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44 Pflege von Menschen mit Erkrankungen des Herzens 44.1 Kompetenzen im Blick Herzerkrankungen zählen zu den gefährlichsten Leiden des Menschen. Beispiel Herzinfarkt: Auch heute noch sterben ca. 30% der Infarktpatienten bevor sie eine Klinik erreichen. Gleichzeitig sind Menschen, die am Herzen erkrankt sind aufgrund einer Herzschwäche (Herzinsuzienz), oft auch im Alltag massiv eingeschränkt. Folgende Kompetenzen helfen Ihnen, Betroene im Rah- men des Pflegeprozesses bestmöglich pflegen zu können. In diesem Kapitel lernen Sie: was eine Erkrankung des Herzens für einen Menschen be- deuten kann. wie das Herz aufgebaut ist und wie es funktioniert. welche Pflegephänomene und welche Leitsymptome bei Menschen mit Erkrankungen des Herzens häufig zu beob- achten sind. alle Pflegebasismaßnahmen mit dem Fokus auf Gesund- heitsförderung, Prävention und Kuration. wie Sie die Ressourcen des Pflegeempfängers gezielt für die individuelle Planung und Durchführung der Pflegeba- sismaßnahmen nutzen können. wie Sie die Pflege bei Menschen aller Altersstufen mit Er- krankungen des Herzens verantwortlich planen, organi- sieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluieren können. Das Kapitel enthält v.a. Inhalte der Kompetenzbereiche I, III.2 und III.3 nach der PflAPrV. 44.2 Bedeutung für den Menschen Mein Pflegeempfänger Herr Bauer* Ich heiße Herr Bauer und ich bin 82 Jahre alt. Früher war ich viel unterwegs und ein richtiger Lebemensch. Geraucht habe ich immer gerne. Vor über 20 Jahren hatte ich dann meinen ersten Herzinfarkt. Ich dachte, ich muss sterben. Seitdem hat sich einiges für mich verändert, doch die Herzprobleme habe ich nie so richtig in den Gribekommen. Jetzt habe ich dicke Beine und bekomme oft schlecht Luft. Inzwischen kommen meine Frau und ich zu Hause auch nicht mehr alleine zurecht. Deshalb sind wir zu unserem Sohn und seiner Familie gezo- gen.siehe Komplexes Fallbeispiel(S. 886) * Fallbeispiel fiktiv, Namen frei erfunden Eine Herzerkrankung ist für viele Pflegeempfänger sehr be- drohlich. Sie haben Angst und machen sich große Sorgen, zumal ihr "zentrales Organ" betroen ist, das sie am Leben hält. In der Klinik, stationären Pflegeeinrichtung oder auch der ambulanten Pflege werden Ihnen wahrscheinlich oft Menschen mit einer Herzinsuzienz begegnen, da mehr oder weniger alle Herzerkrankungen in eine Herzschwäche münden. Viele alte Menschen leben, oft als Folgeleiden einer koronaren Herzkrankheit (KHK) oder einer arteriellen Hy- pertonie, mit einer Herzinsuzienz. Im Idealfall sind sie me- dikamentös so eingestellt, dass sie gut damit leben können. Andere können sich kaum belasten und ihren Alltag ohne Hilfe nicht meistern. Aber auch junge Menschen können un- 884 aus: I care Pflege (ISBN 9783132418288) © 2019 Georg Thieme Verlag KG

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44 Pflege von Menschen mitErkrankungen des Herzens

44.1 Kompetenzen im BlickHerzerkrankungen zählen zu den gefährlichsten Leiden desMenschen. Beispiel Herzinfarkt: Auch heute noch sterben ca.30% der Infarktpatienten bevor sie eine Klinik erreichen.Gleichzeitig sind Menschen, die am Herzen erkrankt sindaufgrund einer Herzschwäche (Herzinsuffizienz), oft auchim Alltag massiv eingeschränkt.

Folgende Kompetenzen helfen Ihnen, Betroffene im Rah-men des Pflegeprozesses bestmöglich pflegen zu können. Indiesem Kapitel lernen Sie:● was eine Erkrankung des Herzens für einen Menschen be-deuten kann.

● wie das Herz aufgebaut ist und wie es funktioniert.● welche Pflegephänomene und welche Leitsymptome beiMenschen mit Erkrankungen des Herzens häufig zu beob-achten sind.

● alle Pflegebasismaßnahmen mit dem Fokus auf Gesund-heitsförderung, Prävention und Kuration.

● wie Sie die Ressourcen des Pflegeempfängers gezielt fürdie individuelle Planung und Durchführung der Pflegeba-sismaßnahmen nutzen können.

● wie Sie die Pflege bei Menschen aller Altersstufen mit Er-krankungen des Herzens verantwortlich planen, organi-sieren, gestalten, durchführen, steuern und evaluierenkönnen.

Das Kapitel enthält v.a. Inhalte der Kompetenzbereiche I,III.2 und III.3 nach der PflAPrV.

44.2 Bedeutung für denMenschen

Mein Pflegeempfänger Herr Bauer*

„Ich heiße Herr Bauer und ich bin 82 Jahre alt. Früher war ichviel unterwegs und ein richtiger Lebemensch. Geraucht habeich immer gerne. Vor über 20 Jahren hatte ich dann meinenersten Herzinfarkt. Ich dachte, ich muss sterben. Seitdem hatsich einiges für mich verändert, doch die Herzprobleme habeich nie so richtig in den Griff bekommen. Jetzt habe ich dickeBeine und bekomme oft schlecht Luft. Inzwischen kommenmeine Frau und ich zu Hause auch nicht mehr alleine zurecht.Deshalb sind wir zu unserem Sohn und seiner Familie gezo-gen.“ → siehe „Komplexes Fallbeispiel“ (S. 886)

* Fallbeispiel fiktiv, Namen frei erfunden

Eine Herzerkrankung ist für viele Pflegeempfänger sehr be-drohlich. Sie haben Angst und machen sich große Sorgen,zumal ihr "zentrales Organ" betroffen ist, das sie am Lebenhält. In der Klinik, stationären Pflegeeinrichtung oder auchder ambulanten Pflege werden Ihnen wahrscheinlich oftMenschen mit einer Herzinsuffizienz begegnen, da mehroder weniger alle Herzerkrankungen in eine Herzschwächemünden. Viele alte Menschen leben, oft als Folgeleiden einerkoronaren Herzkrankheit (KHK) oder einer arteriellen Hy-pertonie, mit einer Herzinsuffizienz. Im Idealfall sind sie me-dikamentös so eingestellt, dass sie gut damit leben können.Andere können sich kaum belasten und ihren Alltag ohneHilfe nicht meistern. Aber auch junge Menschen können un-

884 aus: I care Pflege (ISBN 9783132418288) © 2019 Georg Thieme Verlag KG

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ter einer Herzinsuffizienz leiden. Gründe hierfür sind ange-borene Herzmuskelerkrankungen oder eine verschleppteHerzmuskelentzündung.

Das Spektrum der Herzerkrankungen ist groß: Zum gan-zen Bild gehört auch der Säugling mit angeborenem Herz-fehler (und seine besorgte Familie), der evtl. nur mithilfeeiner Operation überleben kann. Das bereits mehrfach ope-rierte Kind mit angeborenem Herzfehler erlebt eine andereKindheit als ein gesundes Kind. Auch für die betroffenen Fa-milien ist diese Situation nicht einfach. Häufig sind angebo-rene Herzfehler auch verbunden mit einem Gendefekt. VieleKinder mit Trisomie 21haben einen angeborenen Herzfeh-ler.

Pflegende begleiten Menschen mit Herzerkrankung undihre Bezugspersonen in diesen unterschiedlichen Lebens-situationen individuell, je nach Situation.

44.3 Auffrischer Anatomie undPhysiologieDas Herz ist ein kräftiger Muskel, der das sauerstoffarmeBlut zur Lunge (rechtes Herz) und das sauerstoffreiche Blutin den Körper (linkes Herz) pumpt. Es liegt im Mediastinumund wird vom Herzbeutel (Perikard) umgeben. Das Herz hatdie Form eines Kegels mit Herzbasis und Herzspitze, Vorder-wand und Hinterwand.

Das Herz besteht aus der rechten und der linken Herzhälf-te (▶Abb. 44.1), die durch die Herzscheidewand (Septum)voneinander getrennt werden. Jede Herzhälfte besitzt einenVorhof (Atrium) und eine Kammer (Ventrikel). Zwischenden Kammern und den Vorhöfen bzw. den Kammern undden großen Gefäßen (Aorta und Truncus pulmonalis) befin-den sich insgesamt 4 Klappen:● Die Mitralklappe (Bikuspidalklappe) trennt den linkenVorhof von der linken Kammer.

● Die Trikuspidalklappe trennt den rechten Vorhof von derrechten Kammer.

● Die Pulmonalklappe liegt zwischen rechter Kammer undTruncus pulmonalis.

● Die Aortenklappe liegt zwischen linker Kammer und Aor-ta.

Die Mitral- und die Trikuspidalklappe werden als Segelklap-pen bezeichnet, die Pulmonal- und Aortenklappe als Ta-schenklappen. Die Herzklappen sorgen dafür, dass das Blutnur in eine Richtung fließt.

Von innen nach außen besteht die Herzwand aus 4Schichten: Endokard, Myokard, Epikard und Perikard. Zwi-schen Epikard und Perikard liegt die Perikardhöhle. Sie istmit einem dünnen Flüssigkeitsfilm gefüllt und ermöglicht esdem Herzen, sich gegen umliegende Strukturen zu verschie-ben.

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▶ S. 892

▶ S. 892Koronarangiografie

Elektrokardiogramm

Echokardiografie0

92

E

▶ S. 888

▶ S. 889

▶ S. 884Bedeutung für den Menschen

Auffrischer Anatomie und Physiologie

Erkrankungen des Herzens

Pflegebasismaßnahmen

▶ S. 884Kompetenzen im Blick

▶ S. 885

▶ S. 887

▶ S. 888

▶ S. 889

Mitwirken bei der Diagnostik

▶ S. 895

▶ S. 899

▶ S. 901

▶ S. 903

▶ S. 907

▶ S. 907

▶ S. 908

Koronare Herzkrankheit (KHK)

Herzinfarkt

Herzinsuffizienz

Herzrhythmusstörungen

Entzündliche Herzerkrankungen

Erkrankungen der Herzklappen

Angeborene Herzfehler

▶ S. 894Übersicht über die wichtigsten Medikamente

▶ S. 908

▶ S. 909

▶ S. 909

Herzoperationen

Präoperative Pflege

Postoperative Pflege

Perioperative Pflege

Körperpflege und Bekleidung

Wahrnehmen und Beobachten

Mobilisation, Positionierung und Schlaf

Medikamentenmanagement

Informieren, Schulen, Anleiten, Beraten

Psychosoziale Begleitung ▶ S. 890

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Komplexes Fallbeispiel Herr Bauer* – „Es wird immer schwerer“

Herr Bauer ist 82 Jahre alt und leidet seit mehreren Jahren aneiner ausgeprägten Herzinsuffizienz. In seiner Jugend war ersportlich sehr aktiv, doch durch den Job als Versicherungskauf-mann wurde es immer schwerer, regelmäßig Sport zu treiben.Oft kam er nach einem langen Tag im Büro erst spät nach Hause,schlief wenig und rauchte viel. In stressigen Zeiten bis zu eineSchachtel täglich. Auch seine Ernährung kam meist zu kurz, soaß er oft einfach das, was es gerade im Büro oder beim Bäckergab.

Im Alter von 56 Jahren erlitt er dann einen Herzinfarkt. Ganzplötzlich hatte er so einen brennenden Schmerz in der Brust, dersich bis in den linken Arm und den Kiefer zog. Er hatte furchtbareAngst und dachte, er müsse sterben. Zum Glück war er mit seinerFrau an diesem Abend zu Hause gewesen. Sie hatte direkt denNotarzt alarmiert.

Durch das Ereignis hat sich das Leben von Herrn und Frau Bau-er stark verändert. Herr Bauer hat mit dem Rauchen aufgehörtund sich in eine andere, weniger stressige Abteilung in der Firmaversetzen lassen. Auch etwas Sport versuchte er in seinen Alltagzu integrieren, so fuhr er 2-mal in der Woche mit dem Rad zurArbeit. Auch die vom Arzt verordneten Medikamente nahm er re-gelmäßig. Doch trotz aller Bemühungen war sein Blutdruck (RR)nur schwer in den Griff zu bekommen. Bei den Verlaufskontrollenzeigten sich immer wieder erhöhte Werte (RR 160/100mmHg)und auch die Cholesterinwerte waren deutlich zu hoch. Im Laufeder Jahre hat sich bei ihm eine globale Herzinsuffizienz ent-wickelt.

Seit Herr Bauer und seine Frau nun im Ruhestand sind, verbrin-gen sie viel Zeit miteinander und gehen gemeinsamen Aktivitätennach. Ihre große Leidenschaft sind Theaterbesuche, Lesungen,aber auch Weinproben und gepflegtes Essen. Doch seit ein paarWochen kommt Herr Bauer kaum noch aus dem Haus und dieEinschränkungen werden immer größer. Die ausgeprägten Öde-me an den Beinen machen ihm das Gehen schwer und die Dys-pnoe lässt ihn schnell ermüden. Zunächst hatte er die Dyspnoenur unter Belastung, immer häufiger klagt er jetzt auch in Ruheüber Atemnot.

In den letzten Tagen verschlechterte sich der Zustand so, dassHerr Bauer ins Krankenhaus musste. Obwohl es ihm nach der Be-handlung deutlich besser ging, beschlossen Herr und Frau Bauernach der Entlassung, zu ihrem Sohn zu ziehen – das hatten sieschon länger so in der Familie besprochen und geplant.

Seitdem erleben die beiden eine deutliche Entlastung. Frau Bau-er kocht weiterhin jeden Tag für sich und ihren Mann, aber dieEinkäufe und den Wohnungsputz übernimmt die Schwiegertoch-ter. Durch diese Unterstützung kann das Ehepaar sich die vorhan-denen Kräfte besser einteilen und die gemeinsame Zeit wiedermehr genießen. Langfristig überlegen Sie, einen ambulanten Pfle-gedienst hinzuzuziehen, um die Schwiegertochter zu entlasten.

* Fallbeispiel fiktiv, Namen frei erfunden

Lernaufgaben1. Lesen Sie das Fallbeispiel von Herrn Bauer (erneut). Sowohl

sein ungesunder Lebensstil als auch der stressige Job spielenim Zusammenhang mit der Entwicklung einer Herzerkrankungeine große Rolle. Nennen Sie die Risikofaktoren, die Sie beiHerrn Bauer identifizieren können, und erläutern Sie, wie Sieals Pflegefachkraft auf diese Einfluss nehmen können.

2. Welche Leitsymptome weisen bei Herrn Bauer auf eine Links-,welche auf eine Rechtsherzinsuffizienz hin?

3. Setzen Sie sich mit der Pflegediagnose „Verminderte Herzleis-tung“ auseinander und legen Sie anhand der bestimmendenMerkmale und beeinflussenden Faktoren dar, inwiefern diesePflegediagnose auf Herrn Bauer zutrifft. Analysieren Sie an-schließend, welche weiteren Pflegediagnosen auf Herrn Bauerzutreffen könnten.

4. Frau Bauer hat in der Akutsituation schnell die Situation er-kannt und den Notarzt alarmiert. Versuchen Sie in logischerReihenfolge alle Notfallmaßnahmen zu beschreiben, die in die-ser Situation relevant sind. Begründen Sie die aufgeführtenMaßnahmen mit der entsprechenden Wirkung.

5. Herr und Frau Bauer kommen derzeit mit der Unterstützungihrer Familie gut zurecht. Langfristig möchten sie jedoch zurEntlastung der Familie einen ambulanten Pflegedienst hin-zuziehen. Welchen potenziellen Unterstützungs- und Bera-tungsbedarf sehen Sie bei Herrn Bauer und seiner Frau (aktuellund langfristig)? Nennen Sie Angebote, die ein ambulanterPflegedienst dem Ehepaar unterbreiten könnte.

Weitere Lernaufgaben und Lösungsvorschläge finden Sie unterwww.thieme.de/icare-lernaufgaben.

Das Herz wird durch die Koronargefäße mit Sauerstoff ver-sorgt. Die rechte Herzkranzarterie (A. coronaria dextra) ver-sorgt meist die Wand des rechten Vorhofs und der rechtenHerzkammer. Die linke Herzkranzarterie teilt sich in den Ra-mus interventricularis anterior (RIVA oder LAD) und den Ra-mus circumflexus (RCX). Sie versorgen bei den meistenMenschen den linken Vorhof, die linke Herzkammer und dieHerzscheidewand.

