metall · Johannes Steffen von der Bremer Arbeitnehmerkammer hat nach-gerechnet: »Knapp fünf Euro...

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Hurra! Mehr Geld Tarifrunde 2007 metall Das Monatsmagazin der IG Metall Juni 2007 Jahrgang 59 D 4713 Nr. 6 Finanzinvestoren Immer mächtiger Betreuung Auch im Betrieb kinderleicht Wir haben es geschafft

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Hurra!Mehr Geld

Tarifrunde 2007

metallD a s M o n a t s m a g a z i n d e r I G M e t a l l

Juni 2007Jahrgang 59D 4713

Nr. 6

FinanzinvestorenImmer mächtiger

BetreuungAuch im Betrieb kinderleicht

Wir haben es geschafft

6_01_Titel_apm.qxp:_01_Titel 21.05.2007 19:09 Uhr Seite 1

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metall 6/2007

Editorial

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Jürgen Peters,Erster Vorsitzenderder IG Metall

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Deutschland brauchteinen Mindestlohn

»18 von 25 Ländern der EuropäischenUnion haben einen Mindestlohn einge-führt. Die Bundesrepublik Deutschlandnoch nicht. Einige in der Regierung desreichsten Landes der EU argumentieren,dass durch Hungerlöhne Arbeitsplätzegeschaffen werden. Das ist ein Skandal.Die SPD drängt in der Großen Koalitionauf die Einführung eines Mindestlohns.Er ist längst überfällig.«

Der Abschluss in der Metall- und Elektroindustrie ist unter Dach und Fach –und er kann sich sehen lassen. Wir haben für die Beschäftigten unsererwichtigsten Branche ein ordentliches Ergebnis eingefahren. Ein Ergebnis,um das uns viele beneiden. Die Entgelte von Facharbeitern, von Angestell-ten und von Auszubildenden werden steigen. Von ihrer Höhe können lei-der viele Beschäftigte in Deutschland trotz blühender Konjunktur undNachfrage nur träumen.

Nehmen wir zum Beispiel die Bäcker: 7,21 Euro verdienen sie die Stun-de, also knapp 1200 Euro monatlich. Brutto. Oder die Arzthelferin, sie ver-dient 6,59 Euro. Es gibt Friseurinnen die heute vollkommen legal mit 3,06Euro die Stunde nach Hause gehen. Das sind 491 Euro im Monat. Ein Skan-dal. Niemand kann von solchen Löhnen und Gehältern leben, geschweigedenn eine Familie ernähren. »Alle Arbeitnehmer haben das Recht auf eingerechtes Arbeitsentgelt, das ihnen und ihren Familien einen angemesse-nen Lebensstandard sichert.« So heißt es in der Europäischen Sozialchar-ta von 1961, die den wirtschaftlichen und politischen Integrationsprozessder EU flankiert. 18 von 25 Ländern der Europäischen Union haben deshalbeinen Mindestlohn eingeführt. Die Bundesrepublik Deutschland nochnicht. Einige in der Regierung des reichsten Landes der Europäischen Union argumentieren, dass durch Hungerlöhne Arbeitsplätze geschaffenwerden. Die SPD drängt in der Großen Koalition auf die Einführung einesMindestlohns. Er ist längst überfällig.

Bäcker, Arzthelferin, Friseurin, das sind alles ehrenwerte Fachberufe,die ein hohes Maß an Kompetenz, Erfahrung und Verantwortung erfor-dern. Warum also werden sie so miserabel bezahlt? Die Antwort ist relativeinfach: Zum einen, weil sie sich nicht in einer Gewerkschaft organisieren,um genügend Macht gegen die Arbeitgeber zu entfalten. Und zum anderen,weil sie in Kleinbetrieben oftmals nicht in der Lage sind, sich massenhaftfür bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen. Etwa so, wie es Anfang Maieine halbe Million Metaller in nur wenigen Tagen bei den Warnstreiks ge-zeigt haben. Machen wir uns nichts vor: Ohne Druck aus den Betriebenhätten auch die Metallarbeitgeber nicht eingelenkt – gute Konjunktur hinoder her. Es war nicht die Einsicht in unsere Argumente, sondern dieglaubhaft unter Beweis gestellte Fähigkeit der Metallerinnen und Metaller,im Zweifel zu streiken. Die Diskussion um den Mindestlohn macht alsoauch deutlich: Ohne starke und durchsetzungsfähige Gewerkschaften wä-ren die Arbeitnehmer der Willkür der Arbeitgeber ausgesetzt.

Deutschland braucht starke Gewerkschaften. Und Deutschland brauchteinen Mindestlohn, wenn wir nicht zum Eldorado für Lohndrücker und Aus-beuter werden wollen. Für die Regierung wäre es besser, wenn sie endlichwirksam handelt.

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Inhalt

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EditorialJürgen Peters über den Mindestlohn . . . . . . . . . . . . . . . 2

MagazinEldorado für Ausbeuter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4Gegen Streichungen bei Nokia-Siemens-Networks . . . . 5Alternativgipfel in Heiligendamm . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

TitelTarifrunde 2007:Das haben wir erreicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

Serie über EuropaKooperationen mit europäischen Gewerkschaften . . . . 14

BetriebsreportSozialcharta bei Schwan-Stabilo . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Frauen in technischen BerufenBeteiligen statt fördern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

FinanzinvestorenHeuschrecken auf Einkaufstour . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Holz- und MöbelindustrieStarke Branche, fette Gewinne . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

PorträtZu Besuch bei Birgit Kaulitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23

RatgeberKinderbetreuung: Die Betriebe sind gefragt. . . . . . . . . 24Recht auf Urlaub . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

RätselMonats- und Drei-Monats-Rätsel . . . . . . . . . . . . . . . . 28

MonatsökonominMargit Köppen über den G8-Gipfel . . . . . . . . . . . . . . . 30

Die gute IdeeDie Workers Beer Company . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

RegionalesAus den Bezirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Lokales/Karikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35Impressum/Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

Reif für den UrlaubWer zahlt die Stornokosten, wenn der Chef kurzfristig eine Urlaubssperreverhängt? Was, wenn mehrere Beschäftigte sich nicht auf den Zeitpunkt einigen können? Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben Anspruchauf Urlaub. metall gibt Tipps, wie sich das Recht auch durchsetzen lässt.

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Gleiche BedingungenVorbildlich: Der Hersteller vonSchreibgeräten Schwan-Stabilohat mit der IG Metall ein so ge-nanntes Internationales Rah-menabkommen unterzeichnet.Das Abkommen garantiert welt-weit die gleichen sozialen Be-dingungen. Gut für die Mitarbei-ter aber auch für das Image desUnternehmens.

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Titel: Rolf Vogt / einfache lösungen

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metall verändert sich: Ab 1. September gibt esein neues Layout. Das Magazin wird künftig nochmehr Service für Mitglieder der IG Metall bieten.Außerdem wird metall nicht mehr zehn sondernzwölf Mal im Jahr erscheinen. Die größte Neue-rung: Jedes Mitglied bekommt die Zeitung ab 1. September nach Hause geschickt. Dies hat derIG Metall-Vorstand beschlossen. Und noch eineVeränderung steht an: Susanne Rohmund (Foto), 41, ist seit 1. Juni Chef-redakteurin der IG Metall-Print Medien. Die Diplom-Volkswirtin ist seitNovember 2004 Chefin vom Dienst der metall-Redaktion und Projekt-verantwortliche der neuen metallzeitung. Susanne Rohmund ersetzt Werner Hoffmann, 60, der Anfang November in die Freistellungs-phase der Altersteilzeit tritt.

Aus der Redaktion

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Magazin

Mindestlohn

»Eldorado für Ausbeuter«

Parteien, einen Mindestlohn.Dass der eigenen Hände Arbeitnicht mehr zum Leben reicht,empfinden offenbar viele alsskandalös.

Die Union hingegen setzt aufVerunsicherung: Ein gesetzlicherMindestlohn, hetzte CDU-Gene-ralsekretär Ronald Pofalla am 1. Mai, zerstöre Arbeitsplätze undsei »süßes Gift«. Dabei ist längstklar, dass Betriebe auch mit ge-setzlichen Mindestlöhnen gut le-ben können: In 18 von 25 EU-Mitgliedsländern existieren siebereits. »Wir haben keinerlei Be-lege gefunden, dass Unterneh-men durch die Mindestlöhne ausdem Markt gedrängt werden«,erklärte der Ökonom StephenMachin vom Londoner Center ofEconomic Performance. Kein

Wunder, dass auch in der CDUorganisierte Arbeitnehmer ihreParteispitze nicht mehr verste-hen. »Mindestlöhne sind Aus-druck dessen, dass das Maß derWirtschaft der Mensch und nichtder Markt ist«, erkannte MatthiasZimmer, Vorsitzender der Christ-lich-Demokratischen Arbeitneh-merschaft (CDA) in Frankfurt amMain.

