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Meiner Familie
-I-
Vorwort
Diese Arbeit wurde im Jahre 2007 von der Juristischen Fakultät der Universität St.Gallen in der
Schweiz als Dissertation angenommen.
Besonders danken möchte ich an dieser Stelle zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr.
Ivo Schwander. Er hat mir von Anfang an Mut gemacht, mir stets hilfreich und unterstützend zur
Seite gestanden sowie jederzeit ein offenes Ohr für Fragen und Probleme gehabt.
Daneben danke ich Herrn Dr. Christoph Leuenberger, LL.M., für die Erstellung des
Zweitgutachtens.
Gleichzeitig gilt mein Dank allen, die mich während der Arbeit an dieser rechtswissenschaftlichen
Untersuchung unterstützt und geduldig begleitet haben. Massgeblich zu nennen ist hier mein Vater
Dr. Jochen Krautter, der mich immer wieder neu motiviert und in jeder Phase des Werkes durch
inhaltliche Diskussionen und ständige Durchsicht des Manuskripts tatkräftig unterstützt hat.
Dafür möchte ich auch vielen lieben Freunden danken, besonders Dr. Christian Schnellecke sowie
Dr. Stephan Deyda.
Gewidmet ist diese Arbeit meiner Familie, die mir den Zugang zur Rechtswissenschaft überhaupt
eröffnet und mir während des Studiums sowie während der Erstellung dieser Dissertation stets
liebevoll unterstützend und grosszügig zur Seite stand.
Dabei schliesse ich meinen Ehemann C. Eduardo Romeiro und meine brasilianische Familie in die
Widmung ein, die mir durch aufmunternde Worte vor allem in der Schlussphase der Arbeit
beigestanden und mich aufmerksam begleitet haben.
In dieser Hinsicht danke ich meiner gesamten Familie.
São Paulo, im Dezember 2007
Julia Krautter Romeiro
-II-
Zusammenfassung
Die Arbeit behandelt das Thema der stillschweigenden Rechtswahl in der Praxis des internationalen
Vertragsrechts. Stillschweigende Rechtswahl ist relevant, wenn bei einem grenzüberschreitenden
internationalen Vertrag von den Parteien nicht ausdrücklich eine Rechtswahl vereinbart wurde. Dann ist
zu prüfen, an welche Rechtsordnung im konkreten Fall angeknüpft werden muss. Dabei steht die Frage
im Vordergrund, aus welchen Umständen sich zuverlässig und zweifelsfrei auf die getroffene
Rechtswahl der Parteien schließen lässt.
Auf europäischer Ebene ist das Problem der stillschweigenden Rechtswahl derzeit durch einen
Staatsvertrag, dem die meisten Mitgliedstaaten der EU angehören – dem Römischen EWG-
Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980
– für Vertragsverhältnisse einvernehmlich geregelt. Die unterschiedlichen nationalen Gerichte sollen bei
gleichen Sachverhalten zur Anwendung derselben nationalen Rechtsordnung geführt werden. Dies ist
vor allem vor dem Hintergrund, dass der nationale Gesetzgeber mit Zunahme des grenzüberschreitenden
Verkehrs immer mehr einem „Wettbewerb“ ausgesetzt ist, wichtig. Die Problematik der
stillschweigenden Rechtswahl gewinnt vor dem Hintergrund einer zunehmenden Internationalisierung
der Geschäftsbeziehungen immer mehr an Bedeutung. Sie ist in der Praxis relevant, da nicht in jedem
internationalen Vertrag eine ausdrückliche Rechtswahl getroffen wird, während aber die Bestimmungen
des Vertrages oder die Umstände des Falles auf einen bestimmten Rechtswahlwillen der Parteien
hindeuten mögen. Besonders für die forensisch tätige Anwaltschaft ist die stillschweigende Rechtswahl
von erheblicher Bedeutung.
In dieser Arbeit soll die Konkretisierung der stillschweigenden Rechtswahl des EVÜ durch die
französische, englische und deutsche Rechtsprechung einerseits sowie die des Restatements of Conflict
of Laws Second im US-amerikanischen Recht andererseits zum Gegenstand dieser Untersuchung
gemacht werden, wobei die einzelnen Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl beleuchtet werden.
Hinsichtlich der stillschweigenden Rechtswahl in den USA wird das Restatement Second untersucht
und geprüft, unter welchen Umständen die USA in der Praxis von einer stillschweigenden Rechtswahl
ausgehen, und ob bzw. inwiefern das Restatement Second hinsichtlich der Regelung der
stillschweigenden Rechtswahl in der Praxis umgesetzt wird und zum gleichen Ergebnis kommt wie das
von den europäischen Staaten in der Praxis umgesetzte EVÜ.
Zugleich wird die rechtliche Einstufung und Behandlung der stillschweigenden Rechtswahl, vor allem
unter dem neuen Gesichtspunkt der europarechtlich veranlassten Änderungen des internationalen
Vertragsrechts, erörtert. Denn erst durch neue, europarechtlich veranlasste Gesetzesvorhaben auf diesem
Gebiet hat das Thema der stillschweigenden Rechtswahl jüngst wieder besondere Aktualität erfahren.
-III-
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung.............................................................................................................................II
Inhaltsverzeichnis............................................................................................................................III
Verzeichnis der Abkürzungen .........................................................................................................X
Einleitung: Problemstellung und Gang der Untersuchung ...........................................................1
1. Kapitel: Das Institut der stillschweigenden Rechtswahl
A. Die stillschweigende Rechtswahl in der EU................................................................................9
I. Die gesetzliche Kodifizierung der stillschweigenden Rechtswahl des
internationalen Vertragsrechts in Europa durch das EVÜ ...............................................9
1. Die stillschweigende Rechtswahl nach dem EVÜ gemäss Art. 3 I S. 2 EVÜ.....9
2. Die Entstehung des EVÜ......................................................................................10
3. Die Auslegung des EVÜ gemäss Art. 18 EVÜ....................................................11
II. Die Rechtslage der stillschweigenden Rechtswahl des internationalen
Vertragsrechts in den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich
vor dem Inkrafttreten des EVÜ ..........................................................................................12
1. Die Rechtslage in Deutschland ............................................................................12
2. Die Rechtslage in England ...................................................................................13
3. Die Rechtslage in Frankreich ..............................................................................13
III. Die stillschweigende Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts
in den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich
seit dem Inkrafttreten des EVÜ ..........................................................................................15
1. Die Rechtslage in Deutschland ............................................................................15
2. Die Rechtslage in England ...................................................................................16
3. Die Rechtslage in Frankreich ..............................................................................16
B. Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie..................................................................................17
I. Die Bedeutung und Tragweite der kollisionsrechtlichen
Parteiautonomie nach dem EVÜ ........................................................................................17
-IV-
II. Die Bedeutung und Tragweite der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie
in den Vertragsstaaten.........................................................................................................19
1. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie
in Deutschland gemäss Art. 27 EGBGB.................................................................19
2. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in England..........19
a) Entwicklung der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie .......................................19
b) Schranken der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie...........................................21
3. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in Frankreich.....22
C. Die ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl
in Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen ....................................................................24
I. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl
in Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen.........................................................24
II. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl gemäss Art. 27 Abs. 1 S. 2
EGBGB in Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen in Deutschland –
unter Berücksichtigung des EVÜ .......................................................................................25
1. Die Schwierigkeiten einer stillschweigenden Rechtswahl ................................25
2. Die Abgrenzung zu dem „hypothetischen Parteiwillen“..................................26
III. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahlerklärung
in Abgrenzung zu dem „hypothetischen Parteiwillen“ in England.................................29
1. Die ausdrückliche Rechtswahl – the express choice of law ..............................29
a) Choice-of-law clauses ............................................................................................29
b) Floating choice-of-law clauses ..............................................................................30
c) Construction clauses ..............................................................................................31
d) Zwischenergebnis ..................................................................................................32
2. Die stillschweigende Rechtswahl –
the implied, implicit or tacit choice of law.............................................................32
3. Das hypothetische Vertragsstatut – the putative proper law...........................34
IV. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahlerklärung in
Abgrenzung zu dem „hypothetischen Parteiwillen“ in Frankreich ................................37
D. Die allgemeinen Voraussetzungen einer Rechtswahl unter Berücksichtigung des EVÜ .....39
I. Vertragsstatut – Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahl......................40
II. Verweisungsvertrag – Zulässigkeit der Rechtswahl ....................................................43
-V-
E. Die stillschweigende Rechtswahl nach den
Grundsätzen der Auslegung von Rechtsgeschäften......................................................................43
2. Kapitel: Problempunkte und Besonderheiten
im Bereich der Rechtswahl unter Einbeziehung des EVÜ
A. Klarstellung des Verhältnisses zwischen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ
und Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 9 EVÜ..................................................................................................45
B. Keine Inhaltskontrolle einer Rechtswahl ..................................................................................45
C. Zulässigkeit von optionalen Rechtswahlklauseln (sog. floating choice-of-law clauses)........46
D. Die stillschweigende negative Rechtswahl ................................................................................47
E. Die stillschweigende Rechtswahl nach dem Haager Übereinkommen
und der Konvention von Mexiko im Vergleich zu der nach dem EVÜ ......................................48
3. Kapitel: Die Praxis der stillschweigenden Rechtswahl
A. Die Praxis der EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich
zur stillschweigenden Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts ......................................53
I. Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis........................................53
II. Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsvereinbarungen..................................................54
1. In Deutschland .....................................................................................................54
a) Fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen ............................................................54
b) Schiedsgerichtsvereinbarungen .............................................................................57
2. In England ............................................................................................................60
3. In Frankreich........................................................................................................67
III. Verhalten im Prozess.....................................................................................................70
1. In Deutschland .....................................................................................................70
a) Prozessverhalten als Indiz für eine nachträgliche Rechtswahl im Prozess............73
aa) Indizienwertung im Parteiprozess .........................................................73
bb) Indizienwertung im Anwaltsprozess.....................................................73
b) Prozessverhalten als Indiz für eine vorprozessuale Rechtswahl............................74
aa) Indizienwertung im Parteiprozess .........................................................74
bb) Indizienwertung im Anwaltsprozess.....................................................74
c) Die Bedeutung der stillschweigenden Rechtswahl im Prozess..............................75
-VI-
d) Kritik und Stellungnahme......................................................................................77
2. In England ............................................................................................................79
3. In Frankreich........................................................................................................83
IV. Erfüllungsort ..................................................................................................................85
1. In Deutschland .....................................................................................................85
2. In England ............................................................................................................87
3. In Frankreich........................................................................................................88
V. Bezugnahme auf eine andere Rechtsordnung ..............................................................89
1. In Deutschland .....................................................................................................89
a) Zitieren von Rechtsvorschriften.............................................................................89
b) Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln ...................................................92
2. In England ............................................................................................................93
a) Zitieren von Rechtsvorschriften.............................................................................93
b) Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln ...................................................94
3. In Frankreich........................................................................................................95
VI. Vertragssprache.............................................................................................................95
1. In Deutschland .....................................................................................................95
2. In England ............................................................................................................97
3. In Frankreich........................................................................................................98
VII. Verwendung von Formularen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen ...............99
1. In Deutschland .....................................................................................................99
2. In England ..........................................................................................................102
3. In Frankreich......................................................................................................103
VIII. Vorherige Vertragspraxis der Parteien..................................................................104
1. In Deutschland ...................................................................................................104
2. In England ..........................................................................................................105
3. In Frankreich......................................................................................................106
IX. Währungsvereinbarung ..............................................................................................106
1. In Deutschland ...................................................................................................107
2. In England ..........................................................................................................108
3. In Frankreich......................................................................................................109
X. Ort des Vertragsschlusses.............................................................................................110
1. In Deutschland ...................................................................................................110
2. In England ..........................................................................................................111
-VII-
3. In Frankreich......................................................................................................111
XI. Ort der Klageerhebung ...............................................................................................113
1. In Deutschland ...................................................................................................113
2. In England und Frankreich ..............................................................................113
XII. Rechtsgültigkeit und Ergänzung ..............................................................................114
1. In Deutschland ...................................................................................................114
2. In England ..........................................................................................................116
3. In Frankreich......................................................................................................118
XIII. Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien ...........................118
1. In Deutschland ...................................................................................................118
2. In England ..........................................................................................................119
3. In Frankreich......................................................................................................120
XIV. Art und Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes .......................................121
1. In Deutschland ...................................................................................................121
2. In England ..........................................................................................................121
3. In Frankreich......................................................................................................122
XV. Widersprüchliche Indizien in allen drei Rechtsordnungen....................................122
XVI. Kumulation schwacher Indizien..............................................................................123
1. In Deutschland ...................................................................................................123
2. In England ..........................................................................................................124
3. In Frankreich......................................................................................................125
B. Die unterschiedlichen sprachlichen Fassungen des EVÜ und ihre Auswirkungen ............125
C. Exkurs: Die stillschweigende Rechtswahl in dem Nicht-EU-Mitgliedstaat Schweiz ..........128
I. Vertragsrecht ..................................................................................................................128
II. Erbstatut ........................................................................................................................130
III. Ergebnis und Lösung ..................................................................................................130
D. Zusammenfassung der Ergebnisse der europäischen Untersuchung...................................130
I. Ergebnisse der Untersuchung der einzelnen Vertragsstaaten ...................................130
1. In Deutschland ...................................................................................................130
2. In England ..........................................................................................................134
3. In Frankreich......................................................................................................135
II. Schlussfolgerungen aus gesamteuropäischer Sicht und Ausblick............................136
-VIII-
4. Kapitel: Die stillschweigende Rechtswahl in den USA
A. Einleitung...................................................................................................................................143
B. Entwicklung ...............................................................................................................................144
I. Die Vested Rights-Theorie .............................................................................................145
II. Die Erie-Doktrin............................................................................................................146
III. Die Governmental Interest Analysis-Theorie ...........................................................147
IV. Der "proper law"-Ansatz............................................................................................148
C. Grundsätze der Rechtswahlmethodik
nach dem Restatement of Conflict of Laws Second....................................................................149
I. Entwicklung ....................................................................................................................151
1. Restatement of Conflict of Laws First (1932) und Second (1971) .................151
2. Die “Center of gravity” oder
“Grouping of contacts”-Theorie des Restatements First....................................152
II. Inhalt des Restatements Second...................................................................................155
1. Charakterisierung..............................................................................................155
2. § 187 des Restatements Second – Rechtswahl .................................................155
a) Die Zulässigkeit der Rechtswahl – § 187 Abs. 1 Restatement Second ...............155
b) Die Grenzen der Rechtswahl – § 187 Abs. 2 Restatement Second .....................157
c) Die ausdrückliche Rechtswahl.............................................................................159
aa) Choice-of-law clause...........................................................................160
bb) Choice-of-law clause in Kombination mit
Gerichtsstands- oder Schiedsgerichtsklauseln ..........................................161
d) Die stillschweigende Rechtswahl und der hypothetische Parteiwille..................162
3. Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis .........................166
a) Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklausel ........................................................166
b) Das Verhalten der Parteien im Rechtsstreit .........................................................172
c) Die Spezifikation des Erfüllungsortes .................................................................173
d) Bezugnahme auf ein anderes Recht oder einen anderen Vertrag ........................173
e) Vertragssprache....................................................................................................174
f) Rechtsgültigkeit und Ergänzung ..........................................................................174
g) Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien ............................176
h) Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes....................................................176
i) Ort des Vertragsschlusses.....................................................................................176
-IX-
D. Ergebnis der US-amerikanischen Untersuchung und Ausblick ...........................................177
5. Kapitel: Gegenüberstellung der Ergebnisse der europäischen und
amerikanischen Untersuchung und Schlussfolgerung
A. Gegenüberstellung der Ergebnisse ..........................................................................................179
B. Schlussfolgerung........................................................................................................................183
-X-
Verzeichnis der Abkürzungen
a.A. anderer Ansicht ABl. EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Abs. Absatz A.C. Law Reports, Appeal Cases AcP Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen al. alinéa All ER All England Law Reports Am. J. Comp. L. American Journal of Comparative Law Anm. Anmerkung App. Cour d` Appell (Frankreich) Art. Artikel AWD Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters BAG Bundesarbeitsgericht BauR Baurecht Bd. Band bespr. besprochen BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGE Bundesgerichtsentscheid BGH Bundesgerichtshof BGHZ Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in
Zivilsachen BT-Drucks. Bundestagsdrucksache B. Y. U. L. Rev. Brigham Young University Law Review bzw. beziehungsweise Cass. Cour de Cassation Cass.civ. Cour de Cassation, Chambre civile Ch. Chapter Ch.D. Law Reports, Chancery Division Chi.-Kent L. Rev. Chicago Kent Law Review Clunet Journal du droit international COGSA Carriage of Goods By Sea Act Co. Company Col. L. Rev. Columbia Law Review Corn. L. Rev. Cornell Law Review DB Der Betrieb ders. derselbe ECJ European Court of Justice EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einl. Einleitung EU Europäische Union EuGH Europäischer Gerichtshof EVÜ Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche
Schuldverhältnisse anzuwendende Recht v. 19. Juni 1980 EWG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWiR Europäisches Wirtschaftsrecht
-XI-
FAA Federal Arbitration Act ff. Folgende Fn. Fussnote FS Festschrift ggf. gegebenenfalls Harv. L. Rev. Harvard Law Review Hrsg. Herausgeber I.C.L.Q. International Comparative Law Quarterly i. d. S. in diesem Sinne Int.VertrR Internationales Vertragsrecht Iowa L. Rev. Iowa Law Review IPRax Praxis des internationalen und ausländischen Privatrechts IPRG Bundesgesetz über das internationale Privatrecht in der Schweiz IPRspr. Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des internationalen
Privatrechts i. S. d. im Sinne des iVm in Verbindung mit J.C.P. La Semaine Juridique J.D.I. Journal du droit international (Clunet) J. Int` l. Arb. Journal of International Arbitration Int`l Law. The International Lawyer Int. Comp. L. Q. International Comparative Law Quarterly Jura Jura, Juristische Ausbildung JurBüro Juristisches Büro JuS Juristische Schulung JZ Juristenzeitung K.B. Law Reports, King`s Bench Ltd. Limited Lloyd`s Rep. Lloyd`s Law Report L. Q. R. Law Quarterly Report MDR Monatsschrift für Deutsches Recht Md. L. Rev. The Maryland Law Review Mercer L. Rev. Mercer Law Review Miami L. Q. Miami Law Quarterly Mich. L. Rev. Michigan Law Review Mod. L. Rev. Modern Law Review m.w.N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift N. Y. U. L. Rev. New York University Law Review OLG Oberlandesgericht Q.B. Law Reports, Queen`s Bench Q.B.D. Queens Bench Division RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Rev.crit.dr.int.pr. Revue critique de droit international privé Rev.de dr.int.priv. et de dr. pénal int.
Revue de droit international privé et de droit pénal international RGZ Amtliche Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der Internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer S. Seite, Satz
-XII-
sec. Section(s) s.o. siehe oben Slg. Sammlung TransportR Transportrecht UCC Uniform Commercial Code U. Chi. L. Rev. University of Chicago Law Review UCLA L. Rev. UCLA Law Review United States L. Rev. United States Law Review v. versus (in englischen Entscheidungen) Va. J. Int`l L. Virginia Journal of International Law VersR Versicherungsrecht vgl. vergleiche Vol. Volume Vorb. Vorbemerkung VuR Verbraucher und Recht W.L.R. Weekly Law Reports WM Wertpapier-Mitteilungen z.B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Recht ZIP Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis ZPO Zivilprozessordnung ZvglRW Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft ZVR Zeitschrift für Verkehrsrecht
-1-
Einleitung: Problemstellung und Gang der Untersuchung
Die vorliegende Arbeit behandelt die stillschweigende Rechtswahl in der Praxis für den Bereich
des internationalen Vertragsrechts. Dabei handelt es sich um ein Thema, dem bislang keine
besondere Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Dies überrascht insoweit, als im Rahmen der
Entwicklung des Europarechts das internationale Vertragsrecht1 wieder stärker in das Blickfeld
der wissenschaftlichen Diskussion geraten ist. Wenn bei einem grenzüberschreitenden
internationalen Vertrag von den Parteien nicht ausdrücklich eine Rechtswahl vereinbart wurde,
ist zu prüfen, an welche Rechtsordnung im konkreten Fall angeknüpft werden muss. Dabei
bedarf es der Untersuchung, unter welchen Voraussetzungen eine stillschweigende Rechtswahl
in Betracht kommt und ob diese zulässig und wirksam ist.
Die besondere Problematik der stillschweigenden Rechtswahl liegt nicht in dem Institut der
stillschweigenden Rechtswahl an sich, sondern in seiner praktischen Anwendung. Die
stillschweigende Rechtswahl soll deshalb im Rahmen einer rechtsvergleichenden Darstellung
für die Länder Deutschland, England und Frankreich sowie für die USA untersucht werden.
Dabei steht die Frage im Vordergrund, aus welchen Umständen sich zuverlässig und
zweifelsfrei auf die getroffene Rechtswahl der Parteien schließen lässt.
Auf europäischer Ebene ist das Problem der stillschweigenden Rechtswahl derzeit durch einen
Staatsvertrag, dem die meisten Mitgliedstaaten der EU angehören – dem Römischen EWG-
Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19.
Juni 1980 (im Folgenden EVÜ genannt)2 – für Vertragsverhältnisse einvernehmlich geregelt.
Das EVÜ soll durch die von ihm bewirkte Vereinheitlichung die Rechtsfindung erleichtern und
die Rechtssicherheit erhöhen. Soweit das EVÜ Rechtswahlfreiheit einräumt (Art. 3 EVÜ),
erkennt es implizit die Gleichwertigkeit der verschiedenen Schuldrechtsordnungen an.3 Die
unterschiedlichen nationalen Gerichte sollen bei gleichen Sachverhalten zur Anwendung
derselben nationalen Rechtsordnung geführt werden. Dies ist vor allem vor dem Hintergrund,
1 Vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003 (KOM (2002) 654 endg.). 2 Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Europäisches (Schuld-) Vertragsübereinkommen von Rom, EVÜ) vom 19. Juni 1980, AblEG 1980 Nr. L 266 S. 1= BGBl. 1986 II S. 810; vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 3Armbrüster, RabelsZ 60 (1996), S. 72 (89, 90); Grundmann, JuS 2001, S. 946 (950).
-2-
dass der nationale Gesetzgeber mit Zunahme des grenzüberschreitenden Verkehrs immer mehr
einem „Wettbewerb“ ausgesetzt ist, wichtig. Wenn eine Frage europaweit harmonisiert ist,
können sich europäische Konkurrenten untereinander, obwohl Rechtswahlfreiheit besteht und
Recht somit grundsätzlich abgewählt werden kann, zumindest nicht nationale strengere Regeln
entgegenhalten.
Das EVÜ bildet das Modell für ähnliche Vereinheitlichungsbestrebungen in Nord- und
Südamerika4, worauf im 2. Kapitel genauer eingegangen wird. Es bietet nur wenige Regeln für
das europäische Vertragsrecht, und zwar vor allem für entgeltliche Sach- und Dienstleistungen.
Für den außervertraglichen Bereich bestehen hingegen keine Regeln.5
Die Problematik der stillschweigenden Rechtswahl gewinnt vor dem Hintergrund einer
zunehmenden Internationalisierung der Geschäftsbeziehungen immer mehr an Bedeutung. Sie
ist in der Praxis relevant, da nicht in jedem internationalen Vertrag eine ausdrückliche
Rechtswahl getroffen wird, während aber die Bestimmungen des Vertrages oder die Umstände
des Falles auf einen bestimmten Rechtswahlwillen der Parteien hindeuten mögen.6 Besonders
für die forensisch tätige Anwaltschaft ist die stillschweigende Rechtswahl von erheblicher
Bedeutung.7
Soweit sich aus dem Sachverhalt ein Erklärungstatbestand für eine Rechtswahl entnehmen
lässt, ist zur Ausforschung des realen Willens der Parteien zu klären, worin der Grund für das
Schweigen über eine Rechtswahl liegt: Die Parteien könnten erstens die Verbindung des
Sachverhalts zum ausländischen Recht verkannt haben oder zumindest nicht gewusst haben,
dass sie die Rechtsanwendungsfrage durch Rechtswahl lösen können. Sie könnten es auch
schlicht vergessen haben. Zweitens könnten sie bewusst oder unbewusst geschwiegen haben,
obwohl sie eine Rechtswahl wollten, um sich bezüglich des anwendbaren Rechts nicht festlegen
zu müssen. Sie könnten folglich aus taktischen Gründen geschwiegen haben. Drittens könnte es
sein, dass den Parteien zwar die Auslandsberührung, aber nicht die kollisionsrechtliche
Relevanz einer Rechtswahl bekannt war, sie zumindest nicht von der objektiven Anknüpfung
abweichen wollten. Vielfach erscheint die Einigung über das anwendbare Recht auch als von
vornherein aussichtslos oder die Verhandlungen über eine Rechtswahl sind ganz einfach
gescheitert. Ebenso unterbleibt eine Rechtswahl oft, weil der Vertragsabschluss nicht durch
4 Arroyo, Rev.crit.dr.int.priv. 1995, S. 178 ff.; Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.priv. 84 (1995), S. 250 ff.; Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), S. 381 ff. 5 Jayme, IPRax 1986, S. 265; Kropholler, S. 60; Martiny/ Witzleb-Drobnig, Europäisches Zivilgesetzbuch, S. 117. 6 Morris, Ch. 13. 7 So auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193).
-3-
Beharren auf der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts gefährdet werden soll und die
Parteien darauf vertrauen, dass alles schon gut gehen werde.8
In dieser Arbeit soll die Konkretisierung der stillschweigenden Rechtswahl des EVÜ durch die
französische, englische und deutsche Rechtsprechung einerseits sowie die des Restatements of
Conflict of Laws Second (im Folgenden Restatement Second genannt) im US-amerikanischen
Recht andererseits zum Gegenstand dieser Untersuchung gemacht werden.
Hinsichtlich der amerikanischen Lösungsansätze zur stillschweigenden Rechtswahl erhebt die
Arbeit allerdings nicht den Anspruch, diese umfassend den europäischen rechtsvergleichend
gegenüberzustellen. Ein solches Unterfangen würde den Umfang dieser Arbeit sprengen: Die
diesbezüglichen Lösungsvorschläge sind im amerikanischen Internationalen Privatrecht durch
eine ausgesprochene Vielfalt gekennzeichnet und bieten kein einheitliches Bild9, sondern
zerfallen vielmehr in verschiedene Richtungen.10 Im Folgenden wird daher lediglich das
Restatement Second untersucht und geprüft, unter welchen Umständen die EU-Mitgliedstaaten
bzw. die USA in der Praxis von einer stillschweigenden Rechtswahl ausgehen, und ob bzw.
inwiefern das EVÜ bzw. das Restatement Second hinsichtlich der Regelung der
stillschweigenden Rechtswahl in der Praxis umgesetzt werden und sie zum gleichen Ergebnis
kommen.
Zugleich wird die rechtliche Einstufung und Behandlung der stillschweigenden Rechtswahl, vor
allem unter dem neuen Gesichtspunkt der europarechtlich veranlassten Änderungen des
internationalen Vertragsrechts, erörtert.
Besondere Aktualität erhielt das Thema jüngst durch das Grünbuch11 über die Umwandlung des
Römischen EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende
Recht vom 19. Juni 198012 in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung.
Das Grünbuch wurde von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am
8 Zu den genannten Gründen: Fudickar, S. 2 f.; Mitterer, S. 66 f.; Schack, NJW 1984, 2736; Schulze, S. 43. 9 Juenger, NJW 1973, 1521 (1523 Fn 23); Mühl, S. 22, 31 ff.; Peterson, S. 84 ff.; Staudinger-Firsching, Vorb. zu Art. 27-37 Rn. 137; vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 1999, 327 ff. 10 Vgl. Mühl, S. 22, 31 ff.; Peterson, S. 84 ff.; Staudinger-Firsching, Vorb. zu Art. 27-37 Rn. 137; vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 1999, 327 ff. 11 Vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 12 Römisches EWG-Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Europäisches (Schuld-) Vertragsübereinkommen von Rom, EVÜ) vom 19. Juni 1980, AblEG 1980 Nr. L 266 S. 1= BGBl. 1986 II S. 810; vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.
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14.1.2003 in Form von 20 kommentierten Fragen vorgelegt. Die Kommission hat in den Fragen
Anregungen formuliert, ansonsten aber Spielraum gelassen. Mit Schreiben vom 30.01.2003 hat
das Bundesministerium der Justiz zu Antworten und Stellungnahmen zum Grünbuch bis zum
15.09.2003 aufgefordert, wovon die deutsche Rechtswissenschaft erheblich Gebrauch gemacht
hat. Ziel des Grünbuchs ist es, sich Informationen zu verschaffen, ob und inwiefern das derzeit
geltende internationale Privatrecht hinsichtlich der Frage des anwendbaren Vertragsrechts in
der Praxis überhaupt Anwendung findet und wo sich Probleme zeigen. Es skizziert den
derzeitigen Stand des internationalen Vertragsrechts in Europa, weist auf Unzulänglichkeiten
des geltenden Rechts hin und stellt mögliche Neuerungen zur Diskussion.
Die im Grünbuch gestellte Frage hinsichtlich der stillschweigenden Rechtswahl geht dahin, ob
ein künftiges „Rom I“-Instrument eine genauere Definition der stillschweigenden Rechtswahl
enthalten sollte oder – angenommen das Übereinkommen werde in ein
Gemeinschaftsinstrument umgewandelt – durch die Zuständigkeitsübertragung an den
Gerichtshof eine hinreichende Rechtssicherheit gewährleistet wird (Frage 9 im Grünbuch Punkt
3.2.4.).
Die meisten Interessierten13, die eine Stellungnahme abgaben, sprachen sich aus Gründen der
Rechtssicherheit und Stabilität der Rechtsbeziehungen sowie der Erleichterung und Belebung
des Geschäftsverkehrs für die Überlegungen zur Aktualisierung der Vorschriften des
Übereinkommens von Rom sowie deren Umwandlung in ein Gemeinschaftsinstrument aus. Sie
halten eine genauere Definition der stillschweigenden Rechtswahl für erforderlich.
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände14 sowie die Handelsverbände15
hingegen lehnen jegliche Einschränkung der Regelung der stillschweigenden Rechtswahl in
Artikel 3 EVÜ und somit auch eine Festlegung von Mindestvoraussetzungen für die Annahme
einer stillschweigenden Rechtswahl ab. Der Deutsche Richterbund schlägt vor, Beispielsfälle
aufzustellen, in denen eine stillschweigende Rechtswahl anzunehmen ist oder auch negative
Beispiele zu nennen.16
13 Vgl. z.B. die Bundesrechtsanwaltskammer; Arbeitsgruppe des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg; Österreichische Bundesarbeitskammer; Rechtsanwaltskammer Wien. 14 Stellungnahme der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) von Juli 2003. 15 Gemeinsame Stellungnahme des Bundesverbands des Deutschen Gross- und Aussenhandels (BGA), der Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb (CDH) und des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels zum Grünbuch von Mai 2003. 16 Stellungnahme des Deutschen Richterbundes zum Grünbuch von Mai 2003.
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Die Problemfelder der stillschweigenden Rechtswahl in der Praxis sollen im Folgenden im
Zusammenhang mit den einschlägigen Rechtsmaterien beleuchtet werden, wobei
Lösungsvorschläge angeboten werden.
Die Arbeit ist in 5 Kapitel aufgeteilt:
Im ersten Kapitel wird das Institut der stillschweigenden Rechtswahl unter historischen,
vertragsrechtlichen und europarechtlichen Aspekten untersucht. Dazu wird auf die
stillschweigende Rechtswahl im Allgemeinen eingegangen (Abschnitt A). Die weiteren
Ausführungen beziehen sich auf die Parteiautonomie (Abschnitt B) und die ausdrückliche oder
stillschweigende Rechtswahl in Abgrenzung zum hypothetischen Parteiwillen (Abschnitt C). Es
werden zudem die allgemeinen Voraussetzungen einer Rechtswahl herausgestellt (Abschnitt D)
und es wird die stillschweigende Rechtswahl nach den Grundsätzen der Auslegung von
Rechtsgeschäften untersucht (Abschnitt E).
Im zweiten Kapitel werden die sich unter anderem aus dem EVÜ ergebenden, offenen Fragen
bzw. Problempunkte und Besonderheiten im Bereich der Rechtswahl behandelt. Anfangs
erfolgt eine Klarstellung des Verhältnisses zwischen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und Art. 3 Abs. 4
iVm Art. 9 EVÜ (Abschnitt A). Dann werden das Fehlen einer Inhaltskontrolle für eine
Rechtswahl (Abschnitt B) sowie die Zulässigkeit von optionalen Rechtswahlklauseln (sog.
Floating choice-of-law clauses) beleuchtet (Abschnitt C). Abschliessend wird die
stillschweigende negative Rechtswahl (Abschnitt D) und die stillschweigende Rechtswahl nach
dem Haager Übereinkommen und der Konvention von Mexiko im Vergleich zu der nach dem
EVÜ untersucht (Abschnitt E).
Im dritten Kapitel wird die Praxis der stillschweigenden Rechtswahl behandelt. Der eindeutige
Schwerpunkt wird in diesem Zusammenhang auf der Praxis der EU-Mitgliedstaaten
Deutschland, England und Frankreich zu der stillschweigenden Rechtswahl im internationalen
Vertragsrecht liegen (Abschnitt A). Anhand einer rechtsvergleichenden Auswertung der
französischen, englischen und deutschen Rechtsprechung unter Einbeziehung der jeweiligen
Literatur wird festgestellt, bei welchen Indizien man in der Praxis der jeweiligen
Rechtsordnung zu der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl gelangt. Es wird zudem
geprüft, ob diese Annahme einerseits mit der gesetzlichen Grundlage des jeweiligen
Vertragsstaates und andererseits mit der Rechtslage in den übrigen Vertragsstaaten des EVÜ
übereinstimmt. Schließlich werden die unterschiedlichen sprachlichen Fassungen der
stillschweigenden Rechtswahl des EVÜ und ihre Auswirkungen beleuchtet (Abschnitt B).
Folgend wird in einem Exkurs auf die stillschweigende Rechtswahl in der Schweiz als Nicht-
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EU-Mitgliedstaat eingegangen (Abschnitt C). Anschliessend erfolgt eine Zusammenfassung der
Ergebnisse der europäischen Untersuchung, wobei die Ergebnisse in den einzelnen
Vertragsstaaten dargestellt und anschliessend vergleichend bewertet werden (Abschnitt D).
Das vierte Kapitel handelt von der stillschweigenden Rechtswahl in den USA. Ausgehend von
einer kurzen Einführung in das amerikanische Kollisionsrecht (Abschnitt A), werden sowohl
die Entwicklung (Abschnitt B) als auch die Grundsätze der Rechtswahlmethodik nach dem
Restatement of Conflict of Laws Second vor dem Hintergrund der stillschweigenden
Rechtswahl untersucht (Abschnitt C). Danach werden das Ergebnis der US-amerikanischen
Untersuchung und ein Ausblick dargestellt (Abschnitt D).
Im fünften Kapitel werden die Ergebnisse der europäischen und der amerikanischen
Untersuchung zusammenfassend gegenübergestellt und die Schlussfolgerungen im Hinblick auf
die in der Einleitung gestellten Fragen gezogen.
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Erstes Kapitel: Das Institut der stillschweigenden Rechtswahl
A. Die stillschweigende Rechtswahl in der EU
Zunächst soll die stillschweigende Rechtswahl in Europa dargestellt werden. Deshalb wird die
gesetzliche Kodifizierung der stillschweigenden Rechtswahl in Europa durch Art. 3 Abs. 1 S. 2
EVÜ sowie die Entstehung und Auslegung des EVÜ untersucht. Es wird hinsichtlich der
Konkretisierung der stillschweigenden Rechtswahl durch die Rechtsprechung beispielhaft die
Rechtslage in den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich rechtsvergleichend
überprüft. Dabei wird auf die Rechtslage in den verschiedenen Mitgliedstaaten sowohl vor als
auch seit dem Inkrafttreten des EVÜ eingegangen.
I. Die gesetzliche Kodifizierung der stillschweigenden Rechtswahl des internationalen
Vertragsrechts in Europa durch das EVÜ
Das EVÜ schafft in der Europäischen Gemeinschaft einheitliche Kollisionsnormen für
vertragliche Schuldverhältnisse. Es stellt einen äußeren Entscheidungseinklang in der
Europäischen Gemeinschaft her durch das aktive Verändern des Rechts verschiedener
souveräner Staaten, die Beseitigung von Rechtsunterschieden und verfolgt das Ziel, einem
sogenannten “forum shopping“ (der Suche nach einem günstigen Gerichtsstand) vorzubeugen.
Es zeichnet sich durch seinen erga omnes-Charakter aus, Art. 2 EVÜ, das heißt seine Geltung
hängt nicht vom Wohnsitz der betroffenen Personen in einem Vertragsstaat oder deren
Staatsangehörigkeit ab, und setzt das autonome Altkollisionsrecht der Mitgliedstaaten außer
Kraft.17
1. Die stillschweigende Rechtswahl nach dem EVÜ gemäss Art. 3 I S. 2 EVÜ
Die stillschweigende Rechtswahl ist auf europäischer Ebene durch Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ
geregelt. Gemäss Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ muss die Rechtswahl nach der deutschen Fasssung
des EVÜ „ausdrücklich sein oder sich mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des
Vertrages oder aus den Umständen des Falles ergeben“.
17 Vgl. dazu Brulhart, S. 90 Nr. 190.; Drobnig, Ein Vertragsrecht für Europa, FS Steindorff, S. 1141 f.; Kost, S. 25; Mankowski, IPRax 1995, 230 (231); Taupitz, S. 2 f.
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2. Die Entstehung des EVÜ
Ausgangspunkt der Entstehung des EVÜ war im Jahre 1967 ein Anliegen Belgiens im Namen
der Regierungen der Benelux-Länder an die Kommission, wonach im Bereich der damaligen
europäischen Gemeinschaft eine vereinheitlichte Kodifizierung der Kollisionsnormen in Bezug
auf vertragliche Schuldverhältnisse vorgenommen werden sollte, um Rechtssicherheit und
Voraussehbarkeit hinsichtlich des anwendbaren Rechts zu schaffen.18 Die Vereinheitlichung
erfolgte weder in Form einer Richtlinie noch einer Verordnung, sondern durch einen
völkerrechtlichen Vertrag.19 Das Übereinkommen wurde von zwei Mitgliedern einer
Expertengruppe, den Professoren Giuliano (Mailand) und Lagarde (Paris) in einem „Bericht“
erläutert, der ebenfalls veröffentlicht wurde.20
Inzwischen ist das EVÜ, das am 1.4.1991 in Kraft trat21, von fast allen EU-Mitgliedstaaten in
innerstaatliches Recht umgesetzt worden. Nach Art. 27 Abs. 1 EVÜ gilt das EVÜ für das
europäische Hoheitsgebiet der Vertragsstaaten einschließlich des gesamten Hoheitsgebiets der
Französischen Republik, jedoch nur, soweit die Staaten es ratifiziert haben. Die Vorschriften
des Übereinkommens sind auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden, wobei es sich stets
um einen Sachverhalt mit Bezug zum Recht verschiedener Staaten gemäss Art. 1 Abs. 1 EVÜ
handeln muss.22 Da Art. 1 Abs. 1 EVÜ nur einen Bezug zum Recht eines anderen Staates für
die Anwendbarkeit des EVÜ verlangt, ist ein über die Rechtswahl hinausgehender
Auslandsbezug für die Zulässigkeit der Rechtswahl nicht erforderlich.23 Weiterhin wird der
18 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl.EG 1980 Nr. C 282 S. 4; Firsching, IPRax 1981, 37; Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (59); Benelux-IPR Entwurf vom 11.5.1951, abgedruckt bei Makarov, Quellen des IPR, S. 125 f.; MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 10 ff.; North, Essays, S. 29; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 1. 19 Das EVÜ ist heute die einzige Materie im europäischen internationalen Privatrecht, die noch die Form eines völkerrechtlichen Vertrages hat, weshalb unter anderem die Möglichkeit der Umwandlung in ein Gemeinschaftsinstrument in Betracht gezogen wird, vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 20 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl.EG 1980 Nr. C 282/ S. 1-47; Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (59); MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 7. 21 Bekanntmachung vom 12.7.1991, BGBl. 1991 II S. 871; vgl. auch MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 7 ff.; Plender, S. 1. 22 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: Abl.EG 1980 Nr. C 282 S. 10; Firsching, IPRax 1981, 37 (38); v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 2 f.; Kost, S. 14; MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 9, 11; vgl. North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 223; Plender, S. 47; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 12, 61; Schwimann, S. 103 f. 23 So auch schon vor und unabhängig von dem Inkrafttreten des EVÜ: Brulhart, S. 369 Nr. 6 spricht davon, dass die kollisionsrechtliche Rechtswahl nur bei einem internationalen Vertrag möglich ist; vgl. auch Dicey/ Morris, S. 1214; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 2 f., 5; North, S. 3, 9; Plender, S. 47 f.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 5.
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Anwendungsbereich durch Art. 1 Abs. 2 EVÜ eingeschränkt, der eine Aufzählung von Fällen
enthält, in denen die Vorschriften dieses Übereinkommens nicht anzuwenden sind.24
3. Die Auslegung des EVÜ gemäss Art. 18 EVÜ
Gemäss Art. 18 EVÜ sind die Vorschriften des EVÜ, mithin auch die Bestimmung über die
stillschweigende Rechtswahl gemäss Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ, in den Vertragsstaaten des EVÜ
einheitlich auszulegen und anzuwenden. Art. 18 EVÜ bestimmt, dass bei der Auslegung eines
internationalen Übereinkommens seinem internationalen Charakter Rechnung zu tragen ist und
die Vorschriften des Übereinkommens mithin bei ihrer gerichtlichen Auslegung nicht mit rein
innerstaatlichen Rechtsvorschriften gleichgesetzt werden können.25
Vor diesem Hintergrund ist die stillschweigende Rechtswahl gemäss Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ zu
untersuchen.
Der vor allem in Deutschland verwendete und anerkannte Begriff der „stillschweigenden“
Rechtswahl wurde nicht in der deutschen Fassung des EVÜ verwendet. Statt eines
feststehenden Begriffes kodifizierte man eine vermeintlich neutrale Umschreibung
„hinreichende Sicherheit“ in Art. 3 I S. 2 EVÜ, die dann in den verschiedenen sprachlichen
Fassungen des EVÜ – wie sich auch noch anhand einer Untersuchung der Rechtsprechung
herausstellen wird – unterschiedliche Akzentuierungen erfahren hat: Während in Deutschland
eine „hinreichende Sicherheit“ gefordert wird, setzt die englische Fassung eine „reasonable
certainty“ fest und die französische Fassung spricht von „de façon certaine“. Der Wortlaut der
authentischen Fassungen des EVÜ geht bezüglich der „hinreichenden Sicherheit“ auseinander.
Das Bestreben nach einer einheitlichen Rechtspraxis wird dadurch erschwert.26 Als Folge
beurteilen Literatur und Rechtsprechung der verschiedenen Vertragsstaaten die
Voraussetzungen für eine stillschweigende Rechtswahl kontrovers.27
24 Vgl. dazu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; Martiny/ Witzleb-Schwartze, Die Europäisierung des Privatrechts am Beispiel des Kaufrechts, S. 47; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 7 ff. 25 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: Abl.EG 1980 Nr. C 282 S. 38; so ähnlich auch Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 ff; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694 f.); Plender, S. 49. 26 Anders Mitterer, der der Meinung ist, das Bestreben nach einer einheitlichen Rechtspraxis sei der Grund dafür, dass man statt des feststehenden Begriffes „stillschweigende Rechtswahl“ in das EVÜ eine neutrale Umschreibung wie „hinreichende Sicherheit“ aufnahm, S. 55, diese Ansicht ist jedoch sehr zweifelhaft, denn eine einheitliche Auslegung und Anwendung einer Vorschrift kann schließlich viel einfacher erreicht werden, wenn sich die Vorschrift durch den feststehenden Begriff „stillschweigende Rechtswahl“ auszeichnet als durch angeblich „neutrale Umschreibungen“, die dann aber in den verschiedenen Rechtsordnungen unterschiedlich ausgelegt bzw. ausgefüllt werden. 27 Vgl. unter 3.Kapitel A.I. und 4.Kapitel C.II.3.
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Ausgangspunkt für eine Auslegung des Parteiverhaltens hinsichtlich einer stillschweigenden
Rechtswahl ist grundsätzlich der Wortlaut – soweit vorhanden – der fraglichen Erklärung, um
durch dessen Auslegung den wirklichen Willen der Vertragspartner zu erforschen. In einem
zweiten Auslegungsschritt sind die außerhalb des Erklärungsaktes liegenden Begleitumstände
mit einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.28 Es gilt
im Rahmen der Bestimmung der stillschweigenden Rechtswahl durch Auslegung primär
herauszufinden, ob die Parteien überhaupt eine Rechtswahl treffen wollten. In einem zweiten
Schritt ist zu untersuchen, welches anwendbare Recht die Parteien, die sich in einer bestimmten
Weise verhalten haben, im Einzelfall wollten.29 Zudem ist der Norminhalt, der sich nach dem
Bedeutungszusammenhang erschließt, sowie die Entstehungsgeschichte und der Sinn und
Zweck der Norm, an die das Verhalten der Parteien rechtlich angeknüpft werden kann, zu
untersuchen.30 Diese Punkte sind bei der Untersuchung der Konkretisierung der
stillschweigenden Rechtswahl durch die Rechtsprechung zu berücksichtigen.
II. Die Rechtslage der stillschweigenden Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts in
den EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich vor dem Inkrafttreten des
EVÜ
1. Die Rechtslage in Deutschland
Das internationale Schuldvertragsrecht war bis zu der Reform im Jahre 1986 gesetzlich nicht
geregelt. Gesetzliche Grundlage des deutschen Internationalen Privatrechts sind seit einer
teilweisen Neukodifikation am 1.9.198631 die Art. 3-38 EGBGB. Während die Art. 27 ff.
EGBGB seit dem 1.9.198632 das deutsche Internationale Schuldvertragsrecht regeln, waren
vorher allein Rechtsprechung und Lehre bestimmend.33
Gemäss Art. 220 Abs. 1 EGBGB gelten die Art. 27 ff. EGBGB auch für die vor dem 1.9.1986
geschlossenen Verträge weiter.34 Die Art. 27-37 EGBGB beruhen auf der Übernahme der Art.
1-21 EVÜ, wenn sie auch dem EVÜ nicht in allen Details entsprechen. Deutschland hatte die
28 BGH NJW-RR 2000, 1002 (1003); Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (38). 29 Abend, S. 258; Lewald, S. 210. 30 Vgl. dazu ausführlich Bydlinski, Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff, S. 440 ff.; Hassold, FS Larenz, S. 211 (221 ff.); Koch-Rüßmann, Juristische Begründungslehre, S. 188 ff.; Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 300 ff.; MüKo-Mayer-Maly, § 133 BGB Rn. 7; zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge vgl. auch Wiener Vertragsrechtskonvention. 31 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (IPR-Neuregelungsgesetz, IPR-NG) vom 25.7.1986, BGBl. 1986 I S. 1142; dazu beispielsweise Jayme, IPRax 1986, 265. 32 Gesetz zur Neuregelung des Internationalen Privatrechts (IPR-Neuregelungsgesetz, IPR-NG) vom 25.7.1986, BGBl. 1986 I S. 1142; dazu beispielsweise Jayme, IPRax 1986, 265. 33 Ebenso: Gunst, S. 35 ff.; Kost, S. 11. 34 Vgl. Gunst, S. 35 ff.; Kost, S. 11.
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Bestimmungen des EVÜ mit gewissen redaktionellen Änderungen somit schon vor ihrem
Inkrafttreten in sein nationales Recht, das EGBGB, übernommen.35
2. Die Rechtslage in England
Das englische Recht baut auf der jahrhundertalten, durch Gerichtsentscheidungen entstandenen
Rechtsfindung auf, dem sogenannten Case Law. Das sogenannte „Statute Law“, als von der
Legislative geschaffenes Recht, hat die Aufgabe, den Normenkomplex des Case Law zu
ergänzen und notwendige Korrekturen vorzunehmen. Das englische „law of contract“ basiert
hauptsächlich auf Rechtsregeln, die seit dem Mittelalter bekannt sind. Es unterscheidet sich
vom deutschen „Vertragsrecht“ insoweit, als es festgelegte, normierte Vertragstypen oder
Schuldverhältnisse überhaupt nicht gibt.36
3. Die Rechtslage in Frankreich
Auch wenn das französische Internationale Privatrecht zunehmend von internationalen
Übereinkommen geprägt wird, so ist es fast ausschließlich Richterrecht.37 Die französische
Rechtsprechung kann eine Rechtswahlvereinbarung nur zulassen, solange dem nicht eine
staatsvertragliche Kollisionsnorm entgegensteht und der Sachverhalt eine Auslandsberührung
aufweist, es sich um einen internationalen Vertrag handelt.38 Diese Forderung wird
hauptsächlich auf die Entscheidung der Cour de Cassation vom 28.5.1963 in dem Rechtsfall
Société les Films Roger Richebé contre Société Roy Export Company Establishment et Charlie
Chaplin39 gestützt.40
Was die französische Rechtspraxis vor Inkrafttreten des EVÜ anbelangt, so ist der Code Civil
von Bedeutung. Dieser regelt zwar die Verträge als wichtigstes Rechtsgeschäft, unterscheidet
aber nicht bei dem Rechtsgeschäftswillen zwischen Handlungswille, Erklärungsbewusstsein
und Geschäftswille. Vielmehr differenziert das französische Recht zwischen der ausdrücklichen
35 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; Gunst, S. 35 ff.; Jayme, IPRax 1986, 265; Kost, S. 11. 36 Graf von Bernstorff, S. 9 (45 ff.). 37 Hartenstein, IPRax 2001, 478; vgl. auch Hübner/ Constantinesco, S. 268. 38 Batiffol/ Lagarde, S. 430; Batiffol, Contrats, S. 65; Boughaba, S. 32 ff.; Francescakis, Rép. de dr.int. (Encyclopédie Dalloz), 472 ff.; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl.EG 1980 Nr. C 282, S. 260; dazu Kaczorowska, Revue de Droit International et de Droit Comparé 72 (1995), 204 ff.; Kassis, S. 15 ff.; Niboyet, Traité, S. 54. 39 Cass.civ. 28.5.1963, Société les Films Roger Richebé c. Société Roy Export Company Establishment et Charlie Chaplin, J.D.I. (Clunet 90) 1963, 1004, note Goldman, Rev.crit.dr.int.priv. 1964, 513, note Loussouarn. 40 Vgl. Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl.EG 1980 Nr. C 282, S. 261.
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Willenserklärung – „manifestation expresse“ – und der stillschweigenden Erklärung –
„manifestation tacite“.41
Eine Einigung zwischen Vertragsparteien kann generell ausdrücklich oder implizit erfolgen.42
Wenn die Einigung bezüglich einer Rechtswahl nicht ausdrücklich erklärt wurde, kann sie sich
aus den Umständen des Falles ergeben.43 Falls die Parteien das auf den Vertrag anwendbare
Recht nicht ausdrücklich und auch nicht stillschweigend gewählt haben, wird es ihrer
vermuteten Absicht entsprechend bestimmt („volonté présumée“).44 Die Gerichte erforschen
den Willen der Parteien anhand der Umstände des Falles. Dies wird als Konsequenz der
Parteiautonomie angesehen.45 Die Abgrenzung ist allerdings umstritten und nicht eindeutig:
Während die „subjektive“ Theorie sich primär an der Intention des Handelnden orientiert, stellt
die „objektivistische“ Ansicht auf das auslegungsfähige Verhalten ab.46 In der französischen
Rechtsprechung und Lehre ist die „subjektive“ Ansicht vorherrschend, da der Parteiwille und
die Parteiautonomie bei der Entstehung des Codes Civil sehr bedeutsam waren.47 Will man den
Parteiwillen in Bezug auf die stillschweigende Rechtswahl der Parteien bezüglich ihres
Vertrages genau deuten, müssen folglich mehrere Behauptungen untersucht werden.48
Festzuhalten bleibt, dass eine Rechtswahl im französischen Internationalen Privatrecht keine
Bindungswirkung hat und den Parteiinteressen nur Rechnung getragen wird, wenn diese auf die
lex fori abzielen und der Richter nicht von seinem Recht Gebrauch macht, trotz des Schweigens
ausländisches Recht anzuwenden oder sich über eine ausdrückliche Einigung der Parteien zum
anwendbaren Recht hinwegzusetzen.49 Allerdings ist ihm dies im Anwendungsbereich des EVÜ
inzwischen nicht mehr möglich, da Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ Vorrang hat.
Zudem galten in Frankreich für vertragliche Schuldverhältnisse bis zum Inkrafttreten des EVÜ
am 1.4.1991 von der Rechtsprechung herausgebildete Grundsätze. Das EVÜ wurde schon vor
seinem Inkrafttreten für Frankreich in einigen französischen Entscheidungen angewandt. Im
41 Vgl. Arminjon, S. 147 ff.; Recueil Le Dalloz 2002, n° 2, 214 f.; Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 f. 42 Siehe beispielhaft Arminjon, S. 147; Batiffol, Contrats, S. 26; Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 f.; Recueil Le Dalloz 2002, n° 2, 214 f. 43 Batiffol, Contrats, S. 26; Boughaba, S. 36; Koch, S. 83 ff.; Leschallier de Lisle, S. 15; so auch Mezger, AWD 1974, 377 ff. 44 Vgl. Barbey, S. 230 f.; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 19 f.; Leschallier de Lisle, S. 15 f.; ähnlich auch Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 f. 45 Barbey, S. 230 f.; Batiffol, Contrats, S. 26; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 19 f.; Leschallier de Lisle, S. 15 f.; so ähnlich auch Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 f. 46 Zum Streitstand: vgl. Barbey, S. 234 ff.; Boughaba, S. 36f; Deby-Gérard, S. 228; Koch, S. 159; Mitterer, S. 33 f. 47 Barbey, S. 236 ff. 48 Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22; vgl. auch Kassis, S. 347. 49 Batiffol, Contrats, S. 75 ff., 163; ders., Affirmation, S. 220 ff.; Batiffol/ Lagarde, S. 468 ff.; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 80 (1991), 287.
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Jahre 1986 wandte beispielsweise die Cour d`appel Paris50 das EVÜ bereits vor Inkrafttreten
an. Da das Urteil allerdings nach altem Recht zu derselben Lösung geführt hätte, ist es nicht
sehr aussagekräftig.51 Im Jahre 1988 wandte die Cour d`appel Douai52 Art. 4 EVÜ vor
Inkrafttreten an. Schließlich wurden die Bestimmungen des EVÜ in einem Urteil der Cour
d`appel Versailles v. 6.2.199153 vor Inkrafttreten des EVÜ angewandt. In diesem Rechtsfall
handelte es sich um eine Bürgschaft. Die Cour d`appel berief sich auf die Ausweichklausel des
Art. 4 Abs. 5 EVÜ und kam damit auf dem Umweg über die Ausweichklausel zur alten, vom
EVÜ missbilligten Lösung.
Dieses Beispiel zeigt, dass die Anwendung der Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 EVÜ eine
Ausnahme bleiben muss, um der neuen Rechtslage nach dem EVÜ zu entsprechen.54 Die drei
Urteile belegen, dass eine vorweggenommene Akzeptanz des EVÜ vor den französischen
Gerichten bestand und das EVÜ in der französischen Rechtsprechung schon vor seinem
Inkrafttreten als maßgeblich angesehen wurde.55
III. Die stillschweigende Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts in den EU-
Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich seit dem Inkrafttreten des EVÜ
1. Die Rechtslage in Deutschland
Deutschland ist seit dem 1.4.1991 völkerrechtlich zu der Anwendung des EVÜ verpflichtet.56
Um die von Art. 18 EVÜ geforderte einheitliche Auslegung der kollisionsrechtlichen
Regelungen in den EU-Mitgliedstaaten zu erreichen, sind die Art. 27-37 EGBGB autonom, das
heißt „aus dem Übereinkommen selbst heraus“, losgelöst von den Regeln des nationalen Rechts
auszulegen.57 Eine einheitliche Auslegung ist vor allem wichtig, da nicht ausgeschlossen
werden kann, dass die dem EuGH zugewiesenen Befugnisse in Zukunft geändert werden.58
Da das EVÜ der unmittelbaren Anwendung vor staatlichen Gerichten fähig ist („self-
executing“), hätte es insofern einer nationalen Kodifizierung des deutschen Internationalen
50 Cour d`appel de Paris v. 27.11.1986, Rev.crit.dr.int.priv. 1988, 314, Anm. A. Lyon-Caen. 51 Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 103. 52 Cour d`appel Douai v. 13.7.1988, J.D.I. (Clunet 117) 1990, 403, Anm. Jacquet. 53 Cour d`appel de Versailles v. 6.2.1991 - Bloch c. Lima SPA, Recueil Dalloz Sirey 1992, 1, 174, Anm. Mondolini; Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 745, Anm. Lagarde; J.D.I. (Clunet 119) 1992, 125, Anm. Foyer. 54 Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 104. 55 Vgl. Franzen, IPRax 1999, 278 (280); Jayme/ Kohler, IPRax 1985, 65 ff. (68); Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101 ff. 56 Bekanntmachung vom 12.7.1991, BGBl. 1991 II S. 871. 57 Vgl. Gunst, S. 36; Hartenstein, Die Privatautonomie, S. 6; von Hoffmann, IPRax 1984, S. 10; Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Law, S. 37; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694 f.); vgl. auch MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 14 ff. 58 Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.
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Vertragsrechts nicht bedurft. Der deutsche Gesetzgeber hat hier allerdings einen „Sonderweg“
eingeschlagen: In Art. 1 Abs. 2 des deutschen Zustimmungsgesetzes vom 25.7.1986 hat er
nämlich – völkerrechtlich fragwürdig59 – angeordnet, dass das EVÜ „innerstaatlich keine
unmittelbare Anwendung findet“. Stattdessen hat er den Übereinkommenstext in das EGBGB
inkorporiert und in Art. 36 EGBGB die Auslegung des EGBGB an die des EVÜ gebunden.60
Der deutsche Gesetzgeber hoffte, durch die Inkorporationslösung den Richtern die tägliche
Arbeit zu erleichtern.61
2. Die Rechtslage in England
In England ist das EVÜ durch den Contracts (Applicable Law) Act 1990 (c.36)62 zum 1.4.1991
in Kraft gesetzt worden und diesem Gesetz als Schedule 1 beigefügt. Der Contracts (Applicable
Law) Act ist am 26.7.1990 verabschiedet worden und hat drei Übereinkünfte des EVÜ-
Komplexes, nämlich das EVÜ 1980, das EVÜ 1984 und das erste Protokoll über die Auslegung
des EVÜ durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in das Recht Englands übernommen.63
Die Ratifikation erfolgte mit den Vorbehalten, Art. 7 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 lit. e EVÜ nicht
anzuwenden.64 Außerhalb Englands ist das EVÜ auf europäischem Gebiet für das gesamte
Vereinigte Königreich (Art. 27 Abs. 2 lit. b EVÜ) und Gibraltar anwendbar.65 Außerhalb des
Anwendungsbereichs des EVÜ gilt in England das Common Law, das weit zu verstehen ist und
das gesamte „englische Recht“ erfasst.66
3. Die Rechtslage in Frankreich
Das am 1.4.1991 in Kraft getretene EVÜ gilt seitdem auch für Frankreich und verdrängt fast
vollständig die alte Rechtsprechung des Schuldvertragsrechts. Es ist auf Verträge anzuwenden,
die nach dem 1.4.1991 geschlossen worden sind. Frankreich hat bei der Ratifikation am
10.11.1983 weder Vorbehalte eingelegt noch besondere Ausführungsbestimmungen erlassen
und auch nicht das EVÜ in sein nationales Kollisionsrecht überführt. Daher gilt das bisherige
autonome französische Internationale Privatrecht formal betrachtet neben dem EVÜ weiter. Sie
59 Völkerrechtlich fragwürdig deshalb, weil der deutsche Gesetzgeber den Übereinkommenstext in das EGBGB inkorporiert und in Art. 36 EGBGB die Auslegung des EGBGB an die des EVÜ gebunden hat, so dass die Situation in Deutschland so ist, als ob das EVÜ direkt gelten würde. 60 Gunst, S. 36; Hartenstein, Die Privatautonomie, S. 6; von Hoffmann, IPRax 1984, 10; Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Law, S. 37; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (694 f.); vgl. auch MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 14 ff. 61 Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Law, S. 37. 62 Contracts (Applicable Law) Act 1990 (The Public General Acts and General Synod Measures 1990-II, c. 36, S. 1899); ABl. EG 1991 Nr. C 52/ 1; zum EVÜ allgemein vgl. North/ Fawcett, S. 459 ff.; Dicey/ Morris, S. 1191 ff. 63 Jayme/ Kohler, IPRax 1990, 353 (358); Kaye, S. 31; North, Essays, S. 23 f.; Plender, S. 195 ff. 64 Bekanntmachung v. 12.7.1991, BGBl. 1991 II 871. 65 Bekanntmachung v. 12.1.1995, BGBl. 1995 II 132, die Vorbehalte zu Art. 7 Abs. 1 und Art. 10 Abs. 1 lit. e EVÜ gelten insoweit nicht. 66 Graf von Bernstorff, S. 3.
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unterscheiden sich jedoch nicht gravierend. Schließlich ist das EVÜ vor allem deshalb in
Frankreich relativ positiv aufgenommen worden, weil es in hohem Maße die bereits geltenden
französischen Lösungen bestätigte.67
B. Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie
Aufgrund des im Kollisionsrecht herrschenden Prinzips der Parteiautonomie, das eine
uneingeschränkte Rechtswahlmöglichkeit der Parteien bedeutet, können diese jedes beliebige
Recht wählen. Im folgenden Abschnitt wird die Parteiautonomie eingehend untersucht, da sie
die Basis für die Rechtswahl der Parteien darstellt.
Das Prinzip der Parteiautonomie und damit Rechtswahlfreiheit ist heute international – sowohl
in den Rechtsordnungen der EU-Mitgliedstaaten wie auch in anderen Rechtsordnungen – fast
einhellig anerkannt68 und fördert die Vereinheitlichung des internationalen Privatrechts. Es wird
hauptsächlich damit gerechtfertigt, dass es sowohl den Partei- und Verkehrsinteressen als auch
der freien Entfaltung der Persönlichkeit dient und internationale Rechtsbeziehungen fördert
bzw. erleichtert, da es die dafür erforderliche Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit
schafft.69
Auch die EG-Grundfreiheiten gewähren den Parteien eines Vertrages das Recht, das auf den
Vertrag anwendbare Zivilrecht autonom festzulegen.70 Der EuGH hat selbst in einem Urteil v.
24.1.199171 das internationale Vertragsrecht und den Grundsatz der Parteiautonomie bestätigt.
I. Die Bedeutung und Tragweite der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie nach dem
EVÜ
Der Grundsatz der Parteiautonomie ist auch einer der wichtigsten Grundsätze des EVÜ (Art. 3
EVÜ).72
Im Gegensatz zu Anknüpfungen nach objektiven Gesichtspunkten (Art. 4 EVÜ), wie dem
Vertragsschwerpunkt, dem Ort, an dem der Vertragsgegenstand gelegen ist, dem Ort des
68 So auch Fudickar, S. 1; Giuliano, Rivista di Diritto internazionale private e processuale 1979, S. 217 (220); v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 1; Kassis, S. 347; Kaye, S. 147; Lando, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 128; Niboyet, Traité, S. 37; Plender, S. 88 f.; Roth, Int. VersR, S. 433. 69 Abend, S. 284; Andrae/ Fincke, S. 15; vgl. Junker, IPRax 1993, 1 (2); Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634 (644); Mincke, IPRax 1985, 313 ff.; Reithmann/ Martiny, S. 56; Roth, Int. VersR, S. 434 f.; Schmeding, RabelsZ 41 (1977), 299 (305); Simitis, JuS 1966, 209 ff.; Steiner, S. 13. 70 Roth, VersR 1993, 129 (132, 133). 71 Rs. C-339/ 89, Alsthom Atlantique s.a. c. Compagnie de construction mécanique Sulzer s.a., Journal des Tribunaux 1991, 350. 72 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.
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Vertragsschlusses, der Staatsangehörigkeit oder dem Wohnsitz einer Partei schafft die
Parteiautonomie als subjektive Anknüpfung Sicherheit über das anwendbare Recht, da die
Parteien das maßgebende Recht im Voraus kennen und sich auf dieses Wissen verlassen
können.73 Die Anerkennung der Parteiautonomie kommt dem Interesse der Parteien nach
Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendungsentscheidung mithin sehr entgegen.74
Rechtswahlfreiheit ist zudem unverzichtbar, um die aus der Internationalität einer
Vertragsbeziehung erwachsenden Risiken zu verringern und gleichzeitig grenzüberschreitende
Geschäfte zu unterstützen.75 Objektive Anknüpfungen können den grenzüberschreitenden
Verkehr hingegen unter Umständen erheblich belasten. Viele zeugen nämlich bis heute von
einer gewissen Unschärfe, Starrheit und Hilflosigkeit, weichen in den einzelnen Ländern sehr
stark voneinander ab und sind teilweise zu flexibel, was zu Unsicherheit führt. Subjektive
Anknüpfungen hingegen vermitteln eine größere Lebensnähe und Anschaulichkeit und damit
eine größere Sicherheit der Entscheidung. Es ist wichtig, dass die Parteien von Anfang an
wissen, welches Recht anwendbar ist. Mithin verdankt die Parteiautonomie ihre weltweite
Anerkennung nicht zuletzt den Unzulänglichkeiten einer objektiven Anknüpfung.76
Art. 3 Abs. 1 EVÜ, in dem das Prinzip der Rechtswahlfreiheit auf europäischer Ebene verankert
ist, schreibt vor, was in den EG-Staaten Deutschland, England und Frankreich bereits feste
Praxis ist.77 Da es sich bei Art. 3 EVÜ um eine „allseitige“78 Kollisionsnorm handelt, können
die Parteien jedes beliebige staatliche Recht wählen, mithin auch das von Nichtvertragsstaaten
(vgl. Art. 2 EVÜ).
73 Ebenso: von Bar, IPR Bd. 2, Rn. 413; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 1; so ähnlich Neuhaus, S. 264; Roth, Int. VersR, S. 434 ff.; Schulze, S. 22 ff., 60; Steiner, S. 13; Umbricht, S. 51 f., 79, 94 f.; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (4 f.); Wolff, S. 143. 74 Roth, Int. VersR, S. 436; in diesem Sinne auch Siesby, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 211. 75 Vgl. auch Abend, S. 284; Andrae/ Fincke, S. 15; vgl. Junker, IPRax 1993, 1 (2); Kropholler, RabelsZ 42 (1978), 634 (644); Mincke, IPRax 1985, 313 ff.; Reithmann/ Martiny, S. 56; Roth, Int. VersR, S. 434 f.; Schmeding, RabelsZ 41 (1977), 299 (305); Simitis, JuS 1966, 209 ff.; Steiner, S. 13. 76 Vgl. von Bar, IPR Bd. 2, Rn. 413; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 1; so ähnlich Neuhaus, S. 264; Roth, Int. VersR, S. 434 ff.; Schulze, S. 22 ff., 60; Steiner, S. 13; Umbricht, S. 51 f., 79, 94 f.; von Wilmowsky, RabelsZ 62 (1998), 1 (4 f.); Wolff, S. 143. 77 Vgl. dazu: RGZ 108, 241, 243, 120, 70, 72; BGHZ 52, 239 (241), 53, 189 (191); Andrae/ Fincke, S. 16 f.; Firsching, IPRax 1981, 37 (39); Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (64); vgl. Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 155 (160) (1993); Mann, JZ 1962, 6; Mincke, IPRax 1985, 313; Reithmann/ Martiny, S. 57; Schmeding, RabelsZ 41 (1977), 299 (306); Siehr, FS Keller, S. 485 (487). 78 Vgl. von Bar, IPR Bd. 1, Rn. 17; Ost, S. 113.
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II. Die Bedeutung und Tragweite der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in den
Vertragsstaaten
1. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in Deutschland gemäss Art.
27 EGBGB
Das Prinzip der Rechtswahlfreiheit gilt im deutschen Internationalen Privatrecht im
Schuldvertragsrecht seit Ende des 19. Jahrhunderts.79 In Art. 27 EGBGB, der auf Art. 3 EVÜ
beruht, wird der Grundsatz der Parteiautonomie und damit der Rechtswahlfreiheit im deutschen
Internationalen Privatrecht gesetzlich geregelt. Danach haben die Parteien die Möglichkeit, bei
der Regelung ihrer Rechtsbeziehungen ein bestimmtes Recht als maßgebliche Rechtsordnung
zu vereinbaren.80
2. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in England
Auch in England wird die Befugnis der Parteien zur vertraglichen Festlegung des anwendbaren
Rechts im Grundsatz anerkannt.81
a) Entwicklung der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie
Spätestens seit dem Jahre 1865 beruft sich die englische Rechtsprechung auf den Parteiwillen.82
Die Parteiautonomie wurde von den englischen Gerichten als Basis der Rechtswahl im
Vertragsrecht entwickelt.83 Bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1760 wurde das Prinzip
der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in einem obiter dictum von Lord Mansfield
(Robinson v. Bland)84 angedeutet. Damit geht die subjektive Vertragsanknüpfung im englischen
Internationalen Privatrecht auf die berühmte „opinion” zurück, die Lord Mansfield in diesem
Urteil abgegeben hat. Allerdings wurde durch dieses Urteil zunächst nur die Anknüpfung an
den hypothetischen Parteiwillen in das englische Kollisionsrecht eingeführt.85 In einer
Entscheidung aus dem Jahre 1865 wurde das Prinzip der Parteiautonomie dann deutlicher
79 RGZ 4, 242; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (160); vgl. auch Brulhart, S. 20 Nr. 45. 80 Andrae/ Fincke, S. 14, 20; v. Hoffmann, S. 368; Junker, IPRax 1993, 1 f.; Kropholler, S. 409; Mitterer, S. 3; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 55; Steiner, S. 15. 81 In diesem Sinne auch Plender, S. 89; Roth, Int. VersR, S. 434. 82 Lloyd v. Guibert (1865), L. R. 1, Q. B. 115, vgl. Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (160); vgl. auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff. 83 James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates Ltd., (1970), 1 All ER 796 (798); Re Helbert Wagg & Co., Ltd., (1956) 1 All E.R. 129 (135 f.); Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society, Ltd., (1937) 4 All E.R. 206 (214); Peninsular & Oriental Steam Navigation Co. v. Shand, (1865) 3 Moo. P.C.C. (N.S.) 272, P.C.; Dicey/ Morris, S. 1188; Nishitani, S. 260 f.; Schmitthoff, S. 105. 84 96 Eng. Rep. 141 (K.B. 1760); dazu: Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 102 ff.; Dicey/ Morris, S. 1188; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86 f.; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff.; Schmitthoff, S. 106. 85 Vgl. Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 103; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86 f.; siehe auch Wolff, Private International Law, S. 423.
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hervorgehoben, um im berühmten Urteil der Missouri Steamship Company86 schließlich
ausdrücklich anerkannt zu werden. Jedoch herrschte in England die Tendenz, den Parteiwillen
bei internationalen Verträgen nur als ein Element unter anderen in der Suche nach dem „proper
law of the contract” zu bewerten.87 Der im englischen Kollisionsrecht vor Einführung des EVÜ
gebräuchliche Ausdruck „proper law of the contract” wurde allgemein im Sinne des
Vertragsstatuts verwendet. Er bezog sich auf das Recht, das die Parteien ausdrücklich oder
stillschweigend anwenden wollten.88 Ferner ist im Jahre 1865 die objektive Verweisung auf den
Abschlussort in Bezug auf internationale Verträge durch die zwei Entscheidungen P. & O.
Steam Navigation Co. v. Shand89 und LLoyd v. Guibert90 zugunsten der subjektiven Verweisung
aufgehoben worden.91
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen die englischen Gerichte bei der
Vertragsanknüpfung nach dem wirklichen kollisionsrechtlichen Parteiwillen zu fragen. Im
Urteil Hamlyn & Co. v. Talisker Distillery92 aus dem Jahre 1894 scheint zum ersten Mal eine
wirkliche Rechtswahl für die Vertragsanknüpfung maßgeblich gewesen zu sein: Es wurde von
einer Schiedsklausel, die der Vertrag enthielt, auf einen wirklichen Parteiwillen geschlossen.
Obwohl die objektiven Anknüpfungspunkte auf eine andere Rechtsordnung wiesen, wurde dem
von den Parteien gewählten Recht der Vorrang eingeräumt.
In dem Urteil von 1921 British Controlled Oilfields v. Stagg93 wurde der ausdrücklichen
Rechtswahl dann grosse Bedeutung eingeräumt: Eine kanadische Gesellschaft mit
Zweigniederlassung in London und ein Ecuadorianer hatten in New York einen Kaufvertrag
abgeschlossen mit folgender Klausel: „It is agreed that…..this agreement….shall be considered
and held to be one duly made and executed in London, England.” Der Richter94 sah in der
Klausel den klaren Ausdruck des auf die Wahl englischen Rechts gerichteten Parteiwillens,
obwohl der Sachverhalt keine wesentliche Berührung mit England aufwies.95 Da es kaum Fälle
gibt, in denen eine Partei versucht hat, das Prinzip der Parteiautonomie abzulehnen, scheint mit
86 (1889) L.R. 42 Ch.D., 321; ähnlicher Sachverhalt in Jones v. Oceanic Steam Navigation Co. (1924) 2 K.B. 730. 87 In diesem Sinne Lorenz, Vertragsabschluss, S. 103; Schmitthoff, S. 106; Vischer/ Huber/ Oser, Fn 34. 88 Vgl. Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society Ltd. (1938 A.C. 224; 1937 4 All E.R. 206, P.C.); North/ Fawcett, S. 458 f.; Collier, S. 143; Dicey/ Morris, S. 1189; Nishitani, S. 270. 89 (1865) 3 Moo. P.C.N.S., 272, 16 ER 103, 110; dazu: Morris/ North, S. 431 ff. 90 (1865) L.R. 1 Q.B., 115, 6 B & S 100 (Exchequer Chamber); dazu: Morris/ North, S. 433 ff. 91 Lando, S. 14 f.; Morris, Ch. 13 Fn 2; Nishitani, S. 261. 92 (1894) A.C. 202; vgl. dazu Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110.93 Stagg v. British Controlled Oilfields, Ltd., 117 Misc. 474, 192 N.Y.S. 596 (Sup.Ct. 1921); vgl. dazu auch Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 109 ff.; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 88 f. 94 Richter Sargant: “..difficulties might have arisen which it is obviously the design of the parties to set a rest.” 95 Vgl. Stagg v. British Controlled Oilfields, Ltd., 117 Misc. 474, 192 N.Y.S. 596 (Sup.Ct. 1921); vgl. dazu auch Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 109 ff.; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 88 f.
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der Sicherheit und Vorhersehbarkeit des anwendbaren Rechts, die eine ausdrückliche
Rechtswahl mit sich bringt, allgemeine Zufriedenheit zu herrschen.96 Zumindest scheint
England als erster Staat unter den Gerichten die Parteiautonomie auch tatsächlich konsequent
angewandt zu haben.97
b) Schranken der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie
Lange Zeit fanden sich im englischen Recht keine festgelegten Schranken der Parteiautonomie.
Erst im Jahre 1939 wurde durch die für den Privy Council abgegebene „opinion” von Lord
Wright erstmals im Urteil Vita Food Products, Inc. v. Unus Shipping Co.98 ausdrücklich
Stellung zu diesem Problem bezogen. Seitdem fand sich als Schranke der Parteiautonomie im
englischen Recht die Bestimmung, dass die Rechtswahl „bona fide and legal”99 sein musste.
