Mats Hummels @Kicker

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„Gegen die Bayern agieren zu viele ängstlich“ Ein MATS HUMMELS (26) hat immer etwas zu sagen. Hier erzählt er, warum er sich gegen einen Wechsel ins Ausland entschied, was ihm an omas Tuchel imponiert und wieso er Gewichtsprobleme hatte. G roße Interviews mit Mats Hum- mels sind eine Seltenheit. Doch für den kicker macht er gerne eine Ausnahme. Der Weltmeister hat in der Lobby des Grand Resort Bad Ragaz Platz genommen, plau- dert sehr offen und ist entwaffnend ehrlich, was seine Person betrifft. Herr Hummels, wenn es stimmt, dass ver- heiratete Fußballer ein professionelleres Leben führen: Steht Borussia Dortmund vor einer großen Saison, nachdem Roman Weidenfeller, Sven Bender und Sie in den Hafen der Ehe eingelaufen sind? Wenn das in irgendeiner Weise hilft, bin ich sehr froh, dass wir das in der Sommerpause gemacht haben. Eine Woche Asien, eine Woche Dortmund, und jetzt eine Woche Schweiz – ertappen Sie sich eigentlich manchmal dabei, dass Sie gar nicht wissen, wo Sie morgens aufwachen? Es gibt tatsächlich schon einmal einen Morgen, da wachst du auf und musst dich erst einmal orien- tieren und schauen, wo du bist. In der Schweiz war das zuletzt kein Problem. Zuvor in Asien ging al- les Schlag auf Schlag mit drei ver- schiedenen Ländern in fünf Tagen. Ansonsten muss man sagen: Profis sind das gewohnt. Wenn ich auf ei- ner Weltkarte ankreuzen müsste, wo ich privat und für den Fußball überall schon war, kommt eine Menge zusammen. Was darf in Ihrem Gepäck nie fehlen, wenn Sie auf Dienstreise gehen? Normalerweise habe ich den Lap- top dabei, um Filme zu schauen, um im Internet zu surfen oder um Musik zu hören. Und immer auch ein, zwei Bücher. Lesen Sie weiter auf Seite 16 Foto: Borussia Dortmund „Drei Länder in fünf Tagen. Es ging Schlag auf Schlag.“ 14 BUNDESLIGA kicker, 27. Juli 2015

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Interview

Transcript of Mats Hummels @Kicker

  • Gegen die Bayern agieren zu viele ngstlich

    Ein MATS HUMMELS (26) hat immer etwas zu sagen. Hier erzhlt er, warum er sich gegen einen Wechsel ins Ausland entschied, was ihm an Thomas Tuchel imponiert und wieso er Gewichtsprobleme hatte.

    Groe Interviews mit Mats Hum-mels sind eine Seltenheit. Doch fr den kicker macht er gerne eine Ausnahme. Der Weltmeister hat in der Lobby des Grand Resort Bad Ragaz Platz genommen, plau-dert sehr offen und ist entwaffnend ehrlich, was seine Person betrifft.

    Herr Hummels, wenn es stimmt, dass ver-heiratete Fuballer ein professionelleres Leben fhren: Steht Borussia Dortmund vor einer groen Saison, nachdem Roman Weidenfeller, Sven Bender und Sie in den Hafen der Ehe eingelaufen sind?Wenn das in irgendeiner Weise hilft, bin ich sehr froh, dass wir das in der Sommerpause gemacht haben.Eine Woche Asien, eine Woche Dortmund, und jetzt eine Woche Schweiz ertappen Sie sich eigentlich manchmal dabei, dass Sie gar nicht wissen, wo Sie morgens aufwachen?

    Es gibt tatschlich schon einmal einen Morgen, da wachst du auf und musst dich erst einmal orien-tieren und schauen, wo du bist. In der Schweiz war das zuletzt kein Problem. Zuvor in Asien ging al-les Schlag auf Schlag mit drei ver-schiedenen Lndern in fnf Tagen. Ansonsten muss man sagen: Profis sind das gewohnt. Wenn ich auf ei-ner Weltkarte ankreuzen msste, wo ich privat und fr den Fuball berall schon war, kommt eine Menge zusammen.Was darf in Ihrem Gepck nie fehlen, wenn Sie auf Dienstreise gehen?Normalerweise habe ich den Lap-top dabei, um Filme zu schauen, um im Internet zu surfen oder um Musik zu hren. Und immer auch ein, zwei Bcher.

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    Drei Lnder in fnf Tagen. Es ging Schlag auf Schlag.