Müntefering als BremserAuch die SPD engagiert sich ge-gen Lohndumping. Für solcheBranchen, in denen es keine Tarif-verträge gibt oder diese nichtgreifen, wird ein einheitlichergesetzlicher Mindestlohn einge-führt, fordert sie in ihrer »Mai-Zeitung«. Und zwar auf dem Ni-veau »unserer wichtigsten euro-päischen Nachbarländer«. InFrankreich sind das 7,61 Euro jeStunde, in den Niederlanden7,90, in England ab Herbst 8,10Euro.

Doch während Genossen Un-terschriften für Mindestlöhnesammeln und in Bremen Wahl-kampf mit dem Thema gemacht

wurde, rudert ArbeitsministerFranz Müntefering (SPD) schonwieder zurück. Er wirbt neuer-dings für einen »Auffangmin-destlohn«. Er soll sich am Ar-beitslosengeld II eines kinder -losen Erwerbslosen orientieren.Johannes Steffen von der BremerArbeitnehmerkammer hat nach-gerechnet: »Knapp fünf Euro›Mindestlohn‹ bei Vollzeit rei-chen aus, um den Arbeitslosen-geld-II-Bedarf zu decken.« Dieswäre von der SPD-Kampagne,»Lohndumping verboten« aberweit weg.

Auch Versuche, das Arbeit-nehmerentsendegesetz auf wei-tere Branchen auszudehnen,greifen zu kurz. Erstens würdedas voraussetzen, dass Bran-chen-Tarife bestehen, zweitensbestehe die Gefahr, warnt ClausSchäfer, Referatsleiter beim WSI,dass selbst beim Festschreibeneiniger Branchen-Mindestlöhnedie 7,50 Euro-Schwelle häufigunterschritten würde.

Wenn Lohndrückerei unter-bunden werden soll, reicht dasnicht. Peters: »CDU und SPDmüssen endlich handeln, wennsie nicht wollen, dass hundert-tausende Menschen in diesemLand weiter mit Hungerlöhnenabgespeist werden.«7

Aktion in Hannover für einen gesetzlichen Mindestlohn von 7,50 Euro in Deutschland: »Das Maß der Arbeit istder Mensch und nicht der Markt«

»Initiative Mindestlohn«auf Städtetour: Kein Lohnunter 7,50 Euro

Deutsche Bank-Chef Josef Acker-mann verdient mehr als 13 Millio-nen Euro jährlich. Und auch diemeisten anderen Firmenbossekassieren saftige Gehälter. Übereine Million Beschäftigte hinge-gen müssen ihr mickriges Entgeltmit Hartz-IV-Stütze aufbessern.Insgesamt liegt der Anteil derNiedriglöhner schon bei 18 Pro-zent, Tendenz steigend. Kurz vor der Sitzung des Koaliti-onsausschusses im Mai mahnteIG Metall-Vorsitzender JürgenPeters eindringlich: Die Bundes-regierung müsse verhindern,dass Deutschland ein »Eldoradofür Ausbeuter« wird. Dazu müsseein gesetzlicher Mindestlohn von7,50 Euro je Stunde her, »und einVerfahren zu seiner Einführung,das von den Arbeitgebern nichtblockiert werden kann«.

Doch für die Koalitionscheint Ausbeutung kein drän-gendes Problem zu sein: Sie ver-schob die Entscheidung auf Juniund prüft lediglich, Einkommenzwischen 800 und 1300 Euromonatlich von Sozialabgaben zubefreien. Damit würden die»Ausbeuter« noch unterstützt,und die Sozialkassen milderndie Folgen ihrer Minilöhne ab.

Dabei müsste die Politik nurmal die Wähler fragen. Nach ei-ner aktuellen Umfrage von In-fratest Dimap wollen 63 Prozentder Befragten, quer durch alle

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Magazin

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Außenansicht

Frankreich

Sarkozys Pläne

Frankreich hat dramatische Wo-chen hinter sich. Zum erstenMal in Frankreich hatte sich eine Frau, die Sozialistin Ségo-lène Royal, mit Energie undHartnäckigkeit für das höchsteAmt beworben. Doch der Kandi-dat der Regierungspartei UMP,der konservative Nicolas Sarko-zy, behielt die Oberhand. MitSarkozy als Präsident gehtFrankreich womöglich schwe-ren Zeiten entgegen. Schon indiesem Sommer will er mit Sozi-alreformen beginnen, die dieGewerkschaften als Kampfan-sage werten dürften. So sollen künftig während ei-nes Streiks Züge und Busse ei-nen Mindestservice leisten, damit alle Beschäftigten ihreArbeitsstelle erreichen. Nachacht Tagen Streik in einem Un-ternehmen sollen alle Beschäf -tigten geheim darüber abstim-men, ob der Streik weitergehensoll oder nicht. Auch im Arbeits-recht strebt der neue Präsidenttiefgreifende Änderungen an.Unternehmen sollen von Sozial-abgaben aufÜberstunden be-freit werden. Diegesetzlich ein-geführte 35-Stunden-Wochesoll aufgeweichtwerden. Sarkozywill die Senkungdes Kündi-gungsschutzesetwa durcheinen generali-sierten Arbeitsvertrag, derbefristete und unbefristete Ver-träge ersetzen würde. Sarkozyhat im Wahlkampf einen Bruchmit dem bisherigen Sozialmo-dell angekündigt. Wenn er sei-ne radikalen Pläne wahrmacht,ist mit massiver Gegenwehr vonArbeitnehmern und Gewerk-schaften zu rechnen.7

Nokia Siemens Networks

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Adrien de Tricornot,Redakteur bei »LeMonde« in Paris

»Eine richtige Eintrittswelle«

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Demo der NSN-Beschäftigten im Berlin: »Es wird weitere Aktionen geben«

Baden-Württembergs Minister-präsident macht sich Sorgen.Nein, nicht was Sie denken.Günther Oettinger treiben weder seine politische Bedeu-tungslosigkeit noch seine Trau-erredenpatzer um. Nein, nein.Wenn sich Oettinger sorgt,muss es schon um Leben undTod gehen. Die Zukunft der Te-lekom bereitet ihm schlafloseNächte. Der Streik bringe dasUnternehmen in Lebensgefahr.

Wie lebendig ein Unternehmenist, misst er am Aktienkurs. Dersei bei der Telekom sowiesomiserabel. Wenn jetzt gestreiktwird und dann mehr Kundendavon laufen, ja dann..., ora-kelte Oettinger. Gut, dass Regierungen und ihre Minister-präsidenten nicht an der Börsegehandelt werden. Wer weißwie es um die Überlebens-chancen Oettingers stünde –gemessen am Aktienkurs.

H & N

Passende Antwort

Mit Abmahnungen gegen dieelf Betriebsratsmitglieder willdie Geschäftsleitung zeigen,wer bei H&N in Münden Herrim Hause ist. Anlass war einedreitägige Betriebsratssitzung.Thema: die ausufernden Ar-beitszeiten. Betriebsratsvorsit-zender Frank Baake fandschnell eine passende Antwortauf die Abmahnungen: eineStrafanzeige gegen die Chefs.Baake: »Wir lassen nicht zu,dass die Betriebsratsarbeitbehindert wird – auch zumSchutz der Kolleginnen undKollegen.«7

Fast 3000 Stellen sollen bei NokiaSiemens Networks (NSN) inDeutschland vernichtet werden.»Eine effektive Methode, die Auf-bruchstimmung einer leistungs-fähigen Belegschaft abzuwür-gen«, sagt der Gesamtbetriebs-ratsvorsitzende Georg Nassauer.Die Nachricht vom drohendenKahlschlag brachte am 8. Mai Tau-sende Beschäftigte auf die Straßenvon Berlin, München, Hamburgund Düsseldorf. Als die Manageraus den Fenstern der BerlinerHauptverwaltung blickten, warder Vorplatz voller Menschen,Transparente und roter Fahnender IG Metall. Fast 2000 Beschäf-tigte protestierten zusammen mitAbgesandten aus anderen Berli-ner Betrieben gegen den Arbeits-plätzeabbau. Slogans wie »Nokia:disconnecting people« zeigtendie Wut der Belegschaft. Der Zornhat auch Ingenieure und Ent-wickler erfasst, die erstmals in derGeschichte des Berliner Standortszu einer Kundgebung kamen.

