Meinungsmache oder Wissensvermittlung?

3
politik 18 DFZ 12 · 2013 Fakten-Check: Bertelsmann Stiftung Meinungsmache oder Wissensvermittlung? Die Meldung zur „Häufigkeit von Knieoperationen in der Bundesrepublik“ ging im Oktober Land auf Land ab durch die Medien. Grund war eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Aber nicht nur Studien veröffentlicht die Stiftung, sondern sie engagiert sich auch bei vielen gesellschaftlichen Projekten. Was sich erst einmal positiv anhört, hat allerdings schon einige Kritiker auf den Plan gerufen. Der Bertelsmann Stiſtung kann man nur schwer aus dem Weg gehen. Sie mischt in allen zentralen gesellschaſtlichen Feldern mit: Politik, Bildung, Gesundheit und Kultur. Die Stiſtung orga- nisiert Preisverleihungen, Seminare und Tagungen, veröffent- licht Studien zu aktuellen emen und sucht gezielt die Nähe zur Politik. Nach eigenen Angaben engagiert sich die Stiſtung für eine zukunſtsfähige Gesellschaſt. Fundament der Stiſtungs- arbeit ist die Überzeugung, dass Wettbewerb und bürgerschaſt- liches Engagement eine wesentliche Basis für gesellschaſtlichen Fortschritt sind, heißt es auf der Website. Im Bereich Gesundheit setzt sich die Bertelsmann Stiſtung nach eigenen Angaben für ein leistungsfähiges und solidari- sches Gesundheitssystem ein, das den Menschen Zugang zu einer bedarfsgerechten Versorgung garantiert – unabhängig von ihrem sozialen Status. „Wir möchten durch unsere Projekte dazu bei- tragen, dass sich das System an denjenigen orientiert, die im Mittelpunkt des Versorgungsprozesses stehen: an den Bürgern. Durch unabhängige und verständliche Informationen wollen wir Patienten und Versicherte in ihrer Rolle stärken“, sagt Timo ranberend, Projekt-Manager für das Programm „Versorgung verbessern – Patienten informieren“, der Bertelsmann Stiſtung. Zu den Projekten des Stiſtungsprogramms gehören: D Das Internetportal „Weisse Liste“ unterstützt seit 2012 Patienten bei der Suche nach einem Arzt, Krankenhaus oder Pflegeheim. Das Portal ist ein gemeinsames Projekt zwi- schen Bertelsmann Stiſtung und Dachverbänden von Ver- braucher- und Patientenorganisationen. Versicherte der AOK, Barmer GEK und Techniker Kasse können Haus-, Fach- und Zahnärzte beurteilen (http://www.weisse-liste.de ). D Der Fakten-Check Gesundheit nimmt etwa zwei bis drei Versorgungsthemen im Jahr unter die Lupe. Im letzten Jahr gab es zum Beispiel einen Fakten-Check zum ema „Antibiotika bei Kindern“. Darüber hinaus informiert der Fakten-Check, wie und warum sich die Versorgung regio- nal unterscheidet. Mit Experten erarbeitet die Stiſtung umfangreiche Informationen, Handlungsempfehlungen für die Politik und konkrete Tipps für Patienten (http://www.faktencheck-gesundheit.de ). D Der Gesundheitsmonitor befragt regelmäßig die Bevöl- kerung zu ihren Erfahrungen im Gesundheitswesen. Das Projekt will so die Versicherungsperspektive sichtbar machen. Schwerpunkte waren bisher etwa die fachärztliche © mediaphotos / istockphotos.com

Transcript of Meinungsmache oder Wissensvermittlung?

Page 1: Meinungsmache oder Wissensvermittlung?

politik18

DFZ 12 · 2013

Fakten-Check: Bertelsmann Stiftung

Meinungsmache oder Wissensvermittlung?Die Meldung zur „Häufigkeit von Knieoperationen in der Bundesrepublik“ ging im Oktober Land auf Land ab durch die Medien. Grund war eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Aber nicht nur Studien veröffentlicht die Stiftung, sondern sie engagiert sich auch bei vielen gesellschaftlichen Projekten. Was sich erst einmal positiv anhört, hat allerdings schon einige Kritiker auf den Plan gerufen.

Der Bertelsmann Stiftung kann man nur schwer aus dem Weg gehen. Sie mischt in allen zentralen gesellschaftlichen Feldern mit: Politik, Bildung, Gesundheit und Kultur. Die Stiftung orga-nisiert Preisverleihungen, Seminare und Tagungen, veröffent-licht Studien zu aktuellen Themen und sucht gezielt die Nähe zur Politik. Nach eigenen Angaben engagiert sich die Stiftung für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Fundament der Stiftungs-arbeit ist die Überzeugung, dass Wettbewerb und bürgerschaft-liches Engagement eine wesentliche Basis für gesellschaftlichen Fortschritt sind, heißt es auf der Website.