Das bedeutete im Endeffekt, dass ein vernünftiges Interesse dafür bestehen musste, nicht
zwingend aber eine Beziehung tatsächlicher, räumlicher Art. Durch diese Entscheidung ist
insbesondere die Verweisungsfreiheit der Parteien – nach der sogenannten subjektivistischen
Auffassung – in der englischen Rechtsprechung verankert worden.100 Auch die darauf
folgenden Entscheidungen der Gerichte101 nahmen auf die Schranken der Parteiautonomie
Bezug. Inzwischen wurde die „bona fide and legal”-Schranke der Parteiautonomie aus dem
damaligen Urteil Vita Food Products, Inc. v. Unus Shipping Co.102 im englischen Recht durch
Art. 3 Abs. 3 EVÜ ersetzt. Danach darf von den „zwingenden Bestimmungen” des Rechts des
Staates nicht abgewichen werden, „in dem alle anderen Teile des Sachverhalts im Zeitpunkt der
Rechtswahl belegen sind”. Diese Beschränkung der Rechtswahlfreiheit ist insofern
96 Vgl. z.B. Koninklijke Zwavelzuurfabrieken V/ H Ketjen N.V. v. D.A. and D.D. Psychoyos, Piraeus (The “Metamorphosis”) (1953) 1 W.L.R., 543 (549); Cheshire/ North, S. 205 ff.; Collier, S. 147; Libling, Mod.L.Rev. 42 (1979), 169 (172 f.); Morris, S. 214 ff.; Pierce, Mod.L.R. 50 (1987), 176 f.: “It is almost conventional to commence a discussion of English choice of law rules in contract by describing them as “well settled””; Thomson, Mod.L.Rev. 43 (1980), 650. 97 Pierce, Mod.L.R. 50 (1987), 177: “But among courts it seems the English were first to apply the theorie on a consistent basis”, “But it is England which is widely regarded as the ancestral home of party autonomy and no principle of English private international law has been expressed so often”; Wolff, Private International Law, S. 418 f. 98 (1939) A.C. 277 (290) (P.C.); (1939) 1 All ER 513; dazu: North/ Fawcett, S. 480; Dicey/ Morris, S. 1212, 1213; Graveson, Cases on Conflict of laws, S. 299 ff.; dazu Hoyle, S. 219; Lando, S. 16; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86 f.; Morris, Cases on private international law, S. 268 ff.; Morris, Ch. 13; Morris/ North, S. 443 ff.; North, S. 111 ff.; Plender, S. 89; Schmitthoff, S. 115; dazu: BT-Drucks. 10/ 503, S. 48. 99 Vgl. North/ Fawcett, S. 480; Collier, S. 147; Dicey/ Morris, S. 1189, 1213; Hoyle, S. 219; Jaffey, S. 143; Lando, S. 16; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 93 ff.; Morris, Ch. 13; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 178 ff.; Plender, S. 89; Schmitthoff, S. 110; Umbricht, S. 134 f.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 12; Wolff, Private International Law, S. 425 f. 100 Collier, S. 144; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86 f.; Nishitani, S. 261; Schmitthoff, S. 107; BT-Drucks. 10/ 503, S. 48. 101 So z.B. Re Helbert Wagg & Co. Ltd. (1956) Ch.D., 323 (340); James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. (1970) A.C. 583 (603); The Hollandia (1982) 2 W.L.R., 556; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C. 50, 61. 102 Vgl. vorne: (1939) A.C. 277, 290 (P.C.); (1939) 1 All ER, 513; dazu: Giuliano, Rivista di Diritto internazionale private e processuale 1979, 217 (222); Morris/ North, S. 443 ff.
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vorteilhafter, als sie nicht von den Motiven der Parteien abhängt, sich nicht über ihre
Rechtswahl bei Nicht-„zwingenden Bestimmungen” hinwegsetzt, weniger restriktiv ist und
mehr Sicherheit bietet.103
3. Der Grundsatz der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie in Frankreich
Art. 1134 Abs. 1 Code Civil kodifiziert die Privatautonomie im französischen Recht und ist
damit die Basis des französischen Vertragsrechts.104 Die auf der autonomie de la volonté
beruhende liberté contractuelle bezieht sich sowohl auf die Abschlussfreiheit wie auch auf die
Inhaltsfreiheit von Verträgen. Die Begrenzung der Parteiautonomie im internationalen
Vertragsrecht ist in Frankreich der Rechtsprechung überlassen.105
Am 5. 12. 1910 hat der Chambre Civile der Cour de Cassation mit dem „American
Trading”-Urteil106 erstmalig die Rechtswahl im Vertragsrecht zugelassen und damit die
Parteiautonomie umfassend anerkannt. Dieser Anerkennung der Parteiautonomie folgten
allerdings lange Zeit Zweifel, die an heftiger Kritik seitens französischer Autoren gelegen
haben könnten.107 Mailher de Chassat kritisierte im Jahre 1841 die Parteiautonomie und vertrat
die Ansicht, der grösste Fehler dieser Theorie sei, dass man den Zweck des Rechts missachte,
der darin liege, jegliche Interessen zum allgemeinen Vorteil zu bestimmen, ungeachtet aller
individueller Wünsche. Stattdessen stehe der Wille einer einzelnen Person über dem Recht, eine
vermutete Absicht der Parteien sei der Herrscher des Rechts und die öffentlichen Interessen
seien null und nichtig.108 Die Rechtswahl im Vertragsrecht wurde jedoch dann im „Messageries
Maritimes”-Urteil vom 21. Juni 1950109 präzisiert und im Jahre 1959 im „Fourrures Renel”-
103 Allgemein zu Art. 3 Abs. 3 EVÜ: Jaffey, S. 149; vgl. auch Kaye, S. 148; North/ Fawcett, S. 480 ff.; Plender, S. 101. 104 Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 18, 19; Géraud de la Pradelle, S. 156; Jamin, Recueil Le Dalloz 2002, n° 11, 901 ff.; Kassis, S. 347 ff.; Leschallier de Lisle, S. 32, 162; Niboyet, S. 601; ders., Traité, S. 51 ff.; vgl. auch Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am.J.Comp.Law 1952, 341, 342. 105 Vgl. Boughaba, S. 34 ff.; vgl. auch Hübner/ Constantinesco, S. 272; Kassis, S. 347 ff.; Leschallier de Lisle, S. 32, 162; Niboyet, S. 601; ders., Traité, S. 51 ff.; Schaack, S. 89. 106 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Cass.civ. 1°, 5 déc. 1910, Rev. de dr.int.priv. et de dr. pénal int. 1911, 395; Ancel/ Lequette, S. 83-90; dazu: Batiffol, Affirmation, S. 219; ders., Traité, S. 618; Deby-Gérard, S. 227 ff.; Géraud de la Pradelle, S. 156 f.; Giuliano, in : Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 256; ders., Rivista di Diritto internazionale private e processuale 1979, 217 (220); Jacquet, S. 23 ff.; Lando, S. 17; Toubiana, S. 4; BT-Drucks. 10/ 503, S. 47. 107 Vor Einführung des Parteiwillens zur Bestimmung des anwendbaren Rechts galt für Rechtsgeschäfte das Recht des Abschlussorts: „Locus regit actum”. Heute ist diese Regel nur noch für die Form bedeutsam, jedoch nicht zwingend seit Cass. v. 20.7.1909, D.P. 1911 I, 185. 108 Vgl. dazu: Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (160). 109 Cass.civ. - 21.6.1950 (Messageries Maritimes), J.D.I. (Clunet 77) 1950, 1196 ff., dazu: Batiffol, Traité, S. 619; Deby-Gérard, S. 184 ff.
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Urteil110 ausgeweitet. In der Folgezeit übernahmen alle französischen Gerichte die Formel der
Cour de Cassation.111
Allerdings taucht in der Lehre112 die Frage auf, ob in diesem Entscheid tatsächlich die
kollisionsrechtliche Parteiautonomie und nicht bloß die materiellrechtliche Parteiautonomie
anerkannt wurde. Im Unterschied zu der Rechtsprechung erkennt die französische Lehre das
Prinzip der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie nicht einhellig an.113
Die Freiheit der Rechtswahl nach dem französischen Internationalen Privatrecht wurde aber
durch das EVÜ kodifiziert. Insofern ist das EVÜ dem bis dahin geltenden französischen
Kollisionsrecht sehr ähnlich.114
Bis zur Einführung des EVÜ wurde – und ausserhalb des Anwendungsbereichs des EVÜ wird –
die Berücksichtigung der Parteiinteressen im französischen Kollisionsrecht zweifach
eingeschränkt: Erstens können die Parteien das anwendbare ausländische Recht nur zugunsten
der lex fori und nicht zugunsten einer anderen ausländischen Rechtsordnung abwählen.115
Zweitens konnte der Richter in Frankreich entgegen den Parteiinteressen handeln, indem er von
seinem Recht Gebrauch machte, trotz des Schweigens ausländisches Recht anzuwenden.116
Problematisch ist dabei, inwiefern sich die fehlende Bindung des Richters an den Parteiwillen
im französischen Internationalen Privatrecht mit der Parteiautonomie vereinbaren lässt. Die
Ausgestaltung der Parteiautonomie wurde in Frankreich entscheidend durch die vor dem
Inkrafttreten des EVÜ von Batiffol entwickelte „théorie de localisation” geprägt, die die
Parteiautonomie als solche überhaupt nicht anerkannte.117 Danach war maßgeblich, in welcher
Rechtsordnung die Parteien den Vertrag durch Festlegung des Erfüllungsortes, des
Abschlussortes, der Währung oder Ähnliches lokalisiert hatten. Es sollte das Recht zur
Anwendung kommen, welches die realsten Verbindungen zu dem ständigen Interesse der
110 Ancel/ Lequette, S. 275 ff.; Deby-Gérard, S. 235; Lyon, 21-3-1973: J.D.I. (Clunet 101) 1974, 345, note Kahn; Cass.civ. - 29-10-1974: J.D.I. (Clunet 102) 1975, 314, Anm. Fouchard. 111 Kassis, S. 347 ff.; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101; vgl. auch Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (160). 112 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 29 ff.; ders., Affirmation, S. 219 ff.; ders., Contrats, S. 72 ff.; Jacquet, S. 27; vgl. Meierhof, S. 121; Niboyet steht der Parteiautonomie sehr kritisch gegenüber, vgl. Niboyet, Traité, S. 36 ff. 113 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 29 ff.; ders., Affirmation, S. 219 ff.; ders., Contrats, S. 26, 72 ff.; Jacquet, S. 27; vgl. Meierhof, S. 121; Niboyet steht der Parteiautonomie sehr kritisch gegenüber, vgl. Niboyet, Traité, S. 36 ff. 114 Kassis, S. 347 ff.; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101. 115 Beispielhaft: Koerner, S. 86, 88; Lequette, Rev.crit.dr.int.priv. 78 (1989), 277 ff. 116 Koerner, S. 86, 88; Lequette, Rev.crit.dr.int.priv. 78 (1989), 277 ff. 117 Batiffol, Rev.crit.dr.int.priv. 1959, 708; ders., Traité, S. 305 ff.; Deby-Gérard, S. 237 ff.; Géraud de la Pradelle, S. 158 f.; Kassis, S. 347; Motulsky, Rev.crit.dr.int.priv. 1952, 504 ff.; Toubiana, S. 5.
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Parteien hatte. Batiffol sprach sich also für eine objektivierende Anknüpfung aus.118 Eine
solche Lokalisierung oder auch Erklärung der Parteien, den Vertrag einer bestimmten
Rechtsordnung unterstellen zu wollen, muss jedoch nicht zwingend ausschlaggebend sein.119
Letztendlich obliegt es im französischen Kollisionsrecht dem Richter, die einzelnen Elemente
zu bewerten. Er kann sich auch über eine ausdrückliche Einigung der Parteien zum
anwendbaren Recht hinwegsetzen.120
Mit dem französischen Urteil Soc. Mercator Press v. Chavalle121 vom 25.3.1980 scheint die
französische Rechtsprechung sich vollkommen auf die von Batiffol entwickelte „théorie de
localisation” ausgerichtet zu haben. Mit dem Inkrafttreten des EVÜ ist diese Theorie jedoch
definitiv hinfällig geworden. Das EVÜ entfernt sich von dieser objektiven Sicht der
Parteiautonomie, die Batiffol ihr seit dem Jahre 1938 gegeben hat und die die Cour de
Cassation sich seit dem Urteil Mercator Press aus dem Jahre 1980 zu eigen gemacht hat.122
C. Die ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl in Abgrenzung zu dem
hypothetischen Parteiwillen
I. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl in Abgrenzung zu dem hypothetischen
Parteiwillen
Als Anknüpfungspunkt für eine Rechtswahl bietet sich zunächst eine ausdrückliche oder
stillschweigende Erklärung der Parteien über das auf den Vertrag anzuwendende Recht an.
Gleichzeitig liest man oft von dem „hypothetischen Parteiwillen”. Um die unterschiedliche
Praxis der EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich zu der stillschweigenden
Rechtswahl untersuchen zu können, ist eine Abgrenzung zwischen einer Rechtswahl und dem
hypothetischen Parteiwillen in der jeweiligen Rechtsordnung vorzunehmen. Hier schafft das
EVÜ – wie noch aufgezeigt wird – gegenüber der Lage vor der Reform erhebliche Klarheit und
gibt Anlaß für einige Gerichte, ihre Rechtsprechung zu der stillschweigenden Rechtswahl zu
ändern.123
118 Batiffol, Rev.crit.dr.int.priv. 1959, 708; ders., Traité, S. 305 ff.; Kassis, S. 347; Motulsky, Rev.crit.dr.int.priv. 1952, 504 ff.; Toubiana, S. 5. 119 Ebenso: Batiffol, Rev.crit.dr.int.priv. 1959, 708; ders., Traité, S. 305 ff.; Kassis, S. 347; Motulsky, Rev.crit.dr.int.priv. 1952, 504 ff.; Toubiana, S. 5. 120 Batiffol, Rev.crit.dr.int.priv. 1959, 708; ders., Traité, S. 305 ff.; Kassis, S. 347; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287 (300 f.); Motulsky, Rev.crit.dr.int.priv. 1952, 504 ff.; Toubiana, S. 5. 121 Cass.civ. v. 25.3.1980, Rev.crit.dr.int.priv. 1980, 576. 122 Kassis, S. 347; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287 (300 f.). 123 Abend, S. 295; in diesem Sinne auch Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (32).
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II. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl gemäss Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB in
Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen in Deutschland – unter Berücksichtigung
des EVÜ
Art. 27 Abs. 1 EGBGB lässt seinem Wortlaut nach neben einer ausdrücklich erklärten
Rechtswahl eine stillschweigende Rechtswahl zu: Die Rechtswahl kann einerseits expressis
verbis, das heißt ausdrücklich geschehen, was schriftlich oder mündlich möglich ist.
Andererseits kann sie sich stillschweigend vollziehen, durch eine andere Willensäußerung, was
auch durch Stillschweigen im wörtlichen Sinne, vorausgesetzt es besitzt Erklärungswert,
möglich ist.
Ihre Wirksamkeit hängt ebenso wie die der ausdrücklichen Rechtswahl vom realen Parteiwillen
und einer tatsächlichen Willensübereinkunft ab, nur dass der gemeinsame Wille anders
geäußert wird.124 Der Parteiwille muss zweifelsfrei aus den Umständen ermittelt werden
können, um nicht zu der Annahme eines vermuteten, hypothetischen Parteiwillens zu gelangen.
Die Berücksichtigung eines bloß hypothetischen Parteiwillens ist bei der stillschweigenden
Rechtswahl ausgeschlossen und eine Anknüpfung an ihn nicht mehr zulässig. Sowohl die
ausdrückliche als auch stillschweigende Rechtswahl haben die gleiche Rechtsnatur. In
praktischer Hinsicht wird bei der stillschweigenden im Gegensatz zu der ausdrücklichen
Rechtswahl das Prestige des Partners, dessen Recht auf diese Weise mittelbar von der
Anwendung ausgeschlossen wird, geschont. Nachteilig ist allerdings die erschwerte
Feststellbarkeit einer stillschweigenden Rechtswahl, denn die ausdrückliche Rechtswahl lässt
sich zuverlässiger ermitteln als die stillschweigende Rechtswahl.125 Darauf wird im Folgenden
genauer eingegangen.
1. Die Schwierigkeiten einer stillschweigenden Rechtswahl
Sofern die Parteien das auf ihren Vertrag anwendbare Recht ausdrücklich bestimmt haben,
stellen sich keine schwierigen tatsächlichen oder rechtlichen Probleme. Die stillschweigende
Rechtswahl muss sich hingegen gemäss Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB wie auch gemäss Art. 3
Abs. 1 S. 2 nach dem EVÜ „mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages
oder aus den Umständen des Falles“ ergeben. Dies schließt für die stillschweigende Rechtswahl
schon dem Wortlaut nach die Berücksichtigung eines hypothetischen Parteiwillens aus.126 Ob
eine stillschweigende Rechtswahl entsprechend Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ vorliegt, muss mittels
124 So ähnlich Kreuzer, S. 119, der von den „strengen Voraussetzungen eines echten Vertragsschlusses“ spricht; Neuhaus, S. 262; Steinle, ZVglRW 93 (1994), 300 (308 f.); Steiner, S. 76, 79; Tobler, S. 25 ff.; Umbricht, S. 76. 125 Kropholler, S. 440; Neuhaus, S. 262; Steiner, S. 79; Tobler, S. 25 ff. 126 Anmerkung zum BGH-Urteil v. 20.1.1983, in: IPRax 1983, 298 f.; BT-Drucks. 10/ 503, S. 49; Abend, S. 257, 294 f.; in diesem Sinne auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193).
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Auslegung geprüft werden. Die Schwierigkeit bei der stillschweigenden Rechtswahl liegt darin,
diejenigen Anknüpfungspunkte herauszufinden, die sich zur Ermittlung des konkludenten,
realen Parteiwillens eignen.
2. Die Abgrenzung zu dem hypothetischen Parteiwillen
Sowohl der ausdrückliche als auch der stillschweigende Parteiwille sind zwar realer Parteiwille.
Davon zu unterscheiden ist aber der hypothetische Parteiwille. Dabei stellt man fest, was die
Parteien vernünftigerweise vereinbart hätten.127 Der hypothetische Parteiwille wird im Rahmen
einer objektiven Anknüpfung berücksichtigt.128 Grundsätzlich ist es missverständlich, wenn im
Zusammenhang einer objektiven Anknüpfung von dem „hypothetischen Parteiwillen“
gesprochen wird, denn trotz des Wortes „hypothetisch“ kann fälschlicherweise der Eindruck
entstehen, es würde dem tatsächlichen Parteiwillen Rechnung getragen.129
Liegt weder eine ausdrückliche noch eine schlüssige Erklärung der Parteien vor, so kommt eine
Anknüpfung nach objektiven Gesichtspunkten in Betracht, wobei der „hypothetische
Parteiwille“ ermittelt wird. Dieser sogenannte „hypothetische Parteiwille“ wird von der
langjährigen Rechtsprechung130 gesucht, wenn weder eine ausdrückliche noch eine
stillschweigende Rechtswahl erkennbar ist, indem aus objektiven Kriterien, insbesondere dem
Vertragsschwerpunkt, hergeleitet wird, was die Parteien wohl vereinbart hätten, wenn sie an das
Problem einer Rechtswahl gedacht hätten.131 Fehlt eine Rechtswahl, aus welchen Gründen auch
immer, bleibt es den Gerichten überlassen, einen Ausweg zu finden. Als Anhaltspunkte
berücksichtigt man den Ort, an dem der Vertragsgegenstand gelegen ist, den Ort des
Vertragsschlusses, die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz der Partei, welche die
„vertragscharakteristische Leistung“ zu erbringen hat. Es wird betont, dass es sich nicht um die
subjektiven Vorstellungen der Parteien handele. Deshalb ist auch der Begriff des
„hypothetischen Parteiwillens“ ungenau. Vielmehr geht es darum, die Interessen der Beteiligten
127 So auch Vischer, Int.VertrR, S. 70. 128 Abend, S. 258; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 232; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; Kegel/ Schurig, S. 575; Lüthge, S. 82 ff.; Nishitani, S. 300; in diesem Sinne auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193); Schulze, S. 18 ff.; Steiner, S. 78. 129 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; Kegel/ Schurig, S. 575; Lüthge, S. 82 ff.; Nishitani, S. 300; in diesem Sinne auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193). 130 RGZ 68, 203 ff. (205); 73, 379 ff. (381); 74, 171 (174); 92, 318 (320); 107, 120, 70 (72); 126, 196 (206); 141, 212 ff.; 161, 296 (298); BGHZ 7, 231, 235; 19, 110 (112); 57, 72 (75); 61, 221 (223); BGH NJW 1953, 1140 (1141); 1956, 377; 1960, 1720; 1962, 1005; 1969, 1760 (1761); 1972, 391 (393); 1977, 1011 (1012); 1976, 1581 (1582); 1981, 1606; BGHZ 126, 196 (206); BGH AWD 1971, 589 (599). 131 Abend, S. 258, 294 f.; vgl. auch Fudickar, S. 2; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; Kegel/ Schurig, S. 575 f.; Kost, S. 46; Lüthge, S. 82 ff.; Nishitani, S. 300; Schulze, S. 14, 18 ff.; Steiner, S. 78, 80; vgl. auch Weitnauer, S. 151 f.
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auf objektiver Grundlage abzuwägen und zu ermitteln, ob der Schwerpunkt des
Vertragsverhältnisses objektiv auf eine bestimmte Rechtsordnung hinweist.
Eine „hypothetische Rechtswahl“ gibt es nicht mehr: Die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes (BGH)132 hat, wie nunmehr auch das Gesetz, die auf der Rechtsprechung
des Reichsgerichts fußende Stufenleiter der Anknüpfungspunkte „ausdrücklicher“ –
„stillschweigender“ – „hypothetischer“ Parteiwille zwar übernommen, der hypothetische
Parteiwille wird im Gegensatz zum RG aber objektiv bestimmt. Problematisch ist, dass die
Umstände bei der stillschweigenden Rechtswahl teilweise die gleichen sind wie bei der
objektiven Anknüpfung, so dass die Grenzen hier fließend sind: Die deutsche Gerichtspraxis
lässt oft nicht erkennen, ob sie an den realen, stillschweigend geäußerten oder an einen nur
hypothetischen Parteiwillen anknüpft.133 Deshalb ist die von der deutschen Rechtsprechung
gemachte Abgrenzung „stillschweigender“ – „hypothetischer“ Parteiwille in der Praxis schwer
durchführbar und führt oftmals zu willkürlicher Zuordnung bei gleichliegenden Sachverhalten.
Es lässt sich kaum die Grenze zwischen einer stillschweigenden Rechtswahl nach Art. 27 Abs.
1 S. 2 EGBGB bzw. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und einer bloß hypothetischen Rechtswahl mittels
objektiver Anknüpfung nach Art. 28 EGBGB bzw. Art. 4 EVÜ ziehen.134 Daher ist es nicht
verwunderlich, dass hier die Rechtsprechung oft sehr unsicher erscheint, wie sich im Folgenden
(Kapitel 3) noch zeigen wird.
Es gibt Entscheidungen135, die belegen, dass der deutschen Gerichtspraxis eine scharfe
Trennung zwischen stillschweigendem und hypothetischem Parteiwillen nicht immer gelingt.
Exemplarisch sei hier auf eine Entscheidung des OLG München136 verwiesen, in welcher die
objektive Anknüpfung mit der Feststellung einer stillschweigenden Rechtswahl von dem
Gericht vermischt wurde. Das OLG München konstatierte, dass nach neuerer Rechtslage auch
die Indizien für die Feststellung der engsten Verbindung nach Art. 28 EGBGB hierzu gehören.
Objektive Anknüpfung und Rechtswahl schliessen sich aber aus. Auch wenn die Indizien zwar
132 BGHZ 9, 221 (222), 44, 183 (186); 57, 72 (75); 61, 221 (223); BGH NJW 1960, 1721; BGH JZ 1961, 261 (262). 133 Abend, S. 258; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 11; Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; in diesem Sinne auch Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (32); Kegel/ Schurig, S. 575; Müller-Gindullis, S. 48; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 85; Schulze, S. 20; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 308 f. 134 Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 11; Firsching, IPRax 1981, 37 (39); Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (32); Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (80); Kegel/ Schurig, S. 575; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 26; Steiner, S. 82, 116. 135 Vgl. z.B. BGH NJW 1970, 999 (1000 f.); OLG Frankfurt a. A. IPRax 1990, 43; OLG Köln IPRax 1996, 257 ff.; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323). 136 OLG München v. 10.3.1988, IPRax 1990, 320 (323).
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dieselben sind, entbindet dies das Gericht nicht, einen tatsächlichen konkludenten
Vertragsschluss des Verweisungsvertrages zu prüfen. Eine solche klare Trennung ist auch
deswegen wichtig, weil es sich bei der Feststellung des konkludenten Parteiwillens um eine
nicht reversible, tatsächliche Entscheidung handelt, während die Feststellung des sogenannten
hypothetischen Parteiwillens aufgrund der objektiven Anknüpfung reversibel ist. Zudem ist bei
ersterem eine etwaige Rück- und Weiterverweisung unbeachtlich, bei letzterem dagegen
beachtlich.137 Auch wenn die Grenze theoretisch exakt feststellbar sein mag, zerfließt sie
offensichtlich in der Praxis, so dass es oft von Zufälligkeiten abhängt, ob an den realen
Parteiwillen oder objektive Gesichtspunkte angeknüpft wird.138 Bei der Konzeption des EVÜ
knüpft man aus den zuvor genannten Gründen bei fehlender Rechtswahl an objektive Kriterien
an. Für den „hypothetischen Parteiwillen“ ist damit im Rahmen des EVÜ kein Raum mehr.
Dennoch wird die Kollisionsrechtsfigur des hypothetischen Parteiwillens keineswegs vom
gesamten Schrifttum139 verworfen und dient – wie dargelegt wurde – noch heute als
„Fundament der objektiven Anknüpfung“ in der Rechtsprechung des BGH140.
Auch nachdem die Anknüpfung an den hypothetischen Parteiwillen aufgegeben wurde, bleibt
das Abgrenzungsproblem bei einer stillschweigenden Rechtswahl aktuell, da für eine
Rechtswahl stets das Vorliegen eines Parteiwillens, das heißt die Absicht der Vornahme einer
solchen Rechtswahl, vom Gericht geprüft wird.141
Zu untersuchen sind immer alle Umstände des Einzelfalles, unter denen der Vertrag zustande
kam und die auf einen kollisionsrechtlichen Parteiwillen hindeuten. Die Bestimmungen des
Vertrages oder die Umstände des Falles müssen den Richter in die Lage versetzen, ohne
Zweifel feststellen zu können, ob die Parteien eine echte Rechtswahl getroffen haben.142
137 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 26 f.; a. A.: MüKo-Martiny, Art. 35 Rn. 7, wonach sie nach neuem Recht auch bei objektiver Anknüpfung eindeutig ausgeschlossen sein sollen; so auch: Schröder, IPRax 1987, 90 (91 f.). 138 Firsching, IPRax 1981, 37 (39); Juenger, RabelsZ 46 (1982), 57 (80); Kegel/ Schurig, S. 575; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 26; Steiner, S. 82, 116. 139 Vgl. nur Abend, S. 294 f.; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; anders aber Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (31), der die hypothetische Rechtswahl als heute so nicht mehr zulässig bezeichnet; Kegel/ Schurig, S. 575 f.; Kost, S. 46; Lüthge, S. 82 ff.; Nishitani, S. 300; Schulze, S. 14 ff.; Steiner, S. 78 ff.; vgl. auch Weitnauer, S. 151 f. 140 RGZ 68, 203 ff. (205); 73, 379 ff. (381); 74, 171 (174); 92, 318 (320); 107, 120, 70 (72); 126, 196 (206); 141, 212 ff.; 161, 296 (298); BGHZ 7, 231, 235; 19, 110 (112); 57, 72 (75); 61, 221 (223); BGH NJW 1953, 1140 (1141); 1956, 377; 1960, 1720; 1962, 1005; 1969, 1760 (1761); 1972, 391 (393); 1977, 1011 (1012); 1976, 1581(1582); 1981, 1606; BGHZ 126, 196 (206); BGH AWD 1971, 589 (599). 141 Abend, S. 294; Mitterer, S. 77; Rammeloo, S. 39, Schulze, S. 18. 142 Abend, S. 285, 294 f.; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 19; Kreuzer, S. 119, spricht vom „echten Vertragsschluss“; Moser, S. 238 f.; Ost, S. 114; Umbricht, S. 76; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 86; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 1, 12 ff.; BT-Drucks. 10/ 503, S. 49.
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III. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahlerklärung in Abgrenzung zu dem
hypothetischen Parteiwillen in England
Auch in England kann die Rechtswahlerklärung sowohl ausdrücklich wie auch stillschweigend
erfolgen.
1. Die ausdrückliche Rechtswahl – the express choice of law
Wenn die Parteien ausdrücklich eine Rechtswahl getroffen haben, wird diese Rechtswahl als
endgültig betrachtet und das von ihnen gewählte Recht findet auf den Vertrag Anwendung.
Dies wird von den englischen Gerichten einstimmig anerkannt.143
Einzige Ausnahme ist das Urteil The Torni144, das nach Ansicht des Privy Council im Urteil
Vita Food Products, Inc. v. Unus Shipping Co.145 falsch entschieden worden war. Diesem Urteil
liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Ein estländisches Schiff schiffte Orangen von Jaffa nach
Hull. Das Schiff war von einer britischen Firma gechartert, deren Vertreter die „bills of
loading“ ausgestellt hatte. Darin befand sich folgende Klausel: “This bill of lading wherever
signed is to be construed in accordance with English law“. Das Gericht wendete in diesem Fall
das Recht von Palästina als Vertragsstatut an, beachtete die Verweisung auf englisches Recht
aber zumindest insofern, als dass auf die „construction“ des Vertrages englisches Recht
angewendet wurde, das heißt es wurden die englischen Auslegungsvorschriften
herangezogen.146
Die ausdrückliche Rechtswahl taucht in England in verschiedenen Formen auf: Es gibt die
„choice-of-law clauses“, die „floating choice-of-law clauses“ und die „construction clauses“.
a) Choice-of-law clauses
Bei einer sogenannten „choice-of-law clause“, das heißt einer ausdrücklichen
Rechtswahlklausel, ist zunächst fraglich, inwiefern sich die englische Literatur überhaupt mit
der Problematik der rechtlichen Bestimmung einer solchen Rechtswahlabrede beschäftigt.147
Die Frage, ob eine Rechtswahlvereinbarung vertraglichen Charakter aufweist, dürfte vor dem
Hintergrund der englischen Consideration-Lehre zu betrachten sein.148 Die „doctrine of
consideration“ fordert für den Vertragscharakter ein gegenseitiges Leistungsverhältnis. Danach
ist der Vertragscharakter der Rechtswahlvereinbarung insofern zweifelhaft, als diese auch
143 Cheshire/ North, S. 205 ff.; Collier, S. 145; in diesem Sinne auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 89 f. 144 (1932) P.D., 27 (78) (C.A.); dazu ausführlich Lorenz, Vertragsabschluss, S. 91 f. 145 (1939) A.C. 277 (290) (P.C.); (1939) 1 All E.R. 513. 146 (1932) P.D., 27 (78) (C.A.); dazu ausführlich Lorenz, Vertragsabschluss, S. 91 f. 147 Vgl. Graveson, S. 424 ff.; Morris, S. 214 ff.; North, S. 195 (202); Koch, S. 46, 58, 81. 148 Vgl. Koch, S. 46 ff.; Mitterer, S. 36 f.
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einseitig von nur einer Partei festgesetzt worden sein könnte. Bei einer stillschweigenden
Rechtswahl spricht gegen einen Vertragscharakter, dass die englische Rechtsordnung die
Einhaltung gewisser Förmlichkeiten fordert und somit bereits deshalb Gewissheit und
Rechtssicherheit für die Parteien und eine Überprüfungsmöglichkeit bestehen, um von einem
Vertrag auszugehen.149 Hiernach ist eine Rechtswahlabrede im englischen Recht nicht als
Vertrag anzusehen. Allerdings haben englische Gerichte dennoch Vereinbarungen, denen die
consideration fehlte, als Vertrag klassifiziert, wenn dem auch eine andere Bedeutung zukam als
im rein inländischen Kontext.150
Sodann stellt sich die Frage, warum „choice-of-law clauses“ verwendet werden. Der Grund
liegt in dem Streben nach Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit hinsichtlich des auf den
Vertrag anwendbaren Rechts. Zudem werden Kosten und Zeitverzögerung, die ein Streit vor
einem Gericht verursacht, durch eine Rechtswahlvereinbarung vermieden.151 „Choice-of-law
clauses“ werden in der englischen Rechtsprechung152 und Literatur153 anerkannt und als
ausdrückliche Rechtswahl angesehen.
b) Floating choice-of-law clauses
Die englische Rechtsprechung hat als Form einer ausdrücklichen Rechtswahl „floating choice-
of-law clauses“ früher nicht immer konsequent anerkannt. Die Frage des anwendbaren Rechts
bleibt aber nicht offen. Das Vertragsstatut wird nämlich bis zur Ausübung des Wahlrechts nach
den Grundsätzen der objektiven Anknüpfung bestimmt.154
In der Entscheidung The Armar155 beschäftigten sich die englischen Gerichte erstmals mit der
„post-formation choice of law“ im Vertragsrecht: Es handelte sich um einen Frachtbrief, nach
dem der Schiffsinhaber das Recht hatte, den Schlichtungsort und das anwendbare Recht zu
bestimmen. Da London als Schlichtungsort nach Abschluss des Vertrages gewählt worden war,
war englisches Recht anwendbar. Es stellte sich jedoch die Frage, welches Recht anzuwenden
war zwischen dem Zeitraum des Vertragsabschlusses und dem Zeitpunkt, an dem der
149 Koch, S. 46 ff.; Mitterer, S. 36 f. 150 Re Bonacina v. Le Brasseur (1912) 2 Ch.D., 394 C.A. 151 North, S. 104; Yntema, Am. J. Comp. L. 1 (1952), 341 ff. 152 Jones v. Oceanic Steam Navigation Co. (1924) 2 K.B. 730; Vita Food Products Inc. v. Unus Shipping Co. (1939) A.C. 277, 298 (P.C.); Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572, (1970) 3 All ER 71 (HL); The Hollandia (1982) 2 W.L.R., 556. 153 Dicey/ Morris, S. 1217 ff.; Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Law, S. 41; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 89 f.; North/ Fawcett, S. 483; Schmitthoff, S. 109; Siesby, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 206; Stone, S. 236. 154 Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q. 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff.; North/ Fawcett, S. 483; Dicey/ Morris, S. 1220, 1221; Jaffey, S. 147; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 16; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff.; Vischer/ Huber/ Oser, S. 79. 155 Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R., 207 (C.A.); dazu ausführlich: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 183 ff.
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Schiffsinhaber seine Rechte entsprechend dem Frachtbrief ausübte.156 Das Gericht kam zu dem
Schluss, dass das anwendbare Recht in diesem Zeitraum als „schwebend“ („floating“) zu
betrachten ist und entwickelte daher den Begriff der sogenannten „floating choice of law“.157
Ähnlich lag der Fall in der Entscheidung The Iran Vojdan158, in welcher die „Amar-
Entscheidung“159 nochmals als die ausschlaggebende Entscheidung betreffend einer „floating
choice-of-law“ bestätigt wurde.160
c) Construction clauses
In England existieren zudem „construction clauses“, die eine Vereinbarung darüber enthalten,
nach welchem Recht der Vertrag auszulegen ist. Als Beispiele lassen sich folgende
Formulierungen anführen: “This agreement shall be construed…”, “…shall be governed by…”
und “…shall be interpreted and construed and persuant to the law of…“.161 Die englische
Rechtsprechungspraxis legt eine solche „construction clause“ nicht als ein Indiz einer
stillschweigenden, sondern als ausdrückliche Rechtswahl aus. Da im anglo-amerikanischen
Rechtsraum, aus dem die „construction clause“ stammt, diese mit der ausdrücklichen
Rechtswahl rechtlich gleichgestellt wird, muss eine „construction clause“ auch ausserhalb des
anglo-amerikanischen Rechtsraumes als Rechtswahlklausel gelten, unabhängig davon, nach
welchem Recht der Vertrag zu „konstruieren“ ist.162 Schließlich stellt der Begriff „construed“
kein Synonym zu dem Begriff „interpreted“ dar. Die Formulierungen „…shall be governed by
..“ und „…are to be construed in accordance with…“ unterscheiden sich nicht wesentlich. Es
wurde in der englischen Judikatur entschieden, dass es nicht darauf ankomme und keinen
Unterschied mache, wie die Rechtswahlklausel formuliert sei. Nach dem englischen
Kollisionsrecht ist die Unterscheidung nur „merely verbal“.163 Eine „construction clause“ sollte
immer im Lichte einer bestimmten Rechtsordnung gesehen werden, so dass sie „the legal
156 Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R., 207 (C.A.); dazu ausführlich: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 183 ff. 157 Mustill J. behauptete: “..the proper law can be regarded as “floating” until such time as the exercise of a choice by the carriers had the effect of fixing both governing laws at the same time”, vgl. dazu: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 183 ff. (185). 158 Dubai Electricity Co. v. Islamic Republic of Iran Shipping Lines, (“The Iran Vojdan”) (1984) 2 Lloyd`s Rep., 380, 385; dazu: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 186 ff. 159 Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R., 207 (C.A.); dazu ausführlich: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 183 ff. 160 Dazu ausführlich: Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 186 ff. 161 The Torni, (1932), 27, (78, 84) (C.A.); Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572, (1970) 3 All ER 71 (HL); Astro Venturoso Compania Naviera v. Hellenic Shipyards S.A., (“The Mariannina”) (1983) 1 Lloyd`s Rep., 12 (C.A.); Dicey/ Morris, S. 1217; Reithmann/ Martiny, S. 77; Schröder, IPRax 1985, 131 (132); Siesby, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 209 f.; Vischer/ Huber/ Oser, S. 90; dazu auch: Wolff, Private International Law, S. 427 f. 162 Lorenz, IPRax 1989, 22 (24 f.); Lorenz, RIW 1992, 697 (703); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Schröder, IPRax 1985, 131 (132). 163 Vgl. Vita Food Products Inc. v. Unus Shipping Co. (1939) A.C. 277 (298) (P.C.); vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 92.
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effect“ hat.164 Der hypothetische Parteiwille der Parteien ist bei Vorhandensein einer solchen
„construction clause“ irrelevant; es kommt nur darauf an, was die Parteien bei Vertragsschluss
gesagt oder schriftlich festgehalten haben, wobei alle Umstände des Einzelfalles zu
berücksichtigen sind.165
d) Zwischenergebnis
Auch wenn alle drei verschiedenen Formen einer ausdrücklichen Rechtswahl, die „choice-of-
law clauses“, die „floating choice-of-law clauses“ als auch die „construction clauses“, eine
unterschiedliche Relevanz im englischen Internationalen Privatrecht haben, werden sie jedoch
alle als Form einer ausdrücklichen Rechtswahl von englischer Rechtsprechung und Lehre
anerkannt.
2. Die stillschweigende Rechtswahl – the implied, implicit or tacit choice of law
In der englischen Rechtsprechung wurde die stillschweigende Rechtswahl im Laufe des 19.
Jahrhunderts anerkannt.166
In Bezug auf Willenserklärungen kennt das englische Recht neben der ausdrücklichen
Willenserklärung die Willenserklärung kraft schlüssigen Verhaltens – ein Parteiverhalten, das
aus den Umständen folgern lässt, dass daran Rechtsfolgen geknüpft werden können.167
Haben die Parteien nicht ausdrücklich eine Rechtswahl vorgenommen, versuchen die
englischen Gerichte168, eine Rechtswahl aus den Vertragsbedingungen und den relevanten
Umständen des Falles sowie der Natur des Vertrages zu folgern. Dies kann unter Umständen
zwar darauf hinauslaufen, dass ein Recht auf den Vertrag angewendet wird, über das die
Parteien entweder nie nachgedacht haben, oder welches sie zumindest nicht gewählt hätten. Es
handelt sich dann um eine fiktive Absicht der Parteien.169 Sofern die Parteien ihre Absichten
164 Vita Food Products Inc. v. Unus Shipping Co. (1939) A.C. 277 (298) (P.C.); Lorenz, IPRax 1989, 22 (24 f.); Schröder, IPRax 1985, 131 (132); vgl. Wolff, Private International Law, S. 434. 165 Stone, S. 239, 240. 166 Henrich, S. 48; vgl. auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff. 167 So auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff.; Schmitthoff, S. 108. 168 R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society Ltd. (1938) A.C. 224 (240), (1937) 4 All ER 206, 214, P.C.; The Assunzione (1954) P. 150, 1 All ER 278; James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. (1970) A.C. 583, 603; Armadora Occidental S.A. and others v. Horace Mann Insurance Co. (1977) W.L.R. 520 ff.; Laertis Shipping Corporation v. Exportadora Espanola de cementos Portland S. A. (“The Laertis”) (1982) 1 Lloyd`s Rep., 613 ff.; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C. 50 (61); Cantieri Navali Riuniti S.p.A. v. N.V. Omne Justitia and others, (“The Stolt Marmaro”) (1985) 2 Lloyd`s Rep., 428, 435; Hellenic Steel Co. and others v. Svolamar Shipping Co. Ltd. and others (“The Komninos S”) (1991) 1 Lloyd`s Rep., 370, 374 (C.A.); dazu: BT-Drucks. 10/ 503, S. 48. 169 Collier, S. 144; Schmitthoff, S. 108; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 13 f.; vgl. auch hierzu Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. L. 1952, 341, 348.
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aber in der Angelegenheit angedeutet haben, bezeichnet man dies als stillschweigende
Rechtswahl („implied, implicit or tacit choice of law“).
Aufgrund der bisherigen Präjudizienbildung170 und der in England bestehenden Pflicht, die
Präzedenzfälle zu befolgen („stare decises“-Grundsatz), kann davon ausgegangen werden, dass
die stillschweigende Rechtswahl in der englischen Rechtspraxis anerkannt ist.
Allerdings war dem englischen Recht das Erfordernis des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ, dass sich die
Rechtswahl mit „hinreichender Sicherheit“ aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den
Umständen des Falles ergeben muss, bisher fremd. Die englischen Gerichte prüften dennoch –
wie auch jetzt nach dem EVÜ – grundsätzlich, ob aus dem Wortlaut, der Form und den
Bedingungen oder den Umständen des Vertrages eine stillschweigende Rechtswahl entnommen
werden konnte. Dabei wurden bzw. werden stets alle sonstigen Vertragsbestimmungen und
Umstände, vorwiegend objektive Anknüpfungspunkte, mit einbezogen und geprüft, ob diese
auf eine gegenteilige Auslegung hindeuteten. Bei der Bewertung dieser Anknüpfungspunkte
hielten sich die Richter nicht starr an fest bestimmte Kriterien.171
Der englische Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ fordert bezüglich der „hinreichenden
Sicherheit“, die für eine stillschweigende Rechtswahl erforderlich ist, eine „reasonable
certainty“. Daraus folgt, dass das Gericht nach dem Wortlaut des EVÜ nicht mehr berechtigt
ist, eine Rechtswahl anzunehmen, die die Parteien gemacht haben könnten, solange keine
eindeutige Absicht der Parteien erkennbar ist, eine solche Rechtswahl auch vornehmen zu
wollen.172 Dies hat den Vorteil, dass ein leichtfertiges Schlussfolgern auf eine stillschweigende
Rechtswahl aufgrund nur schwacher Indizien vermieden wird.173
170 Vgl. dazu: R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society Ltd. (1938) A.C. 224 (240), (1937) 4 All ER 206, 214, P.C.; The Assunzione (1954) P. 150, 1 All ER 278; James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. (1970) A.C. 583, 603; Armadora Occidental S.A. and others v. Horace Mann Insurance Co. (1977) W.L.R., 520 ff.; Laertis Shipping Corporation v. Exportadora Espanola de cementos Portland S. A. (“The Laertis”) (1982) 1 Lloyd`s Rep., 613 ff.; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C., 50 (61); Cantieri Navali Riuniti S.p.A. v. N.V. Omne Justitia and others, (“The Stolt Marmaro”) (1985) 2 Lloyd`s Rep., 428, 435; Hellenic Steel Co. and others v. Svolamar Shipping Co. Ltd. and others (“The Komninos S”) (1991) 1 Lloyd`s Rep., 370, 374 (C.A.). 171 Vgl. hierzu BT-Drucks. 10/ 503, S. 48; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Graveson, S. 412; Jaffey, S. 134; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 76; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 13. 172 Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Laws, S. 42; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166); Nygh, S. 111; Plender, S. 91; anders Diamond, 32 C.L.P. (1979), 155 (160), der die Auffassung vertritt, das EVÜ beabsichtige nicht, die Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl überhaupt einzuführen. 173 Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 13.
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Eine stillschweigende Rechtswahl kann aber auch nur für einen Teil des Vertrages vorliegen.174
Auf den ersten Blick scheint die stillschweigende Rechtswahl nach dem EVÜ der nach dem
englischen Recht sehr ähnlich zu sein. Dennoch gibt es Unterschiede und die Fälle, die nach
dem englischen Recht entschieden worden sind, müssen mit Vorsicht betrachtet werden. Denn
eine Schlussfolgerung im Hinblick auf die Absicht der Parteien könnte nach dem EVÜ
schwieriger zu ziehen sein als nach den Regeln des common law.175
3. Das hypothetische Vertragsstatut – the putative proper law
Falls die Gerichte noch nicht einmal eine Andeutung für eine Rechtswahl erkennen können,
müssen sie objektiv auf das hypothetische Vertragsstatut („proper law“) schliessen. Dieses
hypothetische Vertragsstatut wird dasjenige Recht sein, mit dem der Vertrag die engste
Verbindung aufweist. Um Unannehmlichkeiten zu vermeiden, muss deshalb die nicht
ausdrückliche Rechtswahl unterteilt werden in stillschweigende Rechtswahl und hypothetische
Rechtswahl, die vorliegt, wenn überhaupt keine Rechtswahl getroffen wurde.176 Auch im
englischen Recht besteht eine Schwierigkeit der stillschweigenden Rechtswahl („implied or
tacit choice“) in der Praxis vor allem darin, sie vom hypothetischen Vertragsstatut abzugrenzen.
Das hypothetische Vertragsstatut als das Recht, das die Parteien bei Vertragsschluss hätten
anwenden wollen, wenn sie daran gedacht hätten, wird im englischen Recht auch als „putative
proper law“ bezeichnet.177
Es wird vertreten, dass die lex fori über die Einigung der Parteien bezüglich des anwendbaren
Rechts zu entscheiden habe, während das „putative proper law“ über die Wirksamkeit
entscheide.178 Obwohl die Betonung auf den Parteiwillen gelegt wird, werden bei dem „putative
proper law“ auch objektive Gesichtspunkte berücksichtigt. Man bemüht sich mittels objektiver
Kriterien, die Absicht zu ermitteln, die die Parteien „reasonably“ gehabt hätten, wenn sie über
die Angelegenheit nachgedacht hätten.179 Die Grenze zwischen einer objektiven Anknüpfung
und einer Anknüpfung an den stillschweigenden Parteiwillen ist zum einen in der Praxis schwer
174 Kaye, S. 154; Morris, Ch. 13; North/ Fawcett, S. 476 f.; Nygh, S. 120; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 (199); Plender, S. 96 f. 175 North/ Fawcett, S. 484 f.; in diesem Sinne auch Plender, S. 91. 176 Jaffey, S. 138; North, S. 105; Webb/ Brown, S. 343; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 51. 177 Vgl. z.B. Lord Dilhorne in Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. v. James Miller and Partners (1970) A.C. 583 (611); Lord Morris in Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (587); Collier, S. 143; Collins, S. 419; Dicey/ Morris, S. 1189, 1224; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff.; Wolff, Private International Law, S. 422 f. 178 Libling, Mod.L.Rev. 42 (1979), 169 (172 f.); Nygh, S. 113. 179 Mount Albert Borough Council v. Australasian Temperance and General Mutual Life Assurance Society Ltd. (1938) A.C. 224 (240), (1937) 4 All ER 206 (214) P.C.; Collier, S. 143; Hoyle, S. 207; in diesem Sinne auch Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166); Mann, JZ 1962, 6 (7); Morris, Ch. 13; Morris/ North, S. 437 ff.; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176, 178 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 51.
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zu ziehen. Zum anderen muss die Unterscheidung des objektiv bestimmten, anwendbaren
Rechts von dem mittels stillschweigenden Parteiwillens bestimmten Recht nicht immer sinnvoll
sein: Das ist auch der Grund, weshalb viele Fälle, die Beispiele einer Anknüpfung an den
stillschweigenden Parteiwillen sind, ebenso als Beispiele für die engste oder vernünftigste
Verbindung angesehen werden können.
Während zum Beispiel in dem Urteil Miller v. Whitworth180 die Mehrheit des House of Lords
einen stillschweigenden Willen der Parteien zugunsten englischen Rechts annahm, folgerte die
Minderheit aus den Umständen des Falles, dass die engste bzw. vernünftigste Verbindung des
Vertrages zum englischen Recht bestand.181 Dies veranschaulicht, wie austauschbar und schwer
unterscheidbar diese beiden Anknüpfungen in der Praxis sein können.
In England war es der Kollisionsrechtler Westlake182, der im Jahre 1880 die Fiktion eines
stillschweigenden Vertragswillens durch eine objektivierende Anknüpfung – the „proper law of
the contract“ – ersetzen wollte. Er kam auch unter dem Einfluss von Savigny zu dem Ergebnis,
die engste Verbindung („the most real connection“) eines Vertrages mit einem Land bestimme
das anwendbare „proper law“. Neben dem Grundsatz der Privatautonomie sollte es nun auch
das Prinzip der engsten Verbindung geben.
Die Unzufriedenheit mit der Suche nach dem „hypothetischen Parteiwillen“ („the presumed
intention“) führte zu einer neuen Anknüpfung bei fehlender Rechtswahl: Die der engsten oder
vernünftigsten Verbindung („closest and most real connection“).183 Lord Simonds formulierte
in dem Urteil Bonython v. Commonwealth of Australia184, dass – bei fehlender ausdrücklicher
Wahl des „proper law“ – das „proper law” das Rechtssystem sei, in Bezug auf welches der
Vertrag geschlossen wurde oder das, mit dem das Geschäft die engste Verbindung habe.
Zu der engsten Verbindung gelangten die englischen Gerichte über objektive Anknüpfungen
wie zum Beispiel Ort des Vertragsschlusses, Erfüllungsort, Vertragswährung, Belegenheitsort
von unbeweglichem Eigentum oder Verbindungen der Parteien selbst zu einem Land, das heißt
Wohnsitz und Geschäftsort.185
180 (1970) A.C. 583, 603. 181 Collins, S. 419. 182 Vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 102, 107 ff.; Westlake, S. 271 ff. 183 Collier, S. 144; Dicey/ Morris, S. 1189; Graveson, S. 413; Jaffey, S. 133; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 102, 107 ff.; North, S. 104; Nygh, S. 106; Stone, S. 237 ff.; Westlake, S. 280. 184 (1951) A.C. 215 (219) (P.C.); dazu: Morris/ North, S. 457 ff. 185 Graveson, S. 413; Jaffey, S. 134, 138 f.; Morris, Ch. 13; Schmitthoff, S. 109; Stone, S. 237 ff.; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 51.
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Zahlreiche englische Gerichtsentscheidungen186 knüpften an diese „closest and most real
connection“ an.
Bis zum Jahre 1930 sahen die höchsten englischen Gerichte die hypothetische Rechtswahl –
„the proper law of the contract“ – als Hauptgrundsatz an. Selbst die ausdrückliche Rechtswahl
galt nur als Untergruppe: Auch wenn sie zweifelsohne ein starkes Indiz für das hypothetische
Vertragsstatut war, so war sie nicht zwingend überzeugend, wenn der Vertrag tatsächlich
woanders lokalisiert war.187 Im Jahre 1939 kam es zu einer Wende: Der ausdrücklichen
Rechtswahl kam fortan überragende Bedeutung zu und die hypothetische Rechtswahl sollte nur
noch bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswahl relevant werden.188 Dennoch gab es weiterhin
vereinzelte Stimmen189, die eine ausdrückliche Rechtswahl nicht für überzeugend hielten.
Cheshire190 nahm den Gedanken der engsten Verbindung im Jahre 1948 auf und dehnte ihn aus,
indem er konstatierte, dass auch eine ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahl nur
gültig sein sollte, falls sie auf ein Recht deute, mit dem der Vertrag wenigstens eine gewisse
Verbindung habe.
Nach Ansicht der Literatur191 sollte von der Geltung des Vertragsstatuts allerdings eine
Ausnahme gemacht werden, wenn dessen Anwendung zu groben Unbilligkeiten führen würde,
wie auch im Fall des Schweigens einer Partei. Beruhend auf der Lehre des „proper law of the
contract“ wurde das maßgebliche Recht in der englischen Rechtsprechung ohne
„Typenbildung“ von Fall zu Fall unter Berücksichtigung aller Umstände bestimmt. Allerdings
wurde diese Lehre durch das Inkrafttreten des EVÜ am 1.4.1991 in England aufgehoben. Die
Parteiautonomie wurde gesetzlich festgelegt und trat an die Stelle der traditionellen Theorie des
„proper law of the contract“.192 Seitdem erfolgt eine objektive Anknüpfung gemäss Art. 4 EVÜ,
wenn es an einer Rechtswahl der Parteien fehlt.193 Die englische Kollisionsrechtslehre nähert
sich der Kollisionsrechtslehre der anderen europäischen Länder an, auch wenn die Vorschriften
des EVÜ bis jetzt im englischen Case Law wenig erforscht sind.
186 Bonython v. Commonwealth of Australia (1951) A.C. 215 (219) (P.C.); Tomkinson v. First Pennsylvania Banking & Trust Co. (1961) A.C. 1007 ff. (HL); Rossano v. Manufacturers` Life Ins. Co. (1963) 2 Q.B., 352 (360); Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (593, 603) (1970) 3 All ER 71 (HL); Coast Lines Ltd. v. Hudig & Veder Chartering N.V. (1972) 2 Q.B. 34 (C.A.); Monterosso Shipping Co. Ltd. v. International Transport Workers` Federation N.V. (1982) 3 All E.R. 841 (C.A.); X A.G. and others v. A bank (1983) 2 All ER 464; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C., 50 (61, 69). 187 Mount Albert Borough Council v. Australasian Mutual Life Assurance Society (1938) A.C. 224 (240); Collier, S. 143; Nygh, S. 104. 188 R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); Nygh, S. 105. 189 Boissevain v. Weil (1949) 1 K.B. 482 (490); Re Helbert Wagg & Co. Ltd. (1956) Ch.D. 323 (341). 190 Cheshire/ North, S. 208 ff.; dazu: Schmitthoff, S. 107. 191 Dicey/ Morris, S. 1189; Lando, S. 104 f. 192 Dicey/ Morris, S. 1188 ff.; Morris, Ch. 13; Nishitani, S. 270; North, Essays, S. 13 ff. 193 Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Laws, S. 42; Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (384); vgl. auch Kaye, S. 149; North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 225; Plender, S. 104 f.
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IV. Ausdrückliche oder stillschweigende Rechtswahlerklärung in Abgrenzung zu dem
hypothetischen Parteiwillen in Frankreich
Im französischen autonomen Internationalen Privatrecht kann die Rechtswahl zwar
ausdrücklich erfolgen, allerdings existierten bis zur Einführung des EVÜ keine eindeutigen
Ausführungen zu dem allgemeinen Fragenkomplex stillschweigender Rechtswahlerklärungen.
Der französischen Bestimmung des Vertragsstatuts war mithin eine gesetzliche Trennung
zwischen stillschweigendem und hypothetischem Parteiwillen fremd.194 Auch in der
französischen Literatur wurde die Problematik der Beurteilung einer stillschweigenden
Rechtswahl nur an einigen Stellen gestreift, die kaum Rückschlüsse auf den Rechtszustand in
Frankreich vor Einführung des EVÜ zuliessen.195 Es handelt sich auch im französischen
Kollisionsrecht bei dem stillschweigenden Rechtswahlwillen um einen realen Willen im
Gegensatz zum nicht realen hypothetischen Parteiwillen.196 Er ergibt sich aus diversen
Umständen und birgt eine Gefahr in sich, da er vom Richter festgestellt werden muss und somit
von dessen Interpretation abhängt. Der Richter kann dabei in gewissem Umfang eine Tendenz
für eine bestimmte Rechtsordnung haben. Sein Einfluss ist hier sehr bedeutend.197
Das französische autonome Internationale Privatrecht für internationale Verträge unterscheidet
sich vom EVÜ insofern, als es gesetzlich nur eine ausdrückliche Rechtswahl zulässt und nicht
auch eine in Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ geregelte stillschweigende Rechtswahl. Das Wort
ausdrücklich ist in der französischen Literatur zu einem sehr dehnbaren Begriff geworden.198
Die französische Version des EVÜ verlangt für die „hinreichende Sicherheit“ in Bezug auf eine
stillschweigende Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ eine Feststellbarkeit „de façon
certaine“ und wirkt damit etwas strenger als die deutsche und englische Fassung.
Der französische Kollisionsrechtler Kassis199 ist der Ansicht, dass die Idee einer Rechtswahl,
die „de façon certaine des circonstances de la cause“ resultieren muss, ein begrifflicher
Widerspruch sei (une „contradictio in terminis“). Der Ausdruck „de façon certaine“ müsse
194 BT-Drucks. 10/ 503, S. 51; anders aber Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 248; Niboyet, S. 595, die jeweils eine solche Unterscheidung treffen; ders., Traité, S. 40 f.; Boughaba, S. 36 ff.; Schaack, S. 123. 195 Vgl. Hübner/ Constantinesco, S. 272; Koch, S. 82 f.; zum Beispiel wurde der stillschweigende Rechtswahlwille in Abgrenzung zum ausdrücklichen und hypothetischen Rechtswahlwillen angesprochen von Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 248 f.; Niboyet, Traité, S. 40 f., 54 ff. 196 In diesem Sinne auch Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: Abl.EG 1980 Nr. C 282, frz. Fassung, S. 260; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (168). 197 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 246 f.; ähnlich Kassis, S. 361 f.; Niboyet, Traité, S. 40, 75. 198 Hartenstein, S. 114, vgl. auch Fußnote 5; Koch, S. 82 f.; Mezger, AWD 1974, S. 377 ff. 199 Kassis, S. 361.
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daher ignoriert werden, denn eine Rechtswahl, die „de façon certaine des circonstances de la
cause“ resultieren solle, sei begrifflich unmöglich.
Die Auslegung der nunmehr auch in Frankreich existierenden stillschweigenden Rechtswahl
richtet sich in der französischen Rechtspraxis nach Kriterien, die mit denen der deutschen200
und englischen Rechtspraxis weitgehend übereinstimmen.201
Im Anwendungsbereich des EVÜ geht die französische Rechtsprechung sowohl bei
ausdrücklichen Erklärungen wie auch beim Schweigen der Parteien davon aus, dass beide
Parteien an der Anwendung der lex fori interessiert sind, was sich in ihren Entscheidungen
widerspiegelt.
Zunächst wird das Vorliegen einer ausdrücklichen sowie stillschweigenden Rechtswahl, die
sich aus den Umständen des Falles und den Bedingungen des Vertrages ergeben kann,
untersucht. Liegen diese nicht vor, wird der hypothetische Parteiwille anhand der Umstände
erforscht, indem geprüft wird, was die Parteien gemacht hätten, wenn sie an die Frage des
anwendbaren Rechts gedacht hätten.202 Dies belegen viele Entscheidungen der französischen
Rechtsprechung203 bereits vor Einführung des EVÜ. In den meisten Entscheidungen könnte
man die Anwendung der lex fori allerdings auch damit rechtfertigen, dass sie das Recht der
engsten Verbindung darstellt. Die Parteiinteressen und das kollisionsrechtliche Gebot zur
Anwendung des sachnächsten Rechts können mithin konform laufen.204 Während bereits vor
Einführung des EVÜ vorrangig die Interessen der Parteien die französischen Entscheidungen
bestimmten, wurde dabei stets der Rechtsordnung zur Anwendung verholfen, die der
Kassationsgerichtshof für die sachnächste hielt.205
Durch das Inkrafttreten des EVÜ wurde die Schwierigkeit, eine klare Grenze zu ziehen
zwischen der stillschweigenden und der bloß hypothetischen Rechtswahl, die sich auf objektive
Kriterien bei fehlender Rechtswahl stützt, noch verstärkt.206
Was das mangels Rechtswahl anzuwendende Recht angeht, konnten die Gerichte nach dem
französischen Kollisionsrecht vor Inkrafttreten des EVÜ frei entscheiden, zu welcher
200 Vgl. BT-Drucks. 10/ 503, S. 51. 201 Vgl. 3.Kapitel A.I. 202 Ancel/ Lequette, S. 83 (88); Barbey, S. 311; Batiffol, Traité, S. 625; Leschallier de Lisle, S. 15, 16, 44; diese Unterscheidung trifft auch Meierhof, S. 121; Niboyet, S. 594 ff.; ders., Traité, S. 40 f., 76 f. 203 Beispielsweise Req. 1.3.26. – J.D.I. (Clunet 53) 1926, 661; Cass.civ., 15.5.1935 – Affaire Prévost c. Hampelé, Nouvelle revue de droit international privé (2) 1935, 341; Rev.crit.dr.int.priv. 1936, 463, note Niboyet; Cass.civ. v. 15.12.1969 – Thomas c/ Cie Erste Allgemeine et autres – J.D.I. (Clunet 98) 1971, 566; Cass.civ. v. 19.4.1988 – Roho C. Caron et autres, Recueil Dalloz Sirey 1988, 2, 345. 204 Koerner, S. 87. 205 Vgl. z.B. Thomas c/ Cie Erste Allgemeine et autres – J.D.I. (Clunet 98) 1971, 566. 206 Andere Ansicht: Kassis, S. 367.
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Rechtsordnung der Vertrag bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalles die „engste
Beziehung“ hatte. Es gab keinen alleinigen zwingenden Anknüpfungspunkt. Dies ging sogar so
weit, dass der Kassationsgerichtshof wieder Entscheidungen aufhob, die nur einen
Anknüpfungspunkt berücksichtigten.207
Auch im Hinblick auf das mangels Rechtswahl anzuwendende Recht wendete die französische
Rechtsprechung damit schon im voraus die Regelung des EVÜ, nämlich Art. 4 EVÜ an,
wonach der Vertrag „dem Recht des Staates unterliegt, mit dem er die engsten Verbindungen
aufweist.“208 Dennoch geht das EVÜ weiter, indem es vermutet, dass „der Vertrag die engsten
Verbindungen mit dem Staat aufweist, in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung
zu erbringen hat, im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder
ihre Hauptniederlassung hat.“ Heute im Anwendungsbereich des EVÜ soll der französische
Richter diesen Staat ermitteln, dessen Recht er dann ohne weiteres anwenden darf.
Er kann auch die Ausweichklausel anwenden, die Art. 4 Abs. 5 EVÜ vorsieht, wenn der
Vertrag mit einer anderen Rechtsordnung enger verbunden ist. Allerdings muss er dies
begründen. Wenn der Richter sich mithin auf ein Indiz nicht als Indiz einer Rechtswahl der
Parteien i. S. d. Art. 3 EVÜ stützt, wendet er es zumindest über die Ausweichklausel des Art. 4
Abs. 5 EVÜ als Indiz der „engsten Verbindung“ an.
Der französische Richter darf im Anwendungsbereich des EVÜ aber nicht mehr direkt diese
andere Rechtsordnung anwenden.209
D. Die allgemeinen Voraussetzungen einer Rechtswahl unter Berücksichtigung
des EVÜ
Eine Rechtswahl wird in der Regel bei Vertragsschluss getroffen, da eine im Nachhinein zu
treffende Rechtswahl oftmals mit einer beginnenden Konfliktsituation kollidiert. In einer
derartigen Situation werden die Parteien meist darauf beharren, dass ihr jeweiliges nationales
Recht Anwendung finden soll. Grundsätzlich muss eine Rechtswahl nach allen
Rechtsordnungen zulässig und wirksam zustande gekommen sein. Die Einigung der Parteien
muss in Bezug auf die Form-, Rechts- und Geschäftsfähigkeit, Vertretung und Vollmacht
wirksam sein. Für diese Wirksamkeitsvoraussetzungen bestehen wiederum kollisionsrechtliche
207 Vgl. hierzu: Kassis, S. 348 f., 368; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101; vgl. auch Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (168). 208 Vgl. auch Kassis, S. 348 f.; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101.209 Kassis, S. 368; Lagarde, Die Rom-Konvention und Frankreich, S. 101 f.
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Regelungen, zum Beispiel im EVÜ, die das anzuwendende Recht bestimmen. Eine
Überprüfung der Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl erfolgt im Falle eines
Rechtsstreits durch das Gericht. Fraglich ist dabei, wie die Rechtswahl der Parteien zu
verstehen ist.
Die kollisionsrechtliche Verweisung, mit der die Parteien das anwendbare Recht unter
Einbeziehung der zwingenden Normen des Privatrechts wählen, ist zunächst von der materiell-
rechtlichen Verweisung abzugrenzen.210 Diese ist gegeben, wenn neben der Herrschaft eines
bestimmten Rechts von den Parteien einzelne Regelungen einer Rechtsordnung für anwendbar
erklärt und zum Vertragsinhalt gemacht werden. Auch wenn diese Rechtsinstitute strikt
voneinander zu trennen sind, basieren sie beide auf der Annahme, dass die Parteien ihre
Interessen und individuellen Bedürfnisse besser einschätzen können als ein Richter oder
Gesetzgeber dies könnte, und dass ein angemessener Ausgleich der widerstreitenden
Parteiinteressen erreicht werden kann.211 Welche Rechtsordnung schließlich anwendbar ist,
muss allerdings für jeden Fall unter Berücksichtigung seiner materiellrechtlichen Problematik
neu entschieden werden.212
I. Vertragsstatut – Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahl
Zunächst ist zu prüfen, was unter „Zustandekommen“ und „Wirksamkeit“ der Rechtswahl zu
verstehen ist, um dann feststellen zu können, welches Statut darauf anwendbar ist.
Während sich das „Zustandekommen“ der Rechtswahl darauf bezieht, dass die Parteien zu einer
Willensübereinstimmung gekommen sind, erfasst die „Wirksamkeit“ die Frage, ob ein einmal
zustande gekommener Vertrag auch Bestand für die Zukunft hat, weshalb man teilweise auch
im deutschen Recht vom „inneren Vertragsschluss“ spricht.213 Grundsätzlich ist beim
Schuldvertrag zu beachten, dass der beabsichtigte Hauptvertrag und der Rechtswahlvertrag, der
im deutschen Recht auch Verweisungsvertrag214 genannt wird, voneinander zu unterscheiden
sind, da sie rechtlich selbständig und damit in ihrer Gültigkeit voneinander unabhängig sind.
Während im deutschen Recht der Hauptvertrag aus den das ganze Rechtsgeschäft betreffenden
übereinstimmenden Willenserklärungen der Vertragsparteien besteht, werden als
Verweisungsvertrag die übereinstimmenden, ausdrücklichen oder konkludenten
210 Vgl. z.B. Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, 1.Bd. AT, Nr. 7. 211 In diesem Sinne Neuhaus, S. 257; Roth, Int. VersR, S. 436; vgl. auch Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, 1.Bd. AT, Nr. 7, der von ähnlichen Motiven spricht. 212 Abend, S. 356. 213 von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (512); Kost, S. 6; MüKo-Martiny, Art. 31 EGBGB Rn. 4 ff. 214 Vgl. z.B. Graf von Westphalen, WM 1978, 1310 (1311); Koch, S. 43; Müller-Gindullis, S. 44; Schwung, WM 1984, 1301; Stoll, S. 33; Umbricht, S. 72 ff.; Vischer, Int.VertrR, S. 66 ff.
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Willenserklärungen bezeichnet, die sich nur auf die Rechtswahl beziehen.215 Die
Rechtswahlvereinbarung ist als eigenständiger Vertrag anzusehen und die gewählte
Rechtsordnung soll über die Gültigkeit des Verweisungsvertrages entscheiden, weshalb der
bloße Anschein, der erweckt wurde – „die Erklärung als Faktum“216 – zu dieser Rechtsordnung
führen muss. Danach ist zu prüfen, ob die Verweisung gültig zustande gekommen ist.
Art. 3 Abs. 4 EVÜ und Art. 8 EVÜ sind Ausdruck der Unterscheidung zwischen
Rechtswahlvereinbarung und Hauptvertrag.
Art. 3 Abs. 4 EVÜ verweist bezüglich der Wirksamkeit der Einigung der Parteien über das
anzuwendende Recht auf Art. 8 EVÜ. Gemäss Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 8 Abs. 1 EVÜ ist auf
Zustandekommen und Wirksamkeit der Rechtswahlvereinbarung das Recht des Hauptvertrages
anwendbar, das heißt das Recht, das anzuwenden wäre, wenn der Vertrag wirksam wäre. Der
Hauptvertrag untersteht auch nach dem EVÜ nach überwiegender Ansicht217 dem einheitlichen
sogenannten Vertragsstatut, das heißt der Rechtsordnung, welche den Vertrag im Allgemeinen
beherrscht („materielle lex causae“). Man kann es auch als hypothetisches Vertragsstatut
bezeichnen, da die zu entscheidende Frage gerade in der Anwendbarkeit des durch die
Vorschrift berufenen Rechts besteht.
Nach herrschender Ansicht218, die vor allem in der Literatur schon lange überwiegend vertreten
wird und für die sich dann auch der deutsche Gesetzgeber entschieden hat, unterliegt ebenso die
Rechtswahlvereinbarung – der Verweisungsvertrag – dem Vertragsstatut und damit dem Recht,
das die Parteien durch die Rechtswahl wählen wollten.219 Es liegt nahe, die Einigung über den
Rechtswahlvertrag auf dieselben Prinzipien zu stützen wie die Einigung über den Hauptvertrag:
Da die Rechtswahl in der Regel nur eine rechtlich selbständige Klausel des Hauptvertrages
215 Schwung, WM 1984, 1301; Stoll, S. 33. 216 von Bar, II, Rn. 473; von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (519); Kost, S. 43; Kropholler, S. 271; Neuhaus, S. 256. 217 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 28; Kropholler, S. 440; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 193; Schulze, S. 32; Umbricht, S. 73. 218 BGH IPRax 1988, 26; Abend, S. 291; Baumert, RIW 1997, 805 (806); Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 28; Graf von Westphalen, WM 1978, 1310 (1311); Kegel/ Schurig, S. 486; Kost, S. 26; kritisch dazu Lando, RabelsZ 38 (1974), 6 (22 ff.); Martiny, ZEuP 1999, 246 (253); Mitterer, S. 189; Neuner, RabelsZ 8 (1934), 103; Nishitani, S. 271; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 225; Roth, RIW 1994, 275 (276); ders., Int. VersR, S. 526; Scheerer, AWD 1974, 181 (185); Schulze, S. 34; Steiner, S. 142; Vischer, Int.VertrR, S. 68 f.; von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510, (518 f.). 219 Vgl. hierzu: BGH IPRax 1988, 26; Abend, S. 291; Baumert, RIW 1997, 805 (806); Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 28; Graf von Westphalen, WM 1978, 1310 (1311); Kegel/ Schurig, S. 486; Kost, S. 26; kritisch dazu Lando, RabelsZ 38 (1974), 6 (22 ff.); Martiny, ZEuP 1999, 246 (253); Mitterer, S. 189; Neuner, RabelsZ 8 (1934), 103; Nishitani, S. 271; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 225; Roth, RIW 1994, 275 (276); ders., Int. VersR, S. 526; Scheerer, AWD 1974, 181 (185); Schulze, S. 34; Steiner, S. 142; Vischer, Int.VertrR, S. 68 f.; von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510, (518 f.).
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darstellt, wäre es verfehlt, von den Parteien zu erwarten, dass sie sich darüber anders einigen als
über den Rest des Vertrages.220 Es dient daher dem Parteiinteresse, den Konsens der Parteien
für den Hauptvertrag und den Verweisungsvertrag einheitlich zu beurteilen. Zudem wird der
internationale Entscheidungseinklang auf diese Weise nicht mehr als notwendig gefährdet und
die Voraussehrbarkeit gerichtlicher Entscheidungen wird gefördert.221
Nach anderer Ansicht222 ist dennoch die lex fori anzuwenden. Wiederum andere223 wollen
internationale Sachnormen legis fori anwenden, was im Rahmen des EVÜ einer autonomen
Auslegung entspricht, so dass eine vertragsautonome Qualifikation im Rahmen des EVÜ
entscheidet. Die gesetzgeberische Lösung der Anwendung des von den Parteien gewählten
Rechts – nach dem EVÜ über die Anknüpfung in Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 8 Abs. 1 EVÜ – ist als
ein zweistufiges Verfahren zu verstehen, um jeglichen rechtslogischen Bedenken
entgegentreten zu können.224 Zuerst ist zu fragen, ob die Parteien einen zurechenbaren
Anschein eines gemeinsamen faktischen Willens225 gesetzt haben. Das bedeutet, dass an die
tatsächliche Bezeichnung der zu wählenden Rechtsordnung durch die Parteien anzuknüpfen
ist.226 Danach ist nach dem gefundenen Recht zu untersuchen, ob eine rechtsgeschäftliche
Einigung vorliegt. Problematisch ist es herauszufinden, wann von einem gemeinsamen Willen
ausgegangen werden kann. Die (Auslegungs-) Frage, ob ein anzuwendendes Recht von den
Parteien tatsächlich bezeichnet worden ist, beurteilt sich nach der lex fori.227 Um der von Art.
36 EGBGB sowie Art. 18 EVÜ geforderten einheitlichen Auslegung gerecht zu werden, ist der
gemeinsame Rechtswahlwille der Parteien in jedem Fall übereinkommenskonform zu
bestimmen.228 Eindeutig ist die Rechtslage, wenn sich beide Parteien ausdrücklich auf die
Geltung eines bestimmten Rechts geeinigt haben (vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 EVÜ). Anders
ist es hingegen, wenn lediglich stillschweigend gemäss Art. 3 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 EVÜ eine
Rechtswahl getroffen wurde.
220 In diesem Sinne: Roth, RIW 1994, 275 (276); ders., Int. VersR, S. 526. 221 Vgl. Roth, Int. VersR, S. 527. 222 Moser, S. 232, 237; Raape, S. 433 f.; Umbricht, S. 73. 223 Baumert, RIW 1997, 805 ff. (807); Diamond, in “The Heidelberg” (1994) 2 Lloyd`s Rep., 287 (307); Vischer/ Huber/ Oser, S. 84 ff. (86). 224 von Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (519); Kost, S. 43; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 204 ff.; Roth, Int. VersR, S. 527, 528; Stoll, FS Beitzke, S. 759 (769). 225 BGH NJW 1984, 2763 f.; OLG München IPRax 1991, 46 (48); Graf von Westphalen, AWD 1972, 593 (596); v. Hoffmann, RabelsZ 36 (1972), 510 (519); Linke, ZVR 79 (1980), 1 (33); Raape, S. 434; Roth, Int. VersR, S. 528; Soergel/ von Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn 101. 226 Ebsen/ Jayme, AWD 1972, 298 (300); Mann, NJW 1984, 2740; Stoll, FS Beitzke, S. 759 (769). 227 Ebsen/ Jayme, AWD 1972, 298 (300); Mitterer, S. 56, 189; Roth, Int. VersR, S. 528 Fn. 362. 228 In diesem Sinne Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (31); Kost, S. 41; North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 230 f.
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Dabei ist es in allen Rechtsordnungen problematisch zu erkennen, woraus sich eine solche
stillschweigende Rechtswahl ergeben könnte, und ob sich diese „mit hinreichender Sicherheit“
ergibt. Es wird nämlich oft übersehen, dass sich die Frage nach dem anwendbaren Recht
überhaupt stellt. Auch mangelt es häufig an dem für einen Rechtswahlvertrag erforderlichen
Erklärungsbewusstsein. Daher kann aus den entsprechenden Verhaltensweisen der Parteien
nicht immer „mit hinreichender Sicherheit“ auf eine Rechtswahl geschlossen werden.229
Insofern dürfen die Entscheidungen der Rechtsprechung nicht zu weit reichen.
II. Verweisungsvertrag – Zulässigkeit der Rechtswahl
Demgegenüber ist die Frage der Zulässigkeit der Rechtswahl, das heißt die Frage, ob eine
Rechtswahl von einer Rechtsordnung überhaupt gestattet wird bzw. welche Kriterien für eine
stillschweigende Rechtswahl nach Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ entscheidend sind, abzugrenzen.
Diese Frage bleibt dem Kollisionsrecht des Forums (lex fori) überlassen.230 Art. 3 EVÜ selbst
stellt klar, dass die lex fori allein über die Zulässigkeit der Rechtswahl bestimmt.231 Haben die
Parteien jedenfalls eine Rechtswahl nach dem EVÜ vorgenommen, so ist das vereinbarte Recht
Vertragsstatut, das heißt die Beziehungen zwischen den Parteien werden nach dem von ihnen
gewählten Recht beurteilt.232 Dieses ist den Parteien dabei nicht aufgrund objektiver
Gesichtspunkte vorgegeben, vielmehr wird es angewendet, weil die Parteien einen
entsprechenden Rechtswahlwillen hatten und genau dieses Recht gewählt haben.233 Darauf, wie
eine solche Rechtswahl in der Praxis aussieht, wird unten ausführlich eingegangen.
E. Die stillschweigende Rechtswahl nach den Grundsätzen der Auslegung von
Rechtsgeschäften
Die obige Feststellung, dass die stillschweigende Rechtswahl eine rechtsgeschäftliche Einigung
voraussetzt, führt dazu, dass die Auslegung von Rechtsgeschäften zu untersuchen ist. Denn
auch die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als rechtsgeschäftliche Willenserklärung
anzusehen ist, bestimmt sich durch Auslegung.234 Es wird ein willentliches Verhalten
untersucht, das Ausdruck eines Rechtsfolgewillens sein könnte. Der Erklärungstatbestand muss
ermittelt werden, um dann unter Heranziehung der relevanten Erklärungsumstände
229 OLG Köln ZIP 1992, 1482 (1483 f.), ZIP 1993, 1538 (1540); Schack, NJW 1984, 2738. 230 Baumert, RIW 1997, 806 f.; Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (31); Schulze, S. 27, 32; Steiner, S. 142; Umbricht, S. 75; Vischer/ Huber/ Oser, S. 86, 87. 231 Meyer-Sparenberg, RIW 1989, 347; MüKo-Martiny Art. 27 EGBGB Rn. 64; Roth, RIW 1994, 275 (276). 232 Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 55. 233 Koch, S. 43, 44; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 60. 234 In diesem Sinne Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (31); Kellmann, JuS 1971, 609 ff.; Larenz, Die Methode der Auslegung von Rechtsgeschäften, S. 82.