»Beim Start von NSN war einPersonalabbau von zehn bis 15Prozent über drei Jahre ange-kündigt«, sagt Georg Nassauergrimmig. Er schließt nicht aus,dass Nokia jetzt die Schwäche

des in Affären verwickelten Sie-mens-Konzerns nutzt, um beimStellenabbau nachzulegen. »Dasmachen die nicht mit uns«, sagtNassauer. Massenentlassungenhoch qualifizierter Menschenseien kein Weg, um im globalenWettbewerb ganz vorn mitzu-spielen. Man brauche innovativeProdukte und Verfahren. »Dazuist eine gut qualifizierte und mo-

tivierte Belegschaft nötig. Diesewill wissen, wie es weitergeht.Die geplanten Abbauzahlen sindGrundlage, worüber man redenkönnte. Also wird es weitere Ak-tionen geben müssen.«

An den Standorten häufen sichnun die Eintritte von NSN-Be-schäftigten in die IG Metall. Alleinaus Berlin meldet der Betriebsrat»eine richtige Eintrittswelle«.7

Pflaume des Monats

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Köpfe

Kurt Kleffel (54), Metaller undQualitätsprüfer bei Bosch-Rex-roth in Langenhagen, hat eineStrafanzeige von der Staatsan-waltschaft erhalten. Grund: Beieiner Kundgebung in Hannoverhatte er per Lautsprecher ge-gen die Hartz-Gesetze protes -tiert. Das, behauptet die Poli-zei, sei erst ab 5o Teilnehmernerlaubt. Bei der Aktion hätten

aber nur 31 mitge-macht. BewaffnetePolizisten hatten dieProtestkundgebungdaher gewaltsamunterbrochen. VierTeilnehmer wurdenfestgenommen –darunter auch einVW-Arbeiter. Über

einen Strafbefehl von 465 Euromuss nun das Amtsgericht ent-scheiden. Termin ist der 11 Juni.Zahlreiche Menschen und In-itiativen haben sich inzwischenmit Kleffel solidarisiert, darun-ter Gewerkschafter aus ganzNiedersachsen. Die Vertrau-enskörperleitung VW-Nutzfahr-zeuge in Hannover schrieb anPolizeipräsident und Gericht:»Hier wird mit Kanonen aufSpatzen geschossen.« 7

Lisa Gärtner und BenjaminNadrowski, Metaller und Ju-gendvertreter bei Opel in Bo-chum, haben den Kampf gegenihre Kündigung verloren. Bei-de Jugendvertreter hatten aufdas Betriebsverfassungsge-setz gepocht und ihre Über-nahme verlangt. Dabei wurdensie vom Opel-Betriebsrat un-terstützt. Jetzt hat das Bundes-

arbeitsgericht end-gültig entschieden,dass die Kündigun-gen rechtens sind.Der »Solidaritäts-kreis für die kämp-fenden Opelaner«fordert, dass beidewieder eingestelltwerden.7

Magazin

Hemden-Produktion in Vietnam: »Die Reichen werden reicher und die Armen ärmer«

1. Mai-Kundgebung in Istanbul

Mit brutaler Gewalt verhinderten17 000 Polizisten die diesjährige 1. Mai-Kundgebung in Istanbul.Vor 30 Jahren, am 1. Mai 1977,erschoss die Polizei am IstanbulerTaksimplatz mindestens 34 Teil-nehmer der Mai-Demonstration,hunderte wurden verletzt. ZumGedenken an das Massaker hattenin diesem Jahr der gewerkschaft-liche Dachverband DISK und ei-nige politische Organisationenzur 1. Mai-Kundgebung auf denTaksimplatz aufgerufen. Die Be-hörden genehmigten sie nicht.Die Demonstranten, die es trotzAbsperrungen schafften zu kom-men, wurden mit Tränengas undSchlagstöcken empfangen. Über

Gewalt gegen Demonstranten

700 wurden verhaftet. Mit demgrößten Polizeieinsatz der Istan-buler Geschichte wurde so vor al-lem eins erreicht: Das Gedenkenan das Massaker auf dem Taksim-platz bleibt lebendig.7

Interesse der Finanzmärkte undder Großkonzerne«, beschreibtAttac die Ziele des Gipfels. Da beirepräsentieren die G8-Staaten ge-rade mal 13 Prozent der Weltbe-völkerung.

Gegen diese Globalisierungs-strategie der Industriebaronegibt es weltweiten Widerstand.Die IG Metall unterstützt dieProteste und hat den »Alterna-tivgipfel« vom 5. bis 7. Juni inRostock mitorganisiert. In zehnPodiumsdiskussionen und über100 Foren werden über die ak-tuellen Folgen der Globalisie-rung und sinnvolle Alternativendiskutiert. »Globalisierung im

In Heiligendamm wollen die Indus -trie staaten ihre Politik für Reicheund Großkonzerne festschreiben.»Die Reichen werden reicherund die Armen ärmer«, be-schreibt der DGB Nord-Vorsit-zende Peter Deutschland dieSchieflage der globalen Ent-wicklung, »die einen verbrau-chen die Rohstoffe der Welt, beiden anderen steigt das Hoch-wasser«.

Auf dem G8-Gipfel in Heili-gendamm wollen die Chefs dersieben wichtigsten In dustrie-staaten zusammen mit Russlanddie Weichen dafür stellen, dass esso weitergeht. »Eine Politik im

Interesse der Mehrheit der Men-schen geht anders«, heißt es ineinem Aufruf.

Bei einer Podiumsdiskussionist auch Horst Schmitthenner vonder IG Metall dabei. Er beschäftigtsich mit dem Thema »Prekäre Ar-beit und wachsende Armut in ei-ner reichen Gesellschaft«. Die IG Metall-Jugend beteiligt sichan einem Camp in Reddelich. Am 2. Juni gibt es eine Großde-monstration der Globalisie-rungsgegner.Mehr Infos unter:3www.camping-07.de3www.heiligendamm2007.de3www.g8-alternative-sum mit.org

G8-Gipfel in Heiligendamm

»Globalisierung geht anders«

1. Mai-Demonstration in Istanbul:700 Teilnehmer wurden verhaftet

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Adidas

Zahlung verweigert

Eine verlogene Sozialpolitikwirft die »Kampagne für saubereKleidung« dem Konzern Adidasvor. Obwohl der Sportartikelher-steller in seinem Kodex Gewerk-schaftsfreiheit und Sozialleis -tungen zusage, habe er bislangnichts in den Nothilfefonds fürdie entlassenen Gewerkschafte-rinnen in El Salvador eingezahlt.Der Adidas-Zulieferer Hermosa(metall 7-8/2006) hatte die Nä-herinnen vor zwei Jahren entlas-sen, nachdem sie eine Gewerk-schaft gegründet hatten. Siebender Frauen sind laut Kampagnejetzt an Unterleibskrebs er-krankt und haben kein Geld füreine Behandlung.7

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7metall 6/2007

Gebrüder Faller

Im oberen Bregtal bei Furtwangenim Schwarzwald ist nicht nur dieFernsehfamilie Faller heimisch.Dort baut auch das UnternehmenGebrüder Faller Modellbau-Artikelfür Hobby-Eisenbahner.Vor gut einem Jahr wurde derSchwiegersohn neuer Chef undseitdem hängt der Haussegen ge-waltig schief.

»Von einem, der einzog, dasFürchten zu lehren«, berichtetOliver Böhme von der IG MetallVillingen-Schwenningen. Mitdem Antritt von Geschäftsführerund Rechtsanwalt Horst Neid-hard häuften sich die Drohungengegenüber den 170 Beschäftig-ten, vor allem Ältere. Im Frühjahr

Auto Osteuropa

Ausnahme-Abschluss

Nach den Skoda-Beschäftigtenin Tschechien fordert jetzt auchdie Opel-Belegschaft in Poleneine zweistellige Lohnerhö-hung. Die Beschäftigten beider VW-Tochter Skoda hattenfür 24 Prozent gestreikt undfast 13 Prozent erkämpft. BeiOpel fordert die Belegschaftjetzt knapp 20 Prozent.

Zwar sind in Osteuropa dieLöhne in den letzten Jahrenentsprechend der Produktivitätfast überall deutlich gestiegen.Dennoch sind Abschlüsse wiebei Skoda nicht die Regel undauf technisch sehr fortschrittli-che Werke westeuropäischerUnternehmen beschränkt.7

Beitragsanpassung

Der Vorstand der IG Metall hatin seiner Mai-Sitzung die Ver-waltungsstellen aufgefordert,zeitnah an die Tariferhöhungdie Beiträge anzupassen. me-tall sprach mit Bertin Eichler,Hauptkassierer der IG Metall.

metall: Erfreut der gute Ab-schluss den Hauptkassierer?Bertin Eichler: Das erfreut in ers-ter Linie unsere Mitglieder, diein den Genuss dieses guten Er-gebnisses gekommen sind. Gutist, wenn die Beitragsanpassunginfolge der Tariferhöhung letzt-lich auch zu mehr Einnahmen fürdie IG Metall führt.

metall: Wieso Beitragsanpas-sung?Eichler: Steigen die Löhne undGehälter wird der IG Metall-Bei-trag entsprechend angepasst.So regelt es unsere Satzung.

metall: Wann werden die Beiträ-ge angepasst?Eichler: Wir werden den Beitraganpassen, wenn die Tariferhö-hung auf dem Konto unserer

»Damit wir erfolgreich bleiben«Beitrag stimmt deshalb nichtmehr. Der richtige Beitrag ist wich-tig, damit unsere Mitglieder auchdie Leistungen wie Rechtsschutzerhalten. Aktuell beträgt derdurchschnittliche Beitrag knapp 23 Euro, 4,1 Prozent mehr ent-spricht einer durchschnittlichenAnpassung von gut 90 Cent.

