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www.visualpast.de Mehr als (Ab-)Bilder! – Bildwahrnehmung in der ersten Hälfte des ersten vorchristlichen Jahrtausends in Mesopotamien Elisabeth Wagner-Durand, Freiburg I. Einleitung „Bilder bewähren sich erst wirklich in den symbolischen Handlun- gen, die man an ihnen vollzog.“ 1 Diese fundamentale Beobachtung beschrieb Hans Belting in seinem 2002 erschienenen Beitrag in Blick- les und Holensteins Sammelband zur Macht und Ohnmacht von Bil- dern. 2 Ergänzt durch Michael Leichts analytische Konfrontation mit der Kontextualitätsbedeutung materieller (visueller) Kultur, „dass Bedeutung sich aus dem Kontext ergibt, zugewiesen wird, sich ver- ändert, sozial konstruiert ist und nicht aus dem ‚Eigentlichen‘ der Dinge erwächst“ 3 , lässt sich die schon mehrfach in der Forschung angerissene, wenngleich selten explizit ausformulierte These aufstel- len, dass rezente, westeuropäische Bildwahrnehmung – und somit eine auf der lebensweltlichen Ebene angesiedelte Bildrezeption – sich fundamental von jener altorientalischer Kulturen unterscheidet. Das (vermeintliche) Bild konnte in besagten altorientalischen Gesell- schaften nicht nur (oder gerade nicht) als Abbild beziehungsweise als Representamen rezipiert werden, sondern oftmals als wirkmächtiges Agens einen interaktiven Platz in der Gesellschaft einnehmen. Der hier vertretenen These gemäß fassten mesopotamische Kulturen des 1 Belting 2002, 12. 2 Blickle 2002. 3 Leicht 2002, 25.

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Mehr als (Ab-)Bilder! – Bildwahrnehmung in der ersten Hälfte des ersten vorchristlichen

Jahrtausends in Mesopotamien

Elisabeth Wagner-Durand, Freiburg

I. Einleitung

„Bilder bewähren sich erst wirklich in den symbolischen Handlun-gen, die man an ihnen vollzog.“1 Diese fundamentale Beobachtung beschrieb Hans Belting in seinem 2002 erschienenen Beitrag in Blick-les und Holensteins Sammelband zur Macht und Ohnmacht von Bil-dern.2 Ergänzt durch Michael Leichts analytische Konfrontation mit der Kontextualitätsbedeutung materieller (visueller) Kultur, „dass Bedeutung sich aus dem Kontext ergibt, zugewiesen wird, sich ver-ändert, sozial konstruiert ist und nicht aus dem ‚Eigentlichen‘ der Dinge erwächst“3, lässt sich die schon mehrfach in der Forschung angerissene, wenngleich selten explizit ausformulierte These aufstel-len, dass rezente, westeuropäische Bildwahrnehmung – und somit eine auf der lebensweltlichen Ebene angesiedelte Bildrezeption – sich fundamental von jener altorientalischer Kulturen unterscheidet. Das (vermeintliche) Bild konnte in besagten altorientalischen Gesell-schaften nicht nur (oder gerade nicht) als Abbild beziehungsweise als Representamen rezipiert werden, sondern oftmals als wirkmächtiges Agens einen interaktiven Platz in der Gesellschaft einnehmen. Der hier vertretenen These gemäß fassten mesopotamische Kulturen des

1 Belting 2002, 12. 2 Blickle 2002. 3 Leicht 2002, 25.

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ersten vorchristlichen Jahrtausends4 viele Bilder als magische Präsen-zen5, als Handlungspartner, als wirkmächtige Entitäten, nach Bahrani als „entity in its own right, a being rather than a copy of a being”6 auf. Zudem überschritten besagte Gesellschaften eine bemerkens-werte Schwelle zwischen der lebensweltlichen Rezeption des Bildes, präziser des Artefaktes, von der benannten magischen Präsenz zu dem Bild als mimetische Repräsentation.7 Mit diesem Schritt8 wurden Bilder wahrhaftig als (Ab-)Bilder aufgefasst; sie wurden zu eben jenen zei-chenhaften Verweisen, wie sie oftmals einer rezenten Grundauffas-sung entsprechen. Denn: Rezipieren heutige Museumsbesucher alt-orientalische Bildwerke, seien es Rundplastiken oder sei es Flächen-kunst, sei es im kleinen oder im großen Format, so weisen sie diesen in der Regel keine Wirkmächte zu. Die fraglichen Bilder werden als Abbilder einer realen oder fiktiven Entität, eines existierenden oder erfundenen beziehungsweise vorgestellten Denotatum rezipiert. Zwischen Abgebildetem und Bildträger wird unterschieden; eine Art der eucharistischen Präsenz9 wird nicht wahrgenommen. Das Bild gilt als mimetische Repräsentation. Ähnlichkeit, und mitnichten Wesens-gleichheit oder gar Wesenseinheit,10 liegt im Vordergrund der Wahr-nehmung.11 Diese differenzierte, fast dichotome, Wahrnehmung von Bildern und damit verbunden ein vom Magischen beziehungsweise von numinosen Mächten durchdrungenes Weltbild stellen maßgeb-liche Unterschiede zu einer rezenten, westeuropäischen, vermeintlich aufgeklärten, und somit „entzauberten“ Lebens- und Bilderwelt dar.

4 Hier konkret des neubabylonischen und neuassyrischen Reiches. 5 Terminus nach Wulf 2004, u. a. 234. Erläuterungen siehe hier im Folgenden. 6 Bahrani 2003, 125. 7 Terminus nach Wulf 2004, u. a. 234. Erläuterungen siehe hier im Folgenden. Die

mimetische Repräsentation wird hier jedoch nicht im Vordergrund der Betrachtungen stehen. Die ausgewählten Beispiele konzentrieren sich auf eine abweichende Bildwahr-nehmung von der heute verbreiteten westeuropäischen Perzeption (wenn diese eigentlich nicht korrekte Pauschalisierung hier der Einfachheit halber gestattet werden darf). Damit fokussieren die verwendeten Beispiel hier auf die magische Präsenz, nicht die mimetische Repräsentation.

8 Was in keiner Form als evolutionistisches Gedankengut ausgedeutet werden soll. 9 „Eucharistic presence“: Walker – Dick 2001, 6 f. Vgl. auch Belting 2005, v. a. 88. 10 Zur Wesenseinheit, wesenshaften Verbundenheit, Wesensgleichheit siehe weitere

unten Fn. 25. 11 Vgl. generell Wagner-Durand 2009/2014.

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Es ist dieser Unterschied, der für eine eklatant unterschiedliche, le-bensweltliche Bildrezeption verantwortlich ist. Zugleich manifestiert sich hier das Diktum G. Böhmes: „Ein Bild ist ein Riss im Sein – und diesen Riss spürt der Mensch auch in seiner eigenen Existenz-weise.“12 Dies vermag uns daran zu erinnern, wie fundamental die Wirkkraft von Bildern uns in unserem Menschsein berührt und zu welchen Irritationen das Bild hinsichtlich unserer Vorstellung von der Welt fähig ist.

Da Bilder also lebensweltlich unterschiedlich wahrgenommen werden können, vollziehen Menschen an und mit ihnen dementspre-chend unterschiedliche Handlungen. Demzufolge finden die ver-schiedenen Wahrnehmungsformen ihren Spiegel auch in den Hand-lungen, die an den Bildern vollzogen wurden.13 So können Archäo-logie und Altertumskunde sich den Bildern sowohl via deren Inhalt, eingebettet in den jeweiligen Gesellschaftskontext, als auch über die an ihnen vollzogenen Handlungen, welche uns durch Texte sowie archäologische Befunde überliefert werden, annähern und so auf ei-ner Meta-Ebene deren lebensweltliche Einbettung erschließen.14

II. Theorie und Begrifflichkeit

Grundlegendes I: Ebenen der Rezeption

Betrachtet man Rezeptionsvorgänge, als deren Teil Bildwahrneh-mung in diesem Kontext aufgefasst wird, dann sind verschiedene Re-zeptions-Ebenen, die uns als Archäologen/innen15 interessieren müs-sen, zu unterscheiden. Folgende Ebenen seien hier als stark verein-fachtes Grundgerüst benannt. Beginnend mit einer emischen Per-spektive und Rezeption handelt es sich bei der ersten Ebene um die

12 Böhme 1999, 1. 13 Sie spiegeln sich zudem auch in Bildinhalten, die durch die lebensweltliche Wahrneh-

mung der Bilder bestimmt bzw. beschränkt oder gar erst ermöglicht werden. Bildinhalte werden jedoch in diesem Zusammenhang nur marginal zur Sprache kommen können.

14 Vgl. dazu generell Wagner-Durand 2009/2014. 15 Ebenso wie als Altertumswissenschaftler/innen, Historiker/innen, Kunstgeschicht-

ler/innen und Bild- bzw. Medienwissenschaftler/innen.

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gesellschaftsimmanente und zeitgenössische Bildrezeption. Gesell-schaftsimmanent bedeutet hierbei, dass es sich um die Auffassung, das Verständnis und hier insbesondere die lebensweltliche Wahrneh-mung des Bildes in der Bild produzierenden und nutzenden Gesell-schaft handelt. Demnach sind Handlungen, die sowohl in entspre-chenden Textquellen als auch Befundsituationen zu rekonstruieren sind, oftmals, wenngleich auch nicht ausschließlich, Ergebnis einer lebensweltlichen Verortung entsprechender Bilder, wie sie während des Produktionsprozesses, bei ihrer Schöpfung oder gar bei ihrer Ge-burt16 angedacht waren. Grundsätzlich liegt gerade diese Ebene be-sonders im Augenmerk altertumswissenschaftlicher Betrachtungen.

Die zweite Ebene der Rezeption verbleibt im vorwiegend zeitge-nössischen Kontext der fraglichen Bilder. Es handelt sich um eine etische, also fremde, jedoch kontemporäre und durch Kulturkon-takte beeinflusste Rezeption. Da Gesellschaften keine hermetisch ge-schlossenen Einheiten darstellen, diffundieren allerlei Ideologien, Kosmologien, Wertvorstellungen und Artefakte, zwischen diesen Kulturen. Daraus folgt jedoch nicht, dass die entsprechenden Arte-fakte mitsamt der ihnen einst zugedachten Bedeutung in der fremden Gesellschaft gleichartig rezipiert wurden. Bedeutungen sind kultur- beziehungsweise gesellschaftsimmanent. Aus diesem Grund sind textliche oder archäologische Befunde hinsichtlich ihres perspektivi-schen Bezuges zum fraglichen Artefakt zu analysieren, um die daraus erschlossene Bedeutung dem richtigen Kultur- beziehungsweise Ge-sellschaftskontext zuzuordnen.

16 Die Vorstellung von der Geburt der Bilder findet man besonders gut greifbar im meso-potamischen mīs pî-Ritual. Dort liest man unter anderem Beschwörungen, die deutlich auf dieses Verständnis des Kultbildes hinweisen. In der assyrischen Fassung: 189 „the incantation, ‘Statue (alam) born in a pure place...,’ […]“ 190 the incantation, „Statue (alam) born in heaven....’ […]“ / 189 en 2 a lam ki -ku 3-ga-ta ⌈ u 3 ⌉ - [ tu-du-da. . . . ] 190 en2 a lam an-ne 2 u 3- [ tu-du-da …. ] : Umschrift sowie Übersetzung: Walker – Dick 2001, 51. 66. In der babylonischen Version: 54 „He recites the incantation, ‘Statue (alam) born in a pure place’, the incantation, ‘Statue (alam) born in heaven.“ /en 2 a l am ki -ku 3 -ga-ta u 3 - [ tu-du-da en 2 ] a lam an-na u 3 -tu- ⌈ud ⌉-da: Transliteration, Übersetzung: Walker – Dick 2001, 73. 80. Zu Geburt und Schöpfung des Kb mittels der Begriffe banû und alādu: vgl. Berlejung 1998a, 135–141. 172.