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festzustellen, ob eine Willenserklärung vorliegt.235 Zunächst muss der objektive Tatbestand
einer Willenserklärung vorliegen, wobei die Anhaltspunkte so hinreichend deutlich auf eine
Rechtswahl schliessen lassen müssen, dass ein objektiver Beteiligter aus dem Verkehrskreis der
Parteien redlicherweise von einer Erklärung zu der Rechtswahl ausgehen kann. Ein erkennbarer
Rechtswahlwille, mithin ein äußerer Erklärungstatbestand und ein Erklärungsbewusstsein, das
heißt ein inneres Willenselement der Parteien, sind unverzichtbar: Die Parteien müssen die
kollisionsrechtliche Frage nach dem anwendbaren Recht erkannt haben und die äußeren
Umstände müssen darauf hindeuten.236 Denn oft wird die Frage des anwendbaren Rechts bei
der Vertragsgestaltung überhaupt nicht aufgeworfen und den Parteien nicht bewusst,
geschweige denn, dass sie artikuliert würde.237
Es ist bei der Auslegung gem. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ zwischen dem objektiven
Erklärungsinhalt für eine Rechtswahl und dem Erklärungsbewusstsein mindestens einer Partei
zu unterscheiden. Der äußere, objektive Erklärungstatbestand für eine stillschweigende
Rechtswahl muss sich aus den Indizien ergeben238, auf die in dieser Arbeit noch näher
eingegangen werden wird.
Je schwächer der objektive Erklärungsgehalt für eine Rechtswahl ist, desto stärker muss die
Annahme eines Erklärungsbewusstseins der Parteien sein. Sind sich die Parteien nicht sicher,
ob das Gericht auch nach einem anderen Recht urteilen könnte oder lassen die Umstände des
Einzelfalles daran zweifeln, dass die Parteien sich Vorstellungen über eine Rechtswahl gemacht
haben, so kann keine „hinreichende Sicherheit“ für die Annahme einer Rechtswahl i. S. d. Art.
3 Abs. 1 S. 2 EVÜ gegeben sein.
235 In diesem Sinne: Kellmann, JuS 1971, 609 ff.; Larenz, Die Methode der Auslegung von Rechtsgeschäften, S. 82. 236 Vgl. hierzu: Abend, S. 297 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 113; Schwimann, S. 106 f.; Schwind, S. 200; vgl. Soergel/ Hefermehl, vor § 116 BGB Rn. 18. 237 Abend, S. 297 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 113; Schwimann, S. 106 f.; Schwind, S. 200; vgl. Soergel/ Hefermehl, vor § 116 BGB Rn. 18. 238 So auch Abend, S. 297.
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2. Kapitel: Problempunkte und Besonderheiten im Bereich der
Rechtswahl unter Einbeziehung des EVÜ
Nachdem im ersten Kapitel die stillschweigende Rechtswahl in Europa untersucht wurde,
sollen in diesem Kapitel weitergehende Aspekte, die im Bereich der Rechtswahl unter
Einbeziehung des EVÜ von Bedeutung sind, wie die Klarstellung des Verhältnisses zwischen
Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 9 EVÜ, das Nichtstattfinden einer
Inhaltskontrolle für eine Rechtswahl, die Zulässigkeit von optionalen Rechtswahlklauseln (sog.
floating choice-of-law clauses) sowie die stillschweigende negative Rechtswahl und die
stillschweigende Rechtswahl nach dem Haager Übereinkommen und der Konvention von
Mexiko im Vergleich zu der nach dem EVÜ, untersucht werden.
A. Klarstellung des Verhältnisses zwischen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und Art. 3
Abs. 4 iVm Art. 9 EVÜ
Auch wenn die Klarstellung des Verhältnisses zwischen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ und Art. 3 Abs.
4 iVm Art. 9 EVÜ nicht im Fragenkatalog des Grünbuchs enthalten ist, so bedarf das Verhältnis
aus wissenschaftlicher Sicht einer Untersuchung. Auf den ersten Blick könnte man nämlich
annehmen, dass Art. 3 Abs. 4 iVm Art. 9 EVÜ die Formerfordernisse für eine konkludente
Rechtswahl festschreibt. Dies ist jedoch nicht der Fall, da diese Frage bereits in Art. 3 Abs. 1 S.
2 EVÜ dahingehend entschieden ist, dass die konkludente Rechtswahl formfrei möglich ist,
vorausgesetzt, die Indiztatsache erfüllt die für sie erforderliche Form. Art. 3 Abs. 4 EVÜ hat
eine Auffangfunktion, da er nach der Reihenfolge und Systematik des Art. 3 EVÜ nur für
Fragen gilt, die nicht schon zuvor in Art. 3 Abs. 1-3 EVÜ selbst geregelt sind.239 Um
grösstmögliche Klarheit zu erreichen, könnte die Formfreiheit der konkludenten Rechtswahl
explizit in Art. 3 Abs. 1 S. 2 einer zukünftigen Rom I-Verordnung festgeschrieben werden.
B. Keine Inhaltskontrolle einer Rechtswahl
Eine weitere Überlegung ist es, im Normtext des Art. 3 Abs. 1 einer zukünftigen Rom I-
Verordnung ausdrücklich festzuschreiben, dass keine Inhaltskontrolle einer Rechtswahl
stattfindet, auch wenn dies bereits geltendes Recht ist und mithin eine deklaratorische
239 Lorenz, RIW 1992, 697 (697); Mankowski, Urteilsanm., VuR 1999, 140 (141); Heiss, Inhaltskontrolle von Rechtswahlklauseln in AGB nach europäischem Internationalem Privatrecht, RabelsZ 65 (2001), 634 (636 f.).
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Festschreibung wäre.240 Es kommt durchaus vor, dass die Gerichte eine Inhaltskontrolle nach
dem Sachrecht der lex fori vornehmen.241 Dadurch wird Sach- und Kollisionsrecht vermengt,
indem nicht berufenes Sachrecht zur Anwendung gebracht wird. Zudem widerspricht es dem
von Art. 5 Abs. 1, 6 Abs. 1 EVÜ gewollten Schutzmechanismus zu Gunsten schwächerer
Parteien: Danach soll zu Gunsten der schwächeren Partei das Recht angewendet werden, das
ohne Rechtswahl anwendbar wäre. Das objektiv anwendbare Recht setzt damit einen
Mindeststandard, unter den die Rechtswahl nicht führen darf. Da somit die Art. 5 Abs. 1, 6 Abs.
1 EVÜ bestimmen, dass eine Rechtswahl selbst bei einer typischerweise schwächeren Partei
nach Massgabe des Art. 3 EVÜ wirksam sein soll242, muss Art. 3 EVÜ bei Verträgen ohne eine
typischerweise schwächere Partei erst recht eine abschliessende Regelung und eine Rechtswahl
ohne Inhaltskontrolle wirksam sein.243
C. Zulässigkeit von optionalen Rechtswahlklauseln (sog. floating choice-of-law
clauses)
In manchen Rechtsordnungen ist es zulässig, dass der Verweisungsvertrag unter einer
Bedingung vereinbart wird oder die Bestimmung des anzuwendenden Rechts einer der
Vertragsparteien überlassen wird. Bedingte optionale Rechtswahlklauseln (“floating choice-of-
law clauses“) werden in einigen Ländern auch im Zusammenhang mit einer entsprechenden
Gerichtsstandsklausel oder Schiedsabrede vereinbart.244 Bei sogenannten “floating choice-of-
law clauses“245, auch „schwebende Rechtswahl“ genannt, wird das Vertragsstatut erst später
bestimmt und davon abhängig gemacht, wo Ansprüche aus diesem Vertrag klageweise geltend
gemacht werden. Es handelt sich daher um bedingte, alternative Rechtswahlklauseln.246 Sie
ermöglichen, wechselseitige Gerichtsstandsklauseln mit entsprechenden Rechtswahlklauseln
240 Mankowski, Stillschweigende Rechtswahl und wählbares Recht. 241 Siehe z.B. OLG Düsseldorf, RIW 1994, 420 (421). 242 Mankowski, Grundfragen des Internationalen Verbrauchervertragsrechts, RIW 1993, 453 (456); ders., Urteilsanm. RIW 1994, 421 (423). 243 Mankowski, Stillschweigende Rechtswahl und wählbares Recht. 244 Kropholler, S. 442; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 59. 245 Beispielsweise in Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R. 207 (C.A.); Black Clawson International Ltd. v. Papierwerke Waldhof-Aschaffenburg A.G. (1981) 2 Lloyd`s Rep., 446 (456); Astro Venturoso Compania Naviera v. Hellenic Shipyards S.A., (“The Mariannina”) (1983) 1 Lloyd`s Rep., 12, 15 (C.A.); Dubai Electricity Co. v. Islamic Republic of Iran Shipping Lines, (“The Iran Vojdan”) (1984) 2 Lloyd`s Rep., 380, 385; Cantieri Navali Riuniti S.p.A. v. N.V. Omne Justitia and others, (“The Stolt Marmaro”) (1985) 2 Lloyd`s Rep., 428, 435; E.I. du Pont de Nemours & Co. and Endo Laboratories Inc. v. I.C. Agnew, K.W. Kerr and others (1987) 2 Lloyd`s Rep., 585, 592 (C.A.); ausführlich dazu: Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q. 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff. 246 In diesem Sinne auch: Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q., 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff.
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jeweils zugunsten der lex fori zu verbinden.247 Dadurch kann ausschließlich am allgemeinen
Gerichtsstand des Beklagten oder an einem besonderen Schiedsgericht geklagt werden und das
angerufene Gericht hat die lex fori anzuwenden. Da bei Vertragsschluss noch nicht feststeht,
wer klagen wird, ist die Alternative notwendig.248
Fraglich ist, ob solche optionalen Rechtswahlklauseln zulässig sind. Während die „floating
choice-of-law clauses“ dem englischen Kollisionsrecht – wie sich noch zeigen wird –
Schwierigkeiten bereiten, da das anwendbare Recht bereits bei Vertragsschluss existieren und
identifizierbar sein soll, können sie im Einzugsbereich des EVÜ mit dem Institut der
nachträglichen Rechtswahl gemäss Art. 3 Abs. 2 S. 1 EVÜ problemlos gelöst werden.249 Nach
deutschem Verständnis wäre eine explizite Zulassung im Normtext einer zukünftigen Rom I-
Verordnung nur eine Klarstellung, da solche Rechtswahlklauseln unter Art. 3 Abs. 1 S. 1 EVÜ
statthaft sind und Wirkungen wie eine nachträgliche Rechtswahl entfalten. Eine ausdrückliche
Klarstellung, dass optionale Rechtswahlklauseln zulässig sind, würde jedoch die
Rechtssicherheit vergrössern.
D. Die stillschweigende negative Rechtswahl
Der Abgrenzung halber ist noch das im Schiedsrecht verwendete Institut der stillschweigenden
negativen Rechtswahl zu beleuchten. Es dient dazu, die Anwendung außerstaatlichen Rechts
wie internationale Handelsbräuche, allgemeine Rechtsgrundsätze, die lex mercatoria oder die
UNIDROIT Grundsätze bei Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswahl zu rechtfertigen. Diese
Rechte versuchen, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Vertragsparteien
herbeizuführen.250 Wenn die Parteien sich nicht auf die Anwendbarkeit einer bestimmten
Rechtsordnung geeinigt haben, leiten einige251 daraus den stillschweigenden Verzicht der
Parteien auf die Anwendung jeglicher staatlichen Rechtsordnung ab. Allerdings ist nach wie
vor umstritten,252 ob Rechtsregeln nichtstaatlichen Ursprungs (wie zum Beispiel die „lex
mercatoria“, also internationale Handelsbräuche und vorherrschende Praktiken des
247 Vgl. Abend, S. 288; Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q., 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 16. 248 Ebenso: Abend, S. 288; Beck, Floating choice of law clauses, 1987 Lloyd`s Maritime & Comm. L.Q., 533 ff.; Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 16. 249 Reese/ Rosenberg/ Hay, Supplement 1992, Kapitel 9. 250 So auch Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (391f.); Leible, ZVglRWiss 97 (1998), 286 (315). 251 Leible, ZVglRWiss 97 (1998), 286 (312 ff.); Michaels, RabelsZ 62 (1998), 580 (595 ff.). 252 Dafür: Boele-Woelki, IPRax 1997, 161 (166); Kappus, IPRax 1993, 137 ff., Mänhardt/ Posch, S. 90, Schwimann, S. 104; dagegen: v. Bar, II, Rn. 425, v. Hoffmann, S. 369, Kropholler, S. 413, Lagarde, Rev.crit.dr.int.pr. 80 (1991), 287 (300); Menne, JuS 1998, 711 (713), MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 31 f.; North/ Fawcett, S. 482; Plender, S. 55; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Soergel/ von Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 12, 16.
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internationalen Handels) einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl überhaupt zugänglich sind oder
ob nur staatliches Recht in Betracht kommt. Zur Begründung, dass die Wahl nichtstaatlicher
Rechtsregeln eine Rechtswahl im Sinne des Art. 3 EVÜ darstellen sollte, wird angeführt, dass
eine Möglichkeit, die in vielen Staaten Schiedsgerichten eingeräumt werde, staatlichen
Gerichten nicht vorenthalten werden könne.253 Diese Lehre ist jedoch nach überzeugender
Ansicht254 abzulehnen, da sie reinhypothetisch ist und die Wertungen, die hinter der
Anwendung nicht-staatlicher Rechtssätze stehen, verdeckt: Diese sollen nämlich nur
angewendet werden, weil sich bestimmte internationale Verträge, die alle gleichwertig zu
mehreren Rechtsordnungen verknüpft sind, nicht zwanglos in einer einzigen nationalen
Rechtsordnung lokalisieren lassen. Die nicht-staatlichen Rechtssätze sind, unabhängig davon
wie detailliert sie sind, generell nicht geeignet, um alle Vertragslücken zu füllen. Sie bilden
kein geschlossenes und umfassendes Normensystem.255 Dementsprechend wird für das EVÜ
richtigerweise vertreten, das Übereinkommen erlaube eine Vereinbarung nicht-staatlichen
Rechts nicht.256 Zudem ergibt sich bereits aus Art. 7 Abs. 1 EVÜ, dass man nur an die Wahl
staatlichen Rechts dachte. Die Wahl außerstaatlichen Rechts ist somit ausgeschlossen.
E. Die stillschweigende Rechtswahl nach dem Haager Übereinkommen und der
Konvention von Mexiko im Vergleich zu der nach dem EVÜ
Die Haager Konvention, das EVÜ und die Konvention von Mexiko nehmen alle drei auf die
Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl Bezug. Interessant ist es, dabei festzustellen,
dass sehr abweichende Maßstäbe für das Vorliegen einer stillschweigenden Rechtswahl gesetzt
werden.
Die früheste Konvention von allen, das Haager Abkommen über das auf internationale Käufe
253 Vgl. hierzu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 254 Robine, What Companies expect of International Commercial Arbitration, J. Int`l Arb.( June 1992), 31, 36; Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; Vischer/ Huber/ Oser, S. 81 Rn. 148. 255 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 256 Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 76 f.
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beweglicher Sachen anwendbare Recht vom 15.6.1955257, dem die Bundesrepublik
Deutschland bisher nicht beigetreten ist, befasst sich mit dem internationalen Kaufrecht und
setzt den schärfsten Versuch in Art. 2 Abs. 2: Demzufolge muss die stillschweigende
Rechtswahl „zweifelsfrei aus den Vertragsbestimmungen hervorgehen (résulter
indubitablement des dispositions du contrat)“. Hierbei handelt es sich um eine einschränkende
Formulierung,258 die den Gerichten keinen Spielraum lässt. Die Konsequenz daraus ist, dass ein
einzelnes Indiz, wie zum Beispiel eine Gerichtsstandsvereinbarung, nicht ausreicht. Andere
Elemente, wie die Verwendung bestimmter Rechtsbegriffe oder der Bezug auf bestimmte
Rechtsvorschriften, müssen hinzukommen.259 Zudem wird gefordert, dass der Schluss auf eine
stillschweigende Rechtswahl aus den Bestimmungen des Vertrages an sich resultieren muss und
nicht aus anderen den Vertrag umgebenden, äußerlichen Umständen.260 Diese Forderung wurde
heftig kritisiert und es wurde die Ansicht vertreten, dass die an eine stillschweigende
Rechtswahl gestellten Forderungen zu hoch seien. Sie würden die Tatsache missachten, dass
die Parteien, wenn sie einen Gerichtsstand für ihren Streit wählen, in der Regel dieses spezielle
Recht auf den Vertrag auch anwenden wollten.261 Gleichzeitig wird durch die Formulierung
„zweifelsfrei“ in Art. 2 Abs. 2 des Haager Abkommens die Forderung unterstrichen, dass der
stillschweigende Rechtswahlwille nicht mit dem hypothetischen Rechtswahlwillen der Parteien
verwechselt werden darf.262 Aus der Bestimmung folgt schließlich, dass die stillschweigende
Rechtswahl nur als anfängliche möglich ist: Da sie sich bereits aus dem Vertrag ergeben muss,
kann sie nicht erst durch das spätere Prozessverhalten der Parteien zustande kommen.263 Art. 2
Abs. 3 des Haager Kaufrechtsübereinkommens264 regelt die „Voraussetzungen für eine
übereinstimmende Willensäußerung der Parteien über das als anwendbar erklärte Recht“; im
257 Das Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht v. 15.6.1955 ist am 1.9.1964 für Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien und Norwegen in Kraft getreten, am 6.9.1964 für Schweden, am 10.12.1971 für Niger und am 27.10.1972 für die Schweiz, dazu allgemein: Brulhart, S. 88 Nr. 187; Karsten, Explanatory Report, Conférence de la Haye de droit international privé 1976, Actes et Documents de la Treizième session, Tome IV, S. 378 ff.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 5 f. 258 So auch v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 155 (162) (1993); North-v. Hoffmann, Contract Conflicts, S. 224; vgl. auch Plender, S. 10, 14; Raape, S. 435. 259 Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods,57 RabelsZ 1993, 155 (166). 260 Karsten, Explanatory Report, Conférence de la Haye de droit international privé 1976, Actes et Documents de la Treizième session, Tome IV, S. 378 ff. (390); Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166); ders., S. 46; Plender, S. 14. 261 Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods,57 RabelsZ 1993, 155 (166). 262 Vgl. Giuliano, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 260; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (165); Vischer, Int.VertrR, S. 69 ff.263 Hartenstein, S. 120. 264 Haager Übereinkommen vom 15. Juni 1955 betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche körperliche Sachen anzuwendende Recht, United Nations Treaty Series, 510 U.N.T.S. 147.
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französischen Originaltext265 ist in diesem Zusammenhang von “consentement des parties“ die
Rede. Es wird das nicht ausdrücklich bestimmte Erfordernis einer Einigung vorausgesetzt, das
damit für internationale Kaufverträge in den Vertragsstaaten des Abkommens gilt.
In dem (neuen) Haager Abkommen über das auf internationale Warenkäufe anwendbare Recht
vom 22.12.1986266, das in seinem Artikel 1 einen Mittelweg zwischen dem EVÜ und der
Haager Konvention von 1955267 zu finden sucht, wurde die Forderung in Art. 7 Abs. 1
ausgeweitet und noch strenger: Der stillschweigende Parteiwille muss sich „klar (“clearly“) aus
dem Gesamtinhalt des Kaufs und aus dem gesamten Verhalten der Parteien ergeben.“ Dieses
Erfordernis impliziert, dass ein bestimmtes Indiz, isoliert für sich genommen, nicht ausreicht,
um eine Rechtswahl der Parteien festzusetzen. Die Indizien, auf die geachtet werden muss,
werden so zwar zu Angelegenheiten über den Vertrag hinaus erweitert, aber die Wörter “clearly
demonstrated“ setzen immer noch ein relativ hohes Maß an Sicherheit.268
Die Konvention von Mexiko von 1994269, die ebenfalls den Grundsatz der Parteiautonomie
ausdrücklich anerkennt,270 ist in bestimmten Punkten widersprüchlich: In Art. 7 Abs. 1 fordert
sie, dass die stillschweigende Absicht einer Rechtswahl „in offensichtlicher Weise aus dem
Verhalten der Parteien und den Bestimmungen des Vertrages, betrachtet als Ganzes,
hervorgehen muss“. Dies kann als noch strengerer Standard angesehen werden, als das Maß an
Sicherheit, welches das EVÜ fordert.271 Denn es ist danach ausgeschlossen, dass in
schematischer Weise auf bestimmte Beweiszeichen zurückgegriffen wird, um den Parteien eine
stillschweigende Rechtswahl zu unterstellen. Eine stillschweigende Rechtswahl kann nur
angenommen werden, wenn es gerade im konkreten Fall „offensichtlich“ erscheint, dass die
265 United Nations Treaty Series, 220 U.N.T.S. 122. 266 Das (neue) Haager Übereinkommen betreffend das auf internationale Kaufverträge über bewegliche Sachen anzuwendende Recht v. 22.12.1986 ist lediglich von Argentinien und Moldau ratifiziert sowie von den Niederlanden und der ehemaligen Tschechoslowakei gezeichnet worden; es ist noch nicht in Kraft getreten. Nach der Teilung der Tschechoslowakei am 1.1.1993 sind die Tschechische Republik und die Slowakische Republik als Unterzeichnerstaaten anzusehen. Text in 51 RabelsZ 1987, 196 ff. 267 So beispielsweise Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (162). 268 Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods,57 RabelsZ 1993, 155 (166); Nygh, S. 110; Pommier, S. 108. 269 Diese Interamerikanische Konvention von Mexiko vom 18.3.1994 über das auf internationale Schuldverträge anwendbare Recht wurde zwischen den USA und lateinamerikanischen Staaten, wie z.B. Argentinien, Chile, Ecuador, Kuba, Mexiko und Uruguay abgeschlossen, wobei es inhaltlich um dasselbe geht wie in dem Haager Übereinkommen. Die Konvention wurde von Venezuela am 26.10.1995, von Mexiko am 15.11.1996 ratifiziert und trat gemäss Art. 28 am 15.12.1996 in Kraft (Ratifikationsstand im Internet: http:// www.oas.org/SP/PINFO/docs.htm); vgl. dazu ausführlich Samtleben, IPRax 1998, 385 ff. 270 Vgl. Art 7 Abs. 1; die Anerkennung der Parteiautonomie ist nicht in allen lateinamerikanischen Staaten gesichert: Brasilien, Kolumbien und Uruguay erkennen beispielsweise die Parteiautonomie nicht an, weshalb der Konvention Signalwirkung zukommt, vgl. Arroyo, Rev.crit.dr.int.priv. 1995, 178 (182); Samtleben, IPRax 1998, 385 (387 f.). 271 Vgl. Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (388); Samtleben, IPRax 1998, 385 (388).
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Parteien den Vertrag einem bestimmten Recht unterwerfen wollten.272 Das wird verdeutlicht in
Art. 7 Abs. 2, der festsetzt, dass die Wahl der Parteien hinsichtlich eines bestimmten Gerichtes
„nicht notwendig“ eine Wahl des anwendbaren Rechts mit sich bringt,273 wohingegen nach dem
EVÜ dies immerhin diskutabel ist. Die Vorschrift des Art. 7 läßt es auch nicht zu, dass den
Parteien ein hypothetischer Wille unterstellt wird.274
Die Formulierungen des EVÜ bezüglich der stillschweigenden Rechtswahl in den drei
verschiedenen Rechtsordnungen Deutschland, England und Frankreich („mit hinreichender
Sicherheit“, “with reasonable certainty“, “de façon certaine“) machen deutlich, dass die
europäischen Gerichte in Bezug auf die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl eine
grosszügigere Einstellung haben.275 Festzuhalten bleibt, dass die geforderten Standards an
Sicherheit in Bezug auf die stillschweigende Rechtswahl in den verschiedenen Konventionen
variieren. Alle haben jedoch gemeinsam, dass das Gericht in der Lage sein muss, auf eine
„echte“ Rechtswahl zu schließen anstatt eine solche Absicht zu unterstellen.276
Es bestehen Unterschiede hinsichtlich der Umstände, aus denen auf eine „echte“ Rechtswahl
geschlossen werden kann. Wenn das Vorhandensein einer stillschweigenden Rechtswahl
„zweifelsfrei“ (“without doubt“) oder „mit Sicherheit“ (“with certainty“) feststellbar sein muss,
ist es klar, dass dem Gericht kaum Spielraum für Spekulation darüber bleibt, ob ein bestimmtes
Recht gewählt wurde oder nicht. Falls sich für die Benutzung von bestimmten Vorschriften,
einer bestimmten Sprache oder einer Gerichtsstandsklausel eine andere Erklärung findet, wie
beispielsweise der ausgezeichnete Ruf des gewählten Gerichtes, wird nicht auf eine
stillschweigende Rechtswahl geschlossen. Wenn die stillschweigende Rechtswahl jedoch nur
mit „angemessener Sicherheit“ (“reasonable certainty“) festgesetzt werden muss, ist es für das
Gericht bereits ausreichend, wenn ein Wille der Parteien, eine bestimmte Rechtsordnung
anwenden zu wollen, wahrscheinlicher ist als dessen Nichtexistenz. In diesem Fall kann ein
einzelnes Indiz, wie beispielsweise die Gerichtsstandsvereinbarung, ausreichen.277 Die letzte
Methode, die in der englischen Fassung des EVÜ zum Ausdruck gebracht wird, spiegelt sich,
272 Vgl. hierzu Samtleben, IPRax 1998, 385 (388). 273 Vgl. Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.priv. 84 (1995), 250; anders aber Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (388), der in der Vorschrift (“though phrased negatively“) die gegenteilige Aussage sieht; Samtleben, IPRax 1998, 385 (388). 274 Samtleben, IPRax 1998, 385 (388). 275 In diesem Sinne auch v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166). 276 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Karsten, Explanatory Report, Conférence de la Haye de droit international privé 1976, Actes et Documents de la Treizième session, Tome IV, S. 378 ff. (390); Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (166); Nygh, S. 110; vgl. auch Samtleben, IPRax 1998, 385 (388). 277 Nygh, S. 111; in diesem Sinne auch Samtleben, IPRax 1998, 385 (388).
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wie bereits dargelegt, sowohl in der deutschen Methode wider als auch im englischen Recht.
Blickt man auf die Entwicklung des Rechts der Konventionen, scheint es heute die bevorzugte
Methode zu sein.278
278 Nygh, S. 111.
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3. Kapitel: Die Praxis der stillschweigenden Rechtswahl
A. Die Praxis der EU-Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich zur
stillschweigenden Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts
In diesem Abschnitt wird untersucht, wie in der Praxis festgestellt wird, ob sich eine
Rechtswahl „mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den
Umständen des Falles“ (vgl. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ) ergibt.
I. Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis
Mangels ausdrücklicher Erklärung haben sich in Deutschland, England und Frankreich
Indizien, das heißt bestimmte äußere Umstände, in der Praxis als Anhaltspunkte für einen
stillschweigenden Parteiwillen herausgebildet, die allerdings grundsätzlich im Zusammenhang
mit sämtlichen Einzelumständen des Falles sowie den Bedingungen des Vertrages zu bewerten
sind.279 Folglich kann ein Indiz in einem Fall von besonderer Wichtigkeit sein und den
Ausschlag für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl geben, während es in einem
anderen Fall, in dem entgegenwirkende Umstände oder Faktoren gegeben sind, als schwächeres
Indiz einzustufen ist.280 Mittels der Indizien wird eine Rechtswahl der Parteien zwar nicht
unbedingt offensichtlich, aber sie geben eine Wahrscheinlichkeit für eine Rechtswahl.281
Bei der Prüfung der in Betracht kommenden Indizien darf nicht aus den Augen verloren
werden, dass das entscheidende Merkmal der Parteiwille ist, da er maßgeblich den
stillschweigenden von dem hypothetischen Parteiwillen bzw. die stillschweigende Rechtswahl
von der objektiven Anknüpfung unterscheidet.282 Die Schwierigkeit einer stillschweigenden
Rechtswahl liegt darin, dass sie einerseits Ausdruck des realen Parteiwillens sein muss, aber
andererseits grundsätzlich nur äußeren Umständen entnommen werden kann, was die Gefahr
schematischen Vorgehens und fiktiver Annahmen begünstigt. Die später folgenden Indizien
sollen daraufhin näher untersucht und entsprechend dargestellt und gewichtet werden.
Die Heranziehung des Berichts von Giuliano und Lagarde, der als Auslegungshilfe gedacht ist
und im Official Journal283 veröffentlicht wurde, könnte in England gegen den hergebrachten
Grundsatz der Rechtsprechung verstoßen, Äußerungen noch lebender Autoren nicht zur
279 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (Sirey 1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Cass.civ. 1°, 5 déc. 1910, Rev.de dr.int.priv.et de dr.pénal int. 1911, 395; dazu Jacquet, S. 26; Collier, S. 153; Kassis, S. 361. 280 Collier, S. 153. 281 Kassis, S. 361. 282 MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 41; Steiner, S. 79, 81; Stoll, S. 39. 283 (1980) O.J. C 282 (Oktober 31, 1980).
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Kenntnis zu nehmen.284 Allerdings sieht sec. 3 (3) (a) des Contracts (Applicable Law) Act 1990
die Heranziehung des Berichts ausdrücklich vor, so dass auch die englischen Gerichte ihn
letztlich doch hinzuziehen können.285 Mithin sollen hier auch die Indizien einer genaueren
Prüfung unterzogen werden, die die Autoren Giuliano und Lagarde in ihrem Bericht als
Beispiele für Situationen anführen, in denen auf eine „echte Rechtswahl“ der Parteien
geschlossen werden kann.286 Entscheidend ist, dass der stillschweigende Rechtswahlwille der
Parteien auf ein anderes, mit einer objektiven Anknüpfung nicht zusammenhängendes System
hinweist.287
Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich die verschiedenen sprachlichen Fassungen des EVÜ
bezüglich der stillschweigenden Rechtswahl in den jeweiligen Gerichtsentscheidungen
widerspiegeln.
II. Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsvereinbarungen
1. In Deutschland
a) Fakultative Gerichtsstandsvereinbarungen
Bei der fakultativen Gerichtsstandsvereinbarung einigen sich die Parteien bezüglich eines
Falles mit Auslandsbezug nach eigenem Ermessen auf die Zuständigkeit der Gerichte eines
bestimmten Landes.288 Nach überwiegender Ansicht289 ist die fakultative
Gerichtsstandsvereinbarung ein materiell-rechtlicher Vertrag über prozessrechtliche
Beziehungen.
Eine einheitliche Bewertung dieses Indizes kann in der deutschen Praxis nicht festgestellt
werden: Es wird ihm sowohl allein starke Bedeutung beigemessen, als auch teilweise nur im
Zusammenhang mit anderen Indizien. Obwohl die Wahl eines einheitlichen Gerichtsstandes
kein zwingendes Indiz für einen Rechtswahlwillen der Parteien ist, wird sie in der deutschen
284 Vgl. dazu: North/ Fawcett, S. 464; Jayme/ Kohler, IPRax 1990, 353 (359); Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (680); Morris, Ch. 13. 285 North/ Fawcett, S. 464; Jayme/ Kohler, IPRax 1990, 353 (359); Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (680); Morris, Ch. 13. 286 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 287 Nygh, S. 114. 288 MüKo-Martiny, vor Art. 27 EGBGB Rn. 49. 289 BGHZ 49, 384; BGH NJW 1971, 323; Koch, S. 45, 94; Sandrock-Jung, Bd. II, S. 767 m.w.N. in Fn 9; Thomas/ Putzo, Einl. III 6 f. u. Vorb. § 38 Anm. 2; a.A.: Hausmann, in: FS Lorenz, S. 359 (361); Martiny, AWD 1972, 165 ff.
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Literatur290 als einer der stärksten Anhaltspunkte für die Wahl des Rechts des Gerichtsstaates
angesehen. Bereits der gemeinrechtliche Satz „qui eligit judicem, eligit ius“291 deutet darauf
hin, dass mit der Gerichtswahl in der Regel die Wahl des Rechts des Gerichtsortes gegeben
ist.292 Dieser Satz wird teilweise dadurch gerechtfertigt, dass in Handels- und Industriekreisen
mit der prorogatio fori die Vorstellung von der Anwendung der materiellen lex fori untrennbar
verbunden werde.293
Die Rechtsprechung vertrat schon in frühen Entscheidungen294 die Ansicht, dass eine
Gerichtsstandsvereinbarung auf eine stillschweigende Rechtswahl der Parteien für das
erkennende Gericht schließen lässt. Begründet wird dies damit, dass die Parteien davon
ausgehen, dass das Gericht nicht nach fremdem Recht entscheidet.
Auch in der folgenden neueren Rechtsprechung295 sieht man in der Gerichtsstandsvereinbarung
einen „starken Hinweis“ auf das Recht dieses Gerichts, wenn auch nicht mehr vorbehaltlos auf
einen Rechtswahlwillen geschlossen wird, sondern vielmehr weitere Umstände zur Begründung
einer Rechtswahl hinzutreten müssen. Solche Umstände können zum Beispiel das
Zusammenfallen des Abschlussortes oder des Erfüllungsortes mit dem Ort des Gerichtsstandes,
die Verwendung von der lex fori angehörenden Rechtsbegriffen oder auch die Maßgeblichkeit
der am Gerichtsort gebräuchlichen Sprache sein.296 Als Argument für den Indizcharakter einer
Gerichtsstandsvereinbarung wird angeführt, dass grundsätzlich davon auszugehen sei, dass die
Möglichkeit, nach Heimatrecht zu entscheiden, die beste Gewähr für eine richtige Entscheidung
ist. Die Anwendung fremden Rechts sei meistens für die Gerichte schwierig und kompliziert.
Deshalb rechneten die Parteien in der Regel damit, dass der Richter nur sein eigenes Recht
290 Andrae/ Fincke, S. 17; Baetge, JuS 1996, 983 (987); Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Gamillscheg, AcP 157, 303 (318, 332); v. Hoffmann, § 10 Rn. 35, S. 372; Kegel/ Schurig, S. 574; Koch, S. 95 f.; Kost, S. 42; Kreft, WM-Sonderbeilage Nr. 5 zu Heft 35/ 1997, S. 3 (67); a.A. Kreuzer, S. 119, der die Gerichtsstandsvereinbarung als objektive Anknüpfungsnorm vorschlägt; Kropholler, S. 440; Lewald, S. 211; Lorenz, RIW 1992, 697 (702); Lüthge, S. 75, 81; Martiny, ZEuP 99, 246; Menne, JuS 1998, 711 (713); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 43; Nussbaum, S. 227 f.; Palandt/ Heldrich, Art. 27 Rn. 6; Raape, S. 435; kritisch Rammeloo, S. 223 ff.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 88; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schröder/ Wenner, S. 58; Schwimann, S. 107; Siehr, FS Keller, S. 485 (492); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 47; Stadler, Jura 1997, 505 (509); Steiner, S. 86; Stoll, S. 41 ff.; Umbricht, S. 76; Vischer/ Huber/ Oser, S. 91; Wolff, S. 142. 291 Vgl. Gaudemet-Tallon, Rev.crit.dr.int.priv. 84 (1995), 250; Kost, S. 42, MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 43; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32; Schulze, S. 44; Stoll, S. 41 f.; Vischer, Int.VertrR, S. 70 f.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 14. 292 Denn er bedeutet übersetzt, dass derjenige, der das Gericht wählt, das Recht wählt. 293 Nussbaum, S. 228; vgl. dazu Vischer, Int.VertrR, S. 71, der mit dieser Rechtfertigung nicht übereinstimmt. 294 RG JW 1906, 449 (452); BGHZ 104, 268, 270; BGH DB 1964, 1297, AWD 1973, 101, WM 1964, 1023; BayObLG IPRspr 1934 Nr. 25; OLG Hamburg IPRspr 1985 Nr. 36; OLG Hamburg RIW 1986, 462 (463); LG Frankfurt a.M. AWD 1966, 226, 1969, 233; BAG DB 1975, 63. 295 So z.B. in BGH NJW 1996, 2569; vgl. BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 296 BGH WM 1964, 1023; vgl. z.B. OLG Karlsruhe IPRspr. 1972 Nr. 64 b; LG Frankfurt AWD 1966, 226; BGH NJW 1996, 2569; vgl. BT-Drucks. 10/ 503, S. 49.
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kennt.297 Zudem fordere auch das Interesse der Rechtssicherheit eine einheitliche Anwendung
deutschen Rechts. Hinzu komme, dass die Zahl der Fälle, in denen die Ermittlung
ausländischen Rechts auf Schwierigkeiten stößt, steige.298 Weiterhin wird angeführt, dass die
Parteien im Zweifel keine Trennung von materiellem und prozessualem Recht wollten, da das
Gericht am besten mit der lex fori vertraut sei.299
Die deutsche Rechtsprechung geht davon aus, dass vor allem die Parteien wegen der
Arbeitsvereinfachung die Anwendung der lex fori wünschen. Das heißt, es soll mit der
vorrangigen Anwendung der lex fori nicht so sehr dem Richter als vielmehr den Parteien
entgegengekommen werden. Das im Mittelpunkt stehende Parteiinteresse an der Anwendung
der lex fori begründet die Rechtsprechung mit rechtlichen und tatsächlichen Nachteilen bei der
Anwendung ausländischen Rechts im Prozess.300 Die möglichen Gegenargumente, dass die
Ermittlung ausländischen Rechts nicht zwingend schwierig sein muss für die deutschen
Gerichte, da diese in den wichtigen Rechtsgebieten zumindest teilweise über ausreichende
Informationen bezüglich anderer Rechtsordnungen in deutscher Sprache verfügen, und dass
eine unsichere Anwendung ausländischen Rechts mehr zur Gründlichkeit und einer kritischeren
Betrachtung zwingt als dies beim routinemäßigen Umgang mit bekannten Vorschriften der Fall
ist, überzeugen nicht. Sie hängen von zu vielen unsicheren Faktoren und Eventualitäten ab. Ob
die Ermittlung ausländischen Rechts für die Gerichte schwierig ist, hängt nämlich von
folgenden Umständen ab: dem jeweiligen, zu ermittelnden ausländischen Recht, den
ermittelnden Gerichten, der Sprache, dem Rechtsgebiet und ausreichenden Informationen der
Gerichte im konkreten Fall. Die Argumente zeigen, dass es wichtig ist, trotz einer
Gerichtsstandsvereinbarung stets die Gesamtheit der Umstände zu berücksichtigen und den
Einzelfall nicht außer Acht zu lassen. Denn der wirkliche Parteiwille ist zu ermitteln, wobei
eine Vereinbarung vorliegen muss.
Wenn also beispielsweise andere Bestimmungen des Vertrages oder die Gesamtheit der
Umstände dagegen sprechen, so kann der Gerichtsstandsvereinbarung in diesem Fall keine
Bedeutung beigemessen werden.301 Man könnte aus einer Gerichtsstandsklausel auch den
Schluss ziehen, die Parteien hätten, wenn sie schon an den Gerichtsstand gedacht haben, eben
gerade auch nur den Gerichtsstand vereinbaren und die Frage des anwendbaren Rechts dem
297 BGH WM 1964, 1023; vgl. z.B. OLG Karlsruhe IPRspr. 1972 Nr. 64 b; LG Frankfurt AWD 1966, 226. 298 BGH WM 1964, 1023; vgl. z.B. OLG Karlsruhe IPRspr. 1972 Nr. 64 b; LG Frankfurt AWD 1966, 226. 299 Nussbaum, S. 228; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32; Stoll, S. 41. 300 BGH WM 1964, 1023; vgl. z.B. OLG Karlsruhe IPRspr. 1972 Nr. 64 b; LG Frankfurt AWD 1966, 226. 301 Abend, S. 296; vgl. auch Lewald, S. 211, der feststellt, dass die Rechtsprechung bei der Gerichtsstandsvereinbarung keineswegs einheitlich ist; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 85, 89; Schulze, S. 44 f.; Umbricht, S. 77.
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Kollisionsrecht des Forums überlassen wollen. Die formularmäßige
Gerichtsstandsvereinbarung auf einer Rechnung reicht daher grundsätzlich nicht.302 Genauso
wenig deutet eine nach Vertragsschluss getroffene Gerichtsstandsvereinbarung auf einen
Rechtswahlwillen der Parteien hin.303 Auch wenn der Kläger der Zuständigkeitsvereinbarung
zufolge zwischen Gerichtsständen wählen kann, sagt dies nicht viel über einen
Rechtswahlwillen der Parteien aus. Hier ist eine differenzierte Betrachtung geboten: Es kommt
mangels anderer Anhaltspunkte darauf an, wo der Schwerpunkt des Rechtsverhältnisses liegt.
Der BGH hat die Vereinbarungen eines wahlweisen Gerichtsstandes unter Berücksichtigung
des Prozessverhaltens dennoch als Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl ausgelegt.304
Bei einer Gerichtsstandsvereinbarung, die hingegen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
enthalten ist, kommt der Wille der Rechtswahl bereits durch die Einbeziehung der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zum Ausdruck.305 Es ist alleine schon deshalb Vorsicht geboten, weil
eine Gerichtsstandsklausel in erster Linie nur entscheidet, an welchem Ort ein Rechtsstreit
auszutragen ist, jedoch nicht zwingend eine eindeutige Einigung hinsichtlich der Frage enthält,
welches Recht auf den Vertrag anwendbar sein soll.
b) Schiedsgerichtsvereinbarungen
Im Unterschied zu staatlichen Gerichten sind Schiedsgerichte durch den Willen der Parteien
noch stärker gebunden, als dies bei einem staatlichen Gericht möglich ist.306
Die Schiedsgerichtsklausel führt ebenso wie die Gerichtsstandsvereinbarung zu einem Vertrag
über die Zuständigkeit, wobei auch hier die Ansicht vertreten wird, dass es sich um einen
materiellrechtlichen Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen handelt.307 Allerdings setzen
sich die Parteien mit der Vereinbarung eines Schiedsgerichtes nicht nur über die
Zuständigkeitsregelung der staatlichen Gerichte hinweg, sondern schließen die ordentlichen
Gerichte aus, indem sie sich dem Urteil eines Privatgerichtes unterwerfen. Häufig wird als Indiz
für eine stillschweigende Rechtswahl die Wirkung der Schiedsgerichtsvereinbarung derjenigen
der Gerichtsstandsklausel gleichgestellt.308 Beide sind in internationalen Verträgen Ausdruck
302 So auch: BGH DB 1969, 1053; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 43 a; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 89; Schröder/ Wenner, S. 59; a.A. Steiner, S. 86. 303 Ebenso: OLG Düsseldorf WM 1971, 168 (170); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 43; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 89; Schröder/ Wenner, S. 59; Steiner, S. 86. 304 BGH IPRspr. 1958/ 59 Nr. 53; LG Freiburg IPRspr. 1966/ 67 Nr. 34 a; Lorenz, RIW 1992, S. 697 ff. (702); Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 90; Schröder/ Wenner, S. 59; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 ff. (310 f.). 305 Ebenso: OLG Schleswig NJW-RR 1988, 283 f. 306 GA Saggio, in: Rs. C-126/97 (Eco Swiss China Time Ltd. v. Benetton International NV) Slg. 1999, I-3055, 3065 Nr. 21. 307 BGHZ 40, 320 (322); BGH NJW 1984, 2763 f.; Schütze, S. 215. 308 Vgl. Lewald, S. 211; Menne, JuS 1998, 711 (713); Schulze, S. 47 Fn. 96; Vischer, Int.VertrR, S. 72.
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des legitimen Interesses der Parteien an Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit der aus einem
Verhandlungsergebnis resultierenden Rechtswirkungen.309
Auch bei der Schiedsgerichtsklausel wird auf eine alte Weisheit zurückgegriffen: „Qui eligit
arbitrum, eligit ius“. In diesem Fall bedeutet das, dass derjenige, der das Schiedsgericht wählt,
das Recht wählt.310 Demnach ist durch die Wahl eines Schiedsgerichtes eine Rechtswahl, in
ausdrücklicher wie auch stillschweigender Form, möglich. Andererseits mahnt der Wille der
Parteien, durch eine Schiedsgerichtsklausel auf staatlichen Rechtsschutz zu verzichten, zu einer
eher zurückhaltenden Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl. Eine
Schiedsgerichtsklausel deutet jedenfalls dann auf einen Rechtswahlwillen hin, wenn ein
institutionelles Schiedsgericht angerufen werden soll, das traditionell nach seinem Sitzrecht
entscheidet.
Diese langjährige Anerkennung der institutionellen Schiedsgerichtsvereinbarung als
stillschweigende Rechtswahl wird durch viele Entscheidungen der Rechtsprechung311 und
Stimmen in der Literatur312 belegt.
Der Indizwert einer Schiedsvereinbarung ist aber je nach Art des gewählten Schiedsgerichtes
verschieden zu beurteilen. Argumentiert wird damit, dass nur die institutionellen nationalen
Schiedsgerichte mit der Organisation oder der Einrichtung des jeweiligen Landes verbunden
sind, so dass die Parteien damit rechnen, diese Gerichte entschieden nach der lex fori.313 Als ein
solches institutionelles Schiedsgericht kommen Börsenschiedsgerichte oder Schiedsgerichte
eines bestimmten Handelszweiges in Betracht (wie zum Beispiel die Züricher Handelskammer,
London Corn-Trade-Association, London Court of Arbitration usw.).314 Die Schiedsrichter
haben spezielle Fach- und Branchenkenntnisse, aber ihnen fehlt es oft an Rechtskenntnissen,
309 Büchner, RIW 1984, 180 (181). 310 Konkret die Doktrin benennend: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 83; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 44; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32 f. 311 BGH WM 1964, 1023, AWD 1967, 108, AWD 1970, 31, OLG Düsseldorf AWD 1961, 126; Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg, NJW 1996, 3229 (3230); OLG Hamburg VersR 1958, 213 (214), 1982, 1096, AWD 1958, 249 (250), WM 1969, 709 ff. (711), RIW 1979, 482 f.; OLG Stuttgart AWD 1960, 246 (247); LG Hamburg AWD 1974, 410; BAG DB 1975, 63; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 312 v. Bar, II, Rn. 472; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 15; Ferid/ Böhmer, S. 218; Gamillscheg, AcP 157, 303 (318, 332); Kegel/ Schurig, S. 574; Koch, S. 122 f.; Kost, S. 42; a.A. Kreuzer, S. 119, der von einer objektiven Anknüpfungsnorm bei der Vereinbarung eines Schiedsgerichtes spricht; Kropholler, S. 440; zurückhaltender Lewald, S. 211; Lorenz, RIW 1992, 697 (702); Lüthge, S. 81; Martiny, ZEuP 99, 246; Menne, JuS 1998, 711 (713); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 44; Neuhaus, S. 262; Nussbaum, S. 228; Palandt/ Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 6; kritisch Rammeloo, S. 224 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 87, 90 ff.; Sandrock, RIW 1992, 785 (787); Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 32 f.; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schröder/ Wenner, S. 59; Siehr, FS Keller, S. 485 (492); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 48; Steiner, S. 88; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 (310 f.); Umbricht, S. 76; Vischer/ Huber/ Oser, S. 93; vgl. auch Vischer, Int.VertrR, S. 72; Wolff, S. 142. 313 Vgl. Nussbaum, S. 228; Vischer, Int.VertrR, S. 72. 314 Ebenso: Vischer, Int.VertrR, S. 72.
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die sie zum Richteramt an ordentlichen Gerichten befähigen. Sie können sich daher am besten
in der eigenen Rechtsordnung über Rechtsfragen informieren.315
Ein deutlicher Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl ist eine Vereinbarung auch dann,
wenn das Schiedsgericht nicht auf der Grundlage einer nationalen Rechtsordnung entscheidet,
sondern nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen. Dann wollen die Parteien, dass dieses Recht
angewendet wird, zu dem sie auf anderem Wege nicht kämen.316 Der Grund für die vertragliche
Bestimmung eines Schiedsgerichtes muss nicht nur in der Bestimmung des anwendbaren
Rechts bestehen; vielmehr erscheint im internationalen Handel ein Schiedsgericht oft als besser,
schneller und bequemer erreichbar sowie sachkundiger. Dass die Parteien jedoch grundsätzlich
sowohl bei der Vereinbarung eines staatlichen Gerichtes wie auch bei der eines
Schiedsgerichtes das Interesse haben und auch davon ausgehen, dass nach der lex fori
entschieden wird, lässt sich mit vielen Argumenten verdeutlichen: Zum einen läuft der Richter,
der ausländisches Recht anwenden muss, viel eher als bei der lex fori Gefahr,
Fehlentscheidungen zu treffen, da er das Recht nicht kennt. Zwar besteht in Deutschland die
gängie Praxis, Gutachten zum ausländischen Recht einzuholen. Allerdings werden deren
Ergebnisse fast kritiklos übernommen, was zu einer bedenklichen Abhängigkeit des Richters
vom Gutachter führt, ganz abgesehen davon, dass die Gutachten Zeit und Geld kosten.317
Zudem werden die Parteien dadurch benachteiligt, dass der Richter mittels des Gutachtens
einen Wissensvorsprung zum Inhalt des ausländischen Rechts hat. Selbst wenn die Parteien
Zugang zu den Gutachten hätten, würde das die Rechtslage nur punktuell aufklären, und es
stünden ihnen nicht alle rechtlichen Möglichkeiten offen. Zum anderen müssten die Parteien
sich mit Rechtsanwendung von minderer Qualität zufrieden geben, denn die fehlende
Einbettung in die ausländische Rechtsordnung bedeutet eine Einbuße an Rechtsfortbildung des
Richters sowie einen Mangel an legitimen Wertungen, um dem Einzelfall gerecht werden zu
können. Schließlich würde der Rechtsweg bei ausländischem Recht verkürzt, weil dessen
falsche Anwendung im Revisionsverfahren nicht gerügt werden kann. Dies gilt allerdings nur
für das Verfahren vor einem staatlichen Gericht. Die lex fori sichert eine höhere Authentizität
der Rechtsanwendung, bietet damit eine höhere Justizqualität und umgeht die Gefahr, dass das
ausländische Recht zu bloßem Buchstabenrecht degradiert wird.318 Im Vordergrund der
Parteiinteressen steht ein kurzes, kostengünstiges Verfahren mit einem Richter, der sich durch
315 Riemann, S. 202; Schütze, S. 202, 205 f. 316 Steiner, S. 88. 317 In diesem Sinne auch Flessner, RabelsZ 34 (1970), 547 (549 ff.). 318 Flessner, RabelsZ 34 (1970), 547 (549 ff.); in diesem Sinne auch Fudickar, S. 4.
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richtige Rechtsnormenanwendung auszeichnet, und an dessen Ende ein sachgerechtes Ergebnis
steht.
Anders ist dies bei einer Vereinbarung von Gelegenheitsschiedsgerichten ohne festen Sitz oder
ständigen internationalen Schiedsgerichten (wie zum Beispiel die International Chamber of
Commerce in Paris), erst recht unter Teilnahme von Schiedsrichtern mit unterschiedlicher
Staatsangehörigkeit, die jeder für sich ihre eigene Rechtsordnung repräsentieren. Diese hat
genauso wie die Berufung eines institutionellen Schiedsgerichtes, das nicht nach seinem
Sitzrecht zu entscheiden pflegt, keinen Indizcharakter.319 Bei Ad-hoc-Schiedsgerichten wird ein
Schiedsforum nur für einen bestimmten Streitfall zusammengestellt und nach Beurteilung
wieder aufgelöst. Hier dürfte der Schluss auf die Wahl des materiellen Rechts nur
ausnahmsweise zu ziehen sein, wenn der Sitz des Schiedsgerichtes ausdrücklich vereinbart ist
und der Ort des Schiedsgerichtes zudem in dem Land liegt, dessen Nationalität sämtliche
Schiedsrichter besitzen oder in welchem diese ihren Wohnsitz haben.320 Nehmen jedoch die
Parteien auf einen Vertrag Bezug, der nur von einer der beiden Parteien mit einem Dritten
geschlossen wurde und in dem eine Schiedsklausel enthalten ist, so entfaltet diese
Schiedsklausel ihre Indizwirkung für eine stillschweigende Rechtswahl auch zwischen den
Parteien. Es handelt sich um eine Inkorporation der stillschweigenden Rechtswahl.321 Es darf
nicht außer Acht gelassen werden, dass die Vereinbarung eines bestimmten Schiedsgerichtes in
der Regel vorrangig andere Gründe hat als die stillschweigende Wahl des Rechts des Forums.
Dies ist der Fall, wenn die Schiedsklausel keinen Zusammenhang mit den sonstigen
Vertragsmodalitäten oder der Frage des anwendbaren Rechts erkennen lässt, und das streitige
Rechtsverhältnis zu einem anderen Land einen sehr starken, zum Recht des Schiedsverfahrens
aber sonst keinen Bezug hat.322
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass dem Sitz des Schiedsgerichtes an sich keine besondere
Bedeutung für die Bestimmung des anwendbaren Rechts zukommt, zumal der Indizwert von
der Art des Schiedsgerichtes abhängt.
2. In England
Gerichtsstands- und Schiedsklauseln werden zwar auch in England als starker Hinweis auf eine
stillschweigende Wahl einer Rechtsordnung angesehen, können jedoch in ihrer Würdigung
nicht mit denen anderer Rechtsordnungen gleichgesetzt werden:
319 OLG Stuttgart, AWD 1960, 246 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 92. 320 OLG Hamm NJW 1990, 652 (653); Koch, S. 123 f.; Reithmann/ Martiny, S. 92; Schröder/ Wenner, S. 60; Schütze, S. 205; Vischer/ Huber/ Oser, S. 93. 321 BGH AWD 1967, 108 f.; v. Hülsen, AWD 1967, 267 ff.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 93. 322 Mezger, AWD 1964, 201 (204); Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 92.
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Die Ausbildung und Bedeutung der englischen Schiedsgerichtsbarkeit ist zum einen besonders
stark ausgeprägt, wodurch sich viele wichtige Urteile als “leading cases“ herausgebildet haben
und als Präjudizien dienen können. Zum anderen haben die englischen staatlichen Gerichte
weite Eingriffsmöglichkeiten in ein Schiedsverfahren. Die staatliche Gerichtsbarkeit bleibt trotz
Schiedsvertrages in einem viel weiteren Maße bestehen als dies in den anderen kontinentalen
Rechtsordnungen der Fall ist.323 Wird beispielsweise entgegen einem Schiedsvertrag ein
Verfahren von einer Partei vor dem ordentlichen Gericht anhängig gemacht, so kann das
Gericht nach seinem Ermessen an das vereinbarte Schiedsgericht verweisen oder das Verfahren
selbst aufnehmen.324 Durch eine Gerichtsstandsklausel stimmen die Parteien in England damit
überein, dass die Gerichte eines bestimmten Landes die Gerichtsbarkeit über Streitigkeiten
haben, die aus dem Vertrag resultieren, während die Schiedsgerichtsvereinbarung vorsieht, dass
jeglicher Streit, der aus dem Vertrag resultiert, von einem Schiedsgericht in einem bestimmten
Land entschieden werden soll. Das Recht, das am Sitz des Schiedsgerichtes gilt, bestimmt das
auf den Vertrag anwendbare Recht.325 Dies lässt sich damit begründen, dass es bequemer und
kostengünstiger ist, wenn das Recht des Ortes des Schiedsgerichtes gilt, als wenn ein
ausländisches Recht angewendet würde.326 Schiedsgerichtsklauseln sind vor allem in
Handelsverträgen üblich. Bei sonstigen internationalen Verträgen wird grundsätzlich immer das
Recht des Landes vereinbart, in dem die Schlichtung stattfinden soll.327 Sowohl die
Vereinbarung eines bestimmten Forums als auch die eines Schiedsgerichtes in England ziehen
323 Cohn, AWD 1974, 65 ff.; Koch, S. 108; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 77. 324 Lorenz, Vertragsabschluss, S. 77. 325 Vgl. Cheshire/ North, S. 205, wobei Chesire der Ansicht ist, dass grundsätzlich, wenn ein Gericht zuständig sei, daraus noch nicht folge, dass es notwendigerweise sein eigenes Recht anzuwenden habe; Collier, S. 153; Dicey/ Morris, S. 1225-1227; Graveson, S. 417; Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Hoyle, S. 212 ff.; Jaffey, S. 134; Jayme, Annuaire de l`Institut de droit international 1991, S. 22; Koch, S. 109, 112; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 (311 ff.); ders., S. 47; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 76 ff. (83), der Chesires Ansicht kritisiert und meint, dass der Schluss von der Vereinbarung einer fremden Schiedsgerichtsbarkeit auf die Wahl des am Schiedsort geltenden materiellen Rechts nicht so überraschend sei wie Chesire konstatiere; Mitterer, S. 36; Morris, Cases on private international law, S. 280; Morris, Ch. 13; Morris/ North, S. 441 ff.; North, S. 105; North/ Fawcett, S. 484; Nygh, S. 114; Schmitthoff, S. 111; Stone, S. 237, 242, 243; Webb/ Brown, S. 343 ff.; vgl. Wolff, Private International Law, S. 429. 326 North/ Fawcett, S. 484. 327 Jaffey, S. 134.
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nach Ansicht der englischen Rechtsprechung328 und Literatur329 die Anwendung englischen
Rechts nach sich. Teilweise330 wird die Ansicht vertreten, die ausdrückliche Wahl eines
staatlichen Gerichtes sowie die Wahl eines Schiedsgerichtes sei stets als eine stillschweigende
Wahl des anwendbaren Rechts anzusehen. Dem kann zugestimmt werden. Die Parteien gehen
nämlich grundsätzlich davon aus, dass das Gericht oder die Schiedsrichter ihr eigenes Recht
anwenden.331 Bei Schiedsgerichten wird dies damit begründet, dass Schiedsrichter in der Regel
Kaufleute sind und nicht Juristen und es würde zu Unannehmlichkeiten führen, wenn sie sich
mit komplizierten Rechtswahlfragen beschäftigen oder ein ausländisches Rechtssystem
anwenden müssten.332 Zudem kann so eine größere Effizienz des Vertrages erreicht werden: Es
ist sachgerechter, wenn das Gericht oder das Schiedsgericht das Recht anwendet, mit dem es
vertraut ist und die Kosten und Schwierigkeiten, die mit einer Prüfung ausländischen Rechts
einhergehen, vermieden werden.333 Dies lässt sich gut an dem Urteil Suisse Atlantique Société
d`Armement Maritime S. A. v. N. V. Rotterdamsche Kolen Centrale334 veranschaulichen, in dem
es um einen Vertrag zwischen Schweizern und Niederländern bezüglich eines Kohletransports
von den USA zu Häfen in Belgien, Holland und Deutschland geht. Er hat keine Verbindung
zum englischen Recht außer einer Schiedsgerichtsklausel zugunsten englischen Rechts. Es
bestand kein Zweifel, dass englisches Recht auf den in Streit stehenden Vertrag angewendet
328 Hamlyn & Co v. Talisker Distillery Co. (1894) A.C. 202 (HL); Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (P.C.); Royal Exchange Assurance Corporation v. Sjoforsakings Aktiebolaget Vega (1902) 2 K.B., S. 384; N.V.Kwik Hoo Tong Handel Maatschappij v. James Finlay & Co Ltd. (1927) A.C. 604; Maritime Insurance v. Assekuranz Union von 1865, (1935) Lloyd`s Rep., S. 16; The Njegos (1936) P.D. 90 (100); N.V. “Vulcaan” v. A/S J. Ludwig Mowinckels Rederi (1938) 2 All E.R. 152, 156 (HL); Suisse Atlantique Société d`Armement Maritime S.A. v. N.V. Rotterdamsche Kolen Centrale (1967) 1 A.C. 361; Tzortzis and others v. Monark Line, (1968) 1 W.L.R. 406 (C.A.), dazu: Hoyle, S. 212 ff.; Evans Marshall & Co. Ltd. v. Bertola S.A. (1973) 1 W.L.R. S. 349 (364); Bangladesh Chemical Industries Corporation v. Henry Stephens Shipping Co. Ltd. and Tex-Dilan Shipping Co. Ltd. (The “SLS Everest”) (1981) 2 Lloyd`s Rep., 389 (C.A.); Compania naviera micro S.A. v. Shipley international Inc. (The “Parouth”) (1982) 2 Lloyd`s Rep., 351 (C.A.); Astro Venturoso Compania Naviera v. Hellenic Shipyards S.A., (“The Mariannina”) (1983) 1 Lloyd`s Rep., 12, 15 (C.A.); Steel Authority of India Ltd. v. Hind Metals Inc. (1984) 1 Lloyd`s Rep., 405; Ilyssia Compania naviera S.A. v. Ahmed Abdul-Qawi Bamaodah (The “Elli 2”) (1985) 1 Lloyd`s Rep., 107 (C.A.); Hellenic Steel Co. and others v. Svolamar Shipping Co. Ltd. and others (“The Komninos S”) (1991) 1 Lloyd`s Rep., 370, 374 (C.A.); Egon Oldendorff v. Libera Corporation (1995) 2 Lloyd`s Rep., 64 (No. 2) (1996), 1 Lloyd`s Rep., 380; Hartford Fire Insurance Co. and others v. Novocargo USA Inc. and others (The “Pacific Senator”) (2002) 1 Lloyd`s Rep., 485 ff.; SSQ Europe S.A. v. Johann & Backes OHG Q.B. 1 (2002), 465; vgl. dazu BT-Drucks. 10/ 503, S. 48. 329 Cheshire/ North, S. 205; Collier, S. 153; Dicey/ Morris, S. 1225-1227; Graveson, S. 417; Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Hoyle, S. 212 ff.; Jaffey, S. 134; Jayme, Annuaire de l`Institut de droit international 1991, S. 22; Kaye, S. 152; Koch, S. 109, 112; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 (311 ff.); ders., S. 47; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 76 f.; Mitterer, S. 36; Morris, Cases on private international law, S. 280; Morris, Ch. 13; Morris/ North, S. 441 ff.; North, S. 105; North, Essays, S. 38; North/ Fawcett, S. 484; Nygh, S. 114; Schmitthoff, S. 111; Stone, S. 237, 242, 243; Webb/ Brown, S. 343 ff.; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 14; vgl. Wolff, Private International Law, S. 429. 330 Cheshire/ North, S. 205; ebenso: North/ Fawcett, S. 484. 331 Jaffey, S. 134. 332 Morris, Cases on private international law, S. 280; Morris, Ch. 13. 333 Jaffey, S. 138. 334 (1967) 1 A.C. 361.
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werden sollte aufgrund des gewählten Schiedsgerichtes, das mit englischem Recht vertraut
war.335
Ebenso lag der Fall in dem Urteil Spurrier v. La Cloche336. Wieder ging es um die Gültigkeit
einer Schiedsklausel. Ein auf Jersey wohnhafter Briefmarkensammler hatte seine Sammlung bei
einer englischen Versicherungsgesellschaft gegen Feuerschäden versichert. Der Vertrag war
durch Vermittlung des Agenten der Gesellschaft in Jersey abgeschlossen worden und enthielt
eine nach dortigem Recht ungültige Vereinbarung eines Schiedsverfahrens, zu dessen näherer
Ausgestaltung die Parteien auf die Bestimmungen des englischen Arbitration Act (1889)
verwiesen hatten. Daher war die Schiedsklausel nach englischem Recht gültig.337
Zu erwähnen ist noch die Entscheidung N.V. Kwik Hoo Tong Handel Maatschappij v. James
Finlay & Co Ltd.338, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Eine Handelsfirma aus
Hongkong hatte mit einer schottischen Firma mit Zweigniederlassung in Bombay unter
Vermittlung von Maklern in Java drei Verträge über die Lieferung von Java-Zucker c. i. f.
abgeschlossen. Die Zahlung sollte gegen Dokumente erfolgen, wozu die Eröffnung eines
Kredits bei einer Bank in Hongkong vorgesehen war. Die Verträge enthielten folgende Klausel:
“Any dispute arising out of this contract is to be settled by arbitration of London brokers in the
usual manner…” Aus den Verträgen ergaben sich Streitigkeiten und es wurde schließlich
entschieden, dass anwendbares Recht englisches Recht sei, da sich die Parteien einem
englischen Schiedsgericht unterworfen hatten.339 Allerdings werden von den Gerichten auch
sonstige Indizien geprüft, die den Hinweis auf diese bestimmte Rechtsordnung unterstützen
oder auch entkräften könnten.
Das House of Lords brachte in den Urteilen Tzortzis and others v. Monark Line A/B340 und
Compagnie d`Armement Maritime S. A. v. Compagnie Tunisienne de Navigation S. A.341 zum
Ausdruck, dass die Festsetzung einer Schlichtung in einem bestimmten Land nicht
zwangsläufig als stillschweigende Rechtswahl des Rechts dieses Landes angesehen werden
muss, da nach Ansicht der englischen Gerichte stets das Recht auf den Vertrag anwendbar ist,
mit dem der Vertrag offensichtlich die engste oder vernünftigste Verbindung hat. In beiden
Urteilen bestand keinerlei Verbindung zwischen dem Vertrag und dem jeweiligen Land außer
335 Morris, Cases on private international law, S. 280. 336 Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (P.C.). 337 Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (P.C.); ausführlich dazu: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 80. 338 N.V.Kwik Hoo Tong Handel Maatschappij v. James Finlay & Co Ltd. (1927) A.C. 604. 339 N.V.Kwik Hoo Tong Handel Maatschappij v. James Finlay & Co Ltd. (1927) A.C. 604; ausführlich dazu: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 81 f. 340 (1968) 1 All ER 949, (1968) 1 W.L.R. 406 (413), C.A.; dazu: Graveson, S. 418 f.; Hoyle, S. 220 ff. 341 (1971) A.C. 572 (593, 603) (1970) 3 All ER 71, HL; dazu: Collins, S. 428; Graveson, S. 420 f.; Morris, Ch. 13.
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der Schiedsgerichtsklausel. Deshalb zogen die englischen Gerichte daraus den Schluss, dass
nicht lediglich aus der Schiedsgerichtsklausel auf eine stillschweigende Rechtswahl für das
jeweilige Land geschlossen werden könne.
In dem Urteil Compagnie d`Armement Maritime S. A. v. Compagnie Tunisienne de Navigation
S. A.342 räumte das House of Lords dem Prinzip der Rechtsgültigkeit den Vorrang gegenüber
der Schiedsgerichtsklausel zugunsten englischen Rechts ein. Einer an sich auf das anwendbare
Recht hinweisenden Gerichtsstands- oder Schiedsgerichtsklausel wird keine Bedeutung
beigemessen, wenn alle anderen wesentlichen Verbindungen zu einem anderen Land bzw.
Recht bestehen.343 Es ist kein erkennbarer Grund dafür ersichtlich, warum die Parteien gerade
beabsichtigen sollten, das Recht des Landes anzuwenden, mit dem der Vertrag die engste
Verbindung hat. Da sie in ihren eigenen Interessen handeln können, wollen sie in der Regel,
dass das von ihnen gwählte Recht – zum Beispiel in Form einer Gerichtsstands- oder
Schiedsgerichtsklausel – auf den Vertrag Anwendung findet.344 Dies wird von den englischen
Gerichten nicht immer so gehandhabt: Selbst wenn die Verbindung eines Vertrages zu einem
Land nur in einer Schiedsgerichtsklausel zugunsten des entsprechenden Landes besteht, soll
dies wiederum dann für eine stillschweigende Rechtswahl ausreichen, wenn wesentliche
Verbindungen zu mehr als einem anderen Land bestehen.
In dem Urteil The Parouth345 wurde aufgrund einer Schiedsgerichtsklausel zugunsten
englischen Rechts dieses auch für anwendbar gehalten, da alle anderen wesentlichen
Verbindungen zu Panama, Griechenland und Florida führten.346 Ebenso wurde einer
Schiedsgerichtsklausel, obwohl sie die einzige Verbindung zu dem entsprechenden Land war,
von der Rechtsprechung in der Entscheidung Tzortzis and others v. Monark Line A/B347
entscheidende Bedeutung für eine stillschweigende Rechtswahl eingeräumt: Die Parteien hatten
ihren Wohnsitz in verschiedenen Ländern. Die Schiedsgerichtsklausel sei ausschlaggebend
dafür, ob das Recht, das in einem der beiden Länder gilt, in denen die Parteien wohnen, oder
das Recht eines dritten, neutralen Landes, als stillschweigend vereinbart gilt.348
342 (1971) A.C. 572 (593, 603) (1970) 3 All ER 71, HL. 343 Vgl. Art. 3 Abs. 3 EVÜ; Stone, S. 243. 344 Jaffey, S. 135 Fn. 7. 345 (1982) 2 Lloyd`s Rep., 351 (C.A.). 346 Jaffey, S. 136. 347 Tzortzis and others v. Monark Line (1968) 1 W.L.R. 406 (C.A.). 348 Akai Pty Ltd. v. People`s Insurance Co. Ltd., (1998) 1 Lloyd`s Rep. 90; Cheshire/ North, S. 205; North/ Fawcett, S. 484.
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Grundsätzlich soll die Vereinbarung eines ausländischen Gerichtes die stillschweigende Wahl
des Rechts des Landes bedeuten, in dem sich das vereinbarte ausländische Gericht befindet.349
Jedoch schränkte das House of Lords dies in der Entscheidung Compagnie Tunisienne de
Navigation v. Compagnie d` Armement Maritime350 dahingehend ein, dass es sich um eine bloß
allgemeingültige Regel handele. Es solle sich zwar um ein gewichtiges Indiz handeln, aber man
könne ebenso anderen Indizien den Vorrang einräumen. Gegenstand des Verfahrens war eine
Schiedsgerichtsvereinbarung, bei der die Schlussfolgerung auf die Wahl englischen Rechts
nicht so leicht ist wie bei der Gerichtsstandsvereinbarung. Auf dieses Urteil wiederum folgte
die Entscheidung The Komninos S351. Gegenstand dieses Verfahrens war eine
Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten englischen Rechts. Selbst wenn sich die Prinzipien hier
ähneln, so kann sich ihre Wirkung folgendermaßen unterscheiden:
Ein Schiedsgericht kann auch aufgrund des guten Rufs der Schiedsrichter gewählt werden. Ein
staatliches Gericht wird primär gewählt, damit es das eigene Recht anwendet. Selbst wenn die
Parteien ein englisches Gericht als ein neutrales Gericht wählen, ist es wahrscheinlicher, dass
sie es in der Erwartung getan haben, dass die englischen Richter die Anwendung englischen
Rechts bevorzugen.352 Die Wahl eines staatlichen Gerichtes ist mithin ein stärkeres Indiz für
eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten englischen Rechts als die Wahl eines
Schiedsgerichtes in England. Es versteht sich von selbst, dass dies durch die Vertragssprache
oder andere äußere Umstände widerlegt werden kann.353
Lando354 ist der Auffassung, dass die Wahl eines Gerichtes, welches bekannterweise die
Gerichtsstandsvereinbarung nicht als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl anerkennt,
auch von keinem Gericht – selbst wenn es sich um ein Gericht mit einer anderen
Rechtstradition handelt – als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen werden
sollte. Denn schließlich besteht auch die Möglichkeit, dass das gewählte Gericht gerade nicht
sein eigenes Recht anwenden wird. Wenn es der wirkliche Wille der Parteien war, ein fremdes
Recht auf den Vertrag anzuwenden, dann sollte den Parteien diese Wahl nicht versagt
werden.355 Dasselbe soll für die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes gelten. Lando ist der
349 Akai Pty Ltd. v. People`s Insurance Co. Ltd., (1998) 1 Lloyd`s Rep., 90. 350 (1971) A.C. 572, (1970) 3 All ER 71, HL. 351 (1991) 1 Lloyd`s Rep., 370 (C.A.). 352 Nygh, S. 116, 118; Plender, S. 93. 353 Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (593, 603), (1970) 3 All ER, 71 (HL). 354 Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 ff. (312); ders., S. 49 f. 355 In diesem Sinne Lando, S. 49 f.; Nygh, S. 117.
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Ansicht, dass Schiedsrichter sogar noch mehr daran interessiert sind, ihr eigenes Recht
anzuwenden als Richter von staatlichen Gerichten.356
Trotz der Bedenken kann festgehalten werden, dass sowohl eine Gerichtsstandsklausel wie
auch eine Schiedsgerichtsvereinbarung in England ein starkes Indiz dafür sind, dass das Recht
des Ortes des Gerichtes bzw. Schiedsgerichtes auf den Vertrag angewendet werden soll.
Immerhin hat seit dem Urteil Compagnie d`Armement Maritime S.A. v. Compagnie Tunisienne
de Navigation S.A.357 die Vereinbarung eines Schiedsgerichtes zugunsten Englands stets dazu
geführt, dass von den Gerichten358 englisches Recht angewendet wurde.
Bei der Schiedsgerichtsvereinbarung kann nicht zwingend davon ausgegangen werden, dass die
Parteien den Sitz des Schiedsgerichtes aufgrund des Rechts am Ort des Schiedsgerichtes
gewählt haben. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass die Schiedsrichter stets das Recht des
Schiedsgerichtes anwenden. Schließlich ist fragwürdig, ob der Sitz des Schiedsgerichtes von
den Parteien gewählt wurde. Wählen die Parteien ein internationales Schiedsgericht, wie
beispielsweise das International Chamber of Commerce, kann der Sitz des Schiedsgerichtes
auch zufällig, mithin nicht von den Parteien bestimmt sein. Aus diesen Gründen sollte eine
Schiedsgerichtsklausel nur Indizcharakter für eine stillschweigende Rechtswahl haben, wenn es
sich um ein nationales Schiedsgericht oder ein ad hoc Schiedsgericht an einem bestimmten Ort
handelt.359
Die englische Rechtsprechung hat jedoch in den Urteilen Atlantic Underwriting Agencies Ltd.
v. Compagnie di Assicurazione di Milano360 und Steel Authority of India Ltd. v. Hind Metals
Inc.361 trotz der Wahl eines internationalen Schiedsgerichtes eine stillschweigende Rechtswahl
anerkannt. Ob von einer Schiedsgerichts- bzw. Gerichtsstandsklausel endgültig auf eine
stillschweigende Rechtswahl geschlossen werden kann, hängt folglich von sämtlichen
Umständen des Falles und den übrigen Bestimmungen bzw. Bedingungen des Vertrages
insgesamt ab.362
356 Lando, S. 50. 357 (1971) A.C., 572 (593, 603), (1970) 3 All ER 71, HL. 358 Vgl. Atlantic Underwriting Agencies Ltd. and David Gale (Underwriting) Ltd. v. Compania Di Assicurazione Di Milano S.P.A. (1979) 2 Lloyd`s Rep., 240; Compania naviera micro S. A. v. Shipley international Inc. (The “Parouth”) (1982) 2 Lloyd`s Rep., 351 (C.A.); Astro Venturoso Compania Naviera v. Hellenic Shipyards S. A., (“The Mariannina”) (1983) 1 Lloyd`s Rep., 12, 15 (C.A.). 359 Dicey/ Morris, S. 1225-1227; Nygh, S. 118. 360 (1979) 2 Lloyd`s Rep., 240. 361 (1984) 1 Lloyd`s Rep., 405. 362 Vgl. Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (593, 603), (1970) 3 All ER 71 (HL); Egon Oldendorff v. Libera Corporation (1995) 2 Lloyd`s Rep., 64, (No. 2) (1996), 1 Lloyd`s Rep., 380; Dicey/ Morris, S. 1225-1227; BT-Drucks. 10/ 503, S. 48.
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In dem Urteil Hamlyn & Co. v. Talisker Distillery363 aus dem Jahre 1894 wurde ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass neben der Schiedsklausel stets sämtliche Indizien, wie zum Beispiel
der Ort des Vertragsschlusses und der Erfüllungsort, berücksichtigt werden müssen, um auf den
wirklichen Willen der Parteien schließen zu können. Der Entscheidung liegt folgender
Sachverhalt zugrunde: Es war ein Vertrag zwischen einer englischen und einer schottischen
Firma in London abgeschlossen worden. Der Vertrag war von beiden Seiten in Schottland zu
erfüllen und enthielt die nachstehende Schiedsgerichtsklausel: “Should any dispute arise out of
this contract, the same to be settled by arbitration by two members of the London Corn
Exchange, or their umpire, in the usual way.“ Problematisch war, dass diese Schiedsklausel
nach schottischem Recht ungültig war, da die Schiedsrichter nicht namentlich benannt waren;
in England war sie jedoch gültig. Da die Parteien durch die Schiedsklausel zum Ausdruck
gebracht haben, dass englisches Recht auf den Vertrag anwendbar sein sollte, wurde schließlich
englisches Recht für anwendbar erklärt und damit der Schiedsklausel starkes Gewicht als
subjektives Element zugunsten einer stillschweigenden Rechtswahl eingeräumt. Ausserdem
wurde argumentiert, dass auch das Schiedsverfahren mit zur Vertragserfüllung gehöre und
somit London nicht nur Vertragsabschlussort, sondern auch Erfüllungsort sei.364
3. In Frankreich
Ob die französische Rechtsprechung Gerichtsstands- und Schiedsklauseln als Kriterium für eine
stillschweigende Rechtswahl anerkennt, hängt vom Einzelfall und der Gewichtung der
Umstände ab, die in eine andere Richtung, als auf die Zuständigkeit französischer Gerichte,
weisen. Es kann jedenfalls ein Zusammenhang zwischen einer Schiedsgerichtsklausel und dem
Hauptvertrag bestehen, in dem die Klausel enthalten ist. Allerdings geht bereits aus dem
Gosset-Urteil aus dem Jahre 1963365, aber ebenso aus der neueren Rechtsprechung366 sowie der
Literatur367 im Allgemeinen hervor, dass die Schiedsgerichtsklausel und der Hauptvertrag
jeweils einer unterschiedlichen Rechtsordnung unterliegen können. Bereits in den
Entscheidungen, welche die Cour de Cassation am 19.2.1930368 und am 27.1.1931369 gefällt
363 (1894) A.C. 202; vgl. dazu Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 77 f. 364 Vgl. Hamlyn & Co. v. Talisker Distillery, (1894) A.C. 202; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 77 ff.365 Etablissements Gosset c. Carapelli, Rev.crit.dr.int.priv. 1963, 615 ff., note Motulsky; Cass.civ. 7.5.1963 – Société des Etablissements Raymond Gosset c. Société Carapelli – J.D.I. (Clunet 91) 1964, 82, note Bredin. 366 Vgl. Cass.civ. v. 4.4.2002 und Cass.civ. v. 9.4.2002, Recueil Le Dalloz 2002, n° 17, 1402. 367 Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1974, S. 197; Jacquet, S. 42 ff.; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 248. 368 Vgl. Cass.civ. 19.2.1930 – Mardelé c. W. et H. Muller et Cie – J.D.I. (Clunet 58) 1931, 90 ff.; dazu: Kassis, S. 57 f. 369 Vgl. Cass.civ. 27.1.1931 – Dambricourt c. Rossart – J.D.I. (Clunet 59) 1932, 93 ff.; dazu: Kassis, S. 57 f.