metall: Das heißt, wer jetzt 90Euro brutto mehr Entgelt hat, gibtweniger als einen Euro an die IGMetall weiter. Das ist doch einstarkes Werbeargument.Eichler: Allerdings. Und weiter sage ich: Je mehr Mitglieder die IGMetall hat, desto stärker ist sie amVerhandlungstisch und im Betrieb.

metall: Wie stark ist denn die IG Metall?Eichler: Wöchentlich haben wirderzeit über 2000 neue Mitglieder.Das lässt sich sehen, aber es könn-ten noch mehr sein. Dazu kann je-des Mitglied durch Werbung für dieIG Metall beitragen. Wer wirbt, gewinnt: neue Mitglieder und dieSicherheit, dass wir auch in Zu-kunft erfolgreich bleiben.7

Bertin Eichler,Hauptkassiererder IG Metall

Mitglieder gelandet ist. Damit wirdder Zusammenhang zwischenmehr Geld und Beitragsanpassungfür unser Mitglied nachvollziehbar.Im Übrigen geht es auch um dasGeld für die IG Metall: Jeder Monat,der ohne Beitragsanpassung ver-streicht, führt zu Einnahmeausfäl-len. Das sehe ich nicht gerne, unddas kann sich die IG Metall auchnicht leisten.

metall: In welcher Höhe wird derBeitrag angepasst?Eichler: Ganz allgemein zahlt einMitglied ein Prozent seines Brutto-

entgelts als Beitrag. Konkret wer-den wir daher den Beitrag in derRegel um 4,1 Prozent ab Juni an-passen.

metall: Was heißt in der Regel?Eichler: Im Einzelfall kann es Ab-weichungen nach oben oder untengeben. Eine geringere, wenn etwabetriebliche Anrechnungen erfol-gen, eine höhere, wenn in den letzten Jahren nur unterdurch-schnittliche Beitragsanpassungenvorgenommen wurden. Vielleichtist zwischenzeitlich eine höhereEingruppierung erfolgt und der

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und Gesetz werden mitFüßen getreten«, sagtRado Kojic, ehrenamtli-cher Nebenstellenleiterder IG Metall. Im Maidemonstrierten die Be-triebe des Bregtals ge-meinsam vor Faller. Ei-ne aufsehenerregendeAktion für die Gegend:»Faller ist Thema anallen Stammtischen«,sagt Kojic. Die IG Metall

hilft jetzt allen Beschäftigten –nicht nur den rund 30 Mitglie-dern – dem Druck standzuhalten.Oliver Böhme: »Gerade einRechtsanwalt muss sich an dasRecht von Verträgen halten.«7

Ein Fachwerkhaus der Gebrüder Faller: »Faller ist derzeit das Thema an allen Bre gtaler Stammtischen«

trat das Unternehmen aus demArbeitgeberverband Südwestme-tall aus. Die tarifliche Nachwir-kung versucht Neidhard nundurch Druck und Einzelarbeits-verträge auszuhebeln. »Recht

Der Haussegen hängt ganz gewaltig schief

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Tarifrunde 2007

Vier vor dem Komma – einverdienter Erfolg

artin Krügel hat ausgerechnet,dass er ab Juni 107 Euro bruttomehr verdient. Der 40-Jährige ar-

beitet als Elektroniker bei Faurecia in Stadt-hagen. Den Tarifabschluss findet er ganz »ak-zeptabel – wenn auch nicht überragend«.Künftig hat er insgesamt 2705 Euro. Viel seidas nicht, wenn man, wie er, als Alleinver-diener eine Familie mit drei Kindernernähren muss. Aber die Tariferhöhung seiimmerhin »besser als alle Abschlüsse derletzten Jahre«. »Wie siehst du das?«, fragt erseinen Kollegen. »Passt schon«, murmeltder. Und ein Angestellter, der gerade vorbeikommt: »Nice to have«. »1400 Leute hierim Betrieb sagen: Der Abschluss ist gut«, istsich Jürgen Bittner sicher. Er ist der Betriebs-ratsvorsitzende bei Faurecia. Und die ande-ren? Finden die das Tarifergebnis schlecht?»Nein, die sind gerade nicht im Betrieb.«

Im Mai gab es für alle Metall-Beschäftig-ten 400 Euro. Das war das erste Geld aus demneuen Tarifvertrag. Ab Juni steigen die Ein-

kommen und Vergütungen der Auszubilden-den um 4,1 Prozent. Und ab Juni 2008 umweitere 1,7 Prozent, für fünf Monate. Alsobis Oktober 2008. So lange läuft der Tarifver-trag. Diese 5,8 Prozent Plus sind von Dauer,fließen also in den Sockel für künftige Tarif -erhöhungen ein. Mit der Entgeltabrechnungfür August 2008 erhalten die Beschäftigtenzusätzlich eine Einmalzahlung. Sie setzt sichzusammen aus fünf mal 0,7 Prozent desneuen, um 5,8 Prozent gestiegenen Monats-einkommens. Weil Sonderzahlungen undUrlaubsgeld anteilig mitgerechnet werden,sind es sogar 0,796 Prozent.

Wieviel die komplette Tariferhöhung aus-macht, zeigen diese drei Beispiele: Wer bis-her 1500 Euro brutto verdient, erhält ab Ju-ni 1562 Euro; ab Juni 2008 steigt sein Ein-kommen auf 1589 Euro und im Augustkommen einmalig 60 Euro hinzu. Ein Ein-kommen von 2500 Euro wächst im Juni die-ses Jahres auf 2603 Euro und im Juni 2008auf 2647; die Einmalzahlung liegt bei 105

Euro. Bei 3500 Euro Monatsverdienst steigtdas Tarifeinkommen im Juni auf 3644 Euro,in einem Jahr auf 3706 Euro und einmaligkommen im August 2008 145 Euro dazu.Die Vereinbarungen fürs nächste Jahr habenallerdings einen Schönheitsfehler. Die Tarif -erhöhung um 1,7 Prozent kann um bis zuvier Monate verschoben werden, wird alsoim ungünstigsten Fall erst im Oktober 2008gezahlt. Das setzt aber voraus, dass der Be-triebsrat zustimmt und eine Betriebsverein-barung dazu unterschreibt. Dasselbe gilt fürdie Einmalzahlung. Auch sie kann um vierMonate gekürzt werden. Im schlechtestenFall beträgt sie also statt fünf mal nur einmal0,798 Prozent des Monatseinkommens.

Nicht nur süße ÄpfelTarifabschlüsse sind immer Kompromisse.Und dazu gehört, dass in irgendeinen saurenApfel gebissen werden muss. Die Arbeitge-ber hatten bei den Tarifverhandlungen nochganz andere saure Äpfel mitgebracht: Siewollten keinen Gesamtabschluss über dreiProzent. Außerdem wollten sie die Arbeit-nehmer nur durch eine einmalige Konjunk-turzulage an dem großen wirtschaftlichenErfolg beteiligen, den die Metall- und Elek-troindustrie zurzeit erlebt. Wenn der Tarif-vertrag ausläuft, wäre das Geld weg gewe-sen. Und sie wollten den Betrieben einenFreibrief geben, das Weihnachtsgeld zu kür-zen. Das alles ist ihnen nicht gelungen.

»Klar gab es auch Kollegen, die gern eineFünf vor dem Komma gesehen hätten, odersogar eine Sechs«, berichtet Sabine Post, dieals Lackiererin bei Audi in Ingolstadt arbeitetund in der Tarifrunde kräftig bei Aktionenmitgemischt hat. »Aber ich bin froh, dasswir die Vier vor dem Komma geschafft ha-ben.« Es war immerhin der höchste Ab-schluss der vergangenen 15 Jahre. 7

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Die Warnstreiks waren kurz, aber heftig – und wirkungsvoll. Die Metall-Beschäftigten freuen sich über die kräftigen Lohnerhöhungen ab diesemMonat. Sie haben sich geholt, was ihnen zusteht.Von Sylvia Koppelberg

BerlinAuf die Pauke hauen: Lautstark zogen Metallerdurch die Hauptstadt.

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Lübeck/WismarQuer durch die Innenstadt:Am 3. Mai gingen die Lübecker auf die Straße.

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IngolstadtWarnstreik bei Audi: 12 000 Beschäftigte demonstrierten auf dem Werksgelände gegen das mickrige Angebot der Arbeitgeber.

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DüsseldorfMenschen und Fahnen: Gemeinsam sind wir stark. Die-ses Motto traf mal wieder voll diediesjährige Tarifrunde. Alle tarif-gebundenen Metallbetriebe ausDüsseldorf und Neuss kamen zurGroßdemo. Ein Meer von Men-schen und Fahnen – das schaffteEindruck bei den Arbeitgebern.

KasselLautstarker Protest: 3000 kamen in Nordhessen zur Kundgebung.

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Hunderttausende in Aktion: Innur wenigen Tagen beteiligtensich fast eine halbe Million Be-schäftigte aus fast 2000 Betrie-ben an Warnstreiks, spontanenAktionen und Kundgebungen.

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DresdenProteste der Dresdner Volkswagen-Manufaktur: Rund 200 Beschäftigte einerSchicht der Dresdner Volkswa-gen-Manufaktur legten die Arbeitnieder. Am 3. Mai weitete die IG Metall ihre Arbeitskämpfe bun-desweit massiv aus. Mit Erfolg.