Das Herz schlägt unabhängig vom zentralen Nervensys-tem des Körpers in einem eigenen (autonomen) Rhythmus.Dabei erzeugen spezialisierte Herzmuskelzellen (Schritt-macherzellen) elektrische Impulse, die über die Zellen desErregungsleitungssystems weitergegeben werden. Der pri-märe Taktgeber (Schrittmacher) ist dabei der Sinusknoten inder Wand des rechten Vorhofs. Die dort entstehende Erre-gung breitet sich über die Zellen des Vorhofmyokards ausund erreicht den AV-Knoten. Er leitet den Impuls etwas ver-

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zögert an das His-Bündel weiter, damit die Vorhofkontrakti-on vor der Kammerkontraktion beendet ist. Über die Tawa-ra-Schenkel wird die Erregung dann an die Purkinje-Fasernweitergegeben. Sie sind für die Erregung der Muskelzellender Herzkammern verantwortlich.

Die Herzfrequenz wird also primär vom Sinusknoten be-stimmt und beträgt beim Erwachsenen 60–80 Schläge/min.Bei Neugeborenen und Säuglingen ist sie mit 120–150Schlägen/min fast doppelt so hoch. Bei Bedarf passt das ve-getative Nervensystem (Sympathikus und Parasympathikus)die Herzleistung (Frequenz, Schlagvolumen bzw. Kontrakti-onskraft und Überleitungsgeschwindigkeit im AV-Knoten)den aktuellen Umständen an und moduliert so die vom Si-nusknoten vorgegebene Frequenz. Bei Erwachsenen liegtdas Schlagvolumen in Ruhe normalerweise bei ca. 70mlund das Herzzeitvolumen (HZV) bei ca. 5 l/min.

Ein Herzzyklus besteht aus einer Kontraktionsphase (Sys-tole) und einer Erschlaffungsphase (Diastole). Während der

Systole wird Blut aus den Kammern in die Aorta bzw. denTruncus pulmonalis gepumpt. Während der Diastole werdendie Herzkammern wieder mit Blut gefüllt.

44.4 PflegebasismaßnahmenMenschen mit einer Herzerkrankung sind häufig körperlicheingeschränkt, da sie nicht mehr so leistungsfähig und be-lastbar sind. Inwiefern ein Mensch pflegerische Unterstüt-zung benötigt, hängt vom Ausmaß dieser Einschränkung ab.Die individuelle Belastungsgrenze des Pflegeempfängersund der entsprechende pflegerische Unterstützungsbedarfwerden ermittelt, indem der Patient immer wieder nach sei-nem Befinden gefragt, die Vitalparameter erfasst und derPatient genau beobachtet wird (▶Abb. 44.3).

44.4.1 Wahrnehmen undBeobachtenBei Menschen mit Herzerkrankungen begegnen Pflegefach-kräfte dem Pflegephänomen gestörte Regulation von Blut-druck und Blutzirkulation. Typische Leitsymptome dafürsind:● auffällige Vitalparameter (z. B. Dyspnoe, Tachykardie, Bra-dykardie, Hypertonie, Hypotonie)

● Synkopen, Schwindel und Palpitationen● Zyanose und Ödeme● Thoraxschmerzen

Weitere Leitsymptome im Rahmen des Pflegephänomens„gestörte Regulation von Blutdruck und Blutzirkulation“ fin-den Sie auch im Kapitel „Pflege bei Erkrankungen des Kreis-lauf- und Gefäßsystems“ (S. 916).

VitalparameterPflegefachkräfte kontrollieren und dokumentieren die Vital-parameter von Menschen mit Herzerkrankungen eng-maschig. Auffälligkeiten und Veränderungen werden demArzt mitgeteilt. Die Normwerte und Abweichungen von Puls,Blutdruck und Atmung können Sie im Kapitel „Vitalparame-ter“ nachlesen (S. 320).

Puls und Blutdruck•Blutdruck und Puls lassen wichtigeRückschlüsse auf die Pumpfunktion des Herzens zu. Sie soll-ten bei akuten kardialen Erkrankungen 2–3-mal täglich und

Abb. 44.1 Der Blutfluss durch das Herz.

obere Hohlvene(V. cava superior)

Halsschlagader(A. carotis communis)

Schlüsselbeinarterie(A. subclavia)

Aorta

Lungenarterie(A. pulmonalis)

Lungenvene(V. pulmonalis)

linker VorhofTruncus

pulmonalis Mitral- oder Bikuspidalklappe

Aortenklappe

linke Kammer

Pulmonalklappe

Truncus brachiocephalicus

Lungenarterie(A. pulmonalis)

Lungenvene(V. pulmonalis)

Trikuspidalklappe

rechte Kammer

untere Hohlvene(V. cava inferior)

Foramen ovale

rechter Vorhof

Das venöse Blut aus dem Körperkreislauf gelangt über den rech-ten Vorhof und durch die Trikuspidalklappe in die rechte Kam-mer. Anschließend gelangt es durch die Pulmonalklappe in denLungenkreislauf. Aus dem Lungenkreislauf erreicht das jetzt sau-erstoffreiche Blut zunächst den linken Vorhof. Von dort fließt esdurch die Mitralklappe in die linke Kammer. Diese pumpt esdurch die Aortenklappe in die Aorta und damit in den Körper-kreislauf. Abb. aus: Bommas-Ebert U, Teubner P, Voß R. Kurzlehrbuch Anatomie

und Embryologie. Thieme; 2011.

Abb. 44.2 Vitalparameter.

a b

Puls (a) und Blutdruck (b) sollten bei akuten kardialen Erkrankungen 3-mal täglich, bei körperlicher Belastung und bei pflegerischenMaßnahmen kontrolliert werden. Fotos: K. Oborny, Thieme

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Pflegebasismaßnahmen

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zusätzlich während körperlicher Belastung (z. B. der mor-gendlichen Grundpflege) kontrolliert werden (▶Abb. 44.2).In der ambulanten und stationären Langzeitpflege legt derArzt die Messintervalle fest. Besonderheiten bei der Erfas-sung der Vitalparameter:● Puls erfassen: Bei der Pulskontrolle sollte eine volle Minu-te lang ausgezählt werden, um Herzrhythmusstörungenzu erkennen.

● Tachykardie: Eine erhöhte Pulsfrequenz (>100 Schläge/min)kann für eine Überanstrengung des erkrankten Herzens, füreine Herzrhythmusstörung, oder eine Medikamentenneben-wirkung (z. B. Beta2-Sympathomimetika) sprechen.

● Bradykardie: Eine niedrige Pulsfrequenz (< 60 Schläge/min), die neu auftritt, kann Zeichen eines akuten Problemssein (z. B. Digitalisüberdosierung)

● Blutdruck: Menschen mit einer Herzerkrankung nehmenhäufig Herzmedikamente ein, die den Blutdruck senken(z. B. Nitrate, Betablocker). Die Wirkung der Medikamentesollte durch regelmäßige Blutdruckkontrollen überwachtwerden.

● Palpitationen: Viele Menschen klagen über „Herzstolpern“oder „Herzrasen“ (sog. Palpitationen). Dieses vermeintlich„harmlose“ Symptom kann auch durch Herzrhythmusstö-rungen (S.903) ausgelöst werden.

!Merke AbweichungenPuls und Blutdruck sollten sich im Normbereich befinden. Auffällig-keiten (z. B. in Form einer Hypertonie oder Tachykardie) belasten dasHerz und sollten, vor allem wenn sie neu auftreten, einem Arzt mit-geteilt werden.

Atmung• Feuchte Atemgeräusche weisen auf ein Lungen-ödem hin.

Atemnot (Dyspnoe) kann auf eine Herzinsuffizienz hin-weisen, hervorgerufen durch eine Herzrhythmusstörungoder einen Herzinfarkt. Hier wird unterschieden in:● Belastungsdyspnoe und Ruhedyspnoe● akute und chronische Dyspnoe

Haut● Ödeme sind pathologische Flüssigkeitsansammlungen imGewebe. Kardial bedingte Ödeme treten häufig bei Herz-insuffizienz auf. Der Unterschied zwischen dem kardial be-dingten Ödem und dem Lymphödem ist, dass das kardial

Abb. 44.3 Belastungsgrenze.

Vor und nach allen pflegerischen Maßnahmen sollte der Pfle-geempfänger immer wieder nach seinem Befinden befragt wer-den. Foto: K. Oborny, Thieme

bedingte Ödem wegdrückbar ist. Das Lymphödem hin-gegen ist hart und lässt sich nicht wegdrücken.

● Zyanose: Sind Haut und Schleimhäute bläulich verfärbt,spricht man von Zyanose. In diesem Fall ist die Sauerstoffsät-tigung im Blut vermindert. Bei bestimmten Herzfehlern oderbeim akuten Lungenödem kann eine Zyanose auftreten.

SchmerzenAkute Schmerzen im Thorax (Brustkorb) und in der Schulterkönnen auf einen Herzinfarkt oder eine Aortendissektionhinweisen. Es müssen Erstmaßnahmen eingeleitet werden(S.899).

44.4.2 Mobilisation, Positionierungund SchlafDie pflegerische Unterstützung bei der Mobilisation und derPositionierung ist abhängig von der individuellen Belas-tungsgrenze des Pflegeempfängers (▶Abb. 44.3).

Mobilisation•Bei chronischen Verläufen ist es wichtig, dassder Pflegeempfänger in Bewegung bleibt, da körperlicheSchonung und Bewegungsmangel die Erkrankung ver-schlechtern kann. Pflegefachkräfte unterstützen dabei, dieMobilität zu erhalten und zu fördern. Auch Physiotherapieund Herzsportgruppen fördern die Gesundheit und helfendabei, mobil zu bleiben.

Die Mobilisation erfolgt meist stufenweise. Das bedeutet,dass die Belastung des Pflegeempfängers täglich gesteigertwird. Das kann bspw. so aussehen:● 1. Tag: Sitzen an der Bettkante● 2. Tag: Stehen vor dem Bett● 3. Tag: Eine Stunde Sitzen im Mobilisationsstuhl

Der Stufenplan wird i.d.R. gemeinsam mit dem Arzt und derPhysiotherapie erstellt.

Während der Mobilisation müssen Pflegende sensibel fürVeränderungen sein. Bei Dyspnoe, Schmerzen, Unwohlseinmüssen die Maßnahmen abgebrochen werden und es sinddie Vitalparameter zu erheben. Auffälligkeiten sind zu doku-mentieren und ggf. dem Arzt mitzuteilen.

Oberkörperhochlage•Meist wird die Positionierung in Ober-körperhochlage (▶Video) oder die Herzbettlage (▶Abb. 44.11)als angenehmwahrgenommen, da das Herz so entlastet wird.

Bettruhe• In manchen Fällen (z. B. bei einer akuten Herz-insuffizienz) kann es nötig werden, dass der Patient Bett-ruhe einhalten muss. Das muss ein Arzt schriftlich anord-nen. Bei Bettruhe müssen Maßnahmen zur Dekubitus-,Thrombose-, Pneumonie- und Kontrakturenprophylaxe an-gewendet werden.

44.4.3 Körperpflege und BekleidungInwieweit ein Pflegeempfänger Unterstützung bei der Kör-perpflege benötigt, ist ebenfalls abhängig von der individu-ellen Belastungsgrenze. Unter Umständen ist eine kompletteÜbernahme der Körperpflege im Bett nötig (z. B. im Akutsta-dium von Herzinfarkt, bei akuter Herzinsuffizienz oder nacheinem operativen Eingriff).

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l44 Pflege von Menschen mit Erkrankungen des Herzens

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Wassertemperatur •Grundsätzlich wird von warmem Du-schen und Vollbädern abgeraten. Unter dem Einfluss vonwarmemWasser erweitern sich die Gefäße. Dadurch bestehtdie Gefahr, dass das Blut in den peripheren Gefäßen versacktund es zu einem Blutdruckabfall kommt.

Kräfte einteilen• In der Dusche sollte es eine Sitzmöglichkeitgeben, damit sich der Pflegeempfänger bei Bedarf ausruhenkann.

44.4.4 MedikamentenmanagementPflegekräfte sorgen für die regelmäßige Einnahme der Me-dikamente, um die Herz-Kreislauf-Funktion stabil zu halten.Sie überwachen die Therapie und achten auf mögliche uner-wünschte Wirkungen (▶ Tab. 44.1).

44.4.5 Informieren, Schulen,Anleiten, BeratenWegen des chronischen Charakters vieler Herzerkrankun-gen ist es wichtig, dass Betroffene während des Kranken-hausaufenthalts und vor der Entlassung individuell infor-miert, beraten, angeleitet oder geschult werden.● Über Erkrankung, Verlauf und mögliche Symptome infor-mieren: Zur Reintegration des Pflegeempfängers in denAlltag muss er ärztlich wie pflegerisch über seine Erkran-kung aufgeklärt sein. Besonders nach der Erstdiagnosesind viele Patienten verunsichert und fragen sich, wie esmit ihnen weitergeht. Hier ist es nötig, zusammen mitdem Arzt einen individuellen Reintegrationsplan für dieZeit nach der Entlassung zu erarbeiten. In vielen Kranken-häusern wird diese Aufgabe durch den zuständigen Sozial-dienst erledigt. Hier werden zusammen mit dem PatientenRehabilitationsmaßnahmen und häusliche Hilfen erarbei-tet.

● Umgang mit Medikamenten: Vor der Entlassung des Pa-tienten sollte er darüber aufgeklärt werden, wie wichtigdie regelmäßige Einnahme seiner Medikamente ist, umKomplikationen (z. B. Herzinfarkt oder Dekompensationeiner Herzinsuffizienz) zu vermeiden. Es muss sicher-gestellt werden, dass er seine Notfallmedikamente (z. B.Nitrospray) korrekt anwendet. Hier gilt es, den Pflegeemp-

fänger insbesondere dafür zu sensibilisieren, wann eineEinnahme sinnvoll ist (z. B. bei akuter Brustenge) undwann nicht (z. B. bei einem grippalen Infekt). Zudem sollteer mögliche unerwünschte Nebenwirkungen seiner Medi-kamente kennen, z. B. „Nitratkopfschmerz“ bei Nitratein-nahme, verstärkte Blutungsgefahr bei Antikoagulanzien,Muskelschmerzen bei Statinen, neu auftretende Rhyth-musstörungen bei Antiarrhythmika (▶ Tab. 44.1).

● Risikofaktoren kennen und abbauen: Der Patient mussdurch den Arzt über den lebenslangen Verlauf seiner Er-krankung aufgeklärt werden. Auch sollte er die sog. kar-diovaskulären Risikofaktoren wie Rauchen, Bewegungs-mangel, Stress, Übergewicht oder fettreiche Ernährungkennen und bestenfalls abbauen. Unterstützung kann er inHerzsportgruppen (▶Abb. 44.4) oder im Rahmen einesRehaaufenthalts erhalten. Unter der Anleitung von Physio-therapeuten und Ärzten können Risikofaktoren identifi-ziert und alternative Verhaltensweisen aufzeigt werden.

● Fortsetzung der im Krankenhaus begonnenen Therapie:Pflegende sollten dem Patienten bei Entlassung immer dieMedikamente für 2–3 Tage mit nach Hause geben (beson-ders vor dem Wochenende oder vor Feiertagen). In vielenKliniken werden Rezepte auch schon bei Entlassung mit-gegeben. Ist das nicht der Fall, muss sich der Patient dieMedikamente (laut Entlassungsbrief) von seinem Hausarztverschreiben lassen. Ist der Patient zusätzlich körperlichstark eingeschränkt oder demenziell erkrankt, muss er beider Medikamentengabe durch einen ambulanten Pflege-dienst unterstützt werden. Die Organisation übernimmtder Sozialdienst des Krankenhauses. Dass Unterstützungnotwendig ist, muss durch die betreuende Pflegekraft fest-gestellt und an den behandelnden Arzt weitergegebenwerden.

● Anschlusstherapie: Um einen regelmäßigen ärztlichenRundumblick zu erhalten, kann der Patient ggf. in ein sog.DMP (Disease-Management-Programm) vermittelt wer-den. Zu diesem Programm gehört, dass der Patient in fest-geschriebenen Zeiträumen einen niedergelassenen Fach-arzt aufsucht, der den Verlauf der Erkrankung beobachtet,den Patienten weiterhin schult und Komplikationen früherkennen kann. Derzeit gibt es DMPs u. a. für Patientenmit KHK und Herzinsuffizienz.