    14 BUNDESLIGA kicker, 27. Juli 2015

  • Wie wre es mit dem Buch Die perfekte Fuballschule aus der Feder des neuen Fitnesstrainers Rainer Schrey?Ich wei, dass er ein Buch geschrie-ben hat, das sehr viel mit Ernhrung zu tun hat. Aber ich habe es noch nicht in den Hnden gehalten.Am Mittwoch packen Sie schon wieder die Koffer. Die Europa-League-Qualifi-kation in sterreich steht an. Wissen Sie mehr ber Wolfsberg, als dass der frhere Wolfsburger Didi Khbauer dort als Trainer arbeitet?Wolfsberg hat Schalke in einem Test mit 3:1 geschlagen. Die Tore habe ich gesehen. Bisher beschrnken sich meine Kenntnisse darauf.Dortmund ist die Mannschaft mit dem hchsten UEFA-Koeffizienten aller Teil-nehmer. Muss der BVB schon allein des-halb die Gruppenphase erreichen?

    Dass wir die Gruppenphase er-reichen wollen und mssen, steht auer Frage. Und sollten wir uns qualifizieren, mssen wir sie auch berstehen. Das ist unser Mindest-ziel und nicht verhandelbar. Alles andere wre eine Enttuschung. Nach der Gruppenphase kann man schnell mal auf einen Kracher tref-fen. Ab dann darf man auch nicht alles erwarten.Fr Thomas Tuchel ist der BVB nach vier Wochen Vorbereitung nicht da, wo wir sein wollen. Kann vor diesem Hinter-grund selbst Wolfsberg zu einem Stolper-stein werden?Das sollte nicht sein, kann aber immer passieren. Als wir 2010/11 Meister wurden und eine Serie von 43 Punkten aus 15 Spielen schaff-ten, sind wir im Pokal bei Kickers Offenbach rausgeflogen. Solche Mannschaften knnen an guten Tagen sehr gefhrlich werden. Des-wegen werden wir schon die erste Partie am Donnerstag angehen, als wre es mindestens ein Champi-ons-League-Viertelfinale.Franz Beckenbauer geringschtzte den UEFA-Cup als Cup der Verlierer. Emp-finden Sie die Teilnahme am Nachfolge- wettbewerb als eine Strafe fr die ent-tuschende Saison, die hinter dem BVB liegt?Auf keinen Fall. Am Ende der ver-gangenen Saison hat man gemerkt, dass wir unbedingt noch in die Eu-ropa League wollten. Keiner hatte Bock auf eine Saison nur mit Bun-desliga und DFB-Pokal. Wir wollen international spielen und diesen Rhythmus haben. Auerdem: Sp-testens ab dem Achtelfinale war

    Fortsetzung von Seite 14

    Die Arbeit mit Tuchel kann mich strker machen:Mats Hummels

    Die Gruppenphase der Europa League ist das Mindestziel.

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  • dieser Wettbewerb mit tollen Du-ellen und sehr guten Mannschaften zuletzt beraus attraktiv. Dortmund htte sich den Umweg ber die Qualifikation durch einen Sieg im Pokalfinale sparen knnen. Finden Sie mit dem Abstand von fast zwei Monaten eine schlssige Erklrung fr die End-spielniederlage gegen Wolfsburg?Das Finale war ein komplettes Spie-gelbild der Saison. Wir haben rich-tig gut angefangen, fhren 1:0, las-sen eine Riesenchance zum 2:0 aus, und dann gleicht Wolfsburg nach einem zumindest diskussionswr-digen Freisto aus. Auf einmal dreht sich das Spiel komplett, Wolfsburg macht aus drei Chancen drei Tore. Pech allein war das nicht.Sondern?Man knnte einfach die Qualitt der gegnerischen Chancen vermindern und die eigenen besser nutzen. Das ist ein Punkt, an dem wir ansetzen mssen defensiv wie offensiv kon-sequenter zu werden.Das war jetzt schon das dritte verlorene Finale hintereinander, zweimal in Berlin, einmal in Wembley. Kann die Borussia keine Titel mehr gewinnen?Das Endspiel 2015 war das erste, das nicht von eklatanten Fehlent-scheidungen geprgt war. Am Ende wird immer nur darber geschrie-ben, dass man verloren hat. Dass die Bayern zweimal Riesendusel mit dem Schiedsrichter hatten, wird nie wieder erwhnt. Das ist im Sport nun einmal so. Nichtsdestotrotz: Sollten wir 2016 in ein Endspiel kommen noch eine Final-Nieder-lage brauche ich nicht.Sie haben im Frhjahr lange berlegt, ins Ausland zu wechseln. Manchester United wollte Sie. Was hlt Sie nach siebenein-halb Jahren immer noch in Dortmund?Diese Entscheidung ist gereift. Es gab Tage, an denen wre ich gegan-gen. Und es gab Tage, an denen ich bleiben wollte. Wenn ich wechs-le, muss ich davon zu 100 Prozent berzeugt sein. Ich muss wissen: Das passt auf allen Ebenen. Das war in diesem Jahr nicht der Fall.