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Mit diesen ersten beiden Ebenen haben sich zwei Achsen, an de-nen entlang rezeptionsgeschichtliche Betrachtungen verortet werden können, aufgetan: nämlich Zeit und Raum. Der Schnittpunkt der bei-den benannten Achsen markiert die Entstehung des fraglichen Arte-faktes in Zeit und Raum und damit den Bereich der ersten Ebene. Jede weitere Ebene kann, je feiner sie gefasst wird, als Punkt, oder je gröber sie gefasst wird, als Fläche (demnach als Ebene) in diesem Koordinatensystem eingetragen beziehungsweise verortet werden. Das es wenig praktikabel ist, jedem dieser Punkte hier gleichsam Be-deutung einzuräumen, werden zwei weitere grobe Punkteflächen in diesem Diagrammmodell herausgehoben, welche die dritte und die vierte Ebene darstellen.

Die dritte Ebene bewegt sich räumlich nahe der Bilder schaffenden Gesellschaft, liegt aber zeitlich zu dieser versetzt (jedoch nicht in der Gegenwart). Sie bezieht sich demnach auf eine zeitlich versetzte, auf Grund gesellschaftlicher und kultureller Veränderungen nicht mehr unmittelbar kulturimmanente Rezeption des Bildes. Denn: Da Ge-sellschaften wandelbar sind und der Mensch (mitsamt der ihn umge-benden Gesellschaftsform) auf Grund von Erfahrungen und Erleb-nissen nie gleich zu bleiben vermag, verändert sich auch das Ver-ständnis der Bilder in den jeweiligen Gesellschaften.

Die vierte Ebene bezeichnet eine rechte breite Punktwolke und beschreibt rezente, kulturfremde Rezeptionen des fraglichen Bildes, entweder unter der zumeist falschen Prärogative einer vermeintli-chen Lesbarkeit17 der Bilder oder unter der, im besten Falle nicht wertenden Wahrnehmung der bestehenden Kultur- und Gesell-schaftsdistanz durch die Betrachtenden beziehungsweise die Analy-sierenden.18

Bei einer entsprechenden Analyse des Befundes und der Ausdif-ferenzierung der eigenen Perspektive und Rezeption von jener der

17 Siehe zu dieser Problematik in Bezug auf Bilder der Urgeschichte, insbes. der Hallstatt-zeit, Zipf 2006, 1 und Eibner 1997, 129.

18 Letztlich ließe sich die Aufteilung noch weiter ausdifferenzieren, dies wird aber für die folgende Analyse kaum notwendig sein. Rezeptionsverschiebungen dürften sich auch in dieser Form verdeutlichen.

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zu rekonstruierenden Bildauffassung hilft die benannte Ebenenska-lierung, eine Vermischung der Perspektiven zu vermeiden. So kön-nen andere Perzeptionsmöglichkeiten, die uns auf Grund eigener Er-fahrungen nicht geläufig sind, besser berücksichtigt werden.

Grundlegendes II: Rezeption und Perzeption

Generell sucht man nach einem einheitlichen, über die Fachgrenzen hinaus gültigen Rezeptionsbegriff und demnach nach einer exakten Abtrennung oder Einbindung von Perzeption vergebens. Daher scheint es probat, sich einer Definition des Rezeptionsprozesses, un-ter dem Verständnis von Rezeption als „Auseinandersetzung“19 der Betrachter/innen, Nutzer/innen oder Leser/innen mit entsprechen-den Medien aus dem Bereich Medienwissenschaften zu bedienen:

Der Rezeptionsprozess umfasst die Wahrnehmung, die sinnverstehende In-terpretation, die Reflexion und eventuell die gemeinsame Ausdeutung im Ge-spräch, sowie die Aneignung des Medienstoffes für die eigene Lebensfüh-rung.20

In den vorangestellten Ausführungen wurde der Begriff der Rezep-tion annähernd im Austausch zum Begriff der Wahrnehmung, zur Perzeption, verwendet. Denn Rezeption beschreibt, wie in der Defi-nition zu lesen, nicht nur entweder die rezente Wiederaufnahme von kulturfremden und/oder nicht zeitgenössischen Bildern, oder das Verständnis dieser Bilder (oder auch Schriften, und anderer Werke), sondern auch deren Wahrnehmung in jedwedem Gesellschaftskon-text. So zentriert der Rezeptionsbegriff die Aufmerksamkeit auf Empfänger/in, Betrachter/in beziehungsweise Nutzer/in des Bildes. Selbiges gilt für den Perzeptionsbegriff, da er per se auf den Wahrneh-menden fokussiert, jedoch zwei wesentliche Komponenten weitge-hend bedeutungsgleich berücksichtigt: das Bild als Handlungspartner in der sozialen (Kommunikations-)Beziehung und die Gesellschaft als struktur- und bedingungsgebendes Element.

19 Charlton – Barth 2002, 82. 20 Charlton – Barth 2002, 82.

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Um im vorliegenden Fall eine Abgrenzung zwischen den beiden Begriffen als Verständnis und Arbeitsgrundlage zu schaffen, wird – gemäß der oben benannten Definition des Prozesses – Perzeption als wichtiger und im Wesentlichen bedeutungsgebender Teil der Re-zeption verstanden; Wahrnehmungsformen und insbesondere deren Wandel bestimmen die Formen der Wiederaufnahme von Bildern in späteren Gesellschafts- und Kulturkontexten und beeinflussen ihr Verstehen abhängig von der sie rezipierenden Instanz.

Grundlegendes III: Bildbegriffe

Neben den Rezeptions- und Perzeptionstermini sind noch drei wei-tere Begriffe hier zu klären: der Begriff der magischen Präsenz und der mimetischen Repräsentation, als nahezu dichotome Termini, die in die-sem Zusammenhang zwei Wahrnehmungsextreme beschreiben sol-len, und dem angeschlossen der Begriff des Bildes, ohne dass dieser durch einen der beiden Ausdrücke und deren Gehalt eingeschränkt wird. Die ersten beiden Begriffe sind der anthropologischen Begriff-lichkeit Ch. Wulfs entlehnt,21 der zusammen mit einem dritten Ter-minus (das Bild als technische Simulation)22 diese als Unterschei-dungskategorien für Bilder formulierte.

Die magische Präsenz bezieht sich auf die Verschmelzung von „Bild und [...] Inhalt bis zur Ununterscheidbarkeit“.23 Demnach wurde das Artefakt, welches aus Archäologen/innensicht, also auf vierter Re-zeptions-Ebene, zumeist als Bild wahrgenommen wird, auf erster Re-zeptions-Ebene als die Sache selbst, als die Präsenz des vermeintli-chen Denotatum aufgefasst.24 Wesenseinheit, oder zumindest eine

21 Vgl. u. a. Wulf 2004, 234 ff. Details siehe hier im Folgenden. 22 Letztere Kategorie, obgleich von großem Interesse und hoher Brisanz, ist vorwiegend auf

Bilder der Moderne und Postmoderne anzuwenden und findet hier, da wir uns mit anti-ken Schöpfungen befassen, keine weitere Wiederaufnahme. Gemäß Wulf werden diese Bilder „zu Simulacren“. Wulf 2004, 240 oder Wulf 2006, 60.

23 Wulf 2004, 235. 24 Wagner-Durand 2009/2014, bes. 34: dort weiter „die nicht weiter auf etwas Bezug

nahm/nimmt und die nicht erst als Verweis auf etwas und dann in zweiter Instanz als Sache selbst angesehen wurde, sondern die einfach ist“.

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Annäherung, also Wesensgleichheit,25 sind dem Begriff genauso in-härent, wie der Umstand, dass es sich in letzter Konsequenz damit auch um einen sozialen Handlungspartner handeln kann.26 Ist das Bild der Gott, so kann damit auf eine Weise interagiert werden, wel-ches ein bloßes Zeichen nicht ermöglicht, so zum Beispiel in tatsäch-licher Erwartung einer Reaktion.

Der zweite Begriff der mimetischen Repräsentation wird in diesem Kontext dichotom als Kontrapunkt zur magischen Präsenz ver-wandt: Nach Wulf werden dabei „Bilder zu Repräsentation von et-was, das sie nicht selbst sind. Sie stellen etwas dar, bringen etwas zum Ausdruck, verweisen auf etwas“.27 Bilder sind damit Zeichen, Ver-weise und Stellvertreter; in ihrer nachahmenden Funktion ist ihnen Mimesis weitgehend inhärent.28

In der hier angewandten Rezeption und vielleicht auch Anpas-sung der beiden Wulfschen Begriffe sind die beiden Termini Spiegel zweier Extreme menschlicher Bildwahrnehmung hinsichtlich deren lebensweltlichen Stellung. Während im Falle der magischen Präsenz dass Bild mit dem Referens, mit dem Urbild, so stark verschmelzen konnte, dass perzeptorisch gar nicht mehr von einem Bild zu spre-chen wäre, wird das Bild als mimetische Repräsentation zum Ab-Bild, zu etwas das Ähnlichkeit besitzt, nachahmt, also Mimesis be-treibt und in Stellvertreter- oder in Verweisfunktion verhaftet ist.

Diese beiden Begriffe werden in diesem Zusammenhang als ter-minologische Anzeiger gebraucht, sie verkörpern die mögliche Di-chotomie von Bildwahrnehmung und verweisen auf die Wahrneh-mungstendenz des jeweils fraglichen Bildes in der zu diskutierenden Kultur beziehungsweise Gesellschaft. Sie sind zudem dazu angetan,

25 Dabei stellt die Wesenseinheit ein Extrem dar: Variationen dessen wären unter anderem, was Berlejung als „wesenhafte Verbundenheit“ (oder als „bedingte Einheit“) bezeichnet. Berlejung 1998a, 282 Anm. 1292. Bei Schützinger findet sich der Begriff der „Wesensgleichheit“, vgl. Schützinger 1984, 61 ff.

26 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014, 34. Dort weiter: „Dabei ist es absolut nebensächlich, ob das Bild in unserer Auffassung mimetische Züge trägt oder nicht.“

27 Wulf 2006, 56. 28 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014, 34.

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zu verdeutlichen, dass ein unpräziser und oftmals undefinierter Bild-begriff im Sinne einer Re-Präsentation und damit eines immer zei-chenhaften Etwas nicht holistisch Bilder und Bildpraktiken in allen Gesellschaften und Kulturkontexten zu erfassen mag.

Da also der Begriff der magischen Präsenz das Bild in seiner ext-remsten Form eigentlich vom Bild zu einer eigenständig Existenz, zu einer wirkmächtigen Entität führt, scheint eine Definition des hier angewandten Bildbegriffes, der diese beiden Pole weiterhin inte-griert, notwendig:

Demnach sei ein Bild eine vom Menschen geschaffene (also künstliche) Wie-dergabe einer Entität, wie sie in Wirklichkeit existiert und eine wie auch im-mer geartete Ähnlichkeit (irrelevanten Grades) mit der Wirklichkeit aufweist oder/und eine vom Menschen geschaffene Wiedergabe eines nicht real exis-tierenden, aufgrund bekannter Formen zusammengesetzten Phänomens, be-ruhend auf der menschlichen Fähigkeit zur Abstraktion. Der Definition ist kei-nerlei Bildbedeutung und – Wahrnehmung weder in Begriff noch Sache inhä-rent, da diese nicht universell zu verallgemeinern ist. Von der Definition völlig unabhängig sind auch das Trägermedium, welches grundsätzlich als Teil des Bildes zu betrachten ist, ebenso die Technik und Ausführung.29

Anzufügen wäre, dass der Begriff der Ähnlichkeit in Bezug auf Bilder (und in Bezug auf ihre Wahrnehmung, wie wir oben sehen konnten) nicht unproblematisch, aber kaum vermeidbar ist. So ist Ähnlichkeit Hans Jonas zufolge eine der Eigenschaften, die dafür Sorge tragen, dass „ein Ding zum Bild eines anderen Dinges wird“.30 Andere be-schreiben den Ähnlichkeitsbegriff im Sinne einer definitorischen Ei-genschaft des Bildes sogar als unzureichend. So formulierte O. Scholz: „Die Bildbeziehung kann nicht einfach mit der Ähnlich-keitsbeziehung gleichgesetzt werden, eine Ähnlichkeit kann [...] in keinem Falle hinreichend dafür sein, dass etwas ein Bild ist.“31 Die

29 Wagner-Durand 2009/2014, 33. 30 Jonas 1994, 107. So findet sich unter den von Jonas aufgeführten Bildcharakteristika

mehrfach der Ähnlichkeitsbegriff: z. B. „1. die Ähnlichkeit“, „2. die absichtliche Hervor-bringung der Ähnlichkeit (Artefakt)“, „3. die Unvollständigkeit der Ähnlichkeit“ Jonas 1994, 113.

