Mc Cain Spiegel Interview zur Nsa Affäre

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8/14/2019 Mc Cain Spiegel Interview zur Nsa Affäre

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Republikaner McCain

SPIEGEL: Herr Senator, benutzen Sie nochimmer Ihr Handy?McCain: Ja. Weil ich am Telefon nichtssage, was nicht auch veröffentlicht wer-den könnte.SPIEGEL: Können Sie verstehen, warum Bun -deskanzlerin Angela Merkel so empörtwar, dass die NSA ihr Handy abgehört hat?McCain: Ja, das kann ich verstehen. Freun-de spionieren sich zu einem gewissenGrad aus, aber das Handy der deutschenKanzlerin darf nicht abgehört werden. Esgibt gewisse Grenzen der Privatsphäre,die man respektieren muss.SPIEGEL: Was hat sich die NSA dann dabeigedacht? Wollte sie im Sinne der natio-nalen Sicherheit tatsächlich nur wissen,wie Frau Merkel zu Fragen des Truppen-abzugs in Afghanistan steht oder zu här-teren Wirtschaftssanktionen gegen Iran?McCain: Das kann man auf andere Art her-ausfinden, insbesondere unter Freunden.Deswegen muss man nicht so weit gehen.SPIEGEL: Warum aber hat die NSA es danngetan?McCain: Ganz einfach, weil sie es konnte.In der National Security Agency gibt es

Das Gespräch führten die Redakteure Marc Hujer und

Holger Stark.

Leute, die sich in den letzten zehn Jahren jede Menge neue technische Möglichkei-ten erschlossen haben. Dann saßen sieherum und sagten: Wir können das tun,also machen wir es doch auch.SPIEGEL: Sind die Geheimdienste außerKontrolle geraten?McCain: Die Aufsicht durch den Kongresswar in der Vergangenheit sicherlich nichtausreichend. Und es ist beschämend, inwelcher Art und Weise Informationenausgetauscht wurden. Viele Jahre langhatten wir die Regel, dass alle geheimenInformationen nach dem Need-to-know-Prinzip ausgetauscht wurden. Ein Bei-spiel: Ich war Pilot bei der Navy. Ich hattedie höchste Geheimhaltungsstufe, ich gehörte einem Geschwader an, das imKriegsfall die Sowjetunion mit Atomwaf-fen angegriffen hätte. Aber das heißttrotzdem nicht, dass ich in alle Pläne fürden Fall eines Nuklearkriegs eingeweihtwar.SPIEGEL: Das heißt, Sie haben nur gewusst,was Sie unbedingt wissen mussten.McCain: Ja, aber dann kam 9/11. Und wirhaben gesagt: „Oh, wir haben nicht ge-nügend Informationen ausgetauscht. Dasist einer der Gründe, weshalb wir ange-

griffen werden konnten.“ Und so haben

wir jetzt sogar einem Armeeangehörigenmit dem Dienstgrad eines Gefreiten Zu-gang zu den geheimsten Depeschen er-laubt.SPIEGEL: Sie meinen den Gefreiten Brad-ley Manning, heute eine Frau, die sichChelsea nennt. Manning hatte der Ent-hüllungsplattform WikiLeaks 2010 Tausende geheimer Dokumente zuge-spielt …McCain: …und dann haben wir zugelassen,dass ein Mitarbeiter einer Vertragsfirma,wohlbemerkt kein Regierungsangestellter,Zugang zu höchstgeheimen Informatio-nen hat. Es handelt sich dabei um Infor-mationen, die, wenn sie bekannt werden,dem Ruf der Vereinigten Staaten und denBeziehungen zu einigen ihrer bestenFreunde auf empfindlichste Weise scha-den. Warum hatte Edward Snowden dieseInformationen? Warum haben wir dieLeute nicht besser überprüft, die Zugangzu solchen Informationen bekommen?Was haben wir getan, um diesen Mannbei seiner Einstellung einer solchen Prü-fung zu unterziehen? Das ist empörend.Es ist ein Skandal, und irgendjemand solltedafür zur Verantwortung gezogen werden.SPIEGEL: Und wer soll die Verantwortung

dafür tragen?

S P I E G E L - G E S P R Ä C H

„Obama sollte sich entschuldigen“Der republikanische Senator und Ex-Präsidentschaftskandidat John McCain, 77, über die Folgen

der NSA-Affäre, die Empörung Angela Merkels und die europäische Zurückhaltung in Syrien

