Meisterhaftes Flechtwerk - WordPress.commandem ein semmre Äpfel bringt, dann weiß der andere...

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LAND. LEBEN. LUST Montag, 24. August 2015 0 Eßlinger Zeitung 14 Korbmachermeisterin Monika Frischknecht ist immer einmal wieder im Beurener Freilichtmuseum zu Gast und lässt sich dort gerne bei der Arbeit über die Schulter schauen. Fotos: Bulgrin Meisterhaftes Flechtwerk Mit viel Enthusiasmus pflegt die Metzingerin Monika Frischknecht ein uraltes, aber aussterbendes Handwerk Von Dagmar Weinberg Ob im Nahen Osten, auf dem ame- rikanischen Kontinent, in Europa oder Asien: Ackerfrüchte oder Wa- ren werden seit Urzeiten in Körben transportiert. Im Nahen Osten ha- ben Archäologen einen Korb aus- gebuddelt, der um 10 000 vor Christus geflochten wurde. In jung- steinzeitlichen Pfahlbausiedlungen in der Schweiz fand man ebenso Reste von Körben wie in einem Grab im Süden Spaniens. „Die Korbflechterei ist ein uraltes Hand- werk, viel älter als die Weberei, die sich daraus entwickelt hat“, weiß Korbmachermeisterin Monika Frischknecht aus Metzingen. Doch die Her- stellung von Korbwaren ist auch ein ausster- bendes Hand- werk. Nachdem sich ihr Lehrmeis- ter Walter Keyser in den Ruhestand verabschiedet hat, ist sie die ein- zige Korbmachermeisterin in den Landkreisen Reutlingen und Esslin- gen. Dass man in Lichtenfels, wo auch Monika Frischknecht ihren Meister gemacht hat, um den Fort- bestand der Korbfachschule bangt, wundert sie nicht. „Es gibt immer weniger Ausbildungsbetriebe, denn von der Korbmacherei alleine kann man heute kaum noch leben.“ So ist sie auf regionalen Märkten un- terwegs, gibt Kurse – unter ande- rem an der Volkshochschule Ess- lingen – oder lässt bei Veranstal- tungen, etwa im Beurener Freilicht- museum, die Besucherinnen und Besucher an ihrem Wissen teilha- ben. Neben der Konkurrenz durch Billigwaren aus Fernost macht ihr und ihren Kollegen vor allem eines zu schaffen: „bei vielen ist das Be- wusstsein und die Wertschätzung für die handwerkliche Arbeit ver- loren gegangen und sie sind nicht mehr bereit, dafür Geld auszuge- ben.“ Dabei halte ein nach allen Regeln der Kunst geflochtener Korb ewig. „seitdem ich mich selbstständig ge- macht habe, gab es gerade mal zwei Körbe, an denen ich den Henkel reparie- ren musste.“ Ihr Weg in den traditionsreichen Handwerksberuf verlief auf Um- wegen. Nach der Realschule be- gann Monika Frischknecht eine Lehre als Floristin, die sie aber we- gen einer Allergie gegen Spritzmit- tel abbrechen musste. Da sie die Flechterei schon als Jugendliche fasziniert hatte, machte sie beim Metzinger Korbmachermeister Walter Keyser ein Praktikum. „Der hat immer gesagt ,Mädle, lern’ was Gescheites’,“ erinnert sie sich. Das tat sie dann auch. Monika Frisch- knecht machte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete 13 Jahre lang auf dem Fernmeldeamt. Dann beschloss sie aber, sich doch noch ihren Traum zu erfüllen. In ihrer Ausbildung hat sie sowohl Fein- flechterei als auch den Möbelbau mit Rattan gelernt, sich am Ende aber auf Weidengeflecht, „also die Korbmacherei“ spezialisiert. Das Rohmaterial baut sie im fa- milieneigenen Obstgarten in den Ermstaler Weinbergen sowie im Münsinger Weidengarten im Bio- sphärengebiet Schwäbische Alb an. Fünf verschiedene Weidenarten hegt und pflegt die Korbmacher- meisterin, der 2002 für ihre Hand- werkskunst der Bayerische Staats- preis verliehen wurde. Je