Abb. 44.4 Herzsportgruppe.

In Herzsportgruppen trainieren Betroffene ihre Ausdauer. DasTraining wird dabei individuell an die jeweilige Belastungsgrenzedes einzelnen Teilnehmers angepasst und medizinisch begleitet(Symbolbild). Foto: Robert Kneschke – stock.adobe.com

Abb. 44.5 Herz-OP.

Bei einigen Herz-Operationen muss der Brustkorb eröffnet wer-den (Sternotomie) und eine Herz-Lungen-Maschine muss diePumpfunktion des Herzens übernehmen. Foto: derege – stock.adobe.

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Pflegebasismaßnahmen

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44.4.6 Psychosoziale BegleitungBei Erstdiagnosen oder Diagnosen, die eine Verschlechte-rung der Krankheit zeigen, sind Betroffene und ihre Bezugs-personen oft sehr verunsichert und benötigen häufig psy-chische Begleitung. Es quälen sie Fragen, wie die Krankheitin ihr Leben integriert werden kann, welche Auswirkungensie haben wird und welche Komplikationen eintreten kön-nen. Pflegende sollten versuchen, dem Pflegeempfängerund seinen Bezugspersonen bei der Beantwortung dieserFragen zu helfen und ggf. Informationen an Kolleginnenund/oder den Arzt weitergeben, damit Hilfestellungen orga-nisiert werden können. Grundsätzlich sollten Pflegefach-kräfte Gesprächsbereitschaft signalisieren und dem Betrof-fenen die Möglichkeit geben, über seine Ängste, Sorgen undNöte zu sprechen (z. B. längerer Ausfall am Arbeitsplatz).

WISSEN TO GO

Pflegebasismaßnahmen – Herzerkrankungen

Bei Menschen mit Herzerkrankungen begegnen Pflege-fachkräfte dem Pflegephänomen gestörte Regulationvon Blutdruck und Blutzirkulation. Pflegebasismaßnah-men sind:● Wahrnehmen und Beobachten: Vitalparameter (Ar-rhythmien?, Tachykardien?, Palpitationen?), Atmung(Atemgeräusche?, Dyspnoe?), Haut (Zyanose?, Ödeme?),Schmerzen

● Mobilisation, Positionierung und Schlaf: Mobilität för-dern je nach Belastungsgrenze

● Körperpflege und Bekleidung: individuelle Unterstüt-zung je nach Belastungsgrenze

● Medikamentenmanagement: medikamentöse Thera-pie überwachen

● Informieren, Schulen, Anleiten, Beraten: ausführlichesEntlassungsmanagement

● psychosoziale Begleitung: Gesprächsbereitschaft sig-nalisieren

44.5 Mitwirken bei derDiagnostikAm Anfang der Diagnostik stehen immer die Anamnese unddie klinische Untersuchung, bei denen der Arzt richtungs-weisende Hinweise auf Art und Schwere der Herzerkran-kung sammelt. Im Rahmen von Herzerkrankungen kommenfolgende apparative Verfahren zum Einsatz: Blutdruckmes-sung, Elektrokardiogramm, Ultraschalluntersuchung desHerzens, Koronarangiografie. Hier erfahren Sie die wichti-gen Grundlagen der Verfahren und die jeweiligen pflegere-levanten Aufgaben.

44.5.1 ElektrokardiogrammMit dem Elektrokardiogramm (EKG) werden die elektri-schen Abläufe des Herzens dargestellt (▶Abb. 44.6). So kön-nen Aussagen über die Herzfrequenz, den Herzrhythmus,den Ursprung der Erregungsbildung (Sinusknoten, AV-Kno-ten, Myokard) und der Erregungsweiterleitung getroffenwerden. Da das EKG nur elektrische Signale erfasst, kannkeine Aussage über die Herzleistung getroffen werden. Un-

terschieden werden das Monitor-, Ruhe-, Belastungs- undLangzeit-EKG sowie die Telemetrie.

Monitor-EKGDas Monitor-EKG dient der kontinuierlichen Überwachungvon Patienten auf Intensiv- oder Überwachungsstationenund zeigt kontinuierlich die EKG-Kurve an. Dazu werden 3Elektroden am Brustkorb des Patienten nach dem „Ampel-schema“ (rot, gelb, grün, ▶Abb. 44.7) geklebt.

Falls aus pflegerischen oder diagnostischen Gründen dieMonitorüberwachung unterbrochen werden muss, z. B. fürden Toilettengang oder für die morgendliche Ganzkörper-pflege, kann der Puls am Handgelenk kontrolliert werden.Wichtig ist aber vor allem, dass der Patient beobachtet undnach seinem Wohlbefinden befragt wird.

Die Klebeelektroden sollten regelmäßig erneuert werden,um eine einwandfreie Funktion zu gewährleisten und evtl.Hautirritationen zu vermeiden.

Abb. 44.6 Herzzyklus im normalen EKG.

Zeit: 0,8 – 1 Sekunde

ST-Strecke

PQ-Stre-cke

P

Q

R

S

T

U

P-Welle QRS-Komplex

T-Welle U-Welle

Schematischer Herzzyklus im EKG. Die einzelnen Phasen desHerzzyklus sind als Strecken, Wellen und Zacken erkennbar undwerden unterschiedlich bezeichnet. Diesen idealtypischen Ver-lauf werden Sie in einem EKG-Ausdruck so nicht zu sehen be-kommen, die einzelnen Phasen werden immer leicht abwei-chen.

Abb. 44.7 Monitor-EKG.

Die Elektroden werden nach dem Ampelschema befestigt.

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Ruhe-EKGEin Ruhe-EKG wird erstellt, wenn Verdacht auf eine Herz-erkrankung besteht, wenn der Verlauf einer Herzerkrankungbeobachtet werden soll, als Routineuntersuchung vor Ope-rationen oder bei routinemäßigen Check-up-Untersuchun-gen (▶Abb. 44.9). Ein Standard-Ruhe-EKG besteht aus 12Ableitungen (12-Kanal-EKG), 6 Brustwandableitungen (V1–

V6) und 6 Extremitätenableitungen (nach Goldberg und Ein-thoven).

Zunächst werden die Extremitätenableitungen befestigt.Anschließend werden die 6 Brustwandableitungen angelegt.Je nach Ausstattung handelt es sich hierbei um Saug- oderKlebeelektroden. Bei der Verwendung von Saugelektrodenkann es hilfreich sein, durch das Auftragen von Kontaktgeloder Hautdesinfektionsmittel die Leitfähigkeit zu erhöhen.Starke Brustbehaarung sollte an den Elektrodenpositionenrasiert werden. Die genaue Lokalisation der 6 Brustwand-elektroden orientiert sich an den Interkostalräumen und istin ▶Abb. 44.8 gezeigt.

Belastungs-EKGBei einem Belastungs-EKG wird ein 12-Kanal-EKG währendkörperlicher Belastung aufgenommen, meistens auf demFahrradergometer. Durch die körperliche Belastung sollenVeränderungen am Herzen diagnostiziert werden, die nurbei Anstrengung sichtbar werden bzw. auftreten. So könnenAnzeichen einer Durchblutungsstörung am Herzen, d. h.einer koronaren Herzkrankheit (KHK) diagnostiziert wer-den.

Damit die Extremitätenableitungen nicht stören, werdensie am Rumpf angebracht. Parallel wird der Blutdruck ge-messen, die Blutdruckmanschette wird dafür am Oberarmangebracht. Da es zu Komplikationen kommen kann, mussimmer ein Arzt anwesend sein, Defibrillator und Notfall-medikamente sollten bereitliegen.

Langzeit-EKGBeim Langzeit-EKG wird über 24 Stunden ein EKG abgeleitetund aufgezeichnet. So wird ermittelt, wie sich der Herz-rhythmus während eines normalen Tages verändert. Der Pa-tient sollte also während des Langzeit-EKGs seinem ge-wohnten Tagesablauf nachgehen, um rhythmusstörendeFaktoren im Alltag des Patienten zu ermitteln. Die entspre-chenden Elektroden werden genauso wie beim Monitor-EKG geklebt (▶Abb. 44.7). Das dazugehörige Gerät kann umden Hals oder als Umhängetasche um die Schulter getragenwerden.

Der Eventrekorder (Ereignisrekorder) ist eine besondereForm der EKG-Langzeitaufzeichnung und kann sehr seltenauftretende Herzrhythmusstörungen nachweisen. Er ist un-gefähr so groß wie ein USB-Stick und wird unter örtlicherBetäubung unter die Haut implantiert. Sobald die Herz-rhythmusstörung sicher diagnostiziert ist, kann der Rekor-der entfernt werden (spätestens nach 3 Jahren).

Abb. 44.8 Ruhe-EKG.

V1 V2

V3

V4 V5 V6

Brustwandableitungen

Extremitätenableitungen

SternumSchlüsselbein

ICR1ICR2ICR3ICR4ICR5

V1 4. Interkostalraum rechts neben dem SternumV2 4. Interkostalraum links neben dem SternumV3 zwischen V2 und V4

V4 5. Interkostalraum links im Bereich der HerzspitzeV5 zwischen V4 und V6

V6 mittlere Axillarlinie links (gleiche Höhe wie V4) a bbbbbb

c d eee

Elektrodenpositionen bei einem 12-Kanal-EKG. b: Foto: Max Tactic – adobe.stock.com; c, d, e: Fotos: K. Oborny, Thieme

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Mitwirken bei der Diagnostik

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Elektrokardiogramm (EKG)

Mit dem Monitor-EKG kann die elektrische Herzaktivitätkontinuierlich überwacht werden. Dazu werden 3 Elektro-den nach Ampelschema geklebt: rot→ gelb→ grün.

Das Ruhe-EKG wird eingesetzt in der Routinediagnostik,bei Verdacht auf eine Herzerkrankung und um Krankheits-verläufe am Herzen zu beobachten. Es gibt 6 Extremitä-tenableitungen (I, II, III, aVR, aVL und aVF) und 6 Brust-wandableitungen (V1–V6) (12-Kanal-EKG).

Bei einem Belastungs-EKG wird ein 12-Kanal-EKG wäh-rend körperlicher Belastung abgeleitet Meist fährt der Pa-tient Fahrrad.

Das Langzeit-EKG dient der Rhythmuskontrolle über 24Stunden unter möglichst realistischen Alltagsbedingun-gen. Die Elektroden werden wie beimMonitor-EKG ange-legt.

44.5.2 EchokardiografieBei der Ultraschalluntersuchung des Herzens (Echokardio-grafie; Echo) werden v. a. die Herzmuskeltätigkeit, die Aus-wurfleistung des Herzens, die Herzklappen und weitere ana-tomische Strukturen des Herzens untersucht. Wird ein Echounter körperlicher Belastung durchgeführt, wird dies alsStress-Echokardiografie bezeichnet.

Transthorakale Echokardiografie (TTE)Bei der TTE wird der Schallkopf auf der Brust positioniertund der Arzt kann die Herzkammern und die Vorderseitedes Organs untersuchen.

Transösophageale Echokardiografie (TEE)Möchte der Arzt die dorsalen, also zur Wirbelsäule hin gele-genen Organabschnitte genauer untersuchen, wird der Ul-traschallkopf über die Speiseröhre des Patienten bis in dieHöhe des Herzens vorgeschoben. Man spricht dann von dertransösophagealen (durch die Speiseröhre erfolgenden)Echokardiografie. Besonders die Vorhöfe können bei einerTEE besser beurteilt werden. Sie ist z. B. indiziert, wenn nachThromben in den Vorhöfen gesucht wird oder um die Herz-klappen genau zu beurteilen.

Da die TEE ein invasives Verfahren darstellt, gibt es pflege-risch Folgendes zu beachten.● Vorbereitung:– prüfen, ob der Patient durch den Arzt schriftlich über dieUntersuchung aufgeklärt wurde und die Einverständnis-erklärung in der Akte vorliegt

– Patienten für die Untersuchung nüchtern lassen– auf eine vorhandene Venenverweilkanüle achten– Zahnprothesen des Patienten sollten vor der Unter-suchung entfernt werden.

● Während der Untersuchung:– Vitalfunktionen des Patienten mittels Monitor-EKG undPulsoxymetrie überwachen

– Medikamente nach Arztanordnung vorbereiten (z. B.Dormicum, Propofol)

– Notfallausrüstung und Beatmungsbeutel bereitlegen● Nachbereitung:– Patienten in stabiler Seitenlage lagern und mittels Puls-oxymetrie und Monitor-EKG überwachen

– nüchtern lassen, bis zum vollständigen Nachlassen derRachenanästhesie und Sedierung (ca. 2 Stunden)

– Vitalparameter regelmäßig kontrollieren und Patienten-klingel in Reichweite legen

44.5.3 KoronarangiografieBei der Koronarangiografie (Herzkatheteruntersuchung)führt der Arzt einen dünnen Katheter über ein großes Blut-gefäß in den Kreislauf des Patienten ein. Je nachdem, ob daslinke oder das rechte Herz untersucht werden soll, erfolgt

Abb. 44.9 Ausdruck eines Ruhe-EKGs.

aVF

V1

V2

V3

V4

V5

V6

aVL

aVR

III

II

I

Normalbefund eines Ruhe-EKGs. Links sehen Sie die 6 Extremitätenableitungen und rechts die 6 Brustwandableitungen. So sollte einnormales EKG ungefähr aussehen. Aus: Trappe H, Schuster H. EKG-Beispiel 1: Normaler Sinusrhythmus. In: Trappe H, Schuster H, Hrsg. EKG-Kurs für Isabel. 7. Aufl.

Stuttgart: Thieme; 2017

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l44 Pflege von Menschen mit Erkrankungen des Herzens

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der Eingriff über eine Arterie (Linksherzkatheter) oder übereine Vene (Rechtsherzkatheter).

Nachdem der Katheter eingeführt und bis zum Herzenvorgeschoben wurde, kann der Arzt über den Katheter Kon-trastmittel spritzen (Angiografie). Die Ausbreitung des Kon-trastmittels wird dann zeitgleich radiologisch sichtbar ge-macht. Auf diese Weise lassen sich bei der Linksherzkathe-teruntersuchung z. B. Stenosen der Herzkranzgefäße darstel-len (Koronarangiografie). Bei der Rechtsherzkatheterunter-suchung lassen sich dabei z. B. Herzfehler identifizieren.

Über eine eingeführte Drucksonde kann der Arzt bei derHerzkatheteruntersuchung außerdem den Blutdruck imrechten und linken Herzen messen. Die häufigste Indikationfür eine Herzkatheteruntersuchung ist die koronare Herz-krankheit (KHK).

Perkutane transluminale koronareAngioplastie (PTCA)Bei der PTCA handelt es sich um eine erweiterte Linksherz-katheteruntersuchung. Neben der Darstellung von Koronars-tenosen kann der Arzt daneben auch noch mögliche Steno-sen aufdehnen. Dazu wird ein spezieller Ballonkatheter inden verengten oder verschlossenen Gefäßabschnitt geführtund dort aufgepumpt, sodass das verengte Gefäß gedehntwird. Dieses Verfahren nennt man Ballondilatation oder per-kutane transluminale koronare Angioplastie, kurz PTCA oderPCI (perkutane koronare Intervention). Meist wird direkt imAnschluss ein sog. Stent – eine Art Gitterschlauch aus Metall– eingesetzt, der das Gefäßlumen offenhält. Durch das Auf-dehnen des Ballons im Koronargefäß kann es zu Herzrhyth-musstörungen, Blutungen, Thrombosen, Aneurysmabildungoder einem erneuten Herzinfarkt kommen. Aus diesemGrund wird der Patient während der Untersuchung mittelsMonitor-EKG überwacht.

Bei der Rechtsherzkatheteruntersuchung wird am häu-figsten die Vena femoralis in der Leiste, alternativ die Venabasilica in der Ellenbeuge punktiert. Bei der Linksherzkathe-teruntersuchung wird die Arteria femoralis in der Leistepunktiert, alternativ kann die Arteria radialis am Hand-gelenk punktiert werden. Im Folgenden wird die Punktionder Arteria femoralis beschrieben.

Die Aufgaben bei der Vor- und Nachbereitung bei Links-oder Rechtsherzkatheteruntersuchung unterscheiden sichdabei nicht wesentlich.