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McCain: Der Chef der NSA, der Präsidentder Vereinigten Staaten, der Geheim-dienstausschuss des Kongresses, die Leute, die sich um die „backgroundchecks“, also um genau diese Überprü-fungen, kümmern. Wir brauchen einGroßreinemachen.SPIEGEL: Sollte Keith Alexander, der Chefder NSA, sofort zurücktreten?McCain: Sicherlich sollte er das. Oder mansollte ihn feuern. Wir ziehen in Washing-ton leider niemanden mehr zur Verant-wortung. Sagen Sie mir, wer in dieserStadt noch für irgendein Problem, das erverursacht hat, zur Verantwortung gezo-gen wird.SPIEGEL: Halten Sie es für möglich, dassPräsident Barack Obama von Merkels ab-gehörtem Handy nichts wusste?McCain: Es ist denkbar, dass er davonnichts wusste. Aber Tatsache ist, er hättedavon wissen müssen. Am Ende ist im-mer der Präsident verantwortlich.SPIEGEL: Wie hätte Obama reagieren sol-

len, als das Ausmaß der NSA-Überwa-chungsprogramme bekannt wurde?McCain: Gemessen daran, wie wütend Angela Merkel war, hätte er sich entschul-digen müssen. Er hätte sich entschuldigenmüssen. Ich habe das mehrmals in mei-nem Leben getan. Und ich kann nur sa-gen: Der Schmerz hält nicht lange an.SPIEGEL: Wo sollten die Geheimdienste

 jetzt Grenzen ziehen, die sie nicht über-schreiten dürfen?McCain: Die Grenze sollte immer der potentielle Schaden im Verhältnis zu unseren Partnern sein. Wir müssen unsimmer fragen, wie groß der Kollateral-

schaden ist, wenn wir Informationensammeln. Wie werden unsere Freundereagieren?SPIEGEL: Seit Merkelgate wird diskutiert,ob Staaten überhaupt Freundschaftenpflegen können oder ob es nur Zweck-bündnisse gibt.McCain: Auch Freunde spionieren gegenFreunde, das wissen wir. Diese Aktivitä-ten hat es immer gegeben, aber innerhalbbestimmter Grenzen. Lange Zeit wurdensie durch die technischen Möglichkeitenbestimmt beziehungsweise begrenzt.Wenn Spionage aber an einen Punkt ge-rät, wo sie tief in die Privatsphäre einesführenden Politikers auf internationalerBühne wie Angela Merkel eindringt,dann ist das ein Fehler.SPIEGEL: Merkels Handy wurde seit 2002abgehört. Ist ihre Überwachung eine Kon-sequenz aus den Anschlägen vom 11. Sep-tember 2001?McCain: Ohne den 11. September würdenwir einige dieser Diskussionen sicher anders führen. Hätten wir damals die Telefongespräche der 9/11-Attentäter zwi-schen dem Ausland und San Diego, wo

* Bei der Anhörung vor einem Senatsausschuss in

Washington im Juni.

drei von ihnen lebten, mitverfolgt, hättenwir womöglich die Anschläge verhindernkönnen. Natürlich gibt es legitime Über-wachung, um unser Land zu schützen.Aber das ist etwas anderes, als die Kanz-lerin der Bundesrepublik Deutschland abzuhören.SPIEGEL: Wie tief geht der Riss im deutsch-amerikanischen Verhältnis?McCain: Wir werden es überstehen. Natür-lich gibt es immer politische Strömungen,die daraus Kapital schlagen wollen. Amwichtigsten wäre es nun, das Freihandels-abkommen voranzutreiben. Das ist glei-chermaßen im europäischen wie im ame-rikanischen Interesse. Leider hat die NSA-Affäre den laufenden Verhandlungenziemlich geschadet.SPIEGEL: Was könnte das Weiße Haus tun,um diesen Schaden zu begrenzen?McCain: Ich bin zurückhaltend, amtieren-den Präsidenten Ratschläge zu geben,weil ich das Amt selbst gern gehabt hätte.Aber Obama sollte eine Kommission mit

renommierten und international aner-kannten Leuten wie unserer früherenAußenministerin Condoleezza Rice oderEx-Verteidigungsminister Robert Gateseinsetzen, die Vorschläge machen, inner-halb welcher Grenzen unsere Geheim-dienste in Zukunft arbeiten sollen.SPIEGEL: In Deutschland wird gerade dar-über diskutiert, Edward Snowden Asylzu gewähren.McCain: Das würde Merkel niemals tun.Dafür sind wir zu gute Freunde.SPIEGEL: Und wenn doch?McCain: Darüber möchte ich nur ungernspekulieren. Snowden hat den Eid gebro-

chen, nicht die Sicherheitsinteressen derUSA zu verletzen. Jeder, der ihn auf-nimmt, bezichtigt die USA, kein Rechts-staat zu sein.SPIEGEL: Was droht Snowden für den Fall,dass er in die USA zurückkehrt?McCain: Er würde vor Gericht gestellt,aber er kommt nicht zurück.