Tarifrunde 2007

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HerbornGutgelaunte Metallerinnen:Beschäftigte der Firma Clooslegten die Arbeit nieder.

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Leer/PapenburgMaschinen standen still: Beschäftigte legten die Produktionvon Aufliegern lahm.

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HannoverVor der Höhle des Löwen: Metaller vor dem Gebäudedes Arbeitgeberverbands.

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StuttgartNacht der Entscheidung: Jürgen Peters, Bertin Eichler undBerthold Huber bei der Verhandlung.

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AugsburgStart mit einem Feuerwerk: Vor den Werkstoren der MANDiesel standen 300 Metaller.

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Salzgitter»Fight for your Right« – »Kämpft für Eure Rechte«, so lautete das Motto der IG Metall-Jugend:

Rund 2500 Beschäftigte von MAN-Nutz-fahrzeuge, Neoman, LHB und Voith betei-ligten sich an den Warnstreiks. Für sieund auch die anderen 3,4 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektro- in dustrie zählt jeder Euro in der Lohntüte.

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Schwäbisch GmündEin Meer von Menschen: Kundgebung vor der ZF Lenksystemim Schießtal.

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RüsselsheimArbeiter des Opel-Werks in Rüsselsheim pfeifen denArbeitgebern was:

Der Warnstreik bei Opel war auch Solidaritätsbekun-dung für die streikenden Beschäftigten im belgischenAntwerpen im Rahmen eines europäischen Aktions-tags der General-Motors-Standorte.

Tarifrunde 2007

ErlangenMitarbeiter von Siemens MED:Metaller standen von Südenbis Norden vor den Werkstoren.

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WuppertalMehr in die Tüte:Fast 1000 Teilnehmer kamenzur Kundgebung in Wuppertal.

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Arbeitgeber hatten die »Spielchen«,wie einer von ihnen die Aktionennannte, »satt«. Die Beschäftigtennicht. Zum Glück. Sie erstritten sichden höchsten Tarifabschluss dervergangenen 15 Jahre.

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13metall 6/2007

HamburgStreikende Werftarbeiter demonstrieren im Alten Elbtunnel in Hamburg:Die Wut der Metallerinnen und Metaller war unüberhörbar. Magere 2,5 Prozent mehr Ent-gelt und 0,5 Prozent Konjunkturbonus boten die Arbeitgeber in den ersten Verhandlungen.Das Angebot machte die Beschäftigten nur noch wütender.

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HalleFest entschlossen:Auch die Kollegen bei der KSBkämpften für mehr Lohn.

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RemscheidStolz, ein Metaller zu sein:Rund 4000 Beschäftigte gingenin Remscheid auf die Straße.

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LeipzigBMW-Beschäftigte:Stärke demonstrieren vor denWerkstoren der Unternehmen.

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Esslingen-MettingenGlücklich über den Abschluss:Nicht nur die Metallerinnen bei Daimler-Chrysler freuen sich über die Tariferhöhung.

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14 metall 6/2007

Der Hersteller vonSchreibgeräten undKosmetik, Schwan-Stabilo, vereinbartemit der IG Metall einRahmenabkommen. Das heißt: Weltweitgelten in allen Betrie-ben des Unterneh-mens die gleichen so-zialen Bedingungen.Nach und nach werdenjetzt alle Standortedurchgecheckt – gutfür die Mitarbeiter unddas Image des Unter-nehmens.

SerieSerie

Wenn Gewerkschaften die Arbeits-und Lebensverhältnisse in ihrenNachbarländern kennen, könnenihnen Arbeitgeber nicht so leichtetwas vormachen. Deshalb arbei-ten die IG Metall-Bezirke mit denGewerkschaften in den angren-zenden Ländern zusammen.Ängste um den eigenen Standortgibt es nicht nur in Deutschland.»Das Problem kennen unserepolnischen Kollegen auch«, sagtMaria Scholz vom Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen. Doch seitbeide darum wissen, hält sichdie Angst in Grenzen. Seit fast 15Jahren arbeitet die IG Metall mitden polnischen Gewerkschaftenzusammen. Sie organisiert Tref-fen der einzelnen Branchen undlädt zu Seminaren ein. Das The-ma Mitgliederentwicklung stehtals nächstes auf dem gemeinsa-men Programm. Auch für diepolnischen Gewerkschaften einschwieriges Feld. Die Problemeähneln sich eben auf beiden Sei-ten der Grenze.

Im Bezirk Bayern arbeitet dieIG Metall mit Gewerkschaftenaus Tschechien, der Slowakei,Slowenien, Österreich und Un-garn zusammen. Sie unterstütz-ten sich bei Tarifverhandlungen

Der Blick über die Grenze lohnt sichDie IG Metall-Bezirke haben seit einigen Jahren Tarifpartner-schaften mit den Gewerkschaften ihrer Nachbarländer.Baden-Württemberg kooperiert mit Gewerkschaften aus Italienund der Schweiz. In Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gibt esKontakte nach Großbritannien, und der Bezirk Frankfurt arbeitetmit französischen Gewerkschaften zusammen.

3Die Serie »Europa« stellt in den kommenden Monaten die Arbeit von Gewerkschaften, Arbeitnehmervertretern und wichti-ge Entwicklungen in der EU vor. 7

in einzelnen Betrieben. 1999vereinbarten sie im so genann-ten »Wiener Memorandum« ei-ne koordinierte Tarifstrategie.Mit Erfolg, wie Matthias Jena,Sprecher der IG Metall in Bayernsagt: »Wenn bei Skoda in Tsche-chien das Einkommen um fast13 Prozent steigt, geht das auchauf unsere Arbeit zurück.«

Zur Arbeit ins NachbarlandAuch wo sich Lebens- und Ar-beitsverhältnisse ähneln, lohntsich ein Austausch. Der BezirkNordrhein-Westfalen hat seitzehn Jahren eine Tarifpartner-schaft mit niederländischenund belgischen Gewerkschaf-ten. Hier sind die wirtschaftli-

chenVerflechtungen eng. VieleMenschen pendeln zur Arbeitüber die Grenze.

Natürlich gibt es in so einerPartnerschaft auch Konflikte,sagt Robert Sadowsky, Tarifse-kretär in Nordrhein-Westfa-len. In der Tarifpolitik habenes die Deutschen internationalnicht immer leicht. »Wennein Betrieb vom Tarifvertragabweicht, ist das für unsereKollegen in Belgien erst malnicht verständlich. Denn dorthaben Tarifverträge per Gesetzallgemein Geltung.« Geradedann sind Kontakte besonderswichtig. Im Gespräch lassensich solche Konflikte wiederlösen.

Reger GrenzverkehrAuch im Norden herrscht seitJahren reger Grenzverkehr.Der Bezirk Küste organisiertregelmäßig Treffen zwischenBetriebsräten, Vertrauensleu-ten und Jugendvertretern ausDeutschland und Dänemark.

Das »dänische Modell«kannten sie an der Küste be-reits, bevor alle Welt darüberredete, sagt Daniel Friedrich,Sprecher der IG Metall im Be-zirk Küste. Da konnte ihnenniemand etwas vormachen.7

Fabienne Melzer

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Gewerkschaften inGuter Nachbarschaft

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BetriebsreportBetriebsreport

Sozialcharta bei Schwan-Stabilo

ragt man die Mitarbeiter vonSchwan-Stabilo nach der Sozial-charta, kommen manche erst einmal

ins Grübeln. Erklärt man aber, dass die Sozi-alcharta bedeutet, dass für alle Mitarbeiterweltweit die gleichen sozialen Standardsgelten, hellen sich die Mienen auf. »Ja, findeich gut«, sagt Irina Knjaskina, 52.

Die Deutsch-Russin ist seit acht Jahren beiSchwan-Stabilo im fränkischen Heroldsbergbeschäftigt. Vor ihrer Übersiedlung arbeitetesie als Näherin in Kasachstan. Sie weiß auseigener Erfahrung, wie unterschiedlich Löh-ne und Arbeitsbedingungen sein können.»Wir haben hier gute Arbeitsplätze«, sagtKnjaskina zufrieden. »Das gönne ich auchden Kollegen in Tschechien, Malaysia undanderswo.«

Gemessen an der über 150-jährigen Fir-mengeschichte ist die Sozialcharta jung: ImHerbst vor zwei Jahren unterzeichneteSchwan-Stabilo mit der IG Metall ein entspre-chendes Rahmenabkommen. Das Unterneh-men verpflichtet sich mit dem Abkommen, dieKernarbeitsnormen der Internationalen Ar-beitsorganisation einzuhalten. Und die lauten:3Chancengleichheit und Gleichbehand-

lung von Beschäftigten3Verbot von Kinderarbeit3Verbot von Zwangsarbeit

3Versammlungsfreiheit3Recht auf Tarifverhandlungen3Ausreichende Löhne3keine überlangen Arbeitszeiten3Arbeitssicherheit 3Beschäftigungsbedingungen, die mindes -

tens den Erfordernissen der nationalen Ge-setzgebung entsprechen.