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hat, wurde die Zulässigkeit der Schiedsgerichtsklausel und der Rechtswahl mit den „Interessen
des internationalen Handels“ begründet. In einer Entscheidung vom 10.4.1957370 hielt die Cour
de Cassation die Anwendung des gewählten englischen Rechts auf einen privatrechtlichen
Vertrag zwischen dem französischen Staat und einem griechischen Reeder für zulässig, da der
Vertrag international war und mehrere Beziehungen zu England aufwies, wie auch die Wahl
der Parteien eines Schiedsgerichtes in London. Die Cour de Cassation hat in ihrer Entscheidung
vom 17.12.1985371 ausgeführt, dass Klauseln über die internationale Zuständigkeit prinzipiell
zulässig sind, wenn es sich um einen internationalen Vertrag handelt und die Klausel keine
zwingende Zuständigkeit französischer Gerichte ausschliesst.372 Bereits in früheren Urteilen373
wurde die Vereinbarung eines bestimmten Gerichtsstandes als Hinweis auf das anwendbare
Recht gewertet. Im Urteil vom 7.10.1980374 hat die Cour de Cassation hingegen beispielsweise
eine Schiedsgerichtsklausel nicht anerkannt. Gerade im Bereich der Rechtsprechung zur
Zulässigkeit von Gerichtsstands- und Schiedsklauseln scheint sich zu bestätigen, dass sich der
Begriff des internationalen Vertrages im Zuständigkeitsbereich nicht abstrakt bestimmen lässt,
sondern vielmehr flexibel interpretiert wird unter Berücksichtigung der vielen Einzelfälle.
Es kann festgehalten werden, dass die Möglichkeit, die Zuständigkeit französischer Gerichte
zugunsten ausländischer Gerichte und Schiedsgerichte zu derogieren, einerseits von der
Vertragsqualifizierung und andererseits von der Gewichtung der Umstände abhängt, die in eine
andere Richtung als auf die Zuständigkeit französischer Gerichte weisen.375
Auch die französische Literatur376 neigt dazu, der Gerichtsstands- und
Schiedsgerichtsvereinbarung einen gewissen mehr oder weniger starken Indizwert zugunsten
der Rechtsordnung im Bereich des bezeichneten Forums bzw. Schiedsgerichtes zuzuerkennen.
Es sei schließlich offensichtlich einfacher für einen Richter, sein eigenes Recht anzuwenden.
Zudem sei es kaum wahrscheinlich, dass die Parteien durch den Richter die Anwendung eines
anderen Rechts ins Auge fassen würden.377 Dies gilt jedoch nicht bei der Wahl eines
internationalen Schiedsgerichtes. Hier folgt daraus nicht die Anwendbarkeit des Rechts am Ort
370 Vgl. J.D.I. (Clunet 85) 1958, 1008. 371 Cass., Rev.crit.dr.int.priv. 1986, 537 ff. 372 Cass., Rev.crit.dr.int.priv. 1986, 537 ff. 373 Cass.civ., 19 février 1930, Mardelé c. Muller et Cie, Rev.crit.dr.int.priv. 1931, 514; Cass.civ., 27 janv. 1931, Dambricourt c. Rossart, Rev.crit.dr.int.priv. 1931, 515. 374 Cass., Rev.crit.dr.int.priv. 1981, 313 (316 ff.). 375 Koch, S. 113 f.; Schaack, S. 95. 376 Audit, S. 632; vgl. Kassis, S. 367; Batiffol, Traité, S. 646 ff., der sie als stärkste Indizien einstuft, vgl. S. 651; ders., Aspects philosophiques du droit international privé, S. 248; Batiffol/ Lagarde, S. 304; Carabiber, S. 61; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1974, S. 189 ff.; Kassis, S. 364, 367; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 27, 216 ff., 224-227, 239 ff.; vgl. auch Leschallier de Lisle, S. 43; Mezger, Rev.crit.dr.int.priv. 1962, 133 ff.; ders., S. 595. 377 Audit, S. 632.
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des Schiedsgerichtes. Die Wahl eines internationalen Schiedsgerichtes ist zum einen oft zufällig
und zum anderen hat der internationale Schiedsrichter keine lex fori, die er anwenden könnte.378
Ansonsten können die Parteien indirekt ihr bevorzugtes auf den Vertrag anwendbares Recht
wählen, indem sie das Schiedsgericht nach ihrem Belieben bestimmen.379
Allerdings wird dem innerhalb der französischen Literatur380 wiederum entgegengehalten, dass
die Anwendung französischen Rechts nicht immer vorteilhaft sein müsse, da eine – wenn auch
unsichere – Anwendung ausländischen Rechts dafür zur Gründlichkeit und einer kritischeren
Betrachtung zwinge als dies beim routinemäßigen Umgang mit bekannten Vorschriften der Fall
sei.
Für Lagarde381 ist eine Rechtwahl, die aus einer Gerichtsstandsklausel zugunsten eines
bestimmten Staates resultiert, ohne dass ein zusätzliches Indiz auf einen Rechtswahlwillen der
Parteien zugunsten dieses Staates hinweist, bloß eine „indirekte“ Rechtswahl, die aber nicht
unbedingt das Erfordernis der „hinreichenden Sicherheit“ bzw. einer Sicherheit „de façon
certaine“ erfüllt.
Über die Stichhaltigkeit dieser Interpretation lässt sich streiten: Es ist nicht einleuchtend,
warum ein zusätzliches Indiz erforderlich sein soll, wenn der Richter davon überzeugt ist, dass
der beweiskräftige Wert der Gerichtsstandsklausel für eine stillschweigende Rechtswahl
ausreichend ist. Auch wenn dies nach Ansicht Lagardes zu einer bloß einfachen „indirekten“
Rechtswahl führt, ist dagegen nichts einzuwenden.382
Zudem geht selbst aus dem Bericht zum EVÜ von Guiliano/ Lagarde383 hervor, dass die Wahl
eines Gerichtes eines bestimmten Landes darauf hinweisen kann, dass die Parteien auch das
Recht dieses Landes auf ihren Vertrag anwenden wollten. Einzige Voraussetzung sei, dass
diese Rechtswahl mit den anderen Bestimmungen des Vertrages und den gesamten Umständen
des Falles übereinstimme.384 Es wird also nur eine Vereinbarkeit der Rechtswahl mit dem
Vertrag gefordert, jedoch nicht ein zusätzliches, auf diese Rechtswahl hinweisendes Kriterium.
Für diese geforderte Vereinbarkeit ist es ausreichend, wenn sich die Gerichtsstandsklausel und
der Vertrag nicht widersprechen, ohne dass man ein zusätzliches Indiz bräuchte.
378 Kassis, S. 367. 379 Carabiber, S. 61; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 218. 380 Lalive, Recueil des cours 155 (1977-II), 1 (164 ff.). 381 Lagarde, Rev.crit.dr. int.priv. 1989, 835 ff. (837); ders., Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287, 303, 310 f. 382 So auch Kassis, S. 364. 383 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 384 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17.
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Es handelt sich bei der Annahme, dass die Wahl eines französischen Gerichtes bzw.
Schiedsgerichtes der Parteien die Wahl französischen Rechts bedeutet, jedenfalls nicht um eine
absolute Annahme, denn auch die französische Judikatur385 untersucht teilweise, welche
Rechtsordnung als Recht der charakteristischen Leistung bzw. als Schwerpunktrecht zur
Anwendung käme. Das Ergebnis wird dann mit der Indizwirkung der Gerichtsstands- bzw.
Schiedsabrede verglichen. Die Regel, dass das Recht des Schiedsgerichtsortes auf den Vertrag
angewendet wird, ist im französischen Internationalen Privatrecht mithin unverbindlich.386 Die
Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklausel weisen zwar materielle, allerdings nur eventuelle
Verbindungen zum anwendbaren Recht auf.387
Teilweise388 wird sogar anstelle des Rechts, das am Schiedsgerichtsort gilt, das Recht des Ortes,
an dem die Parteien ihren Wohnsitz oder ihr Handelsgeschäft haben, als Recht des
Schiedsgerichtes und damit als auf den Vertrag anwendbar angesehen. Vorerst soll allerdings
dem Recht der Vorrang eingeräumt werden, das die Parteien für anwendbar erklärt haben. Falls
sie dies nicht ausdrücklich getan haben, soll ihr dahingehender Wille interpretiert werden.
Allgemein kann festgehalten werden, dass die französische Rechtsprechung sowohl bei der
Gerichtsstands- als auch bei der Schiedsgerichtsklausel stets versucht, den Willen der Parteien
zu berücksichtigen.389
III. Verhalten im Prozess
1. In Deutschland
Ein weiteres Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl, das vor allem von grosser praktischer
Bedeutung ist, kann das Verhalten der Parteien und ihrer Rechtsanwälte während des
Rechtsstreites sein. Die stillschweigende Rechtswahl im Prozess führt zu einer
kollisionsrechtlichen Vereinbarung: Das EGBGB entscheidet über deren Zustandekommen und
Wirksamwerden.390 Fraglich ist, welche Bedeutung dem Indiz beizumessen ist, da eine
Rechtswahl im Prozess einige Besonderheiten aufweist. Dies kann unter anderem daran liegen,
dass das Prozessverhalten im Unterschied zu den hiervor behandelten und noch folgenden
Indizien zeitlich erheblich nach dem Vertragsschluss liegt. Das Verhalten, das eine Rechtswahl
im Verfahren selbst bedeutet, ist deshalb von dem Verhalten, das auf eine vorprozessuale
385 Cour d`appel de Paris v. 19.6.1970, in: Rev.crit.dr.int.priv. 1971, 695 ff.; Cass. v. 17.10.1961, in: Rev.crit.dr.int.priv. 1962, 133 ff. 386 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 4 ff.; Carabiber, S. 61; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 221. 387 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 249. 388 Vgl. Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 238. 389 In diesem Sinne hinsichtlich der Schiedsgerichtsklausel auch Carabiber, S. 60 ff.; Klein, Considérations sur l`arbitrage en droit international privé, S. 253. 390 Buchta, S. 55; Mitterer, S. 121.
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Rechtswahl hindeutet, zu unterscheiden, weil der Richter jeweils verschiedene Anforderungen
an den Vortrag stellen muss, der eine Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl
rechtfertigt. Zudem haben die Parteien unterschiedliche Möglichkeiten, auf die Rechtswahl zu
reagieren.391 Die Einigung der Parteien kann mithin auf eine ursprüngliche Rechtswahl392, das
heißt einen bereits bei Vertragsschluss vorhandenen Rechtswahlwillen der Parteien, oder aber
auf eine nachträgliche Vereinbarung393 hindeuten. Es sind folgende Fälle des Prozessverhaltens,
in denen die stillschweigende Wahl oder Billigung der lex fori liegen könnte, zu unterscheiden:
Beide Parteien bzw. ihre Anwälte berufen sich im Prozess in ihren Prozessäußerungen
(Rechtsschriften, Plädoyers usw.) übereinstimmend auf eine ausländische Rechtsordnung, das
heißt die Rechtsanwälte der Parteien machen zum Beispiel unter Zugrundelegung einer
bestimmten Rechtsordnung Rechtsausführungen und können auf diese vom Gericht
„festgenagelt“ werden. Die übereinstimmende oder unwidersprochene Bezugnahme der
Parteien auf ein bestimmtes Recht während des Prozesses kann in der ausdrücklichen Erklärung
liegen, dieses Recht solle anwendbar sein, aber auch im bloßen Anführen von Vorschriften
einer Rechtsordnung.394 Diese in der Rechtsprechung vorherrschende Ansicht bleibt oft
unbegründet.
Das Parteiinteresse an der Voraussehbarkeit der Rechtsanwendung auf Verträge sowie das
Interesse an der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles bei der Rechtsanwendung
sprechen für die Zulassung sowohl der ursprünglichen als auch der nachträglichen
Rechtswahl395, die gemäss Art. 3 Abs. 2 S. 1 EVÜ gesetzlich geregelt ist. Die Unterscheidung
zwischen ursprünglicher und nachträglicher Rechtswahl fällt gerade bei den prozessualen
Indizien allerdings sehr schwer und wird von der Rechtsprechung bei der Frage der Rechtswahl
391 Steiner, S. 110. 392 BGH IPRspr. 1956/ 57, Nr. 23 und 23 d, 1960/ 61, Nr. 30; BGHZ 53, 189 (193); OLG Köln JurBüro 1975, 778; Stadler, Jura 1997, 505 (509); Steiner, S. 79, 103; Umbricht, S. 77. 393 BT-Drucks. 10/ 503, S. 50; BGH IPRspr. 1962/ 63 Nr. 213, 1970 Nr. 12; BGHZ 40, 320 ff. (323); BGH NJW 1981, 1606 ff.; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1231 f.; OLG Koblenz IPRax 1989, 175, RIW 1987, 629; OLG Frankfurt RIW 1991, 865 (866); LG Berlin RIW 1996, 960; kritisch Abend, S. 260; anerkennend Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 228; befürwortend auch Fudickar, S. 4 ff., 7; kritisch wiederum Neuhaus, S. 263, der zum einen anmerkt, dass die Parteien auch übersehen haben können, dass möglicherweise ausländisches Recht anzuwenden war und zum anderen, dass die Prozessvertreter dann nicht bevollmächtigt sind, von sich aus eine Vereinbarung über das anwendbare Recht zu treffen, wenn diese Vereinbarung sinngemäss über den Prozess hinauswirken müsste; Raape, S. 435 f.; Stadler, Jura 1997, 505 (509); Steiner, S. 79, 103; Umbricht, S. 77. 394 BT-Drucks. 10/ 503, S. 50; BGHZ 103, 84 (86), 130, 371 (373); BGH NJW 1984, 2762, 1991, 1292 (1293), 1994, 187 (188), WM 1993, 1755 (1756); OLG Frankfurt WM 1995, 1179; Abend, S. 298 f.; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 17; ablehnend Fudickar, S. 89; Kost, S. 46; Kreuzer, IPRax 1982, 1 (3); Menne, JuS 1998, 711 (714); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 48; so ähnlich auch Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8; Palandt/ Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 7; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 94, 95; so ähnlich Sandrock-Steinschulte, S. 37; Schröder/ Wenner, S. 67 ff.; Schulze, S. 49; Steiner, S. 95, 127 ff.; Vischer, Int.VertrR, S. 76. 395 Zur nachträglichen Rechtswahl: Fudickar, S. 4 ff.; Umbricht, S. 78.
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im Prozess wenig beachtet. In der Literatur396 fordert der überwiegende Teil für die Bewertung
des Prozessverhaltens der Parteien als Indiz eine differenzierte Betrachtung und nimmt nur in
Ausnahmefällen das Vorliegen eines Verweisungsvertrages an. Man ist sich uneinig, ob man
beispielsweise die Tatsache, dass bestimmte Normen von den Parteien zitiert werden, als
Hinweis auf eine nachträgliche oder ursprüngliche Rechtswahl zu deuten hat.
Zahlreiche Entscheidungen397 belegen, dass die Rechtsprechung die Anwendung deutschen
Rechts für gerechtfertigt hält, wenn sich eine der Parteien unwidersprochen auf bestimmte
Vorschriften des deutschen Rechts bezieht oder es die Parteien hinnehmen, dass das Gericht
deutsches Recht anwendet. Die Rechtsprechung verwendet das Prozessverhalten als Indiz für
den stillschweigenden398 und hypothetischen399 Parteiwillen, wobei sie sich oft auch – ohne
dazwischen zu unterscheiden – nur mit der Feststellung übereinstimmenden Prozessverhaltens
der Parteien400 begnügt, um das Recht, auf das sich die Parteien bezogen haben, anzuwenden.
Allerdings war schon vor Einführung des EVÜ die Einigkeit der Parteien für die Bestimmung
des hypothetischen Parteiwillens nicht ausreichend. Ein Indiz, welches erst während des
Prozesses eintritt, kann für eine Schwerpunktbestimmung nicht entscheidend sein. Ebenso
wenig genügt das Prozessverhalten im Rahmen des EVÜ für eine objektive Anknüpfung.401
Dementsprechend erweist sich der Ansatzpunkt der Rechtsprechung, an den hypothetischen
Parteiwillen hier anzuknüpfen, als ungeeignet. Generell ist der Schluss von einem bestimmten
Prozessverhalten auf einen entsprechenden Rechtswahlwillen nicht zwingend, sondern nur
möglich und letztlich einzelfallabhängig.
396 Vgl. Berger, JuS 1999, 1091 (1096, 1097); Buchta, S. 35, 53 f.; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Fudickar, S. 87 ff.; Hartenstein, S. 116; v. Hoffmann, § 10 Rn. 37, S. 373; zustimmend dem von Berger Gesagten auch Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 95; Schack, NJW 1984, S. 2736 (2739); in dieser Hinsicht die Rechtsprechung auch kritisierend Schröder/ Wenner, S. 69; so ähnlich Stadler, Jura 1997, 505 (509); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 52; Steiner, S. 118. 397 BGHZ 40, 320 (324); 103, 84 (86); 130, 371 (373); BGH NJW 1971, 323 (324); 1974, 410; 1976, 1581; 1981, 1606; 1984, 2762; 1988, 1592; 1991, 1292 (1293); 1992, 909, 1380; 1994, 187; BGH ZIP 1986, 366 (367); BGH NJW-RR 1986, 456 (457); 1990, 248 (249); BGH WM 1955, 1588 (1589); 1956, 598 (599); 1966, 140; 1970, 885; 1973, 382; 1977, 478; 1982, 1249; 1984, 432 (433); 1987, 1501 (1502); 1991, 464 (465); 1992, 567 (568); 1993, 1755 (1756); 1995, 859 (861); BGH RIW 1983, 957; 1992, 586; BGH AWD 1958, 33; BAG NJW 1965, 319; OLG Bremen VersR 1978, 509; OLG Celle RIW 1990, 322; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1231 f.; 1994, 506, WM 1969, 975 (976); 1992, 1937 (1938); RIW 1991, 865 (866); NJW-RR 1992, 684; WM 1995, 1179; OLG Frankfurt RIW 1991, 865 f.; OLG Hamm NJW-RR 1996, 179 (180); OLG Koblenz, RIW 1992, 59, 491; OLG Köln AWD 1976, 373; VersR 1975, 129; OLG Saarbrücken, NJW 1992, 987 (988). 398 BGHZ 53, 189 (193), AWD 1970, 323, WM 1977, 478, NJW-RR 1988, 159 (160); OLG Saarbrücken OLGZ 1966, 142 (145 f.). 399 BGH NJW 1962, 1005 f., AWD 1965, 455, 1974, 494, IPRax 1981, S. 93 (94); OLG Neustadt MDR 1956, 164; OLG Nürnberg NJW 1985, 1296 (1297). 400 BGH WM 1965, 102; OLG Hamburg NJW 1958, 1919 f.; Hartenstein, S. 123 f. 401 OLG Düsseldorf WM 1992, 1898 (1900); Buchta, S. 24 f.; a.A. Kreuzer, S. 119, der die übereinstimmende Bezugnahme der Parteien auf die lex fori im Prozess als objektive Anknüpfungsnorm anerkennen will; Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 1 (8 f.); Neuhaus, S. 263; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 96; Schack, NJW 1984, 2736 f.
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Es ist sowohl zwischen einer nachträglichen Rechtswahl im Prozess und einer vorprozessualen
Rechtswahl zu differenzieren als auch zwischen einem Partei- und einem Anwaltsprozess.
a) Prozessverhalten als Indiz für eine nachträgliche Rechtswahl im Prozess
Damit es sich bei der nachträglichen Rechtswahl um eine kollisionsrechtlich wirksame
Rechtswahl handelt, müssen im Prozessverhalten der Parteien die Erfordernisse, die an einen
Vertragsschluss gestellt werden, enthalten sein. Somit müssen die Parteien einen bewussten
Rechtswahlwillen haben und ihn auch äußern wollen.402 Die Parteien müssen sich ihrer
Rechtswahlmöglichkeit bewusst gewesen sein.403 Allerdings kann nicht immer aus dem
entsprechenden Prozessverhalten unmittelbar auf den Rechtswahlwillen der Parteien
geschlossen werden. Vielmehr muss differenziert werden, wer im Verfahren handelt und in
welcher Beziehung er zu dem Rechtsgeschäft steht.404 Daher ist bei dem Indiz des Verhaltens
im Prozess im Hinblick auf eine stillschweigende Rechtswahl zwischen dem Parteiprozess und
dem Anwaltsprozess zu differenzieren.405
aa) Indizienwertung im Parteiprozess
Bei dem nur sehr selten auftretenden Fall des reinen Parteiprozesses, in dem beide Parteien
ohne Parteivertreter auftauchen, wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass das
Parteiverhalten, mithin die Ausführungen der Parteien zur Rechtslage, keine Indizwirkung für
eine stillschweigende Rechtswahl habe. Die Parteien gäben, wenn sie anhand einer Norm
argumentierten, lediglich eine Rechtsansicht zum Ausdruck. Da dem juristischen Laien in der
Regel das Problembewusstsein fehlt und er gar nicht weiß, dass es die Möglichkeit einer
Rechtswahl gibt, fehlt es an einem Indiz für eine vorprozessuale Rechtswahl.406
bb) Indizienwertung im Anwaltsprozess
Im Anwaltsprozess liegt der Fall wie im reinen Parteiprozess, und es kann kein
Rechtswahlwille der Parteien angenommen werden – selbst wenn dies nach Auffassung der
Rechtsprechung die Wirksamkeit der stillschweigenden Rechtswahl nicht berühren soll.407
Auch hier wird aber wieder nur eine Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht. Das Gericht kann
jedoch nur Tatsachen, das heißt, ob eine Rechtswahl stattgefunden hat oder nicht, ermitteln.
402 Vgl. auch Fudickar, S. 87; Mitterer, S. 136 f. 403 Fudickar, S. 87; Mitterer, S. 136 f. 404 So auch Buchta, S. 35 ff. 405 Vgl. hierzu: Buchta, S. 35 ff. 406 Vgl. OLG Köln RIW 1993, 1023 (1024 f.); OLG Neustadt MDR 1956, 164; vgl. Buchta, S. 35, 53 f.; Hartenstein, S. 116; v. Hoffmann, § 10 Rn. 37, S. 373; Schack, NJW 1984, 2736 ff.; ders., IPRax 1986, 272 ff.; Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 52; Steiner, S. 118. 407 Vgl. Buchta, S. 36 f., 54; Schröder/ Wenner, S. 69.
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Zumindest wenn die Frage des anwendbaren Rechts vor Gericht nicht angesprochen worden ist,
fehlt den Anwälten das Erklärungsbewusstsein. Würde man hier eine stillschweigende
Rechtswahl annehmen, liefe das folglich auf eine bloße Fiktion hinaus. Denn die Äußerung
einer (möglicherweise falschen) Rechtsüberzeugung im Prozess ist noch keine
rechtsgeschäftliche Rechtswahl. Im Anwaltsprozess wird die Annahme einer stillschweigenden
Rechtswahl aufgrund übereinstimmenden Prozessverhaltens der Parteien auch deshalb als reine
Fiktion betrachtet, weil bei der Vertretung durch einen Anwalt die Wirksamkeit einer
stillschweigenden Rechtswahl zudem von der Vertretungsmacht abhänge.408
b) Prozessverhalten als Indiz für eine vorprozessuale Rechtswahl
Wenn im schlichten Prozessverhalten keine nachträgliche Rechtswahl liegt, so schließt sich die
Frage an, ob darin ein Indiz für eine anfängliche, vorprozessuale Wahl des deutschen Rechts
liegen könnte. Hier kommen folgende Verhaltensweisen in Betracht: Die Parteien können bei
Vertragsschluss deutsches Recht gewählt haben und nun einfach von dessen Anwendbarkeit
ausgehen; sie können auch nach Vertragsschluss, aber vor Prozessbeginn deutsches Recht
gewählt haben und sich nun im Prozess beiderseitig darauf berufen bzw. die Anwendung der
lex fori hinnehmen.
Der BGH409 erkennt das Prozessverhalten der Parteien als Indiz für eine vorprozessuale
Rechtswahl an. Es ist wieder zwischen dem Anwalts- und Parteiprozess zu differenzieren.
aa) Indizienwertung im Parteiprozess
Da, wie bereits erwähnt, dem juristischen Laien in der Regel das Problembewusstsein fehlt und
er regelmässig keine Kenntnis hat, dass es die Möglichkeit einer Rechtswahl gibt, liegt eine
Rechtswahl nicht durch sein Verhalten vor dem Prozess vor.410
bb) Indizienwertung im Anwaltsprozess
Im Anwaltsprozess ist eine Indizwirkung für eine stillschweigende vorprozessuale Rechtswahl
hingegen anerkannt.411 Allerdings ist hier zu differenzieren, ob der Vertragsschluss bereits von
rechtskundigen Personen begleitet wurde, oder die Anwälte erstmals im Verfahren auftreten:
Nur, wenn der Vertragsschluss bereits von Anwälten begleitet wurde, sprechen die
Anhaltspunkte für eine vorher erfolgte stillschweigende Rechtswahl. Denn wenn Anwälte von
408 OLG Köln IPRax 1994, 213 (215); Berger, JuS 1999, 1091 (1096, 1097); zustimmend Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 95; Schack, NJW 1984, 2736 (2739); ders., IPRax 1986, 272 ff.; in dieser Hinsicht die Rechtsprechung auch kritisierend Schröder/ Wenner, S. 69; so ähnlich Stadler, Jura 1997, 505 (509). 409 BGH IPRspr. 1956/ 57, Nr. 23 und 23 d, 1960/ 61, Nr. 30; BGHZ 53, 189 (193); BGHZ 103, 84 (86), 130, 371 (373); BGH NJW 1984, 2762, 1991, 1292 (1293), 1994, 187 (188), WM 1993, 1755 (1756). 410 So beispielsweise Buchta, S. 35. 411 Vgl. Buchta, S. 36; North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 224.
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Anfang an beteiligt waren, kann man davon ausgehen, dass sie Problembewusstsein haben und
sich über die rechtliche Abwicklung Gedanken gemacht haben.412
c) Die Bedeutung der stillschweigenden Rechtswahl im Prozess
Im Mittelpunkt der Diskussion der Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl steht in der
deutschen Literatur und Rechtsprechung das Prozessverhalten. Die deutsche Rechtsprechung
stellt traditionell sehr geringe Anforderungen an die stillschweigende Rechtswahl im
Prozess413: Bereits das übereinstimmende Berufen auf die lex fori führt regelmäßig zu der
Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl.414
Die Literatur415 hingegen fordert überwiegend eine differenzierte Betrachtung und nimmt nur in
Ausnahmefällen und unter bestimmten Bedingungen einen Verweisungsvertrag an. Teilweise416
bringt sie ein entsprechendes Prozessverhalten auch mit dem Prozessrecht in Verbindung.
Die Literatur kritisiert, die Rechtsprechung missachte, dass es sich bei einer stillschweigenden
Rechtswahl um ein Rechtsgeschäft aus übereinstimmenden Willenserklärungen handele, das
nur angenommen werden könne, wenn sich dies „mit hinreichender Sicherheit aus den
Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des Falles“ ergebe.417 Die bloße
Äußerung einer möglicherweise falschen Rechtsüberzeugung im Prozess sei noch keine
rechtsgeschäftliche Rechtswahl.418 Das Problembewusstsein des Internationalen Privatrechts sei
viel zu gering entwickelt, um aus einer tatsächlichen Übung der Prozessbeteiligten auf eine
stillschweigende Rechtswahl zu schliessen.419 Neuerdings hat der BGH sich jedoch selbst in
einigen Entscheidungen420 gegen eine allzu schnelle Annahme einer stillschweigenden
Rechtswahl im Prozess gewendet und die Notwendigkeit des Vorliegens eines „beiderseitigen
Gestaltungswillens“ zumindest für eine die ursprünglich getroffene Wahl abändernde
412 Buchta, S. 35 f., 70; Hartenstein, S. 116; vgl. auch North-v.Hoffmann, Contract Conflicts, S. 224; Steiner, S. 118. 413 Berger, JuS 1999, 1091 (1096, 1097). 414 BGH IPRspr. 1956/ 57, Nr. 23 und 23 d, 1960/ 61, Nr. 30; BGHZ 53, 189 (193); BGHZ 103, 84 (86), 130, 371 (373); BT-Drucks. 10/ 503, S. 50; BGH NJW 1984, 2762, 1991, 1292 (1293), 1994, 187 (188), WM 1993, 1755 (1756); OLG Frankfurt WM 1995, 1179. 415 v. Hoffmann, § 10 Rn. 37, S. 373; Kegel/ Schurig, S. 574; Kropholler, S. 439; Lorenz, IPRax 1987, 269 (273); Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 1, 11 ff.; kritisch Rammeloo, S. 225; Sandrock, RIW 1986, 841 (848); Schack, NJW 1984, 2736 (2737); ders., IPRax 1986, 272 (273 f.); Schröder/ Wenner, S. 67 f.; Schwimann, S. 106 f.; Siehr, FS Keller, S. 485 (496); Stoll, FS Beitzke, S. 759 (769); Steiner, S. 96. 416 Schack, NJW 1984, 2736 (2737); ders., IPRax 1986, 272 (273 f.); Schröder/ Wenner, S. 67 f.; Steiner, S. 96. 417 Buchta, S. 36 f., 54; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 95; Schack, NJW 1984, 2736 (2739); ders., IPRax 1986, 272 ff.; Schröder/ Wenner, S. 69; so ähnlich Stadler, Jura 1997, 505 (509). 418 Vgl. Buchta, S. 36 f., 54; Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (39); Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 95; Schack, NJW 1984, 2736 (2739); ders., IPRax 1986, 272 ff.; in dieser Hinsicht die Rechtsprechung auch kritisierend Schröder/ Wenner, S. 69; so ähnlich Stadler, Jura 1997, 505 (509). 419 OLG Köln ZIP 1992, 1482 (1483 f.); in diesem Sinne auch Piltz, IPRax 1994, 192 (193). 420 BGH NJW 1991, 1292 (1293); NJW-RR 2000, 1002 (1004); IPRax 2002, 37 (39); auch OLG Köln ZIP 1992, 1482 (1483 f.).
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Rechtswahl betont. Demzufolge müssen die Parteien zumindest Erklärungsbewusstsein
hinsichtlich einer Rechtswahl besitzen.421
Der BGH hat seine Rechtsprechung erkennbar geändert und stellt nun höhere Anforderungen
an das Vorliegen eines stillschweigenden Rechtswahlwillens der Parteien als früher. Bereits im
erstinstanzlichen Verhalten wird ein ausreichendes Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl
gesehen.422 Es wird in der Regel ausnahmslos auf eine stillschweigende Rechtswahl
geschlossen, wenn die Parteien während des gesamten Rechtsstreites von der Anwendbarkeit
derselben Rechtsordnung ausgegangen sind, selbst bei rügelosem Verhandeln der Parteien in
der Vorinstanz.423 Vorprozessuales Verhalten soll allerdings nur dann ein Indiz für eine
stillschweigende Rechtswahlvereinbarung sein können, solange sich die Parteien nicht aus
Unkenntnis auf die jeweilige Rechtsordnung berufen haben.424 Zudem nimmt die
Rechtsprechung425 eine stillschweigende Rechtswahl oft an, wenn die Parteien der vom Gericht
ausdrücklich oder stillschweigend erklärten Anwendbarkeit eines Rechts nicht widersprechen.
Problematisch ist die Fallgestaltung, in der erstinstanzlich auf ein Recht Bezug genommen
wurde, zweitinstanzlich nun aber die Anwendung einer anderen Rechtsordnung verlangt
wird.426
Das Prozessverhalten der Parteien soll mithin eine Vermutung für die Anwendbarkeit deutschen
Rechts begründen, die durch sonstige Umstände eindeutig widerlegt werden muss, damit
ausländisches Recht angewendet wird. Das Indiz des Prozessverhaltens unterscheidet sich von
den meisten anderen typischen Indizien dadurch, dass sich die Parteien ausdrücklich zur
Anwendung eines bestimmten Rechts äußern. Daher wird beispielsweise das übereinstimmende
Zitieren von Rechtsnormen derselben Rechtsordnung teilweise427 als Indiz von
„hinreichenderer Sicherheit“ für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen als Äußerungen,
die nur aufgrund allgemeiner Erfahrungssätze eine solche Vermutung zulassen. Der Richter
421 Vgl. Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (39). 422 BGH IPRspr 1962/ 63 Nr. 163; BGH IPRspr 1964/ 65 Nr. 41; 1971 Nr. 14; 1973 Nr. 12; 1988 Nr. 18; BGH WM 1977, 478; IPRax 1986, 292 (293); BGH RIW 1987, 629 (630); NJW-RR 1990, 248 (249). 423 Beispielsweise BGHZ 40, 320 (324); 103, 84 (86); 130, 371 (373); BGH NJW 1971, 323 (324); 1974, 410; 1976, 1581; 1981, 1606; 1984, 2762; 1988, 1592; 1991, 1292 (1293); 1992, 909, 1380; 1994, 187; BGH ZIP 1986, 366 (367); BGH NJW-RR 1986, 456 (457); 1990, 248 (249); BGH WM 1955, 1588 (1589); 1956, 598 (599); 1966, 140; 1970, 885; 1973, 382; 1977, 478; 1982, 1249; 1984, 432 (433); 1987, 1501 (1502); 1991, 464 (465); 1992, 567 (568); 1993, 1755 (1756); 1995, 859 (861); BGH RIW 1983, 957; 1992, 586; BGH AWD 1958, 33. 424 OLG Köln IPRax 1994, 213 (215); AG Heidelberg IPRax 1987, 25 f.; Mitterer, S. 122; Schack, NJW 1984, 2736 (2739). 425 BGH WM 1966, 140; NJW 1962, 1345 (1346); 1984, 2762. 426 Exemplarisch sei in diesem Zusammenhang auf die folgenden unterschiedlichen Urteile hingewiesen: Während zum Beispiel das OLG Hamburg (OLG Hamburg VersR 1970, 1125, 1978, 918) an der einmal getroffenen Entscheidung in Bezug auf das anzuwendende Recht festhält, wendet das OLG Frankfurt (OLG Frankfurt AWD 1973, 558) eine andere Rechtsordnung an. 427 Mitterer, S. 136; so ähnlich auch Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8; Raape, S. 435.
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könnte von seinem Fragerecht gemäss § 139 Abs. 1 ZPO Gebrauch machen, um die gemäss
Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB geforderte „hinreichende Sicherheit“ zu erhalten, wobei er die
Willenssituation erfasst haben müsse, bevor eine Partei ausdrücklich erklärt habe, sich auf die
Rechtswahl der Gegenpartei verlassen zu haben.428 Die Parteien sind an ihre Rechtswahl
grundsätzlich über die Instanz hinaus gebunden. In Deutschland ist – im Gegensatz zu
Frankreich, wie sich in dieser Arbeit noch zeigen wird – auch der Richter durch die Rechtswahl
gebunden und kann sich nicht über das Prozessverhalten der Parteien, das zu einer Rechtswahl
führen können soll, hinwegsetzen.429 Die Rechtsprechung macht eine Ausnahme von dieser
Auslegung des Prozessverhaltens, wenn die Parteien, als sie die Vorschriften des deutschen
Rechts anführten, irrtümlich angenommen haben, deutsches Recht sei anwendbar.430 Die
stillschweigende Rechtswahl im Prozess muss nicht zur Anwendbarkeit deutschen Rechts
führen.431
Auch die übereinstimmende Berufung auf ausländische Rechtsvorschriften kann nach Ansicht
der Rechtsprechung432 im Prozess ein Indiz für die Wahl ausländischen Rechts sein. Wichtig sei
jedenfalls, dass es sich nicht nur um die Abgabe von Erklärungen im rein rechtsgeschäftlichen
Kontakt handele, sondern um eine solche im Prozess. Ein sich auf die Rechtswahl beziehender
Vortrag einer Partei im Prozess oder deren prozessuales Verhalten muss vor dem Hintergrund
des Prozessrechts bewertet werden.433
d) Kritik und Stellungnahme
Allein das Führen einer Rechtsdiskussion auf der Grundlage eines bestimmten Rechts kann
noch kein ausreichender Anhaltspunkt für die Vereinbarung des vorgetragenen Rechts sein. Die
bereits nach altem Recht umstrittene Rechtsprechung zur Rechtswahl durch Prozessverhalten
ist nach dem neuen auf dem EVÜ beruhenden Internationalen Vertragsrecht aus folgenden
Gründen nicht mehr haltbar:
Die Möglichkeit einer stillschweigenden Rechtswahl führt in der Praxis dazu, dass die Richter
oft aus „Bequemlichkeit“ und Gewohnheit zu der lex fori, also heimwärts, streben. Die
Rechtsprechung, die schnell von einer stillschweigenden Rechtswahl der lex fori ausgeht,
unterstellt damit auf kollisionsrechtlicher Ebene den Parteien, die sich im Prozess nur auf
deutsche Rechtsnormen berufen, dass sie die Anwendbarkeit der lex fori vereinbart hätten.
428 Abend, S. 299; Buchta, S. 61 f.; Mansel, ZVglRWiss 86 (1987), 14 f; Schack, NJW 1984, 2736 (2739). 429 Zu Frankreich siehe 3. Kapitel A.III.3. 430 OLG Köln NJW 1987, 1151 (1152); LG Hamburg RIW 1977, 787 (788). 431 Vgl. nur Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8. 432 BGH NJW-RR 1990, 248 (249); OLG Celle RIW 1990, 320 (322). 433 Ebenso: Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8.
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Dieser Ansatz missachtet, dass der Sachvortrag der Parteien auch auf Unkenntnis oder Irrtum
beruhen kann. Wenn die Parteien von einer bestimmten Rechtsordnung im Prozess ausgehen,
haben sie keineswegs immer den gemeinsamen Willen, diese Rechtsordnung zur Anwendung
zu berufen, vielmehr nehmen die Parteien oft bloß an, sie sei kraft Gesetzes massgebend. Nicht
selten fehlen kollisionsrechtliche Erwägungen sogar vollständig. So wird die
kollisionsrechtliche Parteiautonomie für prozessuale Ziele missbraucht und die deutsche
Rechtsprechung läuft oftmals auf eine bloße Fiktion hinaus. Es wird eine mit „hinreichender
Sicherheit“ vorliegende Rechtswahl unterstellt, obwohl die Parteien die Rechtswahl und die
damit einhergehenden Probleme noch nicht einmal angesprochen haben, ihnen also eventuell
sogar das Erklärungsbewusstsein fehlte. Dies ist besonders kritisch, wenn internationale
Übereinkommen betroffen sind, denn damit verstößt die erwähnte Praxis der deutschen
Rechtsprechung zur stillschweigenden Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht gegen Art.
3 Abs. 1 S. 2 EVÜ. Es ist daher immer zu prüfen, ob die Parteien die Fragestellung erkannt und
eine Entscheidung gewollt haben, was in der Regel nicht der Fall ist. Richtigerweise führt das
OLG Köln434 hierzu aus, dass das Problembewusstsein im Internationalen Privatrecht selbst in
Anwaltskreisen viel zu gering sei, als dass man davon ausgehen könnte, die Beteiligten hätten
sich mit der Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung überhaupt befasst, geschweige denn
eine Rechtswahlerklärung abgeben wollen. Mithin erscheint es nicht angemessen,
übereinstimmendes Prozessverhalten ohne dessen genauere Untersuchung als Indiz für eine
stillschweigende Rechtswahl anzuerkennen. Auf diese Weise kann sich der Rechtsanwalt
zudem schützen vor möglichen Vorhaltungen seines Mandanten, es sei ohne Notwendigkeit
deutsches Recht vereinbart und auf die Durchsetzung des an sich anwendbaren Rechts
verzichtet worden, welches den Mandanten eventuell in eine rechtlich gesehen vorteilhaftere
Position versetzt hätte.
Vor all diesen aufgezeigten misslichen Konsequenzen einer vorschnellen Annahme einer
stillschweigenden Rechtswahl könnte man die Parteien schützen, indem eine ausdrückliche
Vereinbarung gefordert würde. Dies hätte auch zur Folge, dass das Übereinkommen nicht
leichtfertig umgangen werden könnte und ein äußerer Entscheidungseinklang hergestellt würde.
Denn dieser vom Gesetz geforderte, erhöhte Grad an Sicherheit wird angesichts der dargelegten
Umstände nur selten vorliegen.
Gemäss Art. 27 Abs. 2 EGBGB bzw. Art. 3 Abs. 2 EVÜ ist eine Rechtswahl aber „jederzeit“,
mithin bis zum Abschluss eines Verfahrens möglich. Daher ist gegen die Tatsache, dass nach
der Rechtsprechung auch das Verhalten der Parteien im Prozess maßgeblich sein soll, nichts
434 OLG Köln ZIP 1992, 1482 (1483 f.).
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einzuwenden. Auch wenn es richtig ist, dass das Verhalten der Parteien im Prozess aufgrund
der aufgezählten Argumente gegenüber einer übereinstimmenden Willenseinigung im
eigentlichen Sinne ein Minus darstellt, lässt sich daraus nicht schliessen, dass damit die
gegenseitige Berufung auf die Anwendung eines bestimmten Rechts als zulässiges Kriterium
für eine stillschweigende Rechtswahl gänzlich ausscheidet. Vielmehr sollte im Zweifel nur
dann von einer stillschweigenden Rechtswahl durch Prozessverhalten ausgegangen werden,
wenn beide Parteien ein zuvor ausdrücklich vereinbartes Recht ignorieren oder vom Gericht auf
die bestehende Problematik hingewiesen wurden. Denn falls zweifelhaft ist, ob die Parteien
überhaupt wussten, dass die Frage nach dem anwendbaren Recht zu klären ist, ist es gemäss
§ 293 Zivilprozessordnung (ZPO) die Aufgabe des Richters, die Rechtssituation zu klären, da er
die anwendbare Rechtsordnung von Amts wegen ermitteln muss. Keine Partei hat folglich eine
prozessuale Beweisführungslast.435
2. In England
Nach englischem Prozessrecht müssen die Parteien die Anwendung fremden Rechts verlangen.
In England wird das Verhalten der Parteien im Prozess nämlich nicht grundsätzlich wie in
Deutschland im Sinne einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl, sondern teilweise auch als eine
prozessuale Frage behandelt.436 Zudem ist im englischen Recht die Frage umstritten, nach
welchem Recht zu beurteilen ist, ob eine Änderung der Rechtswahl zulässig ist.437 Falls die
Parteien die Anwendung fremden Rechts nicht ausdrücklich verlangen, entscheidet das
angerufene Gericht die Sache, wie wenn es sich um einen rein innerstaatlichen Fall handeln
würde.438 Die Unterlassung der Parteien, sich ausdrücklich auf ausländisches Recht zu berufen,
führt automatisch dazu, dass (fakultatives) Kollisionsrecht nicht angewendet wird.439
Dem könnte man entgegenhalten, dass es sich hierbei nicht um eine Rechtswahl im eigentlichen
Sinne handelt und das englische Recht die Frage, ob englisches Recht anwendbar ist, nicht als
eine Frage des Internationalen Privatrechts, sondern vielmehr als eine Frage des englischen
Prozessrechts außerhalb des normalen Rechtswahlprozesses ansieht. Allerdings ist nicht
einleuchtend, warum es sich nach englischem Recht hier nicht um eine Rechtswahlfrage
handeln sollte. Die Unterlassung der Parteien, sich auf ausländisches Recht zu berufen, mag
435 BGHZ 77, 32, 38; 120, 334, 342; Brulhart, S. 99 Nr. 209; Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8, 13; Zöller/ Gemer, § 293 Rn. 9 ff. 436 Vgl. Lando, S. 51; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 106; Vischer/ Huber/ Oser, S. 96. 437 BT-Drucks. 10/ 503, S. 50; Fudickar, S. 16; vgl. auch Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 18; Lando, S. 51; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 103, 106; in diesem Sinne auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff. 438 Lando, S. 51; kritisch dazu: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 106; Vischer/ Huber/ Oser, S. 96. 439 Vgl. Lando, S. 51; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 106; Vischer/ Huber/ Oser, S. 96.
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zwar von der eigentlichen Rechtswahl abweichen. Dafür, dass es sich dennoch um eine Frage
der Rechtswahl handelt, spricht aber, dass auch die indirekt oder prozessual ausgeführte Wahl
eines Rechts als Rechtswahl i. S. d. Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ behandelt werden kann. Schließlich
geht es zweifelsohne bei der Frage, ob englisches Recht gewählt wurde, um eine
Rechtswahlfrage und somit um eine Frage des anwendbaren Rechts. Es wäre daher sicherlich
fragwürdig, wenn eine Frage bezüglich des anwendbaren Rechts nicht auch als Angelegenheit
des Internationalen Privatrechts behandelt würde. Zudem gibt es keinen Grund, warum die
Wahl englischen Rechts anders betrachtet werden sollte als die Wahl irgendeines anderen
Rechts. Unterlassen es also die Parteien, sich auf ausländisches Recht zu berufen, kann hierin
zumindest nach englischer Ansicht440 eine stillschweigende Wahl zugunsten englischen Rechts
gesehen werden. Die Frage, wie sich eine nachträgliche Rechtswahl der Parteien im Prozess
auswirkt, wird als prozessuale Frage behandelt. Findet eine Rechtswahl im Laufe der
Gerichtsverhandlung statt, ist folglich das jeweilige Prozessrecht des Landes maßgeblich.441
Englische Gerichte442 vertreten traditionell die Ansicht, dass bei der Suche nach einer
stillschweigenden Rechtswahl der Vertrag nicht ausgelegt werden könne, indem auf das
nachfolgende Verhalten der Parteien Bezug genommen würde. Vielmehr sollte anhand aller
relevanten Umstände – auch dem, was die Parteien zu dieser Zeit gesagt oder gemacht haben –
ermittelt werden, welche Absicht die Parteien bei Vertragsschluss hatten. Es sei zulässig, die
zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses den Vertrag umgebenden Umstände zu berücksichtigen,
nicht jedoch das nach Vertragsschluss eintretende Verhalten der Parteien. Denn es sei nicht
rechtmäßig zur Unterstützung eines Vertragsschlusses irgendetwas heranzuziehen, was erst
nach Vertragsschluss eintrete.443 Das House of Lords weist darauf hin, dass nachfolgendes
Verhalten zu einer Duldungsvollmacht oder zu einem neuen Vertragsschluss führen könnte. Die
nachträgliche Rechtswahl, die nach dem EVÜ gem. Art. 3 Abs. 2 ausdrücklich zulässig ist444,
440 Fentiman, S. 71. 441 Fentiman, S. 92 ff. 442 Anders in R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529), in der die Möglichkeit zumindest, wenn auch einschränkend, anerkannt wurde: “If the parties` conduct shows that they have adopted a particular view with regard to the proper law, then it may be inferred that they have agreed that this law shall govern the contract accordingly”; ablehnend jedoch in: Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. v. James Miller and Partners (1970) A.C. 583 (603); Co. Tunisienne de Navigation v. Co. d`Armement Maritime (1971) A.C. 572 (593, 603), (1970) 3 All ER 71 (HL); Wickman Machine Tools Sales Ltd. v. L. Schuler AG (1974) A.C. 235; Amin Rasheed Shipping Corp. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C. 50, 69; vgl. Delaume, S. 40; Lipstein, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 158. 443 Dazu: North/ Fawcett, S. 475 ff.; Collins, S. 419; Dicey/ Morris, S. 1210; Nygh, S. 111; Plender, S. 94. 444 In der englischen Fassung des EVÜ heißt es in Art. 3 Abs. 2, die Parteien könnten eine Wahl des anzuwendenden Rechts “at any time“ anzeigen.
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ist von den englischen Gerichten immer wieder abgelehnt worden.445 Ein schriftlich
festgehaltener Vertrag soll nach Ansicht der englischen Gerichte446 nicht ausgehebelt oder
unterlaufen werden können, indem auf vorheriges oder nachfolgendes Verhalten der Parteien
Bezug genommen wird. Dem Verhalten der Parteien und ihren Verhandlungen wird
demzufolge von den englischen Gerichten kein Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl
entnommen.
Dagegen ist allerdings einzuwenden, dass weder das EVÜ noch der Bericht von Giuliano/
Lagarde einen Zeitpunkt für die Berücksichtigung der „Umstände des Falles“ festlegen.447 In
Bezug auf die Bestimmung der „engsten Verbindung“ gemäss Art. 4 Abs. 1 EVÜ stellt der
Bericht fest, dass „es auch möglich ist, Faktoren zu berücksichtigen, die nach Vertragsschluss
noch hinzukommen“.448
Dies könnte dafür sprechen, auch nachfolgendes Verhalten oder nachträglich hinzukommende
Umstände für eine stillschweigende Rechtswahl mit zu berücksichtigen. Zudem können die
Parteien bei Vertragsschluss oft nicht die gesamte Tragweite ihrer Entscheidung erfassen,
sondern erst einige Zeit danach. Denn erst beim Eintreten eines aktuellen Streits könnte den
Parteien bewusst werden, was ihre Rechtswahl für den Vertrag bedeutet und dass Konflikte
innerhalb ihrer vertraglichen Bestimmungen auftreten könnten. Eine Nichtbeachtung der
nachträglichen Rechtswahl würde der Parteiautonomie widersprechen.449 Die englische
Ansicht, dass es nicht zulässig sei, nachfolgendes Parteiverhalten bei der Auslegung eines
Vertrages mit zu berücksichtigen, ist nicht haltbar und wird von den anderen europäischen
Vertragsstaaten des EVÜ nicht geteilt.450 Jedenfalls setzen die nationalen Gerichte der Länder,
die nachfolgendes Verhalten grundsätzlich in die Interpretation von Verträgen mit einbeziehen,
445 Delaume, S. 39 f.; Fentiman, S. 95; Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Laws, S. 41; ders., Annuaire de l`Institut de droit international 1991, 64-I, S. 43; North, Essays, S. 39; in diesem Sinne auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff., 198; Plender, S. 94; Williams, I.C.L.Q. 35 (1986), 12. 446 Prenn v. Simmonds (1971) 1 W.L.R. 1381; Wickman Machine Tool Sales Ltd. v. Schuler AG (1974) A.C. 235, dazu: Mann, L.Q.R. 89 (1973), 464. 447 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 18; so auch Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff., 198 ff. 448 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 20. 449 Delaume, S. 39; in diesem Sinne auch Fudickar, S. 4 f. 450 Vgl. Dicey/ Morris, S. 1201, 1202; Collins, S. 419; vgl. auch Giuliano, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 266 f., der davon spricht, dass die Möglichkeit, das anwendbare Recht auch noch nach Vertragsschluss zu bestimmen bzw. zu ändern „très largement admis“ ist; Lando, S. 52; vgl. Mann, L.Q.R. 89 (1973), 464; der italienische Civil Code setzt in Art. 1362 sogar ausdrücklich fest, dass nachträgliches Verhalten mit zu berücksichtigen ist; Plender, S. 1.
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dies unter dem EVÜ fort.451 Deshalb sollten sich auch die englischen Gerichte, die das EVÜ
ebenfalls anwenden, dem anpassen und das Verhalten nach Vertragsschluss als Hinweis auf
eine stillschweigende Rechtswahl bei Vertragsschluss akzeptieren. Selbst außerhalb des EVÜ
würde dies Sinn machen: Der Grund, weshalb die englischen Gerichte das Verhalten der
Parteien vor oder nach dem Vertragsschluss als Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl
ausschließen, liegt in der Rechtssicherheit. Die nachträgliche Änderung des anwendbaren
Rechts führe zu einer Unbestimmtheit, die sich weder mit dem Wesen der Rechtsordnung noch
mit dem des Vertrages vereinbaren lasse. Der Vertrag, der nur kraft einer bestimmten
Rechtsordnung zustande komme und daher auch nur existiere, soweit dieses Recht bestehe,
würde hinfällig, entziehe man ihm diese rechtliche Grundlage.452 Dies ist verständlich und auch
der Grund dafür, dass ein Vertrag zwischen den Parteien schriftlich niedergelegt wird.
Allerdings ist diese Betrachtung nicht einschlägig, wenn der Vertrag überhaupt keine
ausdrückliche Rechtswahl enthält. In diesem Fall sollten alle relevanten Umstände und alles,
was die Parteien gesagt oder gemacht haben, mit berücksichtigt werden. Es ist kein Grund
ersichtlich, warum dies auf „zeitgenössische Umstände“ beschränkt werden sollte. Schließlich
umfasst die Idee des “proper law“ selbst die Wahl eines sich ständig wandelnden, verändernden
Rechtssystems, wobei die sich ändernden wirtschaftlichen Umstände mit zu berücksichtigen
sind.453 Es ist einleuchtend, dass die Herrschaft der Parteien über das anwendbare Recht nicht
auf den einzigen Moment des Vertragsschlusses beschränkt sein kann.454 Zudem verliert der
Einwand an Gewicht, wenn man bedenkt, dass die Parteien ihr Schuldverhältnis jederzeit
aufheben könnten, um es neu erstehen zu lassen.455
Ein Beispiel, in dem nachfolgendes Verhalten der Parteien als relevant für einen
stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien angesehen werden könnte, ist das Vertrauen
der Parteien während des Prozesses auf die Anwendung eines bestimmten Rechtssystems. Einer
der Vorteile des Art. 18 EVÜ könnte darin bestehen, dass sich die Prozessparteien vor Gericht
auf in anderen Staaten ergangene Urteile berufen können.456 Grundsätzlich gehen die Parteien
während des Prozesses davon aus, dass das ausländische Recht mit dem des Gerichtes
übereinstimmt. Das Verhalten der Parteien könnte in dem Fall jedoch gleichfalls auf einen
451 So z.B. in Deutschland in BGH NJW 1981, 1606 ff.; OLG Düsseldorf NJW 1982, 1231 f.; OLG Koblenz IPRax 1989, 175, RIW 1987, 629; OLG Frankfurt RIW 1991, 865 (866); LG Berlin RIW 1996, 960 und in Frankreich in Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger - J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.), Rev.crit.dr.int.priv. 1997, 514; Cass. 1.7.1997, Rev.crit.dr.int.priv. 1998, 60. 452 So auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 103 f. 453 Graveson, S. 429 ff.; Nygh, S. 112. 454 Giuliano, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 267. 455 Vgl. Lorenz, Vertragsabschluss, S. 104. 456 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 38.
-83-
neuen Vertragsschluss hindeuten anstatt auf die Wahl des anwendbaren Rechts.457 Das zeigt,
dass nachfolgendes Verhalten der Parteien keinen sicheren Schluss auf eine stillschweigende
Rechtswahl zulässt, weshalb dieses Indiz in Bezug auf eine stillschweigende Rechtswahl wohl
auch gänzlich verworfen werden könnte. Es lässt sich zumindest festhalten, dass es sich um
eine einseitige Regelung zugunsten der Anwendung der englischen lex fori handelt, da gerade
in England die Gerichte besonders stark dazu neigen, das vertraute heimische Recht
anzuwenden.458
3. In Frankreich
Dem späteren Verhalten der Parteien im Prozess nach Abschluss des Vertrages, etwa im
Zeitpunkt der Klageerhebung, kommt auch im französischen Recht Bedeutung bei der
Ermittlung der stillschweigenden Rechtswahl zu, auch wenn sich die französische
Rechtsprechung zunächst nicht hinreichend klar zu der Frage der Zulässigkeit der
nachträglichen Rechtswahl geäussert hat.459
Zurückhaltend äussert sich Lagarde460 und schlägt vor, dass nachfolgendes Verhalten nur
relevant sein soll, wenn der Vertrag dahingehend berichtigt wird, dass der Leistungs- oder
Zahlungsort geändert wird, das nachfolgende Verhalten also auf eine implizierte Änderung des
gewählten Rechts hinausläuft.
Die französische Rechtsprechung461 versteht das Parteiverhalten während des Prozesses
allerdings nicht im Sinne einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl, sondern wie das englische
Recht als prozessuale Disposition über das anwendbare Recht. Nach der französischen
Rechtsprechung462 deutet das übereinstimmende Zitieren französischen Rechts vor einem
französischen Gericht daher auch nicht auf eine stillschweigende Rechtswahl, sondern vielmehr
auf einen „accord procédural“ hin, der im Gegensatz zu der stillschweigenden Rechtswahl nur
für die im Prozess geltend gemachten Rechte gilt und weder Zukunft noch Vergangenheit
berührt. Diese prozessrechtliche Wahl unterscheidet sich von der materiell-rechtlichen in
Frankreich erheblich. Daher ist der „accord procédural“ vom „accord de fond“ abzugrenzen, der
457 Nygh, S. 119. 458 So schon Lorenz, Vertragsabschluss, S. 106. 459 Cass. v. 18.11.1959, Rev.crit.dr.int.priv. 49 (1960), 83; Cass. v. 29.1.1975, Rev.crit.dr.int.priv. 65 (1976), 338, 340; Batiffol, Traité, S. 648 ff.; vgl. auch Fudickar, S. 12 ff.; Giuliano, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 266 f.; Tomaszewski, Rev.crit.dr.int.priv. (1972), 567 ff.; BT-Drucks. 10/ 503, S. 50. 460 Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 80 (1991), 287 (310 f.). 461 Vgl. z.B. Colmar 16 Nov. 1935, J.D.I. (Clunet 64) 1937, 781; Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.), Rev.crit.dr.int.priv. 86 (1997), 514; Cass. 1.7.1997, Rev.crit.dr.int.priv. 1998, 60. 462 Colmar 16 Nov. 1935, J.D.I. (Clunet 64) 1937, 781; Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.), Rev.crit.dr.int.priv. 86 (1997), 514; Cass. 1.7.1997, Rev.crit.dr.int.priv. 1998, 60.
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die kollisionsrechtliche Rechtswahl bezeichnet: Es handelt sich also um eine auf den Prozess
beschränkte Vereinbarung, die nur für den Streitgegenstand gilt, die Parteien nur für den
Prozess bindet und keine darüber hinausgehenden Wirkungen hat.463
Die Rechtsprechung ist hier aber nicht immer eindeutig: Während die Cour de Cassation in der
Entscheidung Soc. De Baat en Zegwaard c. Soc. Les Fils Charvet et Porteix vom 4.10.1989464
eine Rechtswahl während des Prozesses von den Voraussetzungen des Art. 12 Nouveau code de
procédure civile (NCPC), der einen „accord exprès“ verlangt, abhängig machte, erachtete sie es
in einer Entscheidung vom 12.5.1997465 für die Anwendung der französischen lex fori als
ausreichend, dass beide Parteien auf der Grundlage des französischen Rechts plädierten.
Einerseits verzichtet die Cour de Cassation seit dem „Société Hannover“-Urteil aus dem Jahre
1997 für den „accord procédural“ zugunsten der lex fori auf das Erfordernis der
Ausdrücklichkeit, weshalb es für einen solchen „accord“ ausreicht, wenn die Parteien in ihren
Schlussanträgen ausschließlich Vorschriften französischen Rechts zitieren. Andererseits
verlangt der “accord procédural“ mehr als bloßes Schweigen der Parteien, da sich ihre
Vereinbarung aus dem „übereinstimmenden“ Zitieren von Rechtsnormen der lex fori ergeben
muss.466 Die Urteile der Cour de Cassation aus dem Jahre 1997 lassen jedenfalls für einen
“accord procédural sur la loi applicable“ ausreichen, dass dieser sich aus den Schlussanträgen
ergibt, in denen sich die Parteien auf bestimmte Rechtsvorschriften stützen.467 Die französische
Rechtsprechung ignoriert mithin die Formvorschriften des “accord procédural“ und schließt aus
übereinstimmenden Schlussanträgen auf das Vorliegen einer Vereinbarung. Die Entscheidung
vom 12.5.1997 ist auch insofern interessant, als die mit den beiden “grând arrêts“ vom 11. und
18.10.1988468 in Abkehr von der “jurisprudence Bisbal“469 eingeleitete Rechtsprechung, das
Kollisionsrecht von Amts wegen anzuwenden, wieder relativiert wird. Es scheint, als seien die
französischen Richter, ähnlich den englischen, grundsätzlich nicht gezwungen, das anwendbare
Recht selbst zu ermitteln, wenn die Parteien über den Anspruch verfügen können.470
463 Hartenstein, S. 121 ff.; ders., IPRax 2001, 478; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 79 (1990), 316 ff. 464 Vgl. Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.); vgl. auch Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 79 (1990), 316 ff. 465 Cass. Rev.crit.dr.int.priv. 86 (1997), 514. 466 Vgl. Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (811 ff.); so auch schon Lequette, Rev.crit.dr.int.priv. 1989, 277 (309 f.). 467 Cass. (6.5.1997), Rev.crit.dr.int.priv. 1997, 514; Cass. (1.7.1997), Rev.crit.dr.int.priv. 1998, 60; so auch schon Lequette, Rev.crit.dr.int.priv. 1989, 277 (309 f.). 468 Cass.civ., 11.10.1988, J.D.I (Clunet 116), 1989, 349/ 50; Cass.civ., 18.10.1988, J.D.I. (Clunet 116) 1989, 350, 352. 469 Cass.civ., 12.5.1959, Rev.crit.dr.int.priv. (1960), 62 f.; dazu: Ferid/ Sonnenberger, S. 203. 470 Vgl. Cass. 6.5.1997 Société Anglo Belgian Corporation c./ Baranger – J.D.I. (Clunet 124) 1997, 804 (809 ff.); vgl. auch Ferid/ Sonnenberger, S. 203; Wagner, ZEuP 1999, 6 (29 ff.).
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Es sind mithin in der französischen Rechtsprechung bis jetzt keine klaren Linien erkennbar,
was umso mehr verwunderlich ist, als doch das EVÜ gerade für den europäischen Raum eine
Vereinheitlichung des Vertragskollisionsrechts innerhalb der EU bezweckt. Dahingehende
Fortschritte können hier leider nicht registriert werden.
Immerhin ist in der französischen Literatur471 betont worden, dass nach Art. 3 Abs. 2 EVÜ eine
Rechtswahl „jederzeit“, mithin noch nach Vertragsschluss, möglich ist. Da die Möglichkeit der
Parteien, das auf ihren Vertrag anwendbare Recht zu bestimmen, somit nicht auf den einzigen
Moment des Vertragsschlusses beschränkt ist, können sie durch ihr nachträgliches Verhalten
auf das anwendbare Recht hinweisen. Dies wird im Bericht von Giuliano/ Lagarde bestätigt.472
Damit legt das EVÜ fest, dass Rechtswahlvertrag und Hauptvertrag unabhängig voneinander zu
betrachten sind.473
IV. Erfüllungsort
Ein weiteres Indiz in der Praxis für eine stillschweigende Rechtswahl könnte die Wahl eines
gemeinsamen Erfüllungsortes für die beiderseitigen Leistungen sein. Mit der Vereinbarung
eines einheitlichen Erfüllungsortes bestimmen die Parteien allerdings nur einen konkreten
Detailpunkt zu der Leistung, ohne ihre Rechtsbeziehungen damit generell zu regeln. Somit
begründen sie keinen objektiv erkennbaren Zusammenhang mit der Rechtsordnung am Ort der
Leistungserfüllung.474 Eine solche Vereinbarung hat umso mehr Indizcharakter, je
unrealistischer sie ist. Sie muss von dem tatsächlichen Leistungsort abweichen und bei
gegenseitig verpflichtenden Verträgen muss ein einheitlicher Erfüllungsort vereinbart
werden.475
1. In Deutschland
Vor der Neufassung des EGBGB am 1.9.1986 knüpfte die deutsche Rechtsprechung476 am
Ende der vierstufigen Anknüpfungsleiter, wenn sich der hypothetische bzw. mutmaßliche
Parteiwille nicht ermitteln ließ, an den Erfüllungsort an und erblickte darin eine
stillschweigende Rechtswahl. Auch wenn die Vereinbarung eines einheitlichen Erfüllungsortes
nach der Neufassung kein selbständiger Anknüpfungspunkt mehr ist, kann sie nach der
471 Foyer, J.D.I. (Clunet 112) 1976, 604; Kassis, S. 368 f.; Tomaszewski, Rev.crit.dr.int.priv. 1972, 567 ff. (588). 472 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 473 Foyer, J.D.I. (Clunet 112) 1976, 604: „Le contrat de choix de la loi étant autonome, les parties ne sont plus ligotées par la date de conclusion du contrat principal”; Kassis, S. 369. 474 Mitterer, S. 165. 475 BGHZ 52, 239 (241), 73, 391; Menne, JuS 1998, 711 (713); Schröder, IPRax 1987, 90 (91). 476 RGZ 58, 366 (367), 68, 203 (207), 81, 273 (274), 108, 241 (242); BGH NJW 1996, 2569; OLGZ 1975, 454 ff.; OLG Nürnberg NJW 1985, 1296 ff. (1297).
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Rechtsprechung477 und Lehre478 zumindest ein im Zusammenhang mit anderen Umständen
relevantes Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl sein, denn bei Sachverhalten mit
Auslandsbezug liegen die Erfüllungsorte in der Regel in Gebieten unterschiedlicher
Rechtsordnungen.
Mit hinreichender Sicherheit i. S. d. Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB kann eine stillschweigende
Rechtswahl nach überwiegender Ansicht479 dann angenommen werden, wenn der vereinbarte
Leistungsort vom gesetzlichen sowie dem Ort, an dem die charakteristische Leistung zu
erbringen ist, abweicht.
Die Schlussfolgerung, dass die Parteien die an dem Erfüllungsort geltende Rechtsordnung als
Vertragsstatut gewählt haben, drängt sich auf, wenn die Parteien nicht den gesetzlichen
Erfüllungsort maßgeblich sein lassen. Haben die Parteien stattdessen einen davon
abweichenden, fiktiven Erfüllungsort vertraglich vereinbart, der sich auch nicht mit dem Ort
der „vertragscharakteristischen Leistung“ deckt, wird diese Annahme verstärkt. Gegenteilige
Indizien können die Bedeutung des Erfüllungsortes in gewissem Umfang entkräften.480
Nach der Rechtsprechung481 soll für die Indizwirkung die Wirksamkeit der Erfüllungsabrede
entscheidend sein.
Dem Anknüpfungspunkt des Erfüllungsortes ist entgegenzuhalten, dass er zur Starrheit führt
und es manchmal wichtiger ist, dass der Vertrag überhaupt erfüllt wird, während der
Erfüllungsort in seiner Bedeutung dahinter zurücktreten kann. Ausserdem sind Fälle denkbar, in
denen es entweder überhaupt keinen oder gleich mehrere Erfüllungsorte gibt, was zu
Schwierigkeiten führt.
Das entscheidende Argument dagegen ist allerdings, dass durch die Festlegung eines
einheitlichen Erfüllungsortes eine Vertragsspaltung entsteht, denn in der Regel sind bei einem
gegenseitigen Vertrag verschiedene Pflichten zu erfüllen, so dass der Erfüllungsort für jede
477 RGZ 148, 42 (43); BGH NJW 1985, 560, 561; OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 483; OLG Frankfurt AWD 1969, 509 (510); OLG Hamburg NJW 1958, 1919 f.; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323); LG Hamburg IPRspr 1975, Nr. 14. 478 Baetge, JuS 1996, 983 (987); v. Bar, II, Rn. 470; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 18; Ferid/ Böhmer, S. 218; Gamillscheg, AcP 157, 303 (332), Kegel/ Schurig, S. 574; Kropholler, S. 440; Menne, JuS 1998, 711 (713); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 51; kritisch Nussbaum, S. 230, 233; Palandt/ Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 6; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 75, 99; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 33 f.; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schwimann, S. 107; Staudinger-Magnus, Art. 27 Rn. 83; Stoll, S. 43 f.; Thorn, IPRax 1996, 257 (258). 479 Buchta, S. 25; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 51; Palandt/ Heldrich, Art. 27 EGBGB Rn. 6; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 99; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 33 f.; Stoll, S. 43 f.; Steiner, S. 85; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 ff. (311). 480 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 34. 481 OLG Frankfurt IPRspr 1979 Nr. 161 aber für den hypothetischen Parteiwillen; OLG Hamburg IPRspr 1982, Nr. 21.
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vertragliche Verpflichtung verschieden ist und in verschiedenen Staaten liegen kann. Durch
eine solche Vertragsspaltung wird ein gerechter Ausgleich zwischen den gegenseitigen
Vertragspflichten erschwert, da jede Rechtsordnung bestimmte Rechte und Pflichten anders
bewertet.482
Schließlich hängt die Frage, ob durch eine Erfüllungsortabrede ein objektiver
Erklärungstatbestand gesetzt wurde, wesentlich von den Begleitumständen ab. Im Grunde
genommen geht es bei der Vereinbarung eines Erfüllungsortes nur um die Gestaltung eines
konkreten relevanten Anknüpfungspunktes, wobei gerade nicht die Frage des anwendbaren
Rechts im Vordergrund steht. Daher kann man allenfalls von einer indirekten Rechtswahl483
sprechen. Es erscheint jedoch durchaus naheliegend, diesen Ansatz als nicht überzeugend
abzulehnen.
2. In England
Im Allgemeinen hängt die Spezifikation des Leistungsortes nicht zwingend mit der
Rechtsordnung am Ort der Leistungserfüllung zusammen. Allerdings kann in der Angabe des
Erfüllungsortes dann ein Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien
gesehen werden, wenn die Parteien bei Angabe des Leistungsortes sich der Bedeutung für eine
Rechtswahl bewusst waren.484 Grundsätzlich ist der Erfüllungsort ebenso wie der Ort des
Vertragsschlusses im englischen Recht eher für die Bestimmung des hypothetischen
Parteiwillens maßgeblich.485 Der Erfüllungsort als Indiz für einen stillschweigenden
Rechtswahlwillen ist zum Beispiel im Vergleich zum Ort des Vertragsschlusses zu bevorzugen,
da er immerhin nicht zufällig ist und sich auf eine wesentliche Verbindung zwischen dem
Vertrag und dem auf ihn anwendbaren Recht stützt. Ist ein Vertrag bilateral, liefert der
Erfüllungsort keine Lösung und jede Partei muss in einem anderen Land erfüllen. Ebenso
wenig liefert der Erfüllungsort eine Lösung, wenn er den Parteien freigestellt ist.486
Der Erfüllungsort wird als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl von der Rechtsprechung
lediglich zusätzlich hinzugezogen, um ein anderes Indiz von grösserer Bedeutung zu
482 In diesem Sinne auch Stoll, S. 37; Umbricht, S. 51 ff., 54. 483 So beispielsweise Vischer, Int.VertrR, S. 79. 484 Benaim & Co. v. L. S. Debono (1924) A.C. 514 (520); Adelaide Electric Supply Co. Ltd. v. Prudential Assurance Co. Ltd. (1934) A.C. 122 (145, 151); Mainschiffahrts-Genossenschaft e.G. (MSG) v. Les Gravières Rhénanes S.a.r.l. (Case C-106/ 95) (1997) Q.B., 731, ECJ. 485 Jacobs, Marcus & Co. v. Crédit Lyonnais (1884), 12 Q.B.D., 589 (600) (C. A.); Stagg v. British Controlled Oilfields, Ltd., 117 Misc. 474, 192 N.Y.S. 596 (Sup. Ct. 1921); Keiner v. Keiner, (1952) 1 All E.R., 643; The Assunzione, (1954) P.D., 150, 1 All E.R., 278 (C. A.); Dicey/ Morris, S. 1211; Graveson, S. 416; Hoyle, S. 207 ff.; Morris, Ch. 13; Webb/ Brown, S. 344 ff. 486 Morris, Ch. 13.
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unterstützen. So wurde auch in den Urteilen Hamlyn & Co. v. Talisker Distillery487 von Lord
Herschell und in R. v. International Trustee488 von Lord Atkin der Erfüllungsort als ein Indiz
unter mehreren, das für den Rechtswahlwillen der Parteien zu berücksichtigen ist,
angesprochen. Wie bereits angedeutet, wird dem Erfüllungsort als Indiz einer stillschweigenden
Rechtswahl auch in England keine grosse Bedeutung beigemessen. Bei näherer Betrachtung
zeigt sich, dass ein Schluss auf den Rechtswahlwillen der Parteien aus den erwähnten Gründen
nicht überzeugt. Daher kann festgehalten werden, dass der Erfüllungsort zumindest als
alleiniges Indiz keinen Schluss auf eine stillschweigende Rechtswahl rechtfertigt.
3. In Frankreich
Teilweise wird der Erfüllungsort in der französischen Literatur489 als Indiz einer
stillschweigenden Rechtswahl angesehen, da dies der Ort sei, an dem der Käufer seine Leistung
empfange und der Vertrag sich mithin erfülle. Der Erfüllungsort scheint in materieller Hinsicht
mit den Interessen der Parteien verbunden zu sein. Beim Schweigen der Parteien zu dem auf
den Vertrag anwendbaren Recht wird der Ort, an dem der Empfänger des Angebots seine
Leistung erhält, als einzige Verbindung und Bezugsort angesehen, es sei denn die Parteien sind
durch ihre Geschäftsbeziehungen anderweitig verbunden. Auch die Anforderungen des
internationalen Handels sowie Praktikabilitätsgesichtspunkte werden zur Begründung
herangezogen. Batiffol490 ist der Ansicht, dass der Erfüllungsort im Gegensatz zum Ort des
Vertragsschlusses bestimmt genug sei und deutlich den Willen der Parteien anzeige. Schließlich
sei dies der Ort, an dem sich der Vertrag durch äußerliche materielle Handlungen manifestiere.
Auf diesen Ort sei die Aufmerksamkeit der Parteien gerichtet, da an ihm Schwierigkeiten
entstünden, wenn zum Beispiel der Gläubiger behauptet, die Nichterfüllung feststellen zu
können.
Die französische Rechtsprechung hat vor Einführung des EVÜ in dem Zanarelli-Urteil491 den
Erfüllungsort als Indiz für die stillschweigende Wahl italienischen Rechts herangezogen.
Ebenso hat sie bereits in einem Urteil vom 9.12.1960492 die Anwendung des von den Parteien
487 (1894) A.C. 202; vgl. dazu Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Hoyle, S. 218. 488 R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); dazu: Hoyle, S. 208; Schmitthoff, S. 106, 107. 489 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 74 ff; ders., Traité, S. 635 ff.; ders., Aspects philosophiques du droit international privé, S. 246, 264 ff.; dazu: Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22; Jacquet, S. 34 ff., 37; Leschallier de Lisle, S. 16, 37 ff.; Niboyet, S. 595, ders., Traité, S. 47; Roguin, Annuaire de l`Institut de droit international, 1904, S. 75 (77); Toubiana, S. 16, 80, 104. 490 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 246 f. 491 L`arrêt Zanarelli c. Soc. Boussois-Souchon-Neuvesel (B.S.N.): Cass. (ch.soc.), 5/3/1969, Rev.crit.dr.int.priv. 1970, 279, note Batiffol; J.D.I. (Clunet 96) 1969, 670, note Ribettes-Tillhet; dazu: Jacquet, S. 32 ff. 492 Cass. Soc. 9 décembre 1960, (Etablissements Motokov c. Semeriva), J.C.P. 1961. II, 12029, note de Madame Simon-Depitre.
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gewählten Rechts der Tschechoslowakei zugunsten französischen Rechts abgelehnt, da der
Erfüllungsort des Vertrages in Frankreich lag und sich dort auch der Wohnsitz der Partei
befand. Dem Erfüllungsort wurde mithin als Indiz für einen stillschweigenden
Rechtswahlwillen, zumindest vor der Einführung des EVÜ, von der französischen
Rechtsprechung entscheidende Bedeutung eingeräumt.