nach Wei- denart und Jahr variieren Stärke und Farbe des Naturmaterials. So changieren etwa die Ruten der Pur- purweide von Olivgrün bis zu Schlammfarben. Andere Sorten bringen rote, violette, dunkelgraue oder fast schwarze Triebe hervor. Geschnitten werden die einjährigen Weidenschösslinge im Winter. Anschließend sortiert die Hand- werksmeisterin das Rohmaterial nach Farbe und Länge und lässt es mindestens ein Jahr lang trocknen. Bevor sich Monika Frischknecht da- ran macht, einen Korb, Windlichter oder Deko-Objekte für den Garten zu flechten, werden die Weidenru- ten vier Wochen lang waagerecht ins Wasser gelegt. „Nach dem Ein- weichen sind die Ruten sehr bieg- sam und man kann damit besser als mit frischer Weide schaffen.“ In Zäunen und Sichtschutzelementen wird hingegen frische Weide ver- flochten. Ob rund, eckig oder oval: „Der Formgebung sind beim Flechten kaum Grenzen gesetzt.“ Wie hoch ein Korb werden soll, muss Monika Frischknecht vor Arbeitsbeginn „vor dem geisti- gen Auge haben, denn danach wird die Höhe der Auf- steller ausgerich- tet.“ Zunächst wird die Kimme am Korbboden geflochten. „Mit der bringt man die aufragenden Ruten in einen gleich- mäßigen Abstand.“ Kimme heißt auch der obere, gezopfte Rand. Ne- ben der Technik braucht die Korb- machermeisterin Kraft. „Wenn man die beiden Dinge miteinander verknüpft, dann klappt’s.“ Dass das Flechten anstrengend ist, merken auch die Teilnehmer ihrer Kurse. „Die meisten haben hinterher Mus- kelkater, aber sie kommen immer wieder.“ Monika Frischknecht flechtet nicht nur traditionelle Ein- kaufskörbe, sondern auch Umhän- getaschen, runde Handtaschen oder Rucksäcke. „Da kann ich richtig schön kreativ sein.“ Zu ihrem Re- pertoire gehören zudem Körbe für die Landwirtschaft, wie etwa der im Ermstal beheimatete Kirschen- gratten. „Der wird in den Gürtel eingefädelt, so dass man beim Ern- ten beide Hände frei hat.“ Zum tra- ditionellen Arbeitsgerät auf den Streuobstwiesen gehören die soge- nannten Obstbrechkörbe. Die nie- renförmigen Körbe, die man an ei- nem Schulteriemen trägt, haben statt eines Bodens einen Schlauch aus Stoff. „Durch den gleitet das Obst dann direkt in die Kiste.“ Und dann gibt es da noch den „Semmre“, ein runder, nach oben weiter wer- dender Korb mit zwei Griffen dran. Der Semmre ist aber nicht nur Korb, sondern auch Ermstäler Maßeinheit. So hat der Boden eines halben Semmre 31 und der eines ganzen Semmre 37 Zen- timeter Durchmesser. „Wenn man sagt, dass man je- mandem ein Semmre Äpfel bringt, dann weiß der andere genau, wie viel er kriegt“, erklärt die Korbma- chermeisterin. Sie ist froh, dass die Streuobstwiesen durch das Bio- sphärengebiet mehr ins Bewusst- sein gerückt werden. „Und ich hoffe, dass dadurch auch das Be- wusstsein für regionale Produkte und traditionelle Handwerkskunst wieder wächst.“ Kontakt: www.frischknecht-weiden- geflechte.de Wenn man wie Monika Frischknecht die richtige Technik beherrscht, dann klappt es mit dem Korbflechten. Vom Gratten für Äpfel über Einkaufskörbe bis zum Rucksack (oben): Beim Flechten sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Um frische Weide in Zäunen und Sichtschutzelementen zu verflechten, braucht die Korbmachermeisterin Kraft. Foto: Franke Bei vielen ist das Bewusst- sein und die Wertschätzung für die handwerkliche Arbeit verloren gegangen. Nach dem Einweichen sind die Ruten sehr biegsam und man kann damit besser als mit frischer Weide schaffen.