»Vier Jahre hatte ich gebetsmühlenartig im-mer wieder für diese Idee geworben«, erin-nert sich Betriebsratsmitglied Gustav Meier,der die Sozialcharta maßgeblich begleitete.Bei Sebastian Schwanhäußer, dem Mitgliedder Eigentümerfamilie, fand Meier schließ-lich Gehör. Seit dem Abschluss der Sozial-charta hat sich schon einiges getan. VierStandorte in Deutschland, Malaysia undTschechien, wo Schwan-Stabilo Schreibge-räte produziert, wurden bereits einem so ge-nannten Sozial-Audit unterzogen. Dabeiwurden die acht Kernarbeitsnormen anhandeiner Checkliste überprüft.

Für die Beschäftigten etwa am StandortMalaysia hat sich das positiv bemerkbar ge-macht. Im Zuge des Sozial-Audits wurdedort eine betriebsinterne Gewerkschaft ge-gründet. Die handelte eine Lohnerhöhungaus. Und bei einem Werk in Tschechien ha-ben sich die Arbeitszeiten verbessert. Dort

werden keine Doppelschichten mehr gefah-ren. Vor allem Frauen waren es, die oft vonFreitagnachmittag bis Samstag 16 Stundenlang durchgearbeitet haben. »Das hält keinerlange aus, weder in Deutschland, Tsche-chien, noch anderswo«, betont Meier. »Gottsei Dank ist das jetzt vom Tisch.« Nach undnach sollen nun auch die Kosmetik-Standor-te von Schwan-Stabilo im In- und Auslandauf Herz und Nieren geprüft werden. ImHerbst ist das Stammhaus in Heroldsberg ander Reihe. Weltweit arbeiten 3100 Mitarbei-ter für das Unternehmen.

Einfluss auf Zulieferer Bei den bevorstehenden Audits in China, Ko-lumbien und Brasilien kommen auch dieZulieferer auf den Prüfstand. »Wir habenimmer darauf geachtet, dass nur Lieferantenmit gewissen Standards in Frage kommen«,sagt Bernd Seidl, der für den Kosmetikbe-reich zuständig ist. »Selbstredend, dass einUnternehmen mit Kinderarbeit oder ande-ren unakzeptablen Dingen für uns als Zulie-ferer untragbar ist.« Gustav Meier hofft, dasssich das Bewusstsein für den Sinn der Sozial-charta weiter durchsetzt: »Da steckt nochviel Potenzial drin, für das Unternehmenund für die Beschäftigten.«7

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Betriebsrat Gustav Meier (rechts) mit den tschechi-schen Kollegen Andrej Pradeniak und Hana Potuzni -kova bei Schwan-Stabilo in Heroldsberg: Für alle Mitar-beiter weltweit die gleichen sozialen Standards

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Page 16: metall · Johannes Steffen von der Bremer Arbeitnehmerkammer hat nach-gerechnet: »Knapp fünf Euro ›Mindestlohn‹ bei Vollzeit rei-chen aus, um den Arbeitslosen-geld-II-Bedarf

ls Jugendliche fuhr Natascha Sieger*gerne Rennrad, und in der Schulewunderte sie sich über Lehrer, die

Mathe oder Physik »Jungenfächer« nannten.Männer- und Frauenberufe? In solchenSchubladen dachte sie früher nie. Inzwi-schen schon. Nach einer steilen Karriere, derein fast genauso steiler Abstieg folgte, sagtdie 42-jährige Wirtschaftsinformatikerin:»Zum ersten Mal in meinem Leben denkeich darüber nach, in einem typischen Frau-enbetrieb zu arbeiten.«

Dabei verlief ihre Karriere zunächst ganzreibungslos. Nach einer technischen Ausbil-dung und fünf Jahren im Beruf studierte sieWirtschaftsinformatik. Anschließend kehrtesie zu ihrem Arbeitgeber zurück. Ihre Berufs-erfahrung ließ er beim Gehalt glatt unter denTisch fallen. Natascha Sieger machte das da-mals nicht stutzig. Erst im Nachhinein fälltihr auf: »Ich musste immer um die finanziel-le Anerkennung meiner Arbeit kämpfen.«

Doch zunächst kam Natascha Siegerschnell voran. Nach zweieinhalb Jahrenübernahm sie die Leitung ihrer Dienststelle.Sie stellte eine gute Mannschaft zusammenund stieg weiter auf. Ihr Team arbeitete pri-ma. Einen Tag pro Woche kämen sie auch oh-ne ihre Chefin aus, dachte Natascha Sieger.Sie wollte weniger arbeiten. »Die Wochen-enden waren mir einfach zu wenig.« Dochin ihrer Firma lief sie mit ihrem Wunsch vorWände. Ihr Chef sagte ihr: »Dann müssen Siezurück auf Tarif.« Es folgte eine Odysseedurch verschiedene Abteilungen und derstetige Abstieg. Führungsaufgaben hat Nata-scha Sieger heute nicht mehr. Ihr bitteres Fa-zit: »Der Wunsch nach Lebensqualität wirdnicht anerkannt. Dann heißt es gleich: ›Duhast kein Interesse an der Firma‹.«

In technischen Berufen gibt noch immerjener Mann das Tempo vor, der rund um dieUhr verfügbar ist. Wer da mehr Privatleben

Alleinunter Männern

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In technischen Berufen gibt noch immer jener Mann das Tempovor, der ständig verfügbar ist. Eine Arbeitskultur, die Frauen oftabschreckt. Denn mit der Technik haben sie meist kein Problem.

Technik

fordert, eckt schnell an. Christiane Wilke,beim IG Metall-Vorstand zuständig für denBereich Frauen- und Gleichstellungspolitik,wundert es deshalb nicht, wenn sich jungeFrauen noch immer gegen männerdomi-nierte Berufe entscheiden. »Ich denke, dasssie die Arbeitskultur, der Umgangston undihr Einzelgängerdasein abschrecken.«

Seit Jahren versuchen Politik und Wirt-schaft, junge Frauen für die Technik zu ge-winnen. Mit wenig Erfolg. In den meistenIngenieurstudiengängen stagniert der Frau-enanteil seit den 90er Jahren bei rund 20Prozent. In einigen ist er sogar rückläufig.Auch in den technischen Ausbildungsberu-fen sind Mädchen noch immer Exoten.

Termindruck lastet auf BeschäftigtenVielleicht greifen alle bisherigen Bemühun-gen zu kurz, weil sie die Defizite nur auf einerSeite suchen – auf der Seite der Frauen. Zu die-sem Schluss kommt Franziska Schreyer vomInstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsfor-schung in Nürnberg. Sie untersuchte die Ar-beitsmarktchancen von Ingenieurinnen undInformatikerinnen. Das Ergebnis: Unter Inge-nieurinnen ist die Arbeitslosenquote mit zehnProzent doppelt so hoch wie im Durchschnittaller Akademikerinnen. Selbst Geisteswissen-schaftlerinnen finden leichter Arbeit. HöchsteZeit, findet Schreyer, endlich auch die andereSeite unter die Lupe zu nehmen – die Arbeits-bedingungen in technischen Berufen.

Denn die sind meist nur in Unternehmens-Broschüren glänzend. Das kennen auch Be-triebsräte wie Birgit Steinborn von Siemens inHamburg. »Auf dem Papier gibt es bei Sie-mens alles, Teilzeit, Heimarbeit, Job-Sharing.Aber in der Praxis lässt es sich – von einzelnenAusnahmen abgesehen – noch immer nichtmachen.« Viele Techniker arbeiten in Projek-ten. Der Termindruck sei hoch und werdehäufig auf die Beschäftigten abgewälzt. »Das

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bedeutet dann: Arbeiten rund um die Uhr.«Birgit Steinborn kennt die Lebensläufe dermeisten Frauen, die bei Siemens in Hamburgeine gewerblich-technische Ausbildung ge-macht haben. Kaum eine von ihnen arbeitetnoch in ihrem erlernten Beruf. Viele sind ineine kaufmännische Assistenzfunktion ge-wechselt – oft der Kinder wegen.

Zerissen zwischen Arbeit und KindDenn Vereinbarkeit ist noch immer ein Frau-enthema. Während Ingenieure Haushaltund Kinder meist ihrer nicht-berufstätigenEhefrau überlassen, müssen ihre Kollegin-nen alles organisieren. Nicht selten geratensie dabei an ihre Grenzen. Auch Simone Lei-bold* hätte der Spagat zwischen Kind undJob fast zerrissen. Nach der Geburt ihrerTochter kehrte die Softwareentwicklerin inTeilzeit an ihren Arbeitsplatz zurück. Dochgearbeitet hat sie immer Vollzeit oder auchmehr. »Es ging nicht anders. Mein Teamleiterhat ja auch rund um die Uhr gearbeitet.«Ständig plagte die 36-Jährige ihr schlechtesGewissen und das Gefühl, keinem gerechtzu werden – weder Arbeit noch Kind. »AmEnde habe ich nur noch gebetet, dass ichdurchhalte.« Für Simone Leibold hat sichdie Lage inzwischen entspannt. Sie bekamneue Aufgaben in einem neuen Team und ei-ne Gleitzeitregelung. Jetzt schafft sie ihre Ar-beit ganz ohne Überstunden. »Ich denke, eshängt auch immer von den Vorgesetzten ab.«

Wenn nicht mehr Chefs umdenken, wer-den viele junge Frauen auch in Zukunft ei-

nen Bogen um technische Berufe machen, fürchtet Ingrid Schacherl, Sozialwissen-schaftlerin am Wiener Institut für Technolo-gie- und Regionalpolitik. »Da muss sich inden Köpfen noch einiges bewegen. Chefsmüssen bei der Arbeitszeit selber Vorbildsein.« Von speziellen Projekten für Frauenhält Schacherl allerdings nichts. So würdensie ihren Exotenstatus nie los.