Diese Rechtsprechung ist jedoch seit der Einführung des EVÜ nicht mehr länger haltbar, denn
als Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien ist der Erfüllungsort viel zu
vielfältig und damit zu unbestimmt. Er erfüllt nicht die von Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ aufgestellte
Forderung einer „hinreichenden Sicherheit“ für eine stillschweigende Rechtswahl. Zudem
liefert er nicht immer eine praktikable Lösung, ist also teilweise in materieller Hinsicht
undurchführbar.493
V. Bezugnahme auf eine andere Rechtsordnung
Problematisch ist, inwieweit die Bezugnahme auf eine andere Rechtsordnung im
Internationalen Privatrecht eine stillschweigende Rechtswahl bedeutet. Eine Analyse der
Entscheidungen der verschiedenen nationalen Gerichte wird erkennen lassen, dass die
Auslegungen der nationalen Gerichte im Hinblick auf die Frage, ob bereits bei einer
Verweisung auf einen Rechtsbegriff, der einer bestimmten nationalen Rechtsordnung eigen ist,
eine Rechtswahl vorliegt, divergieren.494
1. In Deutschland
Im deutschen Internationalen Privatrecht unterscheidet man hier verschiedene Formen der
Bezugnahme auf eine andere Rechtsordnung:
Der Hauptvertrag kann sich auf eine bestimmte Rechtsordnung beziehen, indem er einerseits
deren Rechtsvorschriften zitiert und auf bestimmte rechtliche Erfordernisse dieser
Rechtsordnung Rücksicht nimmt und andererseits juristisch-technische Begriffe und Klauseln
enthält, die auf diese Rechtsordnung zugeschnitten sind.
a) Zitieren von Rechtsvorschriften
Wenn einzelne Bestimmungen eines Gesetzes in Bezug genommen werden oder auf rechtliche
Erfordernisse Rücksicht genommen wird, die nur in der einen, nicht aber in der anderen
Rechtsordnung gegeben sind, kann dies ein Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl
493 Batiffol, Traité, S. 638. 494 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.
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sein.495 Der BGH496 hat beispielsweise die Anwendung französischen Rechts für gerechtfertigt
gehalten, weil zusätzlich zu der französischen Sprache und französischen Währung eine Form
eingehalten wurde, die auf französisches Recht deutete. Ebenso kann auch die Einbeziehung
von Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder die Verwendung von Formularen auf ein
bestimmtes Recht hindeuten.497 Dies wird im Folgenden noch detaillierter untersucht.
Fraglich ist zunächst einmal, ob in der unmittelbaren Bezugnahme auf einzelne zivilrechtliche
Vorschriften ein starker Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl für den gesamten
Vertrag gesehen werden kann. Dies wird von der überwiegenden Ansicht498 bejaht, auch wenn
dem entgegengehalten wird, dass die Parteien nur die zitierten Vorschriften einbeziehen
wollten, da sie ansonsten direkt auf die gesamte Rechtsordnung Bezug genommen hätten.499
Die Rechtsprechung500 erachtet es für eine stillschweigende Rechtswahl als ausreichend, wenn
die Geltung von bestimmten Vorschriften einer Rechtsordnung vereinbart wird und die Parteien
den Vertrag an den gesetzlichen Vorschriften dieser Rechtsordnung orientieren. Es ist auch zu
berücksichtigen, ob die in Bezug genommenen Vorschriften sich zwingend durchsetzen und
welcher Natur sie sind501: Setzen sie sich zwingend durch und gelten unabhängig vom
Vertragsstatut, so kann in ihrer Bezugnahme keine stillschweigende Rechtswahl gesehen
werden.502
Verwenden die Parteien hingegen in ihrem Vertrag Formulierungen, die auf Gesetzeserlasse
eines bestimmten Staates zurückzuführen sind, wird teilweise angenommen, die Parteien hätten
eine stillschweigende Rechtswahl getroffen.
495 BGH NJW 1992, 618 (619); BGH WM 1997, 560 (561); v. Bar, II, Rn. 471; BGH EWiR 1991, 1167 mit Anm. Schlechtriem; sehr zurückhaltend Vischer, Int.VertrR, S. 73. 496 BGH EWiR 1991, 1167 mit Anm. Schlechtriem; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 497 v. Hoffmann, § 10 Rn. 34, S. 371; Schröder/ Wenner, S. 63; Stoll, S. 46. 498 Andrae/ Fincke, S. 17; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 16; Ferid/ Böhmer, S. 218; v. Hoffmann, § 10 Rn. 34, S. 371; Gamillscheg, AcP 157, 303 (318); Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Hohloch/ Kjelland, IPRax 2002, 30 (38); Kegel/ Schurig, S. 574; Kost, S. 42, 46; Kropholler, S. 439 f.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 46; Nussbaum, S. 227; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 100; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schröder/ Wenner, S. 61; Schwimann, S. 107; Siehr, FS Keller, S. 485 (494); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Stadler, Jura 1997, S. 505 (509); Steiner, S. 89; Wenner, EWiR 1999, 353 (354); Wolff, S. 141. 499 IPRspr 1958/ 59 Nr. 50; Stoll, S. 45. 500 RGZ 122, 316 (318); BGHZ 9, 34, 37, 104, 268, 270; BGH JZ 1963, 167 ff.; BGH NJW 1985, 1296 (1297); BGH NJW-RR 1996, 1034; BGH NJW-RR 1999, 813; BGH RIW 1997, 426; BGH WM 1956, 598 (599), WM 1997, 560 (561), WM 00, 1643; BGH EWiR 1999, 353; BGH BauR 1999, 631 f.; BGH IPRax 2001, S. 333; OLG Brandenburg BauR 2001, 820 (821); OLGZ 1975, 454 ff.; OLG Hamburg IPRspr 1934 Nr. 38; OLG Köln RIW 1984, 314 (315), RIW 1993, 415; OLGR Saarbrücken 2003, 13-15; OLGR Düsseldorf 2003, 252-259; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 501 Henrich, BGH JZ 1961, 261 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 46; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 101; Schröder/ Wenner, S. 62. 502 Beispielsweise zwingende Preisvorschriften oder deutsches Mutterschutzrecht.
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Das OLG Hamburg503 hat aus der Tatsache, dass ein Versicherungsvertrag sich an die
Bestimmungen des englischen Marine Insurance Act lehnte, eine stillschweigende Rechtswahl
gefolgert.
Auch der Bericht zum EVÜ von Giuliano/ Lagarde504 nimmt aufgrund von in einem Vertrag
enthaltenen Hinweisen auf einzelne Artikel des französischen Codes Civil eine
stillschweigende Rechtswahl an. Ebenso deutet die Bezugnahme im Vertrag auf Rechtsinstitute,
die für ein Land besonders typisch sind505, auf eine Wahl dieses Rechts hin. Wird auf typische
Rechtsinstitute eines Landes isoliert Bezug genommen, kann eine kollisionsrechtliche
Teilverweisung richtigerweise dann angenommen werden, wenn dem ohne Rechtswahl
anwendbaren Recht ein derartiges Rechtsinstitut unbekannt ist. Falls dem Rechtsinstitut im
Vertrag eine zentrale Rolle zuteil wird, sollte auch der restliche Vertragsteil nach diesem Recht
beurteilt werden. Wird hingegen auf auch aus anderen Rechtsordnungen bekannte
Rechtsinstitute Bezug genommen, müssen für den Indizcharakter noch andere eindeutige
Indizien hinzukommen.506
Für die Auslegung i. S. d. Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB, wonach der objektive Erklärungsgehalt
für eine Rechtswahl festgestellt werden soll, ist entscheidend, ob der Vertragstext den Wortlaut
der Vorschriften ohne oder mit Angabe der gesetzlichen Grundlage wiedergibt. Während der
objektive Erklärungsinhalt bei ersterem weniger auf eine stillschweigende Rechtswahl
hindeutet, kann die Einbeziehung von Vorschriften unter Angabe der gesetzlichen Grundlage
eine stillschweigende Rechtswahl begründen. Für einen Erklärungsempfänger ist nämlich
erforderlich, dass er erstens die Norm wieder erkennt und sie zweitens einer bestimmten
Rechtsordnung zuordnen kann.507 Aus der Bezugnahme auf öffentlich-rechtliche Vorschriften
soll nach überwiegender Ansicht508 nicht generell auf eine stillschweigende Rechtswahl
geschlossen werden, denn die Parteien verbinden mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften in der
Regel nicht die Anwendbarkeit einer Rechtsordnung für den Schuldvertrag. Problematisch sind
die bereits erwähnten “construction clauses“ in Verträgen des internationalen
Geschäftsverkehrs.509 Während sie nach einer Ansicht510 ein im Zusammenhang mit weiteren
Umständen relevantes Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl darstellen, sollen sie nach
503 OLG Hamburg IPRspr. 1934 Nr. 38. 504 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 505 Wie zum Beispiel der „trust“ im common law. 506 Vischer/ Huber/ Oser, S. 101. 507 Mitterer, S. 146. 508 Ferid/ Böhmer, S. 218; Neuhaus, S. 262 Fn. 735; Stoll, S. 45. 509 MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 101; Vischer/ Huber/ Oser, S. 90. 510 OLG München IPRax 1984, 319; LG München IPRax 1984, 318; Jayme, IPRax 1984, 303 f.; Jayme, FS Kegel, S. 253 (263 f.); Lorenz, RIW 1992, 697 (703); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Steiner, S. 90.
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anderer Ansicht511 eine ausdrückliche Rechtswahl bedeuten, da es dem verständigen
Erklärungswillen entspreche, dass Auslegung und Beurteilung eines Rechtsgeschäfts Hand in
Hand gehen.
Eine “construction clause“ beinhaltet zwar den Begriff „Auslegung“ und bestimmt damit auch
das Statut für die eigene Auslegung sowie der in einer “construction clause“ enthaltene
objektive Erklärungsgehalt in der Regel auch eine stillschweigende Rechtswahl begründet. Ob
darüber hinaus aber auch eine ausdrückliche Rechtswahl gewollt ist, folgt gemäss Art. 32 Abs.
1 S. 1 EGBGB nach einer Auslegung vom Standpunkt dieser Rechtsordnung aus. Es wäre
jedenfalls sinnwidrig, eine Vereinbarung einer bestimmten Rechtsordnung zu unterstellen, sie
aber nach einer anderen Rechtsordnung auslegen zu wollen. Auch wenn es stets auf die
Umstände des Falles ankommt, wird eine stillschweigende Rechtswahl grundsätzlich nur dann
mit „hinreichender Sicherheit“ im Sinne des Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB anzunehmen sein,
wenn die Bezugnahme auf ein Recht ohne besondere Rechtskenntnisse erkennbar ist.
b) Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln
Fraglich ist, ob in der Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln, die auf eine bestimmte
Rechtsordnung zugeschnitten sind, ein Anhaltspunkt für eine stillschweigende Rechtswahl
gesehen werden kann. Teilweise wird dies von den Gerichten512 und der Literatur513 bejaht.
Dies soll insbesondere gelten, wenn bestimmte Rechtsbegriffe oder für ein Recht typische
Klauseln verwendet werden. Begründet wird dies damit, dass es eine gedankliche Verbindung
zwischen dem konkreten Vertrag und der betreffenden Rechtsordnung voraussetze, die
verwendeten Rechtsbegriffe oder Klauseln der bestimmten Rechtsordnung zu verstehen. Das
rechtfertige die Vermutung, dass auch der gesamte Vertrag nach dem betreffenden Recht zu
beurteilen ist.514 Dagegen spricht aber, dass die Parteien, wenn sie schon Rechtsbegriffe oder
eine Klausel, die für die Anwendbarkeit einer bestimmten Rechtsordnung sprechen sollen, in
den Vertrag eingefügt haben, auch direkt eine Rechtswahlklausel hätten einfügen können, um
auf diese Weise Unsicherheiten und Missverständnissen vorzubeugen. Wenn der Vertrag, der
durch die juristischen Begriffe und Klauseln auf ein bestimmtes Recht Bezug nimmt, keine
kollisionsrechtliche Regelung enthält, könnte dies dafür sprechen, dass die Geltung dieses
511 OLG München IPRax 1989, 42 (43); Lorenz, IPRax 1989, 22 ff. (24); Schröder, IPRax 1985, 131 (132). 512 Vgl. z.B. OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 1396; OLG Hamburg TransportR 1990, 117 (118); OLG Koblenz RIW 1993, 934; OLG Köln RIW 1993, 414 (415); LG Frankfurt NJW 1963, 450; LG Waldshut-Tiengen IPRax 1984, 100. 513 v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; Kost, S. 46; Lorenz, IPRax 1987, 269 (272); Martiny, ZEuP 1997, 107 (112); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 47; Neuhaus, S. 262; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 100; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 34. 514 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 34.
-93-
bestimmten Rechts gerade nicht gewollt war oder zumindest eine der Parteien an der
Ausarbeitung des Vertrages nicht mitgewirkt hat.515
Zudem ist aus der Praxis bekannt, dass manche Klauseln, die für ein bestimmtes Recht typisch
sind, nur deshalb in den Vertrag aufgenommen werden, um den Vertrag dem jeweiligen
ausländischen Geschäftspartner verständlich zu machen. Weisen die Formulierungen jedoch
nicht auf typische ausländische Rechtseinrichtungen hin, sondern können genauso gut als
„analoger sprachlicher Ausdruck für auch dem deutschen Recht geläufige Einrichtungen“
angesehen werden, kommt ihnen ohnehin keine Bedeutung zu.516 Auch bei diesem Indiz ist
mithin Vorsicht geboten und auf weitere Hinweise und Umstände des Falles zu achten. In der
Regel kann diesem Indiz aus den oben genannten Gründen keine Bedeutung hinsichtlich einer
stillschweigenden Rechtswahl beigemessen werden.
2. In England
Die Bezugnahme auf ein bestimmtes Recht stellt nach überwiegender Ansicht517 im englischen
Internationalen Privatrecht einen Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl dar.
a) Zitieren von Rechtsvorschriften
Konkret kann eine stillschweigende Rechtswahl im englischen Recht vorliegen, indem
Vorschriften eines bestimmten Rechts zitiert werden oder sonst auf sie Bezug genommen wird.
Sowohl Rechtsprechung518 als auch Literatur519 erkennen dies als Indiz für einen
stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien an.
In dem Urteil Gan Insurance v. Tai Ping Insurance520 wurde eine stillschweigende Rechtswahl
angenommen, da auf englische Standardklauseln Bezug genommen wurde. Ebenso deute die
Benutzung der englischen Sprache oder englischer Rechtsbegriffe auf eine stillschweigende
Wahl englischen Rechts hin, wenn die anderen Rechtswahlmöglichkeiten auch dem
europäischen Recht entsprächen. Allerdings wäre es kein Hinweis auf eine stillschweigende
515 Hartmann, S. 61; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 311, 312. 516 BGHZ 19, 110 (112); Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 100. 517 The Industrie, (1894) P.D., 58 (C. A.); Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (450); Tomkinson v. First Pennsylvania Banking and Trust Co. (1961) A.C. 1007; Wünsche Handelsgesellschaft International m.b.H. v. Tai Ping Insurance Co. Ltd. and another, (1998) 2 Lloyd`s Rep., 8 ff. (C.A.); North/ Fawcett, S. 484; Dicey/ Morris, S. 1222, 1227; Kaye, S. 152; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 (313 f.); ders., S. 50; Pierce, Mod.L.Rev. 50 (1987), 176 ff. (177 f.); Schmitthoff, S. 111; Webb/ Brown, S. 344; vgl. auch Wolff, Private International Law, S. 434. 518 The Industrie, (1894) P.D., 58 (C. A.); Tomkinson v. First Pennsylvania Banking and Trust Co. (1961) A.C. 1007; Wünsche Handelsgesellschaft International m.b.H. v. Tai Ping Insurance Co. Ltd. and another, (1998) 2 Lloyd`s Rep., 8 ff. (C.A.). 519 Dicey/ Morris, S. 1222, 1227; Kaye, S. 152; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), S. 225 (313 f.); ders., S. 50; North/ Fawcett, S. 484; Schmitthoff, S. 111; Webb/ Brown, S. 344; vgl. auch Wolff, Private International Law, S. 434. 520 (1998) 2 Lloyd`s Rep., 8 ff. (C.A.).
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Rechtswahl der Parteien, wenn ansonsten das Recht eines “common law“ - Staates in Betracht
käme.521
Zu beachten ist, dass der Indizwert sehr stark von dem Kontext abhängt, in dem auf ein
bestimmtes Recht Bezug genommen wird. Der Bezug auf bestimmte Vorschriften eines
ausländischen Gesetzes kann auch darauf hindeuten, dass lediglich diese Bestimmungen, auf
die Bezug genommen wird, in den Vertrag miteinbezogen werden oder nur bestimmte Aspekte
des Vertrages diesem Recht unterliegen sollen. Jedenfalls war dies der Fall in dem Urteil
Tomkinson v. First Pennsylvania Banking and Trust Company522. Eine englische Firma betrieb
eine Eisenbahn, ausgeführt in Kuba, und die Parteien hatten entschieden, dass kubanisches
Recht auf Angelegenheiten anwendbar sein sollte, die sich aus dem Anspruch auf das Eigentum
ergäben, das in Kuba lokalisiert war und von einem amerikanischen Kreditgeber als Sicherheit
gehalten wurde. Die englische Firma kaufte Inventar im Wert von 14, 000.000 USD und
entschied, einen Teil der Summe in U.S.Dollar aufzubringen. In diesem Fall lag keine
ausdrückliche Rechtswahl vor. Lord Morris vertrat die Auffassung, dass die Bezugnahme auf
kubanisches Recht in dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag unter solchen
Umständen nicht zwingend eine stillschweigende Rechtswahl kubanischen Rechts als auf den
gesamten Vertrag anwendbares Recht bedeutete. Dies sollte vor allem gelten, wo die Umstände
auf eine stillschweigende Wahl amerikanischen Rechts hindeuteten.
Demzufolge muss es nicht zwingend heissen, dass eine stillschweigende Rechtswahl stets für
den gesamten Vertrag vorliegt.523
b) Verwendung juristischer Begriffe und Klauseln
Die Tatsache, dass der Vertrag einer bestimmten Form entspricht oder bestimmte
Rechtsbegriffe oder Klauseln enthält, die nur in einer bestimmten Rechtsordnung bekannt sind
und nicht auch in anderen Rechtsordnungen, kann ein entsprechend stärkerer Hinweis auf eine
stillschweigende Rechtswahl dieser Rechtsordnung sein. Dies belegen sowohl
Literaturansichten524 als auch Entscheidungen der Rechtsprechung525 und dem ist nichts
entgegenzuhalten.
521 Webb/ Brown, S. 344. 522 (1961) A.C. 1007 (H.L.). 523 So auch: Dicey/ Morris, S. 1227; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17. 524 Kaye, S. 152; Lando, “The Conflict of Laws of Contracts”, Recueil des cours 189 (1984-VI), 225 (313 f.); ders., S. 50 f.; North/ Fawcett, S. 484; Schmitthoff, S. 111; vgl. auch Wolff, Private International Law, S. 434. 525 Kadel Chajkin and others v. Mitchell Cotts & Co., Ltd. and others, (1948) 64 T.L.R., 89 f.; Keiner v. Keiner (1952) 1 All E.R. 643.
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3. In Frankreich
Die Bezugnahme auf ein bestimmtes Recht, indem Vorschriften dieses Rechts zitiert werden
oder auf sie isoliert Bezug genommen wird, stellt nach überwiegender Ansicht526 auch im
französischen Recht einen Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl dar. Dies wird von
Entscheidungen der Rechtsprechung527 belegt. Exemplarisch sei hier auf das Urteil Cotonnière
de Mulhouse c. Tonxllier528 verwiesen, in dem die Tatsache, dass die Parteien sich auf die
Bedingungen des Syndicat Général der Baumwollindustrie bezogen, als Hinweis dahingehend
gewertet wurde, dass sie die Absicht hatten, sich dem französischen Recht zu unterwerfen.
Teilweise529 wird dem jedoch in der Literatur nicht zugestimmt. Eine stillschweigende
Rechtswahl könne nicht mit Sicherheit angenommen werden, bloß weil in einem Vertrag Bezug
auf bestimmte Vorschriften einer Rechtsordnung genommen worden sei. Dies gebe dem
Richter keine ausreichende Sicherheit. Somit könne er nicht ohne Zweifel davon ausgehen, die
Parteien hätten das anwendbare Recht gewählt.530
VI. Vertragssprache
1. In Deutschland
Die deutsche Rechtsprechung531 und Lehre532 sehen die Sprache, in welcher ein Vertrag
abgefasst ist oder in der die Verhandlungen stattgefunden haben, nur als ein zusätzliches
Kriterium, aber nicht alleiniges Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl an. Teilweise533
wird sie als Indiz für einen Rechtswahlwillen sogar gänzlich abgelehnt. Der vertragliche
Gebrauch von Fachausdrücken, der Gesetzessprache oder Zitatstellen aus einer bestimmten
Rechtsordnung kann hingegen, wie bereits erläutert, ein Indiz für eine stillschweigende
Rechtswahl sein. Im Folgenden soll darauf eingegangen werden, warum der Vertragssprache
allein kein starker Indizcharakter zukommt:
526 Batiffol, Traité, S. 625 (649 ff.); Niboyet, Traité, S. 55 f. 527 Cour de Douai, 2 nov. 1933, Cartry c. Warnier, J.D.I. (Clunet 61) 1934, 1195; Colmar, 3.2.1934, Cotonnière de Mulhouse c. Tonnelier – J.D.I. (Clunet 61) 1934, 976. 528 Colmar, 3.2.1934, Cotonnière de Mulhouse c. Tonnelier – J.D.I. (Clunet 61) 1934, 976. 529 Kassis, S. 362. 530 Kassis, S. 362. 531 BGHZ 19, 110, (112); BGH WM 1956, S. 598 (599), WM 1997, 560 (561); RIW 1997, 426; EWiR 1991, 1167; OLGZ 1975, 454 ff.; OLG Düsseldorf WM 1971, 168 ff. (170); OLG Köln IPRspr. 1974 Nr. 15, NJW 1992, 618 (619). 532 v. Bar, II, Rn. 470; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 18; Gamillscheg, AcP 157, 303 (332); v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 11; Kost, S. 43; Kropholler, S. 440; Lorenz, RIW 1992, 697 (704); Menne, JuS 1998, 711 (714); Müller-Gindullis, S. 46; Neuhaus, S. 262 Fn. 734; Nussbaum, S. 229f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 88, 102; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 35; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Schröder/ Wenner, S. 64; Steiner, S. 91; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 (313, 314); Stoll, S. 48. 533 Vischer, Int.VertrR, S. 72 f.
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Die Wahl der Vertragssprache hängt oft von Umständen ab, die nicht im Bereich der
vertraglichen Rechtsbeziehungen liegen, sondern eher einen geschäftlichen Hintergrund
haben.534 Grundsätzlich wählen die Parteien nämlich die Sprache, mit der sie sich am besten
verständigen können, um so die Kommunikation zu sichern. Daher kann vor allem Sprachen
wie Englisch, Französisch oder Deutsch keine besondere Bedeutung zukommen, da sie
international gebräuchlich sind und als allgemeine Verkehrssprachen angesehen werden. Die
Vertragssprache ist durch die zufälligen Sprachkenntnisse der Verhandlungspartner bedingt. Es
ist eine Notwendigkeit, dass die Parteien sich im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr auf eine
Sprache einigen. Ein Entgegenkommen in der Sprache muss daher ohne kollisionsrechtliche
Nachteile möglich sein. Gerade wenn die Sprache typisch für die Verkehrskreise ist, lassen sich
daraus keine Schlüsse ziehen. Die Parteien verwenden eine bestimmte Sprache nicht, weil sie
den Vertrag der Rechtsordnung des Landes zuordnen wollen, in dem die Sprache gesprochen
wird, sondern weil es sich um eine gemeinsam beherrschte Sprache handelt.535 Ganz davon
abgesehen, kann bei Berücksichtigung der Sprache schnell die Grenze zur Philologie
überschritten werden.536 Es ist davon auszugehen, dass die Parteien ihren Rechtswahlwillen
nicht in der Schreibweise eines Begriffs verstecken. Der Richter soll sich schließlich als Jurist
und nicht als Sprachwissenschaftler betätigen.537
Generell ist die Vertragssprache daher als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl
abzulehnen. Kommt den Gesetzeserlassen, auf die Bezug genommen wird, dagegen für den
ganzen Vertrag zentrale Bedeutung zu, kann hierin ein Hinweis auf eine stillschweigende
Rechtswahl gesehen werden.
Bei Bestimmungen, die in einem bestimmten Geschäftsbereich als internationaler Standard
gelten, gilt dies allerdings nicht. Daher kann zum Beispiel aus der Tatsache, dass auf den US-
amerikanischen Carriage of Goods by Sea Act 1936 verwiesen wird, nicht auf eine
stillschweigende Rechtswahl des amerikanischen Rechts geschlossen werden.538 Mithin sind
noch weitere Hinweise auf die betreffende Rechtsordnung erforderlich, um ohne Willkür eine
stillschweigende Rechtswahl begründen zu können.
534 So auch Vischer, Int.VertrR, S. 72 f. 535 Schulze, S. 52. 536 Vgl. OLG Düsseldorf WM 1971, 168 (170), welches die Rechtschreibung als Indiz berücksichtigt. 537 Steiner, S. 91. 538 Dicey/ Morris, S. 1223.
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2. In England
Auch in England ist die Vertragssprache nach Ansicht der Rechtsprechung539 und der
Literatur540 nur ein schwaches Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl. Lord Diplock führte
zum Beispiel in seinen Äusserungen zu dem Fall Amin Rasheed Shipping Corporation v.
Kuwait Insurance Co.541 des House of Lords selbst aus, dass auch aus der von den Parteien
verwendeten Sprache die Einbeziehung einer stillschweigenden Rechtswahl gefolgert werden
könne („by necessary implication from the language used“).542 Gleichzeitig lässt sich aber an
dem Urteil Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry543 erkennen, dass die Vertragssprache kein
ausschlaggebendes Indiz ist, denn obwohl der Vertrag in englischer Sprache abgefasst worden
war, wurde aufgrund einer deutschen Schiedsgerichtsklausel deutsches Recht angewendet.544
Ebenso sehen Lando545 und North546 eine Terminologie, die für eine bestimmte Rechtsordnung
spricht, als Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl an. Im Allgemeinen wird die
Vertragssprache jedoch als eine nur unwesentliche Verbindung zum möglicherweise
anwendbaren Recht angesehen.547 Collier548 begründet seine Ansicht, dass die englische
Sprache an sich keine Aussage über das anwendbare Recht beinhalten könne, damit, dass auch
Nicht-Engländer wie zum Beispiel die Schotten549 oder Amerikaner550 die englische Sprache
benutzen würden, ohne aber englisches Recht auf den Vertrag anwenden zu wollen. Zudem sei
die englische Sprache als die “lingua franca“551 des internationalen Handels bezeichnet worden,
was dagegen spreche, dass die englische Vertragssprache eine stillschweigende Wahl
englischen Rechts bedeute.
539 Chatenay v. The Brazilian Submarine Telegraph Co. Ltd. (1891) 1 Q.B., 79 (82); The Industrie, (1894) P.D., 58 (C. A.); Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (450); The Adriatic (1931) P.D., 241 (C.A.); The Njegos (1936) P.D., 90 (101); Kadel Chajkin and others v. Mitchell Cotts & Co., Ltd. and others (1948) 64 T.L.R., 89 f.; Koninklijke Zwavelzuurfabrieken V/ H Ketjen N.V. v. D.A. and D.D. Psychoyos, Piraeus (The “Metamorphosis”) (1953) 1 W.L.R., 543 (549); Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C. 50. 540 Kaye, S. 152; Lando, S. 50; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86; Schmitthoff, S. 110; Webb/ Brown, S. 348 ff.; Wolff, Private International Law, S. 427. 541 (1984) 1 A.C. 50. 542 Vgl. dazu: Collier, S. 144; ähnlich in R. v. International Trustee fort he Protection of Bondholders A.G. (1937) A.C. 500 (529) HL. 543 (1933) 1 K.B. (C. A.) 753. 544 Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry (1933) 1 K.B. (C. A.) 753; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86. 545 Lando, S. 50. 546 Morris/ North, S. 434. 547 Collier, S. 154; Graveson, S. 428; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86; Stone, S. 243. 548 Collier, S. 154. 549 Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. v. James Miller & Partners Ltd. (1970) A.C. 583 HL. 550 Sayers v. International Drilling Co. (1971) 1 W.L.R. 1176 C.A. 551 Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C. 50; Monterosso Shipping Co. Ltd. v. International Transport Workers` Federation N.V. (1982) 3 All ER 841 C.A.
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Dem ist aus den bereits genannten Gründen, weshalb auch in Deutschland der Vertragssprache
kein Indizcharakter zukommen sollte, zuzustimmen. Es dürfe der Vertragssprache an sich keine
Bedeutung beigemessen werden, da die englische Sprache schon immer umfassend im Handel
benutzt worden sei, es sich mithin um eine Welthandelssprache handele.552 Allerdings kann der
englischen Vertragssprache durchaus Indizcharakter zukommen, wenn sie zusammenwirkt mit
englischer Rechtsterminologie: Wurde ein Vertrag in englischer Sprache verfasst und enthält er
zudem englische Rechtsterminologie, könnte dies wiederum indizieren, dass englisches Recht
auf den Vertrag anwendbar ist.553 Das verdeutlicht, dass es auch bei diesem Indiz letztlich auf
den Einzelfall, die Gesamtumstände und das Zusammenwirken mit anderen Indizien ankommt.
3. In Frankreich
Seit der Entscheidung „The Kid“554 ist klar, dass die Umstände und Verhältnisse der
Vertragsform im französischen Internationalen Privatrecht einen Hinweis auf das auf den
Vertrag anwendbare Recht geben können. Dies wird von der Literatur555 bestätigt. Auch der
Wortlaut des Vertrages bzw. die verwendete Sprache kann nach überwiegender Ansicht in der
Literatur556 und der Rechtsprechung557 ein Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen
darstellen. Allerdings sind sie beide als Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl nicht
ausschlaggebend, da sie oft mit anderen Vertragselementen übereinstimmen, ohne dass man
darin eine Bedeutung sehen könnte.558 Im französischen Kollisionsrecht wird der
Vertragssprache als Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen entgegengehalten, dass
ihre Verwendung sich durch andere Erwägungen erklärt: Zwischen Vertragsschliessenden
verschiedener Nationalitäten wird eine bestimmte Sprache benutzt wegen der Annehmlichkeit
oder der juristischen Genauigkeit. Es kommt dabei stets auf die Art des Vertrages und auch auf
die konkrete Sprache und ihre allgemeine Bedeutung an.559 Ein genereller Schluss auf eine
stillschweigende Rechtswahl der Parteien kann daher nicht bloß anhand der von ihnen
verwendeten Sprache erfolgen.
552 Graveson, S. 428. 553 Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. v. James Miller & Partners Ltd. (1970) A.C. 583 HL; in diesem Sinne auch Collier, S. 154. 554 Cass.civ. 28.5.1963, Société les Films Roger Richebé c. Société Roy Export Company Establishment et Charlie Chaplin, J.D.I. (Clunet 90) 1963, 1004, note Goldman, Rev.crit.dr.int.priv. 1964, 513, note Loussouarn. 555 Batiffol, Traité, S. 645 ff. 556 Batiffol, Traité, S. 645 ff.; Leschallier de Lisle, S. 34; Malaurie, “Le droit francais et la diversité des langues”, J.D.I. (Clunet 92) 1965, 587; Niboyet, Traité, S. 75; Toubiana, S. 81. 557 Colmar 2 e Ch., 11 mars 1933, Goldstein c. Banque fédérative, Rev.crit.dr.int.priv. 1934, 138. 558 Batiffol, Traité, S. 646. 559 Niboyet, Traité, S. 75.
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VII. Verwendung von Formularen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen
1. In Deutschland
Allgemeine Geschäftsbedingungen und Formulare können nach deutschem Recht eine
stillschweigende Rechtswahl enthalten. Nach deutschem Kollisionsrecht ist es nämlich zulässig,
das Vertragsstatut in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu bestimmen; eine individuelle
Vereinbarung ist nicht erforderlich.560 Während der Formularvertrag den gesamten Inhalt des
Vertrages erfassen will, sind die allgemeinen Geschäftsbedingungen nur ein Bestandteil des
Vertrages, der auf sie verweist.561 Vor allem im Wirtschaftsverkehr sind dem Vertrag oft
Allgemeine Geschäftsbedingungen beigefügt, die eine Rechtswahl enthalten.562 Die deutsche
Rechtsprechung563 und überwiegende Literaturansicht564 leiten aus der Einbeziehung von
Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Verwendung von Formularen ein starkes Indiz für
eine stillschweigende Rechtswahl ab. Allerdings wird oft nicht geprüft, ob damit auch objektiv
die Erklärung verbunden ist, ein Recht zu vereinbaren. Die Rechtsprechung nimmt sowohl bei
den eigentlichen Formularverträgen wie auch bei den Verträgen, deren wesentlicher Inhalt in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegt ist, grundsätzlich eine stillschweigende
Rechtswahl an. Zu differenzieren ist allerdings bei den Formularverträgen zwischen national
und international gebräuchlichen Formularen: Sofern das Formular von einer Handelskammer
oder einem Verband stammt, deutet dies darauf hin, dass die Parteien den Vertrag dem Recht
am Sitz des Verbandes unterwerfen wollen, falls dieser im Wesentlichen nationalen Charakter
hat. Oft wird auch das am Ort des Unternehmens geltende Recht als auf den Vertrag
anwendbares Recht gewollt sein.565
560 OLG München IPRax 1991, 46 (48); vgl. auch Mezger, AWD 1974, 377 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 47; Tiedemann, IPRax 1991, 424 (425). 561 So auch Vischer, Int.VertrR, S. 74. 562 Vgl. dazu auch Brulhart, S. 369 Nr. 6; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226; Kost, S. 19; vgl. auch Mezger, AWD 1974, 377 ff.; Vischer/ Huber/ Oser, S. 88, 102. 563 BGHZ 9, 34, 37, BGH JZ 1963, 167 ff., AWD 1970, 31 (32), EWiR 1999, 353; OLG Düsseldorf ZIP 1990, 1396-1399; OLG Hamburg IPRspr 1985 Nr. 36, RIW 1986, 462, 463, RIW 1997, 70; OLG Hamm RIW 1994, 877; OLG Hamburg RIW 1991, 61; OLG Karlsruhe RIW 1979, 642 f.; OLG München RIW 1983, 957, 958; OLG Schleswig NJW-RR 1988, 283 (284); LG Frankfurt AWD 1969, 233. 564 Andrae/ Fincke, S. 17; Baetge, JuS 1996, 983 (987); Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; v. Hoffmann, in: Lando/ v. Hoffmann/ Siehr, S. 4; Kegel/ Schurig, S. 574; Koch, S. 63; Kropholler, S. 440; Lewald, S. 210; kritisch Meyer-Sparenberg, RIW 1989, 347 (348); Menne, JuS 1998, 711 (713 f.); vgl. auch Mezger, AWD 1974, 377 ff.; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 47; Nussbaum, S. 229; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 79 f., 102; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 35 ff.; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 45; Stadler, Jura 1997, 505 (509); Wolff, S. 142; vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49. 565 v. Hoffmann, AWD 1970, 248; so auch Nussbaum, S. 231 f.; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 102; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 35 f.
-100-
Wenn dagegen international gebräuchliche Formulare verwendet werden oder Formulare von
internationalen Organisationen, sieht die herrschende Meinung566 darin kein Indiz für eine
Rechtswahl. Bei der Benutzung formularmäßiger Vertragsbedingungen von einer
internationalen oder nationalen Organisation kann nur dann eine kollisionsrechtliche
Schlussfolgerung gezogen werden, wenn das Unternehmen diese Verträge regelmäßig
übernimmt. Es gelten dann die allgemeinen Regeln für Massenverträge, was allerdings bei nur
gelegentlicher Benutzung567 nicht der Fall ist. Eine formularmäßige Bezugnahme auf einen
anderen Vertrag zwischen einer Partei und einem Dritten kann genügen. Die in diesem Vertrag
liegende stillschweigende Rechtswahl wird in die nunmehrigen vertraglichen Beziehungen
inkorporiert.568
Es ist für die Annahme einer Rechtswahlerklärung maßgeblich, ob die Bezugnahme auf eine
andere Rechtsordnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen oder Verwendung von
Formularen erkennbar ist.569 Bei der Prüfung, ob die Bezugnahme erkennbar ist, ist zu
berücksichtigen, dass die Parteien zunächst die Gesamtheit der materiellrechtlichen Regelungen
wollen. Allerdings ist es möglich, dass die Parteien auf einzelne abtrennbare Teile des
Vertrages unterschiedliche Rechtsordnungen anwenden wollten, woraus ein weiteres
Auslegungsproblem erwächst.570 Die von einem Unternehmen ausgegebenen Formularverträge
müssen allein deshalb schon der gleichen Rechtsordnung unterstellt werden, um eine
einheitliche Gestaltung der Geschäftsführung zu gewährleisten. Zudem ist es einleuchtend, dass
das Unternehmen, das den Formularvertrag geschaffen hat, die Anwendung der Rechtsordnung,
die an seinem Sitz gilt, bevorzugt.571 Andererseits ist nicht einzusehen, warum allein aus der
Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die gerade keine Rechtswahl vorsehen,
eine stillschweigende Rechtswahl hergeleitet werden können soll. Dafür wäre ein
übereinstimmender stillschweigender Wille beider Parteien erforderlich, der hier jedoch fingiert
würde. Eine tatsächliche Einigung der Parteien bezüglich einer Rechtswahl lässt sich nicht
566 LG Hamburg MDR 1954, 422; Ferid/ Böhmer, S. 218; Nussbaum, S. 229; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 104; Stoll, S. 46; Vischer, Int.VertrR, S. 75. 567 Ebenso: Vischer/ Huber/ Oser, S. 103; Vischer, Int.VertrR, S. 75. 568 RGZ 122, 316 (317); BGH AWD 1967, 108 ff. (109); v. Hülsen, AWD 1967, 267 ff. 569 In diesem Sinne Mezger, AWD 1974, 377 ff.; Mitterer, S. 142. 570 Exemplarisch sei auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf IPRspr 1929 Nr. 48 verwiesen, in der die Zurückweisung der AGB eines deutschen Versicherers durch ein niederländisches Unternehmen und anstelle dessen die Vereinbarung der Börsen-Binnenfahrt-Kasko-Police nur als teilweise kollisionsrechtliche Verweisung ausgelegt wurde und im Übrigen deutsches Recht angewendet wurde. In diesem Sinne auch das OLG Hamburg IPRspr 1954/55 Nr. 34 b = MDR 55, 109, das der Ansicht ist, dass Klauseln, die typischerweise einer Rechtsordnung entstammen, nach diesem Recht ausgelegt werden können, während im Übrigen der Vertrag einem anderen Obligationsstatut untersteht. 571 So ähnlich Brulhart, S. 369 Nr. 6, der davon spricht, dass die Auslegung von AGB nach nationalem Recht erfolgt; vgl. auch Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 103 f.; Vischer, Int.VertrR, S. 75; Vischer/ Huber/ Oser, S. 103.
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erkennen.572 Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Formulare werden regelmäßig nur
von einer Partei erstellt sowie von Verbänden vorformuliert und von der anderen Partei einfach
kommentarlos übernommen, woraus sich kein übereinstimmender Rechtswahlwille ableiten
lässt. Daher erscheint es überzeugender in Anwendung des Grundsatzes der engsten
Verbindung (vgl. Art. 4 EVÜ), die Massenverträge einheitlich einer objektiven Kollisionsnorm
des Inhalts zu unterstellen, dass sie grundsätzlich dem Recht am Sitz des Unternehmens zu
unterstellen sind.573 Für Konsumentenverträge sieht Art. 5 Abs. 3 EVÜ allerdings unter
bestimmten Voraussetzungen zwingend die Anwendung des Rechts des Staates vor, in dem der
Konsument seinen Wohnsitz hat.
Es kann zwar durch die Verwendung von Formularen bzw. Allgemeinen Geschäftsbedingungen
in der Vertragspraxis versucht werden, Einfluss auf das anwendbare Recht zu nehmen. Dies
spricht aber gerade dagegen, darin ein ausreichendes Indiz für eine stillschweigende
Rechtswahl zu sehen, da auf diese Weise andere nachteilig behandelt werden könnten. Dem
könnte auch § 307 BGB entgegenstehen. § 307 BGB schreibt vor, dass Bestimmungen in
Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des
Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine
unangemessene Benachteiligung kann sich daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und
verständlich ist. Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob eine derartige nachteilige Behandlung
der Käufer mit § 307 BGB vereinbar ist. Zweifel liegen insbesondere vor, weil durch die am
1.1.2002 in Kraft getretene Reform des Schuldrechts das BGB noch käuferfreundlicher gestaltet
worden ist, was sich mit der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl durch die
Verwendung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht vereinbaren lässt. Diese lassen sich
nämlich auch nachteilig für die Käufer gestalten lassen. Zwar kann ein Käufer auch die
wirtschaftlich stärkere Partei und damit der Verwender von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen sein. Jedoch sind dies in dem Fall eher nur die typischen Möglichkeiten
der Grossindustrie, die dadurch manchmal in der Lage sein mag, ohne eine ausdrückliche
Rechtswahl die Tatsachen so zu wenden, dass sich auch das gewünschte Ergebnis einstellt.574
572 Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 103 f.; Vischer, Int.VertrR, S. 75; Vischer/ Huber/ Oser, S. 103. 573 Neuhaus warnt vor einer formularmäßigen Festlegung des maßgeblichen Rechts bei Massenverträgen, S. 257; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 103 f.; Vischer, Int.VertrR, S. 75; Vischer/ Huber/ Oser, S. 103. 574 Vgl. van Venrooy, Jura 1991, 69 (74).
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2. In England
In England können Formulare einigen Urteilen der Rechtsprechung575 sowie einzelnen
Literaturansichten576 zufolge, einen Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl begründen.
Auch nach Norths Ansicht577 ist die Form bestimmter Dokumente als Hinweis auf eine
stillschweigende Rechtswahl zu werten. Allerdings sollte ihnen grundsätzlich nicht allzu viel
Bedeutung beigemessen werden.578 Die Benutzung besonderer Terminologie oder Begriffe, die
für ein bestimmtes Recht typisch und oft auch in einem Formular enthalten sind, welches vor
dem Hintergrund dieses Rechts entworfen wurde, kann ein allgemeiner Hinweis auf eine
stillschweigende Rechtswahl sein. Denn in einem solchen Fall kann gut die Schlussfolgerung
gezogen werden, dass die Parteien dieses Recht auf den Vertrag anwenden wollten.
Die Abwicklung eines Vertrages ist unproblematischer und die aus dem Vertrag
möglicherweise resultierenden Streitigkeiten werden leichter gelöst, wenn der Vertrag nach
dem Recht behandelt wird, nach dem er auch verfasst wurde.579 Die englische Rechtsprechung
hat in den Entscheidungen Amin Rasheed v. Kuwait Insurance Co.580 und Miller v.
Whitworth581 jeweils die Benutzung eines englischen Formulars als Hinweis auf eine
stillschweigende Rechtswahl gewertet. Allerdings wurden auch anderen Indizien mit
berücksichtigt. Das englische House of Lords hatte zum Beispiel im Rechtsfall Amin Rasheed
Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co.582 Folgendes zu entscheiden: Eine kuwaitische
Versicherungsgesellschaft hatte an eine lybische Gesellschaft, welche Geschäfte in der
Golfregion tätigte, eine Seeversicherungspolice ausgegeben, die auf einem Standardformular
beruhte. Sie nahm mehrfach Bezug auf den englischen Marine Insurance Act 1906. Daher kam
das höchste englische Gericht zu dem Schluss, die Parteien hätten den Vertrag englischem
Recht unterstellen wollen.583 Hinzu kam, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Kuwait
kein Recht bezüglich einer Schiffsversicherung hatte, was die Annahme, dass englisches Recht
575 Beispielsweise in The Industrie, (1894) P.D., 58 (C.A.); Royal Exchange Assurance Corporation v. Sjoforsakrings Aktiebolaget Vega (1902) 2 K.B., 384; The Adriatic (1931) P.D., 241 C.A.; Keiner v. Keiner (1952) 1 All ER 643; James Miller & Partners Ltd. v. Whitworth Street Estates (Manchester) Ltd. (1970) A.C. 583 (603) (1970) 1 All ER 796, HL; Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C. 50; Egon Oldendorff v. Libera Corporation (No. 2) (1996), 1 Lloyd`s Rep., 380. 576 Dicey/ Morris, S. 1224; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Jaffey, S. 134; Kaye, S. 152; Lando, S. 50; Morris, Ch. 13; North/ Fawcett, S. 484; North, Essays, S. 38; Nygh, S. 115; Schmitthoff, S. 110, 111. 577 North/ Fawcett, S. 484. 578 So auch z.B. Collier, S. 154; Stone, S. 241, 243. 579 Jaffey, S. 138. 580 (1984) 1 A.C. 50, (1983) 2 All ER 884, HL; dazu: Hoyle, S. 222 ff. 581 (1970) A.C. 583 (603). 582 (1984) 1 A.C. 50. 583 Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co. (1984) 1 A.C. 50.
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auf den Vertrag anwendbar war, verstärkte.584 Diese Art von Fall würde vermutlich in genau
der gleichen Weise nach dem EVÜ entschieden werden.585
In den Urteilen Compagnie Tunisienne de Navigation v. Cie d`Armement Maritime S. A.586 und
Coast Lines Ltd. v. Hudig & Veder Chartering N.V.587 wurde der Tatsache, dass bei dem
Vertrag ein englisches Formular benutzt wurde, hingegen nur wenig Bedeutung beigemessen:
Dass das Formular englischen Ursprungs sei, reiche für sich allein genommen nicht aus, um
einen ausreichenden Bezug zum englischen Recht herzustellen, wenn das Formular
üblicherweise bei Transaktionen benutzt werde, bei denen ansonsten überhaupt kein Bezug zu
England bestehe. Die Benutzung eines englischen Formulars muss jedoch nicht zwingend ein
ausreichendes Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl sein, zumal die häufige Benutzung
solcher Formulare überall in der Welt im internationalen Handel üblich ist.588
In der Verwendung englischer Konnossementsformulare, die auf englische Rechtsbegriffe
abgestellt sind, kann eine stillschweigende Unterwerfung unter englisches Seetransportrecht
gesehen werden.589 Einen starken Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten des
Rechts des Landes, in dem das Formular seinen Ursprung findet, begründet die Benutzung
eines Standardformulars vor allem dann, wenn das Formular vorher nur bei Inlandsverträgen
benutzt wurde wie in dem Fall Miller v. Whitworth590. Zusammenfassend ist festzustellen, dass
es keine klare Richtlinie gibt und es auf die verschiedenen Umstände des Einzelfalles ankommt.
Eine stillschweigende Rechtswahl kann jedenfalls aus der alleinigen Verwendung eines
Formulars nicht ohne weiteres angenommen werden. Wie bereits an anderer Stelle der
Untersuchung dargelegt, ergibt eine Auswertung der Gerichtspraxis kein einheitliches Bild und
es werden nur punktuelle Vorgaben hinsichtlich der Indizien für eine stillschweigende
Rechtswahl geboten.
3. In Frankreich
Im französischen Internationalen Privatrecht tauchen Formulare und Allgemeine
Geschäftsbedingungen zur Unterstützung der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl
nicht auf.
584 North/ Fawcett, S. 484 f.; Jaffey, S. 135. 585 Ebenso North/ Fawcett, S. 485. 586 (1971) A.C. 572 HL, dazu: Hoyle, S. 214 ff. 587 (1972) 2 Q.B., 34. 588 Collier, S. 154. 589 Wolff, S. 142. 590 (1970) A.C. 583 (603).
-104-
VIII. Vorherige Vertragspraxis der Parteien
1. In Deutschland
Die vorherige Vertragspraxis der Parteien ist im deutschen Recht eines der wenigen
überzeugenden Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl, falls gleiche oder zumindest in
ihrer Anlage ähnliche Verträge aufgrund einer ausdrücklichen Rechtswahl der gleichen
Rechtsordnung unterstehen, und ausnahmsweise danach ein Vertrag ohne ausdrückliche
Rechtswahl geschlossen wurde. Der in Rede stehende Vertrag kann dann demselben Recht
unterworfen sein. Dies gilt auch, wenn nur für einen Teil der Verträge oder nur für den
Hauptvertrag eine ausdrückliche Rechtswahl für eine bestimmte Rechtsordnung getroffen
worden ist. Voraussetzung ist allerdings, dass die tatsächlichen Umstände keine Änderung des
Willens der Parteien erkennen lassen.591 Rechtliche oder wirtschaftliche Teile des Vertrages
werden häufig nach dem Recht des Hauptvertrages zu beurteilen sein: Dies entspricht insofern
dem Interesse der Parteien, als diese meist ein einheitliches Recht anstreben.592 Die
Rechtsprechung593 sieht in den vorangegangenen Vertragsbeziehungen zum Teil eine
stillschweigende Rechtswahl für die nachfolgenden Verträge.
Die Literatur hingegen ist sich uneinig: Während einige594 dem nur eine geringe Bedeutung
beimessen, sehen andere595 darin eine stillschweigende Rechtswahl. Allerdings handelt es sich
unter Umständen hierbei aus folgenden Gründen nur um ein sehr schwaches Indiz für eine
stillschweigende Rechtswahl: Auch wenn die Parteien frühere Verträge nach einem bestimmten
Recht abgewickelt haben, lässt das nicht immer eindeutig darauf schliessen, dass dies für die
Zukunft genauso gewollt ist. Fraglich bleibt nämlich, warum die Parteien es dann nicht
festgesetzt haben. Schließlich wäre das möglich gewesen. Daher muss erst erforscht werden, ob
das ursprünglich vereinbarte Recht nicht mehr gelten sollte oder die Übernahme der Klausel
vergessen oder für überflüssig erachtet wurde. Es müssen weitere Anhaltspunkte
hinzukommen, damit aus den Umständen erkennbar ist, dass die Regelungen der früheren
Verträge hier auch gelten sollen.596 Denn weder ist dem Leistungsaustausch selbst anzusehen,
591 Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 18; Kropholler, S. 440; Lorenz, RIW 1992, 697, 702; MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 52; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 105; Schröder/ Wenner, S. 64; Schwimann, S. 107. 592 Gamillscheg, AcP 157, 303 (334); Kost, S. 46. 593 BGH AWD 1970, 31 (32), IPRspr 1954/ 55, Nr. 22, 1971 Nr. 158 b; OLG Hamburg WM 1969, 709 ff. (711); vgl. auch BT-Drucks. 10/ 503, S. 49; abgelehnt in OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323). 594 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 37; Steiner, S. 92; Stoll, S. 47. 595 v. Bar, II, Rn. 471; Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 228 f.; Ferid/ Böhmer, S. 218; Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; v. Hoffmann, § 10 Rn. 35, S. 372; Schlosshauer-Selbach, JuS 1985, 962 (964); Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 46. 596 In diesem Sinne auch Mitterer, S. 171.
-105-
auf welcher Rechtsordnung der Vertrag beruht, noch ist eine in früheren Verträgen getroffene
stillschweigende Rechtswahl leichter zu ermitteln, als die des in Streit stehenden Vertrages.
Sind mehrere Verträge mit einer Rechtswahl versehen und der zu beurteilende Vertrag nicht,
stellt dies einen Bruch in der Kontinuität dar. Es ist somit ein gewisser Bezug erforderlich, um
einen hinreichenden Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl geben zu können.597
Folglich wird eine Bezugnahme der Parteien auf einen bereits abgewickelten Vertrag, der eine
Rechtswahlklausel für ein anderes Recht enthält, zwar möglicherweise auf einen
stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien hindeuten, aber letztlich ist dies
einzelfallabhängig.598
2. In England
Die Verbindung des in Frage stehenden Vertrages mit einem oder mehreren anderen Verträgen
wird in England als starkes Indiz für eine stillschweigende Wahl des Rechts der anderen
Verträge angesehen. Dies belegen sowohl viele Entscheidungen der Rechtsprechung599 als auch
Stimmen in der Literatur600. Parteien, die schon mehrere Verträge miteinander abgeschlossen
haben und sich in einer fortlaufenden Reihe von Geschäftsabwicklungen befinden, werden
nämlich oft davon ausgehen, dass dieselben Voraussetzungen und Bedingungen gelten.
Allerdings ist die englische Rechtsprechung bei diesem Indiz im Hinblick auf eine
stillschweigende Rechtswahl nicht stringent: Während in dem Fall einer Bürgschaft601 eine
Schlussfolgerung auf das anwendbare Recht gezogen werden können soll, wird dies in dem Fall
eines Kredits oder der Verrichtung einer Schuldverschreibung602 verneint. Die
Schlussfolgerung auf eine stillschweigende Rechtswahl bei lediglich verwandten Verträgen
mag hingegen ein schwächeres Indiz sein, vor allem bei der Benutzung eines Formulars. In den
597 Mitterer, S. 171. 598 BGH AWD 1967, 108 ff. (109); OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323); v. Hülsen, AWD 1967, 267 ff. (268); Steiner, S. 89. 599 The Adriatic (1931) P.D., 241; The Njegos (1936) P.D., 90; R. v. International Trustee (1937) A.C. 500, 554, 558; Re United Railways of the Havanna and regal Warehouses Ltd. (1960) Ch.D., 52 (94) (C.A.), (1961) A.C., 1007; Sayers v. International Drilling, (1971) 1 W.L.R., 1176 C.A., 3 All ER, 163 (C.A.); Pacific Molasses Co. and United Molasses Trading Co. Ltd. v. Entre Rios Compania Naviera S.A. (The “San Nicholas”) (1976) 1 Lloyd`s Rep., 8 (C.A.); Armadora Occidental S.A. v. Horace Mann Insurance Co. (1977) 1 W.L.R. 520, (1977) 1 W.L.R., 1098 (C.A.); The “Freights Queen” (1977) 2 Lloyd`s Rep., 140; Broken Hill Pty Co. Ltd. v. Xenakis (1982) 2 Lloyd`s Rep., 304; Ilyssia Compania naviera S. A. v. Ahmed Abdul-Qawi Bamaodah (The “Elli 2”) (1985) 1 Lloyd`s Rep., 107 (C.A.); Dimskal shipping Co. S. A. v. The International Transport Workers Federation (The “Evia Luck”) (1986) 2 Lloyd`s Rep., 165 (172 f.); Mitsubishi Corporation v. Aristidis Alafouzos (1988) 1 Lloyd`s Rep., 191; Enichem anic S.p.A. and others v. Ampelos shipping Co. Ltd. (The “Delfini”) (1988) 2 Lloyd`s Rep., 599, (1990) 1 Lloyd`s Rep., 252 (C.A.). 600 Dicey/ Morris, S. 1224, 1225; Jaffey, S. 135; Kaye, S. 153; Morris, Ch. 13; North/ Fawcett, S. 485; North, Essays, S. 38; Nygh, S. 116; Schmitthoff, S. 111; Stone, S. 243. 601 The Broken Hill Proprietary Co. Ltd. v. Theodore Xenakis (1982) 2 Lloyd`s Rep., 304. 602 Attock Cement Co. Ltd. v. Romanian Bank for Foreign Trade (1989) 1 W.L.R. 1147, (1989) 1 All ER 1189, C.A.
-106-
Fällen, in denen die Parteien jedoch über eine Rechtswahlklausel in einem verwandten Vertrag
verhandelt haben, könnte es gerechtfertigt sein, daraus zu schliessen, dass sie dasselbe Recht
auch auf die anderen zwischen ihnen abgeschlossenen Verträgen anwenden wollten.603
Vereinzelt wird auch in der vorherigen Vertragspraxis ein Indiz für eine stillschweigende
Rechtswahl gesehen, wenn ein Vertrag zwischen einer Partei, wie zum Beispiel einem Auftrag-
oder Arbeitgeber, und vielen anderen, beispielsweise den Auftrag- oder Arbeitnehmern,
abgeschlossen wurde und dieser Vertrag zu einer Gruppe mehrerer ähnlicher Verträge
gehört.604
3. In Frankreich
Der Verbindung des in Frage stehenden Vertrags mit einem oder mehreren anderen Verträgen
kommt auch im französischen Recht Bedeutung für eine stillschweigende Wahl des Rechts der
anderen Verträge zu.605 Es wird neben der Gerichtsstands- bzw. Schiedsgerichtsvereinbarung
als eines der stärksten Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen.606 Vereinzelt
wird dem in der Literatur607 jedoch nicht zugestimmt: Allein aus der Tatsache, dass ein
vorheriger Vertrag mit einer Rechtswahlklausel abgeschlossen worden sei, könne der Richter
niemals mit Sicherheit folgern, dass auf den in Frage stehenden Vertrag das von den Parteien
bei dem anderen Vertrag zuvor gewählte Recht anzuwenden sei.608
IX. Währungsvereinbarung
Bei einer Währungsvereinbarung als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl ist zu
beachten, dass seit der Einführung des Euro am 1.1.1999, seitdem der bargeldlose
Zahlungsverkehr mit Euro möglich ist und damit der Euro als Buchgeld gilt, eine Indizwirkung
zugunsten einer stillschweigenden Rechtswahl problematischer geworden ist. Sie ist zum einen
vollständig ausgeschlossen, wenn Verträge von Parteien geschlossen werden, die jeweils
Ländern angehören, die an der Währungsunion teilnehmen. Dies ist bei Deutschland und
Frankreich der Fall, bei England jedoch nicht. Zum anderen ist die Währungsvereinbarung auch
für Länder, die nicht an der Währungsunion teilnehmen, seit Einführung des Euro auf jeden
Fall ein schwächeres Indiz geworden als vorher, da der Euro keinem spezifischen Land
zugeordnet werden kann.
603 North/ Fawcett, S. 485; Morris, Ch. 13; Nygh, S. 116; Stone, S. 243. 604 Sayers v. International Drilling Co. (1971) 1 W.L.R. 1176 C.A., 3 All ER 163, (C.A.); Stone, S. 243. 605 Batiffol, Traité, S. 643 ff. 606 In diesem Sinne: Batiffol, Traité, S. 651. 607 Kassis, S. 362. 608 Kassis, S. 362.
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1. In Deutschland
Schwierigkeiten bereitet die Frage, ob Währungsvereinbarungen im deutschen Internationalen
Privatrecht einen Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl beinhalten. Einigkeit besteht,
dass Währungsvereinbarungen allein kein Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl darstellen
und auch ansonsten im Zusammenhang mit anderen Kriterien eher als schwaches Indiz
einzustufen sind.609
Die Rechtsprechung610 gebraucht die Währungsvereinbarungen vielmehr, um ihre
Auslegungsergebnisse zu unterstützen. Die Tatsache, dass Währungsvereinbarungen kein
hinreichendes Indiz darstellen, lässt sich wie folgt erklären: Die Währungsvereinbarung regelt
keine rechtlichen Beziehungen, da sie nicht Teil der Leistungsbestimmung ist. Durch sie
werden nur der Umfang der Schuld und die Zahlungsweise festgelegt. Hier können auch
öffentlich-rechtliche Bestimmungen die Notwendigkeit zu der Vereinbarung einer bestimmten
Währung mit sich bringen.
Die Währungsvereinbarung hat wirtschaftliche Hintergründe, denn sie soll der
Geschäftsabwicklung dienen, indem sie ein Währungsrisiko vermeidet. Es spielen sowohl
währungspolitische Erwägungen wie auch internationale Gepflogenheiten eine Rolle für die
Entscheidung, in welcher Währung gezahlt werden soll. Die Vereinbarung einer bestimmten
Währung geschieht vorrangig aus Gründen der Wertstabilität oder um mit dem
Geschäftspartner überhaupt ins Geschäft zu kommen.
Die Währung bezieht sich nur auf den Leistungsgegenstand, aber nicht auf den Vertrag als
solchen. Daher setzt sie keinen objektiven Erklärungstatbestand für eine Rechtswahl, sondern
lässt sich eher zufällig mit einer Rechtsordnung verknüpfen. Es wird oft aus wirtschaftlichen
Erwägungen eine andere als die Landeswährung vereinbart, ohne dass man deshalb
Rückschlüsse auf das anzuwendende Recht ziehen könnte.
Die Währungsvereinbarung regelt zwar einen konkret relevanten Anknüpfungspunkt. Es steht
aber gerade nicht die Frage des anwendbaren Rechts im Vordergrund. Daher ist zur
Vermeidung von willkürlichen Ergebnissen ein verhältnismäßig schwaches Indiz wie die
609 BGH DB 1981, 1279, NJW 1987, 1141 (1142) für den hypothetischen Parteiwillen, 1992, 618, NJW-RR 1990, 183; OLG Brandenburg EWiR 2001, 656 mit Anm. Schwenker; LG Limburg NJW 1990, 2206; Baetge, JuS 1996, 983 (987); v. Bar, II, Rn. 470; Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 18; v. Hoffmann, S. 372; Kropholler, S. 440; Martiny, ZEuP 1997, 107 (113); Menne, JuS 1998, 711 (714); Müller-Gindullis, S. 46; Nussbaum, S. 230; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 88; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 38; Schulze, S. 53; Steinle, ZVglRWiss 93 (1994), 300 (314); Stoll, S. 48. 610 BGHZ 19, 110 (112); BGH AWD 1958, 33, WM 1969, 858 (859), NJW 1992, 618, EWiR 1991, 1167 mit Anm. Schlechtriem; OLGZ 1975, 454 ff.; OLG Düsseldorf WM 1971, 168 ff. (171); OLG Hamburg IPRspr 1985 Nr. 36; OLG Köln RIW 1984, 314 (315), RIW 1994, 970 ff.; OLG Brandenburg BauR 2001, 820 (821).
-108-
Währung durch weitere Hinweise auf die betreffende Rechtsordnung zu untermauern. Dies gilt
auch, wenn sich die Vertragswährung während der Rechtsbeziehungen ändert. Eine Änderung
der Währung durch die Parteien während ihrer Rechtsbeziehungen, ist als ergänzender
Anhaltspunkt für eine bereits getroffene Rechtswahl zu berücksichtigen.611
Im Übrigen kann der Schluss von einer bestimmten Währung auf die Geltung einer bestimmten
Rechtsordnung zu Komplikationen führen:
Wenn beispielsweise die Zahlung in US-Dollar vereinbart wurde, steht keine „einheitliche“
Rechtsordnung zur Verfügung, die man anwenden könnte. Denn in den 50 Bundesstaaten der
USA gelten unterschiedliche Zivilrechtsordnungen. Man müsste daher die maßgebliche
Teilrechtsordnung weiter ermitteln.612
Ebenso problematisch verhält es sich mit einer etwaigen Angabe der Zahlstelle im Vertrag.
Hier wird in der Regel das Verhältnis eines Vertragspartners zu seiner Hausbank und deren
internationalem Partner eine Rolle spielen. Der vereinbarten Zahlstelle kommt bei den
weltweiten Bankverbindungen von Grossbanken aber eher zufällige Bedeutung zu. Ein
Unternehmen wird seine Geschäftspartner vielmehr deshalb anweisen, bei einer bestimmten
ausländischen Bank zu zahlen, weil diese ausländische Bank mit seiner inländischen Hausbank
verbunden ist, als dass jenes Unternehmen das am Sitz der ausländischen Bank geltende Recht
wählen will.613
2. In England
Die Währung im weiteren Sinne, das heißt sowohl die Währung der Auszahlung in bar wie
auch die Währung einer Rechnung oder eines Kontos, wird teilweise614 in England als Indiz für
eine stillschweigende Rechtswahl angesehen: Es soll beispielsweise die Rechtsordnung des
Ortes, in dem das Kreditinstitut sitzt, bei dem ein vereinbarter “letter of credit“ fällig wird,
sowie das Recht, das auch für die “performance bond“, die Verrichtung einer
Schuldverschreibung, gilt, maßgeblich sein.615
611 OLG Köln NJW-RR 1995, 245 (246); anders OLG Köln, RIW 1994, 970. 612 Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 38. 613 BGHZ 19, 110; Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 38; Stoll, S. 48. 614 The Njegos (1936) P.D., 90 (101); R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders A/G (1937) A.C. 500 HL; The Assunzione (1954) P. D., 150, 1 All ER 278, C.A.; N.V. Handel My. J. Smits Import-Export v. English Exporters (London), Ltd. (1955) 2 Lloyd`s Rep., 69 (72); Re Claim by Helbert Wagg & Co. Ltd. (1956) Ch.D., 323; Offshore International S. A. v. Banco Central S. A. (1977) 1 W.L.R., 399; Collier, S. 155; Hoyle, S. 210; Kaye, S. 152; Lando, S. 50. 615 Offshore International S.A. v. Banco Central S. A. (1977) 1 W.L.R., 399; Attock Cement Co. Ltd. v. Romanian Bank for Foreign Trade (1989) 1 W.L.R., 1147 (C.A.); The Bank of Baroda v. Vysya Bank Ltd., (1994) 2 Lloyd`s Rep., 87; Bank of Credit & Commerce Hong Kong Ltd. (in Liquidation) v. Sonali Bank, (1995) 1 Lloyd`s Rep., 227; Wahda Bank v. Arab Bank PLC, (1996) 1 Lloyd`s Rep., 470 (C.A.).
-109-
Grundsätzlich kommt der Währung jedoch keine wesentliche Bedeutung zu, so dass allein aus
ihr nicht auf eine stillschweigende Rechtswahl zu schliessen ist.616 Dies lässt sich an dem Urteil
Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry617 verdeutlichen, denn obwohl in diesem Fall die
Fracht in englischer Währung ausgedrückt worden war, wurde deutsches Recht aufgrund einer
deutschen Schiedsgerichtsklausel angewendet.618
Dem ist aus denselben Gründen, aus denen dieses Indiz auch in Deutschland nur als sehr
schwach eingestuft wird, zuzustimmen.
Zudem werden zum Beispiel US-Dollar und Pfund Sterling häufig als Währung im
internationalen Handel benutzt, weshalb sich daraus nicht ein Schluss auf das anwendbare
Recht ziehen lässt: Ein im Ausland angestellter Engländer oder Schotte können in Sterling
bezahlt werden, ohne dass englisches oder schottisches Recht auf ihren Vertrag anwendbar ist.
Denn seine Kollegen anderer Nationalitäten können in ihren eigenen Währungen bezahlt
werden.619 Allerdings ist auch hier wieder das Zusammenwirken mit anderen Indizien zu
berücksichtigen: In Kombination mit dem Zahlungsort, könnte die Währung auf das
anwendbare Recht hindeuten.620 Der Zahlungsort ist jedoch irrelevant, wenn die Zahlung in
mehr als einem Land stattfinden kann oder an einem anderen als dem vereinbarten Ort
erfolgt.621 Die Währungsangabe ist ein gutes Beispiel für ein Indiz einer stillschweigenden
Rechtswahl, welches zwar nach dem common law ausreichte, aber nach dem EVÜ nun nicht
mehr ausreichen kann, da es aus den bereits erläuterten Gründen an der nach dem EVÜ
erforderlichen „hinreichenden Sicherheit“ fehlt. Daher muss Art. 4 EVÜ aufgrund mangelnder
Rechtswahl zur Anwendung gelangen.
3. In Frankreich
Auch die französische Rechtsprechung622 lässt bei internationalen Verträgen
Währungsgleitklauseln zu und zieht die Währung teilweise als Indiz für das auf den Vertrag
anwendbare Recht heran. Dem wird in der Literatur623 zugestimmt. Wenn die Parteien das auf
616 Lando, S. 50; vgl. auch Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86; North/ Fawcett, S. 485; Stone, S. 243. 617 (1933) 1 K. B. (C. A.) 753. 618 Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry (1933) 1 K.B. (C.A.) 753; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86. 619 Sayers v. International Drilling Co. (1971) 1 W.L.R., 1176 C.A., 3 All ER 163, C.A.; Coupland v. Arabian Gulf Oil Co. (1983) 1 W.L.R., 1136 C.A.; Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C. 50. 620 Exemplarisch in The Assunzione (1954) P.D. 150, 1 All ER 278, C.A., dazu: Hoyle, S. 207 ff. 621 Amin Rasheed Shipping Corporation v. Kuwait Insurance Co., (1984) 1 A.C., 50. 622 Chambre des requêtes le 19 octobre 1938 Gazette du Palais 1938, 2, 886; dazu: Jacquet, S. 31. 623 Barbey, S. 310; Batiffol, Traité, S. 671 ff.; ders., Aspects philosophiques du droit international privé, S. 248, der aber nicht direkt von einem Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen spricht; Boughaba, S. 127 ff., 133; Leschallier de Lisle, S. 34; Niboyet, Traité, S. 47.
-110-
den Vertrag anwendbare Recht nicht bestimmt haben, kann dieses einheitlich mit dem Recht
des Staates, aus dem die gewählte Währung stammt, beurteilt werden. Es handele sich bei der
Währung um ein entscheidenes Element von grosser ökonomischer Bedeutung, das Schlüsse
auf das anwendbare Recht zulasse.624
X. Ort des Vertragsschlusses
1. In Deutschland
Der Ort des Vertragsschlusses kann zwar im deutschen Internationalen Privatrecht auf eine
stillschweigende Rechtswahl hindeuten.
Jedoch handelt es sich hierbei nach herrschender Meinung625 um einen sehr schwachen
Hinweis, der leicht zu entkräften ist. Es werden mehrere Gründe dafür angeführt:
Der Abschlussort führe zu einer starren Anknüpfung, da die Berücksichtigung des Einzelfalles
unmöglich gemacht würde. Man könnte den Abschlussort leicht manipulieren, indem man sich
zwecks Vertragsschlusses an einem bestimmten Ort trifft oder eine entsprechende
Vereinbarung in den Vertrag aufnimmt. Er könnte aber auch bloß zufällig gewählt sein, weil
sich zum Beispiel in verschiedenen Ländern ansässige Vertragspartner auf halbem Weg oder an
einem für beide einfach zu erreichenden Ort treffen wollten, ohne damit aber ihren Vertrag
automatisch auch diesem Recht unterwerfen zu wollen. Ganz davon abgesehen könnte es
enorme Schwierigkeiten bereiten, einen Abschlussort des Vertrages überhaupt zu bestimmen:
Beispielsweise wenn der Vertrag in einem Flugzeug oder auf einem Schiff geschlossen wurde
oder die nationalen Rechtsordnungen der Parteien als Abschlussort jeweils einen anderen Ort
bestimmen.626 Die Orte bei internationalen Geschäften können schnell auseinanderfallen. Viele
Verträge werden sogar inter absentes abgeschlossen durch Brief, Telegramm oder Telefon. In
diesen Fällen fehlt es an einem Abschlussort.627 Letztlich hängt die Wertung des Hinweises
auch hier von den Umständen des Einzelfalles ab.
624 Boughaba, S. 127 ff., 133, der auch den umgekehrten Schluss, das heißt, dass das auf den Vertrag anwendbare Recht die Währung bestimmt, diskutiert. 625 BGH AWD 1958, 33; auch hinzuziehend OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 483; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323); v. Bar, II, Rn. 470; Gamillscheg, AcP 157, 303 (332); Kropholler, S. 440; Menne, JuS 1998, 711 (714); ganz ablehnend Mitterer, S. 182 f.; Müller-Gindullis, S. 46; Nussbaum, S. 233; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 88; Steiner, S. 93; vgl. auch Umbricht, S. 52 f. 626 Stoll, S. 36; Umbricht, S. 52. 627 Umbricht, S. 52.
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2. In England
Auch im englischen Recht handelt es sich bei dem Ort des Vertragsschlusses nach einhelliger
Auffassung628 um ein nur sehr schwaches Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl. Dies
kann mit denselben Argumenten begründet werden, mit denen auch die schwache Bedeutung
des Ortes des Vertragsschlusses für eine stillschweigende Rechtswahl in Deutschland erklärt
wurde: Der Ort des Vertragsschlusses könnte in betrügerischer Absicht auserwählt worden sein,
um einen an sich ungültigen Vertrag gültig werden zu lassen; er könnte bloß zufällig sein und
keine wirkliche Verbindung zum Vertrag haben; schließlich könnte es unmöglich sein, den Ort
des Vertragsschlusses zu bestimmen, solange der Vertrag noch nicht geschlossen wurde. Das
anwendbare Recht ist damit alles andere als vorhersehbar, was zu Rechtsunsicherheit führt.629
Der Ort des Vertragsschlusses wurde von der Rechtsprechung als ein Indiz unter mehreren, das
für den Rechtswahlwillen der Parteien zu berücksichtigen ist, in den Urteilen Hamlyn & Co. v.
Talisker Distillery630 von Lord Herschell und in R. v. International Trustee631 von Lord Atkin
angesprochen. Aus dem Ort des Vertragsschlusses allein sollte jedoch ebenso wenig wie aus
dem Erfüllungsort ein überzeugender Schluss auf den Rechtswahlwillen der Parteien möglich
sein. Dies bestätigt das Urteil Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry632, denn obwohl der
Vertrag in England abgeschlossen worden war, wurde englisches Recht nicht für anwendbar
erklärt.633
3. In Frankreich
Die französische Rechtsprechung hat wortgetreu die Vorschrift des Art. 1159 des Codes Civil
(“ce qui est ambigu s`interprète par ce qui est d`usage dans le pays où le contrat a été passé“)
als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl übernommen, indem das Recht des Ortes als
stillschweigend vereinbart angesehen wird, an welchem der Vertrag geschlossen wurde.634
628 British South Africa Co. v. De Beers Consolidated Mines, Ltd. (1910) 1 Ch. 354, 381; Kahler v. Midland Bank Ltd. (1950) A.C. 24; Zivnostenska Banka National Corporation v. Frankman (1950) A.C. 57; Keiner v. Keiner (1952) 1 All ER 643; Hoyle, S. 208, 218; Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86; Schmitthoff, S. 110. 629 Morris, Ch. 13. 630 (1894) A.C. 202; vgl. dazu Graveson, Comparative Conflict of Laws, S. 110; Hoyle, S. 218. 631 R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders AG (1937) A.C. 500 (529); dazu: Hoyle, S. 208; Schmitthoff, S. 106, 107. 632 (1933) 1 K.B. (C. A.) 753. 633 Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry (1933) 1 K.B. (C. A.) 753; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86. 634 Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22; Paris 1re Ch., 25 juin 1931, Mendelsohn c. Bloch, J.D.I. (Clunet 59) 1932, 993; Cour de Douai, 2 nov. 1933, Cartry c. Warnier, J.D.I. (Clunet 61) 1934, 1195; Req., 28.12.1936, Mayer c. Switzerland general insurance C° et autres, Rev.crit.dr.int.priv. 1937, 682, note Batiffol.
-112-
Allerdings hat die Rechtsprechung635 den Ort des Vertragsschlusses schon bei der Suche nach
dem hypothetischen Parteiwillen herangezogen. Auch in der Literatur636 gibt es befürwortende
Ansichten in Bezug auf den – wenn auch schwachen – Indizwert für eine stillschweigende
Rechtswahl. Als Argumente für den Indizwert werden der Schutz Dritter und die Sicherheit der
Übereinkommen zwischen den Parteien angeführt.637 Allerdings wird dieses Indiz von der
Rechtsprechung638 im Vergleich zu den anderen möglichen Indizien als subsidiär und als bloße
Ergänzungsregel des Parteiwillens angesehen. Dem Ort des Vertragsschlusses ist als Indiz für
einen stillschweigenden Rechtswahlwillen entgegenzuhalten, dass er zu oft bloß zufällig und
unvorhergesehen ist: Die Parteien treffen sich dort, wo sie gerade Gelegenheit dazu haben. Ihre
Interessen äußern sich in dem Handel, den sie betreiben, der Arbeit, die sie ausüben, den
Zahlungen, die sie ausführen und den Gerichtsverfahren, die sie verfolgen, die jedoch alle
keinen notwendigen Bezug zum Ort des Vertragsabschlusses haben. Eine Auswertung der
Rechtsprechung639 verdeutlicht dies: Die internationalen Verträge werden häufig in wichtigen
Zentren abgeschlossen, wo die Parteien sich nur zum Vertragsabschluss treffen, aber kein
ständiges, sondern nur sekundäres Vertragsinteresse haben. Zudem ist der Ort des
Vertragsschlusses zum Beispiel bei einem Vertrag zwischen Abwesenden schwer bestimmbar.
Die möglicherweise praktischen Vorteile des Ortes des Vertragsschlusses als Indiz sind nur
scheinbar vorhanden, da seine Einheit und Sicherheit zum Beispiel bei Verträgen in Form von
Briefwechseln gefährdet werden. Diese sind im internationalen Rechtsverkehr ein nicht seltener
Fall. Bei ihnen kommt der unangemessene Charakter des Ortes des Vertragsschlusses zum
Vorschein.640 Zudem sei der Charakter des Ortes des Vertragsschlusses verbunden mit der
immateriellen Natur der Einigung der Parteien. Er lasse sich weniger materiell charakterisieren,
sei oft schwer zu bestimmen und könne zu einem Ort führen, der schlecht geeignet sei in Bezug
auf die Gesamtheit der Parteiinteressen.641 Batiffol642 meint, dass sich der Ort des
Vertragsschlusses als unvereinbar erwiesen hat mit einer Divergenz konkreter Situationen und
635 Req., 28 déc. 1936, Gazette du Palais, 1937, 1, 281. 636 Barbey, S. 294 ff.; Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 74 ff.; ders., Traité, S. 635 ff.; ders., Chronique de jurisprudence française 1935-1936 Conflit des lois, Rev.crit.dr.int.priv. 1937, 419 (434); Leschallier de Lisle, S. 16, 34; Niboyet, Traité, S. 47; Roguin, Annuaire de l`Institut de droit international 1904, S. 75 (77); Toubiana, S. 79. 637 Vgl. Barbey, S. 295. 638 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (Sirey 1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Cass.civ. 1°, 5 déc. 1910, Rev. crit.dr.int.priv. 1911, 395; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22. 639 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (Sirey 1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Cass.civ. 1°, 5 déc. 1910, Rev. crit.dr.int.priv. 1911, 395; Comité Francais de Droit International Privé, Travaux de l`année 1960, S. 22. 640 Batiffol, Traité, S. 636, 637; ders., Aspects philosophiques du droit international privé, S. 247. 641 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 247, 249. 642 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 246; vgl. auch ders., Les conflits de lois en matière de contrats, S. 69f., 75.