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land. leben. lust Montag, 24. August 20150 Eßlinger Zeitung14

Korbmachermeisterin Monika Frischknecht ist immer einmal wieder im Beurener Freilichtmuseum zu Gast und lässt sich dort gerne bei der Arbeit über die Schulter schauen. Fotos: Bulgrin

Meisterhaftes FlechtwerkMit viel Enthusiasmus pflegt die Metzingerin Monika Frischknecht ein uraltes, aber aussterbendes Handwerk

Von Dagmar Weinberg

Ob im nahen Osten, auf dem ame-rikanischen Kontinent, in europaoder asien: ackerfrüchte oder Wa-ren werden seit urzeiten in Körbentransportiert. Im nahen Osten ha-ben archäologen einen Korb aus-gebuddelt, der um 10 000 vorChristus geflochten wurde. In jung-steinzeitlichen Pfahlbausiedlungenin der schweiz fand man ebensoReste von Körben wie in einemGrab im süden spaniens. „dieKorbflechterei ist ein uraltes Hand-werk, viel älter als die Weberei, diesich daraus entwickelt hat“, weißKorbmachermeisterin MonikaFrischknecht ausMetzingen.

doch die Her-stellung vonKorbwaren istauch ein ausster-bendes Hand-werk. nachdemsich ihr lehrmeis-ter Walter Keyser in den Ruhestandverabschiedet hat, ist sie die ein-zige Korbmachermeisterin in denlandkreisen Reutlingen und esslin-gen. dass man in lichtenfels, woauch Monika Frischknecht ihrenMeister gemacht hat, um den Fort-bestand der Korbfachschule bangt,wundert sie nicht. „es gibt immerweniger ausbildungsbetriebe, dennvon der Korbmacherei alleine kannman heute kaum noch leben.“ soist sie auf regionalen Märkten un-

terwegs, gibt Kurse – unter ande-rem an der Volkshochschule ess-lingen – oder lässt bei Veranstal-tungen, etwa im beurener Freilicht-museum, die besucherinnen undbesucher an ihrem Wissen teilha-ben.

neben der Konkurrenz durchbilligwaren aus Fernost macht ihrund ihren Kollegen vor allem eineszu schaffen: „bei vielen ist das be-wusstsein und die Wertschätzungfür die handwerkliche arbeit ver-loren gegangen und sie sind nichtmehr bereit, dafür Geld auszuge-ben.“ dabei halte ein nach allenRegeln der Kunst geflochtenerKorb ewig. „seitdem ich mich

selbstständig ge-macht habe, gabes gerade malzwei Körbe, andenen ich denHenkel reparie-ren musste.“

Ihr Weg in dentraditionsreichen

Handwerksberuf verlief auf um-wegen. nach der Realschule be-gann Monika Frischknecht einelehre als Floristin, die sie aber we-gen einer allergie gegen spritzmit-tel abbrechen musste. da sie dieFlechterei schon als Jugendlichefasziniert hatte, machte sie beimMetzinger KorbmachermeisterWalter Keyser ein Praktikum. „derhat immer gesagt ,Mädle, lern’ wasGescheites’,“ erinnert sie sich. dastat sie dann auch. Monika Frisch-

knecht machte eine kaufmännischeausbildung und arbeitete 13 Jahrelang auf dem Fernmeldeamt. dannbeschloss sie aber, sich doch nochihren traum zu erfüllen. In ihrerausbildung hat sie sowohl Fein-flechterei als auch den Möbelbaumit Rattan gelernt, sich am endeaber auf Weidengeflecht, „also dieKorbmacherei“ spezialisiert.

das Rohmaterial baut sie im fa-milieneigenen Obstgarten in denermstaler Weinbergen sowie imMünsinger Weidengarten im bio-sphärengebiet schwäbische alb an.Fünf verschiedene Weidenartenhegt und pflegt die Korbmacher-meisterin, der 2002 für ihre Hand-werkskunst der bayerische staats-preis verliehen wurde. Je nach Wei-denart und Jahr variieren stärkeund Farbe des naturmaterials. sochangieren etwa die Ruten der Pur-purweide von Olivgrün bis zuschlammfarben. andere sortenbringen rote, violette, dunkelgraueoder fast schwarze triebe hervor.Geschnitten werden die einjährigenWeidenschösslinge im Winter.