31 Scholz 2004, 21. Weiter formulierte Scholz (2004, 28): „Damit etwas ein Bild ist, muss es ein Zeichen sein, und damit etwas ein Bild von einem Ding ist, muss es ein Zeichen (besonderen Typs) von diesem Ding sein. Kein Grad von Ähnlichkeit und kein Mischungs-verhältnis von Ähnlichkeit ist aber hinreichend dafür, dass ein Zeichen vorliegt.“

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Frage nach der Ähnlichkeit bleibt also problematisch, sie ist in die-sem Rahmen keinesfalls abschließend zu lösen. Sogleich erscheint dies aber als eine Problematik, die in der Wahrnehmungsfrage behaf-tet bleibt. Denn auch Ähnlichkeit liegt im Auge des Betrachters. So ließe sich fragen, ob nicht schon der Umstand einer Verweisbezie-hung als Ähnlichkeit zu bezeichnen wäre, auch wenn ihre keine we-sentlich physische Mimesis unterliegt.

Die benannten Begriffe, insbesondere der magischen Präsenz und der mimetischen Repräsentation, führen zu der schon hier angedeu-teten und dem vorliegenden Beitrag zugrunde liegende These, dass verschiedene Überlieferungsstränge bedeutsame Zeugen für die Re-konstruktion der Rezeption, und innerhalb derer insbesondere der Perzeption, von Bildern in den jeweiligen Gesellschaften sind. Diese Stränge setzen sich unter anderem (nicht jedoch ausschließlich) aus der Semantik der vermeintlichen Bildbegriffe, der Bildpraxis (schrift-lich und archäologisch tradiert) und dem Bildinhalt32 (vorwiegend ar-chäologisch überliefert) zusammen. Für altorientalische Gesellschaf-ten nur äußerst schwer rekonstruierbar sind die Diskurse, in denen Bilder verhandelt werden. Obgleich von großer Brisanz für das Thema der Bildrezeption, kann eine entsprechende Diskursanalyse hier keine Berücksichtigung finden.

Bevor wir uns der eigentlichen Rekonstruktion der Bildrezeption, und innerhalb dessen der Bildwahrnehmung, in altorientalischen Ge-sellschaften Mesopotamiens des ersten vorchristlichen Jahrtausends, zuwenden, soll – der inter- und transdisziplinären Ausrichtung dieser Zeitschrift geschuldet – eine knappe Einführung in das Neuassyri-sche und das ihm folgende Neubabylonische Reich sowie die mit ihnen assoziierten Bilderwelten gegeben werden. Wenn im Folgen-den von neubabylonischen und neuassyrischen Bildern gesprochen wird, so ist immer von Bildern die Rede, die, zumindest unserem

32 Der Bildinhalt, obgleich wichtig, kann hier nur beschränkt Berücksichtigung finden. Die Auswahl der Themen, ihre Beschränkungen, Ausführungen, die Wahl der Bildträger in Kombination mit den Bildthemen und Nutzungskontexten verweisen auf das Potential des Bildinhaltes in der Deutung des Bildverständnisses, vor allem auf erster Rezeptions-Ebene.

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Kenntnisstand nach, dem emischen Bildverständnis der Kernländer als assyrisch beziehungsweise babylonisch entsprechen. Diese Ab-grenzung ist bei Reichen, die zum Zeitpunkt größter Ausdehnung, nahezu den gesamten Nahen Osten, einschließlich Teile Ägyptens, dominierten, notwendig, um die Rezeption der Bilder auf den ver-schiedenen Ebenen unterscheiden zu können.

IV. Das neuassyrische und neubabylonische Reich und ihre Bilderwelten – Ein kurzer Abriss

Räumlich befinden wir uns im Zweistromland, weitgehend im Staats-gebiet des modernen Irak, in dessen Norden sich das Kernland As-syriens, und in dessen Süden sich das Kernland Babyloniens konsti-tuierten. Von diesen Kerngebieten dehnten sich die beiden politi-schen Staatengebilde in direkter Abfolge über weite Teile des Nahen Ostens bis hin zum afrikanischen Kontinent in das Hoheitsgebiet Ägyptens während der sogenannten Dritten Zwischenzeit und Spät-zeit aus.

Größere Expansionsversuche des ersten vorchristlichen Jahrtau-sends begannen unter dem Assyrerkönig Assur-Dan II. (934–912) und können konventionell als Anfang des neuassyrischen Reiches aufgefasst werden. Sein Ende findet das gewaltige Reich in den Jah-ren zwischen 614 und 610/609, abgelöst durch das Aufstreben der sogenannten chaldäischen Dynastie von Babylon.33 Geprägt waren diese 300 Jahre assyrischer Vorherrschaft durch Phasen der Expan-sion, interner Streitigkeiten, (Re-)Konsolidation und des schnellen Untergangs. Als eine „zentralisierte Variante“34 des Imperiums35 funktionierte das assyrische Reich wie ein massiv sich ausdehnender patrimonialer Oikos, ausgestattet mit einem alles legitimierenden

33 Siehe zu Geschichte und Kultur Assyriens u. a.: Mayer 1995, Cancik-Kirschbaum 2003, Pedde 2012, Fuchs 2011a, 2011b, 2011d.

34 Breuer 1998, 108: Die zentralisierte Variante zeichnet sich vor allem durch „frontales Vorgehen“ gegen die lokalen eroberten Eliten aus: Enteignung, Deportation, Zerstörung von bestehenden Strukturen, Reorganisation, Infrastruktur.

35 = „umfassende politische Kontrolle des jeweiligen ‚globalen Systems’ angestrebt, wie auch immer diese definiert sei“, Breuer 1998, 107, zu den Kriterien eines Imperiums (primär und sekundär) 106–131.

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Weltherrschaftsanspruch.36 In dieser hochgradig stratifizierten Ge-sellschaft wurde eine polytheistische Religion durch ein weites Spekt-rum an Kulthandlungen, sowohl auf offizieller als auch häuslich pri-vater Ebene, gepflegt. Ein reicher Fundus an Texten, rangierend von Wirtschaftsurkunden, privaten Briefen über herrschaftliche Korres-pondenz und Annalen hin zu vor allem religiös geprägten Gattungen, wie Mythen, Ritualtexten aber auch Epen, zeugt vom Geistesleben und Weltbild dieser Epoche. Zugleich berichten unzählige Bilder von Fertigkeiten und Vorstellungen der Assyrer: Sie rangieren von un-zähligen Siegeln, tönernen und bronzenen Kleinplastiken, Elfenbei-nen, bemalten Keramiken, über bronzene Türbänder, Wandmale-reien, Glasurmalerei und tausende Meter Flachreliefs in Form von Orthostaten bis hin zu Stelen, Rundplastiken und Felsreliefs. Die vi-suelle Kultur des Kerngebiets, nicht berücksichtigt die Funde in den Provinzen und Peripherien dieses Großreiches, grenzt durch schiere Masse und Diversität ans Unüberschaubare.

36 Das Königtum wurde i. d. R. in der Familie, an einen ausgewählten Sohn, weitergegeben: vgl. dazu das dynastisch-charismatische Herrschaftskonzept. Vgl. Selz 1998, 283. Damit wurde es, obgleich es der Gottesgabe des Königtums widerspricht, an ein Herrscherhaus gebunden und somit erblich. Vgl. zu dieser Problematik: Cancik-Kirschbaum 1995.

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Assurnaṣirpal II. 883-859

Salmanassar III. 858-824

Šamšī-Adad V. 823-811/10

Adad-nīrārī III. 810/809-783/782

Salmanassar IV. 782/1-773

Aššur-dān III. 772-746

Aššur-nīrārī V. 754-745

Tiglat-Pileser III. 744-727

Salmanassar V. 726-722

Sargon II. 721-705

Sanḫerib 704-681

Asarhaddon 680-669

Assurbanipal 668-631

Aššur-etel-ilāni 630-627

Sin-šar-iškun 627-612 626/25-605 Nabopolassar

Aššur-uballiṭ II. 611-610/9

604-562 Nebukadnezar II.

561-560 Amēl-Marduk

559-556 Neriglissar

555 2 Monate Lābāši-Marduk

555-539 Nabonid

Abb. 1: Herrscher Assyriens (ab Assurnaṣirpal II) und Babyloniens (ab Nabopolassar)37 im 1. Jt.

v. Chr.

Als Nabopolassar 626/62538 sich als König in Babylon inthronisierte, befand sich der Süden Mesopotamiens, ergo Babylonien, nominell noch im Herrschaftsgebiet der Assyrer und in einem beständigen Konflikt mit diesem. Mit seiner Thronbesteigung kippte das ge-spannte Verhältnis endgültig zu Gunsten Babylons und der Abstieg Aššurs begann. Um 609/610 v. Chr. beerbte das neubabylonische Reich39 das assyrische Imperium und trat selbst den Weg an, Welt-macht zu werden. Der rasche Aufstieg wurde jedoch vom schnellen

37 Daten nach: Parker – Dubberstein 1969, 10–14 und Marzahn 2008, 622. 38 Vgl. Sack 1994, 33: dort Referenz zu Parker – Dubberstein 1969. 39 Hier wird ein historischer Ansatz zur Nutzung des Begriffes neubabylonisch gewählt. Zu

verschiedenen Deutungsperspektiven des Terminus vgl. Da Riva 2008, 1 f. Anderenorts wird die neubabylonische Epoche mit dem Herrscher Nabonassar begonnen (um 747/7) und erst um 482 beendet (vgl. Beaulieu 1995, 969). Im Kern der hier getätigten Betrach-tungen stehen allerdings Funde und Quellen aus der Zeit von 626–539.

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Fall begleitet. Keine 100 Jahre dauerte die imperiale Herrschaft Ba-bylons, als Kyros der Große siegreich in die Stadt einzog.40 Auch das babylonische Reich formierte ein primäres Imperium in zentralisier-ter Variante.41 Der Herrscher fungierte als Mittler zwischen Men-schen und Göttern und war von beständiger göttlicher Legitimation abhängig.42 Auch ihm oblag der Schutz der Zivilisation. Hinsichtlich des uns überkommenen Schriftgutes gleicht dies dem Assyrischen. Visuelle Kultur hingegen formierte sich in Babylonien anders. Wäh-rend die Siegel und Kleinplastik, sowie in sehr viel geringerem Um-fang Elfenbeine, auch in Babylonien auftraten, sind uns nur wenige Stelen und Felsreliefs, bislang keine Statue, keinerlei Orthostatenre-liefs oder sicher belegte, figurale Wandmalereien bekannt. Glasierte Ziegel und unglasierte Reliefziegel erfreuen sich bis zu diesem Zeit-punkt ungesehener Beliebtheit, wobei lediglich theriomorphe Er-scheinungsformen der Götter und Pflanzenmotive hier Wiedergabe finden.

V. Rekonstruktion von Bildperzeption als Teil der Bildrezeption

Der Aspekt der Wahrnehmung innerhalb der Bildrezeption wird, so eingangs thematisiert, hauptsächlich via mehrerer ineinander überge-hender Bereiche rekonstruierbar: Zu diesen zählen die Semantik ver-meintlicher, altorientalischer Bildbegriffe, Bildpraxis (schriftlich und archäologisch tradiert) und Bildinhalt (vorwiegend archäologisch überliefert), wobei letzterem hier die wenigste Aufmerksamkeit ge-schenkt werden kann.