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oft zufällig sei. Niboyet643 hingegen, der den Ort des Vertragsschlusses als Indiz für den
hypothetischen Parteiwillen heranzieht, ist der Ansicht, dass die Parteien das auf den Vertrag
anwendbare Recht bestimmen können, indem sie den Vertrag in dem Land abschliessen, dessen
Rechtsordnung sie auch auf den Vertrag anwenden wollen. Aus den bereits angeführten
Gründen kann dem nicht gefolgt werden. Allerdings kommt es auch im französischen
Kollisionsrecht bei diesem Indiz auf das Zusammenwirken mit anderen Indizien für eine
stillschweigende Rechtswahl an. Batiffol644 als bedeutender Kollisionsrechtler in Frankreich ist
der Auffassung, der Ort des Vertragssschlusses sei dann mehr materieller Natur, wenn er mit
dem Wohnsitz einer der Parteien zusammentreffe. Es kommt letztlich wieder auf den Einzelfall
an.
XI. Ort der Klageerhebung
1. In Deutschland
Der BGH645 hat sogar die Erhebung einer Klage als Hinweis auf eine stillschweigende
Rechtswahl gewertet, obwohl die Klage auch im Ausland hätte erhoben werden können. Der
Ort der Klageerhebung kann jedoch nicht als ein Anhaltspunkt für einen stillschweigenden
Rechtswahlwillen gelten, da der Ort der Klageerhebung nichts darüber aussagt, ob eine
Einigung über das anwendbare Recht gegeben ist.646 Liegt keine eindeutige Einigung der
Parteien vor, so kann sie auch bei der Ermittlung des Parteiwillens nicht berücksichtigt werden.
Eine derartige Interpretation geht daher zu weit.
2. In England und Frankreich
Im englischen und französischen Internationalen Privatrecht gibt es zu diesem Indiz keine
Entsprechung.
XII. Rechtsgültigkeit und Ergänzung
Die Rechtsgültigkeit, auch lex validitatis-Regel genannt, enthält den Grundsatz, die formelle
und materielle Gültigkeit von Verträgen, die zu verschiedenen Rechtsordnungen Verbindungen
aufweisen, mit der Bestimmung eines Vertragsstatuts aufrechtzuerhalten, welches den Vertrag
wirksam sein lässt. Dieses Vertragsstatut wird lex validitatis genannt.647 Es wird die
Einbeziehung einer zentralen materiellrechtlichen Wertung im internationalen Vertragsrecht bei
643 Niboyet, Traité, S. 47, 55, 77 f.; ders., S. 587. 644 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 249. 645 BGH IPRax 1986, 292 (293); aber nicht allein ausreichend als Indiz nach BGHZ 50, 32. 646 Erman-Hohloch, Art. 27 EGBGB Rn. 14; Reithmann/ Martiny-Martiny, S. 89; Schack, IPRax 1986, 272 (274); Steiner, S. 132. 647 Abend, S. 357.
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der Bestimmung des Vertragsstatuts erlaubt. Das Gültigkeitsinteresse wird berücksichtigt. Das
Indiz der Rechtsgültigkeit wird in den drei, hier dargestellten europäischen Rechtsordnungen
sehr uneinheitlich beurteilt. Dies fällt insofern auf, als sich die Mitglieder der Kommission des
Instituts de Droit International nicht einigen konnten, ob die Rechtsgültigkeit, die lex validitatis,
bei der Feststellung der stillschweigenden Rechtswahl zu berücksichtigen ist: Während sich
sechs Kommissionsmitglieder648 dafür aussprachen, sprachen sich drei649 dagegen aus. Im
Folgenden wird auf den Meinungsstand in den verschiedenen Rechtsordnungen eingegangen.
1. In Deutschland
In Deutschland ist das Prinzip der Rechtsgültigkeit (die lex validitatis) zwar als Indiz einer
stillschweigenden Rechtswahl vor langer Zeit diskutiert und vereinzelt unterstützend
herangezogen650 worden. Es wird jedoch grundsätzlich nicht als ein solches anerkannt.651
Spätestens seitdem die Rechtsprechung die Parteiautonomie als kollisionsrechtliches Prinzip
anerkennt, wird eine stillschweigende Rechtswahl auch bei einem invalidierendem Recht
anerkannt.652 Auf den ersten Blick scheint das Indiz der lex validitatis durchaus sinnvoll zu
sein, denn es ist einleuchtend, dass die Parteien wollen, dass ihr Vertrag Gültigkeit beansprucht.
Dementsprechend ist nichts dagegen einzuwenden, dass sie ihren Vertrag dem Recht
unterstellen wollen, nach dem ihr Vertrag gültig ist. Deshalb wird die Rechtsgültigkeit
zumindest vereinzelt in der deutschen Literatur653 als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl
befürwortet. Sie begründet dies damit, dass den Parteien daran gelegen sei, ihren Vertrag
möglichst rechtskonform und damit rechtsgültig zu gestalten. Bei der Rechtswahl gingen
redliche Parteien von der validierenden Wirkung des gewählten Rechts aus, da das
materiellrechtliche Ergebnis für sie entscheidend sei.654 Dies zeige sich vor allem in der
Verwendung von Vertragsklauseln, die auf eine bestimmte Rechtsordnung hinweisen. Käme es
den Parteien nicht auf das Ergebnis an, würden sie schließlich eine ausdrückliche
Rechtswahlklausel in den Vertrag aufnehmen.655 Deshalb seien Rechtskollisionen zwischen
648 Die folgenden Kommissionsmitglieder waren für eine Berücksichtigung der lex validitatis: Goldman, Philip, Jayme, Lalive, Rigaux, Li. 649 Gegen eine Berücksichtigung der lex validitatis waren die Mitglieder: Reese, Ferrer-Correia, North. 650 Der BGH sprach sich damals für eine Berücksichtigung des Validitätsinteresses im Rahmen der Feststellung des objektiven hypothetischen Parteiwillens und der stillschweigenden Rechtswahl aus, BGH, IPRspr 1968/ 69 Nr. 170, 421 ff.; BGHZ 44, 183 (186 ff.); Abend, S. 259 ff., 362. 651 RGZ 12, 34 (36 f.); 108, 241 (242 f.); BGHZ 52, 239 (241 ff.); 53, 189 (193 ff.); LG Heidelberg IPRax 1987, 26 f.; a. A. Abend, S. 259 ff. und Jayme, der sogar vorschlägt, die lex validitatis-Regel bei der Bestimmung der stillschweigenden Rechtswahl als zentralen Punkt zu berücksichtigen, Annuaire de l`Institut de droit international 1991, 64-I, S. 39. 652 Vgl. zum Beispiel OLG München IPRax 1990, 320 (323); Abend, S. 337. 653 Beispielsweise Abend, S. 259 ff. 654 Abend, S. 259 ff. 655 Abend, S. 259 ff.
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validierenden und invalidierenden Rechten zugunsten des validierenden Rechts zu lösen.
Weiterhin wird argumentiert, dass der Bindungswille der Parteien im internationalen
Vertragsrecht zu berücksichtigen sei und der Verweisungsvertrag daher nicht ausgenommen
werden dürfe.656
Dagegen spricht aber Folgendes: Die Anwendung der lex validitatis-Regel würde einen
Systembruch bedeuten, da man aus dem materiellen Recht Rückschlüsse auf das Internationale
Privatrecht ziehen würde.657 Es besteht zwar die Möglichkeit, dass es den Parteien durchaus auf
das materiellrechtliche Ergebnis ankommt, weshalb dies aber noch lange nicht im Kontext des
Internationalen Privatrechts Berücksichtigung finden kann. Regelmässig wird beim
Internationale Privatrecht nur geprüft, welche Rechtsordnung auf den in Frage stehenden
Vertrag anwendbar ist, ohne dem materiellen Recht Beachtung zu schenken. Würde man einen
Blick auf das materielle Recht zulassen, wäre nicht nachvollziehbar, warum zwingend von der
Wertung, dass der Vertrag gültig sein soll, auszugehen ist. Schließlich enthält jede
Rechtsordnung ihre eigenen Wertungen, die nicht unterlaufen werden sollten. Wenn
beispielsweise nach einer Rechtsordnung ein von einem Minderjährigen geschlossener Vertrag
als gültig anzusehen ist, der nach einer anderen Rechtsordnung aber ungültig wäre, sollte nicht
unbedingt die Rechtsordnung auf den Vertrag angewendet werden, wonach der Minderjährige
einen gültigen Vertrag schließen kann. Es gibt also durchaus überzeugende Bedenken gegen
dieses Indiz der lex validitatis-Regel. Die Gegner argumentieren, dass die lex validitatis-Regel
nicht ein Aspekt der Parteiautonomie sei, sondern vielmehr auf der tatsächlichen Seite
stünde.658 Da man den Erklärungsgehalt der Vertragsumstände mittels Auswertung faktischer
Umstände ermittele, müsse der Validitätsgedanke bei der faktischen Feststellung der
konkludenten Rechtswahl mitberücksichtigt werden.659 Zudem spricht gegen eine
Berücksichtigung als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl, dass auch der offizielle
Bericht zum EVÜ das Element der Vertragsgültigkeit nicht zu den Indizien für eine
stillschweigende Rechtswahl zählt.660 Die Rechtsgültigkeit könnte daher eher im Rahmen einer
objektiven Anknüpfung gemäss Art. 28 EGBGB bzw. Art. 4 EVÜ zu berücksichtigen sein.661
Da sich jedoch das Institut de Droit International mehrheitlich für die Berücksichtigung der lex
validitatis bei der Feststellung der stillschweigenden Rechtswahl entschieden hat, ist im
656 Abend, S. 259 ff. 657 Ansicht der Gegner Reese, Ferrer-Correia und North, vgl. Abend, S. 261, 296. 658 Vgl. Abend, S. 261, 296. 659 Vertreten von den Gegnern Reese, Ferrer-Correia und North, vgl. Abend, S. 261. 660 Entsprechend Abend, S. 296; Plender, S. 95. 661 Anders aber Abend, S. 296: „ (…) dieser Faktor kann aber weniger bei der Ermittlung des unter Umständen gewählten Rechts berücksichtigt werden, als vielmehr bei der Frage, ob dieses Recht wirklich konkludent gewählt wurde. Diese Frage ist aber von der Frage zu unterscheiden, welches Recht die Parteien Anlaß hatten, zu wählen“.
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deutschen Kollisionsrecht mit einer Neubewertung der lex validitatis-Regel im Bereich der
Parteiautonomie zu rechnen.662
2. In England
Im englischen Internationalen Privatrecht ist die Rechtsgültigkeit nach überwiegender
Ansicht663 eines der stärksten Indikatoren einer stillschweigenden Rechtswahl und ein
fundamentales Prinzip nach dem traditionellen englischen Recht. Das englische Internationale
Privatrecht berücksichtigt im Gegensatz zu Deutschland den Gedanken der Rechtsgültigkeit bei
der Bestimmung einer stillschweigenden Rechtswahl.664 Haben die Parteien einen Vertrag
abgeschlossen oder zumindest Vertragsbedingungen eingefügt, die in Bezug auf ein
möglicherweise anwendbares Recht wirksam wären, aber in Bezug auf andere Rechtssysteme
nicht, so spricht im englischen Kollisionsrecht eine starke Vermutung dafür, dass das Recht
anwendbar ist, das dem Vertrag zur bestmöglichen Wirksamkeit verhilft. Es kann nämlich
davon ausgegangen werden, dass die Parteien beabsichtigten, dass ihr Vertrag wirksam ist.665
Diese Auffassung spiegelt sich auch in vielen Entscheidungen der Rechtsprechung666 wider, die
in dem Prinzip der Rechtsgültigkeit ebenfalls ein starkes Indiz für eine stillschweigende
Rechtswahl sieht. Es soll sogar dann angewendet werden, wenn die Parteien ausdrücklich ein
den Vertrag ungültig werden lassendes Recht gewählt haben. Denn die Parteien sollten sich
eine Rechtsordnung aussuchen, wonach der ganze Vertrag gültig ist. In dem Fall Peninsular
and Oriental Steam Navigation Co. v. Shand667 war eine Klausel nach englischem Recht gültig,
aber nach französischem Recht ungültig, weshalb der Privy Council englisches Recht für
anwendbar hielt. Hinzu kam jedoch, dass der Ort, an dem der Vertrag geschlossen wurde,
England war. Es kam in diesem Fall mithin auf das Zusammenwirken der verschiedenen
Indizien an. Ebenso deutet ein passender nachträglicher Inhalt des Vertrages auf eine
stillschweigende Rechtswahl hin, wenn er Rechtsgültigkeit besitzt.668 Wie das House of Lords
662 In diesem Sinne auch Abend, S. 261. 663 Cheshire/ North, S. 203; Collier, S. 157; Jaffey, S. 136; Lando, S. 93; Morris/ North, S. 431 ff.; North, S. 105; Nygh, S. 119; Schmitthoff, S. 116, 117; Stone, S. 237; Weintraub, S. 382 ff.; Webb/ Brown, S. 347 ff. 664 Vgl. Abend, S. 296. 665 Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws 470 (1962); Jaffey, S. 136 f.; North, S. 105; Vischer, FS Keller, S. 554; Webb/ Brown, S. 344. 666 Hamlyn v. Talisker Distillery (1894) A.C. 202; Peninsular & Oriental Steam Navigation Co. v. Shand, (1865) 3 Moo. P.C.C. (N.S.) 272, P.C.; Re Missouri Steamship Co. (1889) 42 Ch.D., 321, C.A., on the validity of exemption clauses; South African Breweries Ltd. v. King, (1899) 2 Ch.D., 173 (181); Spurrier v. G.F. La Cloche (1902) A.C. 445, on the validity of arbitration clauses; The Njegos, (1935) P.D., 90 (107); N.V. Handel Maatschappij J. Smits v. English Exports (London), Ltd. (1955) 2 Lloyd`s Rep., 317 (C.A.); Sayers v. International Drilling Co. N.V. (1971) 1 W.L.R., 1176 C.A., 3 All ER 163; Coast Lines v. Hudig & Veder (1972) 2 Q.B., 34; Amin Rasheed Shipping Corpn. v. Kuwait Insurance Co. (1984) A.C. 50. 667 (1865) 3 Moo. P.C.C. (N.S.) 272, P.C.; dazu: Morris/ North, S. 431 ff. 668 Nygh, S. 119; Stone, S. 241, 242; Vischer, FS Keller, S. 554; Weintraub, S. 387.
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in dem Urteil Amin Rasheed v. Kuwait Insurance Co.669 anerkannte, wird ein an sich nicht
ausreichender Bezug zu der entsprechenden Rechtsordnung zu einem solchen, wenn dem
ansonsten in Betracht kommenden anwendbaren Recht jegliche detaillierte Regeln zur
Interpretation des Vertrages fehlen. Das Gericht führt hierzu aus, dass die Parteien stets das
Recht wählen sollten, das mit dem Vertragstyp vertraut ist und welches detaillierte Regeln zu
der Interpretation des Vertrages und zu der Ergänzung seiner ausdrücklichen
Vertragsbedingungen enthält. Gegen die Ansicht der Rechtsprechung und der überwiegenden
Literatur ist jedoch einzuwenden, dass das Prinzip der Parteiautonomie dadurch eingeschränkt
wird, wonach die Parteien das Recht haben, das anwendbare Recht zu wählen, selbst wenn es
unklug erscheint. Stimmen beide Parteien mit der Anwendbarkeit einer bestimmten
Rechtsordnung überein, gleichgültig, ob vor oder während des Prozesses, ist ohnehin nicht
davon auszugehen, dass das von ihnen gewählte anzuwendende Recht eines ist, das ihren
Vertrag ungültig macht.670 Zudem handelt es sich bei der Schlussfolgerung, dass die Parteien
das wirksame Recht gewählt haben, um eine reine Fiktion, da die Parteien bei Vertragsschluss
wahrscheinlich nicht wussten, dass der Vertrag nach dem einen Recht wirksam, nach dem
anderen jedoch unwirksam ist.671 Das Prinzip der Rechtsgültigkeit mag zwar anwendbar sein,
um die stillschweigende Rechtswahl der Parteien in eine bestimmte Richtung zu lenken: Wenn
beispielsweise die Indizien in verschiedene Richtungen weisen, wie exemplarisch die
Schiedsgerichtsklausel auf eine Rechtsordnung, die Bezugnahme auf bestimmte Rechtsinstitute
aber auf eine andere, kann das Prinzip der Rechtsgültigkeit – unter der Voraussetzung, dass die
Parteien sich der Ungültigkeit bewusst waren – auch das entscheidende Gewicht sein.672 Um es
jedoch grundsätzlich anwenden zu können, müsste es als zwingende Regel angesehen werden,
was aber wenig mit der Absicht der Parteien als mehr mit einer objektiven Anknüpfung, einer
Vermutung der Gerichte, zu tun hätte. Der Grund der Ungültigkeit ist danach für eine
Anwendung des Prinzips der Rechtsgültigkeit ausschlaggebend.673
Eine stillschweigende Rechtswahl nach dem Rechtsgültigkeitsprinzip ist aber nicht zwingend.
Englische Gerichtsentscheidungen674 belegen, dass eine vermeintliche stillschweigende
Rechtswahl von der Tatsache überwogen werden kann, dass der Vertrag objektiv engere
Verbindungen zu einem anderen Land aufweist, nach dessen Recht der Vertrag ungültig wäre,
669 (1984) 1 A.C. 50. 670 Ehrenzweig, S. 470; Kassis, S. 223. 671 Jaffey, S. 137. 672 Plender, S. 95 f. 673 Vischer, FS Keller, S. 554 f. 674 Royal Exchange Assurance Corporation v. Sjoforsakrings Aktiebolaget Vega (1902) 2 K.B., 384, C.A.; British South Africa Co. v. De Beers Consolidated Mines, Ltd. (1910) 1 Ch. 354, 381; revised on another point (1912) A.C. 52, HL; Maritime Insurance v. Assekuranz Union von 1865, (1935) Lloyd`s Rep., 16.
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wie zum Beispiel eine Gerichtsstandsklausel zugunsten eines anderen Rechts. Diese
Annäherung englischer Gerichte wurde von Lord Wilberforce in dem Verfahren Co. Tunisienne
de Navigation v. Co. d`Armement Maritime675 kritisiert. Auch wenn, wie aufgezeigt, dem gute
Gründe entgegenstehen, wird von den Gerichten meistens das Recht für anwendbar gehalten,
das den Vertrag wirksam macht: Ein gültiger Vertrag sei schließlich wirksamer als ein
ungültiger.676
3. In Frankreich
Das aus der englischen Rechtsprechung bekannte Indiz der Rechtsgültigkeit soll nach
überwiegender Ansicht677 auch im französischen Recht von Bedeutung sein. Es soll nämlich
das Recht auf den Vertrag angewendet werden, das dem Vertrag zur Gültigkeit verhilft (“la loi
qui donne vie au contrat“), da die Nichtigkeit eines Vertrages stets vermieden werden sollte.
Allerdings handelt es sich hierbei um das schwächste Indiz, das selten genau bestimmt sein
wird.678
XIII. Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien
1. In Deutschland
Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien werden im deutschen
Internationalen Privatrecht nur im Rahmen der objektiven Anknüpfung geprüft, nicht jedoch
bei der Suche nach dem stillschweigenden Parteiwillen. Im Rahmen einer Anknüpfung an den
stillschweigenden Parteiwillen werden sie lediglich unterstützend hinzugezogen und
mitberücksichtigt.679 Auch dem Indiz des Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit wird
entgegengehalten, dass sie zu einer Vertragsspaltung führten und als starre Regel daher
abzulehnen seien.680
675 (1971) A.C. 572, 598; dazu: Collins, S. 428. 676 Jaffey, S. 137 f. 677 Cass. 5.12.1910 (American Trading C° c. Québec Steamship C°) (1911.1 S. 129), J.D.I. (Clunet 39) 1912, 1156 ff.; Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 19 ff.; ders., Traité, S. 647 ff.; Toubiana, S. 17. 678 Batiffol, Traité, S. 651. 679 Vgl. z.B. in RGZ 95, 41 (42); BGHZ 104, 268, 270; BGH NJW-RR 1990, 183, WM 1997, 560 (561); OLG Düsseldorf WM 1971, 168 ff. (171); OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323) für Wohn- und Geschäftssitz; BGH WM 1956, 598 (599), NJW-RR 1990, 183; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323) für die Staatsangehörigkeit; vgl. auch Kreuzer, S. 120, der auf das am Geschäftssitz geltende Recht Bezug nimmt; Lewald, S. 212; Müller-Gindullis, S. 46; Nussbaum, S. 230. 680 Umbricht, S. 55.
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2. In England
In England können der Wohnsitz der Parteien und ihre Nationalität nach Ansicht der
Literatur681 ebenso wenig als Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen berücksichtigt
werden. Sie spielen vielmehr bei der Suche nach der „engsten Verbindung“ (Art. 4 Abs. 1
EVÜ) eine Rolle. Bloß aufgrund eines ausländischen Wohnsitzes oder der Nationalität der
Parteien kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie bei Vertragsschluss ihr eigenes Recht
auf den Vertrag anwenden wollten.682 Die Tatsache, dass eine der Parteien ein Staat oder eine
Regierung ist, lässt nach Meinung der Rechtsprechung und der Literatur683 darauf schliessen,
dass ihr Recht auf den Vertrag anzuwenden ist. Ebenso stellt nach Ansicht Jaffeys684 die
Tatsache, dass beide Parteien ihren Wohnsitz oder Geschäftsort in ein und demselben Land
haben, einen starken Hinweis darauf dar, dass das Recht dieses Landes von den Parteien
gewählt wurde. Dies begründet er damit, dass die Parteien wahrscheinlich an ihr eigenes Recht
denken, wenn sie mit Landsleuten einen Vertrag schliessen. Nach der englischen
Rechtsprechung685 soll der Wohnsitz für eine möglicherweise stillschweigende Rechtswahl von
Bedeutung sein, wenn die Parteien in verschiedenen Ländern wohnen und der Vertrag eine
Gerichtsstandsklausel enthält, die letztlich ausschlaggebend dafür ist, ob der Gerichtsort in
einem Land gewählt wurde, in dem eine der Parteien wohnt, oder ob ein neutrales Gericht in
einem dritten Land gewählt wurde. Zudem misst die Rechtsprechung teilweise686 dem Recht
des Wohnsitzes Bedeutung bei, wenn ein Vertrag zwischen einer Partei, zum Beispiel einem
Auftrag- oder Arbeitgeber, und vielen anderen, wie beispielsweise den Auftrag- oder
Arbeitnehmern, zu einer Gruppe mehrerer ähnlicher Verträge gehört und das Recht am
Wohnsitz der Partei auch bei den anderen ähnlichen Verträgen üblich ist. Im Allgemeinen kann
dem Wohnsitz jedoch keine weitreichende Bedeutung zukommen, da er oft vom Zufall und
nicht beeinflussbaren Faktoren abhängt. Auch wenn der Wohnsitz von den englischen
Gerichten687 schon als Hinweis auf eine stillschweigende Rechtswahl benutzt wurde, so ist
681 Anders hingegen: Kaye, S. 153; sehr kritisch: Cheshire/ North, S. 203; ablehnend: North/ Fawcett, S. 485; Nygh, S. 118; Stone, S. 238. 682 Vgl. dazu beispielsweise das Urteil Bremer Öltransport G.m.b.H. v. Drewry (1933) 1 K. B. (C. A.) 753, in der ein Engländer Partei war, aber deutsches Recht angewendet wurde; dazu ausführlich: Lorenz, Vertragsabschluss, S. 86. 683 Bonython v. Commonwealth of Australia (1951) A.C. 201, P.C.; R. v. International Trustee for the Protection of Bondholders A/G (1937) A.C. 500 (531, 557), (1937) 2 All ER 164, HL; Cheshire/ North, S. 203; vgl. auch Morris/ North, S. 457 f. 684 Jaffey, S. 135. 685 Tzortzis and others v. Monark Line A/ B (1968) 1 W.L.R. 406 (C.A.). 686 Sayers v. International Drilling (1971) 3 All ER 163, (C.A.). 687 So auch in: Jacobs v. Crédit Lyonnais (1884), 12 Q.B., 589 (600) (C. A.); South African Breweries Ltd. v. King, (1899) 2 Ch.D., 173 (178); Keiner v. Keiner (1952) 1 All ER, 643.
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diese Rechtsprechung nach dem EVÜ, das eine „hinreichende Sicherheit“ für eine
stillschweigende Rechtswahl fordert, nicht länger haltbar.
3. In Frankreich
Nach Ansicht der französischen Rechtsprechung688 und Literatur689 soll die Staatsangehörigkeit
der Parteien als Hinweis auf eine stillschweigende Wahl des anwendbaren Rechts relevant sein.
Allerdings wird sie eher unterstützend als Indiz für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen
herangezogen. Nach Meinung Batiffols690 wird die Staatsangehörigkeit lediglich hinzugezogen,
um die Standfestigkeit des Wohnsitzes zu unterstreichen oder dem Erfüllungsort bzw. dem Ort
des Vertragsschlusses mehr Gewicht zu verleihen. Teilweise wurde die Staatsangehörigkeit der
Parteien von der Rechtsprechung691 als Indiz für den hypothetischen Parteiwillen angeführt. Die
Rechtsprechung692 hat in Entscheidungen das Recht als stillschweigend vereinbart anerkannt,
das an dem Wohnsitz des Schuldners gilt.
Die Literatur693 stimmt dem vereinzelt zu, wobei der Wohnsitz nicht nur des Schuldners,
sondern der Parteien im Allgemeinen als Indiz für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen
wird. Der Wohnsitz einer der Parteien weise immerhin einen „materiellen“ Bezug zum Vertrag
auf. Allerdings sei er nicht von Dauerhaftigkeit, weil man ihn zu leicht ändern könne.694
Barbey695 zieht den Wohnsitz hinzu, um ihn auf die Personen anwenden zu können, die
staatenlos sind oder deren Staatsangehörigkeit zumindest unsicher ist. Allerdings taucht der
Wohnsitz in Entscheidungen der Rechtsprechung696 auch zur Begründung des hypothetischen
Parteiwillens auf.
688 Paris 10.1.29 Gazette du Palais 1929, I, S. 259; 31 mai 1932; Civ. 1.7.36, Revue critique 1937, 175; L`arrêt Zanarelli: Cass. (ch.soc.), 5/3/1969, Rev.crit.dr.int.priv. 1970, 279, note Batiffol; J.D.I. (Clunet 96) 1969, 670, note Ribettes-Tillhet. 689 Barbey äussert sich eher zurückhaltend, S. 292 ff.; Batiffol, Traité, S. 640; Jacquet, S. 32 ff.; Leschallier de Lisle, S. 34. 690 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 245 ff., 282 f.; ders., Traité, S. 640 ff. 691 Cass.Req. v. 19.5.1884, Vorbe c. Vorbe, 1885-I, 113. 692 Cour d`Appel de Paris 26.1.88. J.D.I. (Clunet 15) 1888, 390; Cour d`appel de Paris 10.1.1929, Gazette du Palais 1929, I, 259; Cour de Colmar 31.5.33. Revue critique 1934, 468; Civ., 9 janvier 1934, Rev.crit.dr.int.priv. 1934, 915, note Niboyet; Cass.civ. 9.1.1934 United States Shipping Board c. Compagnie forestière de l`Afrique française – J.D.I. (Clunet 61) 1934, 672, note Tager; vgl. auch Colmar 16 nov. 1935, J.D.I. (Clunet 64) 1937, 781; Cass.civ., 1 er juillet 1936, Rev.crit.dr.int.priv. 1937, 175, J.D.I. (Clunet 64) 1937, 302; Cass. Soc. 9 décembre 1960, (Etablissements Motokov c. Semeriva), J.C.P. 1961. II, 12029, note de Madame Simon-Depitre; L`arrêt Zanarelli: Cass. (ch.soc.), 5/3/1969, Rev.crit.dr.int.priv. 1970, 279, note Batiffol; J.D.I. (Clunet 96) 1969, 670, note Ribettes-Tillhet; Cass.civ. v. 10.5.1988 – S.A.R.L. Deutsche Terrazo Verkaufsstelle Ulm c. Soc. Établ. Magris et Fils et autre, Recueil Dalloz Sirey 1988, 2, 346. 693 Barbey, S. 293 ff.; Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 282 ff.; Jacquet, S. 33; Leschallier de Lisle, S. 34, 40; Niboyet, S. 588; ders., Traité, S. 47; Philonenko, J.D.I. (Clunet 63) 1936, 259 ff.; Roguin, Annuaire de l`Institut de droit international 1904, S. 75 (77). 694 Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 250, 282. 695 Barbey, S. 293. 696 Dame Hoffmann c. Rousel-Hoadley: Cour de Paris 21.5.35, Rev.crit.dr.int.priv. 1936, 149; Req., 6.4.1938, J.D.I. (Clunet 65) 1938, 788.
-121-
Staatsangehörigkeit, Wohnsitz und Geschäftsort der Parteien können als Indizien auch
kumulativ zu einer stillschweigenden Rechtswahl führen, wenn sie bei den Parteien jeweils
divergieren. In dem Zanarelli-Urteil697 lehnte die Rechtsprechung die Anwendung
französischen Rechts ab, da Zanarelli italienischer Nationalität war und seinen Wohnsitz sowie
Geschäftsort in Italien hatte. Die drei Indizien sollten nach Ansicht der Rechtsprechung
kumulativ zur Anwendung italienischen Rechts führen. Zwar war die andere Partei
französischer Nationalität, allerdings war dem Geschäfts- und dem Erfüllungsort, die beide in
Italien lagen, der Vorrang eingeräumt worden.
XIV. Art und Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes
1. In Deutschland
Bei der Ermittlung des stillschweigenden Parteiwillens werden Art und Standort bzw. Lage des
Vertragsgegenstandes von der deutschen Rechtsprechung nicht berücksichtigt, höchstens
zusätzlich erwähnt, um die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl zugunsten einer
bestimmten Rechtsordnung zu untermauern.698 Allerdings wurde vereinzelt die lex rei sitae, das
Recht des Ortes, an dem der Vertragsgegenstand gelegen ist, bei Grundstücksgeschäften als
stillschweigend vereinbart angesehen.699 Im deutschen Recht ist nur in Ausnahmefällen die lex
rei sitae für den sachenrechtlichen Teil eines Rechtsgeschäfts nicht anwendbar.700 Daher ist es
möglich, dass die Parteien auf die schuldrechtlichen Beziehungen dieses Recht angewendet
wissen wollen. Allerdings sind weitere Indizien erforderlich, um zu der Annahme einer
stillschweigenden Rechtswahl zu gelangen.701 Es findet sich kein überzeugendes Argument, das
man diesem Indiz entgegenhalten könnte.
2. In England
In England hingegen wird die Art702 und der Standort bzw. die Lage des
Vertragsgegenstandes703 von der Rechtsprechung teilweise benutzt, um einen stillschweigenden
Rechtswahlwillen der Parteien zugunsten eines bestimmten Rechts zu unterstreichen.
697 L`arrêt Zanarelli: Cass. (ch.soc.), 5/3/1969, Rev.crit.dr.int.priv. 1970, 279, note Batiffol; J.D.I. (Clunet 96) 1969, 670, note Ribettes-Tillhet.; dazu: Jacquet, S. 32 ff. 698 So z.B. in BGH NJW-RR 1996, 1034; OLG München IPRax 1990, 320 ff. (323). 699 Nussbaum, S. 232; Steiner, S. 93. 700 In diesem Sinne Nussbaum, S. 232; Steiner, S. 93. 701 Ebenso Nussbaum, S. 232; Steiner, S. 93. 702 Spurrier v. La Cloche (1902) A.C. 446 (450); British South Africa Co. v. De Beers Consolidated Mines, (1910) 1 Ch.D., 354 (383); in Armar Shipping Co. Ltd. v. Caisse Algerienne d` Assurance et de Reassurance (1981) 1 W.L.R., 207 (C.A.) wird die Natur des Vertrages allgemein als Merkmal für eine stillschweigende Rechtswahl mitberücksichtigt. 703 Spurrier v. G.F. La Cloche, (1902) A.C., 446; Lindsay v. Miller, [1949] VLR 13, [1949] ALR 200; 1949 WL 10017; 23 ALJ 367 Supreme Court of Victoria; Zivnostenska Banka National Corporation v. Frankman (1950) A.C. 57.
-122-
Allerdings war die englische Rechtsprechung hier nicht immer konsequent, denn in dem Urteil
Kahler v. Midland Bank, Ltd.704 wies sie den Standort des Vertragsgegenstandes als Indiz für
einen stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien ausdrücklich zurück. Der Standort bzw.
die Lage und die Art des Vertragsgegenstandes sollten als Indizien für eine stillschweigende
Rechtswahl nach Ansicht der Literatur705 mitberücksichtigt werden. Sie rechtfertigen jedoch
nicht die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl mit „hinreichender Sicherheit“, wie es
das EVÜ fordert.
3. In Frankreich
Der Standort bzw. die Lage des Vertragsgegenstandes sollten für eine stillschweigende
Rechtswahl auch im französischen Internationalen Privatrecht mitberücksichtigt werden.706
Man könne nämlich davon ausgehen, dass es im Interesse der Parteien sei, den Vertrag dort zu
lokalisieren, wo sich der Vertragsgegenstand befinde. Zudem sei so nur ein einziges Recht auf
den Vertrag anwendbar, ohne dass man zwischen dinglichen und vertraglichen Rechten
unterscheiden müsse.707 Dennoch rechtfertigen sie nicht die Annahme einer stillschweigenden
Rechtswahl mit „hinreichender Sicherheit“, wie es das EVÜ fordert. Teilweise708 wurde auch in
Frankreich die lex rei sitae als stillschweigend vereinbart angesehen.
XV. Widersprüchliche Indizien in allen drei Rechtsordnungen
In allen drei Rechtsordnungen ist der Fall problematisch, in dem verschiedene Indizien einander
widersprechen. In einem solchen Fall kann eine stillschweigende Rechtswahl nicht mit
„hinreichender Sicherheit“ festgestellt werden, da es auch Indizien gibt, die in eine andere
Richtung weisen und damit andere Indizien aushebeln könnten. Da Art. 3 Abs. 2 EVÜ es den
Gerichten nicht gestattet, eine Rechtswahl anzunehmen, die die Parteien getroffen haben
könnten, falls sie keine eindeutige Absicht bezüglich einer Rechtswahl hatten, ist auf Art. 4
EVÜ zurückzugreifen.709 Dieser besagt in Abs. 1, dass „der Vertrag dem Recht des Staates
unterliegt, mit dem er die engsten Verbindungen aufweist, soweit das auf den Vertrag
anzuwendende Recht nicht nach Artikel 3 vereinbart worden ist.“ Wird zum Beispiel ein
französisches Formular verwendet, aber gleichzeitig die Zuständigkeit deutscher Gerichte
vereinbart, liegt keine stillschweigende Rechtswahl vor. Zwar wurde vor Einführung des EVÜ
704 (1950) A.C. 24. 705 Cheshire/ North, S. 203; Kaye, S. 153. 706 Batiffol, Les conflits de lois en matière de contrats, S. 69f; Batiffol, Traité, S. 642; Niboyet, Traité, S. 106 ff. 707 Batiffol, Traité, S. 642; Niboyet, Traité, S. 106 ff. 708 Cass.civ. v. 21.7.1987 – S.A.R.L. du Castelleretto et autre c. Soc. anon. Continentale de Promotion immobilière, Recueil Dalloz Sirey 1988, 2, 345 f.; Batiffol, Aspects philosophiques du droit international privé, S. 247 f., wobei hier von einer „Vermutung“ („présomption“) gesprochen wird, was eher für ein Indiz des hypothetischen als des stillschweigenden Parteiwillens spricht; Niboyet, Traité, S. 106 ff. 709 North/ Fawcett, S. 486.
-123-
vertreten, dass der stärkere Umstand ausschlaggebend sei, wenn mehrere typische Umstände
mit entgegengesetzter Indizwirkung vorliegen.710 Diese Ansicht ist aber im Interesse der
Rechtssicherheit nicht mehr haltbar, da es sich um eine individuelle Schwerpunktbetrachtung
handelt.711 Zudem lässt sich die Bestimmung des stärksten Umstandes nur von Fall zu Fall
vornehmen. Daher bietet Art. 4 EVÜ als typisierende Anknüpfung an die charakteristische
Leistung eine bessere Lösung.712 Bei widersprüchlichen Indizien ist der Schluss auf eine
stillschweigende Rechtswahl ausgeschlossen. Denn gegenteilige Indizien, die sich aus den
jeweiligen Umständen des einzelnen Falles ergeben, können einander und damit ihre jeweilige
Bedeutung für eine stillschweigende Rechtswahl in gewissem Umfang entkräften.713 In einigen
Fällen, wenn die verschiedenen Indizien in Bezug auf eine stillschweigende Rechtswahl eine
unterschiedlich starke Aussagekraft haben, kann es schwer sein, bestimmte Indizien durch
wiederum andere Indizien zu entkräften. Jedoch können alle Indizien stets durch die jeweiligen
Umstände des Falles entkräftet werden.714
XVI. Kumulation schwacher Indizien
1. In Deutschland
Falls verschiedene schwache Indizien kumulativ vorliegen, könnte dies im deutschen Recht
insgesamt auf einen stillschweigenden Rechtswahlwillen hindeuten. Die Häufung von Indizien
würde eine größere Sicherheit für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl der
Parteien bedeuten.715 Die Parteien haben nämlich einen gemeinsamen Rechtswahlwillen
gezeigt. Das in der Praxis der Rechtsprechung durchgeführte Abzählen der Indizien einer
stillschweigenden Rechtswahl, das an “contact counting“ erinnert, legt die Vermutung nahe,
dass die Kumulation von Indizien zu einer stillschweigenden Rechtswahl der Parteien führen
soll.716 Das Zusammenfallen des Abschluss- oder Erfüllungsortes mit dem Ort des
Gerichtsstandes, die Verwendung von der lex fori angehörenden Rechtsbegriffen, die
Maßgeblichkeit der am Gerichtsort gebräuchlichen Sprache oder der dort geltenden Währung
710 Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 51. 711 Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 51. 712 Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 51. 713 So auch v. Hoffmann, § 10 Rn. 36, S. 372; Menne, JuS 1998, 711 (714); Sandrock-Steinschulte, Bd. I, S. 34. 714 So auch Schmitthoff, S. 111. 715 BGHZ 104, 268 (270); WM 1997, 560 (561); OLG Celle RIW 1988, 137 (138), NJW-RR 1992, 1126 (1127); OLG Düsseldorf NJW-RR 1991, 55; OLG Saarbrücken RIW 1980, 796 (797); Abend, S. 259; v. Bar, II, Rn. 470; v. Hoffmann, § 10 Rn. 36, S. 372; Kegel/ Schurig, S. 575; Mezger, AWD 1974, 377 ff.; Schröder/ Wenner, S. 65; Schwimann, S. 107; Soergel/ v. Hoffmann, Art. 27 EGBGB Rn. 50; Steiner, S. 93; Vischer, Int.VertrR, S. 79; anderer Ansicht Mitterer, S. 187. 716 Abend, S. 258; vgl. auch v. Bar, II, Rn. 470, wo das Abzählen der Indizien ganz deutlich wird: „…in ihrer Summe mögen sie jedoch zusammen mit weiteren Sachverhaltselementen zu so überragenden Indizien für einen Rechtswahlwillen werden, dass jeder vernünftige Zweifel an dem Vorhandensein abweichender Vorstellungen der Parteien schweigen muß.“
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sind für sich allein wenig aussagekräftig, können jedoch zusammen mit einer
Gerichtsstandsvereinbarung oder der Bezugnahme auf Vorschriften einer bestimmten
Rechtsordnung die Anwendung der lex fori rechtfertigen.717 Ebenso können die
Vertragssprache, der Vertragsgegenstand, der Abschlussort des Vertrages sowie der Wohnort
von Verkäufer und Käufer und deren Nationalität als Indizien kumulativ zu einer
stillschweigenden Rechtswahl führen.718 Dies ist jedoch einzelfallabhängig und somit nicht
zwingend. Die Bildung von Fallgruppen entbindet den Richter nicht von einer Bewertung der
Tatsachen im Einzelfall. Zwar kann im konkreten Fall eine konkludente Willenserklärung aus
einer Kumulation der von den Parteien gewählten Anknüpfungspunkte, die alle auf eine
Rechtsordnung hinweisen, entnommen werden. Selbst bei kumulativem Vorliegen dieser
Merkmale ist eine Entkräftung durch gewichtigere objektive Umstände aber immer noch
möglich: Grundsätzlich sind die Indizien nämlich objektiv zu gewichten und bei sich
widersprechenden Indizien streng nach diesem allgemeingültigen Gewicht abzuwägen.719
Gegen eine stillschweigende Rechtswahl können vor allem auch Prestigefragen stehen, so etwa
im Handel mit Entwicklungsländern.720 Die Wahl eines Rechts, wenn auch stillschweigend,
könnte Misstrauen gegenüber dem Vertragspartner bedeuten, so dass von einer Rechtswahl
oftmals abgesehen wird.
2. In England
Im englischen Recht ist strittig, ob das Vorliegen mehrerer Indizien zu der Annahme eines
stillschweigenden Rechtswahlwillens der Parteien führen kann. Das war, wie aufgezeigt,721 die
Praxis der deutschen und wohl auch der englischen Gerichte vor der Übernahme des EVÜ. Die
Kumulation verschiedener Faktoren, die alle auf dasselbe Rechtssystem wiesen, führte dazu,
dass das Gericht davon ausging, dass ein Rechtswahlwille der Parteien in Bezug auf diese
Rechtsordnung existierte. Dies war zum Beispiel der Fall bei dem Vorhandensein einer
Gerichtsstands- oder Schiedsgerichtsklausel und der Bezugnahme auf eine bestimmte
Rechtsordnung.722 Nach dem EVÜ ist dies nicht länger gerechtfertigt, da nun ein positiver,
eindeutiger Beweis einer Rechtswahl erforderlich ist. Schließlich sind stets alle Umstände des
Einzelfalles mitzuberücksichtigen, da eine Kumulation von Indizien allein nicht zu einer
717 BGHZ 104, 268 (270); BGH WM 1997, 560 (561); OLG Köln NJW-RR 1995, 245 (246), MDR 1993, 315 f.; BGH EWiR 1996, 923 f. mit Anm. Graf von Westphalen; OLG Brandenburg EWiR 2001, 656 mit Anm. Schwenker. 718 BGH RIW 1998, 318; vgl. OLG Brandenburg IPRspr 1996 Nr. 141; OLG Hamm RIW 1993, 940. 719 Steiner, S. 84; Stoll, S. 60. 720 Vischer/ Huber/ Oser, S. 92. 721 Vgl. Gliederungspunkt XVI.1. 722 Lando, S. 93.
-125-
stillschweigenden Rechtswahl führen kann. Bei mehreren verschiedenartigen Umständen kann
weder ein einzelner Faktor noch eine einzelne Schlussfolgerung entscheidend sein.723
3. In Frankreich
Da eine Kumulation verschiedener schwacher Indizien im französischen Internationalen
Privatrecht keine Erwähnung findet, kann festgehalten werden, dass sie für die Festlegung einer
stillschweigenden Rechtswahl nicht relevant ist. Allerdings ist auch im französischen
Internationalen Privatrecht eine Gewichtung der verschiedenen Indizien unvermeidbar.724
B. Die unterschiedlichen sprachlichen Fassungen der stillschweigenden
Rechtswahl des EVÜ und ihre Auswirkungen
In der französischen Literatur725 wurde die Unterstellung laut, man hätte mit der im Gegensatz
zu der deutschen und englischen Fassung eher strengen französischen Fassung des EVÜ, die
die höchsten Anforderungen an die Sicherheit einer stillschweigenden Rechtswahl stelle (“de
façon certaine“), eine stillschweigende Rechtswahl quasi ausschließen wollen. Die deutsche
und englische Fassung seien ein bißchen elastischer und damit anpassungsfähiger. Vor allem
die deutsche Fassung sei sehr “soft“. Die Begriffe “de façon certaine“ werden in England und
Deutschland jeweils übersetzt mit “with reasonable certainty“ (was soviel heißt wie “avec une
certitude raisonnable“, was „angemessene Sicherheit“ bedeutet) und “mit hinreichender
Sicherheit“ (“avec une certitude suffisante“). Die divergierenden Auslegungen in den
verschiedenen Staaten könnten auf diesen Unterschied in der Übersetzung zurückzuführen
sein.726 In der fränzösischen Fassung wäre die Wortwahl “de façon nécessaire“ besser gewesen
als “de façon certaine“, um auch die französische Fassung weniger streng und stattdessen
anpassungsfähiger zu gestalten. Schwierigkeiten bereitet im französischen Kollisionsrecht die
Frage, was man unter einer angemessenen oder hinreichenden Sicherheit verstehen muss.
Anhand der Indizien kann man im französischen Kollisionsrecht zwar von einem hinreichenden
Beweis für eine stillschweigende Rechtswahl sprechen, aber nicht von einer hinreichenden
Sicherheit. Die Literatur727 vertritt die Ansicht, es sei schwer einzusehen, dass es verschiedene
Stufen der Sicherheit geben können solle, denn entweder sei eine Sache sicher oder eben nicht.
723 The Assunzione (1954) P.D., 150; Graveson, S. 431. 724 Batiffol, Traité, S. 651. 725 So Kassis, S. 362, 366 f. 726 Vgl. hierzu insbesondere Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 727 Vgl. Kassis, S. 362, 366 f.
-126-
Der Text hätte in der Tat mehr für Zufriedenheit gesorgt, wenn er festgesetzt hätte, dass die
Rechtswahl bewiesen sein muss.
Jeder Staat, der das EVÜ anwendet, hätte dann sein Recht individuell über die Beweise
ausgestalten können. Zweifelhaft bleibt, ob es eine Frage des Ausdrucks bzw. der Darstellung
oder eine Art Phraseologie ist, von „angemessener“ oder „hinreichender“ Sicherheit zu
sprechen.
Die unterschiedlichen Fassungen des EVÜ dürfen nicht dazu führen, dass jeder Richter aus
einer anderen Rechtsordnung die stillschweigende Rechtswahl anders auslegt bzw. interpretiert.
Eine solche Divergenz lässt sich auch nicht damit erklären, dass jeder Richter Schwierigkeiten
hat, ein neues internationales Übereinkommen losgelöst von den Vorgaben seines vorherigen
nationalen Rechts zu interpretieren. Es handelt sich um ein Missverständnis, was die Bedeutung
der einzelnen Wörter des Textes des EVÜ angeht. Dieses Problem kann nur anhand von
Beweisen für eine stillschweigende Rechtswahl gelöst werden, so dass es auf die Unterschiede
in der Wortbedeutung nicht mehr ankommt.
Eine stillschweigende Rechtswahl zu beweisen, ist die Rechtfertigung der Indizien.
Für den französischen Professor Lagarde728 liegt der Sinn des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ trotz
dieser Variationen darin, eine stillschweigende, dennoch aber sichere Rechtswahl zuzulassen.
Eine Wahl, die schlicht und einfach indirekt ist, soll hingegen beseitigt werden.
Ausgehend von diesem Hintergrund betrachtet er die Indizien für eine stillschweigende
Rechtswahl sehr kritisch und hat seine Zweifel, ob sie tatsächlich als solche tauglich sind.
Als Beispiel einer solchen bloß indirekten Rechtswahl führt Lagarde eine Rechtwahl an, die aus
einer Gerichtsstandsklausel zugunsten eines bestimmten Staates resultiert, ohne dass ein
zusätzliches Indiz auf einen Rechtswahlwillen der Parteien zugunsten dieses Staates schließen
lässt. Allerdings ist die Stichhaltigkeit dieser Interpretation zweifelhaft.
Der Interpret des EVÜ fühlt sich häufig verloren in den Begriffen „choix tacite mais certain“,
„choix implicite“, „choix présumé“ und „choix hypothétique“. Er hat das Gefühl, sich in einem
nicht klar umrissenen Gebiet zu befinden, einem Gebiet des Schattens hinsichtlich des
Beweises der Rechtswahl. Die von dem EVÜ benutzten Wörter tragen auf ihre Art dazu bei,
Verwirrung zu stiften. Dies verdeutlicht sich auch in den französischen Urteilen.
728 Lagarde, Rev.crit.dr. int.priv. 1989, 835 ff. (837); ders., Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287 (303).
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Der zweideutige Text des EVÜ mit seiner „hinreichenden Sicherheit“ erweckt den Anschein,
dass man eine Frage des Rechtsbeweises zu einer Frage des Internationalen Privatrechts
machen wollte. Der Beweis der Rechtswahl ließe sich durch ein Indiz aus den Bestimmungen
des Vertrages oder Umständen des Falles lösen. Damit hätte man eine reale Tatsache, die eine
Wahrscheinlichkeit einer Rechtswahl beinhaltet, so dass der Richter daraus eine Entsprechung
für eine Sicherheit entnehmen könnte. Handelt es sich um Indizien, die auf eine Rechtswahl
hinweisen, kann einzig und allein die Überzeugung des Richters den Indizien einen
hinreichenden, beweiskräftigen Wert geben, um der von dem EVÜ geforderten Sicherheit zu
dienen. Alles reduziert sich darauf, zu wissen, ob Indizien für eine Rechtswahl vorliegen. Reale
Tatsachen aus den Umständen des Falles können die Rechtswahl beweiskräftig machen. Es gibt
Situationen, in denen man ohne zu zögern versichern kann, dass solche Indizien nicht
vorhanden sind. In derartigen Situationen ist es offensichtlich, dass keine Rechtswahl der
Parteien vorliegt. Dann kommt der sogenannte hypothetische Parteiwille zum Tragen. In
Wirklichkeit findet der Richter hierbei nicht das Recht heraus, das die Parteien gewählt hätten,
wenn sie an die Notwendigkeit einer Rechtswahl gedacht hätten. Er kann zumindest in diesem
Schritt nicht eine Untersuchung des Parteiwillens vornehmen, weil der Richter unter dem
Deckmantel des hypothetischen Parteiwillens in Wahrheit nur seine eigenen Vorstellungen
ausdrückt. Sobald ein einzelnes oder mehrere Indizien vorhanden sind, ist es die Überzeugung
des Richters, die bestimmt, dass die Indizien als „hinreichender“ Beweis einer Rechtswahl, mit
anderen Worten einer entsprechenden Sicherheit, dienen. Ansonsten hat der Richter, wie sich
gerade im französischen Kollisionsrecht feststellen lässt, die Möglichkeit über die
Ausweichklausel des Art. 4 Abs. 5 EVÜ, indem er das Fehlen einer Rechtswahl feststellt, dem
nach seiner Vorstellung anwendbaren Recht zum Durchbruch zu verhelfen.
Die dargestellte Praxis der Mitgliedstaaten Deutschland, England und Frankreich zu der
stillschweigenden Rechtswahl zeigt deutlich, dass ohne eine Entscheidungs- bzw.
Auslegungskompetenz eines supranationalen Spruchkörpers (des Gerichtshofs der
Europäischen Gemeinschaft)729 eine Rechtsvereinheitlichung auf internationaler Ebene bzw. ein
einheitliches Internationales Privatrecht für Schuldverträge nicht möglich ist.730 Der “effet
729 Nach den Auslegungsprotokollen hat der EuGH zunächst keine Interpretationsbefugnis; eine solche wird erst nach Ratifizierung durch sieben Mitgliedstaaten vorliegen, vgl. ABl. EG 1989, Nr. L 48, S. 1 ff. 730 Vgl. hierzu Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.
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utile“731, das Streben, dem Europarecht zur größtmöglichen Wirksamkeit zu verhelfen, wäre
gefährdet, was im Hinblick auf die angestrebte Einheit des europäischen Kollisionsrechts sehr
bedenklich ist. Daher sind die in den verschiedenen Übereinkommenstexten der Mitgliedstaaten
verwendeten Begriffe auch gemeinschaftsrechtlich nach dem “effet utile“ auszulegen.
C. Exkurs: Die stillschweigende Rechtswahl in dem Nicht-EU-Mitgliedstaat
Schweiz
Auch in der Schweiz als Nicht-EU-Mitgliedstaat wird die stillschweigende Rechtswahl aus von
der Rechtsprechung entwickelten Indizien hergeleitet.732 Es handelt sich dabei um dieselben
Indizien wie die der EU-Mitgliedstaaten für eine stillschweigende Rechtswahl.
I. Vertragsrecht
Gemäss Art. 116 II IPRG733 muss die Rechtswahl ausdrücklich sein oder sich eindeutig aus
dem Vertrag oder aus den Umständen ergeben. Damit hat der schweizerische Gesetzgeber in
Art. 116 II S. 1 IPRG eine Minimalanforderung an die Rechtswahl aufgestellt.734 Diese als
Sachnorm zu qualifizierende Norm bestimmt, dass der Richter zunächst in Abgrenzung zu
einem bloß hypothetischen Willen prüfen muss, ob ein Wille der Parteien zum Abschluss eines
Rechtswahlvertrages tatsächlich vorliegt.735 Im Übrigen werden Zustandekommen und
Wirksamkeit der Rechtswahl nach dem gewählten Recht beurteilt.736 Eine Rechtswahl setzt
mithin übereinstimmende gegenseitige ausdrückliche oder stillschweigende
Willensäusserungen der Parteien voraus.737
Das Bundesgericht in der Schweiz musste Fälle, in denen die Parteien eine ausdrückliche
Rechtswahl getroffen hatten, relativ selten entscheiden. Umso mehr beschäftigte es sich mit der
Frage, ob im konkreten Fall aus den Umständen auf eine stillschweigende Rechtswahl
731 Diese Formulierung geht auf den Europäischen Gerichtshof zurück. In verschiedenen Urteilen hat nämlich der Gerichtshof die Mitgliedstaaten verpflichtet, alles zu tun, was zu der Anwendung und Durchsetzung des Gemeinschaftsrechts notwendig ist. In der französischen Bezeichnung nennt man dies den effet utile des Gemeinschaftsrechts. Der EG-Vertrag begründet also nach dieser Rechtsprechung für die Mitgliedstaaten die Verpflichtung, keine Maßnahmen zu ergreifen oder aufrechtzuerhalten, die die praktische Wirksamkeit, also den effet utile, von Regeln beeinträchtigen können. Dazu grundlegendes Urteil Yvonne van Duyn gegen Home Office v. 4.12.1974 (Amtl. Sammlung 1974, S. 1337). 732 Vgl. BGE AJP 1993, 863 f. mit Anm. Schwander; Brulhart, S. 216 Nr. 435, 436; Heini/ Keller/ Siehr/ Vischer/ Volken, IPRG Kommentar, Art. 116 Rn. 68 ff.; Honsell/ Vogt/ Schnyder, Art. 116 Rn. 39 ff.; Vischer, Int. VertrR, S. 69 ff. 733 Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 1.1.1989. 734 Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, S. 481. 735 Brulhart, S. 124 Nr. 259; Heini/ Keller/ Siehr/ Vischer/ Volken, IPRG Kommentar, Art. 116 Rn. 59. 736 Hierzu Brulhart, S. 124 Nr. 260; Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, S. 481 f. 737 Art. 116 II IPRG; vgl. auch Schwander, Einführung in das internationale Privatrecht, S. 481.
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geschlossen werden konnte.738 Es ist schwierig, anhand der Rechtsprechung des Bundesgerichts
zu bestimmen, wann allgemein eine stillschweigende Rechtswahl vorliegt. Voraussetzung ist
jedenfalls „eine übereinstimmende Willensbekundung seitens der Parteien, aus der zweifelsfrei
ersichtlich ist, dass beide ein und dieselbe Rechtsordnung auf ihr Vertragsverhältnis
angewendet wissen wollen“.739 Als Indizien hat die schweizerische Rechtsprechung wie auch in
den EU-Mitgliedstaaten die Gerichtsstandsvereinbarung740, die Vereinbarung eines
Erfüllungsortes741, eines Abschlussortes742, die Vertragssprache und Benutzung typischer
Rechtsinstitute und Klauseln einer Rechtsordnung743 sowie die Benutzung von
Formularverträgen und AGB744 anerkannt. Während in Deutschland das Verhalten der Parteien
im Prozess zu der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl führt, wird in der
schweizerischen Rechtsprechung745 eine stillschweigende Rechtswahl aufgrund der Tatsache,
dass beide Parteien von der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts ausgehen oder darauf
Bezug nehmen, meistens abgelehnt, wenn ein solches Verhalten der einzige Anhaltspunkt für
eine Rechtswahl ist. Stets erforderlich sei nämlich, dass aus dem Vertragsinhalt oder aus den
Umständen des Einzelfalles auf einen bewussten Rechtswahlwillen der Parteien geschlossen
werden könne.746 Dieser dürfe nur angenommen werden, wenn „...zusätzliche objektive
Anhaltspunkte den Schluss zulassen, damit solle in Abweichung der objektiven
kollisionsrechtlichen Anknüpfung ein anderes materielles Recht bestimmt werden“.747 Als
weitere sich aus den Umständen ergebende Indizien können das gemeinsame Personalstatut und
der Zusammenhang des Sachvertrages mit anderen Verträgen genannt werden.748
Die Rechtswahl steht als Vertrag mit kollisionsrechtlichem Zweck an der Schnittstelle von
Schuldrecht und IPR und unterliegt somit den Wirksamkeitsvoraussetzungen beider
Rechtsgebiete.749 Da die Rechtswahl ein Rechtsgeschäft ist, ist es im Falle eines Mangels
anhand der allgemeinen Regeln über Vertragsauslegung, Vertrauensprinzip, Treu und Glauben,
Vertragsergänzung und Anpassung an veränderte Verhältnisse, aufrechtzuerhalten.750
738 Heini/ Keller/ Siehr/ Vischer/ Volken, IPRG Kommentar, Art. 116 Rn 11. 739 Vgl. BGE 81 II 175 ff., 87 II 200 f., 99 II 317 f. 740 BGE 60 II 204, 72 III 52, 76 II 48, 82 II 553, 88 II 191 ff., 94 II 355 ff., 100 II 34, 111 II 179. 741 BGE 29 II 260 ff. (262). 742 BGE 82 II 450, 87 II 194 ff., 106 II 36 ff. 743 BGE 62 II 140. 744 BGE 71 II 287; ZR 79 (1980) Nr. 41. 745 Vgl. BGE 87 II 194 ff., bestätigt durch BGE 88 II 325 ff., 89 II 214 ff., 89 II 265 ff., 91 II 44 ff., 91 II 442 ff., 92 II 10 ff., 99 II 317 ff. 746 BGE 87 II 174 f., 91 II 445. 747 BGE 119 II 176; vgl. ferner Cour Civile Wallis, RVJ 1993, 292; Oger Uri, RBUR 1990, 34 f. 748 Vgl. Heini/ Keller/ Siehr/ Vischer/ Volken, IPRG Kommentar, Art. 116 Rn. 76 ff.; Honsell/ Vogt/ Schnyder, Art. 116 Rn. 44. 749 Honsell/ Vogt/ Schnyder, Art. 116 Rn. 48. 750 Schwander, FS Lalive, S. 484.
-130-
Der Richter sollte bei Schwierigkeiten der stillschweigenden Rechtswahl nicht direkt zur
objektiven Anknüpfung greifen, sondern zuerst die Parteien befragen, ob sie in Kenntnis der
Umstände eine neue Rechtswahl treffen wollen.751
II. Erbstatut
Das Erbstatut ist deshalb im Schweizer Recht besonders interessant, weil im Gegensatz zum
Vertragsrecht das Bewusstsein, dass eine Rechtswahl getroffen wird, nicht vorhanden zu sein
braucht. Gemäss Art. 90 I IPRG untersteht der Nachlass einer Person mit letztem Wohnsitz in
der Schweiz schweizerischem Recht. Eine Rechtswahlerklärung zugunsten ausländischen
Heimatrechts wird in der Rechtsprechung752 jedoch grosszügig ausgelegt. Entscheidend ist,
dass die Rechtswahl bestimmt erfolgt und nicht rechtsmissbräuchlich ist.753 Eine Rechtswahl
zugunsten des schweizerischen Erbstatuts kann sich auch aus der Wortwahl und ähnlichen
Umständen ergeben.754
III. Ergebnis und Lösung
In der Schweiz bestehen dieselben Schwierigkeiten mit der stillschweigenden Rechtswahl wie
auch in den EU-Mitgliedstaaten, da auch in der Schweiz die Festlegung eines stillschweigenden
Rechtswahlwillens anhand eines Indizienkataloges erfolgt. Eine mögliche Lösung wäre es, den
Gerichten in IPR-Fällen mehr Freiheit zuzubilligen. Diese Freiheit sollte auch beinhalten, die
Frage des anwendbaren Rechts offenlassen zu dürfen, wenn die Rechtsfolgen übereinstimmen.
Es ist erforderlich, dass den Gerichten bei der Umsetzung des nationalen Rechts mehr
Entscheidungsfreiraum zugesprochen wird.755
D. Zusammenfassung der Ergebnisse der europäischen Untersuchung
I. Ergebnisse der Untersuchung der einzelnen Vertragsstaaten
1. In Deutschland
Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB knüpft zur Bestimmung, welches Recht anwendbar ist, an den nicht
ausdrücklich, sondern stillschweigend erklärten Parteiwillen an. Dieser muss sich allerdings
„mit hinreichender Sicherheit aus den Bestimmungen des Vertrages oder den Umständen der
Falles“ ergeben. Wann dies der Fall ist, muss mangels Gesetzesdefinition durch Auslegung des
751 Vgl. zu den Möglichkeiten einer „Rettung“ einer Rechtswahl Schwander, FS Lalive, S. 484. 752 Vgl. BGE 125 III 35. 753 BGE 111 II 16 Erw. 3. 754 BGE 125 III 35. 755 Schwander, Rechtskollisionen, FS Heini, S. 403 f.
-131-
Gesetzes ermittelt werden. Dabei sind sowohl der Standpunkt des EGBGB und des EVÜ wie
auch die Vereinheitlichungsbestrebungen mit einzubeziehen.
Eine Interpretation des Gesetzeswortlauts ergibt, dass sowohl „hinreichende Sicherheit anhand
der Vertragsbestimmungen“ für die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl wie
kumulativ auch die „Umstände des Einzelfalles“ maßgeblich sind, mithin kein
Alternativitätsverhältnis zwischen diesen Voraussetzungen besteht, wie es auf den ersten Blick
erscheinen mag. Ferner konnte festgehalten werden, dass für die kollisionsrechtliche
Vereinbarung über das anwendbare Recht ebenso wie für die rechtsgeschäftliche Einigung im
materiellen Recht sowohl die objektiven wie auch die subjektiven Voraussetzungen einer
Willenserklärung vorliegen müssen. Daher kann eine stillschweigende Rechtswahl nur dann
vorliegen, wenn ein objektiver Erklärungstatbestand gesetzt wurde, und die Parteien subjektiv
das Erklärungsbewusstsein für eine Rechtswahl hatten.
Zu der Ermittlung eines objektiven Erklärungsinhalts bezüglich einer Rechtswahl ist auf die
Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers aus dem Verkehrskreis der Beteiligten
abzustellen, wobei stets die Umstände des Einzelfalles mit einzubeziehen sind. Die Ermittlung
des stillschweigenden Parteiwillens erfolgt in der Praxis nach von der Rechtsprechung
entwickelten Indizien. Zu berücksichtigen ist, dass die Tauglichkeit dieser Indizien, als Beleg
für eine stillschweigende Rechtswahl zu dienen, eng begrenzt ist und aus der Anknüpfung an
unterschiedliche Indizien Unsicherheiten resultieren. Die untersuchten Indizien sind alle nicht
aussagekräftig.
Jedem der oben einzeln aufgezählten Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl steht
mindestens ein – bereits angeführtes – Argument entgegen, es als Anknüpfungspunkt für
internationale Schuldverträge anzusehen: Die Untersuchung der typischen Indizien, die unter
Einbeziehung der Rechtsprechung und Literatur auf eine stillschweigende Rechtswahl
hindeuten, hat aufgezeigt, dass das Auslegungsergebnis grundsätzlich von der Tatsache
beeinflusst wird, dass die Gerichte vorzugsweise ihr eigenes Recht anwenden und somit die
Rechtswahlfreiheit der Parteien von den Gerichten missbraucht wird. Teilweise werden
grenzüberschreitende Bezüge eines Falles von den Gerichten sogar ignoriert, um zu der für die
Richter einfachen Anwendung deutschen Rechts zu gelangen. Die stillschweigende Rechtswahl
führt in der Regel mithin zur lex fori. Dabei wird übersehen, dass das Kollisionsrecht nicht der
Bequemlichkeit der Richter und Rechtsanwälte dient, sondern der international
privatrechtlichen Gerechtigkeit zwischen den Parteien. Hinzu kommt, dass bei den meisten
Indizien nicht ohne Zweifel davon ausgegangen werden kann, dass die Parteien bei deren
-132-
Entstehen in dem Bewusstsein handelten, eine Rechtswahl zu treffen, auch wenn den einzelnen
Indizien unterschiedliches Gewicht beizumessen ist. Wenn keine Rechtswahl vorliegt, darf sie
auch nicht „durch die Hintertür“ eingeführt werden. Die als typische Indizien bezeichneten
Kriterien für eine stillschweigende Rechtswahl haben keinen abstrakt-generellen
Aussagegehalt. Vielmehr ist festzuhalten, dass bei der Frage der stillschweigenden Rechtswahl
vor allem der Zusammenhang mit weiteren Kriterien und den einzelnen Umständen des Falles
maßgeblich ist. Die Bewertung der einzelnen Indizien bleibt unklar, da sie von Fall zu Fall als
bedeutend oder unbedeutend eingestuft werden. Die vorliegenden Urteile zeigen insofern
häufig methodische Schwächen. Da es keinen Indizienkatalog für Willenserklärungen gibt,
sollte es ihn auch in diesem Fall der stillschweigenden Rechtswahl nicht geben, da er eben nur
in bestimmten Situationen – wenn überhaupt – einen Schluss auf einen Rechtswahlwillen der
Parteien zulässt.
Eine zumindest teilweise Voraussehbarkeit hinsichtlich der Bewertung der einzelnen Indizien
und ihrem Verhältnis zueinander kann nur für typische, wiederkehrende Fälle geschaffen
werden. Dies ist nicht zufriedenstellend, denn es bleibt immer noch die Frage, warum die
Parteien die Rechtswahl nicht direkt schriftlich festgehalten haben. Vielmehr wäre in der
deutschen Rechtspraxis hinsichtlich der stillschweigenden Rechtswahl zu wünschen, dass die
Umstände des Einzelfalles mehr Berücksichtigung und die Einschränkung, dass eine
stillschweigende Rechtswahl nur bei hinreichender Sicherheit angenommen werden darf, mehr
Beachtung finden. Im Lichte des Einzelfalles ist zu untersuchen, warum die Parteien eine
Rechtswahl nicht ausdrücklich vereinbart haben. Zudem ist die Bedeutung der einzelnen
verschiedenen Indizien besser herauszustellen. Die kollisionsrechtliche Parteiautonomie darf
nicht weiterhin für den Zweck einer Bevorzugung der lex fori missbraucht werden und die
Praxis der deutschen Rechtsprechung zur stillschweigenden Rechtswahl im internationalen
Vertragsrecht sollte in Zukunft nicht gegen Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ verstoßen.
Zu betonen ist, dass ein Indizienkatalog nichts mit einem Parteiwillen und somit einer
Rechtswahl zu tun hat, sondern mehr mit einer objektiven Anknüpfung im Rahmen des Art. 4 V
EVÜ. Die deutschen Gerichte stellen das Willenselement oft nicht fest und prüfen es nicht,
weshalb häufig der Eindruck der Feststellung des hypothetischen statt des konkludenten
Parteiwillens entsteht. Zwar unterscheidet die deutsche Rechtsprechung theoretisch zwischen
stillschweigender und hypothetischer Rechtswahl, vermengt aber in der Praxis beides
miteinander.
-133-
Generell bleibt zu wünschen, dass der BGH die bei der Feststellung eines konkludenten
Verweisungsvertrages zu prüfenden Rechtsfragen streng untersucht und der Tendenz der
Tatsacheninstanz entgegenwirkt, eine stillschweigende Rechtswahl festzustellen, um so die
rechtliche Überprüfung des kollisionsrechtlichen Abwägungsprozesses im Rahmen der
Generalklausel bei der objektiven Anknüpfung zu vermeiden.
Es müssen klarere Voraussetzungen für die stillschweigende Rechtswahl geschaffen und eine
schärfere Abgrenzung des stillschweigenden Parteiwillens zum bloß hypothetischen
Parteiwillen aus Gründen der Methodik und Rechtssicherheit gezogen werden. Während bei
der hypothetischen Rechtswahl der Richter fragt, welches Recht die Parteien gewählt hätten,
wenn sie eine diesbezügliche Vereinbarung getroffen hätten, wird bei der stillschweigenden
Rechtswahl eine tatsächlich erfolgte Willensübereinkunft gefordert, die allerdings nicht
ausdrücklich erfolgt ist. Es muss scharf zwischen dem fiktiven Willen und der konkludenten
Willensübereinkunft getrennt werden. Dies misslingt den Gerichten leider oft.
Bei der Feststellung des konkludenten Parteiwillens handelt es sich um eine nicht revisible,
tatsächliche Entscheidung. Das vom Tatrichter festgestellte und angewendete ausländische
Recht ist nicht revisibel (§ 545 Abs. 1 ZPO), das Revisionsgericht überprüft lediglich die
Einhaltung der Ermessensgrenzen.756 Die Feststellung des hypothetischen Parteiwillens
hingegen ist revisibel.
Deshalb sind strengere Anforderungen an eine stillschweigende Rechtswahl zu stellen.
Insbesondere der Begriff der „hinreichenden Sicherheit“ eröffnet der Rechtsprechung erneut
vom Gesetz nicht gedeckte Spielräume in der Bestimmung des stillschweigenden Parteiwillens.
Die Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl darf nicht zu grosszügig erfolgen.
Hier besteht im deutschen Internationalen Privatrecht dringender Verbesserungsbedarf.
Dies könnte dadurch erreicht werden, dass man entweder grundsätzlich ein
Ausdrücklichkeitserfordernis für die Rechtswahl in dem Übereinkommen festlegt oder die
Regelung der stillschweigenden Rechtswahl an sich schärfer fasst. Nur indem man die Parteien
zwingt, sich in Klarheit über das anwendbare Recht auszusprechen, kann man zwingend den
Schluss ziehen, dass das Recht unter Ausgleichung der gegenseitigen Parteiinteressen bestimmt
wurde.
Auch wenn sich wegen des Charakters des Verweisungsvertrages eine absolute Sicherheit in
der Ermittlung einer stillschweigenden Rechtswahl fast nicht erreichen lässt, darf dennoch eine
756 Vgl. zum Beispiel BGH NJW 1991, 1418 f.; Musielak/ Huber, § 293 Rn. 8, 9.
-134-
Anknüpfung an Anhaltspunkte, die genauso gut nur ein Beweggrund für eine Rechtswahl sein
könnten, nicht ausreichen. Bei Zweifeln über das Vorhandensein übereinstimmender
Willenserklärungen, ist vielmehr zwingend eine objektive Anknüpfung nach den Kriterien des
Art. 28 Abs. 1-5 EGBGB vorzunehmen. Das aufgezeigte Erfordernis der Eindeutigkeit einer
Rechtswahl, das eine Abgrenzung zu einer hypothetischen Rechtswahl ermöglichen soll, lässt
sich nicht mit der Annahme einer Einigung der Parteien über das anwendbare Recht gestützt
auf reines Schweigen einer Partei vereinbaren. Andererseits stellt die objektive Anknüpfung
anstelle des gewählten Rechts keine Patentlösung dar, da es oft schwierig ist, den objektiven
Schwerpunkt des Vertrages zu ermitteln. Zudem liefe dies nur auf eine Problemverschiebung
hinaus.
Eine andere Möglichkeit wäre, dass der BGH dem durch eine konsequente Änderung seiner
Rechtsprechung voraus griffe oder zumindest in die Erwägungsgründe eines
Gemeinschaftsinstruments Richtlinien für die Richter geschrieben werden, so dass diese zu
einer Änderung der Rechtsprechung gezwungen sind.
2. In England
Im Gegensatz zum deutschen Richter hält sich der englische Richter bei der Auslegung einer
Willenserklärung sowie der eines Gesetzes viel stärker an den Wortlaut. Das bedeutet, dass sich
die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien tatsächlich aus dem ergeben, was sie vereinbart
und nicht aus dem, was sie eventuell gewollt haben. Dieser auf den ersten Blick sehr strenge
Grundsatz wird aufgelockert durch die Möglichkeit, den ausdrücklichen Vertragsinhalt durch
stillschweigende Vertragsbestandteile (“implied terms“) zu ergänzen. Dabei spielen
Verkehrssitte, Handelsbrauch und Gesetz eine Rolle. Während das Common Law am
Vertragsinhalt noch uninteressiert war und keine ergänzende Rechtsordnung für Vertragslücken
bereithielt, haben diese Funktion nun verschiedene jüngere Gesetze übernommen.
Wenn Vertragslücken nicht durch dispositives Gesetzesrecht geschlossen werden können,
dienen die „implied terms“ der richterlichen Vertragsergänzung (ähnlich dem deutschen § 157
BGB).757 Keines der konkreten Indizien für einen stillschweigenden Rechtswahlwillen der
Parteien während des Vertragsschlusses ist absolut überzeugend. Auch eine Vielzahl an
Indizien führt nicht zwangsläufig in eine bestimmte Richtung, obwohl das unter manchen
Umständen hilfreich wäre. Das Aufstellen einer solch allgemeingültigen Regel würde
tatsächlich zu einer objektiven Anknüpfung und damit zu dem vermuteten, hypothetischen
anstatt dem stillschweigenden Parteiwillen führen. Auffällig ist, dass es bei den in England
757 Vgl. The Moorcock (1889) 14 P.D., 64 (68).
-135-
relevanten Indizien entscheidend darauf ankommt, ob sie zur Wirksamkeit des Vertrages
führen: Unabhängig davon, welches Indiz man betrachtet, seine wahre Bedeutung besteht
jeweils darin, dass es zu dem Recht führt, das dem Vertrag zur grösstmöglichen Wirksamkeit
verhelfen könnte. Es wird stets die angenehmste, am wenigsten komplizierte Rechtswahllösung
gewählt, was sinnvoll erscheint. Auch im englischen Recht kommt einigen Indizien mehr
Gewicht zu als anderen. Ebenso sind einige Indizien speziellerer Art und zum Beispiel nur auf
bestimmte Verträge anwendbar, während andere einen allgemeingültigeren Aussagegehalt
haben. Die Überzeugungskraft der Indizien hängt jeweils von ihrem Wichtigkeitsgrad und den
Umständen des Falles ab.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass – unabhängig davon, ob das EVÜ im englischen
Recht eine Veränderung markiert oder nicht – seine praktische Auswirkung jedenfalls nicht so
gross zu sein scheint wie man hätte annehmen können.
3. In Frankreich
Vor französischen Gerichten wurde das EVÜ – wie bereits ausgeführt – vor seinem
Inkrafttreten anerkannt. Das EVÜ und das französische autonome Internationale Privatrecht
sind sich sehr ähnlich und stimmen beide in einem der wichtigsten Grundsätze, der Freiheit der
Rechtswahl, überein. Im Gegensatz zum französischen Kollisionsrecht gibt das EVÜ allerdings
genauer und klarer als das französische Recht Antworten auf die Probleme der nachträglichen
Rechtswahl, des Verweisungsvertrages, die Frage, ob es möglich ist, verschiedene
Vertragsaspekte verschiedenen Rechten zu unterstellen (sogenannte dépecage) und vor allem
hinsichtlich der Anforderungen an eine stillschweigende Rechtwahl. Während im Rahmen des
EVÜ die Forderung, dass sich die stillschweigende Rechtswahl “de façon certaine“ ergeben
muss, nicht eindeutig erscheint, war die vorherige Rechtssitutation diesbezüglich noch
undurchsichtiger. Bei der Untersuchung der Indizien, anhand derer eine stillschweigende
Rechtswahl in der Praxis festgemacht wird, sind – wie auch in den anderen Rechtsordnungen –
die jeweiligen Umstände des Falles und das verschiedene Gewicht der einzelnen Indizien zu
berücksichtigen.
Betrachtet man die französischen Entscheidungen, entsteht der Eindruck, eine Einigung der
Parteien sei einfacher über einen bestimmten Richter als über eine bestimmte Rechtsordnung zu
erwirken. Es ist jedoch irreführend, die Einigung der Parteien von einem bestimmten Richter
abzuleiten, die Rechtswahl aber aus einem bestimmten Recht zu folgern.
-136-
II. Schlussfolgerungen aus gesamteuropäischer Sicht und Ausblick
Mit Inkrafttreten des EVÜ und bereits vorher in den Vertragsstaaten, in denen die Vorschriften
des EVÜ als nationales Recht galten oder die Rechtsprechung beeinflussten, wurde ein
„bipolares“ internationales Vertragsrecht geschaffen. Zum einen wurde die kollisionsrechtliche
Parteiautonomie zur Bestimmung des Vertragsstatuts bedingungslos zugelassen. Zum anderen
erfährt die Rechtswahlfreiheit ihre Grenzen durch die gesonderte Anknüpfung drittstaatlicher
zwingender Normen oder zwingender Normen der lex fori.