Vorbereitung● Unterlagen der Voruntersuchungen, Einverständniserklä-rung und Laborparameter mitgeben:– Gerinnungsstatus (Quick, pTT): zur Einschätzung derBlutgerinnung

– Nierenwerte (Kreatinin): Kontrastmittel wird über dieNiere ausgeschieden

– Schilddrüsenwerte (TSH, T3, T4): um die Organfunktionzu überprüfen, bei Einsatz von jodhaltigem Kontrastmittel

● Prämedikation auf Arztanordnung; ggf. Modifizierung ge-rinnungshemmender Medikamente

● Patienten ca. ab 6 Stunden vor dem Eingriff nüchtern las-sen

● Rasur der Leistengegend bei Punktion der Arteria femora-lis (nach hauseigenem Standard)

● Vor der Untersuchung werden die Fußpulse getastet, umdie arterielle Durchblutung beider Beine zu kontrollieren(▶Abb. 44.10).

● Hautfarbe, Hauttemperatur und Sensibilität beider Beinewerden beurteilt und dienen als Richtwerte für die Zeitnach der Untersuchung.

● Patienten beim Anziehen des Flügelhemds und medizini-scher Thromboseprophylaxestrümpfe (MTS) unterstützen

● Prothesen und Schmuck des Patienten entfernen und si-cher verfahren. Den Patienten auffordern, noch einmal dieToilette aufzusuchen.

● Patient im Bett zur Funktionsabteilung bringen

Nachbereitung● engmaschige Überwachung der Vitalwerte (ggf. Monitor-EKG), um einen Volumenmangelschock oder einen akutenArterienverschluss frühzeitig zu erkennen

● Fußpulse, Hautfarbe (livide/blasse Verfärbung?), Sensibili-tät (Kribbeln?) und Hauttemperatur (kalt?) des punktier-ten Beines werden innerhalb der ersten 4 Stunden stünd-lich beurteilt.

● Punktionsstelle auf Nachblutungen (durchgebluteter Ver-band?) kontrollieren und Druckverband auf Arztanord-nung entfernen

Abb. 44.10 Fußpulse.

Vor der Untersuchung werden die Fußpulse getastet. Gleichzeitig wird auf die Hautfarbe, die Hauttemperatur und die Sensibilitätbeider Beine geachtet. Fotos: K. Oborny, Thieme

a Tasten der A. dorsalis pedis.b Tasten der A. tibialis posterior.

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Mitwirken bei der Diagnostik

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● Bei femoralem Zugang muss der Patient Bettruhe halten.Die Mobilisation beginnt nach Arztanordnung, frühestensjedoch nach 4 Stunden. Da der Patient sich nicht aufsetzendarf, können Hilfsmittel zur Nahrungsaufnahme hilfreichsein (z. B. Strohhalm, Schnabeltasse). Besonders wenn derPatient ein Buch lesen will, kann es angenehm sein, dasBett „in der Ebene“ zu kippen, ohne dabei die Leiste zubeugen.

● Unterstützung des Patienten bei den Ausscheidungen(Bettpfanne/Urinflasche)

● neu angeordnete Medikamente verabreichen; auf Arzt-anordnung ggf. einen Heparinperfusor benutzen

ACHTUNGAuffälligkeiten nach einer Herzkatheteruntersuchung müssen unver-züglich einem Arzt mitgeteilt werden:● Blutdruckabfall, Tachykardie, Kaltschweißigkeit weisen auf einenVolumenmangelschock hin.

● Ein nicht tastbarer Fußpuls kann auf einen akuten Arterienver-schluss hinweisen.

Zudem erhöht Heparin die Blutungsneigung, daher muss besondersauf Blutungen geachtet werden.

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Diagnostik – Herzerkrankungen

Anamnese, klinische Untersuchung und apparative Verfah-ren:● Blutdruckmessung: zur Beurteilung des systolischenund diastolischen Drucks in den Gefäßen

● Elektrokardiogramm: z. B. zur Beurteilung der Herzfre-quenz und des Herzrhythmus

● Echokardiografie (Ultraschalluntersuchung des Her-zens): z. B. zur Beurteilung der Herzmuskeltätigkeit undder Auswurfleistung des Herzens

● Koronarangiografie (Herzkatheteruntersuchung): z. B.zur Beurteilung der Herzkranzgefäße und der Herzklap-pen

44.6 Übersicht über diewichtigsten MedikamenteBei vielen Herzerkrankungen handelt es sich um chronischeErkrankungen. Daher müssen die Medikamente oft lebens-lang eingenommen werden. Pflegende übernehmen einewichtige Rolle bei der Überwachung der medikamentösenTherapie. Sie sollten den Wirkmechanismus kennen, auf Ne-benwirkungen achten und die korrekte Einnahme erklären.Die wichtigsten Medikamente zur Therapie von Herzerkran-kungen zeigt ▶ Tab. 44.1.

Tab. 44.1 Die wichtigsten Medikamente bei Herzerkrankungen.

Wirkstoffgruppe häufig verwendeteWirkstoffe und Han-delsnamen

Therapieziel/Anwendung Nebenwirkungen/Beobachtungsaspekte

Betablocker ● Metoprolol: Beloc-Zok

● Bisoprolol: Concor

● Senkung der Herzfrequenz → wenigerSauerstoffverbrauch

● bei KHK/Herzinfarkt, bei bestimmtentachykarden Rhythmusstörungen

● Gefahr der Bradykardie → regelmäßige Puls-kontrolle

● Gefahr eines Asthmaanfalls→ adäquates Handeln(vgl. Pflege bei Lungenerkrankungen)

Kalziumant-agonisten

● Nifedipin: Adalat● Nisoldipin: Baymy-card

● Hemmung der Kontraktionskraft desHerzens → Schlagkraft und Schlagfre-quenz sinken → Sauerstoffbedarf desHerzens und Blutdruck sinken

● bei arterieller Hypertonie

Gefahr der Hypotonie → regelmäßige RR-Kon-trolle

Nitrate ● Glyceroltrinitrat (Ni-troglyzerin): Coran-gin Nitrospray

● Isosorbitdinitrat(ISDN): Isoket

● Weitstellung der Gefäße → verengteHerzkranzarterien bei Angina pectoriswerden weiter

● → zum Herzen führende Venen kön-nen mehr Blut aufnehmen → Herzerhält weniger Blut → Senkung derVorlast des Herzens

● in Akutsituationen bei Angina pectoris,KHK, Herzinfarkt

● senken den Blutdruck, bei Gabe vorher Blut-druck messen (syst. > 100mmHg)

● können Kopfschmerzen induzieren → bei rezi-divierenden Kopfschmerzen an Nitratkopf-schmerz denken, Info an Arzt

● Nitrospray sollte nicht in der Hosentaschegetragen werden, da der Wirkstoff wär-meempfindlich ist

ACE-Hemmer ● Ramipril: Delix● Enalapril: Benalapril

● Weitstellung der arteriellen Gefäße →Senkung der Nachlast

● hemmt die Gewebeveränderung desHerzens nach einem Myokardinfarkt

● bei Herzinsuffizienz, arterieller Hyper-tonie

● Gefahr der Hypotonie, insbesondere bei Er-steinnahme → Patient wird schrittweise aufdas Medikament eingestellt, dabei eng-maschige RR-Kontrolle

● Reizhusten möglich → wenn belastend für denPatienten, Arzt informieren

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44.7 Erkrankungen des Herzens44.7.1 Koronare Herzkrankheit(KHK)

Definition Koronare HerzkrankheitBei der koronaren Herzkrankheit (KHK) sind die Herzkranzgefäße durch Arteriosklerose verengt. Der Herzmuskel ist dadurch minder-durchblutet und erhält zu wenig Sauerstoff (Myokardischämie). Je nachdem, wie viele der insgesamt 3 großen Koronargefäße betrof-fen sind, spricht man von 1-, 2- oder 3-Gefäß-Erkrankung.

UrsachenArteriosklerose • Ursächlich für die Erkrankung sind durch Arteriosklerose verengte Koronargefäße. Hierdurch wird die Versorgung des Herzmuskels (Myokard) mit Sauerstoff und Nährstoffen eingeschränkt. Sehen Sie sich die Infografik auf S. 896 an und das Video zur „Arteriosklerose“ (▶ Video), um mehr über das Krankheitsbild zu erfahren.

Risikofaktoren • Die kardiovaskulären Hauptrisikofaktoren für die Entstehung der Arteriosklerose sind Fettstoffwech-selstörungen, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Rau-chen, familiäre Veranlagung, männliches Geschlecht und ein Alter über 65 Jahre.

SymptomeAngina pectoris (AP)•AP-Beschwerden sind das charakteris-tischste Symptom der Minderversorgung des Herzens mitSauerstoff – Thoraxschmerzen mit Brennen und Engegefühlhinter dem Brustbein, die typischerweise in die linke Kör-perhälfte, vor allem in Arm, Unterkiefer und Oberbauch,ausstrahlen. Oft wird die Angina pectoris begleitet vonAtemnot, Angst, verminderter körperlicher Belastbarkeitund manchmal auch vegetativen Symptomen wie Erbrechenoder starkem Schwitzen.

Stabile Angina pectoris•Viele KHK-Patienten sind medika-mentös gut auf ihre Erkrankung eingestellt. Typische Angi-na-pectoris-Beschwerden treten dann nur unter körper-licher Anstrengung auf, wenn der Sauerstoffbedarf des Her-zens erhöht ist. Die Beschwerden sind meist gut mit Nitro-spray zu behandeln. In diesem Stadium sprechen wir vonder stabilen Angina pectoris.

Instabile Angina pectoris und akutes Koronarsyndrom•BeiFortschreiten der Arteriosklerose oder unregelmäßiger Ein-nahme der Medikamente kann es zu einer Symptomver-schlechterung kommen. Die typischen Angina-pectoris-Be-schwerden treten dann häufig schon in Ruhe auf und sindzunehmend schwer – wir sprechen von der instabilen Angi-na pectoris. Hinter jeder instabilen Angina pectoris kannsich ein Herzinfarkt verbergen, denn in der Akutsituationlassen sich beide symptomatisch nicht voneinander unter-scheiden.

Tab. 44.1 Fortsetzung

Wirkstoffgruppe häufig verwendeteWirkstoffe und Han-delsnamen

Therapieziel/Anwendung Nebenwirkungen/Beobachtungsaspekte

Thrombozytenag-gregationshem-mer

● Acetylsalicylsäure:Aspirin

● Clopidogrel: Plavix

● Verhinderung von Thrombenbildung→ Schlaganfall- und Lungenembolie-prophylaxe

● bei KHK, nach Herzinfarkt● Prophylaxe nach PTCA oder Stentim-plantation

● Gefahr der verstärkten Blutung bei Verletzun-gen, Operationen → Patienten aufklären, dassoperierender Arzt auf ASS-Einnahme aufmerk-sam gemacht werden muss. Nach dem Eingriffmuss das Medikament unbedingt wiederangesetzt werden (→ ggf. den Arzt hieraufhinweisen)

Antikoagulanzien ● Heparin: Heparin● Phenprocoumon:Marcumar

● bei KHK● bei künstlichen Herzklappen● bei Vorhofflimmern zur Schlaganfall-prophylaxe (bei hohem Risiko)

● erhöhte Blutungsneigung (inbes. intrakranielleBlutungen)

● Gerinnungsparameter müssen regelmäßigkontrolliert werden

Diuretika („Was-sertabletten“)

● Furosemid: Lasix● Hydrochlorothiazid:HCT

● Ausschwemmen von Ödemen● weniger Blutvolumen → Vorlastsen-kung und Herzentlastung

● bei Herzinsuffizienz, arterieller Hyper-tonie, kardialen Ödemen

● Sturzgefahr bei (nächtlichem) Toilettengang →sturzgefährdete Patienten auffordern, sich fürden Toilettengang zu melden

● Gefahr der Elektrolytentgleisung (bes. Kalium)→ auf neu auftretende Herzrhythmusstörun-gen achten (Pulsarrhythmie!) und diese demArzt melden

Digitalispräparate(Herzglykoside)

● Digoxin: Digacin● Digitoxin: Digimerck

● Steigerung der Muskelkraft des Her-zens, Senkung der Herzfrequenz

● bei Herzinsuffizienz, verschiedenenHerzrhythmusstörungen

Gefahr der raschen Überdosierung (enge thera-peutische Breite) → auf Symptome einer Über-dosierung achten

Statine (Choleste-rinsenker)

● Simvastatin: Zocor● Atorvastatin: Sortis

● Cholesterinsenkung, Plaquestabilisie-rung

● bei KHK, Herzinfarkt

Gefahr von starken Muskelschmerzen → ent-sprechende Äußerungen des Patienten ernstnehmen und an Arzt weitergeben

Antiarrhythmika ● Amiodaron: Corda-rex

● Lidocain: Xylocain

verminderte Erregbarkeit des Herzens wirken negativ auf die Schlagkraft des Herzens,können neue Rhythmusstörungen auslösen

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Erkrankungen des Herzens

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TODESURSACHEN IN DEUTSCHLAND

25 %

38 % 37 %Sonstige

Tumorerkrankungen

ENTWICKLUNG

Zahlen: Statistisches Bundesamt 2016

ARTERIOSKLEROSE

Die Arteriosklerose beginnt mit einer Schädigung der inneren Gefäßwand (Intima). Die Auslöser dieser Schädigungen sind noch nicht eindeutig geklärt. Ein Rolle spielen:

• degenerative Altersprozesse

• mechanische Verletzungen

(z.B. durch zu hohen Blutdruck)

• Viren, Bakteriengifte

und Immunreaktionen

Entzündungszellen dringen in die Gefäßwand ein. Fett und Kalk lagern sich ein (sog. Plaquebildung).

Umgangssprachlich wird die Arteriosklerose deshalb auch Arterienverkalkung genannt.

Verlauf der Arteriosklerose:

• Das Gefäßlumen wird aufgrund der Plaquebildung immer enger.

• Der Blutfluss wird eingeschränkt.

• Es kommt zu Durchblutungs-

störungen.

• Gefäßwände werden starr.

Fast jeder Dritte stirbt an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung.

21 %Sterben an den Folgen einer koronaren Herzkrankheit bzw. eines Myokardinfarktes.

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PRÄVENTION

RISIKOFAKTOREN

ERKRANKUNGEN

• gesunde Ernährung

• reduzierter Salzkonsum

• Bewegung 3 × 30 min pro Woche

• nicht rauchen

• Diabetes gut einstellen

• LDL-Cholesterin senken

• Blutdruck normalisieren

• arterielle Hypertonie

• Hypercholesterinämie

• Hyperlipidämie

• Diabetes mellitus

• Rauchen

• familiäre Veranlagung

• männliches Geschlecht

• Alter über 65 Jahre

• koronare Herzkrankheit

• Herzinfarkt

• Herzinsuffizienz

• ischämische Darmerkrankungen

• Aortenklappenstenose

• pAVK

• Schlaganfall

• Niereninsuffizienz

• vaskuläre Demenz

gesunde Arterie

Arterie mit Gefäßverengung

stark verengte Arterie

Das Gefäß verliert die Fähigkeit zur Anpassung an verschiedene Druckverhältnisse.

Ein bereits vorhandener Bluthochdruck kann sich dadurch verschlechtern.

Intima (innere Schicht)

Media (mittlere Schicht)

Adventitia (äußere Schicht)

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Unter dem Begriff akutes Koronarsyndromwerden folgen-de Formen zusammengefasst:● Instabile Angina pectoris: akute Verschlechterung einerbestehenden KHK, oft mit Ruhesymptomen. Der Übergangzum Herzinfarkt ist fließend. Daher wird eine instabileAngina pectoris wie ein Herzinfarkt behandelt, bis das Ge-genteil bewiesen ist.

● NSTEMI (non ST-segment-elevation myocardial infarction):Herzinfarkt, der im Labor, nicht aber im EKG diagnostiziertwerden kann.

● STEMI (ST-segment-elevation myocardial infarction): Herz-infarkt, der sich in Labor, Symptomatik und EKG zeigt.

!Merke Akutes KoronarsyndromErst durch die Untersuchung der herzspezifischen Enzyme und durchein EKG lassen sich die instabile Angina pectoris und der Herzinfarktvoneinander abgrenzen. Daher wird eine instabile Angina pectorisimmer wie ein Herzinfarkt behandelt (Notfall!), bis das Gegenteil be-wiesen ist.