Auch bei Angelika Puhlmann vom Bun-desinstitut für berufliche Bildung in Bonnhat sich nach zahlreichen Modellversuchendie Euphorie gelegt. »Viele sind nach derAusbildung nirgends untergekommen oderhaben nach kurzer Zeit das Handtuch ge-schmissen.« Wer mehr Frauen im Blaumannwolle, müsse den Unternehmen verbindli-che Vorgaben machen. Etwa so wie in Nor-wegen. Dort werde Firmen ihre Börsenzu-lassung entzogen, wenn im Aufsichtsratnicht genügend Frauen sitzen. »Wir müssenFrauen nicht fördern«, sagt Puhlmann. »Wirmüssen ihre Beteiligung fordern.«

Denn trotz aller Hürden heißt auch fürMetallerin Christiane Wilke das Ziel weiter-hin: mehr Frauen in die Technik. »Wir kön-nen das unterstützen und Tarifverträge zurVereinbarkeit von Familie und Beruf ab-schließen. Aber vor allen Dingen brauchenwir einen Wandel in den Betrieben.« Dabeisetzt die IG Metall-Frau auch auf die Männer.Denn unter ihnen steigt die Zahl derer, diemehr vom Leben wollen als nur Arbeit.7

Fabienne Melzer(* Name von der Redaktion geändert.)

Chancengleichheit

»Auf dem Papier gibt es bei Siemens alles, Teilzeit, Heimar-beit, Job-Sharing. Aber in der Praxis lässt es sich – von ein-zelnen Ausnahmen abgesehen – immer nicht machen.«Birgit Steinborn, Mitglied des Siemens-Betriebsrats in Hamburg

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Page 18: metall · Johannes Steffen von der Bremer Arbeitnehmerkammer hat nach-gerechnet: »Knapp fünf Euro ›Mindestlohn‹ bei Vollzeit rei-chen aus, um den Arbeitslosen-geld-II-Bedarf

un ist es heraus: Chrysler gehtmehrheitlich für 5,5 MilliardenEuro an den US-Finanzinvestor

Cerberus. »Cerberus« bedeutet »Höllen-hund«. Selbstironie? Bezeichnungen wie»Heuschrecken«, »Piranhas« oder »Barba-ren« klingen dagegen fast wie Kosenamen.Bislang haben Private Equity- oder Beteili-gungsgesellschaften nur durch wenige nega-tive Fälle wie beim BadarmaturenherstellerGrohe Schlagzeilen gemacht. Doch in letzterZeit häufen sich die Meldungen: ProSiebenSat1, Linde-Gabelstapler, Karstadt, MAN-Ro-land – und jetzt Chrysler.

Unternehmensübernahmen auf Pump Die Private Equity-Firmen schwimmen inGeld. Sie locken mit Renditen von 30 Prozentund mehr. In den letzten fünf Jahren haben sieweltweit 800 Milliarden Dollar von reichenPrivatpersonen und zunehmend von Pensi-onsfonds eingesammelt. Mit diesem Kapitalund noch mehr Krediten haben Private Equi-ty-Gesellschaften seit 2002 für 1600 Milliar-den Dollar eingekauft – mit stark steigenderTendenz.

Finanzinvestoren kaufen Unternehmen alsreine Finanzanlage, um sie nach ein paar Jah-ren mit Gewinn weiterzuverkaufen – sei es ander Börse oder an andere Investoren. DieÜbernahmen werden mittlerweile zu mehrals drei Vierteln mit Krediten finanziert. Fürdie Finanzinvestoren bringt das höhere Ren-diten – bei geringem Risiko. Denn die Schul-den zahlen die Heuschrecken nicht selbst ab,sondern lasten sie den gekauften Unterneh-men auf. Dafür müssen Kosten eingespartwerden – meist zu Lasten der Beschäftigten.Zusätzlich werden Sonderdividenden heraus-gesaugt, für die das gekaufte Unternehmenweitere Kredite aufnehmen muss. Es drohtÜberschuldung. Besonders wenn an einenanderen Finanzinvestor, erneut auf Pump,

Das großeFressen

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Jetzt hat es Chrysler erwischt:Der US-Autobauer ist an den Finanzinvestor Cerberus ver-kauft. Das zeigt: Auch große Betriebe sind jetzt in Reichweiteder Private Equity-Gesellschaf-ten. Sie kaufen immer größer mitimmer mehr Krediten ein. Ihrehohen Renditen erwirtschaftensie meistens auf Kosten vonBeschäftigten und Sozialstaat.

Finanzinvestoren im Kaufrausch

weiterverkauft wird. Der Fall Grohe zeigt, wieso auch gesunde Unternehmen in die Schul-denfalle rutschen können. Dort wurden 1200von 5000 Arbeitsplätzen vernichtet.

Auch der Sozialstaat schaut in die Röhre –nicht nur wegen des Jobabbaus. Die meistenFinanzinvestoren haben ihren Sitz in den USA

und ihre Fonds in Karibik-Steueroasen. Siezahlen in Deutschland keine Steuern.

Der Internationale Währungsfonds warntvor wachsenden Risiken –nicht nur durch dieausufernden Übernahme-Kredite, sondernauch durch den zügellosen Weiterverkauf derGläubigeransprüche an hochspekulative,

Finanzinvestoren

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Illustration: Silvan Wegman

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Page 19: metall · Johannes Steffen von der Bremer Arbeitnehmerkammer hat nach-gerechnet: »Knapp fünf Euro ›Mindestlohn‹ bei Vollzeit rei-chen aus, um den Arbeitslosen-geld-II-Bedarf

Finanzinvestoren

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anonyme Hedge-Fonds. Der Markt drohtzu überhitzen. Die Konkurrenz wächst, diePreise steigen. Warnungen kommen ausder Branche selbst, etwa vom Mitbegrün-der des US-Finanzinvestors Carlyle, DavidRubenstein: »Es ist unvermeidbar, dass eseinen Abschwung geben wird«. Trotz allerGefahren genießt Private Equity inDeutschland Vorteile. Das sei wichtig fürdie Finanzierung mittelständischer Unter-nehmen, sagen die Befürworter. Die Bran-che hat eigens eine Kampagne zur Image-Verbesserung gestartet. Im Sommer willdie Große Koalition ein neues Private Equi-ty-Gesetz beschließen. Nach den Wün-schen der Branche und der Union soll esweitere Erleichterungen geben. Auch dasExperten-Gutachten leistet dem Folge.Aber immerhin: Finanzminister Stein-brücks Eckpunktepapier sieht die Förde-rung von Wagniskapital für Unterneh-

mensgründungen vor – jedoch keineneuen Vorteile für Private Equity

generell. Die Branche droht empörtmit Abwanderung.

Die IG Metall begrüßt zwarSteinbrücks Eckpunktepapier.

Sie fordert jedoch einigesmehr: die Beschränkung derKreditfinanzierung, die Ab-

schaffung der Steuervorteilesowie mehr Arbeitnehmerrechte

bei Firmenübernahmen.Trotz allem gibt es in letzter Zeit

auch Lichtblicke bei Übernahmendurch Finanzinvestoren. Besonders

dort, wo die Arbeitnehmerseite stark ist.Bei MAN-Roland beispielsweise konntenim vergangenen Jahr Bedingungen wie Ta-rifbindung und Standortsicherung durch-

gesetzt werden. Beim Verkauf der Linde-Ga-belstaplersparte hat der Betriebsrat mit Un-terstützung der IG Metall erreicht, dass auchNachhaltigkeit und Sicherheit für die Be-schäftigten Kriterien bei der Auswahl derKäufer aus mehreren Private Equity-Bieternwaren.