SPIEGEL: Auch nicht im nächsten Jahr,wenn sein Asyl in Russland ausläuft?McCain: Niemals. Präsident Wladimir Putin wird ihm Zuflucht gewähren, fürimmer. Die Russen wissen genau, dasssie für künftige Überläufer uninteressantwerden, wenn sie Snowden doch nochausliefern. Ich bin sicher, dass Snowdenden russischen Geheimdiensten alles er-zählt hat, was er weiß.SPIEGEL: Er bestreitet das und sagt, er habedie NSA-Dokumente nicht mit nach Russ-land genommen.McCain: Wenn Sie das glauben, dann glau-ben Sie auch, dass Schweine fliegen können.SPIEGEL: Die NSA-Affäre hat Putin dieChance gegeben, sich als wichtiger Ak-teur der Weltpolitik in Erinnerung zu ru-fen – und das zum zweiten Mal in kurzerZeit nach der russischen Intervention imKonflikt in Syrien.McCain: Das ist eines der schändlichstenKapitel der amerikanischen Geschichte.Erst erklärt Obama, dass er Syrien bom-

bardieren will, weil das Land die von ihmgezogene rote Linie überschritten hat.Dann entscheidet er sich, den Kongresszu befragen. Schließlich spricht Außen-minister John Kerry davon, es gehe haupt-sächlich darum, die Chemiewaffen zu eliminieren – und der russische Außen-minister Sergej Lawrow, der alte Fuchs,erkennt die Gelegenheit und übernimmtdie Initiative. So kommt es, dass wir nunmitansehen müssen, wie die Russen in al-ler Ruhe syrische Chemiewaffen katego-risieren und eliminieren, während sie flug-zeugweise konventionelle Waffen insLand schaffen, mit denen syrische Zivi-

listen getötet werden.SPIEGEL: Sind Sie von der Zurückhaltungder Europäer in der Syrien-Krise ent-täuscht?McCain: Zum Problem gehört leider auch,dass unsere deutschen Freunde in dieserKrise keine Rolle gespielt haben – unddas nicht zum ersten Mal. Die wichtigste

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NSA-Chef Alexander*: „Er sollte sofort zurücktreten, oder man sollte ihn feuern“

Ausland

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europäische Nation steht in einer solchenFrage abseits. Eine Schande!SPIEGEL: In Amerika hatten Sie aber auchkeine Mehrheit für einen Militärschlag inSyrien.McCain: Wir haben leider einen Präsiden-ten, der nicht führen möchte. Unser Prä-sident scheut sich, den Amerikanern zusagen, dass wir in Syrien eine Auseinan-dersetzung erleben, in die die USA früheroder später ohnehin hineingezogen wer-den. Al-Qaida erlebt gerade ein Come-back, der Irak zerfällt, Jordanien ist in-stabil, der Libanon ist unter Druck. DieHisbollah kämpft mit ihren 5000 Kämp-fern in Syrien. Dieser Konflikt betrifft direkt die Sicherheit der USA. Aber dashat Obama dem Volk nie erklärt.SPIEGEL: Man kann das auch aus einemanderen Blickwinkel sehen. Obamakönnte auf diesem Weg die Vernichtungder syrischen Chemiewaffen ohne einentödlichen Militäreinsatz erreichen. Undmöglicherweise so auch Iran dazu brin-

gen, auf das Atomwaffenprogramm zuverzichten. Beides wäre eine historischeErrungenschaft.McCain: Aber in Syrien geht das Mordenweiter, inzwischen sind mehr als 110000Menschen gestorben, der Konflikt reichtheute von Libyen bis auf die ArabischeHalbinsel. Und bei Iran bin ich sehr skep-tisch. Vertrauensbildende Maßnahmen,wie sie das Weiße Haus angekündigt hat,habe ich schon zu viele gesehen. Tatsacheist doch, Iran ist immer noch ein Land,das seine Version des Islam verbreitenwill, dabei auf Terror setzt und Israel vonder Landkarte löschen möchte.SPIEGEL: Sie würden dem neuen iranischenPräsidenten Hassan Rohani nicht entge-genkommen?McCain: Wir brauchen keine vertrauens-bildenden Maßnahmen, die eine Locke-rung der Sanktionen beinhalten. Das istdoch genau das, was Iran erreichen möch-te. Entweder die Iraner stoppen die Uran-anreicherung, oder sie tun es nicht.SPIEGEL: Ist Edward Snowden ebenso einFall, bei dem Sie keine Kompromisse ak-zeptieren würden? Snowden sagt: DieWahrheit auszusprechen kann kein Ver-brechen sein. Was antworten Sie ihm?McCain: Das ist eine interessante Interpre-tation, die er sich da zurechtgelegt hat.Niemand hat ihn zu seinem Job gezwun-gen. Er hat geschworen, den VereinigtenStaaten nicht zu schaden, die Informa-tionen, die ihm anvertraut wurden, nichtweiterzugeben. Er hat diesen Eid gebro-chen. Es gibt gute Gründe, bestimmte Informationen geheim zu halten, damitunser Feind davon nicht profitiert. Dadraußen ist noch immer al-Qaida, unddie wollen uns noch immer schaden. HerrSnowden hat ihnen dazu neue Mittel andie Hand gegeben.SPIEGEL: Herr Senator, wir danken Ihnen

für dieses Gespräch. 4 6 / 2 0 1 3116