DiagnostikUm im Krankheitsverlauf zwischen den verschiedenen For-men der KHK zu unterscheiden, werden folgende diagnosti-sche Maßnahmen durchgeführt:● Beobachtung der klinischen Symptome● Ruhe-EKG● im beschwerdefreien Intervall: Belastungs-EKG (ST-He-bungen unter Belastung)

● infarkttypische Laborparameter (CK, CK-MB, Troponin)zur Unterscheidung zwischen Angina pectoris und Herz-infarkt

● Koronarangiografie zur Darstellung von Lokalisation undAusmaß der Gefäßverengung, ggf. mit PTCA (S.893)

● Echokardiografie, Stressechokardiografie, um festzustel-len, ob die Herzleistung beeinträchtigt ist

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Koronare Herzkrankheit

Bei der KHK sind die Herzkranzgefäße durch Arteriosklero-se verengt. Hauptrisikofaktoren: Fettstoffwechselstörun-gen, arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus, Rauchen, fa-miliäre Veranlagung, männliches Geschlecht, Alter über65 Jahre. Symptome: Angina pectoris, oft begleitet vonAtemnot, Angst und verminderter Belastbarkeit. Man un-terscheidet:● stabile Angina pectoris: Beschwerden nur unter An-strengung, mit Nitrospray gut behandelbar

● akutes Koronarsyndrom:– instabile Angina pectoris: kein Herzinfarkt, sondernVerschlechterung der KHK, Beschwerden schon in Ru-he

– NSTEMI: Herzinfarkt, der im Labor, nicht aber im EKGdiagnostiziert werden kann

– STEMI: Herzinfarkt, der sowohl im EKG (ST-Strecken-Hebungen) als auch im Labor diagnostiziert werdenkann

Diagnose: EKG, Echokardiografie, Laboruntersuchungen,Herzkatheteruntersuchung Therapie: medikamentös (Be-tablocker, Kalziumantagonisten, Nitrate, ACE-Hemmerund Statine), PTCA oder koronare Bypassoperation

TherapieDas wichtigste Therapieziel ist es, zusammen mit dem Pa-tienten ein Fortschreiten der Erkrankung zu verhindern unddie Krankheit in das Leben des Patienten zu integrieren, daeine vollständige Heilung nicht möglich ist. Neben der Redu-zierung der Risikofaktoren ist die medikamentöse Therapieder wichtigste Pfeiler. In erster Linie werden eingesetzt:● Betablocker: senken die Herzfrequenz und damit den Sau-erstoffverbrauch des Myokards

● Kalziumantagonisten: senken die Nachlast des Herzensdurch Weitstellung der arteriellen Gefäße

● Nitrate: senken die Vorlast des Herzens durch Weitstel-lung der venösen Gefäße und der Koronarien

● ACE-Hemmer: senken die Nachlast des Herzens durchWeitstellung der arteriellen Gefäße

● Statine: senken den Cholesterinspiegel und damit dasFortschreiten der Arteriosklerose

● Erreichen die Engstellen innerhalb der Koronargefäße einkritisches Maß, kann das Gefäß über eine PTCA (S.893)wieder aufgedehnt werden. Kommt auch dies aufgrundeines starken Fortschreitens der Erkrankung nicht mehr inBetracht, kann ein koronarer Bypass (S.908) operativ an-gelegt werden.

Das akute Koronarsyndrom ist ein Notfall. Hier entsprichtdas therapeutische und pflegerische Vorgehen dem einesHerzinfarkts (S.899).

Spezielle PflegeBeachten Sie die Pflegebasismaßnahmen bei Herzerkran-kungen (S.887). Lesen Sie im Folgenden die Besonderheitenbei der Pflege von Menschen mit KHK.

Wahrnehmen und Beobachten•Auf Symptome einer Anginapectoris achten (z. B. Dyspnoe, Brustschmerzen, Schwitzen),um Maßnahmen schnell einleiten zu können.

Ernährung•Menschen mit KHK sollten auf blähende Nah-rungsmittel (z. B. Hülsenfrüchte, Kohlgemüse) verzichten.Eine leicht verdauliche, cholesterinarme Kost ist zu bevor-zugen.

Informieren, Schulen, Anleiten, Beraten● Betroffene müssen über den lebenslangen Verlauf der Er-krankung aufgeklärt werden.

● Sensibilisierung für die kardiovaskulären Risikofaktoren.Einige dieser Risikofaktoren können durch den Patientenpositiv beeinflusst werden: Rauchen, Bewegungsmangel,Stress, Übergewicht oder fettreiche Ernährung. Betroffeneerhalten Unterstützung in Herzsportgruppen (Abb. 1.2)oder im Rahmen eines Rehaaufenthalts. Unter der Anlei-tung von Physiotherapeuten und Ärzten können Risikofak-toren identifiziert und alternative Verhaltensweisen auf-zeigt werden.

● Medikamentenwirkung und unerwünschte Wirkungen(▶ Tab. 44.1)

● Maßnahmen zur Prophylaxe von Notfällen: Um Komplika-tionen zu verhindern, müssen Pflegeempfänger über dieWarnsignale eines Angina-pectoris-Anfalls aufgeklärt sein(z. B. zunehmende Atemnot, verminderte körperliche Be-lastbarkeit). Zudem sollten sie mögliche auslösende Fak-toren kennen, wie z. B. körperliche Belastung (vor allembei Kälte), psychischer Stress und reichhaltige Mahlzeiten.

● Verhalten im Notfall: Neben dem Wissen über die typi-schen Warnsignale sollte dem Betroffenen in einer Mikro-

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schulung erklärt werden, wie er sich bei einem Angina-pectoris-Anfall verhalten soll. Inhalt der Schulung solltendie korrekte Anwendung von Nitrospray (▶ Tab. 44.1) so-wie die sofortige Verständigung des Notarztes sein. Um imNotfall schnell Hilfe holen zu können, eignen sich sog.Hausnotrufsysteme. Diese werden von verschiedenenHilfsorganisationen angeboten (z. B. Deutsches RotesKreuz, Johanniter-Unfall-Hilfe und Arbeiter-Samariter-Bund) und können über den Sozialdienst des Krankenhau-ses beantragt werden. Immer mehr kommen auch sog.AAL-Systeme (Ambient Assistent Living) auf den Markt derambulanten Versorgung. Dies sind technische Hilfsmittelwie Tablet-PCs oder Sensoren zur Überwachung der Vital-funktionen. Insgesamt sollen die Systeme ein sicheres undselbstständiges Leben in der ambulanten Versorgung ge-währleisten.

WISSEN TO GO

Koronare Herzkrankheit – Pflege

● Pflegebasismaßnahmen bei Herzerkrankungen● Wahrnehmen und Beobachten: auf Symptome einerAngina pectoris achten (z. B. Dyspnoe, Brustschmerzen,Schwitzen)

● Ernährung: verdauliche, cholesterinarme, nicht blähen-de Kost

● Informieren, Schulen, Anleiten, Beraten:– über Erkrankung und Verlauf informieren– über Möglichkeiten zur Reduzierung von kardiovasku-lären Risikofaktoren beraten

– Medikamenteneinnahme, Wirkung und Nebenwirkung– Notfallprophylaxe und Verhalten im Notfall

44.7.2 Herzinfarkt

Definition HerzinfarktDer Herzinfarkt (Myokardinfarkt) ist eine Komplikation der korona-ren Herzkrankheit (Kap. 44.7.1) und wird durch ein verschlossenesHerzkranzgefäß hervorgerufen. Es resultiert ein Sauerstoffmangelim Herzmuskelgewebe, wodurch Herzmuskelzellen absterben (Ne-krose).

Ursachen und PathophysiologieWie auch bei der KHK ist die Arteriosklerose entscheidendeUrsache des Herzinfarkts.

Durch die Arteriosklerose bilden sich immer mehr Plaquesin den Koronargefäßen. Reißt eines dieser Plaques ein, wirddie Gerinnung aktiviert und es bildet sich ein Thrombus, derdas Herzkranzgefäß vollständig verschließt. In die dahinter-liegenden Muskelzellen gelangt nun kein Sauerstoff mehrund das Gewebe stirbt ab: Es entwickelt sich eine Herzmus-kelnekrose mit lebensbedrohlichen Komplikationen.

SymptomeDas Hauptsymptom ist die Angina pectoris: siehe Symptomebei KHK (S.895).

„Stummer Infarkt“•Nicht jeder Herzinfarkt muss mit diesereindrücklichen Symptomatik einhergehen. Besonders weib-liche Pflegeempfänger und Menschen mit Diabetes mellituszeigen manchmal nur unspezifische Symptome wie Übelkeit

und Druckgefühl in der Magengegend. Hier spricht man voneinem „stummen Infarkt“, dessen Auswirkungen auf denKörper aber identisch sind.

Komplikationen•Besonders in den ersten Stunden nachdem Ereignis kann es zu schwerwiegenden Komplikationenkommen. Hierzu gehören insbesondere Herzrhythmusstö-rungen (z. B. Kammerflimmern) und die akute Herzinsuffi-zienz mit nachfolgendem kardialem Lungenödem.

DiagnostikUm das Infarktgebiet genauer einzugrenzen und um das ver-schlossene Gefäß bildgebend darzustellen, wird bei Patien-ten mit Herzinfarkt eine Koronarangiografie durchgeführt.Hierbei besteht gleichzeitig die Option einer therapeuti-schen Intervention durch Ballondilatation und Stenteinlage(Akut-PTCA). Weitere Maßnahmen in der Diagnostik desHerzinfarkts sind das 12-Kanal-EKG, Laboruntersuchungen(CK, CK-MB, Troponin) und eine Echokardiografie.

TherapieAkutsituation● Akut-PTCA● medikamentöse Begleittherapie:– Bei RRsyst. > 100mmHg Nitroglyzerinpräparate(▶Abb. 44.12)

– Heparin und ASS i. v. zur Verbesserung der Fließeigen-schaften des Blutes und zur Verhinderung der Throm-benanlagerung

– Clopidogrel, Ticagrelor oder Prasugrel zur (zusätzlichen)Antikoagulation

– Morphin zu Schmerzbekämpfung und Nachlastsenkung– Betablocker, um lebensbedrohliche Herzrhythmusstö-rungen zu vermeiden

– optional Diazepam zur Beruhigung– Antiarrhythmika bei Herzrhythmusstörungen– Katecholamine bei akuter Herzinsuffizienz und kardio-genem Schock

Das praktische Vorgehen in der Akutsituation bestimmt denweiteren Verlauf der Erkrankung. In den letzten Jahren hatsich diesbezüglich besonders die Akut-PTCA, im Rahmender Koronarangiografie, zu einem Standardverfahren ent-wickelt. Die Thrombolysetherapie, bei der der Thrombusdurch Medikamente aufgelöst wird, ist aufgrund ihrer ho-hen Komplikationsrate in den Hintergrund getreten.

ACHTUNGAus einem akuten Koronarsyndrom bzw. Herzinfarkt können sichweitere Komplikationen entwickeln, z. B. Bewusstlosigkeit, Apnoe,Lungenödem und Kammerflimmern. Bei Kreislaufstillstand muss so-fort mit der kardiopulmonalen Reanimation (S. 286) begonnen wer-den.

!Merke Medikamente bei InfarktDie wichtigsten Notfallmaßnahmen beim Herzinfarkt lassen sichgut mit der Eselsbrücke „Monas BH“ merken: Morphin, O2, Nitro-spray, ASS, Betablocker, Heparin.

Im weiteren Verlauf

Medikamentöse Dauertherapie nach einem Herzinfarkt: Be-tablocker, ACE-Hemmer, gerinnungshemmende Medika-mente, Nitrate und Statine.

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Erkrankungen des Herzens

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KOMPAKT

Herzinfarkt

● Ursache: Ein Herzinfarkt ist eine Komplikation einer KHKmit koronarem Gefäßverschluss und nachfolgenderHerzmuskelnekrose.

● Symptome: wie schwere instabile Angina pectoris;stumme Infarkte jedoch möglich

● Diagnostik: Abgrenzung einer instabilen Angina pecto-ris von einem Herzinfarkt oft nur durch EKG (ST-Hebun-gen) und Labor (v. a. Troponin) möglich

● Therapie: v. a. Akut-PTCA. Zusätzlich medikamentöseBegleittherapie: Morphin, O2, Nitrospray, ASS, ggf. Beta-blocker, Heparin (Monas BH).

Spezielle PflegeBeachten Sie die Pflegebasismaßnahmen bei Herzerkran-kungen (S.887). Lesen Sie im Folgenden die Besonderheitenbei der Pflege von Menschen mit Herzinfarkt.

In der Akutsituation

Die pflegerische Versorgung konzentriert sich in der Akutsi-tuation auf die Assistenz bei der Behandlung sowie auf dieÜberwachung, Begleitung und psychische Unterstützungdes Patienten:● Patienten möglichst nicht allein lassen und Ruhe vermit-teln

● Hilfe holen (Kollegen, Arzt)● Positionierung in Herzbettlage (▶Abb. 44.11), ggf. Fensteröffnen

● 2–3 l Sauerstoff/min verabreichen, bei einer peripherenSauerstoffsättigung (SpO2) von unter 90%

● Monitor-EKG, Pulsoxymetrie und automatisierte Blut-druckmessung anlegen. Außerdem 12-Kanal-EKG schrei-ben und dem Arzt sofort vorlegen

● i. v.-Zugang legen (lassen) und für eine schnellstmöglicheBlutabnahme sorgen (CK, CK-MB, Troponin, Gerinnung,Blutbild, Elektrolyte); abgenommene Blutröhrchen alsNotfall kennzeichnen und in das Labor bringen

● Vorbereitung, Gabe und Überwachung der medikamentö-sen Therapie (z. B. ASS, Nitrospray, Heparin) → auf Arzt-anordnung

● ggf. Anmeldung einer Akut-PTCA; seltener auch Anmel-dung und Vorbereitung einer Lysetherapie

● Verlegung des Patienten auf die Intensivstation bzw. zurAkut-PTCA in das Herzkatheterlabor. Achtung: Verlegungimmer nur mit Arztbegleitung und vollständiger Notfall-ausrüstung!

● intensivmedizinische Überwachung und Behandlung: Mo-nitor-EKG, Flüssigkeitsbilanz, i. v.-Medikation, ggf. arteriel-le (blutige) Blutdruckmessung, Bettruhe (auf Arztanord-nung) mit entsprechenden Prophylaxen, Behandlung evtl.auftretender Komplikationen, psychische Betreuung

Im weiteren Verlauf

Wahrnehmen und Beobachten•Die ersten 1–2 Tage nachakutem Herzinfarkt wird der Patient auf der Intensiv- bzw.Überwachungsstation betreut. Bei unkompliziertem Krank-heitsverlauf kann er danach auf eine normale, periphere Sta-tion verlegt werden. Der Patient muss aber weiterhin regel-

mäßig überwacht werden: ggf. Monitor-EKG, 3-mal täglicheBlutdruckkontrolle, evtl. Flüssigkeitsbilanz.

Es kann in den ersten Tagen zu einer leichten Temperatur-erhöhung kommen. Dabei handelt es sich um sog. Resorpti-onsfieber, das kein Zeichen einer Infektion, sondern durchkörpereigene Umbauvorgänge bedingt ist.

Mobilisation• Sobald sich der Zustand des Patienten stabili-siert hat, wird mit der Frühmobilisation auf Arztanordnungbegonnen, in Zusammenarbeit mit der Physiotherapie. Sieerfolgt in aufsteigenden Mobilisationsstufen und wird indi-viduell festgelegt, um dem Herz ausreichend Zeit zu geben,sich an die Belastung zu gewöhnen.

Puls und Blutdruck werden vor, während und nach derBelastung überprüft und die Werte miteinander verglichen.Fällt der Blutdruck stark ab, steigt er stark an oder tretenHerzrhythmusstörungen auf, muss die Mobilisation sofort

Abb. 44.11 Herzbettlage.

Um das Herz zu entlasten, wird der Pflegeempfänger in Herz-bettlage gebracht. Foto: A. Fischer, Thieme

Abb. 44.12 Nitroglyzerin.

Das Nitrospray wird in Notfallsituationen, z. B. bei einem akutenKoronarsyndrom oder bei einem Herzinfarkt, eingesetzt. Foto: A.Fischer, Thieme

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abgebrochen werden. Um eine Überlastung schnell zu er-kennen, sollten während der Belastung auch die Hautfarbe(blass?) und die Atmung (gesteigert?) beobachtet werden.Nach jeder Belastung wird eine Ruhepause eingelegt undnochmals Puls und Blutdruck kontrolliert. Nach 3 Minutensollte der Ruhepuls wieder erreicht sein. Während der Mo-bilisation sollte der Puls 100 Schläge pro Minute nicht über-schreiten.

