Meditation im Eskorial

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José Ortega y Gasset MEDITATION IM ESKORIAL (Meditación de El Escorial) 1915 Entnommen aus Stern und Unstern · Über Spanien S. 169-182 Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart 1952

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José Ortega y Gasset

MEDITATION IM ESKORIAL

(Meditación de El Escorial)

1915

Entnommen aus

Stern und Unstern · Über Spanien

S. 169-182

Deutsche Verlags-Anstalt Stuttgart 1952

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IN DER LANDSCHAFT In der Landschaft des Eskorial ist das Kloster nur der

größte Stein, und nur die Bestimmtheit und Glätte seiner Kanten hebt es von den umgebenden Felsmassen ab. An diesen Frühlingstagen kommt immer eine Stunde, da die Sonne wie eine Phiole voll Gold an den Zacken der Sier-ra zerbricht und ein weiches blaues, veilchenfarbenes und karminrotes Licht über die Hänge ins Tal niederflutet. Dann spottet der behauene Stein der Absicht des Bau-meisters und verschmilzt wieder, einem mächtigeren Drang gehorchend, mit den mütterlichen Steinbrüchen.

Dies Licht Kastiliens, das kurz vor Anbruch der Nacht mit dem langsamen Gang von Kühen den Himmel durchwallt, verzaubert den Eskorial, bis er dasteht wie ein riesenhafter Feuerstein, der auf den weckenden An-prall wartet; düster und schweigend wartet die granitene Landschaft mit ihrem großen Sagenstein inmitten auf eine Generation, die würdig ist, aus den Feueradern der starken Eingeweide den Geistesfunken zu schlagen.

Wem weihte Philipp II. dieses steinerne Bekenntnis, das nach der Peterskirche in Rom die schwerste Glau-benslast der europäischen Erde gewesen ist? Die Stif-tungsurkunde legt dem König die folgenden Worte in den Mund: „All welches Kloster wir zu Ehren und im Namen des heiligen Laurentius gründen wegen der besonderen Devotion, die wir für den glorreichen Heiligen hegen, und zum Gedächtnis der Gnade und des Sieges,

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so uns Gott an seinem Namenstag verliehen hat.“ Die Gnade war der Sieg bei St. Quentin.

Wir haben es hier mit einer wohl dokumentierten Le-gende zu tun, die richtiggestellt werden muß, der Doku-mentierung zum Trotz. Sankt Lorenz ist ein ehrenwerter Heiliger, so ehrenwert wie alle Heiligen; aber, die Wahr-heit zu sagen, um die Angelegenheiten unseres Volkes hat er sich sonst nicht besonders gekümmert. Sollte wirk-lich eine der machtvollsten Taten unserer Geschichte, die Errichtung des Eskorial, nichts anderes bedeutet haben als einen Dankeszoll für einen vorüberwandelnden Heili-gen von zweifelhaft spanischem Charakter? Ich bin ge-wiß der letzte, ihm die Bewunderung zu versagen. Hätte er nicht gebeten, man möge ihn auf die andere Seite dre-hen, als ihm die eine genug geröstet schien, so fehlte der Humor in der Martyrologie. Aber offengestanden, die Sanftmut des heiligen Lorenz reicht nicht hin, um diese kolossalen Räume zu erfüllen.

Als Philipp II. unter den verschiedenen Plänen, die ihm vorlagen, diesen wählte, geschah es unzweifelhaft, weil er darin seine Auffassung des Göttlichen am besten ausgedrückt fand.