Im Rahmen des Art. 3 EVÜ sorgen die Vertragsparteien in allen drei hier dargestellten
Rechtsordnungen durch eine durchdachte Rechtswahl grundsätzlich dafür, dass der Vertrag
insgesamt oder zumindest ein Teil des Vertrages einer bestimmten Rechtsordnung unterstellt
wird.
Innerhalb des europäischen Rechtskreises konnten neben Gemeinsamkeiten vor allem
gravierende Unterschiede festgestellt werden. Gemeinsam ist den EU-Mitgliedstaaten
Deutschland, England und Frankreich die europäische Rechtsauffassung, dass reines
Schweigen, das heißt die Tatsache, dass die Parteien zur Frage des anwendbaren Rechts keine
Stellung nehmen, nicht ausreicht, um auf die Maßgeblichkeit der lex fori zu schließen.
Vielmehr scheint überwiegend eine richterliche Prüfpflicht angezeigt. Auch die aufgestellten
Kriterienkataloge, anhand derer eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis festgemacht
wird, stimmen weitestgehend in allen drei Rechtsordnungen überein und unterscheiden sich nur
in einzelnen Punkten und ihrer jeweiligen Gewichtung. So wirkt sich zum Beispiel das generell
sehr starke Indiz der Gerichtsstandsklausel vor allem in England positiv und am häufigsten
zugunsten einer stillschweigenden Rechtswahl aus, ohne dass weitere Indizien hinzukommen
müssten.
Art. 3 EVÜ markiert in allen drei Rechtsordnungen in gewissem Maße insofern eine
Veränderung im Gegensatz zu dort vorher geltendem Recht, als die Grenze zwischen einem
stillschweigenden Rechtswahlwillen der Parteien und einem – von den Gerichten aus
objektiven Kriterien gefolgerten – hypothetischen Parteiwillen oft verwischt wurde. Hier ist in
allen drei Rechtsordnungen zumindest eine Verbesserung zu erkennen.
An Unterschieden konnte Folgendes festgestellt werden: Während in Deutschland der Richter
an die Interessen der Parteien gebunden ist und kaum Möglichkeiten hat, sich über den
Parteiwillen hinwegzusetzen, kann der französische Richter entgegen dem Parteiwillen
ausländisches Recht anwenden. Zudem gilt im deutschen Recht auch im autonomen
internationalen Schuldvertragsrecht die Regelung des EVÜ, während sich das französische
-137-
autonome Internationale Privatrecht für internationale Verträge vom EVÜ unterscheidet, da der
Rechtswahlvertrag ausdrücklich abgeschlossen werden muss. Zu beachten ist dabei, dass der
Begriff „ausdrücklich“ in der französischen Literatur sehr weit ausgedehnt worden ist.
Weiterhin war der französischen Bestimmung des Vertragsstatuts bis zum Inkrafttreten des
EVÜ eine Trennung zwischen stillschweigendem und hypothetischem Parteiwillen fremd,
während das deutsche Recht dagegen spätestens seit der Internationalen Privatrechtsreform im
Jahre 1986 zumindest theoretisch streng zwischen der Anknüpfung an den stillschweigenden
Parteiwillen und der Ausrichtung an objektiven Anknüpfungsfaktoren (vgl. Art. 28 EGBGB)
unterscheidet, auch wenn sich diese Unterscheidung leider nicht immer in der deutschen
Rechtsprechungspraxis widerspiegelt. Während der stillschweigende Parteiwille als ein
konkretes Wahrscheinlichkeitsurteil über den Parteikonsens zu verstehen ist, kann man die
objektiven Anknüpfungsfaktoren diesbezüglich als ein abstraktes Wahrscheinlichkeitsurteil
ansehen.
Die stillschweigende Rechtswahl muss sich nach dem Übereinkommenstext in Deutschland mit
„hinreichender Sicherheit“ erschließen lassen und in England mit “reasonable certainty“.
Die französische Fassung spricht von „de façon certaine“, was strenger sein könnte, da es ein
viel höheres Maß an Sicherheit anzeigt als die englische oder deutsche Fassung. Diese mehr
fordernde Formulierung in der französischen Fassung gegenüber der englischen und deutschen
könnte zu verschiedenen nationalen Annäherungen geführt haben. Die deutschen und
englischen Gerichte haben – vielleicht aufgrund des weniger restriktiven Wortlauts des Art. 3
EVÜ und unter dem Einfluss ihrer früheren Lösungen – weniger Bedenken, eine
stillschweigende Rechtswahl zu bejahen als die französischen Gerichte.
Dennoch besteht gemäss Art. 33 Abs. 3 WVK eine Vermutung für eine übereinstimmende
Bedeutung, selbst wenn die in der englischen und französischen Fassung verwendeten
Formulierungen wesentlich klarer erscheinen als die in der deutschen Fassung. Die deutsche
Übersetzung ist gegenüber diesen Originalfassungen ungenau: Das EVÜ in der englischen
Fassung von Art. 3 Abs. 1 fordert, dass die „Rechtswahl ausdrücklich sein muss“ oder sich
“with reasonable certainty“ aus den Bestimmungen des Vertrages oder aus den Umständen des
Falles ergeben muss. In der deutschen Fassung wird der Satz “with reasonable certainty“ als
„mit hinreichender Sicherheit“ verstanden, was man ebenso gut übersetzen könnte mit “with
sufficient certainty“ („mit ausreichender Sicherheit“).
Insgesamt ist die Terminologie des Übereinkommens sehr vage. Unklar ist, was unter
„hinreichend“ zu verstehen ist, und ob „hinreichend“ mit „ausreichend“ gleichgesetzt werden
-138-
kann. Darauf gibt es zwar keine eindeutige Antwort, aber immerhin machen zumindest alle
Formulierungen deutlich, dass die Rechtswahl wenigstens real sein muss und nicht vom Richter
unterstellt werden darf. Auch für das Kollisionsrecht muss der Grundsatz der Parteiherrschaft
maßgebend sein.758 Insofern erscheint der europäische Standpunkt, dass die Entscheidung über
das anwendbare Recht im Belieben und der Verantwortung der Parteien steht, zutreffend. Es
besteht kein Grund, den Willen der Parteien zu übergehen, wenn sie sich einig sind, welches
Recht anzuwenden ist.
Wichtig ist, dass Art. 18 EVÜ nicht übersehen wird, in dem sich die Vertragsstaaten zu der
einheitlichen Auslegung und zum Respekt der Auslegung in den anderen Vertragsstaaten
verpflichtet haben. Daher lässt sich als Ergebnis festhalten, dass es sich verbietet, ein Indiz in
einem Vertragsstaat als ein „sicheres“ Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl anzusehen,
während es in einem anderen Vertragsstaat eine ganz andere Bedeutung hat. Dies würde zu
einer Disharmonie im europäischen Rechtsverkehr führen.
Auch wenn das EVÜ, das für die drei hier behandelten Vertragsstaaten Deutschland, England
und Frankreich gilt, kein Gemeinschaftsrecht ist und auch nicht direkt auf Art. 293 EGV beruht,
ist auf der anderen Seite eine aktive Beteiligung der Gemeinschaften bei der Ausarbeitung und
Umsetzung des EVÜ nicht zu leugnen, zumal für die Auslegung des Übereinkommens der
EuGH zuständig ist.759 Daher ist eine fast einheitliche Anwendung bzw. praktische Umsetzung
des EVÜ in den Vertragsstaaten wünschenswert. Eine Möglichkeit wäre, festzuschreiben, dass
eine Rechtswahl grundsätzlich ausdrücklich zu erfolgen hat. Damit könnte die Problematik der
hier aufgezeigten extrem schwierigen Feststellbarkeit einer „mit hinreichender Sicherheit“
vorliegenden Rechtswahl vermieden werden. Von einer mit „hinreichender Sicherheit“
vorliegenden Rechtswahl kann bei Parteien, die teilweise die international privatrechtliche
Problematik überhaupt nicht erkennen oder bei Vertragsschluss zumindest nicht an eine
Rechtswahl denken, nicht die Rede sein. Diese in jeder Hinsicht äußerst wünschenswerte
Bestimmung der Ausdrücklichkeit würde die hier dargestellte Rechtsprechung in den
verschiedenen Mitgliedstaaten bzw. ihre auseinandergehende praktische Umsetzung des
Übereinkommens endgültig verhindern. Wünschenswert ist, dass die jeweiligen zuständigen
Gerichte dem schon durch eine Änderung ihrer Rechtsprechung vorausgreifen.
758 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 17; Lagarde, Rev.crit.dr.int.priv. 1991, 287 (303). 759 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 5 ff.; vgl. auch Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003; Junker, RabelsZ 55 (1991), 674 (682 f.); vgl. auch Kaye, S. 31.
-139-
Der von der deutschen Rechtsprechung zu Recht geforderte „beiderseitige Gestaltungswille“
der Parteien in Bezug auf eine Rechtswahl sollte konsequenter in allen Fällen mit der
Problematik einer stillschweigenden Rechtswahl geprüft bzw. vorausgesetzt werden. Eine
diesbezügliche grundsätzliche Klarstellung durch die Gerichte ist insofern wünschenswert, als
Äußerungen eines Gerichtes im Allgemeinen durch die Notwendigkeiten des jeweiligen Falles
und die Erheblichkeit der Rechtsfrage für die Entscheidung bedingt sind. Hier besteht in allen
drei Rechtsordnungen Bedarf an einer grundsätzlichen Stellungnahme der Gerichte zu diesem
Problemkomplex. Es sind eine präzisere Definition der stillschweigenden Rechtswahl sowie
Mindestvoraussetzungen für die Annahme, dass eine solche vorliegt, erforderlich.
Obwohl in den verschiedenen Vertragsstaaten teilweise für dieselbe Materie unterschiedliche
Staatsverträge gelten, wird der äußere Entscheidungseinklang, der durch internationale
Übereinkommen angestrebt wird, besonders stark gefährdet, wenn diese nicht einmal
angewandt werden. Daher wäre es förderlich, wenn man sich künftig auf europäischer Ebene
eingehender darüber verständigte, inwieweit die Anwendbarkeit bestimmter staatsvertraglicher
Kollisionsnormen durch die Rechtswahl oder das Prozessrecht eingeschränkt werden darf. Mit
dem Schritt der Einigung ist allerdings noch nicht alles Erforderliche getan, um eine
Verbesserung einzuleiten. Vielmehr ist zudem dafür Sorge zu tragen, dass eine sodann
hoffentlich erzielte Einigung von den Gerichten auch umgesetzt wird.
Das europäische Schuldvertragsrecht, das heißt die Gesamtheit gemeinschaftsrechtlicher
Normen, kann uns nur dann zukunftsweisende Lösungen bieten, wenn jeder Mitgliedstaat sich
mit den einzelnen Sachgebieten befasst, die spezifischen Problemlagen erkennt und
dementsprechend sich um deren Lösungen bemüht.
Die hier untersuchten Mitgliedstaaten des Europäischen Schuldvertragsübereinkommens sind
von einer einheitlichen Auslegung der Vertragsbestimmung, was die stillschweigende
Rechtswahl angeht, bis jetzt aber noch weit entfernt. Entscheidungen der obersten Gerichte
anderer Mitgliedstaaten werden oft entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder
jedenfalls nicht ernsthaft tiefergehend untersucht. Gerade die unterschiedliche Auslegung bzw.
Anwendung des EVÜ widerspricht der Universalität des Übereinkommens. Es ist bedenklich,
dass der Gleichklang zwischen dem Staatsvertrag und seiner nationaler Umsetzung in den
verschiedenen Mitgliedstaaten relativ gering ist. Hierin liegt eine Gefahr für die Rechtseinheit.
Um eine einheitliche Anwendung des EVÜ zu begünstigen, ist es angebracht, die
Übersetzungen in die verschiedenen Sprachen anzugleichen und das Grünbuch umzusetzen.
Auch die Auslegungsprotokolle zum Schuldvertragsübereinkommen vom 19.12.1988 werden,
-140-
wenn sie in Kraft treten760, nur ein Vorlagerecht, jedoch keine Vorlagepflicht vorsehen. Das ist
besonders misslich, da die nationalen Rechtsordnungen unterschiedliche Anforderungen an eine
wirksame stillschweigende Rechtswahl stellen. Der nur schwer zu harmonisierende Dualismus
zwischen europäischer Rechtsangleichung und Kollisionsrecht bleibt somit zunächst wohl
bestehen. Das europäische Kollisionsrecht entwickelt sich insofern mühsam, als es durch
technische Schwächen und Koordinationsmängel gekennzeichnet ist. Zudem divergieren die
verschiedenen Lösungen der Mitgliedstaaten in der Praxis zu stark, als dass von einer
„Angleichung“ der nationalen Rechte gesprochen werden könnte. Die kollisionsrechtliche
Praxis zur stillschweigenden Rechtswahl zeigt die noch bestehenden Rechtsunterschiede
zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf, die verringert werden müssen.
Gerade auch im Hinblick auf die Schaffung anderer europäischer kollisionsrechtlicher
Konventionen761, die voranschreitet, ist mit einer weiteren Stärkung der kollisionsrechtlichen
Praxis zu rechnen.
Umso wichtiger ist es, sich vor Augen zu führen, dass langfristig gesehen die Vereinheitlichung
von Kollisionsnormen nicht gelingen kann, wenn die staatsvertraglichen Bestimmungen nicht
auch übereinstimmend von den Mitgliedstaaten ausgelegt werden. Mit der Umwandlung des
Übereinkommens in ein Gemeinschaftsinstrument würde dem EuGH automatisch die
Zuständigkeit für dessen Auslegung übertragen. Da die Entscheidungen des EuGH zu Art. 3
EVÜ im Einzelfall und nur in rechtlicher und nicht tatsächlicher Hinsicht ergehen würden, wäre
der Ausgang eines konkreten Rechtsstreits jedoch nicht voraussehbar. Es kann lediglich davon
ausgegangen werden, dass der EuGH zumindest in den wichtigsten Punkten zur Auslegung von
Art. 3 Abs. 1 EVÜ Stellung nehmen würde, um so die grössten
760 Das erste Protokoll, das die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs vorsieht, tritt für die Staaten, die es ratifiziert haben (also für alle Mitgliedstaaten außer Belgien und Irland), in Kraft, wenn das zweite Protokoll von Belgien ratifiziert worden ist; zum Ratifikationsstand vgl. Jayme/ Hausmann, 10. Auflage, Nr. 71 und 72; Martiny, ZEuP 1997, 107 (127 f.); http://ue.eu.int/accords/default.asp. 761 Referentenentwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des IPR (außervertragliche Schuldverhältnisse und Sachen) des Bundesjustizministeriums vom 15.4.1984 in der Fassung vom 1.12.1993, IPRax 1995, 132 f. – geplant ist insbesondere ein EU-Übereinkommen über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ II): Der Rat hat Fragebögen versandt und die „Groupe Européen“ ist dabei, den Entwurf eines Vertragstextes auszuarbeiten. Zu den Vorarbeiten vgl. Jayme, IPRax 1998, 140 f.; zu sonstigen bereits unternommenen Initiativen vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003.
-141-
Zweifel auszuräumen.762 Da sich das EVÜ in der Praxis der stillschweigenden Rechtswahl als
Fehlleistung herausgestellt hat, wird die Bereitschaft zur Rechtsvereinheitlichung innerhalb der
Europäischen Gemeinschaft kaum gestärkt.
Vor dem Hintergrund meines Ergebnisses bleibt zu hoffen, dass das Grünbuch alsbald mit einer
entsprechenden Änderung des Art. 3 Abs. 1 S. 2 EVÜ in Kraft treten und dadurch ein Mehr an
Harmonisierung sowie Voraussehbarkeit und Rechtssicherheit erreicht werden wird.
762 So Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003, in dem vorgeschlagen wird, dass der EuGH ggf. klarstellen könnte, dass die Wahl der Gerichte eines bestimmten Staates noch keine Rechtswahl darstellt, wenn es hierfür ansonsten keine Anhaltspunkte gibt.
-142-
-143-
4. Kapitel: Die stillschweigende Rechtswahl in den USA
A. Einleitung
Auch wenn in den USA kein einheitliches Zivilrecht existiert, stammen 49 der 50 Zivilrechte in
den USA aus einer Quelle: Dem englischen Common Law – einem Komplex von
Rechtsnormen, die ursprünglich bloße Sitten und Gebräuche waren, durch langjährige Übung
aber zu objektivem Recht erhoben wurden.763 Selbst das Recht von Louisiana, das nicht aus
dieser Quelle stammt, ist stark amerikanisiert.764 Daher sind sie sich so ähnlich, dass ihre
Rückführung auf gemeinsame Grundlagen in den verschiedenen Restatements – das sind
private Kompilationen der von der Gerichtspraxis entwickelten Kollisionsregeln in
Gesetzesform – nicht schwierig war, zumal sie auch alle durch die einheitliche Sprache geprägt
sind.
Im Gegensatz dazu besteht die EU aus vier Rechtsfamilien, – der anglo-irischen, der
skandinavischen, der deutschen und der romanischen – innerhalb derer die Rechtsordnungen
deutlich voneinander abweichen und sich zudem durch zwölf verschiedene Sprachen
unterscheiden.765
Das Common Law beruht auf richterrechtlicher Rechtsetzung, enthält jedoch ungeachtet seiner
Rechtsquelle ebenso rechtliche Regeln und Prinzipien wie das kontinentale Recht.766 Es besteht
dabei zu einem grossen Teil aus Bestimmungen, die in Deutschland, Frankreich oder im
Gemeinschaftsrecht in Form eines einfachen Gesetzes niedergelegt wären.767 Zudem besteht
das Common Law aus fundamentalen Prinzipien, die Verfassungsrang haben und als
allgemeine Rechtsgrundsätze anerkannt sind.768 Die für den anglo-amerikanischen Rechtskreis
typischen Merkmale des Fehlens einer umfassenden Kodifikation und der Vorherrschaft des
763 Arthur Kuhn, Grundzüge des englisch-amerikanischen Privat- und Prozeßrechts besonders im Vergleiche mit den Systemen des europäischen Kontinents, S. 9; auch Mathias Reimann weist, was das amerikanische common law angeht, auf die Rezeption des englischen Rechts hin, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 6. 764 Martiny/ Witzleb-Drobnig, Auf dem Wege zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch, S. 117. 765 Martiny/ Witzleb-Drobnig, Auf dem Wege zu einem Europäischen Zivilgesetzbuch, S. 118. 766 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 86; Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie 1985, S. 77; Stephan Rammeloo, Das Neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 73; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 323, 324; in diesem Sinne mit Ausführungen zum Federal Common Law auch William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 335 ff. 767 Stefan Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent – Eine vergleichende Untersuchung der Rechtsprechung und ihrer historischen Grundlagen, S. 1295, 1296. 768 Ausführlich zum Federal Common Law William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 335 ff.; Stefan Vogenauer, Die Auslegung von Gesetzen in England und auf dem Kontinent – Eine vergleichende Untersuchung der Rechtsprechung und ihrer historischen Grundlagen, S. 1295, 1296.
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Richterrechts bestätigen sich im Internationalen Privatrecht: In den USA existiert auch kein
einheitliches „amerikanisches“ Kollisionsrecht. Es gibt weder ein einheitliches “common law“-
Kollisionsrecht noch ein kodifiziertes gemeinsames Bundesrecht. Der Begriff “Conflict of
Laws“ (Kollisionsrecht) ist ein Oberbegriff, der zum einen die Regeln bezeichnet, die das
anwendbare materielle Recht bestimmen (im Amerikanischen “choice of law“ genannt) und
zudem die Regeln über die Zuständigkeit der Gerichte (“Jurisdiction“) umfasst sowie die
Urteilsanerkennung und Urteilsvollstreckung (“Recognition and Enforcement of Foreign
Judgements“).769
Jede Jurisdiktion hat ihr eigenes, nicht kodifiziertes Kollisionsrecht (“Restatement of Conflict
of Laws Second“), das entweder auf “state statutes“ oder Gewohnheitsrecht beruht. Da es kein
übergeordnetes Bundesrecht gibt, entscheidet jeder Staat selbst über das anwendbare Recht für
die vor seine Gerichte kommenden Fälle. Das Kollisionsrecht ist damit dem einzelstaatlichen
Recht vorbehalten worden.770 Konsequenz dieses Konzepts ist, dass man statt eines einzigen
„amerikanischen Systems“ 51 verschiedene Rechtsordnungen berücksichtigen muss, nämlich
die der 50 Bundesstaaten und des “District of Columbia“, wobei einige Rechtsordnungen
nahezu identische Inhalte haben.771 Der einstige englische Einfluß wirkt jedenfalls im
amerikanischen Privatrecht, seinen Institutionen, seinen Prinzipien, seiner Terminologie und
der Methode der Entscheidung nach Präzedenzfällen noch nach.772
B. Entwicklung
Sobald ein rechtliches Problem Vorfälle oder Angelegenheiten involviert, die mehr als nur
einen Staat betreffen, muss ein Gericht bestimmen, welchen Staates Rechtsnormen anwendbar
sind. Die Entwicklung derzeitiger Theorien zur Rechtswahl ist revolutionär. Die Entwicklung
beginnt mit der “Vested Rights“/ “territorial“-Theorie, die das Denken bis zum mittleren letzten
Jahrhundert dominierte. Dann, unter der Führung des American Law Institutes und einer Reihe
769 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 86; Peter Hay, Einführung, S. 152, 153;Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie, S. 77; Stephan Rammeloo, Das Neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 73; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 323, 324; so auch aufgeteilt bei William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., vgl. auch S. 160, 203, 339. 770 Stefan Göthel, Internationales Vertragsrecht der USA, 99 ZVglRWiss, 339; so auch Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 86; Peter Hay, Einführung, S. 165; Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie 1985, S. 77; Stephan Rammeloo, Das Neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 73; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 323, 324. 771 Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie 1985, S. 77. 772 Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 7.
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von Richtern und Professoren geführt von Brainerd Currie, begann eine Analyse des
Rechtswahlkonfliktes, die “interests“ zu prüfen, die in jedem besonderen Rechtsproblem eine
Rolle spielen.773
I. Die Vested Rights-Theorie
Zwischen 1820 und 1840 trugen die Kollisionsrechtler James Kent und Joseph Story – ein
Richter des Supreme Court, der damit begann sich mit Rechtswahlkonflikten in den USA zu
beschäftigen – erheblich durch ihre mehrbändigen Commentaries on American law zu der
Entwicklung der Rechtswahl bei.774 Ursprünglich begann Rechtswahl als eine Disziplin in den
USA mit dem grundlegenden “treatise“ von Joseph Story, veröffentlicht in 1834.775 Story, stark
beeinflusst von den territorialen Konzepten früherer holländischer Denker, betonte das Recht
eines Staates, zu kontrollieren, was in seinen Gerichten vorgeht.776 Amerikanisches
Kollisionsrecht in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts konzentrierte sich auf die Arbeit von
Professor Joseph H. Beale von der Harvard Law School. Seine Anstrengungen mündeten in das
Restatement First of Conflict of Laws 1934 sowie Beales eigener “treatise“, veröffentlicht im
darauffolgenden Jahr. Im Kern von Beales Arbeit liegt ein territorialer Befehl, da sie auf der
Idee basiert, dass in dem Moment, in dem der Klagegrund entsteht, Rechte entstehen
entsprechend dem Recht des Ortes, an dem sich das Ereignis vollzog.777 Dies ist die sogenannte
Vested Rights-Theorie, die äußerst einflussreich war. Sie bot eine alternative Ansicht des
Rechtswahlprozesses, eine Sichtweise, die eher zu akzeptieren war als die territoriale und
formalistische Rechtsprechung des frühen Zwanzigsten Jahrhunderts. Joseph H. Beale als
stärkster Gegner der Vested Rights-Theorie hielt ihr entgegen, dass ausländisches Recht
niemals wirksam werden könnte ausserhalb des Gebietes des ausländischen Souveräns.778 Die
Anwendung des Gerichtes von ausländischem Recht könnte vielmehr erklärt werden mit den
Bedingungen der Schaffung und Verstärkung von vested rights. Seiner Ansicht nach wird ein
773 Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 32 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 158, 239 ff.; vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., S. 327, 373 ff. (1999). 774 Während Kent 4 Commentaries on American Law veröffentlichte, brachte Story neun Commentaries über verschiedene Sachgebiete zwischen 1832 und 1845 heraus; dazu Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, 51 RabelsZ 1987, S. 5 ff.; vgl. auch Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 7. 775 Joseph Story, Conflict of Laws (1834). 776 Vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws § 63. 777 Brulhart, S. 144 Nr. 294; Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 14 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., § 63 b. 778 Vgl. Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 14 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., § 63 c.
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Recht gegründet, sobald sich ein Ereignis in einem ausländischen Gebiet vollzieht.779 Da das
einzige Recht, das in einem ausländischen Territorium wirksam werden kann, das Recht eines
ausländischen Souveräns war, wurden die Existenz und der Inhalt eines solchen Rechts von
ausländischem Recht bestimmt.780
II. Die „Erie-Doktrin“
Bereits 1842 befand der Kollisionsrechtler und Richter Joseph Story, der sich als erster in den
USA näher mit dem Kollisionsrecht befasste, in der Entscheidung Swift v. Tyson781 des United
States Supreme Court, die Bundesgerichte seien frei, ein eigenes bundesstaatliches “Common
Law“-Kollisionsrecht zu entwickeln. Diese Regel, die anfangs nur für das Vertrags- und
Handelsrecht galt, dehnte man später auf fast alle Rechtsgebiete des Common Law aus.782 Ein
Kollisionsrecht war somit theoretisch zur Lösung der Fälle für die Bundesgerichte nicht
erforderlich. Die Wende wurde dann allerdings 1938 durch den Supreme Court mit dem Urteil
Erie Railroad Co. v. Tompkins783 eingeleitet: Der Kläger war durch einen Zug der beklagten
Eisenbahngesellschaft verletzt worden. Nach dem common law von Pennsylvania stand ihm
kein Anspruch zu, wohl aber nach federal common law. In diesem Urteil wurde die Swift-
Entscheidung verworfen und befunden, dass es kein bundesstaatliches Common Law gebe.
Vielmehr müsse das Sachrecht des Staates angewendet werden, in dem das Gericht sitze, also
einzelstaatliches Recht (sogenannte „Erie-Doktrin“).784 Dies bestätigte der Supreme Court kurz
danach für das Kollisionsrecht in seinem Urteil Klaxon Co. v. Stentor Electric Manufacturing
Co.785. Seit Story, auf den das territoriale Denken zurückgeht, hat sich das amerikanische
Kollisionsrecht in einer Weise entwickelt, die dem europäischen Internationalen Privatrecht
fremd ist. Beginnend mit der Wende dieses Jahrhunderts hatten soziologische Rechtsprechung
und dann Rechtsrealismus gelehrt, dass Rechtsregeln angepasst werden sollten, um
gesellschaftlichen Zielen zu dienen. Da Beale`s territoriales System nicht die hinter den
konkurrierenden materiellen Rechtsregeln stehenden Zwecke erforschte, befriedigte es nicht
779 Vgl. Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 14 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., § 63 b, c. 780 Vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 157 ff., § 63 b, c. 781 41 U. S. 1 (14 ff.) (1842); Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 347. 782 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 293; Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 371. 783 304 U. S. 64 (1938); Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 353.784 304 U. S. 64 (69 ff., 78) (1938); Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 87; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 336; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws Part F § 104; Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 352 ff. 785 313 U. S. 487 (496) (1941); bestätigt in: Day & Zimmermann, Inc. v. Challoner, 423 U.S. 3, 4, (96) (1975); vgl. hierzu auch Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 19 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws § 107; Charles Alan Wright, The Law of federal courts, S. 367.
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den Auftrag der Rechtsprechung des Zwanzigsten Jahrhunderts. David Cavers, ein junger
Professor erkannte dieses Problem 1933 in einem bahnbrechenden Artikel.786 Auch Walter
Wheeler Cook erkannte dieses Problem in einer Serie von Artikeln, die in seinem Buch „The
Legal and Logical Bases of the Conflict of Laws“ von 1942 endete.
III. Die Governmental Interest Analysis-Theorie
In den 1950ern wuchs die Unzufriedenheit über die starren Kollisionsregeln, was zu einer
Revolution führte, die von Currie ausgelöst wurde. Er wollte die kollisionsrechtlichen Fälle
mittels einer sogenannten Interessenanalyse (“Governmental Interest Analysis“), das heißt
rechtspolitischen Wertungen, lösen. Während die Arbeit an dem Restatement Second
voranschreitete, argumentierte Brainerd Currie, dass der Rechtswahlprozess sich an den Werten
orientieren sollte, die hinter den materiellen Rechtsregeln stünden.787 Ob eine Rechtsregel
anzuwenden war, sollte davon abhängen, ob die hinter der Rechtsregel stehende Wertung in
ihrer Anwendung gefördert werden sollte. Ein Gericht sollte anstatt starren Anknüpfungsregeln
zu folgen, ermitteln, ob und inwieweit die beteiligten Staaten überhaupt daran interessiert seien,
ihr Recht angewendet zu sehen.788 Folge dieses Ansatzes war, dass die Interessen der
teilnehmenden Staaten und die Erwartungen der Parteien mehr Bedeutung erlangten und
rechtspolitische Wertungen eine entscheidende Rolle spielten.789 Kritisiert wurde an dem
Ansatz, dass es unmöglich sei, den Zweck materieller Normen eindeutig zu bestimmen und
daraus Schlüsse auf ihre Reichweite herzuleiten. Der Ansatz sei unsicher.790 Currie` s Ansatz,
bekannt als “governmental interest analysis“, ist in verschiedensten Formen erschienen.791 Der
Ansatz, der von allen hier erwähnten und anderen Personen befürwortet wurde, führte zu dem
Entwurf des Restatements Second. Die Arbeit an diesem Projekt begann 1952 und wurde 1963
wesentlich vervollständigt. Schließlich erschien im Jahre 1971 nach neunzehn Jahren
786 David F. Cavers, A Critique of the Choice-of-Law Problem, 47 Harv. L. Rev. 1933, 173. 787 Vgl. Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 32 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 246 ff. 788 Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, S. 51 RabelsZ 1987, 11; Brainerd Currie, “The Silver Oar and All That”: A Study of the Romero Case, 27 U. Chi. L. Rev. 1959, 1, 68; Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 88, 89; Bernd von Hoffmann, Internationales Privatrecht, S. 55; Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521, 539 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (793); Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie 1985, S. 85 f.; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 327, 328; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 241 ff., 252 ff. 789 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 88; in diesem Sinne auch William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 239 ff. 790 Friedrich K. Juenger, A Critique of Interest Analysis, 32 Am. J. Comp. L. (1984), 1-50; Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, 34 Mercer L. Rev. 1983, 521 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (794). 791 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 158, 239 ff.
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Vorbereitung das Restatement Second792, das heute noch – wie gezeigt werden wird – in den
wichtigen Gebieten wie dem Vertragsrecht von grösstem Einfluss ist.793
IV. Der “proper law“-Ansatz
Generell meidet das Restatement Second feststehende und schnelle Regeln zugunsten des
allgemeinen Prinzips, dass das Recht des Staates mit der „meist bedeutenden Beziehung“ zu
dem Vertrag anwendbar sein soll. Ziel ist es, sicherzustellen, dass das Recht des von dem
Problem am meisten betroffenen Staates angewendet und dadurch ein vernünftiger Ausgang des
Rechtsstreites gesichert wird. Dieser Ansatz wird teilweise “proper law“ genannt.794
Das Restatement Second ist immer noch von grossem Einfluss in den wichtigen
Rechtsgebieten.795 Die meisten Staaten haben entweder die entscheidenden Vorschriften
ausdrücklich übernommen oder folgen immerhin ihrem Ansatz.796 Ungefähr vierzehn
Einzelstaaten der USA folgen dem Restatement Second, während zweiundzwanzig Staaten
noch der traditionellen Methode des ersten Restatements folgen. Nur zwei Staaten folgen der
Theorie von Currie und sechs Staaten797 kombinieren die verschiedenen Methoden.798 Während
der letzten Jahre wurde von Currie`s “interest analysis“ Abstand genommen.
Die besondere Problematik ist, dass die anscheinend unbestimmte, fast formlose Natur dieses
Prozesses zu einem ad-hoc Entscheidungsprozess geführt hat. Um diesem Problem
entgegenzuwirken, haben einige Richter und Gelehrte vorgeschlagen, aufgrund der grossen
Erfahrung mit modernen Formen von Rechtswahlanalysen, die Bekanntgabe neuer Regeln
zuzulassen, die sowohl funktionell als auch sicher sind. Das sich seit damals entwickelte
Einzelstaatenrecht der Gerichte muss sich allerdings in den Grenzen der US-Verfassung halten,
wobei bestimmte “federal statutes“ zu beachten sind. Es wird jedoch kaum von internationalen
multilateralen Übereinkommen beeinflusst.799 Louisiana ist der einzige Staat, der sein
792 Ausführlich dazu vgl. unter C. 793 Der Berichterstatter war Professor Willis Reese von Columbia. 794 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 158. 795 Kennzeichnend ist seine Charakterisierung als private Kompilation der von der Gerichtspraxis entwickelten Kollisionsregeln in Gesetzesform. 796 Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L., 125, 129 (1994); Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 329. 797 Hawaii, Louisiana, Massachusetts, New York, Oregon und Pennsylvania. 798 Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, 51 RabelsZ 1987, 10, 16; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 1996, 181, 183 ff., 186; dies hat sich auch in vielen Jahren nicht geändert, vgl. http://council.legislature.mi.gov/files/mlrc/1997/borrow.htm. 799 Vgl. mit Eugene F. Scoles et al., Conflict of Laws, S. 856 ff.
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Kollisionsrecht kodifiziert hat.800
Das amerikanische Kollisionsrecht hat sich im interlokalen Bereich entwickelt. Auf
internationaler Ebene werden die dort gefundenen Prinzipien entsprechend angewandt. Es gilt
für internationale und interlokale Fälle gleichermassen. Die Gerichte unterscheiden nicht
danach, ob ein Sachverhalt nur einzelstaatliche Grenzen oder die der USA überschreitet.801
Diese Merkmale finden sich auch im Internationalen Privatrecht vieler anderer Staaten. Die
Eigenart des anglo-amerikanischen Rechts liegt mehr in der Methode und Art der richterlichen
Entscheidungsfindung, wobei innerhalb der Staaten des Common Law insoweit wesentliche
Unterschiede bestehen.802 Da somit jeder Einzelstaat in den USA seine eigene Praxis zum
Internationalen Privatrecht besitzt und das amerikanische Kollisionsrecht ständig von neuen
Ansätzen überflutet wird, gestaltet sich die Lage insgesamt sehr undurchsichtig. Es ist
festzuhalten, dass die Parteiautonomie und damit die Rechtswahlfreiheit grundsätzlich in fast
allen Bundesstaaten anerkannt sind, auch wenn das Recht der amerikanischen Bundesstaaten
hier ein „uneinheitliches Bild“ bietet.803 Sie dient immerhin dem Interesse der Parteien nach
Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendungsentscheidung.804
C. Grundsätze der Rechtswahlmethodik nach dem Restatement of Conflict of Laws
Second
Die Restatements geben als private Kompilationen der von der Gerichtspraxis entwickelten
Kollisionsregeln dem europäischen Betrachter einen guten Überblick über das geltende
Internationale Privatrecht in den USA. Es handelt sich nicht um eine Kodifizierung, sondern um
800 Vgl. Louisiana Civil Code, Art. 3515-3549 in “Book IV Conflict of Laws”. Noch vor der Aufnahme in die Union 1812 gab sich Louisiana einen Zivilkodex nach Vorbild des französischen Codes Civil, der nach wiederholten Novellierungen noch heute in Kraft ist. Das Recht von Louisiana musste seither dem der Nachbarstaaten innerhalb der USA weithin angepasst werden, doch gilt beispielsweise das Kaufrecht des Uniform Commercial Codes hier nach wie vor nicht, vgl. ausführlich dazu Erik Jayme, Neue Kodifikation des Internationalen Privatrechts in Louisiana, IPRax 1993, 56 ff. 801 Warner v. Kressly, 359 9 Wn. App. 358, 512 P. 2d 1116 (1118 f.) (1973); Ito International Corp. v. Prescott, Inc., 921 P. 2d 566 (571) (Wa. Ct. App. 1996); Lloyds Bank PLC v. Republic of Ecuador, 1998 WL 118170, 1 (7) (S. D. N. Y. 1998). 802 Jan Kropholler, Internationales Privatrecht, S. 82; Julius von Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche, Art. 27-37 Rn. 135. 803 Vgl. nur Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 580 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (797); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 251 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 241 ff.; vgl. auch Wulf-Henning Roth, Internationales Versicherungsvertragsrecht: Das Versicherungsverhältnis im internationalen Vertragsrecht – zugleich ein Beitrag zum Schutz des schwächeren Vertragspartners im IPR und zur Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, S. 434 (1985). 804 M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 407 U.S. 1 (1972).
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einen Versuch, die amerikanische Gerichtspraxis in Rechtssätzen wie sie üblicherweise in
Gesetzen formuliert werden, zusammenzufassen.805 Auch wenn die Restatements in ihrer Form
Gesetzen ähneln, sind sie nicht bindend, werden jedoch von den meisten Gerichten freiwillig
befolgt. Die wichtigsten Regeln werden vom American Law Institute – einer privaten
Einrichtung – seit 1923 systematisch zusammengestellt.806 Für eine rechtsvergleichende
Untersuchung scheint das Restatement of Conflict of Laws Second insofern am geeignetsten zu
sein, als sich sogar der Ursprung einiger europäischer Normen auf das Restatement Second
zurückführen lässt: Die Struktur des Art. 4 EVÜ, der bei fehlender Rechtswahl einschlägig
ist,807 ist beispielsweise nicht europäischen Ursprungs, sondern lässt sich aus diesem
Restatement herleiten.808
Zudem wird die Anknüpfungsmethodik des Restatements Second in der amerikanischen
Gerichtspraxis am meisten vertreten: Von den 29 Bundesstaaten, die den modernen
amerikanischen Theorien folgen809, gehen immerhin 10810 von der Rechtswahlmethodik des
Restatements aus.811 Die anderen 22 Bundesstaaten haben die traditionelle Theorie
805 Bernd von Hoffmann, Internationales Privatrecht, S. 54; Friedrich K. Juenger, Parteiautonomie und objektive Anknüpfung im EG-Übereinkommen zum Internationalen Vertragsrecht – Eine Kritik aus amerikanischer Sicht, 46 RabelsZ 1982, 57, 80 ff.; vgl. Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 7. 806 Vgl. Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 13 ff.; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 8. 807 Vgl. Grünbuch über die Umwandlung des Übereinkommens von Rom aus dem Jahr 1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in ein Gemeinschaftsinstrument sowie über seine Aktualisierung, vorgelegt von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Brüssel am 14.1.2003. 808 Jayme, in: Sarcevic, International Contracts and Conflicts of Laws, S. 42; vgl. auch Plender, S. 18. 809 Grundlegend zur Anwendung der modernen Theorien in der gerichtlichen Praxis: Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L., 125, 129, 131 ff. (1994); Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 ff., 556-557, 591-592; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791-799; vgl. auch Peterson, S. 84; im Gegensatz dazu vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327 ff. (1999), der nur die Anwendung der traditionellen Theorie bespricht, anders jedoch in Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 181, 183 ff., 186 (1996), wo er auf die modernen Theorien eingeht. Zu den 29 Bundesstaaten, die den modernen amerikanischen Theorien folgen, gehören unter anderem Wyoming, North Carolina, West Virginia und Montana, vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327, 331 (1999). 810 Und zwar die Folgenden: Alabama, Florida, Georgia, Kansas, Maryland, New Mexico, Rhode Island, South Carolina, Tennessee, Virginia, vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327, 330 (1999). Ausführlich dazu auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 181, 184 ff. (1996). 811 Vgl. Bodenheimer, RabelsZ 51 (1987), 10, 16; Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L., 125, 129 (1994); Kegel/ Schurig, S. 163; Peterson, S. 84, der von der „größten Zahl von Anhängern“ spricht; Stegemann, S. 4; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327, 330 (1999), der die Staaten sogar entsprechend aufzählt; anders hingegen Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 ff., 556-557, 591-592, der noch von 14 Bundesstaaten spricht; vgl. dazu auch Daiske Yoshida, Note, The Applicability of the attorney-client privilege to communications with foreign legal professionals, 66 Fordham L. Rev., 209, 235 (1997); dies ist auch heute noch so, vgl. folgende Webseite von 2000, http://www.usdoj.gov/archive//aag/testimony/2000/vetatstfinal.htm, sowie vom 22. August 2006: http:// www.insurancescrawl.com/archives/2006/08/conflict_of_laws_choice_of_law_and_insurance.html.
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beibehalten.812 Unter traditioneller Theorie im amerikanischen Internationalen Vertragsrecht ist
die sogenannte “lex loci contractus rule“813 zu verstehen, wonach der Vertrag nach dem Recht
des Staates zu beurteilen ist, in dem der Vertrag geschlossen worden ist.
Zu berücksichtigen ist, dass das Restatement heute zumindest teilweise repräsentativen
Charakter für die anderen modernen amerikanischen Theorien haben dürfte. Firsching weist
darauf hin, dass das Restatement Second einen „Zustand der Konsolidierung“ nach einer
„Sturm- und Drangzeit“ einleitete.814
I. Entwicklung
1. Restatement of Conflict of Laws First (1932) und Second (1971)
Das Restatement of Conflict of Laws First (1932), das 625 Paragraphen enthielt, war im Ansatz
territorial und stand unter dem Einfluß der Lehre von den wohlerworbenen Rechten (vested
rights). Es statuierte ein regelorientiertes, starres Kollisionsrecht.815 Das Restatement of
Conflict of Laws Second ist mit seiner Regelung eine Reaktion auf die klaren, aber einseitigen
Bestimmungen des Restatements First, da dessen regelorientiertes Kollisionsrecht nicht
geeignet ist, eine Vielzahl von Fällen mit verschiedenen Interessen zu berücksichtigen.816 Die
Regeln sind zu starr, um differenzierten Fällen gerecht werden zu können.
Im Gegensatz zum Restatement of Conflict of Laws First, übernahm das Restatement of
Conflict of Laws Second (1971) nicht die Vested Rights-Lehre seines Vorgängers, sondern
wurde vielmehr beeinflusst von diversen Ansätzen während seiner Entstehungszeit. Nach den
Worten seines Berichterstatters ist es in einer Zeit des Chaos entstanden, die sein Werk zum
812 Dazu vgl. Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L., 125, 129 ff. (1994); Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 580 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (797); Peterson, S. 84; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L., 327, 331 (1999). Dies ist auch heute noch so, vgl. folgende Webseite von 2000, http://www.usdoj.gov/archive//aag/testimony/2000/vetatstfinal.htm, sowie vom 22. August 2006: http://www.insurancescrawl.com/archives/2006/08/conflict_of_laws_choice_of_law_and_insurance.html. 813 Vgl. hierzu Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 459 (1962); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 181, 186 (1996): “Lex loci contractus is still the law in the majority of jurisdictions, although there is a significant modern erosion of the rule…” 814 Staudinger-Firsching, Vorb. zu Art. 27-37 Rn. 137. 815 Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, 51 RabelsZ, 9 (1987); Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 88; Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 580 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (797); hierzu ausführlich vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws § 64. 816 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 94.
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Provisorium abstempeln. Seine Schwäche liegt darin, dass es relativ wenig Anleitung enthält.817
Das Restatement Second ist ein komplexer Ansatz zur Rechtswahl, der sich zusammensetzt aus
dem weiten Bereich von traditionellen und modernen Rechtswahlmethodologien. Wie sein
Vorgänger ist es sehr umfassend und detailliert und enthält Hunderte von territorialen
Rechtswahlregeln, aufgeteilt nach Rechtsgebieten (Vertragsrecht, Deliktsrecht, Eigentum usw.).
Es enthält jedoch auch viel von der modernen Rechtswahlrevolution, einschließlich „grouping
of contacts“, „interest analysis“, „validation“ and „party autonomy“. Die Aufnahme des
Restatements Second hat zu mannigfaltiger, scharfer Kritik von seinen Kommentatoren geführt.
Es hat sich als extrem beliebt zwischen den Gerichten erwiesen.
Heute ist das Restatement Second, das von mehr als der Hälfte der Staaten übernommen wurde
und auch im Bundessystem sehr einflussreich ist, bei weitem das beliebteste Rechtswahlregime
im ganzen Land.818 Einige Gerichte scheinen sich uneins zu sein über die Absichten der
Verfasser.819 Das Restatement Second ist sehr dehnbar und wird durch drei Grundsätze
gekennzeichnet: Erstens soll eine Streitfrage grundsätzlich dem Recht des Staates unterliegen,
zu dem sie die „most significant relationship“ hat. Bei dieser Suche sind verschiedene Faktoren
zu berücksichtigen, die allgemein für alle Rechtsgebiete gelten und in § 6 des Restatements
Second aufgeführt werden.820 Zweitens ist der Rechtswahlansatz des Restatements Second
gekennzeichnet durch einige “grouping of contacts“-Abschnitte821 und drittens gibt es
zahlreiche Abschnitte, die Rechtswahlregeln für bestimmte rechtliche Klagen und
Angelegenheiten vorsehen.822 Diese grundsätzlichen Elemente werden später823 noch
detaillierter angesprochen.
2. Die “Center of gravity” oder “Grouping of contacts”-Theorie des Restatements First
Die Revolution im Kollisionsrecht fand auch in den Gerichten statt: In der für das Vertragsrecht
berühmten Entscheidung Auten v. Auten824 wurde von der traditionellen Methode des
817 American Law Institute, Restatement of the Law, Second, St. Paul 1971, Introduction, S. VII; dazu auch Brulhart, S. 147 Nr. 301; Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 552 ff.; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (795); Willis L. M. Reese, American Trends in Private International Law: Academic and Judicial Manipulation of Choice of Law Rules in Tort Cases, 33 Vand. L. Rev., 717, 734 (1980). 818 Vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 2000: As the Century turns, 49 Am. J. Comp. L., 1 (2001). 819 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 205 ff. 820 Edgar Bodenheimer, Norm und Ermessen im amerikanischen IPR, 51 RabelsZ, 9 ff. (1987); Stefan Göthel, Internationales Vertragsrecht der USA, 99 ZVglRWiss 338, 344 (2000); Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S.89, 94; Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 329. 821 §§ 145 (2) und 188 (2), vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 211 ff. 822 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 212 ff. 823 Siehe unter 2. Teil C. II. 824 308 N. Y. 155, 124 N. E. 2d 99 (101 ff.) (1954); gefolgt von Babcock v. Jackson, 12 NY2d 473 (1963).
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Restatements First abgerückt und begonnen, die Interessen der beteiligten Staaten zu
erforschen. Der Kläger in Auten wollte eine Trennungsvereinbarung vollziehen. Das Ehepaar
hatte in England geheiratet. Vierzehn Jahre später verklagte sie ihren Ehemann in New York
auf Grundlage der Vereinbarung wegen nicht bezahltem Unterhalt. Er verteidigte sich mit der
Begründung, dass sie, während sie in England gewesen sei, auf eine Scheidung geklagt habe,
wobei sie gegen die Trennungsvereinbarung verstoßen habe.825 Diese Verteidigung, die nach
englischem Recht ungültig ist, hatte Erfolg in den unteren New Yorker Gerichten. Das
Berufungsgericht hob das Urteil auf. Richter Fuld vertrat die Ansicht, es sollte die allgemeine
Rechtswahlregel gelten, dass Fragen bezüglich einer Vertragsvollziehung von dem Recht des
Ortes bestimmt werden, in dem der Vollzug stattfand. Fuld beobachtete dann, dass neuere Fälle
die “center of gravity“ oder “grouping of contacts“826-Theorie übernommen hatten, die nicht
dem Ort des Vertragsschlusses oder –vollzuges Bedeutung zuspricht, sondern das Recht des
Ortes hervorhebt, „das die bedeutendsten Berührungspunkte mit der Streitangelegenheit hat“.827
Fuld erkannte zwar, dass der “center of gravity“-Test weniger Sicherheit und Vorhersehbarkeit
als die starren, generellen Regeln bietete, akzeptierte aber dennoch die neue Theorie, da ihr
Fokus auf bestimmte rechtliche Angelegenheiten die Anwendung der Wertung der
Gerichtsbarkeit, die am engsten mit dem Fall verbunden ist, gestattete.828
Der Ausdruck “center of gravity“ entstammt einem casebook und wurde erstmals vom Supreme
Court in Indiana verwendet, um den Staat zu ermitteln, dessen Recht die Parteien für ihren
Vertrag mutmaßlich gewählt hätten.829 Der Ansatz ermöglichte es dem Gericht, sowohl jegliche
involvierten Interessen als auch die Absicht der Parteien und ein zielorientiertes Ergebnis zu
berücksichtigen. Daher war es sehr flexibel. Der “center of gravity test“ gestattete dem Gericht,
beides zu berücksichtigen, das Staats- und das Parteiinteresse.830
Negativ zu bewerten ist jedoch, dass es sich um eine bloße Formel handelt, die nicht angibt,
welche Berührungspunkte erheblich sind und welches Gewicht ihnen zukommt. Dies führt zu
825 308 N. Y. 155, 124 N. E. 2d 99 (101 ff.) (1954); gefolgt von Babcock v Jackson, 12 NY2d 473 (1963); hierzu ausführlich William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 203 ff. 826 Ausführlich dazu Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 ff., 556-557, 591-592; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791-799; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 211 ff.; zum Mangel an Vorhersehbarkeit auch Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), S. 521 (537); bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (792). 827 Rubin v. Irving Trust Co., 305 N.Y. 288, 113 N.E.2d 424, 431 (1953); Warner v. Kressly, 359 9 Wn. App. 358, 512 P. 2d 1116 (1118 f.) (1973); vgl. auch William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 203 ff. 828 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws 203 ff. 829 Barber Co. v. Hughes, 223 Ind. 570, 586, 63 N.E. 2d 417, 423 (1945); vgl. Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 ff., 556-557, 591-592; bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (792). 830 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws 204.
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Unsicherheit.831 Die Bestimmung des “center of gravity“ in Auten v. Auten832 war
unproblematisch. England war der bedeutendste Berührungspunkt, da das eheliche und
familiäre Domizil dort war, die Ehefrau und Kinder noch dort lebten und alle Parteien Briten
waren. Weiterhin rechtfertigte Fuld seine Wahl englischen Rechts mit der Begründung, dass
England als Rechtswahl am engsten im Einklang stand mit der bei Vertragsausführung
vorliegenden Absicht der Parteien.833 Die Entscheidung Auten v. Auten834 markierte eine grosse
Rechtsveränderung.835 Sie wurde von einem anerkannten Juristen für ein einflussreiches
Gericht geschrieben und in einer Zeit verkündet, als Internationales Privatrecht reif war für eine
Veränderung.836
Die wichtigste Auswirkung des Falles war sein Einfluss auf den Entwurf des Restatements
Second, der den “most significant relationship“837-Test übernahm. Das Konzept der “most
significant relationship“ bildet den Kern des Restatements Second und erscheint in jedem
Abschnitt. Einerseits erscheint es als eine generelle, noch übrig bleibende Rechtswahl-
Richtlinie, die anzuwenden ist, wenn kein bestimmter Abschnitt anwendbar ist. Andererseits als
eine Überprüfung und Begrenzung der Parteiautonomie im Vertrag oder Ausfluchtsweg,
benutzt um das irrationale Ergebnis eines mutmaßlichen Bezugsabschnittes zu vermeiden.
Andere Gerichte wiederum behielten den traditionellen Ansatz bei, so dass es heute
verschiedene Anknüpfungsregeln in den verschiedenen einzelnen Bundesstaaten gibt.838
Obwohl der primäre Effekt des Falles vorübergehend war, hat die Formulierung des “center of
gravity“ heute Aussagekraft, da einige Staaten den “center of gravity“-Test in gewissem
Umfang genauso behandeln wie den „most significant relationship“-Standard.839
831 Kritisch Peter Hay, Einführung, S. 170; Kay spricht abschätzig von der „arithmetic of contact-counting“, Herma Hill Kay, Theory into Practice: Choice of Law in the Courts, Mercer L. Rev. 34 (1983), 521 (529); bespr. von Kropholler, RabelsZ 48 (1984), 791 (792). 832 308 N. Y. 155, 124 N. E. 2d 99 (101 ff.) (1954). 833 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 204. 834 308 N. Y. 155, 124 N. E. 2d 99 (101 ff.) (1954). 835 Die Arbeit an dem Restatement Second hatte in dem Jahr vor der Entscheidung in Auten begonnen. 836 Zum Beispiel 249 Minn. 376, 82 N.W.2d 365 (1957) (Zurückweisung der lex loci delicti in sogenannten „dramshop“ Fällen). Dieser Fall wurde unter Anwendung des Ansatzes des Restatements First entschieden. Er zeigt deutlich den zweistufigen Test: Zuerst wird das Problem des Falles charakterisiert und dann die Regel für das entsprechende Problem angewandt. 837 Ausführlich dazu Margarete Mühl, Die Lehre vom “besseren“ und “günstigeren“ Recht im Internationalen Privatrecht, S. 32 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 206 ff., 229 ff. 838 Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 90; William M. Richman & David Riley, The First Restatement of Conflict of Laws on the Twenty-Fifth Anniversary of its Successor: Contemporary Practice in Traditional Courts,56 Md. L. Rev., 1196, 1200 f. (1997); Symeon C. Symeonides, The Judicial Acceptance on the Second Conflicts Restatement: A Mixed Blessing, 56 Mod. L. Rev., 1248, 1261 f. (1997). 839 Allerdings folgt North Dakota speziell eher dem “center of gravity”-test anstatt dem Second Restatement; New York benutzt den “center of gravity”-Test nicht mehr.
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Da das Restatement Second immer stärkeren Einfluss auf die Gerichtspraxis der Einzelstaaten
in den USA nimmt,840 soll im Folgenden genauer darauf eingegangen werden.
II. Inhalt des Restatements Second
1. Charakterisierung
Nach dem Restatement First muss der Richter grundsätzlich zunächst in einem
kollisionsrechtlichen Fall das streitige Problem qualifizieren. Er muss den Fall benennen, um
bestimmen zu können, welche Rechtswahlregel anwendbar ist (sogenannte
“characterization“).841 Dieser Vorgang richtet sich nach der lex fori: Der Richter muss auf sein
Recht blicken, um die entscheidende Kollisionsregel zu finden.842 Dem entspricht § 7 Abs. 2
des Restatements Second. Falls ein Fall beispielsweise hauptsächlich ein „Vertragsproblem“
beinhaltet, wird das Recht des Ortes des Vertragsschlusses oder der Vertragsvollziehung
angewendet. Offensichtlich kann das Ergebnis sich ändern, je nachdem wie das Gericht das
Problem qualifiziert. Es war unter Anwendung des Restatements First oft nicht nachvollziehbar,
warum das Gericht eine bestimmte Qualifikation eher vornahm als eine andere.843 Als
führendes Fallbeispiel dient Alabama Great Southern Railroad v. Carroll.844 Die Anwendung
der „Charakterisierung“ beinhaltet ein wesentliches Risiko: Es vermeidet generell
Begründungen und Erklärungen und fördert rückbezügliche Rechtswahlen anstatt das
Erforschen der Begründung, warum ein bestimmtes Ergebnis angemessen ist.845
2. § 187 des Restatements Second – Rechtswahl
a) Die Zulässigkeit der Rechtswahl – § 187 Abs. 1 Restatement Second
§ 187 des Restatements Second ist die „basic policy“, das Fundament der vertraglichen
Kollisionsregeln im Restatement Second und ein fast allgemeingültiger Grundsatz in den
840 Vgl. William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 204 ff., 213 ff.; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 181, 195 f. (1996); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1996, Tenth Annual Survey, 45 Am. J. Comp. L., 447, 459, 488 (1997); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1997, 46Am. J. Comp. L. 233, 266 (1998). 841 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 160 ff. 842 Forsyth v. Cessna Aircraft Co., 520 F. 2d 608 (611) (9th Cir. 1975); vgl. auch Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 90, 91. 843 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 160 ff. 844 11 So. 803 (1892). 845 William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 161.
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USA.846 Danach ist die kollisionsrechtliche Parteiautonomie anzuerkennen und das von den
Parteien gewählte Recht anzuwenden.847 Das Prinzip der Parteiautonomie ermöglicht eine
einfache Lösung bei der Bestimmung des anwendbaren Rechts und korrespondiert mit den
Interessen der amerikanischen Staaten an der Förderung internationaler Rechtsbeziehungen.
Bestimmung des anwendbaren Rechts bedeutet, das inländische Vertragsrecht des Staates unter
Ausschluss seiner Regeln des Internationalen Privatrechts zu identifizieren. Die Rechtswahl
muss nicht ausdrücklich sein, solange es sich um eine tatsächliche Rechtswahl handelt.848 Die
Parteiautonomie wird einheitlich in den USA anerkannt, da es der Rechtssicherheit und der
Vorhersehbarkeit dient, die als Werte von herausragender Bedeutung angesehen werden.849
Rechtsprechung850 und Literatur851 gestatten den Parteien einstimmig, das anwendbare Recht zu
wählen und erkennen damit die Parteiautonomie in vollem Umfang an. Es kann jedoch
festgehalten werden, dass die Parteiautonomie nicht nur überall in den USA anerkannt ist.
Vielmehr ist es ein grundsätzliches Rechtswahlprinzip in den meisten Ländern der Welt und in
vielen internationalen Übereinkommen. Folglich ist kaum überraschend, dass es auch der
Ausgangspunkt des Übereinkommens von Rom war, das für die meisten europäischen Länder
verbindlich ist.852
Die Problematik, welche Sachnormen auf das Zustandekommen des kollisionsrechtlichen
Verweisungsvertrages anzuwenden sind, ist in den USA nicht wie in Europa zum Gegenstand
eingehender wissenschaftlicher oder richterlicher Untersuchung gemacht worden. Nach dem
Restatement Second und der Gerichtspraxis ist für das Zustandekommen einer Rechtswahl
846 Patrick J. Borchers, Choice of Law in the American Courts in 1992: Observations and Reflections, 42 Am. J. Comp. L. 135 (1994); Wolfgang Büchner, Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln im Rechtsverkehr mit Common Law-Staaten, RIW 1984, 180, 182; Stefan Göthel, Internationales Vertragsrecht der USA, 99 ZVglRWiss 2000, 338, 344, 347 f.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 270; Frank Vischer, Das neue Restatement „Conflict of Laws“, 38 RabelsZ 1974, 128, 142; Russel J. Weintraub, Choice of Law in Contract, 54 Iowa L. Rev. 1968, 399, 406. 847 Peter Hay, Einführung, S. 165; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223 ff. 848 Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297 (1982). 849 Vgl. beispielsweise Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 252. 850 Overseas Trading Co., S a v. U.S., 141 Ct.Cl. 561, 159 F.Supp. 382 (1958); B.M. Heede, Inc. v. West India Machinery & Supply Co., 272 F.Supp. 236 (S.D.N.Y. 1967). 851 Vitek Danilowicz, “Floating” Choice-of-Law Clauses and their Enforceability, 20 International Lawyer, 1005 (1986); Peter Hay, US-Amerikanisches Recht, S. 93; Peter Hay, Einführung, S. 165; Karl-Christian Koch, Die stillschweigende Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht und der Vertragsschluss durch Schweigen im materiellen Recht – Eine Untersuchung der kollisionsrechtlichen und der materiell-rechtlichen Problematik des Schweigens beim Abschluß von internationalen Verträgen, S. 60 ff.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 252; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 222 ff.; Eugene F. Scoles et al., Conflict of Laws, S. 856 ff.; Frank Vischer, Das neue Restatement „Conflict of Laws“, 38 RabelsZ 1974, 128, 142; Frank Vischer et al., Internationales Vertragsrecht, S. 29 ff.; Russel J. Weintraub, Commentary on the Conflict of Laws, S. 355 ff. 852 Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297.
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zumindest hinsichtlich Willensmängeln bzw. für die Gültigkeit des Verweisungsvertrages in der
Regel die lex fori maßgeblich.853
Die Freiheit der Parteien, das Vertragsstatut zu wählen, ist zudem in sec. 1-105 (I) UCC, der
inzwischen in allen Staaten der USA in Kraft ist und als eine Regelung des Handelsrechts zur
inneramerikanischen Rechtsvereinheitlichung beitragen soll, gesetzlich verankert und stellt
damit auch Gesetzesrecht – “statute law“ – dar.854
Die Internationale Privatrechts-Kodifikation in Louisiana aus dem Jahre 1991 enthält jedoch in
Art. 3540 Civil Code eine eigenständige Regelung der Parteiautonomie, die keine
Beschränkungen erwähnt.855
Soweit es um Streitfragen geht, die der Parteiautonomie unterliegen, schreibt § 187 Abs. 1 die
Anwendung des von den Parteien gewählten Rechts zunächst ausnahmslos vor.856 Reese, der
Berichterstatter des Restatements Second, betrachtete erstmals die Parteiautonomie als echte
Kollisionsnorm. Es gelang ihm, seine Kollegen vom American Law Institute, die mit ihm
jahrelang an der Neufassung des Restatements arbeiteten, von der Richtigkeit dieser Ansicht zu
überzeugen. Diese Entwicklung lässt sich an den Formulierungen der verschiedenen Entwürfe
zum zweiten Restatement verfolgen.
b) Die Grenzen der Rechtswahl – § 187 Abs. 2 Restatement Second
Schranken der Parteiautonomie sieht das Restatement allerdings in § 187 Abs. 2 (a), (b) und § 6
Abs. 2 (c) vor.857 Die Vertragspartner dürfen das anwendbare Recht aber jederzeit wählen: bei
oder nach Vertragsschluss ebenso wie im Prozess.858 Welche Grenzen der Parteiautonomie zu
setzen sind, das heißt, ob eine räumliche Beziehung zwischen dem Rechtsverhältnis und dem
Staat, dessen Recht gewählt wurde, zu fordern ist oder ob es ausreicht, dass die Parteien für die
853 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment b 562 (1971); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 273, 293. 854 Vgl. Peter Hay, Einführung, S. 165; Juenger, Am. J. Comp. L. 42 (1994), 381 (387); Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 64 (1975); Frank Vischer, Das neue Restatement „Conflict of Laws“, 38 RabelsZ 1974, 128, 142. 855 Erik Jayme, Neue Kodifikation des Internationalen Privatrechts in Louisiana, IPRax 1993, 56 ff.; Symeon C. Symeonides, Private International Law Codification in a Mixed Jurisdiction: The Louisiana Experience, 57 RabelsZ 1993, 460, 499. 856 Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 131. 857 Vgl. Peter Kaye, The New Private International Law of Contract of the european community, S. 148 (1993); William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223 ff.; dazu auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 222 ff. (1996). 858 Hulme v. Sweetman Construction Company, 230 F. 2d 66 (68) (10th Cir. 1956); Wells v. J. C. Penney Company, 250 F. 2d 221 (225 f.) (9th Cir. 1957); Rennick v. O.P.T.I.O.N. Care, Inc., 77 F. 3d 309 (313) (9th Cir. 1996).
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Rechtswahl ein vernünftiges Interesse haben, ist streitig: Früher wurde auf der Basis der
“substantial relationship“ - Regel die Rechtswahlabrede nur als gültig und für den Richter
beachtlich angesehen, wenn das für den Hauptvertrag gewählte Recht eine bestimmte
Beziehung zu den Parteien, dem Vertragswerk usw. aufwies. Der Hauptvertrag durfte nicht
schon durch seinen Charakter derart auf eine bestimmte Rechtsordnung fixiert sein, dass eine
Rechtswahl gegen die Interessen dieses Staates verstieß.859
Heute wird eine geographische Verknüpfung zwischen Vertrag und gewähltem Recht
überwiegend abgelehnt und stattdessen eine “reasonable relation“ gefordert. Im Gegensatz zur
“substantial relation“ wird keine Verbindung im Sinne eines räumlichen Kontaktes, sondern ein
vernünftiges Interesse der Parteien für das gewählte Recht vorausgesetzt. Es wird darauf
abgestellt, ob die Wahl des Vertragsstatuts von vernünftigen Parteien vorgenommen wurde.
Das Restatement Second setzt die Vernünftigkeit der Rechtswahl mit deren Ernsthaftigkeit
gleich. Auch die Verweisung auf ein Recht, das – ohne Berührungspunkte mit der Transaktion
aufzuweisen – den Parteien bekannt ist und eine klare Sachregelung des Vertragsgegenstandes
enthält, oder das bei verschiedenen Rechtsgemeinschaften angehörigen Parteien einen neutralen
Standard sichert, oder in dem der Rechtsberater einer Partei ausgebildet ist und praktiziert, kann
in diesem Sinne „vernünftig“ sein.860
Die amerikanischen Gerichte beurteilen die “reasonable relation“ in der Regel ausschließlich
nach objektiven Berührungspunkten, selbst wenn sie es subjektiv formulieren sollten.861 Im
859 Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 65 ff.; vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 222 ff. (1996). 860 Albert A. Ehrenzweig, Contracts in the Conflict of Laws, 59 Col. L. Rev. 1959, 973-1025, 990 ff.; derselbe, Choice of Law in California – A “Prestatement“ A Response to Harold Horowitz`s “Restatement“, 21 UCLA L. Rev. 781, 791 (1973-74); Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 67; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 259; Notes and Comments, Conflict of Laws: “Party Autonomy” in Contracts, 57 Col. L. Rev. 1957, 553-576, 575; John Prebble, Choice of Law to determine the validity and effect of contracts: A comparison of english and american approaches to the conflict of laws, 58 Corn. L. Rev. 1972-73, 433-536, 503, 506; Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 132.861 Vgl. Department of Motor Vehicles v. Mercedes-Benz of North America, Inc., 408 So. 2d 627 (Fla. App. 1981); Nordson Corp. v. Plasschaert, 674 F. 2d 1371 (1375) (11th Cir. 1993); First National Bank of Louisville v. Insurance Centers, Inc., 560 F. Supp. 1261 (E.D.Mo. 1983); Hunter v. H.D.Lee Co., Inc., 563 F.Supp. 1006 (N.D.N.Y. 1983); Schulke Radio Productions, Ltd. v. Midwestern Broadcasting Co., 6 Ohio St.3d 436, 453 NE.2d 683 (686) (Oh.Sup.Ct. 1983); Zerman v. Ball, 735 F.2d 15, 23 (2d Cir. 1984); Kalman Floor Co. v. Jos.L. Muscarelle, Inc., 196 NJ Super 16, 481 A. 2d 553, 555 f. (N.J.Super.Ct. 1984).
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Gegensatz zum EVÜ von 1980862 lässt das Restatement Second eine Rechtswahl nur zu, wenn
sie ein validierendes Recht zur Anwendung kommen lässt und das gewählte Recht nicht auch
das objektiv anwendbare Recht gemäss § 188 ist.863
Während 1960 noch objektiv an das Recht des Landes angeknüpft wurde, in dem der
Schwerpunkt des Vertrages lag und der Parteiwille nur die Funktion eines “important factor“
für die Bestimmung dieses Schwerpunktes haben sollte, wurde danach die Rechtswahl der
Parteien als unabhängiger Anknüpfungsgrund eingeordnet und nicht länger unter dem
Oberbegriff der Anknüpfung durch Ermittlung des Schwerpunktes des Rechtsverhältnisses. Nur
bei Fehlen einer Rechtswahl ist das maßgebliche Recht objektiv durch “the most significant
relationship“ zu bestimmen (§ 188 Abs. 1).864 Wenn kein Rechtswahlgesetz vorhanden ist,
basiert eine Rechtswahl auf einer Folge von Faktoren, die viele der Themen der Revolution der
Rechtswahl einfangen: den Bedürfnissen der innerstaatlichen und internationalen Systeme, den
relevanten Wertungen des Gerichtsstandes oder anderer interessierter Staaten und den relativen
Interessen der Staaten, die die besondere Angelegenheit bestimmen. Die Verfasser entschieden
wohlüberlegt, die Faktoren in keiner bestimmten Reihenfolge an Wichtigkeit aufzulisten und
erkannten an, dass „einem besonderen Faktor oder einer Gruppe von Faktoren in verschiedenen
Rechtswahlgebieten unterschiedliches Gewicht beizumessen ist.“865
c) Die ausdrückliche Rechtswahl
Eine Rechtswahl kann nach dem Restatement Second in verschiedenen Formen auftreten. Am
einfachsten ist die Form einer ausdrücklichen Rechtswahlvereinbarung. Diese bedarf allerdings
nicht notwendig der Schriftform, sondern wird auch in mündlicher Form anerkannt.866 Als eine
862 Das Europäische Vertragsrechtsübereinkommen ist seit dem 1. April 1991 verbindlich. Österreich, Finnland, Frankreich, Griechenland, Italien, Dänemark, Belgien, Irland, Luxemburg, Holland, Deutschland, Portugal, Spanien, Schweden und England haben das Übereinkommen ratifiziert. 863 Martin Abend, Die lex validitatis im internationalen Vertragsrecht, S. 299; vgl. Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 284; Eugene F. Scoles & P. Hay, Conflict of Laws, S. 656 ff. 864 Ole Lando, International Encyclopedia of Comparative Law, Private International Law, Bd. 3, S. 73; Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 62 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 207 ff., 226 ff.; Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 134. 865 Vgl. Restatement Second 36, comment c. Obwohl die Liste von Faktoren erstmals in einem Artikel erschien, mitverfasst von dem Berichterstatter des Restatements Second, vgl. Elliot E. Cheatham and Willis L. M. Reese, Choice of the Applicable Law, Col. L. Rev. 1952, 959, 962-981, offenbart sie eine Schuld gegenüber Professor Currie und Leflar, den verschiedenen Mitteln eines echten Konflikts-Beschlusses und sogar gegenüber dem Restatement First. 866 Nakhleh v. Chemical Const. Corp., 359 F.Supp. 357 (S.D.N.Y. 1973).
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ausdrückliche Vereinbarung der Parteien über das auf ihren Vertrag anwendbare Recht genießt
sie absolute Priorität.867
aa) Choice-of-law clause
Da “choice-of-law“-Entscheidungen unter den modernen Ansätzen in den USA kaum
voraussehbar sind, ist den Parteien grundsätzlich zu einer Vereinbarung über das anwendbare
Recht – einer “choice-of-law clause“ – zu raten. In der Praxis wird zu diesen sogenannten
“choice-of-law clauses“ zunehmend Zuflucht genommen, vor allem in den weit verwendeten
gedruckten Bestimmungen: Ladescheine und Charterverträge, Spedition, Versicherungs- und
Bankbedingungen – all diese enthalten ausdrückliche “choice of law clauses“.868 In den USA
werden diese “choice of law clauses“ als Form einer ausdrücklichen Rechtswahl anerkannt. Die
Fälle, die “choice of law clauses“ beinhalten, sind zu zahlreich, um sie aufzuzählen.869 “Choice
of law clauses“ werden von der umfassenden Mehrheit der Fälle üblicherweise ohne viel
Diskussion aufrechterhalten.870 Von den mehr als zweihundert Fällen auf diesem Gebiet aus
dem Jahre 1995 haben nur 26 eine “choice-of-law clause“ vollständig oder teilweise für
ungültig erklärt.871 Es ist interessant, festzustellen, dass in den meisten Fällen von 1995, in
denen das Gericht verweigerte, das von den Parteien gewählte Recht anzuwenden, der Grund
darin lag, dass die Angelegenheit, auf die sich das gewählte Recht bezog, nicht-vertraglich
war.872 Beispielsweise verweigerte das Gericht, das gewählte Recht auf Angelegenheiten des
Betruges oder andere Deliktsklagen,873 auf Anwaltsgebühren,874 Zwangsvollstreckung einer
867 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226. 868 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 226; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L., 221 (1996). 869 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 221 (1996); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 385 ff. (1999). 870 Dazu beispielsweise Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 385 ff. (1999). 871 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 195 f., 221 (1996). 872 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 195 f., 221 (1996). 873 Vgl. beispielsweise Benson v. Merck, 1995 WL 110570 (N.D. Cal. 1995) (applying chosen law but concluding that because that law “dictates that a contractual choice-of-law provision does not govern tort-based claims…., the Court must apply the law of the forum.” Id. at p. 4); Atchison Casting Corp. v. Dofasco, Inc., 1995 WL 655183, 889 F. Supp. 1445, 1458-59 (D.Kan. 1995); Pizzeria Uno of Kingston, Inc. v. Indepence Mall Group, 1995 WL 419932 (MA Superior Court, Suffolk County 1995); Audiotext Communications Network, Inc. v. US Telecom, Inc., 1995 WL 625744 (D. Kan. 1995) (decided under Florida` s conflicts law). 874 Vgl. Telmark, Inc. v. Schierloh, 102 Ohio App.3d 801, 658 NE.2d 43 (1995); Payapratama v. Bankers Trust Co., 1995 WL 495634 (S.D.N.Y. 1995); vgl. hingegen die zwei Ausnahmefälle Arno v. Club Med Boutique Inc., 134 F.3d 1424 (9th Cir. 1998, entschieden nach Kalifornischem conflicts law) und Servicios Comerciales Andinos. S.A. v. General Electric del Caribe, Inc., 145 F.3d 463 (1st Cir. 1998), dazu ausführlich: Symeon C. Symeonides,Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 353 (1999).
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Hypothek,875 oder Verjährungsrecht anzuwenden.876 Die Zulässigkeit von Rechtswahlklauseln
richtet sich allerdings nach einzelstaatlichem Recht und divergiert.877 Grundsätzliche
Voraussetzung für eine Rechtswahl ist nach der amerikanischen Lehre, dass folgende
Vertragsmerkmale vorhanden sind: Sowohl das subjektive Moment des Willens wie auch das
objektive Moment einer Erklärung dieses Willens nach außen müssen vorliegen. Fehlt es an
einem übereinstimmenden Rechtswahlwillen oder seiner Kundgabe nach außen, scheidet eine
Rechtswahl von vornherein aus. Bei einer ausdrücklichen Rechtswahl sind diese Merkmale
problemlos festzustellen.878
bb) Choice-of-law clause in Kombination mit Gerichtsstands- oder
Schiedsgerichtsklauseln
Rechtswahlvereinbarungen werden in den USA oft mit Gerichtsstands- oder
Schiedsgerichtsklauseln kombiniert. Folglich sind zwei Arten von Klauseln involviert: choice-
of-law clauses (Rechtswahlklauseln) und choice-of-forum clauses (Gerichtsstandsklauseln). Die
rechtlichen Probleme, die sich daraus ergeben, sind bei beiden ähnlich. Aber, wie bereits
festgestellt, gibt es Begrenzungen der Parteiautonomie, da es Angelegenheiten gibt, die ein
Staat von seinen eigenen Gerichten unter Anwendbarkeit seines eigenen Rechts entschieden
haben will. Da Schlichtung von der American Arbitration Association oder dem International
Chamber of Commerce geregelt wird, kann es durchaus vor einem Gericht erscheinen, das in
einem Staat lokalisiert ist, der keine Beziehung zu der Transaktion hat.879
Auch “floating choice-of-law“ clauses, eine sogenannte schwebende Rechtswahl, und
“construction clauses“ werden insbesondere im internationalen Vertragsrecht in England880 und
875 Vgl. Vanice v. Oehm, 247 Neb. 298, 526 N.W. 2d 648, 651 (1995); Harbor Funding Corp. v. Kavanagh, 666 A. 2d 498, 500 (Me. 1995); Red Rock Commodities, Ltd. v. ABN-AMRO Bank, N.A., 1995 WL 714349, S.D.N.Y., Dec 05, 1995.876 Vgl. Fisher v. Reich, 1995 WL 23966 (S.D.N.Y. 1995); Audiotext Communications Network, Inc. v. US Telecom, Inc., 1995 WL 625744 (D. Kan. 1995) (decided under Florida` s conflicts law); vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 381 ff. (1999). 877 Fuller Co. v. Compagnie des Bauxites de GuinŽe, 421 F. Supp. 938 (W. D. Pa. 1976); General Electric Co. v. Keyser, 166 W. Va. 456, 275 S.E.2d 289 (1981): Musgrave v. HCA Mideast, Ltd., 856 F.2d 690 (4th Cir. 1988); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika 290 (1987); Mathias Reimann, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, S. 332; Willis L. M. Reese et al., Cases and Materials on Conflict of Laws Chapter 9. 878 Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 69. 879 Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1201. 880 Vgl. hierzu: Danilowicz, International Lawyer 20 (1986), 1005 (1112).