Ein Mobilisationsstufenplan kann damit beginnen, dassder Patient bei der morgendlichen Versorgung im Bett ver-schiedene Handgriffe übernimmt und sich z. B. selbstständigden Oberkörper wäscht. Im nächsten Schritt wird der Pa-tient mit pflegerischer Unterstützung an die Bettkante ge-setzt. Am nächsten Tag kann er auf den Toiletten-/Mobilisa-tionsstuhl mobilisiert werden.

Im Anschluss wird der Pflegempfänger durch einen Phy-siotherapeuten angeleitet, im Zimmer zu gehen. Sobald ersich selbstständig im Zimmer bewegen kann, erfolgt die Mo-bilisation auf dem Flur. Hier sollte ggf. ein Rollstuhl mit-genommen werden, um für notwendige Ruhepausen eineSitzmöglichkeit in Reichweite zu haben. Die höchste Stufeder Frühmobilisation ist das Treppensteigen unter Anleitungeines Physiotherapeuten (▶Abb. 44.13).

Ernährung und Ausscheidung•Nach der Akutphase wird dieKost schrittweise aufgebaut. Auf blähende und schwer ver-dauliche Speisen sollte verzichtet werden, damit der Stoff-wechsel entlastet und ein Toilettengang (Stuhlgang) ohneviel Kraftanstrengung (Pressen) möglich ist.

Medikamentenmanagement•Zur Dauertherapie nach einemHerzinfarkt werden Betablocker, ACE-Hemmer, gerinnungs-hemmende Medikamente, Nitrate und Statine eingesetzt(▶ Tab. 44.1). Pflegekräfte informieren den Pflegeempfängerüber den korrekten Umgang (S.889).

Informieren, Schulen, Anleiten, Beraten• Siehe dazu „SpeziellePflege bei KHK“ (S.898).

Psychosoziale Begleitung•Allgemein sollte für eine ruhigeUmgebung gesorgt und Stress vermieden werden. Durch dieenge Überwachung ist die Patientenautonomie einge-schränkt, was für den Patienten eine Belastung darstellt. Da-her ist es wichtig, gemeinsam mit dem Patienten einen indi-viduellen Behandlungsplan zu erstellen. Je nach subjektivem

Empfinden des Patienten sollte dieser täglich bewertet undangepasst werden.

Der Herzinfarkt ist ein lebensbedrohliches Ereignis, dasviele Patienten psychisch stark verunsichert und Angst er-zeugt. Einige Patienten reagieren mit depressiven Verstim-mungen, andere leugnen ihre Gefühle und spielen den In-farkt herunter. Pflegende sollten auf Zeichen von Verunsi-cherung achten. Es ist hilfreich, wenn Zeit zum Zuhören ein-geplant wird, ggf. sollte die Krankenseelsorge hinzugezogenwerden.

KOMPAKT

Herzinfarkt – Pflege

● Pflegebasismaßnahmen bei Herzerkrankungen● in der Akutsituation:– Patienten nicht allein lassen, Hilfe holen– Positionierung in Herzbettlage– O2 verabreichen– Vitalparameter und Sauerstoffsättigung erfassen– Medikamentenmanagement– Verlegung auf Intensivstation vorbereiten

● im weiteren Verlauf: Frühmobilisation, Informieren,Schulen …, psychosoziale Begleitung

44.7.3 Herzinsuffizienz

Definition HerzinsuffizienzVon einer Herzinsuffizienz wird gesprochen, wenn das Herz nichtmehr genügend Kraft hat, um das Blut aus dem Herzen auszuwer-fen. Hierdurch staut sich das Blut in die Peripherie zurück und nach-folgende Organe können nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff ver-sorgt werden.

UrsachenFast alle Herzerkrankungen können zu einer Herzinsuffi-zienz führen. Die häufigsten Ursachen sind eine KHK, Herz-muskelerkrankungen und Herzklappenfehler.

SymptomeJe nachdem, wie schnell Symptome der Herzinsuffizienz auf-treten, teilt man sie in eine akute und eine chronische Formein.

Akute und chronische Form•Die Symptome der akuten Formentwickeln sich innerhalb von Stunden oder Tagen – Aus-löser ist meist ein Herzinfarkt. Die Symptome der chro-nischen Form entwickeln sich dagegen innerhalb von meh-reren Monaten oder Jahren und werden häufig durch einefortschreitende KHK verursacht.

Kompensierte und dekompensierte Form•Am Anfang kannder Körper die fehlende Herzkraft noch durch andere Me-chanismen kompensieren – man spricht von einer kompen-sierten Herzinsuffizienz. Mit zunehmendem Krankheitsver-lauf versagen diese Mechanismen und die Symptome neh-men zu. Man spricht dann von einer dekompensierten Herz-insuffizienz.

Links-, Rechts- und Globalinsuffizienz• Je nachdem, welcherTeil des Herzens hauptsächlich betroffen ist, unterscheidet

Abb. 44.13 Frühmobilisation.

Bei der Frühmobilisation muss darauf geachtet werden, den Pa-tienten nicht zu überlasten. Wenn er das erste Mal aufsteht, soll-te er von 2 Pflegepersonen unterstützt werden. Foto: K. Oborny,

Thieme

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Erkrankungen des Herzens

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man zwischen einer Rechtsherzinsuffizienz, einer Linksherz-insuffizienz und einer Globalherzinsuffizienz (rechtes undlinkes Herz). Die daraus resultierenden Symptome lassensich durch den Rückstau des Blutes in den jeweils dahinter-liegenden Kreislauf erklären.● Rechtsherzinsuffizienz: Das Blut staut sich bei der Rechts-herzinsuffizienz in den Körperkreislauf zurück, wodurchBeinödeme (▶Abb. 44.14), Halsvenenstauung, Stauungs-leber und Stauungsgastritis mit abdominellen Beschwer-den und Appetitlosigkeit auftreten können.

● Linksherzinsuffizienz: Hierbei staut sich das Blut aus demlinken Herzen zurück in die Lunge. Die Symptome einerLinksherzinsuffizienz äußern sich daher über die Atmung:Lungenstauung mit Dyspnoe (Luftnot) und Orthopnoe(stärkste Luftnot). Übersteigt der Druck in den Lungenve-nen einen kritischen Wert, kommt es zum Lungenödem.Die Patienten haben extreme Luftnot und husten schaumi-ges Sekret ab. Rasselnde Atemgeräusche sind oft ohne Ste-thoskop hörbar.

!Merke ÖdemeÖdeme, die aufgrund einer Herzinsuffizienz entstehen (sog. kardialbedingte Ödeme), sind weich, wenn man sie wegdrückt. Es bleibtdann typischerweise eine Delle bestehen (▶Abb. 44.14). Ödeme in-folge einer Lymphabflussstörung oder einer Schilddrüsenunterfunk-tion sind derber und nehmen sofort wieder ihre ursprüngliche Forman (lassen sich also nicht wegdrücken).

DiagnostikUm den Schweregrad einer Herzinsuffizienz einteilen zukönnen, werden folgende diagnostische Maßnahmen ge-wählt:● Echokardiografie● Röntgenthoraxuntersuchung● Blutuntersuchung● EKG, Langzeit-EKG● Linksherzkatheteruntersuchung

NYHA-Klassifikation•Anhand der Ergebnisse der Diagnostikkann die Herzinsuffizienz in eines der 4 Stadien nach NYHA

(New York Heart Association) eingeteilt werden. Diese Klas-sifizierung hat sich international als Standard bewährt:● NYHA-Stadium I: diagnostisch nachgewiesene Einschrän-kung der Pumpfunktion ohne erkennbare Symptome

● NYHA-Stadium II: Luftnot unter schwerer Belastung● NYHA-Stadium III: Luftnot während des einfachen Gehensbzw. unter leichter Belastung

● NYHA-Stadium IV: Luftnot im Sitzen und in Ruhe

TherapieAkute Herzinsuffizienz

Entwickelt sich bei einem Patienten eine akute Herzinsuffi-zienz oder geht eine chronisch-kompensierte Herzinsuffi-zienz in die dekompensierte Herzinsuffizienz über, erfolgtdie weitere Behandlung i. d. R. auf der Intensivstation. ZurHerzkraftsteigerung werden Katecholamine (z. B. Adrenalin,Noradrenalin, Dobutamin) gegeben. Um die Vorlast zu sen-ken, werden Nitrate in Form von Nitrospray eingesetzt. Dassich bei einem Lungenödem ansammelnde Wasser wirddurch Schleifendiuretika ausgeschwemmt (z. B. Furosemid,Lasix).

Chronische Herzinsuffizienz

Bei der chronisch-kompensierten Herzinsuffizienz hat dieTherapie vor allem das Ziel, die zugrunde liegende Erkran-kung zu behandeln, um ein Fortschreiten der Herzinsuffi-zienz zu verhindern. Gleichzeitig wird das Herz durch ver-schiedene Medikamente entlastet (z. B. ACE-Hemmer, Diure-tika, Betablocker, siehe ▶ Tab. 44.1). Wenn die Herzschwä-che durch tachykarde Herzrhythmusstörungen bedingt ist,kommen außerdem Digitalispräparate (=Herzglykoside)zum Einsatz.

Digitalispräparate•Bei Menschen, die Digitalispräparateeinnehmen, muss auf Symptome einer Überdosierung ge-achtet werden, da die Dosierung des Medikaments sehrschwierig ist. Informieren Sie einen Arzt beim Auftreten vonSymptomen, wie z. B. Übelkeit, Erbrechen, Bradykardie,Farbseh- und Bewusstseinsstörungen. Bei einer Intoxikation(Vergiftung) mit Digitalispräparaten werden die Medika-mente sofort abgesetzt und Notfallmaßnahmen eingeleitet.Je nach Schwere der Intoxikationserscheinungen wird einDigitalisantidot appliziert, Aktivkohle gegeben und ggf. einexterner Schrittmacher implantiert (bei Bradykardie).

WISSEN TO GO

Herzinsuffizienz

● Die Herzinsuffizienz ist Ausdruck einer vermindertenkardialen Pumpfunktion.

● Eine Herzinsuffizienz kann akut oder chronisch verlaufen.Die Symptome der akuten Herzinsuffizienz sind akut le-bensbedrohlich (kardiales Lungenödem und kardioge-ner Schock).

● Je nachdem, welche Herzhälfte betroffen ist, staut sichdas Blut in den Lungen- (Linksherzinsuffizienz) oder denKörperkreislauf (Rechtsherzinsuffizienz).

● Therapie: herzkraftsteigernde (z. B. Dobutamin, Nor-adrenalin) und herzentlastende Medikamente (z. B. Di-uretika, Betablocker)

Abb. 44.14 Kardial bedingtes Ödem.

Drückt man das Ödem mit den Fingern ein, bleibt eine Delle be-stehen. Typischerweise sind kardial bedingte Ödeme an den Un-terschenkeln zu beobachten, vor allem nach längerem Sitzen.Sind sie stark ausgeprägt, können auch die oberen Extremitätenbetroffen sein. Foto: Prot – stock.adobe.com

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Spezielle PflegeBeachten Sie die Pflegebasismaßnahmen bei Herzerkran-kungen (S.887). Lesen Sie im Folgenden die Besonderheitenbei der Pflege von Menschen mit Herzinsuffizienz.

Akute Herzinsuffizienz

Die pflegerischen Erstmaßnahmen in der Akutsituation ent-sprechen denen beim akuten Herzinfarkt (S.899).● Patienten möglichst nicht allein lassen und Ruhe vermit-teln

● Hilfe holen (Kollegen, Arzt)● Positionierung in Herzbettlage (▶Abb. 44.11), ggf. Fensteröffnen

● 2–3 l Sauerstoff verabreichen → auf Arztanordnung(▶Abb. 44.15)

● Vitalparameter erheben (inkl. Sauerstoffsättigung), ggf.Monitoring, EKG schreiben

● i. v.-Zugang legen (lassen)● Blutentnahme vorbereiten (Troponin, CK/CK-MB, Gerin-nung, Blutbild, Elektrolyte)

● Vorbereitung, Gabe und Überwachung der medikamentö-sen Therapie (z. B. Furosemid, Dobutamin) auf Arztanord-nung

Chronische Herzinsuffizienz● Wahrnehmen und Beobachten:– Atmung: Dyspnoe, (Reiz-)Husten, schaumiger Auswurf,Rasselgeräusche, Zyanose → kann auf ein beginnendesLungenödem hindeuten

– Gewicht: tägliche Gewichtskontrollen, um Wasserein-lagerungen (Ödeme) schnell zu erkennen

● Ernährung: Bei einer chronischen Herzinsuffizienz mussauf die evtl. ärztlich verordnete beschränkte Flüssigkeits-zufuhr geachtet werden. Nimmt der Patient zu viel Flüs-sigkeit zu sich, kann dies zu einer Dekompensation derHerzinsuffizienz führen. Bei einer akuten oder chronischdekompensierten Herzinsuffizienz müssen Ein- und Aus-fuhr der Flüssigkeit genau bilanziert werden, alternativkann der Patient täglich gewogen werden.

● Mobilisation: körperliche Schonung, ggf. Bettruhe (aufArztanordnung)

● Medikamentenmanagement:– medikamentöse Therapie überwachen

– auf eine Digitalisüberdosierung achten: Übelkeit und Er-brechen, Farbsehstörungen, Bradykardie bis hin zurAsystolie (Herzstillstand), Bewusstseinsveränderungenund Halluzinationen

● Prophylaxen:– bedarfsgerecht je nach körperlichem Zustand– Maßnahmen zur Obstipationsprophylaxe bei einge-schränkter Flüssigkeitszufuhr

● Informieren, Schulen, Anleiten, Beraten:– Menschen mit einer chronischen Herzinsuffizienz soll-ten in Bewegung bleiben, um das Herz zu trainieren. In-dem sie bspw. regelmäßig spazieren gehen oder an Herz-sportgruppen teilnehmen.

– Notfallprophylaxe: Um Komplikationen zu verhindernbzw. frühzeitig zu erkennen, müssen Patienten mit einerHerzinsuffizienz über die Anzeichen einer Dekompensati-on informiert werden. Anzeichen sind: geringere Belast-barkeit, nächtliche Atemnot und zunehmende Ödeme.

ACHTUNGSehen Sie Hinweise auf eine drohende Dekompensation, z. B. zuneh-mende Beinödeme oder abnehmende Belastbarkeit, informieren Sieden Arzt.

WISSEN TO GO

Herzinsuffizienz – Pflege

● Pflegebasismaßnahmen bei Herzerkrankungen● akute Herzinsuffizienz:– Patienten nicht allein lassen, Hilfe holen– Positionierung in Herzbettlage– O2 verabreichen– Vitalparameter und Sauerstoffsättigung erfassen– i. v.-Zugang legen (lassen), Blutentnahme vorbereiten– Medikamentenmanagement

● chronische Herzinsuffizienz:– Wahrnehmen und Beobachten: Atmung (Dyspnoe?,Zyanose?, Husten?), Gewicht (Ödeme?)

– Ernährung: ggf. Flüssigkeitsbilanzierung– medikamentöse Therapie überwachen– bedarfsgerecht, bei eingeschränkter Flüssigkeitszufuhr→ Obstipationsprophylaxe

– Informieren, Schulen …: Bewegung fördern, Notfall-prophylaxe: über Symptome einer Dekompensation in-formieren

44.7.4 Herzrhythmusstörungen

Definition HerzrhythmusstörungenHerzrhythmusstörungen zeigen sich in einer gestörten Herzfrequenzund/oder Unregelmäßigkeit des Herzschlags.

Grundsätzlich lassen sich Herzrhythmusstörungen einteilenin:● Bradykardie = zu niedrige Frequenz (< 60 Schläge/min),aber rhythmisch

● Tachykardie = zu hohe Frequenz (> 100 Schläge/min), aberrhythmisch

● Bradyarrhythmie = zu niedrige Frequenz + arrhythmisch● Tachyarrhythmie= zu hohe Frequenz + arrhythmisch● Extrasystolen (ventrikuläre/supraventrikuläre) = zusätzli-che Erregungen (aus der Kammer/aus dem Vorhof)

Abb. 44.15 Sauerstoff verabreichen.