AD MAIOREM DEI GLORIAM Alle Tempel, das ist klar, werden zu Ehren Gottes ge-

baut. Aber Gott ist ein Allgemeinbegriff, und einem All-gemeinbegriff ist noch nie ein wahrhafter Tempel errich-tet worden. Der Apostel, der, durch die Straßen Athens

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streifend, an der Stirn eines Altars die Inschrift „Dem unbekannten Gott“ zu lesen glaubte, muß sich getäuscht haben; ein solches Heiligtum hat nie existiert. Der Gläu-bige begnügt sich nicht mit einem abstrakten Gott, einem bloßen Gedanken; er braucht einen Gott, den er wirklich fassen und halten kann. Darum gibt es so viele Bilder von Gott, wie es verschiedene Menschen gibt; an der Glut seines Herzens schmiedet ein jeder sich sein eigenes aus dem Stoff, den er in sich trägt. Er schaut in sein Inneres und nimmt von allem, was dort braut, die Regungen, die ihm am besten scheinen, um daraus seinen Gott zu schaf-fen. Das Göttliche ist das idealisierte Beste im Menschen, und Religion ist der Kult, den eine Hälfte des Menschen seiner anderen erweist, der niedrige und träge Teil dem starken und kühnen.

Der Gott Philipps II. oder, was dasselbe ist, sein Ideal hat in dem Kloster von Eskorial eine wuchtige Ausle-gung erhalten. Was drückt dieses Bauwerk mit seinen ungeheuren Massen aus? Wenn jedes Monument die Bemühung ist, einem Ideal zu einem sinnfälligen Aus-druck zu verhelfen, welches Ideal soll dann durch dies verschwenderische Opfer an Mühe dargestellt und ver-ewigt werden?

DIE MANIERA GRANDE In der Entwicklung des europäischen Geistes gibt es

einen noch wenig erforschten und doch höchst bedeu-tungsvollen Augenblick, in welchem die abendländische

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Seele eine jener furchtbaren inneren Krisen erlitten haben muß, die sich trotz ihrer Schwere und der Qual, die sie verursachen, nur mittelbar kundtun. Dieser Augenblick fällt zusammen mit der Erbauung des Eskorial. In der Mitte des 16. Jahrhunderts trägt die Renaissance ihre reifsten Früchte. Es ist die Zeit höchsten Lebensgenusses, eine Stunde der Fülle. Dem Menschen erscheint das Le-ben wieder als ein Paradies. Wunsch und Wirklichkeit stehen in vollkommenem Einklang; es gibt kein Mißver-hältnis zwischen Erstrebtem und Erreichtem, das zur Quelle von Bitterkeit werden könnte.

„Chi non può quel che vuol, quel che può voglia“ — „Wer nicht kann, was er will, wolle, was er kann“, sagte Leonardo da Vinci. Die Menschen der Renaissance woll-ten nur, was sie konnten, und sie konnten alles, was sie wollten. Wenn Mißbehagen und Unzufriedenheit in ihren Werken auftauchen, tun sie es in so schöner Gestalt, daß sie himmelweit von dem verschieden sind, was wir heute Traurigkeit nennen, diesem Gefühl, halb Lahmheit und halb Hemmung, das ächzend durch unsere Herzen schlurft. Dem klaren Geist der Renaissance konnten nur heitere und maßvolle Schöpfungen entsprechen, wohl ausgewogen in Form und Rhythmus. Wir nennen ihren Stil die maniera gentile.

Aber um 1560 beginnen sich in der europäischen See-le Unruhe und Unbefriedigtheit zu regen, ein Zweifel, ob das Leben in der Tat so vollkommen ist, wie das vorauf-gegangene Zeitalter geglaubt hatte. Es drängt sich mehr und mehr die Erkenntnis auf, daß die Welt, die wir

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wünschen, besser ist als die Welt, die wir haben, daß un-ser Wollen weiter reicht als unser Vollbringen. Alles Streben ist gefangen in den Fesseln der Materie und ver-tut seine beste Kraft im Widerstand gegen ihre Trägheit. Als symbolischen Ausdruck dieser Geistesverfassung könnten wir dem Vers Leonardos ein Gedicht Michelan-gelos gegenüberstellen:

O Dio, o Dio, o Dio, Chi m’a tolto a me stesso, Ch’a me fusse più presso O più di me potessi, che poss’io? O Dio, o Dio, o Dio1.