Im Bereich Gesundheit setzt sich die Bertelsmann Stiftung nach eigenen Angaben für ein leistungsfähiges und solidari-sches Gesundheitssystem ein, das den Menschen Zugang zu einer bedarfsgerechten Versorgung garantiert – unabhängig von ihrem sozialen Status. „Wir möchten durch unsere Projekte dazu bei-tragen, dass sich das System an denjenigen orientiert, die im Mittelpunkt des Versorgungsprozesses stehen: an den Bürgern. Durch unabhängige und verständliche Informationen wollen wir Patienten und Versicherte in ihrer Rolle stärken“, sagt Timo Thranberend, Projekt-Manager für das Programm „Versorgung verbessern – Patienten informieren“, der Bertelsmann Stiftung.

Zu den Projekten des Stiftungsprogramms gehören: D Das Internetportal „Weisse Liste“ unterstützt seit 2012 Patienten bei der Suche nach einem Arzt, Krankenhaus oder Pflegeheim. Das Portal ist ein gemeinsames Projekt zwi-schen Bertelsmann Stiftung und Dachverbänden von Ver-braucher- und Patientenorganisationen. Versicherte der AOK, Barmer GEK und Techniker Kasse können Haus-, Fach- und Zahnärzte beurteilen (http://www.weisse-liste.de).

D Der Fakten-Check Gesundheit nimmt etwa zwei bis drei Versorgungsthemen im Jahr unter die Lupe. Im letzten Jahr gab es zum Beispiel einen Fakten-Check zum Thema „Antibiotika bei Kindern“. Darüber hinaus informiert der Fakten-Check, wie und warum sich die Versorgung regio-nal unterscheidet. Mit Experten erarbeitet die Stiftung umfangreiche Informationen, Handlungsempfehlungen für die Politik und konkrete Tipps für Patienten (http://www.faktencheck-gesundheit.de).

D Der Gesundheitsmonitor befragt regelmäßig die Bevöl-kerung zu ihren Erfahrungen im Gesundheitswesen. Das Projekt will so die Versicherungsperspektive sichtbar machen. Schwerpunkte waren bisher etwa die fachärztliche

© m

edia

phot

os /

isto

ckph

otos

.com

Page 2: Meinungsmache oder Wissensvermittlung?

politik 19

DFZ 12 · 2013

Liquidität | Beruf & Praxis | Absichern | Vorsorge | Immobilie | Vermögen | Private Banking

Spielend am Ball bleiben – mit der richtigen Vorsorge.

Mit der richtigen Strategie holen wir gemeinsam das Beste aus der Basis- und Privatrente für Sie heraus. Punkten Sie taktisch in der Anspar- und Rentenphase durch Steuer vorteile mit dem Kombi-Renten-Konzept.

Mehr Informationen erhalten Sie unter: www.apobank.de/kombi-renten-konzept

Jetzt

Steuervorteile

sichern!

Strategisch denken.

Taktisch punkten.

Dr. Christian Georg, Radiologe, Neustadt a.d. Weinstraße, Mitglied der apoBank

Versorgung auf dem Land oder das Arzt-Patient-Verhältnis (http://www.gesundheitsmonitor.de).

D Die Stiftung Praxissiegel e. V. vergibt ein drei Jahre gül-tiges Zertifikat an medizinische Einrichtungen, die ein anerkanntes Qualitätsmanagementsystem anwenden und die den von der Stiftung Praxissiegel definierten Qualitäts-standards genügen. Seit der Gründung des Vereins 2004 wurden insgesamt 1735 Arztpraxen zertifiziert. Dazu zäh-len 1351 Hausärzte, 197 Zahnärzte, 49 Kinder- und Jugend-ärzte sowie 138 Fachärzte (http://www.praxissiegel.de).