Zu den Erstmaßnahmen bei akuter Herzinsuffizienz gehört es,Sauerstoff zu verabreichen. Foto: K. Oborny, Thieme

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Erkrankungen des Herzens

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Ursachen und Pathophysiologie● Kardial bedingte Ursachen: Die Ursache liegt in einer Stö-rung in der Erregungsbildung oder der Erregungsleitungdes Reizleitungssystems des Herzens. Zum Beispiel: Herz-infarkt, Herzmuskelerkrankungen, Herzklappenfehler

● Extrakardiale Ursachen: z. B. Hormone, Medikamente oderStörungen des Elektrolythaushalts

Die Folge ist bei allen Ursachen die gleiche und betrifft dieFunktion des Herzens. Besonders gefährlich sind die hämo-dynamisch relevanten Herzrhythmusstörungen, denn siebeeinträchtigen die Kreislauffunktion. So schafft es das Herzz. B. bei tachykarden Störungen nicht mehr, ausreichend Vo-lumen zu fördern. Dies liegt an der zeitlich stark verkürztenFüllungsphase (Diastole) des Herzens und kann in Form desKammerflimmerns sogar zum funktionellen Kreislaufstill-stand führen.

Symptome● oftmals zunächst keine: Viele der an Herzrhythmusstörun-gen erkrankten Patienten merken lange Zeit nichts von ih-rer Erkrankung.

● Herzklopfen, -rasen, -stolpern (Palpitationen) oder Ausset-zer des Herzschlags sprechen für Extraschläge (Extrasysto-len).

● Adam-Stokes-Anfall: Hämodynamisch relevante Herz-rhythmusstörungen können sich in sog. Adam-Stokes-An-fällen zeigen. Dabei kommt es durch akut auftretendeHerzrhythmusstörungen zur Sauerstoffunterversorgungdes Gehirns. Symptomatisch zeigt sich dies vor allem alssog. kardiale Synkopen mit kurzer Bewusstlosigkeit.

DiagnostikHerzrhythmusstörungen zu erkennen ist für die Therapieentscheidend. Insbesondere wenn sie als Komplikation einesHerzinfarkts auftreten, ist es wichtig, dass sie so schnell wiemöglich erkannt werden. Aus diesem Grund werden Patien-ten nach einem Herzinfarkt bzw. Patienten mit unklarenHerzrhythmusstörungen am Monitor-EKG überwacht.

Zur Diagnosefindung bzw. zur Ursachenabklärung vonHerzrhythmusstörungen werden folgende Untersuchungenangewendet:● Ruhe-, Langzeit- und Belastungs-EKG, Eventrekorder(S.891)

● Echokardiografie● Herzkatheteruntersuchung

Es gibt sehr viele verschiedene Herzrhythmusstörungen.Eine genaue Einteilung ist nur mit dem EKG möglich.Grundsätzlich werden dabei die Herzfrequenz und der Herz-rhythmus beurteilt. Um ein Rhythmusereignis zu dokumen-tieren, wird ein Ausdruck des Monitor-EKGs zum Zeitpunktder Rhythmusstörung angefertigt. Die genaue Diagnosestel-lung erfolgt dann durch den Arzt. Die wichtigsten Herz-rhythmusstörungen zeigt ▶Abb. 44.16.

TherapieBradykarde Herzrhythmusstörungen•Die Therapie akuter,bradykarder Herzrhythmusstörungen erfolgt mit Parasym-patholytika (z. B. Atropin) und Sympathomimetika (z. B. Alu-pent). Liegt dagegen eine längerfristige bradykarde Herz-rhythmusstörung vor (z. B. AV-Block III. Grades), ist das Mit-tel der Wahl die Implantation eines Herzschrittmachers.

Tachykarde Herzrhythmusstörungen• Sie werden durch eineganze Gruppe von Antiarrhythmika therapiert. Die Wirkungdieser Medikamente beruht darauf, dass sie die Erregungs-bildung und -leitung beeinflussen. Antiarrhythmika zeigenvereinzelt recht starke Nebenwirkungen, so können sie u. a.erneute Rhythmusstörungen auslösen. Außerdem hemmensie die Schlagkraft des Herzens. Beruht die Herzrhythmus-störung auf einer Elektrolytstörung (meist Kalium), mussdieses Elektrolyt langsam (über Infusionspumpe) und unterständiger Monitorkontrolle verabreicht werden. Es gibt ver-schiedene Gruppen von Antiarrhythmika:● Antiarrhythmika der Klasse I: Natriumkanalblocker● Antiarrhythmika der Klasse II: Betarezeptorenblocker● Antiarrhythmika der Klasse III: Kaliumkanalblocker● Antiarrhythmika der Klasse IV: Kalziumkanalblocker

ACHTUNGAlle Medikamente, die auf den Rhythmus wirken, können wiederumandere Formen von Rhythmusstörungen auslösen. Deshalb ist diePatientenbeobachtung bei Antiarrhythmika besonders wichtig.

Herzschrittmachertherapie

Ein Herzschrittmacher (Pacemaker) ist ein elektrisches Ge-rät, das den Herzrhythmus überwacht und bei Bedarf (inter-mittierend) elektrische Impulse abgibt, die eine Muskelkon-traktion (Herzaktion) erzwingen. Somit wird die Herzfre-quenz beschleunigt, wenn das Herz zu langsam schlägt. AlleHerzschrittmacher bestehen aus mindestens einer Sondeund einem Schrittmacheraggregat. Die Sonden werden überdas venöse System in das rechte Herz vorgeschoben und imVorhof und/oder im Ventrikel fixiert. Man unterscheidetzwischen passageren und permanenten Herzschritt-machern. Zudem gibt es Herzschrittmacher mit einer Defi-brillatorfunktion.

Passagerer Herzschrittmacher

Beim passageren Schrittmacher befinden sich die gesamteSteuerungseinheit sowie die Stromversorgung (Aggregat)außerhalb des Körpers. Die Schrittmachersonde wird ent-weder als Notfallmaßnahme, wie ein zentraler Venenkathe-ter unter sterilen Bedingungen, oder im Rahmen großerHerzoperationen angelegt. Bei diesen großen Herzoperatio-nen werden die Sonden am unteren Pol der Sternotomie-wunde herausgeleitet und manuell an die extrakorporaleBedieneinheit angeschlossen.

Der Patient trägt das Schrittmacheraggregat, ähnlich wiedas Langzeit-EKG, meist um den Hals. Für den Patienten sinddie sichtbaren Sonden und das dazugehörige elektrische Ge-rät oft eine große psychische Belastung. Aus diesem Grundbenötigen viele Patienten intensive Beratung und Anleitungbei allen Aufgaben des täglichen Lebens. Der Patient mussdarauf hingewiesen werden, keine ruckartigen Bewegungendurchzuführen, da dies die Sonden dislozieren kann. Außer-dem müssen die Patienten dauerhaft am Monitor überwachtwerden. Wenn die Indikation für eine Schrittmacherthera-pie nicht mehr gegeben ist (Wirkung des Digitoxins hatnachgelassen, Gefahr der Rhythmusstörung nach OP istnicht mehr gegeben), können die Sonden wieder gezogenwerden.

Permanenter Herzschrittmacher

Implantierter Herzschrittmacher•Beim permanenten Schritt-macher wird das Schrittmacheraggregat implantiert undmeist auf dem großen Brustmuskel (M. pectoralis major) di-

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Abb. 44.16 Herzrhythmusstörungen.

Normalbefund mit gleichmäßigem Sinusrhythmus

Kammerflimmern

Vorhofflimmern

Ventrikuläre Tachykardie

AV-Blockierung

Frequenz:

Puls:Rhythmus:

Vorhöfe sehr tachykard (250–350 Schläge/min), Kammern mit normaler Frequenznormale Frequenz, evtl. arrhythmischarrhythmisch

Akute Lebensgefahr! Alarm auslösen und mit der Reanimation beginnen. Defibrillator für den Arzt vorbereiten bzw. mittels AED selbst defibrillieren.

Pulslos → wie bei Kammerflimmern handeln; Vorhandener Puls → sofort Arzt rufen, Patienten nicht alleine lassen, Defibrillator und Notfallkoffer bereithalten

Frequenz:Puls:Rhythmus:

tachykardkein Puls oder Tachykardiearrhythmisch

•je nach Frequenz mit oder ohne ausreichende Herzfüllung → daher evtl. Herz-Kreislauf-Stillstand• nach Herzinfarkt, Vergiftungen

Arzt verständigen und Patienten überwachen; ggf. medikamentöse Therapie bzw. Herzschrittmacher

Frequenz:Puls:Rhythmus:

normal bis bradykardnormal bis bradykardTyp I – rhythmischTyp II – evtl. arrhythmischTyp III – arrhythmisch

Gefahr des Schlaganfalls durch Bildung von Mikrothromben → auf die korrekte Einnahme der Antikoagulanzien (ASS, evtl. Marcumar) achten

Frequenz:Puls:Rhythmus:

sehr tachykard (250-350 Schläge/min)kein Pulsarrhythmisch

• keine Herzfüllung durch schnelle Tachykardie → Herz-Kreislauf-Stillstand • bei angeborenen Defekten, Vergiftungen, nach Herzinfarkt

• Vorhof flimmert, lässt aber nicht jede Erregung zur Kammer durch → daher Pulsfrequenz oft normal• oft ohne erkennbare Ursache, teilweise nach Herzinfarkt

Übersicht über die wichtigsten Herzrhythmusstörungen im Vergleich zu einem Normalbefund. EKGs aus: Trappe H, Schuster H, Hrsg. EKG-Kursfür Isabel. 7. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2017 905

Erkrankungen des Herzens

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rekt unter der Haut fixiert. Die Anlage eines permanentenHerzschrittmachers ist ein vergleichsweiser kleiner chirurgi-scher Eingriff, der in Lokalanästhesie durchgeführt werdenkann. Im Anschluss an die Operation wird die korrekte Lageüberprüft. Anschließend wird der Patient ggf. noch eine Zeitlang am Monitor überwacht. Schrittmacheraktivitäten sindim EKG als spitze Zacken (Spikes) vor dem QRS-Komplexbzw. vor der P-Welle zu erkennen. Einige Tage nach demEingriff wird die korrekte Elektronik des Aggregats in derSchrittmacherambulanz überprüft. Hier erhält der Patientdann auch seinen Schrittmacherausweis. In diesem sindFunktionsweise und Implantationsdatum eingetragen.

Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator• Patienten, die un-ter lebensgefährlichen ventrikulären Tachykardien oderKammerflimmern leiden oder bei denen ein erhöhtes Risikofür solche Herzrhythmusstörungen besteht (z. B. bei hoch-gradig eingeschränkter Pumpkraft des Herzens), bekommeneinen Defibrillator implantiert (implantierbarer Kardiover-ter-Defibrillator; ICD). Das Gerät misst kontinuierlich dieHerzströme und kann im Falle einer solchen Herzrhythmus-störung sofort eine Defibrillation durchführen.

Spezielle PflegeBeachten Sie die Pflegebasismaßnahmen bei Herzerkran-kungen (siehe Kap. 44.4). Besonderheiten bei der Pflege vonMenschen mit Herzrhythmusstörungen:● Wahrnehmen und Beobachten:– Pulsschläge eine volle Minute zählen, um Herzrhyth-musstörungen erkennen zu können.

– Monitor-/Ruhe-EKG auf Arztanordnung– Bei Monitor-EKG: Alarmgrenzen regelmäßig kontrollie-ren (z. B. 2-mal pro Schicht), die vom Monitor erfasstenRhythmusstörungen ggf. ausdrucken und dem Arzt vor-legen

● Wundmanagement: Bei Menschen mit einem implantier-ten Herzschrittmacher oder Defibrillator muss in den ers-ten Tagen das Wundgebiet beobachtet und der Verbandgewechselt werden.

● Prophylaxen: Prophylaxen werden bedarfsgerecht je nachkörperlichem Zustand angewendet. Menschen, die anHerzrhythmusstörungen leiden, können ein erhöhtesSturzrisiko haben, wenn sie unter Synkopen leiden. Ausdiesem Grund sollten Maßnahmen zur Sturzprophylaxeergriffen werden (S. 400).

● Informieren, Schulen, Anleiten, Beraten: Menschen miteinem implantierten Schrittmacher werden vom Arzt überden Umgang im Alltag mit einem Herzschrittmacher infor-miert. Pflegefachkräfte beantworten offen gebliebene Fra-gen. Menschen mit einem implantierten Schrittmachersollten Folgendes beachten:– „betroffenen“ Arm nicht über Brusthöhe emporheben,um den Heilungsprozess nicht zu behindern (ca. 2 Wo-chen)

– nach ca. 3 Monaten sind sportliche Tätigkeiten möglich,empfohlen wird z. B. Nordic Walking, Wandern oderRadfahren

– Schrittmacherausweis ständig bei sich tragen– regelmäßige Kontrollen beim zuständigen Kardiologen– Symptome einer Schrittmacherinfektion kennen (z. B. lo-kal begrenzte, warme und gerötete Haut, Fieber), in die-sem Fall muss zügig ärztlicher Rat eingeholt werden!

– Vorsicht bei elektronischen Geräten, sie können dieempfindliche Elektronik stören. Dazu zählen starke Mag-netfelder (z. B. MRT, in Rundfunk- und Fernsehanstal-

ten), Metalldetektoren (z. B. Diebstahlsicherungen inKaufhäusern, Sicherheitskontrolle am Flughafen), Han-dys, wenn sie eng am Körper (z. B. in der Hemdtasche)getragen werden, sowie elektrische Heizkissen und gro-ße Lautsprecher

– Das Sicherheitszeichen in ▶Abb. 44.17 verdeutlicht, wosich Menschen mit einem Herzschrittmacher nicht auf-halten sollten.

WISSEN TO GO

Herzrhythmusstörungen

Herzrhythmusstörungen zeigen sich in einer gestörtenHerzfrequenz und/oder Unregelmäßigkeit des Herz-schlags.● Ursache: Störung des Reizbildungs-/Reizleitungssystemsdes Herzens, z. B. durch Herzinfarkt, Herzmuskelerkran-kungen, Medikamente oder Störungen des Elektroly-thaushalts

● Symptome: z. B. Herzklopfen, -rasen, -stolpern, Extra-systolen, Synkopen

● Diagnostik: EKG (Monitor-, Ruhe-, Langzeit- und Belas-tungs-EKG, Eventrekorder), Echokardiografie, Herzkathe-teruntersuchung

● Therapie: Medikamente oder Implantation eines Herz-schrittmachers

● Pflege:– Pflegebasismaßnahmen bei Herzerkrankungen– ggf. Monitorüberwachung– bei der Implantation eines Schrittmachers: Wundma-nagement, Informieren, Schulen, ... zum Umgang imAlltag mit einem Herzschrittmacher

Abb. 44.17 Verbotsschild.

Überall dort, wo dieses Symbol angebracht ist, sollten sich Men-schen mit Herzschrittmachern nicht aufhalten.

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44.7.5 EntzündlicheHerzerkrankungen

Definition Entzündliche HerzerkrankungenJe nachdem, welche Schicht des Herzens entzündet ist, spricht manvon einer Endokarditis (Entzündung der Innenhaut), Myokarditis(Entzündung der Muskelschicht) oder einer Perikarditis (Entzündungdes Herzbeutels).

Ursachen● Akut bakterielle Endokarditis: in die Blutbahn eingedrun-gene Bakterien siedeln sich auf den Herzklappen oder ander Herzinnenhaut ab. (Bakteriämie; meist Streptokokken)→ häufigste Form

● Nicht infektiöse Endokarditis: durch eine Fehlsteuerungdes Immunsystems, z. B. bei Autoimmunerkrankungen, al-lergische Reaktionen oder nach einer Streptokokkeninfek-tion, z. B. einem eitrigen Halsinfekt (Angina)

● Myokarditis/Perikarditis: in die Blutbahn eingedrungeneViren (selten: Pilze, Parasiten, rheumatische Grunderkran-kung). Die Myokarditis kann die Folge eines viralen Infektssein, bei dem sich der Patient zu früh körperlich belastethat.

SymptomeDie Symptome reichen von unspezifischen Allgemeinsymp-tomen wie Abgeschlagenheit und Schwäche bis hin zuschweren septischen Reaktionen mit hohem Fieber und Dys-pnoe. Außerdem kann es zu einem Abriss infektiöserPlaques (septische Embolien) und damit z. B. zum Schlag-anfall kommen. Durch fortschreitende Schädigung des Her-zens und vor allem der Herzklappen kann eine Herzinsuffi-zienz entstehen.

DiagnostikDie Diagnose erfolgt durch die Beobachtung entsprechenderklinischer Symptome und den Nachweis der Erreger in derBlutkultur. Zur Beurteilung der genauen Ausdehnung wirdhäufig eine TEE (S.892) durchgeführt.