Die ruhigen milden Formen der Renaissancekunst waren nicht das geeignete Vokabular für den Aufschrei eines Mannes, der die Qual des gefesselten Prometheus erdul-dete. In der Tat macht sich in diesen Jahren eine Wand-lung in den klassischen Stilformen geltend. Das erste Zeichen ist die Vergrößerung des Formats. Michelangelo stellt der maniera gentile die maniera grande gegenüber. Das Kolossale, Übermenschliche, Ungeheure triumphiert in der Kunst. Der Geschmack wendet sich von Apoll zu Herkules. Schön ist von nun an das Herkulische.

1 Wie kommt’s, daß ich verloren habe mich?

Gott, Gott, erbarme dich! Wer hat mich mir genommen, Ist näher mir gekommen, Als ich mir bin, und überwältigt mich? Gott, Gott, erbarme dich!

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Warum gefielen die Menschen sich eine Zeitlang in Maß-losigkeiten, in der äußersten Steigerung aller Dinge? Welche Bewandtnis hat es mit der Freude am Herkuli-schen? Der Gegenstand ist allzu fesselnd, als daß wir ihn auch nur leicht zu streifen wagten. Wir müssen weiter; hier sollte nur darauf hingewiesen werden, daß in der Zeit, als das Sternbild des Herkules am geistigen Hori-zont Europas aufzog, Spanien seine hohe Stunde feierte; es regierte die Welt, und in einem Winkel der heimischen Guadarrama errichtete der König Philipp in der maniera grande ein Monument für seinen Gott.

EIN KAPITEL ÜBER DIE REINE ANSTRENGUNG

Wem, fragten wir, ist dieses verschwenderische Opfer

an Mühe geweiht? Wenn wir die ausgedehnten Mauern St. Lorenzos umwandern, haben wir einen gesundheits-fördernden Spaziergang von einigen Kilometern gemacht und uns einen prächtigen Appetit geholt. Aber ach, seiner Architektur ist keine Formel entstiegen, die uns den Sinn dieser Steinmassen erhellte. Das Kloster zu Eskorial ist ein Kraftaufwand ohne Namen, ohne Weihinschrift, ohne Bedeutung. Es ist eine ungeheure Anstrengung, die sich in sich selbst spiegelt und alles vernachlässigt, was außer ihr existiert, satanisch sich selber anbetend und lobprei-send. Es ist eine Anstrengung, die der Anstrengung ge-weiht ist.

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Ein Kapitel über die reine Anstrengung

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Beim Anblick des Erechtheions oder Parthenons fällt es uns nicht ein, an die Mühen seiner Erbauer zu denken. Um die weißen Tempeltrümmer unter dem reinen Him-melsblau liegt die Aureole einer ästhetischen, politischen, metaphysischen Idealwelt, deren Kraft ewig jung bleibt. Da wir ganz mit ihrer Erfassung beschäftigt sind, denken wir nicht daran, nach der Arbeit zu fragen, die zur Glät-tung und Anordnung jener Steine aufgewandt werden mußte.

Das Monument unserer Vorfahren dagegen ist das steinerne Abbild einer Seele, die ganz Wille und Span-nung war, aber leer von Ideen und Gefühlen. Diese Ar-chitektur spricht nur von dem Drang und Begehren eines ungestümen Herzens. Besser als irgendwo erkennen wir hier die Essenz Spaniens, die unterirdische Quelle, aus der die Geschichte dieser regelwidrigsten Nation Europas geflossen ist. Karl V. und Philipp II. haben ihrem Volk die Beichte abgenommen, und es gestand ihnen in einem Anfall wahnwitziger Offenheit: „Die Geschäfte, um de-ren Besorgung und Förderung andere Rassen bemüht sind, leuchten uns nicht ein; wir wollen weder weise noch von Herzen gläubig sein, wir wollen nicht gerecht sein, und am wenigsten von allem verlangt uns nach Be-sonnenheit; wir wollen nur groß sein.“

