch-Kirner, A. (2015). Empirische Untersuchung. Ressort Aufnahmeverfahren. Bewerbungs-

gespräch „Neu“. Projektbericht. FH Campus Wien: Studiengang Physiotherapie.

FH Campus Wien, (2012). Antrag auf Anerkennung des Bachelorstudiengangs Physiotherapie Vollzeit. FH Campus Wien: Studiengang Physiotherapie.

Fischer, A. (2014). Arbeitsunterlagen. Durchführung des Bewerbungsgespräches. Leitfaden. FH

Campus Wien: Studiengang Physiotherapie.

Inzinger, K. (2016). Statistische Erhebungen zum Aufnahmeverfahren 2016. Präsentationsfolien.

FH Campus Wien: Studiengang Physiotherapie.

Levai, L. (2017). Diskriminierungsfreie Aufnahmeverfahren. Diversity Konkret. Vortrag am 25.01.2017 an der FH Campus Wien. FH Campus Wien: Gender & Diversity

Management.

Studiengang Physiotherapie (2015). Bewerbungsgespräch 2015. Protokoll zum Arbeitstreffen am

26.05.2015 der ARGE „Bewerbergesprächsführung“ im Rahmen des Ressorts „Aufnahmeverfahren“. FH Campus Wien: Studiengang Physiotherapie.

Studiengang Physiotherapie (2017). Manual. Bewerbungsgespräch im Rahmen des Aufnahme-verfahrens für den Studiengang Physiotherapie. FH Campus Wien: Studiengang

Physiotherapie.

Trost, G. & Haase, K. (2005). Hochschulzulassung: Auswahlmodelle für die Zukunft. Essen und Stuttgart: Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft und Landesstiftung

Baden-Württemberg.

84

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Aufnahmeprozess im Überblick ....................................................... 20

Abbildung 2: Selektionsprozess – Flowdiagramm ................................................ 36

85

ANHANG

Tabelle: deutsche und englische potentielle und relevante Suchbegriffe

Relevante Suchbegriffe in Deutsch

Deskriptoren Deutsch Relevante Suchbegriffe in Englisch

Descriptors Englisch MeSH (Medical Subject Headings) via Pubmed bzw. Livivo

Aufnahme-, Auswahlverfahren

Aufnahmeprüfung (Sowiport)

Eignungstest (Sowiport)

selection process

selection procedure/s

aptitude test (Sowiport)

aptitude tests (ERIC)

entrance examination (Sowiport, ScienceDirect)

entrance examinations (Psyndex)

selection process (ScienceDirect)

college admission test (Pubmed)

aptitude tests (Pubmed)

Aufnahme-, Zulassungs-

Auswahlkriterien

- admission criteria,

selection criteria

admission criteria (ERIC, ScienceDirect, Livivo) school admission criteria (ScienceDirect)

school admission criteria (Pubmed)

Interview Interview (Sowiport) interview interviews (ERIC, ScienceDirect, Psyndex)

interview (Sowiport)

interview as topic/methods (Pubmed)

Aufnahme-, Auswahl-, Bewerbungsgespräch

Bewerbungsgespräch (Sowiport)

admission interview,

interview with an applicant

admission interview (ScienceDirect, Livivo)

admissions interviews (Taylor & Francis)

admission interviews (BASE)

medical school interview

(Taylor & Francis)

school admission interview (Livivo, ScienceDirect) school admission interviews (Taylor & Trancis)

interview as topic/methods (Pubmed)

Ausbildung Ausbildung (Sowiport) education allied health occupations education (ERIC)

education (Sowiport, ERIC, ScienceDirect)

education (Pubmed)

Hochschule Universität (Sowiport)

Hochschule (Sowiport)

college,

medical college,

university (Sowiport, ScienceDirect)

universities (ERIC, ScienceDirect)

universities (Pubmed)

86

medical university college

colleges (ERIC)

Hochschulzulassung Hochschulzugang (Sowiport)

Hochschuleingangsprüfung (Sowiport)

university admission, school admission

university admission (Sowiport, ScienceDirect)

college admission (ERIC, ScienceDirect, Livivo) college selection process (ScienceDirect)

university entrance examination (Sowiport) college entrance examinations (ERIC)

-

Student/in, Studenten, Studierende

Student (Sowiport)

Studenten

Studienanfänger (Swoiport)

student/s student (Sowiport, ScienceDirect)

students (ERIC, ScienceDirect)

first-year student (Sowiport)

students (Pubmed)

Bewerberauswahl Studienbewerber (Sowiport) applicant selection, selection of candidates, candidate selection

student applicant (Sowiport)

college applicants (ERIC)

assessment of applicants (ScienceDirect)

-

Studierenden-, Studentenauswahl

Auswahl von Studierenden selection of students selection of students (ScienceDirect)

students admission (Livivo)

students admissions process (Taylor & Francis) student admission criteria (Psyndex)

-

Gesundheitsberuf/e Gesundheitsberuf (Sowiport)

Gesundheitsberufe

health profession/s allied health occupations (ERIC, ScienceDirect)

health occupations (Sowiport)

health occupations (Pubmed)

allied health occupations (Pubmed)

Physiotherapie Physiotherapie physiotherapy,

physical therapy

physical therapy (ERIC, ScienceDirect)

physiotherapy (ScienceDirect)

-

Physiotherapeut/in, Physiotherapeuten

Krankengymnast (Sowiport)

physiotherapist/s, physical therapist/s

physiotherapist (Sowiport, ScienceDirect)

physical therapist(s) (ScienceDirect)

physical therapists (Pubmed)

Physiotherapieausbildung - physiotherapy education

physical therapy education

physiotherapy education (ScienceDirect)

physical therapists/education (Pubmed)

87

Persönliche Daten

Name: Andrea Buresch-Kirner

Geburtsdatum: 17. August 1971

Geburtsort: Neunkirchen

Nationalität: Österreich

Schulbildung

Schule: Höhere Lehranstalt für wirtschaftliche Berufe in Wiener Neustadt

Hochschulzugang: BHS-Matura

Abschlussdatum: 1. Juni 1990

Leistungskurse: -

Studium

Dauer: 2013 - 2017

Hochschule: FH-Campus Wien

Abschluss: Master of Physiotherapie

Titel der Masterarbeit: Das Bewerbungsgespräch zur Auswahl von Studierenden von Gesundheitsberufen im wissenschaftlichen Diskurs

BetreuerIn der Masterarbeit: Dr. Christina Hager

Studienfächer: Gesundheitspädagogik

Berufspraxis

Seit 1996 hauptberuflich Lehrende Physiotherapeutin an der FHCW Wien (vormals KFJ)

Seit 1996 Freiberuflich tätige Physiotherapeutin

Sonstiges