Therapie● Antibiotika● symptomatische Unterstützung

Spezielle Pflege● Wahrnehmen und Beobachten: Bei entzündlichen Herz-erkrankungen wird der Fieberverlauf genau überwachtund mindestens 3-mal täglich die Temperatur kontrolliert.Der Patient wird in den verschiedenen Fieberphasen pfle-gerisch unterstützt. Um den Kreislauf durch die erhöhteKörpertemperatur nicht zu belasten, sollte das Fieber aufArztanordnung medikamentös gesenkt werden.

● Mitwirken bei der Therapie: Blutabnahme, insbesonderefür die notwendigen Blutkulturen, vorbereiten und für ei-nen zügigen Transport in das Labor sorgen. Bei einer Peri-karditis wird ggf. eine Punktion durchgeführt (S. 521).

● Medikamentenmanagement: Antibiotikatherapie und un-erwünschte Wirkungen überwachen

● Informieren, Schulen, Anleiten, Beraten: Der Patient solltesich körperlich schonen, um dem Herzen die Ruhe zu ge-währen, die es zum Ausheilen der Entzündung benötigt.

WISSEN TO GO

Entzündliche Herzerkrankungen

● Formen:– Endokarditis = Entzündung der Innenhaut, meist bak-teriell

– Myokarditis = Entzündung der Muskelschicht, meist vi-ral

– Perikarditis = Entzündung des Herzbeutels, meist viral● Symptome: Abgeschlagenheit und Schwäche bis hin zuschweren septischen Reaktionen mit hohem Fieber undDyspnoe

● Komplikationen: Schlaganfall, Herzinsuffizienz, bei Peri-karditis Perikarderguss

● Diagnostik: Symptome, Blutkultur, TEE● Therapie und Pflege:– Antibiotikatherapie– bei Bettruhe Patienten unterstützen, insbesondere beihohem Fieber

– bei Perikarditis ggf. Punktion

44.7.6 Erkrankungen derHerzklappenUrsache, Symptome und DiagnostikHerzklappenfehler können angeboren oder erworben sein.Bei erworbenen Herzklappenfehlern liegt die Ursache meistin einer durchgemachten Endokarditis, einer Arterioskleroseoder einem Herzinfarkt. Herzklappenfehler können grund-sätzlich alle 4 Klappen betreffen und in Form einer Stenose(Verengung) oder Insuffizienz (Verschlussunfähigkeit) vor-liegen.

Der häufigste erworbene Herzklappenfehler ist die Aor-tenklappenstenose, gefolgt von der Mitralklappeninsuffi-zienz. In der Regel führen Herzklappenfehler unbehandeltauf Dauer zu einer Herzinsuffizienz. Die Betroffenen bemer-ken die Erkrankung häufig lange Zeit nicht. Erst wennSymptome einer Dyspnoe auftreten, wird ein Arzt auf-gesucht. Der Arzt stellt den ersten Verdacht anhand einesauffälligen Herzgeräusches in der Auskultation fest. Bestätigtwird die Diagnose dann durch die Echokardiografie.

Therapie und PflegeDie Veränderung der Herzklappe wird engmaschig kontrol-liert. Um ein Fortschreiten der Herzinsuffizienz zu verhin-dern, wird medikamentös therapiert. Bei symptomatischerErkrankung muss langfristig eine neue Herzklappe implan-tiert werden. Teilweise kann dies heutzutage schon über ei-nen Herzkatheter erfolgen, teilweise muss der Thorax eröff-net werden.

Besonders ältere Menschen leiden häufig an einer gering-gradigen Aortenklappenstenose, die nicht behandlungs-bedürftig ist. Wird die Erkrankung dagegen symptomatisch,muss die entstandene Herzinsuffizienz überwacht werden.Bei Herzklappenersatz haben Pflegende wichtige Aufgabenin der perioperativen Betreuung des Patienten (S. 743).

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Erkrankungen des Herzens

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44.7.7 Angeborene HerzfehlerUrsache, Symptome und DiagnostikAngeborene Herzfehler sind häufig und entstehen durchFehler während der embryonalen Herzentwicklung. Sie lie-gen oft kombiniert vor und können sowohl die Herzklappenals auch die Herzwände betreffen. Zu den häufigsten ange-borenen Herzfehlern gehören der Vorhof- und der Ventrikel-septumdefekt sowie die angeborene Aortenklappenstenose.Angeborene Herzfehler kommen bei chromosomalen Stö-rungen (z. B. Trisomie 21 =Down-Syndrom) gehäuft vor.Weitere Ursachen können Infektionen, Medikamentenein-nahme und Drogenkonsum während der Schwangerschaftsein. Häufig lässt sich aber auch keine Ursache finden.

Die Diagnose kann durch hochauflösenden Ultraschallhäufig schon intrauterin gestellt werden.

Therapie und PflegeUm eine normale Entwicklung des Kindes zu gewährleisten,muss teilweise schon wenige Tage nach der Geburt operiertwerden. Kleinere Defekte der Herzwände (z. B. offenes Fora-men ovale) können oftmals schon mittels Herzkatheter ver-schlossen werden. Bei sehr kleinen Defekten ist keine Thera-pie nötig.

Kinder mit angeborenen Herzfehlern haben häufig eineTrinkschwäche, trotzdem stellt das Stillen keine Kontraindi-kation dar. Um die Kinder zu entlasten, werden dem Kindmehrere kleine Mahlzeiten angeboten und ggf. eine Magen-sonde gelegt. Die Pflegeperson beobachtet das Trinkverhal-ten und die Trinkfähigkeit des Kindes, um die Nahrungsauf-nahme entsprechend anzupassen. Sollte Stillen für das Kindzu anstrengend sein, wird die Mutter gebeten, die Mutter-milch abzupumpen. Diese wird dem Kind dann über die Ma-gensonde verabreicht. Zur oralen Befriedigung kann diePflegekraft die Lippen und die Mundhöhle des Kindes mitein paar Tropfen Muttermilch benetzen.

Bezüglich der Therapie übernehmen Pflegende wichtigeAufgaben in der Überwachung des Neugeborenen. Sie ach-ten auf eine evtl. Zyanose, die Herzfrequenz sowie die At-mung. Außerdem übernehmen sie im Falle einer operativenIntervention die perioperative Versorgung des Kindes. DieBegleitung der Eltern spielt eine wichtige Rolle. Die Elternbenötigen Sachinformationen und fachliche Begleitung beider Versorgung ihres Kindes, aber auch empathische Zu-wendung in der emotional belastenden Situation.

Psychosoziale Begleitung•Kinder mit angeborenen Herzfeh-lern und deren Familie benötigen häufig langfristige Betreu-ung. Die Kinder leiden häufig unter einer reduzierten Leis-tungsfähigkeit, die sich auch auf die geistige Leistungsfähig-keit ausdehnen kann, was wiederum zu emotionalen undsozialen Beeinträchtigungen führt. Durch die ständige Angstum das kranke Kind ist das Eltern-Kind-Verhältnis extrembelastet. Geschwister werden häufig zwangsläufig „vernach-lässigt“ und die Paarbeziehung der Eltern kann darunter lei-den. Hier spielen neben einer guten medizinischen Betreu-ung beim Kinderkardiologen weiterführende psychischeund soziale Betreuung des Kindes und der ganzen Familieinkl. Schulbetreuung eine wichtige Rolle.

44.8 Perioperative PflegeDie Herzchirurgie ist ein wichtiger Pfeiler in der Therapieherzkranker Patienten. Lange Zeit galt dabei die Eröffnung

des Brustkorbs (Sternotomie) als unvermeidlich. Seit einigenJahren ist dies nicht mehr zwingend erforderlich, da vielekleinere Eingriffe mittels Herzkatheter (▶Abb. 44.5) oderminimalinvasiv durchgeführt werden können, z. B. Aorten-oder Mitralklappenersatz, Verschluss von Septumdefekten.

Muss das Herz dagegen für die Operation stillstehen, wirdder Thorax auch weiterhin eröffnet, z. B. bei der Operationeines herznahen Aortenaneurysmas (▶Abb. 44.5). Bei dieserOperationstechnik wird das Herz durch eine kaliumreiche(sog. kardioplege) Lösung zum Stillstand gebracht und dieHerz-Lungen-Maschine (kurz: HLM) übernimmt die Blut-oxygenierung (Lungenfunktion) und Pumpfunktion des Her-zens. Um das Herz dabei zu schonen, erfolgt die Operationmeistens in sog. Hypothermie. Der Patient wird auf eineKörpertemperatur von 25–30 °C heruntergekühlt, um dieIschämietoleranz des Gewebes zu erhöhen. Da bei der offe-nen Kardiochirurgie auch die Pleurahöhlen eröffnet werden,wird dem Patienten nach der OP eine Thoraxdrainage ange-legt.

44.8.1 HerzoperationenKoronarer Bypass•Wenn das Herz aufgrund einer koronarenHerzkrankheit nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff ver-sorgt werden kann, kann mithilfe eines koronaren Bypasses(Aorto-Cardialer-Venen-Bypass; kurz: ACVB) die Blutversor-gung des Herzens wiederhergestellt werden. Hierbei verbin-det der Operateur ein herznahes, arterielles Gefäß mit dempoststenotischen Koronarabschnitt, also mit dem Abschnitthinter der Stenose. Der dafür erforderliche Blutleiter wirdder Brustwand (A. mammaria) entnommen. Alternativ kannein venöses Gefäß genutzt werden. Dieses stammt meist ausdem Bein des Patienten (V. saphena magna) und wird vondort in den Brustkorb verpflanzt. Ein koronarer Bypass wirdimmer dann durchgeführt, wenn interventionell (d. h. übereine Herzkatheteruntersuchung) keine ausreichende Eröff-nung der Koronargefäße mehr möglich ist.

Operationen bei erworbenen Herzklappenfehlern•Herzklap-penfehler können sowohl offen chirurgisch als auch bei be-stimmten Indikationen über Herzkatheter operiert werden.Meistens müssen bestimmte Herzklappen aufgrund einerausgedehnten Insuffizienz oder Stenose ausgetauscht wer-den. Als Ersatz werden sowohl biologische Herzklappen(z. B. von Schweinen oder einem verstorbenen Spender) alsauch mechanische Metallklappen verwendet. Die Metall-klappen versprechen eine längere Haltbarkeit. Der Nachteilist, dass Patienten lebenslang Antikoagulanzien einnehmenmüssen. Biologische Klappen haben eine eingeschränkteFunktionsdauer, u. U. muss also ein weiterer Klappenersatzerfolgen.

Herztransplantation und Kunstherz• Laut der Deutschen Stif-tung Organtransplantation (DSO) wurden im Jahr 2018 inDeutschland 318 Herztransplanationen durchgeführt. Men-schen, die auf ein Spenderherz angewiesen sind, müssenhäufig lange warten, bis ein passender Spender gefunden ist.Um bei schwerstkranken Patienten die Wartezeit zu über-brücken, können Herzunterstützungssysteme (Kunstherz,künstliche Herzpumpen) implantiert werden. Dieses künst-liche Herz kann die Herzfunktion so lange unterstützen, bisein geeignetes Spenderorgan gefunden ist. Die Koordinationvon Spenderorganen erfolgt in Deutschland durch die DSOin Frankfurt am Main. Eine Transplantation kann nur in we-nigen großen Herzzentren durchgeführt werden und ist ex-trem aufwendig. In Deutschland gibt es derzeit 27 Zentren,

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an denen Herzen transplantiert werden. Der Patient mussnach der Operation lebenslang immunsupprimierende Me-dikamente einnehmen, um eine Abstoßung zu verhindern.

Operationen bei angeborenen Herzfehlern•Kleinere angebo-rene Herzfehler wie Septumdefekte können zum Teil mittelsHerzkatheter operiert werden. Größere und komplexereHerzfehler benötigen dagegen eine offen chirurgische Ver-sorgung. Beim sog. hypoplastischen Linksherzsyndrom sindsogar mehrere Operationen notwendig. Da implantiertesFremdmaterial nicht mit dem Säugling/Kind mitwächst,muss es im Laufe der Jahre mehrfach ausgetauscht werden.

44.8.2 Präoperative PflegeHerzchirurgische Eingriffe erfordern einen hohen tech-nischen Aufwand und können nur in spezialisierten Klinikenerfolgen. Neben der allgemeinen präoperativen Versorgung(S. 743) sind folgende pflegerische Maßnahmen bei Herz-operationen besonders wichtig:● Patienten müssen postoperative Fertigkeiten einüben, z. B.– Umgang mit der Thoraxdrainage– Bewegungsabläufe und Regeln zur Schonung des Brust-korbs: Arme nicht über Schulterniveau, keine einseitigeBelastung, Aufstehtechniken ohne Drehung des Brust-korbs

– Pneumonieprophylaxe mittels Triflow● kardiologische Untersuchungsberichte bereitlegen, z. B.Echokardiografie, Herzkatheteruntersuchung, EKG

● Eine Rasur (Brust, Abdomen, ggf. Bein) wird nur auf Arzt-anordnung durchgeführt. Laut RKI muss eine Rasur nichtvorgenommenwerden.

Häufig kommen Patienten im Rahmen einer Notfallsituationin die Klinik, sodass keine Zeit zum Einüben von postopera-tiven Fertigkeiten bleibt. In diesem Fall müssen diese Fertig-keiten postoperativ geübt werden.

44.8.3 Postoperative PflegeDie postoperativen Maßnahmen entsprechen den allgemei-nen Maßnahmen nach Operationen (S. 751). Besondere Be-achtung erfordern die Thoraxdrainage (S. 511) und die OP-Wunde. Die Wunde wird (je nach hausinternem Hygiene-standard) bedarfsgerecht, spätestens im 3-Tage-Intervall,aseptisch versorgt.

Sternotomie•Bei der Sternotomie wird das Brustbein durch-trennt, damit der Operateur zum Herzen vordringen kann.Am Ende der Operation wird das Brustbein unter der Hautmit Stahldrähten (Cerclage) verschlossen. Damit das Brust-bein wieder zusammenwachsen kann, ist das strickte Ein-halten der präoperativ eingeübten Bewegungen wichtig.Pflegende müssen den Patienten immer wieder darauf hin-weisen. Allenfalls kann es zur Instabilität des Sternums undzu Wundheilungsstörungen kommen. Besonders adipösePatienten mit Diabetes sind von diesen Komplikationen häu-figer betroffen.

Der Patient sollte darüber informiert werden, dass er überlängere Zeit ein postoperatives Druckgefühl im Brustkorbdurch die Drähte, mit denen der Brustkorb wieder ver-schlossen wurde, empfinden kann. Auch ein Taubheitsgefühlin der linken Brust ist relativ lange normal. Es kann durchdie Entnahme der Brustwandarterie entstehen.

Informieren, Schulen, Anleiten, Beraten•Nach der Entlassungwird der Patient meistens noch durch eine Rehaeinrichtungbetreut. Der Patient sollte darüber informiert sein, dass dasBrustbein 3 Monate benötigt, um wieder voll belastungs-fähig zu sein. Daher sollte er sich auch nach dem Aufenthaltin der Rehaeinrichtung körperlich schonen und auf ruckarti-ge Bewegungen des Brustkorbs verzichten. Die ärztliche Be-treuung erfolgt durch einen niedergelassenen Kardiologen.Grundsätzlich sollten alle Patienten zur Risikoreduktion an-geregt werden. Hier eignen sich Antiraucherprogramme derKrankenkassen und Ernährungsberatung. Um die körper-liche Fitness zu trainieren, sollte der Patient einer Herz-sportgruppe beitreten.

WISSEN TO GO

Perioperative Pflege bei Herz-OPs

Herzoperationen: koronarer Bypass, Operationen bei er-worbenen Herzklappenfehlern, Herztransplantation undKunstherz, Operationen bei angeborenen Herzfehlern● Präoperative Besonderheiten:– postoperative Fertigkeiten einüben, z. B. Bewegungs-abläufe, Umgang mit Thoraxdrainage, Pneumoniepro-phylaxe mittels Triflow

– kardiologische Untersuchungsberichte bereitlegen– Rasur von Brust und Abdomen, ggf. Bein, bei korona-rem Bypass

● Postoperative Besonderheiten: Thoraxdrainage undOP-Wunde (aseptischer Verbandwechsel, spätestens im3-Tage-Intervall). Bei Sternotomie: präoperative einge-übte Fertigkeiten strikt einhalten, (einseitige) Brustkorb-belastung 3 Monate meiden

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Perioperative Pflege

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