anschließend sortiert die Hand-werksmeisterin das Rohmaterialnach Farbe und länge und lässt esmindestens ein Jahr lang trocknen.bevor sich Monika Frischknecht da-ran macht, einen Korb, Windlichteroder deko-Objekte für den Gartenzu flechten, werden die Weidenru-ten vier Wochen lang waagerechtins Wasser gelegt. „nach dem ein-weichen sind die Ruten sehr bieg-

sam und man kann damit besser alsmit frischer Weide schaffen.“ InZäunen und sichtschutzelementenwird hingegen frische Weide ver-flochten.

Ob rund, eckig oder oval: „derFormgebung sind beim Flechtenkaum Grenzen gesetzt.“ Wie hochein Korb werden soll, muss MonikaFrischknecht vorarbe i t sbeg inn„vor dem geisti-gen auge haben,denn danach wirddie Höhe der auf-steller ausgerich-tet.“ Zunächstwird die Kimmeam Korbbodengeflochten. „Mit der bringt man dieaufragenden Ruten in einen gleich-mäßigen abstand.“ Kimme heißtauch der obere, gezopfte Rand. ne-ben der technik braucht die Korb-machermeisterin Kraft. „Wennman die beiden dinge miteinanderverknüpft, dann klappt’s.“ dass dasFlechten anstrengend ist, merkenauch die teilnehmer ihrer Kurse.„die meisten haben hinterher Mus-kelkater, aber sie kommen immerwieder.“ Monika Frischknechtflechtet nicht nur traditionelle ein-kaufskörbe, sondern auch umhän-getaschen, runde Handtaschen oderRucksäcke. „da kann ich richtigschön kreativ sein.“ Zu ihrem Re-pertoire gehören zudem Körbe fürdie landwirtschaft, wie etwa derim ermstal beheimatete Kirschen-

gratten. „der wird in den Gürteleingefädelt, so dass man beim ern-ten beide Hände frei hat.“ Zum tra-ditionellen arbeitsgerät auf denstreuobstwiesen gehören die soge-nannten Obstbrechkörbe. die nie-renförmigen Körbe, die man an ei-nem schulteriemen trägt, habenstatt eines bodens einen schlauch

aus stoff. „durchden gleitet dasObst dann direktin die Kiste.“und dann gibt esda noch den„semmre“, einrunder, nachoben weiter wer-dender Korb mit

zwei Griffen dran. der semmre istaber nicht nur Korb, sondern auchermstäler Maßeinheit. so hat derboden eines halben semmre 31 undder eines ganzen semmre 37 Zen-timeter durchmesser.

„Wenn man sagt, dass man je-mandem ein semmre Äpfel bringt,dann weiß der andere genau, wieviel er kriegt“, erklärt die Korbma-chermeisterin. sie ist froh, dass diestreuobstwiesen durch das bio-sphärengebiet mehr ins bewusst-sein gerückt werden. „und ichhoffe, dass dadurch auch das be-wusstsein für regionale Produkteund traditionelle Handwerkskunstwieder wächst.“

Kontakt: www.frischknecht-weiden-geflechte.de

Wenn man wie Monika Frischknecht die richtige Technik beherrscht,dann klappt es mit dem Korbflechten.

Vom Gratten für Äpfel über Einkaufskörbe bis zum Rucksack (oben):Beim Flechten sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt.

Um frische Weide in Zäunen und Sichtschutzelementen zu verflechten, brauchtdie Korbmachermeisterin Kraft. Foto: Franke

Bei vielen ist das Bewusst-sein und die Wertschätzungfür die handwerklicheArbeitverloren gegangen.

Nach dem Einweichen sinddie Ruten sehr biegsam undman kann damit besser alsmit frischerWeide schaffen.