40 Zur Zeitgeschichte vgl. u. a. Baker 2012; Jursa 2004; Beaulieu 1989; Fuchs 2011c. 41 Vgl. Breuer 1998, 116–117. 42 Das tradierte Herrschaftskonzept kann als bürokratisch-sakral bezeichnet werden, vgl.

Selz 1998, 283. Ein erbliches Königtum war zwar ideologisch gar nicht vorgesehen, den-noch kam es auch hier derweil zu einer Vererbung der Königswürde innerhalb einer Fa-milie. Vgl. Novák 1999, 28: u. a. in Berufung auf Selz 1998, 281 ff.

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1. Bildbegriffe in Mesopotamien

Wichtig, und in jedem rezeptionsgeschichtlichen Kontext von Inte-resse, ist der in den fraglichen Gesellschaften angewandte Bildbe-griff. Dominik Bonatz wies darauf hin, als er im Hinblick auf altori-entalische Bilder schrieb: „War die Semantik des Wortes Bild viel-leicht immer schon so offen angelegt, dass alles, sobald es in sichtba-rer Konkurrenz zur Realität trat, zum Bild erklärt wurde?“43 Dem-nach sind Bildbegriffe und Bildbegriffsnutzung kulturimmanente Zeugnisse für das Verständnis und die Wahrnehmung von Bildern. Die Rezeption eines bestimmten Bildes hängt somit auch damit zu-sammen, welcher Bildbegriff dafür in der rezipierenden Gesellschaft beziehungsweise von der rezipierenden Person verwandt wird. Dabei wird nicht nur der Begriff an sich, sondern auch seine Verwendung gemeinsam zu einem zentralen Untersuchungsgegenstand.

Schwierig, bis nahezu unmöglich, da unauflöslich, wird in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen einer Semantik des Bildbegriffes in Assyrien und Babylonien. Letztlich weisen die hier nun folgenden Beispiele auf eine weitgehende Kongruenz der emi-schen Verwendung der Bildbegriffe Babyloniens und Assyriens in fraglicher Zeit hin. Philologische und linguistische Feinstudien wären sicherlich dienlich hier Nuancen heraus zuarbeiten, die Feinheiten und Abweichung in der jeweiligen Bildrezeption beleuchten könn-ten. Für die vorliegenden Betrachtungen ist dies jedoch nicht durch-führbar.

Den wichtigsten Terminus, sowohl hinsichtlich der überlieferten Kontexte als auch der Häufigkeit des Auftretens, stellt der Ausdruck ṣalmu/sum. ALAM/N44/NU45 dar. Obgleich dem CAD zufolge als „statue, relief, drawing, constellation, figurine (used for magic pur-poses), bodily shape, structure, likeness“46 aufzufassen, hat gerade

43 Bonatz 2002, 9. 44 ALAM und ALAN meinen dasselbe Wort: vgl. Thomsen 1987, 46. Zur lexikalischen Glei-

chung lānu: vgl. Curtis 1990, 31 f. 45 Zu NU: vgl. Berlejung 1998a, 62 f. 46 CAD XVI (1962) 78–85 s. v. ṣalmu 78.

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diese begriffliche Vagheit mehrfach für Unbehagen gesorgt.47 So plä-dierten u. a. Irene Winter und Daniele Morandi-Bonacossi dafür, den Begriff unabhängig von dessen Form oder Erscheinung zu verstehen und ihn mit „image“ (Winter) beziehungsweise „immagine, la sembi-anza“ (Morandi-Bonacossi) gleichzusetzen.48 Demzufolge ist der Bildträger dem Ausdruck ṣalmu nicht bedeutungsinhärent. Zudem kritisierte Zainab Bahrani, dass es an einem grundlegenden, lebens-weltlichem Verständnis des Begriffes mangele. Damit zielt sie impli-zit auf die hier zentrale Frage der Rezeptionsunterschiede ab. So schrieb sie:

[…], rather than being a copy of something in reality, the image itself was seen as a real thing. It was not considered to resemble an original reality that was present elsewhere but to contain that reality in itself. Therefore, instead of being a means of signifying an original real thing, it was seen as ontologically equivalent to it, existing in the same register of reality [...].49

Nicht nur Bahrani, auch andere Wissenschaftler/innen (Bonatz, Winter, Wagner-Durand)50 argumentieren für ein Verständnis des Bildes, insbesondere des ṣalmu, als eine wirkmächtige Entität. Zu Wulfs Terminologie zurückkehrend handelte es sich demnach auf erster Rezeptions-Ebene bei einem ṣalmu um eine magische Präsenz.

Es sind sowohl Kontexte, Handlungen, als auch begriffliche Gleichsetzungen, welche diese Wahrnehmungsauffassung stützen.51 So visualisiert eine stattliche Anzahl an Schriftbelegen aus Assyrien und Babylonien, dass vorgebliche Bilder oftmals mit dem ebenso vorgeblichen Denotatum als (nahezu) wesensein erlebt wurden. Dies wird besonders dann deutlich, wenn in Kontexten, in denen ein Bild-begriff erwartet wird, kein solcher Verwendung findet. Anschaulich

47 Vgl. Winter 1997, 364–366; Morandi 1988, 105 f. 48 Morandi 1988, 105; Winter 1997, 365. 49 Bahrani 2003, 125–127. 50 Bonatz 2002, 13: „Es besaß eine Lebensqualität, ein Wesen zu kommunizieren, weshalb

es beseelt, gepflegt und beschützt, umgekehrt aber auch misshandelt, und getötet wurde. [...] dementsprechend steht ihm kein Betrachter sondern ein Benutzer gegenüber.“; Win-ter 1997, 367: “[...] the sense that the image is sufficiently charged with power – since, by the performative act of representation it demonstrates the authority of the king to render good judgment on behalf of the god…” Vgl. auch Wagner-Durand 2009/2014, 54–65.

51 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014, 54–199.

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Wagner-Durand, Mehr als (Ab-)Bilder! 363

zeigt sich dieses Phänomen beispielweise in den Zeilen 96–98 der Kultbildeinweihung (mīs pî), wo es heißt: “96 you seat that god on a reed-mat on a linen cloth. 97 you set his eyes towards sunrise; and alongside that statue (ALAM)52 98 in the midst of the reed-huts and reed-standards you lay down the equipment for the food, all of it.”53 Die Gleichsetzung zwischen Gottheit und Kultbild ist dem Text im-manent.

Noch weiter weg vom (Ab-)Bild-Begriff führt uns die Möglich-keit, dass der Begriff ṣalmu eine Präsenz (von etwas) meinte, und zwar eine Präsenz, der Bildsein (nach der hier gegebenen Definition) kei-nesfalls zwingend inhärent sein musste. Greifbar wird dies am Bei-spiel der Stelen der sogenannte Stelenreihen von Assur, welche In-schriften des Typus „ṣalmu von PN“54 aufweisen, jedoch mit wenigen Ausnahmen55 keinerlei Bild tragen. Demnach kennzeichnet der Be-griff in erster Linie eine Präsenz – in Falle der Stelenreihen eine Prä-senz der genannten Person – und zwar eine Präsenz, die nicht zwin-gend eines Bildes bedurfte.56 Somit war dem Begriff des ṣalmu/ALAM nicht eine bestimmte Form, sondern eine bestimmte Qualität, nämlich die der magischen Präsenz, inhärent. Dies wiederum erklärt unser heutiges Unvermögen einer prägnanten und treffenden Übersetzung des Begriffes mangels übereinstimmenden Bildver-ständnisses.

Noch viele weitere Begriffe (u. a. ilu und ištaru, lamassatu, lamassu), die in den Texten neuassyrischer und neubabylonische Provenienz auftreten, ließen sich hier anführen und analysieren, um zum einen

52 Einfügung durch die Verfasserin. 53 96 DINGIR BI ina UGU GI.KID.MAḪ ina tap-se-e GAD TUŠ-šu2 97 IGImeš-šu2 ana dUTU E3

GAR-ma i-ta-at ALAM BI 98 ina ŠA3 ŠUTUGmeš GI.URI3.GALmeš u2-nu-ut DINGIR ma-la i-ba-aš2-šu-u2. Umschrift und Übersetzung: Walker – Dick 2001, 44. 59.

54 Miglus 1984, 133. 55 Die betrifft v. a. VA 8847. 56 Entsprechend schreibt Miglus (1984, 138): „The stelae were to represent the person,

whose names were written down on them.“ – Dalley (1986, 88) formulierte: „This shows that the noun may also stand for an object that represents a person without bearing a picture of him.“ – Zudem: „Demnach bezeichnet das ṣalmu/ALAM nicht zwingend, wenn-gleich oft, das Bild einer Person oder Sache, sondern dessen/deren (magische) Präsenz; dabei ist eine mögliche qualitative Differenzierung zwischen Denotatum und vermeintli-chem Bild kaum zu konkretisieren.“ Vgl. auch Wagner-Durand 2009/2014, 61 f.

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die grundlegende Divergenz von rezenter westeuropäischer Bild-wahrnehmung aufzuzeigen, als auch die verschiedenste Nuancen ei-ner Bildrezeption insbesondere auf erster Ebene aufzuführen – ein vielversprechender, aber hier den Rahmen sprengender Ansatz.57

Neben zahlreichen textlich tradierten Handlungszusammenhän-gen an und mit Bildern erscheinen in diesem Kontext besonders im-plizite oder explizite Imperative an die vermeintlichen Bilder interes-sant. Dies betrifft insbesondere sogenannte Türleibungsfiguren und ihnen verwandte Wächterwesen sowie die sog. Magische Kleinplas-tik. Im Zusammenhang mit ersteren finden sich mehrfach implizite Handlungsanweisungen.58 So liest sich in einer Inschrift des assyr-ischen Herrschers Asarhaddon: 17–25 “[I had stone šēdus and] lamassus, [whose appearance] repels [evil, placed to the right and the left of their gate(s) as protectors of the walk (and guardians of the path of the king] who [made them. I had] the palace skillfully [built of interlocking lime[stone] [and cedar], for [my lordly] pleasure. I set [up] inside it tw[in] copper lammasu-statues, with each pair looking (both) forward and back[ward].”59 Schützende und somit apotropä-isch-aktive Aufgaben übernahmen diese Wächter im Großen und ein Großteil der Magischen Kleinplastik im Kleinen. Im Zusammenhang mit Magischer Kleinplastik lassen sich Imperative wie „Überlege

57 Zu einer Begriffsanalyse im Hinblick insbesondere auf die Rolle und Theologie des Kultbildes: vgl. Berlejung 1998a. Siehe dazu auch: Wagner-Durand 2009/2014.

58 Bahrani analysierte in diesem Zusammenhang, dass beschwörungsartige Formulierungen die Kolosse am Verlassen des Palastes hindern sollten: „written to keep the bull colossis from walking off“: Bahrani 2003, 166; Stefan Maul wies auf die Darstellung königlicher Macht hin, die der Unterwerfung der seiner Meinung nach im Charakter tendenziell eher bösartigen und gefährlichen Wesen inhärent sei: siehe u. a. Maul 2000.

59 Col. V 17 (41) [ALADmeš u] ⌈dLAMA⌉meš 18 ša2 NA4meš (42) [ša2 ki-i pi-i šik-ni-šu2-nu (43) ir-

ti lem-ni u2]-tar-ru 19 (44) [na-ṣir kib-si mu-šal-li-mu 45 tal-lak-ti LUGAL] 20 ba-[ni-šu2-nu (46) ZAG u GUB3 u2-ša2-aṣ-bi-ta (47) SI.GAR-ši-in ] [gek. ...] munus.dLAMAmeš URUDU maš-ša2-[a-ti] 24 (53) ša2 a-ḫe-en-na pa-na u ar-[ka] 25 (54f) i-na-aṭ-ṭa-la ki-la-ta-an qe2-reb-ša2 ⌈ul⌉-[ziz]. Umschrift (hier gekürzt) und Übersetzung: Leichty 2011, 40; vgl. Borger 1956, 62-63: §27 Ep.27 B. Z. 41–54. Des Weiteren: “because of their appearance turn back an evil person, guard the steps and secured the path of the king who fashioned them[…]; receive offerings[...]” (Foxvog u. a. 1980–83, 448).