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den USA881 überwiegend als Rechtswahlvereinbarung ausgelegt und als Form einer
ausdrücklichen Rechtswahl anerkannt. Es sind in der Benutzung von Rechtswahl- und
Gerichtsstandsklauseln verschiedene Tendenzen zu beobachten.882 In vielen Gebieten sind die
Anwälte immer noch besorgt, ihre internationalen Geschäftsverträge mittels vorsichtig
verfasster Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln sicher in dem Einzugsbereich eines
nationalen Rechts, falls möglich das Recht ihrer Mandanten oder ein zuverlässiges neutrales
Recht, verankert zu haben.883 In anderen Gebieten des internationalen Handels tauchen
Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln hingegen nicht auf.884 Das kann daran liegen, dass die
Parteien das Geschäft als eine Routineangelegenheit betrachten und sich auf die Regeln des
Internationalen Privatrechts verlassen. Allerdings scheinen in manchen Gebieten die Parteien
anzunehmen, es sei bereits ein ausreichendes Maß an internationaler Einheitlichkeit existent, so
dass die Frage des anwendbaren nationalen Rechts nicht entschieden werden muss. In anderen
Fällen vermuten die Parteien, dass die Frage einer ausdrücklichen Rechtswahl und eines
Gerichtsstandes eine unnötige Streitigkeit über eine Prestigeangelegenheit verursachen und
somit die Chancen einer effektiven Kooperation beeinträchtigen würde.885 Die Parteien haben
manchmal den Eindruck, die Wahl eines spezifischen nationalen Rechts sei nicht hilfreich und
würde den vorsichtig verhandelten Interessenausgleich, der sich im Vertrag widerspiegelt,
beeinträchtigen. Allerdings betrachten die Parteien in den meisten Fällen die ausdrückliche
Rechtswahlklausel immer noch als einen sicheren Schutz gegen unvorhergesehene rechtliche
Konsequenzen. Ausserdem bestehen einige Länder auf Anwendung ihres eigenen nationalen
Rechts.886
d) Die stillschweigende Rechtswahl und der hypothetische Parteiwille
Bei fehlender ausdrücklicher Rechtswahl der Parteien muss ihre implizierte Absicht ermittelt
werden.887 Das Gebiet einer „stillschweigenden“ im Gegensatz zu der „hypothetischen“
Rechtswahl, ist in der Praxis undurchsichtig. Selbst nach der objektiven Umdeutung der
untergeordneten Regel tendierten die Gerichte dahin, diese zwei Ansätze zu vertauschen,
881 Foreman v. George Foreman Associates, Ltd., 517 F. 2d 354, 356 (9th Cir. 1975); Boatland, Inc. v. Brunswick Corp., 558 F. 2d 818, 821 f. (6th Cir. 1977); Sullivan v. Sayin Business Machines Corp., 560 F.Supp. 938, 939 (N.D.Ind. 1983); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 290 (1987); MüKo-Martiny, Art. 27 EGBGB Rn. 45. 882 Vgl. hierzu: Vitek Danilowicz, “Floating” Choice-of-Law Clauses and their Enforceability, 20 International Lawyer, 1005 ff. (1986). 883 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 884 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 885 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 886 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 887 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; so auch Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law, 341, 343 (1952).
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obwohl zumindest prozessuale Forderungen ihre unzweideutige Trennung erzwingen. Das
Abwiegen der objektiven Interessen macht deutlich, dass stillschweigende Rechtswahl die
individuellen, subjektiven Vertragsmerkmale oder die Merkmale eines vertraglichen Verhaltens
hervorhebt.888 Sowohl die Rechtsprechung889 als auch die Literatur890 erkennen allerdings in
den USA neben einer ausdrücklichen Rechtswahl eine stillschweigende bzw. schlüssige
Rechtswahl an, die auch als “implied or inferred intention“ oder “tacit election, choice or
agreement“ bezeichnet wird.891 Das bedeutet, dass die Wahl des anwendbaren Rechts nicht
ausdrücklich sein muss, solange es sich um eine tatsächliche Rechtswahl handelt. Wenn die
Parteien keine ausdrückliche Vereinbarung bezüglich des anwendbaren Rechts getroffen haben,
sich aber bei einem mehrstaatlichen Vertragsverhältnis aus ihren Äußerungen schließen läßt, sie
seien übereinstimmend von der Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts ausgegangen, so wird
ihre hieraus abgeleitete stillschweigende Rechtswahl gleichermaßen berücksichtigt.892
Die stillschweigende Rechtswahl bereitet allerdings im Gegensatz zur ausdrücklichen
Rechtswahl Schwierigkeiten. Zwar belegen zahlreiche amerikanische Entscheidungen893, dass
der stillschweigende Parteiwille dem ausdrücklichen gleichgestellt wird: Die amerikanische
Lehre fordert für beide einen tatsächlichen Rechtswahlwillen und dessen indirekte
Manifestation nach außen. Problematisch ist jedoch, woran eine stillschweigende Rechtswahl in
der Praxis festgemacht, wie sie ermittelt und bewiesen werden kann. Darauf wird im Folgenden
genauer eingegangen. Die stillschweigende Rechtswahl ist von dem hypothetischen
888 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229. 889 Kleve v. Basler Lebens-Versicherungs-Gesellschaft in Basel, 182 Misc. 776 (780), 45 N.Y.S. 2d 882 (886) (1943); Bartlett & Co., Grain v. Merchants Co., 323 F. 2d 501 (505) (5th Cir. 1963); American Service Mutual Insurance Co. v. Bottum, 371 F. 2d 6, 11 (8th Cir. 1967); Cole v. State Automobile & Casualty Underwriters, 296 N.W. 2d 779 (782) (Ia. 1980). 890 David F. Cavers, A Critique of the Choice-of-Law Problem, 47 Harv. L. Rev., 185 (1933); Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 469 ff.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 291 ff.; John Prebble, Choice of Law to Determine the Validity and Effect of Contracts: A Comparison of English and American Approaches to the Conflict of Laws, 58 Corn. L. Rev. 1972-73, 636 ff.; William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223; Eugene F. Scoles et al., Conflict of Laws, S. 859 ff.; Robert Allen Sedler, The Contracts Provisions of the Restatement (Second): An Analysis and a Critique, 72 Col. L. Rev. 1972, 279-328, 327 ff.; Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law 341, 352 (1952). 891 Vgl. beispielsweise Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; so auch vgl. Ole Lando, The 1955 and 1985 Hague Conventions on the Law Applicable to the International Sale of Goods, 57 RabelsZ 1993, 155 (165). 892 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment a 561 (1971); Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1211; vgl. auch Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 291 ff. (1987); William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223. 893 Cable Co. v. McElhoe, 58 Ind. App. 637, 108 N.E. 790 (1915); Blair v. New York Life Ins. Co. 104 P. 2d 1075, 1079 (Cal. Ct. App. 1940); Paulansky v. Polish Roman Catholic Union of America, 219 Ind. 441, 39 N.E. 2d 440 (1942); Hall v. Keller, 80 F.Supp. 763, 79 U.S.P.Q. 286 (W.D. La. 1948); Maxwell Shapiro Woolen Co., Inc. v. Amerotron 158 N.E. 2d 875 (Mass. 1959); Yager v. Rubymar Corp., 34 Misc.2d 704, 216 N.Y.S.2d 577 (1961).
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Parteiwillen – “the presumed intention of the parties“ – abzugrenzen, bei dem es sich nicht um
einen Willen der Parteien, sondern um eine objektive, individualisierende Methode zur
Anknüpfung an den Schwerpunkt des Vertrages handelt.894 Die Gerichte stellen in ihren
Entscheidungen895 klar, dass sie eine rein objektive Schwerpunktbestimmung des Vertrages
vornehmen. Für eine wirksame stillschweigende Rechtswahl muss hingegen sicher sein, dass
die Parteien das gewünschte Recht tatsächlich gewählt haben. Ein bloß hypothetischer
Parteiwille reicht nicht.896
Eine scharfe Grenzziehung zwischen stillschweigender und hypothetischer Rechtswahl ist auch
im amerikanischen Kollisionsrecht in der Praxis kaum möglich. Die amerikanische Lehre weist
zwar auf die Unterscheidung zwischen realem (“party-made“), stillschweigendem und irrealem
(“court-made“), hypothetischem Parteiwillen hin.897 Jedoch vergrößert die Rechtsprechung ihre
diesbezügliche Unsicherheit dadurch, dass sie dogmatisch nicht genau trennt. Konsequenz
daraus ist, dass “implied“ und “presumed intention“ jeweils sowohl für einen stillschweigenden
als auch für einen hypothetischen Parteiwillen stehen können. Die Gerichte formulieren
beispielsweise in ihren Entscheidungen “that the law governing this contract is that which the
parties intended, or may fairly presumed to have intended“.898
Bei der stillschweigenden Rechtswahl bei Verträgen (“contracts without a choice-of-law
clause“) haben sich in den letzten Jahren zwei Methoden entwickelt, um die
Rechtswahlkonflikte zu lösen.899 Die erste Methode, bekannt als “uniform-contract-
interpretation“-Methode, zielt darauf ab, das Recht nur eines einzelnen Staates anzuwenden,
selbst wenn der Vertrag mehrere Rechtsordnungen berührt. In der Regel führt diese Methode
dazu, dass das Recht des Staates angewandt wird, in dem der Vertrag entweder abgeschlossen
894 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 188 Comment a (1971); David F. Cavers, A Critique of the Choice-of-Law Problem, 47 Harv. L. Rev. 1933, 185; Robert Keith Larson, Choice of Law: Illinois Contract Cases, 31 Chi.-Kent L. Rev. 1952-53, 291-352, 308; Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 70 f.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 269; Ernst Rabel, An interim account on comparative Conflicts Law, 46 Mich. L. Rev. 1947-48, 625, 635. 895 General Acceptance Corp. v. Lyons, 125 Vt. 332, 215 A.2d 513 (1965); Jansson v. Swedish American Line, 30 A. L. R. 2d 1385 (1950), 185 F. 2d 212, 216 (1st Cir 1950); Boston Law Book Co. v. Hathorn 119 Vt. 416, 127 A.2d 120 (1956). 896 In diesem Sinne auch William M. Richman & William L. Reynolds, Understanding Conflict of Laws, S. 223. 897 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 229; Robert A. Leflar, Choice-Influencing Considerations in Conflicts Law, 41 N. Y. U. L. Rev. 1966, 267, 283. 898 Mullay v. Carlisle Chemical Works, Inc., 177 F.Supp. 588, 593 (D.N.J. 1959); auch vermengt in Boatland, Inc. v. Brunswick Corp., 558 F. 2d 818, 821 (6th Cir. 1977). 899 Zu “contracts without a choice-of-law clause“ vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 224 (1996); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 390 ff. (1999).
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wurde oder der andere wichtige Verbindungen mit dem Vertrag oder den Parteien hat.900 Die
andere Methode, das heißt die sogenannte “site-specific“-Methode, wurde in der Entscheidung
Reichhold Chemicals901 und Param Petroleum902 verfolgt und wird teilweise auf § 193 des
Restatements Second gestützt.903 Diese Methode verfolgt nicht das Ziel, das Recht eines
einzelnen Staates auf den gesamten Vertrag anzuwenden, sondern konzentriert sich stattdessen
auf das Recht des Staates, in dem die Vertragsverletzung stattfand, es sei denn ein anderer Staat
hat eine noch bedeutendere Beziehung in dem konkreten Fall.904 Der Supreme Court von New
Jersey wies den “uniform-contract approach“ 1993 in dem Urteil Gilbert Spruance Co. v.
Pennsylvania Manufacturers´Ass´n Ins. Co.905 zurück und begann, den “site-specific approach“
zu entwickeln.906 Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Pennsylvania war der
Wohnsitz des Versicherers, des Versicherten, des Versicherungsvertrages und der versicherten
Abfall produzierenden Anlage. New Jersey war der Ort, an dem der Abfall deponiert worden
war. Spruance war somit weder ein “multistate“- noch “multisite“-Fall, vielmehr ein “bi-state“,
“split-site“-Fall. Das Gericht wendete hier das Restatement Second an und entschied, dass das
Recht des Staates anwendbar sei, wo der hauptsächliche Ort des versicherten Risikos sei, es sei
denn ein anderer Staat habe eine „dominante bedeutende Beziehung entsprechend den
Prinzipien aufgezählt in § 6 des Restatements“.907
Im Jahre 1997 wurden neun von elf Fällen nach der “site-specific“-Methode entschieden.908
Das Restatement Second setzt fest, dass bei fehlender ausdrücklicher Rechtswahl der Parteien
das Recht des Staates anwendbar ist, das in Bezug auf den speziellen Fall die wichtigste
Beziehung zu dem Geschäft und den Parteien hat (the „most significant relationship“, vgl.
§ 188 (1)).909 Folgende Gesichtspunkte sollen bei Anwendung dieser “choice-of-law principles“
900 Vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 361 ff. (1999). 901 Reichhold Chemicals, Inc. v. Hartford Accident & Indemnity Co. 703 A. 2d 1132 (Conn. 1997). 902 Param Petroleum Corp. v. Commerce & Industry Insurance Co. 686 A. 2d 377 (N.J. App. 1997). 903 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1997, 46 Am. J. Comp. L., 233, 276 (1998); vgl. auch Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 361 ff. (1999). 904 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 361 ff. (1999). 905 134 N.J. 96, 629 A. 2d 885 (1993). 906 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 361 ff. (1999). 907 629 A. 2d 893; vgl. Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1998: Twelfth Annual Survey, 47 Am. J. Comp. L. 327, 363 ff. (1999). 908 Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1997, 46 Am. J. Comp. L., 233, 276 (1998). 909 Ole Lando, International Encyclopedia of Comparative Law, Private International Law, Band 3, S. 73; Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 62 ff.; Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 134.
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Berücksichtigung finden: der Ort des Vertragsschlusses, der Ort der Vertragsverhandlungen,
der Ort der Vertragsausführung sowie des Vertragsgegenstandes, der Geschäftssitz der Parteien,
ihr Wohnsitz, ihre Nationalität.910 Das Gericht, das diese Methode anwendet, zählt nicht die
Indizien, die einschlägig sind. Vielmehr betrachtet es, welches Indiz am wichtigsten ist.
Während einige Indizien mehr Bedeutung haben, sind andere weniger zu berücksichtigen.911 Es
gibt keine Vereinbarung bezüglich der Wichtigkeit dieser Indizien, aber die
Gerichtsentscheindungen zeigen, dass einige Indizien bedeutungsvoller sind als andere. Dem
Indiz der Gerichtsstandsklausel wird beispielsweise – wie sich noch herausstellen wird – immer
ein grosses Gewicht beigemessen. Um zu wissen, welches die wichtigsten und
aussagekräftigsten Indizien sind, müssen die Gerichtsentscheidungen gründlich betrachtet
werden.
3. Indizien für eine stillschweigende Rechtswahl in der Praxis
Auch die amerikanische Rechtsprechung ermittelt den stillschweigenden Parteiwillen anhand
von Indizien, obwohl sich noch keine festen Regeln oder Strukturen gebildet haben, die in
schematischer Form bei Vorliegen gewisser typischer Umstände von einer schlüssigen
Rechtswahl ausgehen. Vielmehr wird der Parteiwille durch die Berücksichtigung aller
Umstände des Vertrages bestimmt.912
Die Gerichte ziehen alle relevanten Umstände in Betracht, wie zum Beispiel auch die
Heimatländer der Vertragsparteien, die Benutzung von Standardformularen und die Wahl eines
Gerichtsstandes oder eines Schiedsgerichtsortes. Es werden alle möglichen Hinweise
herangezogen und geprüft, ob sie auf eine stillschweigende Rechtswahl hindeuten.
Folgende Indizien sollen daraufhin näher untersucht werden:
a) Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsklausel
Während Schiedsgerichtsklauseln eine relativ neue Entwicklung darstellen, werden
Gerichtsstandsklauseln seit Ende des letzten Jahrhunderts benutzt und prozessiert und
„historisch nicht befürwortet von den amerikanischen Gerichten.“ Der Supreme Court erklärte
eine ausländische Gerichtsstandsvereinbarung erstmals im Jahre 1900 für nichtig unter dem
Harter Act, der in seinem Versuch, die relative Haftung von Verfrachtern durch die
Regulierung von Ladescheinen zu definieren, als ein Vorläufer von COGSA (Carriage of
910 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 188 (1971); Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181 (1996); Peter Stone, The Conflict of Laws, S. 14 (1995). 911 Am. Jur. 2d Conflict of laws to constitutional law § 84 (1979). 912 Blair v. New York Life Ins. Co. 104 P. 2d 1075, 1079 (Cal. Ct. App. 1940).
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Goods by Sea Act) diente.913 Nach einer langen Entwicklung lässt sich die Tendenz
amerikanischer Gerichte914 zur Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen feststellen. Die
Abrede eines Gerichtsstandes ist nämlich auch in den USA zu einem unerlässlichen und
wichtigen Bestandteil des Wirtschafts- und Rechtslebens geworden, auch wenn amerikanische
Gerichte dem früher kritisch gegenüberstanden. Gerichtsstandsklauseln sind historisch nicht
befürwortet worden von amerikanischen Gerichten. Viele Bundes- und Landesgerichte haben es
abgelehnt, solche Klauseln anzuerkennen mit der Begründung, dass sie „gegen das
Gemeinwohl verstießen“ oder es ihre Auswirkung sei, „die Gerichtsbarkeit des Gerichtes
abzusetzen“. Obwohl diese Ansicht noch immer beträchtliche Akzeptanz findet, tendieren
andere Gerichte heute dahin, eine mehr positive Einstellung gegenüber Gerichtsstandsklauseln
einzunehmen. Das Argument, dass solche Klauseln ungeeignet sind, da sie dazu neigen, ein
Gericht von seiner Gerichtsbarkeit zu entfernen, wird als eine verkümmerte rechtliche Fiktion
angesehen.915 Es erscheint im Kern auf historischem richterlichem Widerstand gegenüber
jedem Versuch zu beruhen, die Macht und das Geschäft eines bestimmten Gerichtes zu
verringern und hat wenig Raum in einem Zeitalter, in dem alle Gerichte überbeschäftigt sind.
Denn Geschäfte, die einst hauptsächlich auf lokaler Ebene stattfanden, operieren nun in
Weltmärkten.916
Der ehemalige kritische Standpunkt änderte sich jedoch mit der bahnbrechenden Entscheidung
M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co.917. Die Vollziehung von
Gerichtsstandsklauseln in internationalen Übereinkommen wird bestimmt von der Supreme
Court-Entscheidung, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt: Die amerikanische Gesellschaft
Zapata Off-Shore Company hatte mit der deutschen Firma Unterweser Reederei GmbH einen
Vertrag geschlossen, der diese verpflichtete, die Ölbohrplattform „Chaparral“ Zapatas von
Louisiana nach Italien zu befördern. Der Vertrag enthielt eine Gerichtsstandsklausel zugunsten
des High Courts of Justice in London. Ungeachtet dieser Klausel machte Zapata
Schadensersatzansprüche wegen eines im (Bundes-) District Court in Tampa, Florida
913 Elisabeth A. Clark, Foreign Arbitration Clauses and Foreign Forum Selection Clauses in Bills of Lading Covered by COGSA: vimar segurosy Reaseguros S.A. v. M/V Sky Reefer, 71 B. Y. U. L. Rev. 1996, 439, 483; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 227 ff. (1996).914 Application of Doughboy Industries, Inc., and Pantasote Co., 17 A.D. 2d 216, 233 NYS. 2d 488, 494 n. 2 (1962); M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 92 S. Ct. S. 1906, 407 U.S. 1, 10 (1972); Gaskin v. Stumm Handel GmbH, 390 F. Supp. 361, 363, 366 N. 2 (S.D.N.Y. 1975); Spatz v. Nascone, 368 F. Supp. 352, 354 (WD.Pa. 1973).915 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 916 N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 917 M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 92 S. Ct. 1906, 407 U.S. 1, 10 (1972).
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entstandenen Unfalls gegen die deutsche Reederei geltend.918 Deren auf die
Gerichtsstandsvereinbarung gestützten Einwand der Unzuständigkeit wiesen District Court und
Court of Appeals zurück. Der Supreme Court hob die Entscheidung des Bundesgerichtes auf.919
In dieser Entscheidung lehnte eine Mehrheit von acht Richtern920 die traditionell feindliche
Haltung amerikanischer Gerichte gegenüber Gerichtsstandsvereinbarungen ab und schloss sich
der modernen Lehre von der Zulässigkeit einer vertraglichen Gerichtsstandsvereinbarung an.
Begründet wurde dies mit den Anforderungen des modernen zwischenstaatlichen Handels.921
Es wurde in dem entsprechenden Fall der eher positive Standpunkt eingenommen, dass solche
Klauseln dem Rechtsschein nach gültig sind und vollzogen werden sollten, es sei denn, die
widersprechende Partei lege dar, dass eine Vollziehung unter diesen Umständen unvernünftig
sei.922 Diese Entwicklung ist deshalb von erheblicher praktischer Bedeutung, weil die Wahl
eines Gerichtsstandes von der Rechtsprechung zugleich als Grund für die Anwendung des
entsprechenden Rechts und somit als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl angesehen wird.
Auch die amerikanische Lehre923 geht von der starken Vermutung aus, die
Gerichtsstandsklausel beinhalte in sich eine stillschweigende Rechtswahl zugunsten der
Rechtsordnung des Forums. Die Maxime „qui eligit iudicem eligit ius“ soll im amerikanischen
Kollisionsrecht allerdings erst dann gelten, wenn über das bloße Faktum der Forumwahl
918 Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9AWD 1972, 449, 450 ff.; Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, 1204 ff., 1217. 919 M/ S Bremen and Unterweser Reederei GmbH v. Zapata Off-Shore Co., 92 S. Ct. 1906, 407 U.S. 1, 10 (1972); dazu ausführlich Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9 AWD 1972, 449, 450 ff.; Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1204 ff., 1217. 920 Lediglich J. Douglas dissentierte. 407 U.S. 20-24 (1972). 921 In dem Urteil hieß es: “Such clauses are prima facie valid and should be enforced unless enforcement is shown by the resisting party to be ´unreasonable` under the circumstances.” Außerdem: “The expansion of American business and industry will hardly be encouraged if, notwithstanding solemn contracts, we insist on a parochial concept that all disputes must be resolved under our laws and in our courts……….”. 922 Vgl. Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9AWD 1972, 449 ff.; N. Horn & C. Schmitthoff, The Transnational Law of international commercial transactions, S. 9. 923 S. A. Bayitch, The connecting agreement: A Study in Comparative Conflict Law, 7 Miami L. Q. 1952-53, 297; Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9 AWD 1972, 449 ff.; Karl-Christian Koch, Die stillschweigende Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht und der Vertragsschluss durch Schweigen im materiellen Recht – Eine Untersuchung der kollisionsrechtlichen und der materiell-rechtlichen Problematik des Schweigens beim Abschluß von internationalen Verträgen, S. 106 ff.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 292; Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297; John Prebble, Choice of Law to Determine the Validity and Effect of Contracts: A Comparison of English and American Approaches to the Conflict of Laws, 58Corn. L. Rev. 1972-73, 636 ff.
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hinausgehende Aufschlüsse über die Vorstellungen der Parteien zu gewinnen sind.924
Wie ausländische Gerichtsstandsklauseln wurden auch Schiedsgerichtsklauseln traditionell von
den Gerichten abgelehnt, die der Ansicht waren, jene seien aus Gründen des Gemeinwohls
ungültig.925 Die Übernahme des Federal Arbitration Act (FAA) im Jahre 1925 forderte
allerdings die Vollziehung von Schiedsgerichtsklauseln in Verträgen für den
zwischenstaatlichen Handel, wobei die traditionelle Regel gegen die Vollziehung umgestürzt
wurde. Im Jahre 1985 bestätigte der Supreme Court in Mitsubishi Motors Corp. v. Chrysler-
Plymouth, Inc.926 wieder die Wichtigkeit, ausländische Schiedsgerichtsklauseln zu vollziehen.
Anstatt breiter Gemeinwohlrechtfertigungen für Schiedsgerichtsklauseln, die diese Fälle
präsentieren, sowie der ausdrücklichen Anwendbarkeit des FAA auf Seegeschäfte, vertreten
einige Gerichte927 die Ansicht, dass ausländische Schiedsgerichtsklauseln unter COGSA
ungültig waren, weil sie die Haftung der Verfrachter begrenzten. Es trat eine Spaltung in den
Bezirksgerichten über die Vollziehung ausländischer Schiedsgerichtsklauseln unter COGSA
auf.928 In der Gerichtsentscheidung Scherk v. Alberto-Culver Co.929 wurde eine
Schiedsgerichtsvereinbarung in einem aus einem internationalen Vertrag entstandenen Fall, in
dem es um Wertpapiere ging, vollzogen. Das Gericht erklärte, dass in Bezug auf jeden Vertrag,
der Berührungspunkte zu zwei oder mehreren Ländern aufweise, in der Regel Unsicherheit
existiere, da jedes Land seine eigenen materiellen sowie internationalprivatrechtlichen
Rechtsregeln habe. Eine vertragliche Bestimmung, die im Voraus das Gericht, in dem
Streitigkeiten ausgetragen werden sollen, und das damit anwendbare Recht bestimme, sei eine
fast unabdingbare Vorbedingung, um die Planmäßigkeit und Vorhersehbarkeit, die für jede
internationale Geschäftsabwicklung wesentlich sei, zu erreichen. In Scherk v. Alberto-Culver
924 In diesem Sinne: S. A. Bayitch, The connecting agreement: A Study in Comparative Conflict Law, 7 Miami L. Q. 1952-53, 297; Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9 AWD 1972, 449 ff.; Karl-Christian Koch, Die stillschweigende Rechtswahl im internationalen Vertragsrecht und der Vertragsschluss durch Schweigen im materiellen Recht – Eine Untersuchung der kollisionsrechtlichen und der materiell-rechtlichen Problematik des Schweigens beim Abschluß von internationalen Verträgen, S. 106 ff.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 292; Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297; John Prebble, Choice of Law to Determine the Validity and Effect of Contracts: A Comparison of English and American Approaches to the Conflict of Laws, 58 Corn. L. Rev. 1972-73, 636 ff. 925 Clark, Foreign Arbitration clauses and foreign forum selection clauses in Bills of Lading covered by COGSA: vimar segurosy Reaseguros S.A. v. M/V Sky Reefer, 1996 B. Y. U. L. Rev. 1996, 483; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 227 ff. (1996). 926 Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).927 Vgl. Nachweise bei: Clark, Foreign Arbitration clauses and foreign forum selection clauses in Bills of Lading covered by COGSA: Vimar segurosy Reaseguros S.A. v. M/V Sky Reefer, 1996 B. Y. U. L. Rev. 1996, S. 483; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 227 ff. (1996). 928 Clark, Foreign Arbitration clauses and foreign forum selection clauses in Bills of Lading covered by COGSA: Vimar segurosy Reaseguros S.A. v. M/V Sky Reefer, 1996 B. Y. U. L. Rev. 1996, 483; Symeon C. Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1995: A Year in Review, 44 Am. J. Comp. L. 181, 227 ff. (1996). 929 Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S. 506, 94 S. Ct. 2449 (1974).
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Co.930 fand das Gericht es entscheidend, dass die Vereinbarung „wirklich international“ war.
Vergleichsweise erklärte das Gericht in Mitsubishi Motors Corp. v. Chrysler-Plymouth, Inc.931,
dass „Aspekte der internationalen Höflichkeit, die Kapazitäten und die Eignung ausländischer
und grenzüberschreitender Gerichte sowie die Offenheit gegenüber dem Bedürfnis des
internationalen Handelssystems für Vorhersehbarkeit in der Streitschlichtung erfordern, dass
wir die Parteivereinbarung vollziehen, selbst unter der Annahme, dass ein gegensätzliches
Ergebnis in einem inländischen Kontext vorzuziehen wäre.“932 Die mutmaßliche Gültigkeit
einer Gerichtsstandsvereinbarung kann beseitigt werden, falls die widersprechende Partei
zeigen kann, dass sie „unter den Umständen unvernünftig ist.“ All diese Fälle indizieren die
Bereitschaft des Gerichtes, die Interessen der amerikanischen Geschäftswelt zu
berücksichtigen, während Angelegenheiten, die sich auf internationale Verträge beziehen,
abgewogen werden. Das Zitat tendiert dazu, nahezulegen, dass das Gericht bereit wäre, die
vernünftigen Maßnahmen zu vollziehen, die den Handels- und Warenverkehr zwischen USA
und ausländischen Firmen fördern und verbreiten.
Selbst wenn die Bewertung von Schiedsgerichtsklauseln nicht immer eindeutig ist933, kommt
der Schiedsgerichtsklausel nach dem Restatement Second934 eine gewisse Indizwirkung
hinsichtlich einer stillschweigenden Rechtswahl zu. Enthält ein Vertrag eine
Schiedsgerichtsklausel, kann man darin eine stillschweigende Wahl des am Schiedsgerichtsort
geltenden Rechts sehen. Rechtsprechung935 und Lehre936 erachten dies als ausreichend. Bereits
die Wahl einer bestimmten Schiedsgerichtsordnung kann ausreichen als ein Indiz.937 Ebenso
kann die vereinbarte Zuständigkeit eines staatlichen Gerichtes auf das dortige materielle Recht
hindeuten.938 Auch im amerikanischen Recht wird eine Schiedsgerichtsvereinbarung im
Vergleich zu einer Gerichtsstandsklausel, auch wenn sie beide dieselbe Funktion wahrnehmen,
930 Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S. 506, 94 S. Ct. 2449 (1974). 931 Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).932 Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).933 Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 70. 934 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 218 Comment b (1971). 935 Lummus Company v. Commonwealth Oil Refining Company, Inc., 280 F. 2d 915 (924) (1st Cir. 1960); Scherk v. Alberto-Culver Co., 417 U.S. 506, 94 S. Ct. 2449 (1974); vgl. Kress Corp. v. Edw. C. Levy Co., 102 III.App.3d 264, 430 N.E. 2d 593, 58 III.Dec. 561 (1981); Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).936 Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law 341, 352 (1952). 937 Vgl. Kress Corp. v. Edw. C. Levy Co., 102 III.App.3d 264, 430 N.E. 2d 593, 58 III.Dec. 561 (1981).938 Chinchilla v. Foreign Tankship Corporation, 195 Misc. 895 (900), 91 N.Y.S. 2d 213 (218) (1949).
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insofern als vorteilhafter angesehen, als sie einfacher, informeller und schneller zu vollziehen
sei.939
Im Gegensatz zu Deutschland, wo die Gerichtsstands- und Schiedsgerichtsvereinbarung als
stärkster Anhaltspunkt für eine stillschweigende Rechtswahl angesehen wird,940 spielt sie
dennoch in der amerikanischen Kasuistik eine eher geringe Rolle. Dies kann daran liegen, dass
in den Gerichten der USA die Anknüpfung an den Parteiwillen sich ihren Anwendungsbereich
jahrzehntelang mit der Anknüpfung an den Abschluss- und Erfüllungsort teilen musste. Zudem
wurden beide früher von den Gerichten oft für unwirksam erklärt, so dass sich zwangsläufig
kein typisierendes Fallrecht in Bezug auf eine zusätzliche Bedeutung solcher Klauseln als Indiz
für eine schlüssige Rechtswahl entwickeln konnte.941 Es stellt sich die Frage, warum „das
anwendbare Recht in einer internationalen Handelsschlichtung“ ein Problem darstellt. Jedes
nationale Gericht wird bei Konfrontation mit der Frage des anwendbaren Rechts auf einen
vertraglichen Streit vor dem Hintergrund nationaler Rechtswahlregeln entscheiden.
Internationale Streitschlichtung, entwickelt als eine Alternative zu nationalen richterlichen
Systemen, leitet ihre Autorität nicht aus einer Nation, aber aus einer Vereinbarung zwischen
zwei Privatparteien her.
Fraglich ist, ob ein Schlichter das anwendbare Recht mittels einer Regel des Internationalen
Privatrechts wählen und welches Kollisionsrecht er anwenden sollte. Eine andere Möglichkeit
wäre es, den Fall vor dem Hintergrund eines nicht nationalen Rechtssystems zu entscheiden
(lex mercatoria). Eine zusammenhängende Entwicklung von Gerichtsentscheidungen, die eine
Antwort auf solche Fragen geben würden, fehlt. Daher spielte die Doktrin eine entscheidendere
Rolle als in anderen Rechtsgebieten, um eine Richtlinie zu formen, um Schlichtern in ihrem
Prozess der Wahl des anwendbaren Rechts auf eine internationale Streitigkeit zu helfen.942 Die
Rechtswahlbedeutung der Schiedsgerichtsklausel sollte jedenfalls nicht weiter reichen als die
einer staatlichen Gerichtsstandsklausel, denn schließlich können die Parteien ihr Schiedsrecht
auch in einer Rechtsordnung verankern.
939 “By agreeing to arbitrate a statutory claim, a party does not forgo the substantive rights afforded by the statute; it only submits to their resolution in an arbitral, rather than a judicial forum. It trades the procedures and opportunity for review of the courtroom for the simplicity, informality, and expedition of arbitration,” Mitsubishi Motors Corporation v. Soler Chrysler-Plymouth Inc. 473 U.S. 614, 628, 105 S. Ct. 3346, 87 (1985).940 Vgl. 3. Kapitel A.II.1. 941 Jürgen Lüthge, Die kollisionsrechtliche Funktion der Schiedsgerichtsvereinbarung: Eine vergleichende Untersuchung des internationalen Schuldvertragsrechts der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland, S. 75 ff. 942 Carlo Croff, The Applicable Law in an International Commercial Arbitration: Is it Still a Conflict of Laws Problem? 16 Int`l Law, 613 (1982).
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b) Das Verhalten der Parteien im Rechtsstreit
Im Gegensatz zum englischen Recht kann im amerikanischen Recht dem nachträglichen
Verhalten der Parteien ein Hinweis auf die ursprüngliche Absicht der Parteien einer
stillschweigenden Rechtswahl entnommen werden.943 Die Absicht muss bei Vertragsschluss
vorgelegen haben. Auch wenn die Parteien erst im Prozess eine Rechtswahl treffen, ein anderes
als das ursprünglich gewählte Recht bezeichnen, wird diese Vereinbarung als stillschweigende
Wahl dieses Rechts anerkannt.944 Dies spiegelt sich in vielen Entscheidungen der
Rechtsprechung945 wider. Das Schweigen der Parteien im Prozess angesichts eines
anderweitigen objektiven Vertragsstatuts oder ihre nur auf Forumrecht gegründeten
Einlassungen werden als stillschweigende Bezeichnung der lex fori gedeutet. Die Gerichte
fingieren traditionell die Übereinstimmung des fremden Vertragsstatuts mit der lex fori.946 In
der Entscheidung Kutka v. Temporaries, Inc.947 geht die amerikanische Rechtsprechung sogar
soweit, dass sie die Tatsache, dass die Parteien im Prozess lediglich Forumrecht vorgetragen
haben, auch als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl der lex fori wertet, wenn der Vertrag
eigentlich eine auf ein anderes Recht deutende Rechtswahlklausel enthält. Die Parteien sind
frei, das einst gewählte oder ansonsten anwendbare Recht durch eine später erfolgte Rechtswahl
zu ersetzen, obgleich weder die formelle Gültigkeit des Vertrages noch die Rechte Dritter
gegensätzlich beeinträchtigt werden dürfen.948
943 Vgl. Dietrich Fudickar, Die nachträgliche Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht, S. 15 ff. (1983); Peter Nygh, Autonomy in international contracts, S. 112 (1999); vgl. Frederick A. Mann, Note: Wickman Machine Tool Sales Ltd. V. L. Schuler AG, 89 L. Q. R., 464-465 (1973); Nagla Nassar, Sanctity of Contracts revisited, S. 41-45 (1995). 944 Ulrich Drobnig, American-German private international law, S. 228; Albert A. Ehrenzweig, Contracts in the Conflict of Laws, 59 Col. L. Rev. 1959, 991; ders., A Treatise on the Conflict of Laws, S. 469 ff. (1962); Dietrich Fudickar, Die nachträgliche Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht, S. 15 ff. (1983); Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 294; Peter Nygh, Autonomy in international contracts, S. 112. 945 Hulme v. Sweetman Construction Company, 230 F. 2d 66 (68) (10th Cir. 1956); Wells v. J. C. Penney Company, 250 F. 2d 221 (225 f.) (9th Cir. 1957); Neville Chemical Co. v. Union Carbide Corp. 422 F. 2d 1205, 1211 (3d Cir. 1970); Continental Wirt Electronics Corp. v. Sprague Electric Co. 329 F.S. 959, 963 (D.C.Pa. 1971); Hellenic Lines Ltd. v. Embassy of Pakistan 467 F. 2d 1150, 1153 (2d Cir. N.Y. 1972); Ezell v. Hayes Oilfield Construction Co., Inc., 693 F. 2d 489, 492 (5th Cir. 1982); Rennick v. O.P.T.I.O.N. Care, Inc., 77 F. 3d 309 (313) (9th Cir. 1996). 946 San Rafael Compania Naviera, S.A. v. American Smelting and Refining Co., 208 F. Supp. 164 (N.D. Cal. 1962), bestätigt, 1964 AMC 2437, 327 F.2d 581, 587 (9th Cir. 1964); Parets v. Eaton Corp., 479 F. Supp. 512, 519, Anm. 2 (E.D.Mich. 1979); vgl. E.F. Scoles & P. Hay, Conflict of Laws, S. 635 (1992). 947 Kutka v. Temporaries, Inc., 568 F. Supp. 1527, 1533 (S.D.Tex. 1983). 948 Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297 (1982).
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c) Die Spezifikation des Erfüllungsortes
Der Erfüllungsort wird von der Rechtsprechung949 als Indiz für eine stillschweigende
Rechtswahl angesehen. Falls der Erfüllungsort und der Ort des Vertragsschlusses jedoch in
verschiedenen Ländern liegen, ist das Recht auf den Vertrag anwendbar, in dem die Leistung zu
erfüllen ist. Dies belegen zahlreiche Entscheidungen der Rechtsprechung950. Allerdings kann
der Erfüllungsort als Indiz überwunden werden von dem Ort des Vertragsschlusses, dem
Wohnsitz, Geschäftsort der Parteien sowie dem Standort des Vertragsgegenstandes.951 Gegen
den Erfüllungsort als Indiz einer stillschweigenden Rechtswahl ist anzuführen, dass er schwer
zu bestimmen ist und bei gegenseitigen Verträgen trotz einer Bezugnahme auf die
„charakteristische Leistung“ nicht immer im Hinblick auf nur eine Vertragsschuld ermittelt
werden kann.952
d) Bezugnahme auf ein anderes Recht oder einen anderen Vertrag
Ein konkludenter Parteiwille kann sich zunächst aus dem Vertrag selbst ergeben, indem er zum
Beispiel Rechtsbegriffe einer fremden Rechtsordnung enthält oder auf Rechtsinstitutionen einer
anderen Rechtsordnung verweist. Nach der Rechtsprechung953 und Lehre954 reicht eine
Bezugnahme der Parteien auf einer bestimmten Rechtsordnung zuzuordnende Rechtsbegriffe
oder -institutionen aus, um eine stillschweigende Wahl dieses Rechts zu begründen. Im
Restatement Second955 wird die Verwendung spezifischer Rechtsbegriffe als ein überzeugender
Beweis für das Vorhandensein eines auf Rechtswahl gerichteten Willens der Parteien genannt.
Auch die Bezugnahme auf ein Recht, in dem sich die Parteien im Verweisungsvertrag
ausdrücklich auf das Recht beziehen, soll ein Hinweis auf das auf den Vertrag anwendbare
Recht sein.956
949 Watts v. Long, 116 Neb. 656, 218 N.W. 410 (1928); Elk River Coal & Lumber Co. v. Funk, 222 Iowa 1222, 271 N.W. 204 (1937).950 Alexander v. Barker, 64 Kan. 396, 67 Pac. 829 (1902); Garnes v. Frazier & Foster, 118 S.W. 998 (Ky. App. 1909); Pratt v. Sloan, 41 Ga. App. 150, 152 S.E. 275 (1930); United States-Alaska Packing Co. v. Luketa, 58 F. 2d 944 (9th Cir. 1932); Moore v. Burdine, 174 So. 279 (La.App. 1937). 951 Willis L. M. Reese, XX th Century Comparative and Conflicts Law Legal Essays in honor of Hessel E. Yntema, S. 411. 952 Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 265. 953 Kleve v. Basler Lebens-Versicherungs-Gesellschaft in Basel, 182 Misc. 776 (780), 45 N.Y.S. 2d 882 (886) (1943); Chinchilla v. Foreign Tankship Corporation, 195 Misc. 895 (900), 91 N.Y.S. 2d 213 (218) (1949). 954 Ulrich Drobnig, American-German Private International Law, S. 228 f.; Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 291 ff.; Martin Wolff, The Choice of Law by the Parties in International Contracts, 73 United States L. Rev. 1939, 203-216, 214; Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law, 341, 352 (1952). 955 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment a 561 (1971). 956 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment c 563 (1971); S. Painton & Co., Ltd. v. Bourns, Inc., 309 F. Supp. 271, 273 f. mit Anm. 15 (S.D.N.Y. 1970); Erwin Spiro, The Incidence of time in the Conflict of Laws, 9 Int. & Comp. L. Q. 357-382, 377 (1960).
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e) Vertragssprache
Die Vertragssprache wird im amerikanischen Internationalen Privatrecht als ein Indiz für einen
stillschweigenden Rechtswahlwillen angesehen.957 Insbesondere kann aus der Verwendung von
Standardverträgen im internationalen Rohstoffmarkt auf eine stillschweigende Rechtswahl
geschlossen werden. Auch eine vorherige Handelsbeziehung hilft, die Absicht der Parteien zu
indizieren.958 Durch Bezugnahme auf einen anderen Vertrag oder gedruckte
Geschäftsbedingungen, die eine Rechtswahlklausel enthalten, kann ebenfalls eine
stillschweigende Rechtswahl erfolgen.959 In der Entscheidung Kutka v. Temporaries, Inc.960
wurde darüber diskutiert, ob zusätzliche Bestimmungen in einen Vertrag gelesen werden
können. Dabei kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass dies nur dann möglich sei, wenn der
diesbezügliche implizierte Wille der Parteien sich klar und eindeutig aus der verwendeten
Sprache ergibt. Es müsse sich ergeben, dass die Implikation derart klar von den Parteien
beabsichtigt worden war, dass sie es für unnötig hielten, es ausdrücklich festzuhalten.961
f) Rechtsgültigkeit und Ergänzung
Im amerikanischen Kollisionsrecht wird das Indiz der Rechtsgültigkeit sowohl von der
Rechtsprechung als auch von der Lehre als leitender Wertungsgesichtspunkt im internationalen
Vertragsrecht und zur Bestimmung einer stillschweigenden Rechtswahl herangezogen.962 In der
Entscheidung Walling Chemical Co. v. Hart963 wurde sogar eine teilweise
Gültigkeitsvermutung akzeptiert und die “partial rule of validation“964 des Restatements Second
angewandt.
Die Tendenz amerikanischer Gerichte, von mehreren in Betracht kommenden Rechten
dasjenige anzuwenden, welches den Vertrag aufrechterhält, wurde im Jahre 1959 von Albert A.
Ehrenzweig einer eingehenden Analyse unterzogen. Er formulierte nach seiner Analyse die „lex
957 Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law 341, 352 (1952). 958 Peter North, Contract Conflicts, S. 9, 17, 297. 959 Dazu kritisch Henning von Boehmer & Klaus H. Jander, Anerkennung von Gerichtsstandsvereinbarungen in den USA, 9 AWD 1972, 449, 451; Ulrich Drobnig, American-German private international law, S. 228, 229. 960 Kutka v. Temporaries, Inc., 568 F. Supp. 1527, 1533 (S.D.Tex. 1983). 961 „..[i]n order for a court to read additional provisions into the contract, the implication must clearly arise from the language used, or be indispensable to effectuate the intent of the parties. It must appear that the implication was so clearly contemplated by the parties that they deemed it unnecessary to express it.”, vgl. Kutka v. Temporaries, Inc., 568 F. Supp. 1527, 1535 (S.D.Tex.1983) (citing Danciger Oil & Ref. Co. v. Powell, 154 S.W.2d 632 (Tex.1941)). 962 Vgl. Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment c 563 (1971); Martin Abend, Die lex validitatis im internationalen Vertragsrecht, S. 299; Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 470; Peter Hay, Einführung, S. 169; Ole Lando, International Encyclopedia of Comparative Law, Private International Law, Band 3, S. 93; with Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 284. 963 508 F. Supp. 338, 341 (D. Neb. 1981). 964 Russel J. Weintraub, Commentary on the Conflict of Laws, S. 360.
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validitatis“-Regel, die er zunächst “rule of validation“ nannte und später dann mit Erik Jayme
zusammen als “presumption of validity“ bezeichnete.965 Seitdem kann in der amerikanischen
Rechtsprechung966, von der die „lex validitatis“-Regel bis dahin nicht ausdrücklich angewandt
wurde, eine „Gültigkeitsvermutung“ festgestellt werden, derzufolge stets das den Vertrag
aufrechterhaltende Recht gelten soll. Das Restatement Second geht in § 187 davon aus, dass die
Parteien bei Vertragsabschluss und meist gleichzeitig getroffener Rechtswahl die Gültigkeit des
Vertrages erwarten und deshalb die Wahl eines Rechts, welches den Vertrag ungültig macht,
auf einem “mutual mistake“ beruht. Die Rechtswahl dürfe wegen Willensmangel nicht beachtet
werden und der Vertrag sei objektiv zu lokalisieren.967 Begründet wird die
„Gültigkeitsvermutung“ der Rechtsprechung – wie auch in den anderen Rechtsordnungen –
damit, dass die Parteien zumeist ein den Vertrag aufrechterhaltendes Recht bezeichnen werden,
so dass damit der Validitätsgrundsatz und die Parteiautonomieregel harmonieren.968 Die
Parteien rechneten immer mit der Verbindlichkeit der Vertragsbestimmungen und somit der
Anerkennung des Verweisungsvertrages. Anderenfalls würden die Parteierwartungen zerstört,
obwohl der Validitätsgrundsatz die Parteierwartungen schützen will.969
Dennoch geben die amerikanischen Gerichte970 fast durchweg einer Rechtswahl auch dann
statt, wenn sie zumindest ausdrücklich ein den Vertrag invalidierendes Recht zur Anwendung
beruft. Haben die Parteien nämlich ausdrücklich ein solches Recht als für ihr Vertragsverhältnis
verbindlich bestimmt, so kann nicht mit der Begründung der Parteierwartungen ein anderes als
das gewählte Recht angewandt werden.971 Dies wäre insofern widersprüchlich, als davon
auszugehen ist, dass die Parteien vorrangig das Recht erwarten, das sie gewählt haben.
Zudem bindet ein fehlerfrei zustandegekommener Verweisungsvertrag die Parteien ebenso wie
andere von ihnen zulässigerweise getroffene Vereinbarungen. Dem Validierungsgrundsatz ist
965 Martin Abend, Die lex validitatis im internationalen Vertragsrecht, S. 357; vgl. auch Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 470. 966 Vgl. z.B. in Kossick v. United Fruit Co., 365 U.S. 731, 741 (1961).967 Frank Vischer, Veränderungen des Vertragsstatuts und ihre Folgen, Festschrift für Max Keller zum 65.Geburtstag, S. 545 ff., 554 (1989). 968 Albert A. Ehrenzweig, Contracts in the Conflict of Laws, 59 Col. L. Rev. 1959, 974, 991; John Prebble, Choice of Law to determine the validity and effect of contracts: A comparison of english and american approaches to the conflict of laws, 58 Corn. L. Rev. 1972-73, 528. 969 Restatement (Second) of Conflict of Laws § 187 Comment e 565 (1971); so auch Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 470. 970 Boatland, Inc. v. Brunswick Corp., 558 F. 2d 818, 821 (6th Cir. 1977); Hardy v. Monsanto Enviro-Chem Systems, Inc., 414 Mich. 29, 86 n.60, 323 N.W.2d 270, das Gericht zitierte § 187 des Restatements Second, wobei es die vertragliche Rechtswahlklausel der Parteien aufrechterhielt. Das Zitat des Restatements war inkonsequent gegenüber dem Ergebnis und der Methodologie. Untergeordnete Gerichte führten es nach der Hardy-Entscheidung fort, die lex loci contractus anzuwenden. Vgl. z.B. in den Fällen zitiert in Symeon Symeonides, Choice of Law in the American Courts in 1993 (and in the six previous years), 42 Am. J. Comp. L. 599, 603 n.30 (1994).971 Vgl. Eugene F. Scoles & Peter Hay, Conflict of Laws, S. 649.
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entgegenzuhalten, dass er den Parteien die Möglichkeit einräumt, sich auf einen beiderseitigen
Irrtum (“mutual mistake“) zu berufen, was angesichts einer unzweideutigen Vereinbarung nicht
befürwortet werden kann.972 Ausserdem haben die amerikanischen Gerichte selbst darauf
bestanden, bestimmte den Vertrag für ungültig erklärende Regeln durchzusetzen, selbst mit
dem Risiko, die Absicht der Parteien, den Vertrag gültig werden zu lassen, zu ignorieren.
Schließlich gibt es möglicherweise gar keine Notwendigkeit für diesen Grundsatz, da viele
Gerichte ohnehin die starren Regeln des First Restatements anwenden, was zu funktionieren
scheint, auch wenn sie in Wirklichkeit das den Vertrag gültig machende Recht anwenden.973
g) Wohnsitz, Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien
Der Wohnsitz und der Geschäftsort spielt in der US-amerikanischen Rechtspraxis für die
Bestimmung des anwendbaren Rechts nur eine untergeordnete Rolle.974
h) Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes
Auch der Standort bzw. die Lage des Vertragsgegenstandes wird als Indiz für die Bestimmung
des Rechtswahlwillens der Parteien lediglich mitberücksichtigt.975
i) Ort des Vertragsschlusses
Bei fehlender ausdrücklicher Rechtswahl soll der Ort des Vertragsschlusses für die
Bestimmung des anwendbaren Rechts von Bedeutung sein.976
Der Ort des Vertragsschlusses ist in den USA als Anknüpfung, hinter der eine grosse Tradition
steht, weit verbreitet, wird befürwortet und praktiziert.977 Begründet wird dies damit, dass der
Vertragsabschlussort der am sichersten feststellbare territoriale Berührungspunkt der Verträge
mit einer Rechtsordnung sei. Dieses Recht sei daher am leichtesten feststellbar.978
972 Vgl. auch Rainer Magold, Die Parteiautonomie im internationalen und interlokalen Vertragsrecht der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 287. 973 Albert A. Ehrenzweig, A Treatise on the Conflict of Laws, S. 458, 459 (1962). 974 Willis L. M. Reese, XX th Century Comparative and Conflicts Law Legal Essays in honor of Hessel E. Yntema, S. 411 (1961); erwähnt von Hessel Edward Yntema, “Autonomy” in Choice of Law, 1 Am. J. Comp. Law, 341, 352 (1952). 975 Willis L. M. Reese, XX th Century Comparative and Conflicts Law Legal Essays in honor of Hessel E. Yntema, S. 411. 976 S.o., 411 (1961); vgl. mit Robert P. Umbricht, Die immanenten Schranken der Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht, S. 53. 977 Stephan Rammeloo, Das neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 39, 72. 978 S.o.
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D. Ergebnis der US-amerikanischen Untersuchung und Ausblick
Das Internationale Privatrecht hat eine besondere Stellung im amerikanischen Rechtssystem.979
Obwohl das amerikanische Rechtssystem im Wesentlichen case-law ist, kann eine Tendenz zu
vermehrtem Gesetzesrecht in der amerikanischen Rechtspraxis wahrgenommen werden. Die
Verfasser des Restatements waren der Ansicht, dass Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und
einheitliche Ergebnisse nicht erreicht werden können durch strikte Rechtswahlregeln. Aus
diesem Grund versuchten sie einen milderen, weniger strikten Ansatz, indem sie keine klaren
Regeln aufstellten und Kodifikationen nicht strenge Aufmerksamkeit schenkten, aber
stattdessen mehr Interpretationsfreiheit zuließen.980 Diese Methode hat in der Praxis jedoch zu
Schwierigkeiten geführt: Es gibt nur einige wenige Indizien, die zu der Annahme einer
stillschweigenden Rechtswahl führen. Amerikanische Gerichtsentscheidungen zeigen, wieviel
Freiraum die Gerichte haben, um zu ihren Entscheidungen zu gelangen, und wie sehr das
Ergebnis vom Einzelfall abhängt. Es gibt nicht viele Beschränkungen und Regelungen. Es gibt
auch keine klaren Kriterien, die dem Richter zur Verfügung stehen, mit dessen Hilfe eine
stillschweigende Rechtswahl bestimmt werden könnte. Die Richter haben die Aufgabe, das
relative Gewicht der verschiedenen Umstände des Einzelfalles und der subjektiven Kriterien zu
bestimmen. Hierfür benutzen sie objektive Kriterien, um sich selbst diese Aufgabe zu
erleichtern. Problematisch dabei ist, dass keine klaren Kriterien zur Verfügung gestellt werden,
anhand derer eine stillschweigende Rechtswahl ermittelt werden könnte. Rechtsprechung und
Literatur widmen sich diesem Problem nur in sehr geringem Maße, weshalb es schwer ist,
„sichere“ Kriterien für die notwendige Feststellung einer stillschweigenden Rechtswahl
anzuwenden.
Folglich wird eine vorhandene stillschweigende Rechtswahl oft nicht erkannt und stattdessen
ein durch den Richter bestimmtes Recht auf den Vertrag angewendet.
Im Allgemeinen wird nicht näher darauf eingegangen, ob aus dem Vorhandensein der hier
erörterten Indizien tatsächlich auf eine Rechtswahl der Parteien – und falls ja, warum –
geschlossen werden kann. Im Regelfall wird bloß auf eine verbreitete Übung hingewiesen.
Es bleibt festzuhalten, dass im amerikanischen Kollisionsrecht eine Tendenz besteht, zu der
Bestimmung durch Regeln zurückzukehren, zumindest solange die Regeln die Starrheit des
Restatements First vermeiden.
979 Stephan Rammeloo, Das neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 39, 72. 980 Friedrich K. Juenger, The European Convention on the Law Applicable to Contractual Obligations: Some Critical Observations, 22 Va. J. Int`l L. 1981, 123-141, 135 ff.
-178-
Bestehen auch nur die geringsten Zweifel an einer stillschweigenden Rechtswahl, unterstellen
die US-amerikanischen Gerichte ihre Nichtexistenz. Positiv daran ist, dass das damit
einhergehende Verlangen der amerikanischen Gerichte, dass die Parteien eindeutig auf das
anwendbare Recht hinweisen müssen, Rechtssicherheit mit sich bringt. Die Parteien werden
gezwungen, sich dem Problem des anwendbaren Rechts in besonderem Maße zu widmen und
für klare Verhältnisse zu sorgen. Negativ daran ist, dass dem Parteiwillen nicht immer zum
Durchbruch verholfen wird. Die US-amerikanischen Gerichte nehmen überwiegend eine
stillschweigende Rechtswahl an, wenn der in Streit stehende Vertrag in einem deutlichen,
sachlichen Zusammenhang mit anderen Verträgen steht, die eine Rechtswahl enthalten oder
eine Gerichtsstandsklausel enthält. Ob die Vereinbarung eines einheitlichen Erfüllungsortes
ausreicht, muss offen bleiben. Entsprechend § 187 des Restatements Second, ist zuerst zu
prüfen, ob die Parteien ein bestimmtes Recht gewählt haben. Ansonsten wird ein Recht
vermutet. Schließlich müssen entsprechend § 188 des Restatements Second alle Faktoren in
Betracht gezogen werden, die zu einer „engsten Verbindung“ führen könnten.
Heute dringen Ideen aus der Lehre in das Kollisionsrecht, die noch nicht in die Rechtsprechung
der Gerichte eingezogen sind. Vielleicht werden sie jedoch in der Zukunft die Arbeiten zu
einem dritten Restatement beeinflussen. Sicherlich wird bis dahin noch viel Zeit vergehen, da
das American Law Institute derzeit noch nicht plant, das Restatement Second zu
überarbeiten.981 Jedenfalls lässt sich konstatieren, dass sich die amerikanische Rechtsprechung
im Anschluss an das Restatement Second an die europäischen Rechtsordnungen angenähert hat
und diese Richtung wohl weiterhin beibehalten wird.
981 Stefan Göthel, Internationales Vertragsrecht der USA, 99 ZVglRWiss, 338, 345 (2000).
-179-
5. Kapitel: Gegenüberstellung der Ergebnisse der europäischen und
amerikanischen Untersuchung und Schlussfolgerung
A. Gegenüberstellung der Ergebnisse
Es wurden kollisionsrechtliche Lösungen zum Problem der stillschweigenden Rechtswahl im
europäischen und amerikanischen Rechtskreis in der Praxis des internationalen Vertragsrechts
dargestellt. Diese Gegenüberstellung führt zu dem Ergebnis, dass beide Lösungsmodelle auf
denselben Grundprinzipien beruhen, wie zum Beispiel dem anerkannten Prinzip der
Parteiautonomie und der damit einhergehenden Möglichkeit der freien Rechtswahl. Auch die
Gründe für die Rechtswahlfreiheit sind identisch: Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und
Bestimmbarkeit des anwendbaren Rechts sowie die Erleichterung bzw. Förderung des
internationalen Rechtsverkehrs.
Der geltenden deutschen Lösungskonzeption des EGBGB, die auf den Prinzipien Savignys zur
Lösung kollisionsrechtlicher Fragen beruht, entspricht auch die amerikanische
Lösungsmethodik, insbesondere die des Restatements.
Umgekehrt wurde in den anderen Staaten der Europäischen Union das Kollisionsrecht für
Schuldverträge unter dem Einfluß von später gewonnenen Erkenntnissen aus dem US-
amerikanischen Vertragsrecht reformiert und harmonisiert. Dies führte zu dem Versuch, die
amerikanische, interessenorientierte Judikatur auf das europäische Vertragskollisionsrecht zu
transponieren.982 Das Kollisionsrecht hat in der amerikanischen Rechtsordnung jedoch eine
grundsätzlich eigene Stellung.983 Dennoch ähneln sich das Restatement und das EGBGB in
aufbautechnischer Hinsicht sehr: Zunächst ist zu prüfen, ob die Parteien eine Rechtswahl
getroffen haben gemäss Art. 27 EGBGB bzw. § 187 des Restatements Second. Ansonsten muss
eine Anknüpfungsvermutung gesucht werden entsprechend Art. 28 Abs. 2, 3, Art. 29, 30
EGBGB bzw. § 188 des Restatements Second. Schließlich sind dann die übrigen Faktoren, die
zur „engsten Beziehung“ nach Art. 28 Abs. 1 EGBGB bzw. §§ 6, 188 des Restatements Second
führen, näher zu beleuchten.984
Es handelt sich aber nicht nur um rechtstheoretische Gemeinsamkeiten.
982 Stephan Rammeloo, Das neue EG-Vertragskollisionsrecht: Die Art. 4, 5 und 6 des Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht – Eine rechtsvergleichende Analyse objektiver Vertragsanknüpfungen, S. 39, 72. 983 S.o. 984 Norbert Stegemann, Der Anknüpfungspunkt der most significant relationship nach dem Restatement of the Laws; Second; Conflict of the Law 2nd im deutschen internationalen Deliktsrecht und Vertragsrecht, S. 146.
-180-
Vielmehr werden die Gemeinsamkeiten in der praktischen Umsetzung am deutlichsten. Ein
Indiz für die Wichtigkeit des Restatements könnte auch die Tatsache sein, dass sich deutsche
Kommentierungen zur Darstellung der kollisionsrechtlichen Situation in den USA teilweise
einer wörtlichen Wiedergabe des Restatements bedienen. Dies legt die Vermutung nahe, dass
das Restatement für das amerikanische Kollisionsrecht repräsentativ ist.985
Art. 3 Abs. 1 des EVÜ nimmt denselben Standpunkt ein, der in § 187 des Restatements Second
impliziert ist: Beide erlauben Richtern und Schlichtern, eine Absicht aus den Bedingungen des
Vertrages zu schliessen und lehnen den Begriff einer „vermuteten“ oder „hypothetischen“
Rechtswahl ab, basierend auf Vermutungen darüber, was die Parteien anzuwenden beabsichtigt
hätten, wenn sie sich des Rechtswahlproblems bewusst gewesen wären. Während § 187 (2) (a)
des Restatements Second fordert, dass die Rechtswahl in bestimmten Aspekten entweder von
einer “substantial relationship“ oder “some other reasonable basis“ unterstützt wird, ist Art. 3
des EVÜ insofern toleranter, als es in dieser Hinsicht keine Einschränkung enthält. Allerdings
ist davon auszugehen, dass Verträge geschlossen werden „für einen ernsthaften Zweck und
selten, wenn überhaupt, werden die Parteien ein Recht wählen, ohne einen guten Grund dafür.“
Dementsprechend stimmen das EVÜ und das Restatement Second in sachlicher Hinsicht
wiederum überein.986
Der Unterschied zwischen amerikanischer und europäischer Rechtspraxis ist im Hinblick auf
die stillschweigende Rechtswahl des internationalen Vertragsrechts nicht so gravierend, wie
man annehmen könnte. Die juristisch deduktive Methode der europäischen Rechtskreise ist vor
allem durch das Rechtsetzungsmonopol des Gesetzgebers eingeschränkt, so dass die
Kodifikationen auch Lücken enthalten, die durch die induktive Methode gefüllt werden können.
In der amerikanischen Rechtspraxis lässt sich dagegen die Tendenz zu vermehrtem
Gesetzesrecht beobachten. Sie nähert sich daher der deutschen Rechtspraxis an. Insgesamt kann
festgehalten werden, dass sich das EU-Recht in der Praxis zur stillschweigenden Rechtswahl
durch die Judikatur an das common law im Wege immer zunehmender und bedeutenderer
Präjudizien eines case law annähert.987 Das EVÜ hat nicht nur Ähnlichkeit mit dem
Restatement Second, sondern beinhaltet auch viele „amerikanische Ideen“. Auch das
Bundesverfassungsgericht und andere neuere europäische Verfassungsgerichtshöfe haben
985 Julius von Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche, Art. 27-37 Rn. 138. 986 Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1213. 987 Karin L. Pilny, Präjudizienrecht im anglo-amerikanischen und im deutschen Recht – Eine rechtsvergleichende und rechtsmethodologische Analyse unter besonderer Berücksichtigung des Verfassungsrechts, S. 211 ff.; aber auch die Amerikaner können weiterhin von den Erfahrungen der Europäer lernen, vgl. Courtland H. Peterson, Moderne Amerikanische IPR-Theorie, S. 88.
-181-
durchaus mehr mit dem US-Supreme Court gemeinsam als mit den obersten Fachgerichten.988
Die Europäer sind wie die Verfasser des Restatements zu der Einsicht gelangt, dass
Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Einheitlichkeit der Ergebnisse nicht durch strenge
Kollisionsregeln erreicht werden können und versuchen stattdessen eine weniger strenge
Vorgehensweise, indem sie Auslegungsspielraum gewähren.989 Die Praxis zeigt jedoch, dass
diese Auslegungsspielräume zu Interpretationsschwierigkeiten führen, die durch die
Anwendung klarer Regelungen vermieden werden könnten.
Es lassen sich allerdings auch Unterschiede aufzeigen zwischen dem EVÜ und dem
Restatement Second: Beispielsweise wird die Frage, ob es möglich ist, verschiedene
Vertragsaspekte verschiedenen Rechten zu unterstellen, von beiden verschieden behandelt. Das
EVÜ lässt ausdrücklich eine gewollte “dépeçage“ zu. Das Restatement Second scheint in
unklaren Worten diese Möglichkeit auch zu tolerieren, spricht allerdings nicht spezifisch die
damit verbundene Frage an, ob die Parteien ihren Vertrag zu einem späteren Zeitpunkt einem
anderen als dem zu Beginn geltenden Recht unterstellen können. Das EVÜ erlaubt solch eine
nachfolgende Änderung. Die Bestimmungen des Restatements Second schliessen es zumindest
nicht aus und es gibt amerikanische Autoren, die vorschlagen, eine Änderung des gewählten
Rechts zuzulassen.990
Im Gegensatz zum Restatement Second991 sprechen das EVÜ und der Bericht von Giuliano/
Lagarde weder den Schutz des Schwächeren im Internationalen Vertragsrecht an noch das
Problem der nach Allgemeinen Geschäftsbedingungen geschlossenen sogenannten
Adhäsionsverträge. Das EVÜ hätte zumindest – wie das Restatement Second – klarstellen
können, dass die Parteiautonomie ihren Sinn verliert, „wenn sie zur Herrschaft des Stärkeren
über den Schwächeren wird“.992 Ein weiterer Unterschied ist, dass das Restatement Second im
Gegensatz zum EVÜ eine Rechtswahl nur zulässt, wenn sie ein Recht für anwendbar erklärt,
das gültig ist, sofern das gewählte Recht nicht auch das objektiv anwendbare Recht ist.
Auch wenn es in Einzelfragen Unterschiede gibt, haben sich in den Mitgliedstaaten der EU und
in den USA ähnliche Gedanken durchgesetzt:
988 Dazu ausführlich vgl. Christian Starck, Vorrang der Verfassung und Verfassungsgerichtsbarkeit, Verfassungsgerichtsbarkeit in Westeuropa, Band 1, S. 11 ff. 989 Friedrich K. Juenger, The European Convention on the Law Applicable to Contractual Obligations: Some Critical Observations, 22 Va. J. Int`l L. 1981, 123-141, 135 ff.990 Ralph H. Folson & Michael Wallace Gordon et al., International Business Transactions, S. 1213, 1214. 991 Restatement (Second), § 187 Comment (b), Illustrations 2 und 3, sowie Reporter`s Note zu Comment (b). 992 Friedrich K. Juenger, Parteiautonomie und objektive Anknüpfung im EG-Übereinkommen zum Internationalen Vertragsrecht – Eine Kritik aus amerikanischer Sicht, 46 RabelsZ, 57 (68) (1982); Paul Heinrich Neuhaus, Die Grundbegriffe des internationalen Privatrechts, S. 257.
-182-
Den durchkodifizierten Rechtsordnungen des europäischen Bereichs steht die Rechtsfindung
durch Schwerpunktbildung im case law des anglo-amerikanischen Bereichs gegenüber.
Die Gerichte der hier untersuchten europäischen Vertragsstaaten ziehen eine Reihe von Indizien
zur Ermittlung des stillschweigenden Rechtswahlwillens heran, wobei diese gegeneinander
abgewogen werden. Die US-amerikanischen Gerichte gelangen, wie aufgezeigt993, nur bei
einigen wenigen Indizien zu der Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl. Das führt dazu,
dass das europäische Recht gründlicher und weitläufiger nach dem stillschweigenden
Rechtswahlwillen forscht. Dem könnte man entgegenhalten, dass durch die Heranziehung nur
weniger Umstände – wie in der amerikanischen Rechtsordnung – die Rechtssicherheit steigt: Es
kann nicht zu einem Streit darüber kommen, welches Gewicht jedem einzelnen Merkmal
beizumessen ist, da die Gerichte nur überschaubar wenige Indizien untersuchen müssen. Es
werden von vornherein nur die Indizien, die auf einen realen Parteiwillen schliessen lassen,
berücksichtigt. Dadurch wird eine Abgrenzung zum hypothetischen Parteiwillen überflüssig.
Ein Nachteil hierbei ist, dass nach der US-amerikanischen Lösung nicht alle Versuche
unternommen werden, einem möglichen Rechtswahlwillen der Parteien zum Durchbruch zu
verhelfen. Dabei sollte die Rechtswahl der Parteien in jedem Fall Vorrang haben vor einer
objektiven Bestimmung des anwendbaren Rechts, damit die Rechtswahlfreiheit auch zur
grösstmöglichen Entfaltung gelangen kann.
Gemeinsam ist allen Rechtsordnungen, dass sie von der Notwendigkeit eines
Rechtswahlvertrages ausgehen, auch wenn die Umstände, die innerhalb der jeweiligen
Rechtsordnung zur Ermittlung des stillschweigenden Rechtswahlwillens führen, teilweise
voneinander abweichen. Zudem räumen alle Gerichte unter anderem der Gerichtsstandsklausel
das stärkste Gewicht ein. In Deutschland ist die beliebteste Art einer stillschweigenden
Rechtswahl das Berufen der Parteien auf ein bestimmtes Recht während des Rechtsstreits. Es
ist bei Anwälten ebenso beliebt wie bei Gerichten, da es fast unvermeidbar zu der Anwendung
deutschen Rechts führt. Allerdings sind einzelne Aspekte, vor allem das Maß an notwendigem
Bezug auf das jeweilige Recht und sein Effekt, nicht klar.994
Weiterhin wurde gezeigt, dass in allen Rechtsordnungen bei der stillschweigenden Rechtswahl
stets eine Einigung der Parteien erforderlich ist, auch wenn dies beim stillschweigenden
Verhalten in der Praxis ungewöhnlich und schwer feststellbar erscheint.
993 Vgl. 4. Kapitel C.II.3. 994 Ulrich Drobnig, American-German private international Law, S. 229.
-183-
B. Schlusssfolgerung
Die fortschreitende Entwicklung der privaten internationalen Beziehungen, insbesondere in der
Europäischen Union, aber auch in globaler Hinsicht, räumt dem äußeren
Entscheidungseinklang der hier behandelten Rechtsräume EU und USA einen zunehmenden
Stellenwert innerhalb der kollisionsrechtlichen Interessen ein.
Dieser Entscheidungseinklang sollte nicht durch punktuelle Rechtsvereinheitlichung erfolgen,
sondern gesamthaft. Die Privatautonomie im Europäischen Internationalen Privatrecht muss in
Zukunft noch genauer und unmissverständlicher in den Staatsverträgen geregelt werden. Dabei
ist vor allem darauf zu achten, dass diese nicht durch das Verhalten der Parteien sowie der
Richter in der Praxis umgangen werden können. Die Rechtssicherheit, die damit einherginge,
ist als elementarer Bestandteil des Internationalen Vertragsrechts zu begreifen.
Während das Restatement nicht einmal eine Kodifizierung, sondern lediglich einen Versuch
darstellt, eine gemeinsame Basis für die amerikanische Gerichtspraxis zu schaffen, wird das
EVÜ von seinen Verfassern995 nicht als bloße Übergangsregelung, sondern als Abschluss einer
Entwicklung angesehen. Die europäische Rechtsprechung zieht mehr Indizien für die
Bestimmung der stillschweigenden Rechtswahl heran als die amerikanische Rechtsprechung.
Eine Antwort auf die Frage, welche Rechtsordnung die „bessere“ Methode zur Ermittlung einer
stillschweigenden Rechtswahl und ihrer praktischen Umsetzung aufweist, ist jedoch letztlich
nicht möglich.
Wünschenswert ist eine stärkere Harmonisierung der Rechtsordnungen. Auf europäischer
Ebene sollte diese mittels des Grünbuchs voranschreiten. Die erforderliche Annäherung der hier
behandelten Rechtsordnungen im Hinblick auf die stillschweigende Rechtswahl kann nur
erreicht werden, wenn eine präzisere Definition der stillschweigenden Rechtswahl im
Gesetzeswortlaut erfolgt, in dem der Begriff der „stillschweigenden Rechtswahl“ aufgenommen
wird, ohne Raum für verschiedene sprachliche Auslegungen in den Rechtsordnungen zu
gewähren. Es müssen Mindestvoraussetzungen für die stillschweigende Rechtswahl in den
Gesetzestext aufgenommen werden.
Fraglich ist, ob hilfsweise ein kleiner Indizienkatalog ins Gesetz aufgenommen werden sollte,
um mehr Sicherheit und Vorhersehbarkeit der jeweiligen Rechtsprechung der verschiedenen
Rechtsordnungen zu gewährleisten.
995 Giuliano/ Lagarde, Bericht über das Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht: ABl. EG 1980 Nr. C 282/ S. 7 ff.
-184-
Durch eine Aufzählung der Indizien im Gesetz wäre eine klare Abgrenzung zum
hypothetischen Parteiwillen möglich und es bestünde nicht das Problem der Gewichtung der
Indizien. Eine ausländische Partei müsste sich nicht aus Unkenntnis des jeweiligen Rechts einer
Bewertung von Indizien gegenübergestellt sehen. Durch einen gesetzlichen Indizienkatalog
hätte man eine positive Vermutungswirkung sowie eine negative Ausschlusswirkung und somit
eine scharfe Grenzziehung.
Die Aufzählung der Indizien im Gesetz dürfte allerdings für die Bestimmung einer
stillschweigenden Rechtswahl nicht abschliessend sein. Denn der Übergang vom relativ starken
zum relativ schwachen Indiz ist fließend und kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein, so dass
die Gefahr der willkürlichen Annahme einer stillschweigenden Rechtswahl vorläge. Zudem ist
eine Rechtswahlvereinbarung ein Vertrag, der sowohl ausdrücklich als auch stillschweigend
möglich sein muss. Bei der Ermittlung des stillschweigenden Parteiwillens handelt es sich
daher um eine bloße Vertragsauslegung. Da es bei einer Auslegung von einem Verhalten oder
einer Vereinbarung keine abschließenden Indizien gibt, anhand derer eine Auslegung
vorgenommen werden muss, ist ein Indizienkatalog als ausschließliche und abschliessende
Bestimmung für das Vorliegen einer stillschweigenden Rechtswahl nicht zu befürworten.
Die Ausnahme der Aufnahme eines kleinen Indizienkataloges ließe sich nur mit der besonderen
Bedeutung der stillschweigenden Rechtswahl und der Notwendigkeit von Rechtssicherheit
rechtfertigen.
Die Indizien der Gerichtsstandsklausel, der vorherigen Vertragspraxis sowie der Bezugnahme
auf eine andere Rechtsordnung haben – wie in der Arbeit dargestellt – das grösste Gewicht.
Der Sitz des Schiedsgerichtes hat hingegen keine grosse Bedeutung für die stillschweigende
Rechtswahl, weil der Indizwert stets von der Art des Schiedsgerichtes abhängt. Das
Prozessverhalten als Indiz ist insofern problematisch, als nicht davon ausgegangen werden
kann, dass die Parteien überhaupt wussten, dass die Frage des anwendbaren Rechts zu klären ist
und der Richter gemäss § 293 ZPO das anwendbare Recht von Amts wegen ermitteln muss.
Erfüllungsort, Vertragssprache und Währungsvereinbarungen sind für sich genommen nicht
aussagekräftig im Hinblick auf eine stillschweigende Rechtswahl. Aus der Verwendung von
Formularen oder Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf eine stillschweigende Rechtswahl zu
schliessen, liefe auf eine Fiktion eines übereinstimmenden Rechtswahlwillens hinaus und
verstiesse zudem gegen § 307 BGB. Auch bei dem Ort des Vertragsschlusses, dem Ort der
Klageerhebung und Art, Standort bzw. Lage des Vertragsgegenstandes fehlt es an jeglichem
Bezug zu einer möglichen Einigung über das anwendbare Recht. Während das Prinzip der
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Rechtsgültigkeit in Deutschland als Indiz überhaupt nicht anerkannt wird, werden Wohnsitz,
Geschäftsort und Staatsangehörigkeit der Parteien im Rahmen der objektiven Anknüpfung
geprüft und nicht bei der stillschweigenden Rechtswahl. Bei dem Vorliegen verschiedener
widersprüchlicher Indizien fehlt es ebenso an der für eine stillschweigende Rechtswahl
erforderlichen „hinreichenden Sicherheit“ wie bei der Kumulation schwacher Indizien, die
anstatt an die Suche eines Rechtswahlwillens der Parteien eher an ein „contact counting“
erinnert.
Die Verfasserin schlägt daher folgenden Gesetzeswortlaut vor:
„Die Rechtswahl muss ausdrücklich sein oder durch die Parteien stillschweigend vorgenommen
werden. Sie erfolgt ohne Inhaltskontrolle und formlos. Der stillschweigende Rechtswahlwille
der Parteien muss erkennbar sein. Eine stillschweigende Rechtswahl liegt nicht ausschließlich,
jedoch insbesondere vor, wenn die Parteien in ihrem Vertrag auf eine andere Rechtsordnung
Bezug nehmen, eine Gerichtsstandsklausel von ihnen in den Vertrag aufgenommen worden ist
oder die vorherige Vertragspraxis eine Rechtswahl enthielt.“
In der Einleitung der Arbeit wurde auf das Grünbuch und die darin gestellte Frage hingewiesen,
ob ein künftiges „Rom I“-Instrument eine genauere Definition der stillschweigenden
Rechtswahl enthalten sollte oder – angenommen das Übereinkommen werde in ein
Gemeinschaftsinstrument umgewandelt – durch die Zuständigkeitsübertragung an den
Gerichtshof eine hinreichende Rechtssicherheit gewährleistet wird (Frage 9 im Grünbuch Punkt
3.2.4.).
Im Verlaufe der Arbeit sollte deutlich geworden sein, dass diese im Grünbuch gestellte Frage
eindeutig dahingehend zu beantworten ist, dass ein künftiges „Rom I“-Instrument eine genauere
Definition der stillschweigenden Rechtswahl enthalten muss und eine
Zuständigkeitsübertragung an den Gerichtshof keine hinreichende Rechtssicherheit
gewährleistet.
Es bleibt abzuwarten, ob das künftige „Rom I“-Instrument in der Regelung hinsichtlich der
stillschweigenden Rechtswahl diese erforderliche genauere Definition enthalten wird.
Dies ist für eine erhöhte Rechtssicherheit angesichts der Bedeutung internationaler
Vertragsbeziehungen nach der hier vertretenen Ansicht wünschenswert.
-186-
Literaturverzeichnis
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LEBENSLAUF
Julia Patricia Krautter Romeiro wurde 1977 in Düsseldorf geboren. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität in Frankfurt a.M., in Bonn sowie in Lausanne in der Schweiz. Im Jahre 2001 absolvierte sie das Erste juristische Staatsexamen und erwarb im Anschluss daran an der University of Minnesota in den USA einen Master of Law (LL.M.). Sie nahm danach an einem International Lawyer Programm einer internationalen Anwaltskanzlei in New York, USA, teil.Nach dem Referendariat in Düsseldorf legte die Autorin 2006 das Zweite juristische Staatsexamen ab. Seit Beginn des Jahres 2007 ist sie in einer international ausgerichteten Anwaltskanzlei in São Paulo, Brasilien, anwaltlich tätig.