    Stimmt es, dass Trainer Tuchel in einem Vier-Augen-Gesprch einen deutlichen Einfluss auf Ihre Entscheidung hatte?Wir hatten tatschlich ein Gesprch in der Phase, als ich noch dabei war, ber meine Zukunft nachzudenken. Mir hat es sehr gut gefallen, was er damals gesagt hat, auch die Art und Weise, wie er das getan hat.Wie hat Tuchel Sie berzeugt?Er hat persnliche Fehler von mir direkt angesprochen.Das hat Ihnen gefallen?Wenn mich ein Trainer zum Bleiben bewegen will, finde ich es sehr gut, dass er mir nicht nur Honig ums

    Maul schmiert, sondern Klartext re-det. Danach hatte ich das Gefhl, dass mich die Zusammenarbeit mit Tuchel wieder strker machen kann, nachdem die letzte Hinrun-de das wahrscheinlich Schlechteste war, was ich in meinem Leben bis-her gespielt habe.Sie wirken viel schlanker als im Vorjahr. Wie viel haben sie abgenommen?Die Hinrunde 2014/15 hat sich schwerfllig angefhlt und sah sehr schwerfllig aus. Das war gewichts-mig eine Katastrophe von mir. Ich trage das Laster des Frustessens in mir. Und weil mir die Hinrunde eben viel Frust beschert hat, bin ich in einen kleinen Teufelskreis gera-ten. Jetzt bin ich tatschlich mit ei-nem deutlich niedrigeren Gewicht in einer ganz anderen Verfassung zurckgekommen als 2014. Wie haben Sie das geschafft?Durch gute Ernhrung. Auerdem habe ich im Urlaub mehr gemacht vermutlich mehr Laufeinheiten als in den vergangenen Jahren zusam-men, als es zum Teil auch verlet-zungsbedingt nicht ging.Wie machen sich die verlorenen Kilo auf dem Platz bemerkbar?Ich bin ein bisschen flotter unter-

    kicker, 27. Juli 2015 17Fo

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    Kohler und Hummels: Anders und doch so hnlich

    Manndecker-Ikone Jrgen Kohler trug sieben Jahre lang das Trikot des BVB (1995 bis 2002), bei Hummels sind es bereits siebeneinhalb. Ein Vergleich zweier Weltmeister:

    Jrgen Kohler Bundesliga Mats Hummels 191 Spiele 195 14 Tore 17 11 Assists 10 2,99 Notendurchschnitt 2,99 45 Gelbe Karten 20 2 Platzverweise 1 91 Siege 109 51 Remis 46 49 Niederlagen 40 2 Meistertitel 2

    wegs. Ein Kilo weniger merke ich in den Laufeinheiten nicht, ein paar aber schon.Vor drei Wochen sagte Tuchel, dass im Moment nichts dagegen spreche, dass Sie Kapitn bleiben. Klingt so echte Be-geisterung?Das war nur vier Tage nach dem Start der Vorbereitung. Da kann der Trainer nicht von allem und je-dem schon ein exaktes Bild haben. Fr mich ist diese Frage ohnehin nicht einmal zweitrangig: Sollte Tu-chel lieber einen anderen Kapitn wollen, habe ich damit nicht den Hauch eines Problems. Ich habe in

    der vergangenen Saison gemerkt, dass bei mir als Kapitn von auen viel auf Unntiges geachtet wird. Und das brauche ich nicht.