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nicht, beiße!“60 lesen, die deutlich das Wesen der Plastiken als leben-dig und aktiv bezeugen.

Während demnach so mancher Bildbegriff und so mancher Kon-text uns die Sicht auf die erste Rezeptions-Ebene öffnen, bleiben an-

dere Termini teils enigmatisch. Dazu zählt unter anderem uṣurtu,61

dem AHw zufolge die „Zeichnung, Vorzeichnung, Planung“.62 Klingt der Begriff bei einer ersten Betrachtung eher technisch an, verweist eine genauere Betrachtung auf einen Aspekt göttlicher Fü-gung. Farber-Flügge übersetzt im Zusammenhang mit der sumeri-

schen Entsprechung GIŠ.HUR selbiges als „Konzeption“, als „wie et-was sein soll“ oder “was etwas sein soll“.63 Im CAD liest sich diesbe-

züglich „2. divine design, plan concept, ordinance“.64 Uṣurtu er-

scheint also lediglich oberflächlich betrachtet als ein bildhaftes Hilfs-produkt. Es handelt sich vielmehr um ein Konzept, ein Abstraktum, das sich bildlich niederschlagen konnte, aber nicht zwingend musste. Zudem beschreibt Text BBst. 3665, die sogenannte Sonnengotttafel, die langwierige und Jahrhunderte dauernde Geschichte des Kultbild-verlustes (des Sonnengottes Šamaš), dessen Abwesenheit, den Ver-suchen seiner Wiederherstellung sowie göttlichem Ratschluss und letztendlicher Erlösung durch die Wiedereinsetzung des Kultbildes.

Diesem Texte zufolge wird das uṣurtu, zumindest in Bezug auf Kult-

bilder, von den Göttern gegeben. So konnte das uṣurtu eines ṣalmu, in

diesem konkreten Fall eines Kultbildes, nicht ex nihilo bei Verlust neuerlich erstellt werden, sondern nur auf göttlichen Beschluss und Auftrag zurück in die Welt der Menschen gebracht werden. Somit ist

auch das von den Göttern gegebene uṣurtu als heilig beziehungsweise

60 MU 2-e e tam-ta-lik u2-šuk2 [gek. ...] / 2 Hunde, mit Gips bekleidet ‚Überlege nicht, mache dein Maul auf!‘ Der Name des zweiten: ‚Überlege nicht, beiße!‘ Nach Rittig 1977, 159.

61 Vgl. Berlejung 1998a, 68–69; Schreibung auch (GIŠ.)ḪUR: CAD XX (2010) 290–295 s. v. uṣurtu 290

62 AHw III (1981) 1440 s. v. uṣurtu(m). 63 Farber-Flügge 1973, 198. 64 CAD XX (2010) 290–295 s. v. uṣurtu 290: fort ebenfalls „1. Drawing, plan engraving, pic-

ture, relief“. 65 Im British Museum: BM 91000, Lehmbox 91004, Abdrücke 91001–2, 91003 = Abdruck

der Rückseite von 91002, vgl. Woods 2004 und King 1912, BBSt. 36.

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numinos zu verstehen. Auf Grund seines ambivalenten Charakters, sowohl als stoffliche aber auch als ideelle Ordnung und Vorbild,

bleibt die Einordnung des uṣurtu als magische Präsenz oder mimetische

Repräsentation offen.66

Zuletzt seien aus dem reichen Schatz an Bildbegriffen oder bild-affinen Begriffen Mesopotamiens noch vermeintliche Ähnlichkeits-begriffe herausgegriffen: tamšīlu, muššultu und muššulu, von denen exemplarisch der erste, tamšīlu,67 als einer der meist diskutierten und zitierten Begriffen, abgeleitet von mašālu („to make similar, to be equal, to be half“),68 herauszugreifen ist. Bonatz schrieb in einem Vergleich der Begriffe ṣalmu und tamšīlu: „Im Gegensatz zu einem Abbild (tamšīlu) war die Wirklichkeit einer Repräsentation (ṣalmu) ab-hängig von ihrer Beziehung zum Urbild, insofern sie Eigenschaften des Urbildes verkörperte.“69 So versteht er tamšīlu als Abbildbegriff, der die Ähnlichkeiten in den Vordergrund stellt.70 Bestünde diese Opposition zwischen den beiden Begriffe tatsächlich, wäre allerdings eine Anwendung beider auf ein und dasselbe Bild ausgeschlossen.71 Tamšīlu zielt damit auf eine Qualität,72 nämlich die der Ähnlichkeit

66 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014, 69–71. 67 AHw III (1981) 1316–1317 s. v. tamšīlu: Abbild: 1. Bild von Lebewesen 3. Abbild. 4. Ent-

sprechung. 68 CAD X/1 (1977) 355–358 s. v. mašālu. 69 Bonatz 2002, 15. Man beachte zudem, dass Berlejung feststellt, dass tamšīlu im 1. Jt. nie

auf das Kultbild hin Verwendung findet: vgl. Berlejung 1998a, 72. 70 Vgl. Bonatz 2002a, 15. 71 Kombination der Begriffe ṣalmu und tamšīlu: ṣalam šarrutīa tamšil bunnannīa; vgl. Bonatz

2002, 16; Curtis 1990, 36; vgl. Winter 1997, 369. 72 Berlejung hebt in diesem Zusammenhang zwei weitere Aspekte des Begriffes hervor: 1.

das Potential zur magischen Befähigung und 2. kein Bezug des Begriffes zu Kultbildern. Vgl. Berlejung 1998a, 71. Die Begründung zu 2. sieht sie in der wesenhaften Verbunden-heit von Gottheit und Bild: vgl. Berlejung 1998a, 72. Zudem Berlejung 1998b, 81; wobei sie dort von einer „grundsätzlichen Identität von Gott und Bild“ schreibt. Vgl. zu 2. auch Curtis 1990, 166, 38: Curtis weist ebenfalls darauf hin, dass tamšīlu selten für Kultstatuen gebraucht wurde.

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beziehungsweise der Entsprechung73 ab,74 nicht aber schließt der Be-griff zwingend andere Fähigkeiten, wie die der magischen Präsenz, aus.

Vielerlei Termini bieten Potential zur Analyse des altorientali-schen Bildbegriffes im weiteren und im engeren Sinne; viele von die-sen Begriffen zeugen von Wesensgleichheit bis hin zur Identität zwi-schen Bild und vermeintlichen Denotatum. Sehr viel seltener hinge-gen können Ausdrücke für eine Deutung als mimetische Repräsentation, demnach auch für einen reinen zeichenhaften Verweis, gelten oder überhaupt diskutiert werden.75 So kann Ähnlichkeit, wie auch immer geartet, nicht als Ausschlusskriterium für das vor allem emische Ver-ständnis eines Bildes als magische Präsenz gelten.

Bildbegriffsanalyse gewinnt insbesondere vor dem Hintergrund der Rezeption an Bedeutung, da eben jene untersuchten Begriffe eine emische Perspektive, und damit die erste hier benannte Rezeptions-ebene beleuchten. Darüber hinaus können diese Begriffe immer dann, wenn sie auf nicht in der eigenen Kultur entstandene Bilder angewandt werden, die weiteren Rezeptions-Ebenen beleuchten.

Die Erforschung der Erfahrbarkeit und Wahrnehmung von Bil-dern zentrierte sich in der hier vorliegenden Betrachtung vor allem auf den in den altorientalischen Texten verwandten Bildbegriff. Des-sen Bedeutung wurde vorwiegend über seine textliche Kontextuali-sierung erschlossen. Diese zielt jedoch zumeist auf Handlungszu-sammenhänge ab und führt so zu einem weiteren, wenn nicht einem der wichtigsten Zugänge zu Bildwahrnehmung: nämlich zur Bildpra-xis unter gleichzeitiger Berücksichtigung des Bildinhaltes.

73 AHw III (1981) 1316–1317 s. v. tamšīlu: 4. Entsprechung. Bsp: tam-šil šiṭ-ri-šu2 eṣ-ṣi-ra eṣ-rat-su: nach dessen [gemeint ist das Esaǧila] be/geschriebener Erscheinung/dementspre-chend fertigte ich den Plan. Umschrift nach Übersetzung bei Borger: „... nach seinem Bauplan (?) zeichnete ich seinen Umriss“ Borger 1956, § 11 Episode 26, Zeile 16. Vgl. Rs. 16 Leichty 2011, 246: Nr. 116 (K192 (+) K. 4513, heute BM (Übersetzung dort: “I drew its ground plan exactly as it had been written.”)

74 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014. 75 Für eine umfassender Diskussion: vgl. Wagner-Durand 2009/2014.

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2. Bildpraxis und Bildinhalte

Die Rekonstruktion von Bildperzeption fundiert insbesondere auf der eingangs genannten Aussage Beltings: „Bilder bewähren sich erst wirklich in den symbolischen Handlungen, die man an ihnen voll-zog.“76 Wie ein Bild behandelt wird, wie mit ihm interagiert wird, in welche Handlungszusammenhänge es eingebettet wird, zählen zu den sichersten Indikatoren (neben expliziten Beschreibungen und Erklärungen) für die Wahrnehmung des Bildes. Werden Bilder als wirkmächtige Entitäten verstanden, so steht ihnen ein ganz anderer Handlungsspielraum zu, als wenn es sich um Verweise handelt. Sie werden gleichsam implizit zu Akteuren. Handlungen mit und an Bil-dern lassen sich, wenn vorhanden, via Schriftquellen und – im kon-kreten Falle archäologischer Analytik – via Befund rekonstruieren. Beide berichten, mehr oder minder konkret, von den Relationen77 der Menschen zu Bildern, eben von den Beziehungsdimensionen, welche auf ihrer lebensweltlichen Wahrnehmung fundieren. Wurden Bilder verehrt, angekleidet, gefüttert, ja gar geboren oder wurden sie betrachtet und bewundert, diskutiert und analysiert? Wurden sie ge-schlagen und verstümmelt, vernichtet oder vergessen?78 Eben diese Bildpraxis wird sowohl über die Texte als auch den archäologischen Befund erfahrbar. Den Texten, und damit eher implizit auch den dort vermittelten Bildpraktiken, wurde schon im vorangegangenen Teil Beachtung geschenkt, daher soll im Folgenden der Fokus auf dem archäologischen Befund liegen. Textüberlieferung bleibt jedoch eine bedeutsame Quelle, die ebenfalls in die Betrachtung eingehen wird.

76 Belting 2002, 12. 77 Begriff angelehnt an die Nutzung bei Holenstein – Schmidt 2002, 515. 78 Im archäologischen Sinne hat Rezeption (im weitesten Sinne) ebenfalls über die Middle

Range Theory Eingang gefunden (formuliert durch Lewis Binford, analog zur zeitgleichen bzw. etwas vorausgehenden Ausarbeitung einer soziologischen Theorie der Mittleren Reichweite). Diese besagt, dass die Fundsituation – und damit der Rezeptionskontext des Artefaktes – für Archäologen/innen im hohen Masse von verschiedeneren Faktoren ab-hängig ist. Diese Faktoren (siehe dazu Schiffer 1996 oder kurz Renfrew – Bahn 1996, 48–66) sind zu berücksichtigen, wenn es den aus emischer Perspektive eigentlichen Informationsgehalt des Objektes zu rekonstruieren gilt. Rückblickend auf die hier be-nannten Rezeptions-Ebenen wären in einer optimalen und lückenlosen Befund- bzw. Objektanalyse all diese Formationsprozesse zu berücksichtigen.