„Unsere Projekte setzen wir selbst um, arbeiten aber immer mit Partnern und Experten aus den verschiedenen Bereichen des Gesundheitssystems zusammen – Patientenorganisationen, Krankenkassen, Ärzte- und Zahnärztevertreter, Wissenschaft-ler und Forschungsinstitute“, erklärt Thranberend. „Projekter-gebnisse, Lösungsmodelle und Empfehlungen stellen wir allen Akteuren zur Verfügung; der Politik genauso wie Forschern und Praktikern.“

Was sich im ersten Moment positiv anhört, ruft gleichzeitig viele Kritiker der Bertelsmann Stiftung auf den Plan. In Büchern und Artikeln über die Familie Mohn, den Konzern und die Stiftung ist immer wieder davon die Rede, dass die Nähe und der Einfluss auf die Politik sehr groß seien. Harald Schumann schrieb 2006 im Tagesspiegel: „Die Experten der Bertelsmann Stiftung sind in der deutschen Politik allgegenwärtig …“ und stellte die Frage: „Beraten sie die Politiker nur – oder machen sie selbst Politik?“ Albrecht Müller, früherer SPD-Politiker, spricht sogar von „einem Staat im Staat“.

Kraft der MilliardenHinter der Bertelsmann Stiftung steht die Bertelsmann AG, der größte europäische Medienkonzern, mit einem Umsatz von 16 Milliarden Euro im Jahr 2012. Zum Vergleich: Das Pharma-unternehmen Bayer machte einen Umsatz von fast 40 Milliar-den Euro.

Schaut man sich die einzelnen Sparten an, erkennt man den möglichen Einfluss des Konzerns auf die Meinungsbildung: So gehört zu Bertelsmann unter anderem „Random House“, laut Bertelsmann AG, die weltweit führende Publikumsverlagsgrup-pe, die RTL Group, führender Unterhaltungskonzern in Europa, zu 74,9 Prozent das Verlagshaus Gruner + Jahr und die arvato AG, ein Outsourcing-Dienstleister und hundertprozentige Toch-ter der Bertelsmann AG. Diese war auch am Projekt der elektro-nischen Gesundheitskarte beteiligt (Lichtbildbeschaffung, -digi-talisierung und -verarbeitung für die AOK). Und die Sparte arva-to Healthcare ist nach eigenen Angaben Spezialist für Abrech-nung sowie Forderungsmanagement und übernimmt für Leis-tungserbringer im Gesundheitsmarkt, etwa Ärzte, Zahnärzte oder Krankenhäuser, diese Dienstleistung.

Die Bertelsmann Stiftung wird überwiegend von der Bertels-mann AG finanziert; im letzten Jahr hat die Stiftung 111,5 Mil-lionen Euro erhalten. Seit ihrem Bestehen (1977) hat die Ber-telsmann Stiftung rund eine Milliarde Euro für gemeinnützige Arbeit zur Verfügung gestellt. Für das Gesundheitsprogramm waren es im Jahr 2012 etwa fünf Millionen Euro.

Eine weitere Verbindung zwischen Stiftung und AG ist die per-sonelle Besetzung: Die Familie Mohn hält 19,1 Prozent an der Bertelsmann AG; die Stiftung selbst hält 77,6 Prozent. Liz Mohn, die Ehefrau des 2009 verstorbenen Firmenchefs und Stiftungs-

»»»

Page 3: Meinungsmache oder Wissensvermittlung?

politik20

DFZ 12 · 2013

gründers Reinhard Mohn, und ihre Tochter Dr. Brigitte Mohn sowie ihr Sohn Christoph Mohn sitzen im Aufsichtsrat der Ber-telsmann AG und gleichzeitig – bis auf Christoph Mohn – auch im Vorstand der Stiftung. Im Kuratorium der Stiftung sind wie-derum Liz Mohn und ihr Sohn. Aus dieser Doppelrolle wird vor allem Liz Mohn von Kritikern eine besondere Machtrolle zu gesprochen, da sie sich quasi selbst kontrolliert.

Zu den kritischen Stimmen zählt Dr. Wolfgang Lieb, Jurist, Publizist und ehemaliger Staatssekretär. Er war lange Jahre Spre-cher der NRW-Landesregierung unter Johannes Rau und beob-achtet seitdem die Bertelsmann Stiftung. „Auf allen Ebenen bin ich damals, auch nachdem ich dann Staatssekretär im Wissen-schaftsministerium war, der Bertelsmann Stiftung begegnet“, sagt Lieb. Seine Kritik: Unter dem Mantel der Gemeinnützig-keit verfolgt die Bertelsmann Stiftung ihre eigene Mission. „Dies gilt es für mich, transparent zu machen“, sagt Lieb.