    Mit einem klaren Auftrag des Trainers bleiben Sie Kapitn?Sicher, wenn der Trainer das mch-te. Wenn er am Ende sagt, den oder den htte ich lieber, ist das vllig in Ordnung.Tuchel predigt einen etwas anderen Fu-ball als Jrgen Klopp. Was heit das fr Sie auer, dass Sie in der Abwehr in einigen Tests eine Position nach rechts gerckt sind?Halbrechts ist der Aufbau etwas ein-facher. Die Welt ist das aber nicht. Gleich geblieben sind grundlegen-de Themen wie mannschaftliches Verteidigen oder Gegenpressing. Deutlich mehr Wert wird auf das Spiel mit Ball gelegt. Erste Verbes-serungen sind schon eingetreten. Das Spiel mit Ball ist aber nur ein Teil des Ganzen. Wichtig ist, dass wir alle Komponenten verbessern.Whrend des Tests in Bochum vor einein-halb Wochen kommunizierte Tuchel lei-denschaftlich mit Ihnen. Was strte ihn?Das war eine interessante Szene. Ich spiele den Ball auf Ilkay Gn-dogan, er hatte einen Mann im Rcken, und ich habe ihn wie ein Auenverteidiger hinterlaufen. Der Trainer hat aber lieber, dass ich hin-ten bleibe und absichere. Dann ma-che ich das eben so.Tuchels Training und seine Teamsitzungen gelten als beraus anspruchsvoll. Kann ihm die Mannschaft bisher folgen?Wir haben eine sehr intelligente Truppe, die sehr aufnahmefhig ist und Sachen schnell umsetzen kann. Wir wissen, wie er sich un-seren Fuball vorstellt. Und damit gehen wir konform.Lange Einheiten, lange Erklrungen: Ist das Training fr Kopf und Beine gleicher-maen anstrengend?Es ist schon fr den Krper anstren-gender. In Bad Ragaz standen viele Eins-gegen-eins-Situationen auf dem Plan, das sind 20-, 30-Sekun-den-Intervalle, die ziemlich rein-

    hauen. Fr den Kopf ist es natrlich auch eine Herausforderung, neue Sachen auf- und anzunehmen. Es ist aber nicht so, dass das Rad bei uns gerade neu erfunden wird.In der Abwehr bleibt alles beim Alten, obwohl Sokratis fast in Wolfsburg und Matthias Ginter fast in Gladbach gelan-det wre. Beide durften nicht wechseln. Nachvollziehbare Entscheidungen?Wir haben in den vergangenen Jahren gemerkt, dass drei Innen-verteidiger wohl in der Theorie rei-chen, aber nicht in der Praxis. Es kann sehr schnell sehr eng werden. Jetzt haben wir mit Jon Stankovic auch noch einen sehr guten jungen Mann hintendran, sodass wir in der Abwehr sehr gut besetzt sind. Geht es bei der Nominierung nur um den einen Platz neben Ihnen?Vielleicht kann man von auen vermuten, dass ich als der gesetzte Spieler gelte. Ich versuche, keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass die erst verkorkste und dann or-dentliche Saison ein Ausrutscher war und dass ich jetzt wieder auf das alte Niveau zurckkomme.Gilt das fr die gesamte Mannschaft?Das muss so sein. Sollten wir uns wieder in dieser Tabellenregion wie zuletzt aufhalten, mssten wir grundlegend etwas ndern. Stand jetzt sage ich: Mit unserem Personal und mit dem Fuball, den wir spie-len wollen, mssen wir uns auf den ersten drei, vier Pltzen bewegen.Tuchel formuliert das etwas vorsichtiger. Er will der Herausforderer der Top 4 sein. Ist das bewusstes Understatement?Das ergibt doch Sinn, die Erwar-tungshaltung nicht gleich zu hoch zu setzen, wenn man neu bei einem Verein ist. Uns Spielern ist jedoch klar: Fr uns zhlt nur Platz 1 bis 3 zu belegen, mindestens aber Platz 4. Dafr arbeiten wir. Mitte bis Ende der Hinrunde knnen wir sehen, wohin das fhrt. Nur gut zu spie-len und es dem Gegner schwer zu machen, das reicht nicht. Nach vier Jahren als Erster oder Zweiter stel-len wir andere Ansprche, auch an uns selbst.Heit Platz 1 bis 3 sogar: Sptere Meis-terschaft nicht ausgeschlossen?Dafr braucht es sehr viel. Auf den Titel haben wir nun einmal einen groen Favoriten in Deutschland. Der mit Douglas Costa und Vidal noch einmal gut eingekauft hat . . .In Deutschland agieren zu viele Vereine ngstlich gegen die Bayern, sowohl verbal als auch sportlich. Sie tten gut daran, das zu lassen. Man hatte oft das Gefhl, dass viele an-dere Teams das Spiel gegen die Bay-ern vorher schon abgehakt hatten. Mainz mit Tuchel damals nicht, das ist mir aufgefallen. I N T E R VI E W : T H O M A S H E N N E C K E

    Ich finde es gut, wenn mir der Trainer nicht nur Honig ums Maul schmiert.