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Wagner-Durand, Mehr als (Ab-)Bilder! 369

Den verschiedenen Bildpraktiken, in kombinierter Betrachtung mit dem Bildinhalt, der für eine Rezeption nicht unwesentlich ist, wenden wir uns nun anhand einer ausgewählten Beispielgattung, der Königsstele, zu. Hinsichtlich der nun anstehenden Rekonstruktion der Bildpraxis und der daraus resultierenden Erkenntnisse zur Re-zeption werden in diesem Rahmen fünf Handlungsstränge verfolgt:

1. Handlungen am Bild X der fraglichen Gattung in der bildschaffenden Gesellschaft Assyrien (rekonstruiert über Texte und Befund) = Rezeptions-Ebene 179

2. Handlungen am Bild X der fraglichen Gattung in dem nachfolgenden poli-tischen Staatengebilde Babylonien (rekonstruiert über Texte und Befund, wenn bekannt) = Rezeptions-Ebene 3

3. Handlungen am Bild Y der fraglichen Gattung in der bildschaffenden Ge-sellschaft Babylonien (rekonstruiert über Texte und Befund) = Rezeptions-Ebene 1

4. Handlungen am Bild Y der fraglichen Gattung in der Nachfolgezeit (rekon-struiert über Texte und Befund, wenn bekannt) = Rezeptions-Ebene 3

5. Handlungen an den Bildern X und Y der fraglichen Gattung in der Gegen-wart (Ausblick) = Rezeptions-Ebene 4

Das Beispiel der Königsstele

1. Handlungen am Bild X der fraglichen Gattung in der bildschaffen-den Gesellschaft Assyrien (rekonstruiert über Texte und Befund)

In großer Vielzahl lassen sich Handlungen an assyrischen Königsste-len aus dem archäologischen Befund rekonstruieren. Der Befund selbst lässt oftmals Aussagen hinsichtlich der einstmaligen Kontex-tualisierung der Funde zu. Über diese Kontexte wiederum können wir Handlungen an beziehungsweise mit den Artefakten rekonstru-ieren und somit auf die damit verbundene Rezeption schließen. Als

79 Kaum zu berücksichtigen sein wird in diesem Kontext die zweite Rezeptions-Ebene; dies liegt sowohl in der Überlieferungssituation als auch in den ausgewählten Gattungen und in der natürlichen Begrenztheit einer solchen Untersuchung begründet. So lässt sich z. B. zur Rezeption nicht indigen assyrischer Bilder in Assyrien sehr viel mehr aussagen als zur Rezeption assyrischer Bilder in Babylonien.

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archäologisches Beispiel dient hier der sogenannte Nimrūd Mono-lith, heute im British Museum befindlich.80 Dieses Objekt des Königs Assurnaṣirpal II. zeugt von der Errichtung einer Königstele am Ein-gang eines Tempels im Kerngebiet Assyriens, nämlich rechts vor dem Eingang des Ninurta-Tempels in der neu ausgelegten Residenz-

stadt Kalḫu. Vor das mit einer ausführlichen Inschrift81 versehene

Kalksteinmonument von ca. 2,95 m Höhe war wohl ein steinernes dreifüßiges Piedestal platziert worden. Das Bild zeigt den König mit

sogenanntem ubāna tarāṣu-Gestus,82 demnach in Kommunikation mit

den Göttern und in Erwartung einer Reaktion dieser.83 Dem archäo-logischen Befund zufolge, dem Bildinhalt entsprechend sowie in Be-rücksichtigung der Inschrift, die das Bild als ALAM, akkadisch als ṣalmu84 ausweist, lässt sich schließen, dass die Stele zum einen für eine mögliche Verehrung und unter Umständen auch für eine Beopfe-rung85 in diesem Tempelbereich errichtet wurde und zum anderen der Präsentwerdung des Königtums und der dauerhaften Materiali-sierung königlicher Kommunikation mit den Göttern86 diente.

80 BM 118805, mit Schemel 118806. Vgl. Börker-Klähn 1982, 182 Nr. 136; Magen 1986, 139 Taf. 7, 6: Anp II 1; Luckenbill 1926, 211–223, § 594–611; Gadd 1936, 129.

81 Grayson 1991, 237–254: A.0.101.17. 82 Zum ubāna tarāṣu-Gestus: vgl. Magen 1986, 45–55. Dieser Gestus zeigt den König vor

den Göttern und versteht sich, so Magen, als „Sprechgestus in einer positiven Kommu-nikation zwischen Mensch und Gott!“.

83 Vgl. Magen 1986, 53. 84 Erwähnung (Z. 56, 73, 82, 85, 87, 96 (oft ALAM-ia)) erst in der Segens- und Fluchformel

in Zeilen 45–103: Bsp.: 96b–103: „As for the one who becomes angry with this monu-ment of mine [ALAM-ia] and says, ‚What is this?‘: may the gods Anu, Enlil, and Ea, the gods who approve of me, (v 100) decree by their weighty edict his unhappiness; may they establish a truceless war without terms, strife, conflict, (and) battle in his land.“, Grayson 1991, 254 (Einschub in eckigen Klammern durch die Verf.), Umschrift: ebd.

85 Eine Beopferung des Königsbildes bleibt insofern fraglich, als dass zum einen der archä-ologische Befund hier nur vage ausgedeutet werden kann, und zum anderen die Vergött-lichung der assyrischen Herrscher mehr als fraglich ist. Unter der Prämisse, dass Königs-bilder das Königtum, und damit sowohl eine heilige Institution als auch den Gott Aššur als eigentlichen Reichsherrscher zeigen, ließe sich eine solche Verehrung zumindest theologisch erklären.

86 Eine solche Interpretation findet sich auch durch Textbelege bestätigt: siehe dazu weiter unten.

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Abb. 2: Stele BM 118805, mit Schemel 118806. Vgl. Börker-Klähn 1982, 182 Nr. 136 (nach

einer Zeichnung in: Layard 1853, Seite gegenüber von Seite 351).

Das Bild wurde also zur dauerhaften Kommunikation des Königs mit den Göttern, zur Präsenz des Königtums sowie zur Visualisie-rung des göttlichen Protektorats über den Herrscher.87 Wenig zufäl-lig tangiert die Aufstellung des Bildes an einem sakralen Ort Bereiche religiös dominierter Macht und etabliert somit auch dort das Primat des Königtums. Allen uns überkommenen Informationen (Bildin-halt, Semantik des verwendeten Bildbegriffes, Inschrifteninhalt, ar-chäologischer Befund) zufolge, lässt sich hier eine Bildperzeption als magische Präsenz postulieren. Das Bild wurde nicht nur als ein Ver-weis, ein Representamen, verstanden, es wurde in emischer Perspek-tive als Königtum, als königliche Macht, im Sinne eines Kommuni-kanten auch als Agens aufgefasst.88

Handlung und Rezeption lassen sich zudem über textliche Belege rekonstruieren und konstatieren: So finden wir Belegstellen, die über

87 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014, 109 f. 88 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014, 110.

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die Errichtung eines Königsbildes berichten: In den Zeilen 28 und 29 auf der Rückseite von AsBbE schildert der Herrscher Assarhad-don die Errichtung eines Bildes seiner selbst und seines Sohnes und Kronprinzen Assurbanipal.89 Dort schreibt er zugleich, dass das Bild bei den Göttern (für sein Leben) betet und bittet.90 Dadurch wird das Königsbild, korrekter das ṣalmu des Königs, als aktiv handelnde Prä-senz des Herrschers fassbar.91 Eine Rezeption des Bildes als reines Abbild ist demnach nicht gegeben. Befund und Texte entsprechen sich und verweisen auf eine emisch-lebensweltliche Perzeption der Königsstelen beziehungsweise deren ṣalme als magische Präsenzen aktiver Handlungskraft.

2. Handlungen am Bild X der fraglichen Gattung in dem nachfolgenden politischen Staatengebilde Babylonien

(rekonstruiert über Texte und Archäologie)

Über Handlungen seitens der Babylonier nach dem Fall Assyriens an dem oben genannten Nimrūd-Monolithen lässt sich freilich nur spe-kulieren. Die Stele könnte, zumindest dem Anschein nach, einer ge-waltsamen Zerstörung anheim gefallen sein. Nase sowie Finger der gestikulierenden Hand, und somit bedeutungstragende Elemente, weisen Brüche auf. Die Augen scheinen unversehrt. Alleinig auf die-ser Datenbasis verbleibt jedoch derzeit nicht abschließend zu klären, ob die fraglichen Schäden durch gezieltes und intentionales Handeln

an der Stele selbst entstanden. Die Stadt Kalḫu (heute Nimrūd), seit

Assurnaṣirpal II. bis zur Gründung Dur-Šarrukīns durch Sargon II.

Residenzstadt der Assyrer, verblieb bis zum Ende des Reiches unter Nutzung. Diese Nutzung lässt sich jedoch nicht für den Ninurta-Tempel sicher beweisen. Zerstörungsspuren in der Stadt, die in die

89 Vgl. Leichty 2011, 136 Nr. 60. 90 Rs. 28 (3) [gek. ...] ṣa-lam LUGAL-ti-ia mu-sa-pu-u DINGIR -ti-šu2-un mu-te-riš baTI-ia2 29 (4)

u3 ṣa-lam maš-šur-DU-A DUMU ri-du-ti-ia ab-ta-ni ṣe-ru-uš-šu2 [gek. …] / [gek. …] I fashioned on it (the dais) my royal image (shown) praying to their divinity (and) imploring (them) constantly to give me life, and an image of Ashurbanipal, my crown prince: Leichty 2011, 136. Angabe „shown“ in Klammern ist m. E. unnötig bzw. verfälschend, es ist gemeint konkret gemeint, dass das ṣalmu betet (nicht die bloße Darstellung eines Betenden).

91 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014, 86.

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Jahre zwischen 614-612 datieren,92 verweisen auf die grundlegende Möglichkeit, dass auch die Zerstörung der vier Tonnen schweren Stele in diese Zeit fallen könnte. Wer jedoch genau – Babylonier, Meder, oder gar indigene Bevölkerung – dafür zur Verantwortung zu ziehen wäre, bleibt offen. Gesetzt den Fall, die Zerstörungen waren absichtlicher Natur, so verweisen auch diese Handlungen auf eine Machtzuweisung an das Bild. Die Macht des Bildersturms liegt in der mehr oder minder bewussten Zuschreibung von Wirkmächten an das Bild, das mit eben jener Zerstörung seine Entmachtung erfährt.93

Was die Schriftquellen angeht, bleiben sowohl die babylonischen als auch die neuassyrischen Texte hinsichtlich einer Zerstörung assy-rischer Bildwerke stumm. Dies vermag nicht zu verwundern: Die de-struktive Behandlung assyrischer Bilder, wie sie aus politischen und religiösen Ursachen im neubabylonischen Kontext zu erwarten wäre, kann aus ideologischen und theologischen Gründen keinen Eingang in die Schriftquellen Assyriens gefunden haben. Und während die Assyrer eine politische und ideologische Agenda aus der abwerten-den Behandlung fremder Kultbilder94 (weniger denn von Königsbil-dern) formten, blieben auch da die Babylonier verhalten. Die Gründe für deren Zurückhaltung hinsichtlich einer schriftlichen Fixierung solcher Handlungen mögen in beinahe traumatischen Ereignissen ih-rer eigenen Geschichte verborgen liegen, in welcher die Entführung der Marduk-Statue95 oder anderer Kultbilder96 mehrfach für Unruhe und Instabilität sorgte.

92 RlA 5 (1976–1980) 303–323 s. v. Kalḫu (Postgate/Reade), 323. 93 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014, 90, 145-146, bes. 468. 94 Sog. Godnappings: vgl. Holloway 2002, 125–144 Tab. 3 Nr. 8–55. 95 Siehe zum Beispiel dazu das Marduk Ordal, in welcher der Gott (gemeint ist das Kultbild)

als Gefangener bezeichnet und behandelt wird: 1. VAT 9538 + 9555 (= KAR 143 /ND 812a) oder 2. K. 6330 + K. 6359 + 7979 + 9138 + 20151 + Rm 27 5+ Sm 1564 + Sm1903 u.a = BM 134503–4 (= MEW 242); vgl. Livingstone 1989, Nr. 34–35. Zur problematischen Textinterpretation: vgl. u. a. Frymer-Kensky 1983 und Soden 1957.