Allerdings sei gegen den Grundgedanken der Familie Mohn, der von unternehmerischem Denken geprägt ist und davon aus-geht, dass Wettbewerb das Beste für die Gesellschaft ist, erst ein-mal nichts einzuwenden, so Lieb. „Jedoch versucht die Bertels-mann Stiftung diesen Grundgedanken auch auf Systeme und Institutionen, wie etwa auf das Hochschulsystem zu übertra-gen. Diese Grundidee ist eigentlich überall zu finden“, so Lieb. Allerdings mache die Bertelsmann Stiftung ihren Hintergrund und ihre Mission nicht transparent, sondern verstecke sie unter dem Deckmantel des zivilgesellschaftlichen, ja geradezu eines karitativen Engagements und der Gemeinnützigkeit, so Liebs Einschätzung.

Außerdem arbeitet die Stiftung operativ und fördert nur sel-ten externe Projekte. „Die Stiftung redet zwar überall von Wett-bewerb, nur bei sich selbst, setzt sie andere Maßstäbe an. Demo-kratisch ist es bedenklich, wenn man seine Mission als Stiftung nicht transparent macht“, sagt Lieb.

Der Stiftung wird auch mangelnde politische Neutralität vorge-worfen: Denn es werden hauptsächlich nur Politiker oder Exper-ten zu Veranstaltungen eingeladen, die auf der Linie der Stif-tung sind. Andersdenkende sucht man verglich. „Die Stiftung lässt keine Kontroversen außerhalb ihrer Botschaft zu. Kritiker werden zu Veranstaltungen gar nicht erst eingeladen“, sagt Lieb.

Doppelrollen – kein ProblemImmer wieder liest man auch, dass Reinhard Mohn mit der Gründung der Stiftung hohe Summen gespart habe: „Firmen-patriarch Reinhard Mohn hat drei Viertel der Kapitalanteile der Bertelsmann AG an die Stiftung übertragen. Man liegt gewiss nicht falsch mit der Vermutung, dass Reinhard Mohn dadurch, dass er dieses Kapital gestiftet hat, hohe Summen an Erbschafts- beziehungsweise Schenkungssteuer gespart hat. Zudem sind die jährlichen Dividendenzahlungen des Konzerns an die „gemein-nützige“ Bertelsmann Stiftung steuerbegünstigt, und die Ver-mutung dürfte nicht unbegründet sein, dass ein Gutteil des Etats der Stiftung über Steuerminderungen finanziert wird. Der Fis-kus fördert also die Aktivitäten der Stiftung mit“, sagte Lieb im November 2012 im Rahmen der „Global Education Week“ an der Uni Kassel.

Blickt man noch einmal auf den Gesundheitsbereich, so sitzt Dr. Brigitte Mohn nicht nur im Vorstand der Stiftung und leitet den Bereich Gesundheit, sondern auch im Aufsichtsrat des priva-ten Klinikbetreibers Rhön AG. Sie selbst sieht allerdings mit die-ser Doppelrolle kein Problem. In einem Interview mit der Kas-senärztlichen Bundesvereinigung im Jahr 2009 sagte sie: „Als Aufsichtsratsmitglied ist es meine Aufgabe, die geschäftsführen-den Organe zu kontrollieren. Der Aufsichtsrat hat dabei keinen Einfluss auf Entscheidungen der Geschäftsführung. In der Regel erhalten Aufsichtsratsmitglieder … eine Aufwandsentschädi-gung … Daraus ergibt sich keine finanzielle Abhängigkeit …“

Lieb ist jedoch auch der Meinung, dass sich gegen einzelne Studien der Stiftung erst einmal nichts einwenden lässt, man sollte sich aber jedes einzelne Projekt genau anschauen. Dass die Stiftung auch karitative Vorhaben unterstützt, dahinter ste-cke nach seiner Ansicht System, denn so könne der öffentli-che Eindruck erweckt werden, dass die Stiftung gemeingesell-schaftliche Interessen verfolge und nicht nur ihre eigene Mis-sion oder die Interessen des hinter der Stiftung stehenden Ber-telsmann Konzerns.

Kerstin Mitternacht, freie Journalistin

Daten und Fakten zur Bertelsmann StiftungDie Bertelsmann Stiftung wurde 1977 von Reinhard Mohn, dem damaligen Vorstandsvorsitzenden und Mehrheits-eigentümer von Bertelsmann gegründet, um das gesell-schaftspolitische, kulturelle und soziale Engagement der Gründerfamilie Bertelsmann/Mohn fortzusetzen und die Kontinuität des Unternehmens Bertelsmann zu sichern. Zu diesem Zweck übertrug Reinhard Mohn 1993 knapp drei Viertel der Kapitalanteile an der Bertelsmann AG (jetzt Bertelsmann SE & Co. KGaA) auf die Bertelsmann Stiftung.

mn

Sitz der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh

© T

hom

as K

unsc

h, B

iele

feld