Ein Freund von mir, der Frau Förster-Nietzsche in Weimar besuchte, fragte sie, was ihr Bruder über die Spanier gedacht habe. Die alte Dame, die Spanisch sprach von ihrem Aufenthalt in Paraguay her, erinnerte

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sich, daß Nietzsche einmal gesagt habe: „Die Spanier, das sind Menschen, die zu viel sein wollten.“

Wir brachten der Welt kein Wahrheits- und kein Tu-gendideal, wir brachten ihr nur die Kraft unseres Begeh-rens. Nie hat die Größe, nach der wir geizten, für uns bestimmte Gestalt angenommen. Wie Don Juan, der die Liebe liebte und nie dahin kam, eine Frau zu lieben, ha-ben wir das Wollen gewollt, ohne je irgend etwas zu wol-len. Wir sind in der Geschichte Europas ein Ausbruch des blinden, gestaltlosen, rasenden Willens. Der düstere Koloß des Klosters von Eskorial offenbart unsere Armut an Ideen und zugleich unsern Überfluß an Willenskraft. Man könnte es einen Traktat der reinen Anstrengung nennen.

Die Anstrengung. — Wie man weiß, war Plato der er-ste, der die Elemente der menschlichen Seele zu bestim-men suchte, die man später als Vermögen bezeichnete. Da der individuelle Geist ihm zu unfaßbar und flüchtig für seine Analyse erschien, suchte er nach den Triebfe-dern unseres Bewußtseins in den Völkern als in ungeheu-ren Vergrößerungen. Die Nation, sagte er, ist der Mensch, groß geschrieben. An den Griechen bemerkte er die unersättliche Wißbegierde und natürliche Gewandt-heit in der Handhabung von Ideen; sie waren klug, an ihnen zeigte sich das Denkvermögen. Dagegen fand er an den barbarischen Völkern des Kaukasus einen Zug, den er in Griechenland vermißte und der ihm nicht weniger wichtig erschien als die Verstandeskraft. Die Skythen — sagt Sokrates im „Staat“ — sind nicht klug wie

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Ein Kapitel über die reine Anstrengung

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wir, aber sie haben θυμός. θυμός, lateinisch furor, das heißt Ungestüm, Heftigkeit, Tatdrang. Auf dieses Wort gründete Plato die Idee, die wir heute Wille nennen.

Hier haben wir das ureigene Seelenvermögen der Spa-nier. Auf dem weiten Hintergrund der Weltgeschichte sind wir die Gebärde eines unbändigen Wollens. Darauf beruht unsere ganze Größe, darauf unser ganzes Elend.

Die Anstrengung an sich, ohne leitende Idee, ist ein blinder Drang, der stiernackig zustößt ohne Richtung und ohne Erschlaffen. Sie selbst weiß von keinem Ziel; das Ziel zu setzen ist immer Sache des Verstandes, des rech-nenden und ordnenden Vermögens. Darum ist dem ver-wegenen Herzen die Tat gleichgültig; sie ist eine Bewe-gung, die auf ein Ziel geht und ihren Wert von diesem Ziel empfängt. Ihm dagegen bemißt sich der Wert seines Tuns nicht nach der Dienlichkeit zu einem Ende, sondern nach der Schwierigkeit und dem Maß an Anstrengung, das es erfordert. Ihn lockt nicht die Tat, ihn lockt nur die Großtat.

An dieser Stelle erlaube mir, mein Leser, eine persön-liche Erinnerung einzuflechten. Ich kann die Landschaft des Eskorial nicht betrachten, ohne daß mir fein und fern das Bild eines anderen Ortes vorschwebt, der von dem Kloster des heiligen Lorenz so verschieden ist wie nur möglich. Es ist eine kleine gotische Stadt an einem stillen dunklen Fluß zwischen sanft gerundeten Hügeln, die ganz mit dichten Tannen- und klaren Buchenwäldern bestanden sind. In dieser Stadt habe ich

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das Äquinoktium meiner Jugend verbracht; ich danke ihr die Hälfte meiner Hoffnungen und fast meine ganze gei-stige Zucht. Es ist Marburg an der Lahn.