96 Siehe auch die Abwesenheit des Kultbildes des Sonnengottes in Sippar, thematisiert im sog. Sungod-tablet. Vgl. Woods 2004, BBSt. 36, BM 91000, Lehmbox 91004, Abdrücke 91001–2, 91003= Abdruck der Rückseite von 91002).

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3. Handlungen am Bild Y der fraglichen Gattung in der bildschaffenden Gesellschaft Babylonien

(rekonstruiert über Texte und Archäologie) = Rezeptionsebene 1

Dem assyrischen Vorgängerreich nicht unähnlich werden auch im Babylonien des ersten vorchristlichen Jahrtausends Königsstelen an-gefertigt. Ein Beispiel, dessen Fundkontext uns erhalten geblieben ist, findet sich heute im Irak Museum.97 Diese Stele, in deren Bildfeld der stehende Herrscher Nabonid mit Stab in der rechten Hand und mit im Gebetsgestus erhobener linker Hand zu sehen ist, entstammt dem Eanna-Tempel Uruks, wo sie dem Grabungsbericht nach unter den Mauerzügen aus der Zeit Nabonids (oder früher)98 vergraben wurde.99

Abb. 3 Stele des Nabonid aus Uruk (nach Börker-Klähn 1982, Nr. 258).

Gesetzt den Fall diese Deponierung datiert in die Zeit Nabonids, so lässt der Befund mehrere Interpretationen zu.100 So könnte die Stele

97 IM = W. 1822; vgl. Börker-Klähn 1982, 228 Nr. 258 (dort: ehem. Datierung des Bildwerkes durch Lenzen in die Zeit des Marduk-apla-iddina II); Schaudig 2001, 535: 3.6.

98 Vgl. Schaudig 2001, 535. 99 Qb XIV 5, aus dem Hof zwischen Archiv und NO-Zingel (Befestigungsanlage) des Eanna-

Tempels, unter Mauerzügen Nabonids (oder älter). Vgl. Börker-Klähn 1982, 228. 100 Vgl. Wagner-Durand 2009/2014, 180.

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in Anlehnung an ein Bauritual101 im Rahmen einer entsprechenden kultischen Handlung in die Erde gelangt sein. Jedoch ist die Inschrift entfernt worden und der Herrscher nicht den programmatischen Ziegelkorb tragend,102 d. h. nicht in seiner Funktion als Bauherr, dar-gestellt. Zudem verfügt die Stele über einen Zapfen, welcher deutlich auf eine Aufstellungsabsicht bei der Herstellung hinweist. Inschrift und Reliefbild wurden „stark abgearbeitet“.103 Demnach entspricht die Auffindungssituation des Monuments nicht der wohl primär in-tendierten Verwendung. Dies alles lässt auf folgende, zweite Inter-pretationsmöglichkeit des Befundes schließen: die Tötung und das Begräbnis des Königsbildes, und damit auch des Königs in seiner Absenz (im sogenannten Exil in Tayma), womöglich durch die ihm feindlich gesinnte Marduk-Priesterschaft. Vor dem Hintergrund, dass Bildern in Babylonien mit großem Respekt begegnet wurde, muss gerade diese Handlung als radikal verstanden werden. Beide Möglichkeiten machen eine Wahrnehmung der fraglichen Stele be-ziehungsweise ihres Bildes als magische Präsenz wahrscheinlich, da sie die Wirkmacht, die dem Bild zugesprochen wurde, deutlich greif-bar erscheinen lassen. Bestätigt wird dies für die erste Interpretati-onsmöglichkeit durch die hier schon genannte, textlich tradierte Handlung eines Baurituals, welches die Zuschreibung einer Wirk-macht an das Königsbild in einem rituell-baulichen Kontext bezeugt. Eine abwertende Behandlung, wie in der Interpretation greifbar, ist erwartungsgemäß textlich nicht tradiert.

Rezeptionsgeschichtlich von Interesse ist im Kontext Babyloni-ens auch die Behandlung älterer, sogar jahrtausendealter Bilder, wie sie in einem unklar datierenden Text104 deutlich wird. Dort wird in

101 BM 91090 Kol. II 56–60; Vgl. Langdon 1912, 61–64: bes. 62–63: Nabupolassar Nr. 1; Berger 1973, 142–143: Napopolassar Zylinder III 1.

102 BM 91090: Kol II 56–60 ein ṣalmu meines Königtums, einen (Ziegel/Erd)-Korb tragend, stellte ich her und legte es ins Gründungsfundament.“ Übersetzung durch die Verfasserin nach Langdon 1912, 62–63.

103 Schaudig 2001, 535. 104 Sog. Royal Chronicle (BM 34176+34375+34896+34995+Sp 0; Vgl. Schaudig 2001,

590–595: bes. 592–594; Jonker 1995, 170). Bis dato kann nur Abschrift in die seleukidisch-parthische Zeit datiert werden. Die Entstehungszeit verbleibt jedoch unklar.

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Kol. III 29 – IV 5 von dem Bildnis des akkadischen Herrschers Sar-gons, dessen Auffindung, Vervollständigung, Restauration sowie Be-opferung im Tempel Ebabbar berichtet.105 Dies spiegelt eine deutli-che Respektsbekundung für ein Bild einer vergangenen, in diesem Fall fast 2000 Jahre älteren, Epoche wieder und bezeugt dessen Auf-fassung im neubabylonischen Gesellschaftskontext als magisch wirk-sam.

4. Handlungen am Bild Y in der Nachfolgezeit (rekonstruiert über Texte und Archäologie, wenn bekannt)

Aufgrund fehlender Daten, also aufgrund eines Negativbefundes, lässt sich am Beispiel der hier behandelten Stele aus Uruk keine Handlung aus einem späteren Kontext als den Nabonids und damit einer Zeit nach dem neubabylonischen Reich konstatieren. Die Stele blieb in der Erde verborgen. Niemand nahm Kenntnis von ihr bis zu ihrer Ausgrabung. Sie wurde demnach an einem gewissen Punkt ver-gessen. Ob dieses Vergessen intentional bewirkt wurde, oder ob es auf Grund der Deponierung der Stele in der Erde eine einfache Zwangsläufigkeit darstellt, lässt sich derzeit nicht bestimmen. Daher ist eine rezeptionsgeschichtliche (Über-)Bewertung hier zu vermei-den.

In anderen Fällen zeigt sich, dass entsprechende Stelen nicht ver-gessen wurden, und dass ihnen eine gewisse Bedeutung zugeschrie-ben wurde. Zwei Königsstelen (heute Urfa) Nabonids – beide zeigen den Herrscher vor astralen Göttersymbolen mit königlichem Stab –

wurden in der umayyadischen Moschee von Ḥarrān verbaut. Eine der beiden wurde als Teil des Pflasters des Osteingangs verwandt, die

Vgl. Schaudig 2001, 591. Eine post-nabonidische Datierung wird als wahrscheinlich angesehen.

105 “(29ff) Ein Bildnis Šarrum-kīns, Vater Narām-Sīns, sah er in dieser Gründung, und die Hälfte seines Kopfes war weg(gebrochen), und (es) war alt geworden, nicht zu erkennen waren IV (1f) seine Gesichtszüge. Um den Göttern (gründlich) Ehrfurcht zu erweisen (und) das Königtum zu ehren, setzte er Sachverständige ein und (3) erneuerte den Kopf dieses Bildnisses und vervollständigte (4) seine Gesichtszüge. Dieses Bildnis beseitigte er nicht (5) (sondern) stellte es in Ebabbar auf (und) setzte ihm ein Schauopfer fest.“, Schaudig 2001, 592. 594.

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andere diente als erste und damit oberste Treppenstufe des Westein-gangs.106 Dieser Verbauung geschuldet traten die Gläubigen auf die Stelen,107 um ins Innerste, in den sakrosankten Bereich der Moschee, zu gelangen. Damit wurden die Stelen keinesfalls zufällig dort zu bau-lichen Elementen degradiert; mit jedem Eintritt wurden die fremden Bilder abgewertet, insbesondere, da es im arabischsprachigen Kultur-raum als Beleidigung gilt, die Schuhsohlen oder Fußsohlen zu zeigen.

Über eine zeitlich direkt dem babylonischen Reich folgende Be-handlung der Bilder lässt sich indes nur spekulieren. Folgt man den Ausführungen des sogenannten Kyros-Zylinder, dessen Charakter als Propaganda und Schmähschrift nicht zu vernachlässigen ist, müs-sen wir eine Unterscheidung in Kult- und Königsbilder treffen: Wäh-rend Kultbilder, so zumindest die Behauptung des ideologisch stark gefärbten Textes, durch die Eroberer respektvoll behandelt wur-den,108 erscheint dies für Königsbilder, insbesondere derer des als Häretiker vorgeführten Nabonid,109 äußerst unwahrscheinlich. Eine Entfernung der Bilder und somit auch der Stelen scheint konsequent, ihre Zerstörung möglich.110 Dies ist zudem vor einem weiteren Hin-tergrund zu betrachten: Während der Zeit zwischen 626–539 sind die archäologisch tradierten Königsbilder, seien sie auf Stelen oder seien sie auf Felsreliefs zu finden, in ihrer Anzahl sehr beschränkt. Dieser Sachverhalt gewinnt angesichts zweier weiterer Faktoren noch an

106 Vgl. Gadd 1958; Börker-Klähn 1982, 229–230: Nr. 263–264; Schaudig 2001, 486–499 Nr. 3.1; Berger 1973, 38: Nabonid Stelenfragment III 1; Beaulieu 1989, 32: Inscription 13.

107 Vgl. Schaudig 2001, 486 Anm. 692. 108 Siehe im Kyros-Zylinder: Zeile 34: „I returned them unharmed to their cells, in the san-

tuaires that make them happy. [gek. …] Curtis 2013, 43. Mit „I“ ist Kyros gemeint und mit them sind “the gods of the land of Sumer and Akkad“ gemeint. Siehe Zeile 33 der Zylinderinschrift.

109 Siehe im Kyros-Zylinder: Zeile 5–7: 5. „He ma[de] a counterfeit of Esagil, [and ….. . . …..] … for Ur and the rest of the cult-cities. 6. Rites inappropriate to them, [impure] fo[od-offerings . . . ……………] disrespectful […] were daily gabbled, and, as an insult, 7 he brought the daily offerings to a halt [gek. …] Curtis 2013, 42. Mit „He“ ist Nabonid gemeint.

110 So ist es möglich, dass zum Beispiel die allerdings bildlosen Stelenfragmente 3.3, 3.8 und 3.7 bei Schaudig zwar nicht aus einem Fundkontext stammen, allerdings zusammenge-hören (vgl. Schaudig 2001, 539), und auf Grund einer antiken Zerstörung verstreut wur-den. Die Larsa-Stele wurde ebenfalls antik beschädigt und in hellenistischer Zeit als Tür-angelstein zweitverwendet. Vgl. Schaudig 2001, 532.

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Gewicht: Zum einen wirken die babylonischen Königsbilder im Ver-gleich zu den assyrischen auf Siegeln, Orthostaten, Bronzebändern, Statuen, Stelen, Felsreliefs usw. heute nahezu redundant. Dies ändert sich auch dann nicht, wenn man die wenigen, aber meines Erachtens nicht vergleichbaren Exemplare der Kategorie Kudurru111 aus der Vor-zeit mit berücksichtigt. Zum anderen finden sich viele der überliefer-ten Exemplare außerhalb des babylonischen Kerngebietes, und die-jenigen, die innerhalb des Kerngebietes gefunden wurden, entstam-men, wie im Falle der Larsa-Stele,112 oftmals Sekundärkontexten oder sind unklarer Provenienz.113 Dies führt zu der Interpretation, dass Königsbilder in Babylonien selbst offensichtlich kaum nötig und we-nig erwünscht waren. Allem Anschein nach liegt diese Auffassung von Bildern anthropomorpher Akteure in der allgemein vorherr-schenden Bildperzeption Südmesopotamiens zu dieser Zeit begrün-det: Nur den Göttern stand die bildliche Darstellung, die zugleich als Präsenz der Götter verstanden wurde, zu. Während der König in As-syrien als Stellvertreter des Gottes Aššur galt und in dieser Funktion nahezu numinose Wirkmacht einnahm, war der König in Babylonien lediglich Mittler zwischen Göttern und Menschen, also nicht der Stellvertreter der Götter. Die durch die Bilder evozierte Omniprä-senz des assyrischen Königs als Stellvertreter Aššurs konnte der ba-bylonische Herrscher mangels numinoser Kraft nicht erreichen. Diese theologische Prämisse hatte jedoch nur innerhalb des Kernge-biets zwingende Geltung. Jene ehemals vom assyrischen Reich ab-hängigen Gruppierungen der Peripherie sahen die babylonischen Könige als Nachfolger und Erben des assyrischen Reiches an. Daher bedienten sich die chaldäischen Herrscher der schon angewandten

111 Kudurrus bezeichnen eigentlich Grenzen und Grenzsteine. Der Begriff bezieht sich hier auf bestimmte Stelen, und später auch Tafeln, deren Inhalt vorwiegend Landesschenkun-gen sind. Sie sind aus dem ausgehenden 2. Jahrtausend v. Chr. in das erste Jahrtausend überkommen, verlieren jedoch vor der Herrschaft Nabopolassars an Bedeutung bzw. werden nicht mehr hergestellt. Einige dieser Exemplare sind mit Bildern, den sog. Kudurru-Reliefs, versehen. Ihr Inhalt kann hier nicht Thema sein. Siehe dazu allgemein: Seidl 1989.

112 Vgl. Schaudig 2001, 532–534: 3.5. 113 Wie die Miniatur-Stele aus der Schøyen-Sammlung: vgl. Martin Schøyen & the Schøyen

Collection; George 2011; oder die sog. Tarif-Stele: Schaudig 2001, 530–532: 3.4.

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assyrischen Bildstrategien und errichteten – als Etablierungsversuch des Königtums – entsprechende Königsbilder in ihren Provinzen. Über deren dortige Rezeption, insbesondere der Felsreliefs, kann derzeit mangels Quellen nur spekuliert werden.

5. Handlungen an Bild X114 in der Gegenwart (Ausblick)

Da moderne Rezeption nicht im Fokus dieser Betrachtung liegt, be-ziehungsweise da sie vor allem in Form der Abgrenzung von antiker Wahrnehmung in diesem Kontext behandelt wird, sind die mannig-faltigen Handlungen an den benannten Bildern des Alten Orients und die damit verbundene facettenreiche Rezeptionsgeschichte seit deren Auffindung über die letzten Jahrzehnte lediglich kursorisch zu betrachten.

Die benannte Stele des Herrschers Assurnaṣirpals II. wurde un-

gefähr im Mai 1850 bei Ausgrabungen des Gelehrten Sir Henry Aus-ten Layard in Nimrūd gefunden.115 Layard selbst schrieb diesbezüg-lich von „the finest specimen of Assyrian sculpture“.116 In seinem Besteller über seine Entdeckungen und die damit verbundenen Rei-sen veröffentlichte 1853 Layard eine Rekonstruktionszeichnung der Stele samt des mit ihr gefundene Schemels, welche die Stele in ihrer damals gedachten Aufstellungssituation zeigt.117 Lebendigkeit erhält

114 Zu Bild Y: Die babylonische Stele kann in dieser Breite hier nicht behandelt werden. Auch sie befindet sich heute in einem Museum, im Nationalmuseum des Iraks. Obgleich sie sich damit (vergleichsweise) nah am Auffindungsort, und somit zumindest lokal in der Nähe ihres eigentlichen Ursprungs-, Verwendungs- und Deponierungsortes befindet, trennen mehrere tausend Jahre heutige von damaligen Rezipient/innen – ein Distanz, die derzeit noch unüberbrückbar scheint. Bis auf die Befindlichkeit des Stückes im Irak-Museum kann seitens der Autorin leider derzeit weder etwas über Restauration noch Aufstellungskontext ausgesagt werden.

115 British Museum Collection Database. 116 “To the right of this entrance, and apparently outside the walls of the temple, was dis-

covered one of the finest specimens of Assyrian sculpture brought to this country. It represents the early Nimroud king in high relief, carved on a solid block of limestone, cut into the shape of an arched frame, in the form of the rock tablets of Bavian and the Nahr-el-Kelb. The monarch wears his sacrificial robes, and carries the sacred mace in his left hand. Round his neck are hung the four sacred signs, the crescent, the star or sun, the trident, and the cross.”, Layard 1853, 351.

117 Vgl. Layard 1853, Seite gegenüber von Seite 351.

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die Szenerie durch die Darstellung eines sitzenden, lokalen Gra-bungsmitarbeiters. Laut Bildunterschrift wurde diese Szenerie 1852 geschaffen, also ein Jahr nach der Auffindung. Den Beschreibungen Layards ist zu entnehmen, dass die Stele durch Brandspuren gekenn-zeichnet und gebrochen aufgefunden wurde. Damit kann die Zeich-nung nicht der tatsächlichen Auffindungssituation entsprechen. In-teressanter Weise evoziert die Darstellung ein Hybrid zwischen Gra-bungssituation und gedachter antiker Realität. Podest, Stele und

Schemel wurden so errichtet, wie es sich zu Zeiten Assurnaṣirpals II.

vorgestellt wurde. Der Rest scheint der Grabungssituation und damit dem zeitgenössischen Bild des 19. Jahrhunderts zu entsprechen.

Die hälftig gebrochene Stele wurde alsbald nach ihrer Auffindung verpackt und 1851 von Basra aus nach London verschifft, wo sie, wie die Inventarnummer zeigt, noch im selben Jahr inventarisiert wurde.118 Während des Transports hatte die Stele wohl weitere Schä-den erlitten.119 Seither wurde das Monument im British Museum aus-gestellt, mehrfach restauriert und wechselte seinen Platz im Mu-seum.120 Dort kommt seine Aufstellung, den gegebenen musealen Umständen entsprechend, nicht der ehemaligen Aufstellungssitua-tion gleich. In keiner Form wird oder soll diese evoziert werden. Ne-ben dem Umstand, dass alleinig die architektonische Einbettung in einem Museum niemals der vergangenen Lebenswelt entsprechen kann, so fehlt unter anderem das Wissen um eine etwaige, ehemalige Bemalung der Stele.121 Allein diese Umstände machen es derzeit un-möglich, die emische Bildrezeption für Museumsbetrachter/innen direkt erfahrbar zu evozieren. Doch die museale Aufstellung redu-ziert die Stele nicht auf ebensolche Rezipient/innen als mehr oder minder am Alten Orient interessierte Museumsbesucher/innen, son-dern öffnet sie damit für einen weiten Kreis an verschiedensten Re-zipientengruppen. Es muss nicht extra betont werden, dass seit der

118 Vgl. British Museum Collection Database. 119 Vgl. Layard 1853, 351. 120 Vgl. British Museum Collection Database. 121 So wissen wir von Orthostaten sicher, dass diese dereinst bemalt waren. Vgl. Reade

1979, 18; Curtis – Reade 1995, 39.

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erstmaligen Ausstellung weit über 150 Jahre vergangen sind und dass sich alleine damit die Rezipientengruppe beziehungsweise -gruppen der Museumbesuchenden sowohl in sozialer Zusammensetzung, im Bildungshintergrund, Verweildauer und Erwartungshaltung maßgeb-lich verändert haben. Zu diesen reihen sich noch weitere Gruppen an. Diese umfassen unter anderem Restauratoren/innen, Kurato-ren/innen, Archäologen/innen und Kunsthistoriker/innen. Sie alle sind unterschiedlich sozialisiert und geschult; somit treten sie mit verschiedenen Erwartungshaltungen und Fragen an die Stele heran. Ihr jeweiliges Sehen, und damit ihre jeweilige Rezeption des Objek-tes, unterscheiden sich. Ob heute demnach mehr Rezeptionsgrup-pen, und damit auch Rezeptionsunterschiede existieren als dereinst, bleibt offen.

VI. Fazit

Bildrezeption als Teil von Mediengeschichte nimmt nicht nur Bild-inhalte und deren Verständnis in den analytischen Blick, sondern auch Bildpraxis. Die Praxis am Bild, gleichsam das Zugeständnis, dass Bilder als soziale Akteure, als Handlungspartner verstanden wer-den können, eröffnet die Möglichkeit, Bilder sowie ihre Potentiale, Funktionen und Wirkungsweisen auf einer lebensweltlichen Ebene betrachten zu können. Damit wird die fundamentale Bedeutung der Perzeption von Bildern als Handlungsgegenüber als Rezeptionsdif-ferenz zwischen rezenten westlichen Gesellschaften und jenen des Alten Orients, in diesem konkreten Falle jenen des ersten vorchrist-lichen Jahrtausends in Mesopotamien, greifbar(er). Obgleich dies in keinem Falle meint, dass nicht auch in rezenten Gesellschaften Bil-der, bewusst oder unbewusst, als wirkmächtig aufgefasst oder als Handlungspartner verstanden werden, so zeigt sich doch, dass die Rolle der Bilder weit über deren konkreten Bildinhalt hinaus geht. Wie differenziert wir auch immer die moderne Rezeption altorienta-lischer Bildwerke, sei es auf archäologischer, altertumskundlicher, kunstgeschichtlicher, museumspädagogischer, auf ästhetischer oder rein voyeuristischer Ebene, betrachten, so berücksichtigt diese Be-

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trachtung oftmals nicht den Umstand, dass Bilder in ihrer zeitgenös-sischen Wahrnehmung nicht immer, ja selten, als Bilder im Sinne von Re-Präsentationen, von Zeichen, von Stellvertretern wahrgenom-men wurden. Bildrezeptionen divergieren nicht nur dann, wenn kon-krete Bildinhalte anders als in der Ursprungsgesellschaft gesehen, aufgefasst und verstanden werden, sondern wenn die grundlegende Erfahrung der gemeinten Entität als Bild auf den verschiedenen zeit-lichen und räumlichen Rezeptionsebenen differiert. Mit dieser Diffe-renz gehen auch die unterschiedlichen Bildpraktiken, die verschiede-nen Bildbegriffe sowie die gezeigten und die später so rezeptierten Bildinhalte einher. Im Sinne einer ganzheitlichen Medien- und Re-zeptionsgeschichte sind wir zu einer Rekonstruktion der lebenswelt-lichen Einbettung von Bildern beziehungsweise von Materialkultur aller Art aufgerufen, um der Bildperzeption den ihr gebührenden Platz einzuräumen und so wiederum unser Verständnis von Materi-alkultur und deren Bedeutungsspannbreite und Bedeutungswandel als Teil menschlicher Beziehungsgeflechte mit ihrer Umwelt verste-hen zu können. Nichtsdestotrotz müssen wir uns gewahr bleiben, dass all diese Rekonstruktionsversuche lediglich Annäherungen dar-zustellen vermögen, und dass unsere eigenen, naturgemäß be-schränkten Erfahrungswelten nicht alle Möglichkeiten und Nuancen vergangener Lebenswelten erfassen zu vermögen.

Elisabeth Wagner-Durand ist Wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für Vorderasiati-

sche Archäologie der Albert-Ludwigs-Universität. 2009 wurde sie dort mit ihrer Arbeit Bil-

der im Kulturvergleich: - Vorkommen und Verwendung von Bildern in den verschiedenen Kulturen

des Orients und Okzidents im 1. Jahrtausend v. Chr. promoviert. Ihre Magisterarbeit aus dem

Jahr 2004 trägt den Titel Religiöse Konzepte in der Späten Bronzezeit in Nordwestsyrien am

Beispiel Baals. Kohärenzen und Diskrepanzen zwischen Texten und Archäologie.

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