Vor vier Jahren verbrachte ich einen Sommer dort. Mein verehrter Lehrer, einer der größten zeitgenössi-schen Philosophen, schrieb damals gerade seine Ästhetik. Bescheiden wie alle schöpferischen Menschen, fand er Gefallen daran, sich mit mir über Dinge der Schönheit und der Kunst zu besprechen. Das Problem, wie die Gat-tung des Romans zu definieren sei, gab vor allem Anlaß zu Disputen zwischen uns. Ich sprach ihm von Cervantes, und er unterbrach seine Arbeit, um den Quijote wieder zu lesen. Ich werde jene Sommerabende nicht vergessen mit ihren hohen dunklen Himmeln voll flimmernder Sterne, in denen ich zum Hause des Meisters ging und ihn über unser Buch gebeugt fand, das er in Tiecks Übersetzung las. Er erhob dann wohl sein altes edles Gesicht und grüßte mich mit den Worten: „Aber sehen Sie doch, Ihr Sancho führt immerzu das gleiche Wort im Mund, das den Grundstein der Fichteschen Philosophie bildet.“ In der Tat, Sancho gebraucht oft und mit besonderem Beha-gen das Wort „hazaña“, das Tieck mit Tathandlung über-setzt hat.

Deutschland war jahrhundertelang das Volk der Dich-ter und Denker. Bei Kant behauptet schon neben dem Denken das Wollen sein Recht — neben der Logik die Ethik. Bei Fichte neigt sich die Waage zugunsten des Wollens, und er setzt die Tat vor die Logik. Vor der Re-flexion die Urhandlung — das ist das Prinzip seiner

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Melancholie

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Philosophie. Wie die Nationen sich wandeln! Deutsch-land hat die Lektion gut gelernt, die ihm Fichte gab und die sich in Sancho Panza vorgebildet findet.

MELANCHOLIE Aber wohin kann die reine Anstrengung führen? Ach.

nirgendwohin; sie endet in Melancholie. Cervantes schrieb in seinem Quijote die Kritik der rei-

nen Anstrengung. Don Quijote ist kein Geistesheld, ebensowenig wie Don Juan. Seine Ideen sind einfach, ruhig und redensartlich; sie sind eigentlich weniger Ideen als Sprüche. Aber er ist ein Held, und aus den possierli-chen Wirbeln seines Lebens hebt sich sein Tatmut her-aus, der über allen Possen ist. „Das Glück mögen die Zauberer mir nehmen können — den Mut und Schwung niemals.“ Er hat das Herz auf dem rechten Fleck; das ist seine einzige Wirklichkeit, und um sie her braut er eine Welt unhandlicher Phantome zusammen. Seine ganze Umgebung dient ihm nur als Vorwand, damit der Wille sich stählen, das Herz entbrennen und der Eifer losbre-chen kann. Aber einmal kommt eine Stunde, da sich in dieser feurigen Seele schwere Zweifel erheben über den Sinn seiner Heldentaten. Und nun findet Cervantes viele dunkle Worte. Vom 58. Kapitel bis zum Ende ist alles Bitterkeit. Trauer — sagt der Dichter — überflutete sein Herz, vor Kummer konnte er nicht essen, sein Sinn war trüb und schwer. Laß mich sterben — sprach er zu

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Sancho — von den Händen meiner Gedanken und unter der Wucht meines Unglücks. Zum erstenmal hält er ein Wirtshaus für ein Wirtshaus. Und vor allem — ach, hört das beklommene Geständnis eines Tatsüchtigen — vor allem ruft er aus: „Was habe ich denn gewonnen mit all meinen Mühen?“ Wozu habe ich mich geplagt?