Auch beim Chrysler-Verkauf hat die Arbeitnehmerseite mitgeredet und Cerberusden Vorzug gegeben. Und das nicht nur ge-genüber anderen Finanzinvestoren, sondernauch gegenüber den industriellen Mitbe-werbern General Motors und Magna. Dieamerikanische Autogewerkschaft UAW siehtdarin die beste Lösung für die Beschäftigten.Cerberus beteiligt sich mit vergleichsweiseviel Eigenkapital und beweist damit einlangfristiges Interesse. »Bei GM hätten ›Syn-ergieeffekte‹ und damit Stellenabbau ge-droht. Die hätten nur Marktanteile gekauft«,meint Thomas Klebe vom IG Metall-Vor-stand und Aufsichtsratsmitglied bei Daim-ler-Chrysler. »Mit der jetzigen Entscheidungbleibt auch Daimler mit 19,9 Prozent Anteilweiter in der Verantwortung.«

Mehr Konkurrenz bietet ChancenIndustrielle Investoren wie GM sind nichtautomatisch besser. Auch bei Finanzinvesto-ren gibt es Fälle vernünftiger Zukunftsstrate-gien. Die Konkurrenz am Private Equity-Markt wächst. Das eröffnet Chancen für dieArbeitnehmerseite. »Natürlich sehen wirPrivate Equity kritisch«, sagt Babette Fröh-lich, Expertin beim IG Metall-Vorstand.»Aber ob uns das passt oder nicht – wir müs-sen uns dem Problem stellen. Mit Kompe-tenz und Kampfkraft durch viele Mitgliederin den Betrieben kann uns das gelingen.«7

Dirk Erb

Interview

Claus Matecki,58, ist DGB-Vor-standsmitgliedund dort unteranderem zustän-dig für Finanz-politik.

metall: Was bedeutet der Boom derHeuschrecken für die Arbeitnehmer?Matecki: Mit der Größe der Deals stei-gen auch die Risiken. Der Markt über-hitzt. Bei vielen Übernahmen werdeninzwischen überhöhte Preise gezahlt.Dadurch steigen Verschuldung und Ren-ditedruck. Investitionen werden zuguns-ten schneller Profite gekappt und ehe-mals sichere Arbeitsplätze gefährdet.

metall: Was ist also zu tun?Matecki: Die Kolleginnen und Kollegenmüssen sich vernetzen, Erfahrungenaustauschen, um bestmöglich vorberei-tet zu sein und um die Strategien des Finanzinvestors genau zu kennen. Die IG Metall hat mit dem Aufbau des Netz-werks Private Equity bereits gute Arbeitgeleistet.

metall: Das neue Private Equity-Gesetzkommt. Wie muss das aussehen?Matecki: Die Politik muss reagieren.Kreditfinanzierte Unternehmenskäufeund Sonderausschüttungen müssenstärker reguliert werden. Eine Mindest-eigenkapitalquote könnte die Schulden-überwälzung beschränken. Die Rechteder Arbeitnehmervertreter müssen aus-gebaut werden. Sie sollten die Konditio-nen einer Übernahme mit aushandeln.Und: Private Equity-Gesellschaften sol-len nicht länger steuerlich begünstigwerden, sondern Gewerbesteuern, so-wie Steuern auf Kreditzinsen und Veräu-ßerungsgewinne zahlen.

metall: Ist Private Equity als Finanz-quelle für den Mittelstand unverzicht-bar, wie die Befürworter behaupten? Matecki: Nein. Die Nachfrage nach Private Equity ergibt sich aus der restrik-tiven Kreditvergabe der Banken. Eine intensivere finanzielle Mittelstandsför-derung durch die öffentliche Hand wür-de die Attraktivität von Finanzinvestorendeutlich schmälern.7

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Private Equity boomt

Quelle: IWF, Financial Stability Report, Bloomberg

Unternehmenskäufe durch Private Equity weltweit – in Milliarden Dollar je Quartal –

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gen. »Die aktuellen amtlichen Zahlen fürHolz und Möbel scheinen die Argumentati-on der IG Metall zu stützen: Bis einschließ-lich Februar melden die Statistiker aus Wies-baden ein Umsatzplus von 13,5 Prozent fürdie gesamte Holzindustrie und elf Prozentfür die Möbelindustrie«, schreibt Dirk-UweKlaas, Hauptgeschäftsführer der Spitzenver-bände der Deutschen Holz- und Möbelindus-trie in seinem Verbandsblatt »HDH/VDM-Direkt«.Um gleich darauf das alte Klageliedanzustimmen: »Ein zu hoher Tarifabschlussgefährdet in der Holzindustrie über 8000 Arbeitsplätze.«

So begann die Tarifrunde wie üblich schlep-pend: kein Angebot, keine Bewegung auf Ar-beitgeberseite. Für die Mitglieder der IG Me-tall das Signal, frühzeitig Flagge zu zeigenund Druck zu machen. »Wir sind keine Bitt-steller«, mit dieser Warnung hatten schonim Januar rund 800 Holzarbeiter bei derMöbelmesse in Köln ein deutliches Zeichender Kampfbereitschaft gesetzt.

3,6 Prozent mehr GeldBeim »Holzaktionstag« in Herford in derzweiten Mai-Woche kamen diesmal über1200 »Holzwürmer« aus Nordrhein-Westfa-len, Niedersachsen und der Küste zusammen,um der Tarifforderung der IG Metall Nach-druck zu verleihen. Der Protest zeigte Wir-kung, auch weil die Arbeitgeber jetzt allesgebrauchen könnten – »nur keine Unruheund Arbeitskämpfe«, wie sie in den Tarifver-handlungen erklärten. Am 14. Mai war danndie Tarifrunde zu Ende. IG Metall und Holz-Arbeitgeber einigten sich wie folgt:3In der Holz und Kunststoff verarbeitendenIndustrie Westfalen-Lippe steigen die Entgelteum 3,6 Prozent ab dem 1. August 2007.3Für die Monate Mai, Juni und Juli 2007gibt es eine Einmalzahlung in Höhe von 300Euro sowie für die Monate Juni, Juli und Au-

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Nach langen Jahren der Flaute hat die Holz- und Kunststoff -industrie wieder Fuß gefasst. Die Geschäfte gehen gut und mitdem Abschluss in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industrie in Westfalen-Lippe hat die IG Metall für rund 40 000Beschäftigte den ersten Pflock in der Tarifrunde 2007 gesetzt.

ür Eckehard Redlich, Betriebsrats-vorsitzender des MöbelherstellersLoddenkemper im westfälischen

Oelde, ist es an der Zeit, dass »wir auch maldrankommen«: »Jammern war gestern. Seit2006 stieg der Umsatz in der Möbelindus -trie um sieben Prozent. Dieser Umsatz wirdmit deutlich weniger Beschäftigten erzielt,denn vor zehn Jahren gab es von uns 30 Pro-zent mehr.« Deshalb forderte die IG Metall2007 auch für die Beschäftigten in dieserBranche 6,5 Prozent – wie bei Metall undElektro. Dass es der Branche gut geht, kön-nen auch die Arbeitgeber nicht verschwei-

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»Sie wollenendlich mehr Geld«

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Holzaktionstag »Jetzt wird aufgemöbelt« in Herford: »Wir waren konfliktbereit und konfliktfähig«

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Holz- und Möbelindustrie

gust 2008 eine weitere Einmalzahlung von345 Euro, welche durch eine freiwillige Be-triebsvereinbarung verdoppelt oder abge-senkt werden kann.3Am 1. September gibt es noch einmal 2,5Prozent drauf. Der Tarifvertrag hat eine Lauf-zeit von 24 Monaten bis zum 30. April 2009.

Rückenwind vom AktionstagAuch die Auszubildenden wurden nicht ver-gessen. Ihre Vergütungen werden ab dem 1. Mai 2007 um 3,6 Prozent angehoben undum weitere 2,5 Prozent ab dem 1. Juni 2008erhöht. Karsten Kaus, IG Metall-Verhand-lungsführer, sagte nach der Einigung: »GuteGewinne kommen jetzt auch in den Porte-monnaies der Beschäftigten an. Nur weil dieArbeitgeber wussten, dass wir in allen Betrie-ben konfliktbereit und konfliktfähig in dieseTarifrunde gegangen sind, war es möglich,diesen Abschluss zu erreichen. Die hohe Be-teiligung an unserem Aktionstag hat uns denrichtigen Rückenwind gegeben.« Jetzt mussdieser Abschluss auf die anderen Tarifgebieteübertragen werden.

Nach jahrelangen Belastungen haben dieBelegschaften eine Umkehr in der Lohnpoli-tik bitter nötig. Denn der Boom in der Holz-und Möbelindustrie ist seit 2006 außeror-dentlich und ging einher mit sinkenden

Lohnkosten. Die effektiven Stundenver-dienste sanken um ein Prozent. Die Personal-kosten machen noch 16 Prozent der Umsätzeaus. »Gefüllte Auftragsbücher, geringe Perso-nalkosten und hohe Leistung – das muss sichauch für die Beschäftigten lohnen«, lobteWolfgang Rhode, im Vorstand der IG Metallfür die Branche zuständig, den Tarifabschluss.Denn es wurde höchste Zeit, dass die Beschäf-

tigten in der Holz- und Möbelindustrie auchwieder Anschluss an die Durchschnittsein-kommen finden. Seit dem Jahr 2000 hat dernormale Industriearbeiter heute 380 Euromehr in der Tasche, der Möbler 150 Euro undder Holzarbeiter nur 115 Euro. »Unsere Leutehaben lange genug gewartet. Jetzt wollen sieendlich mehr Geld sehen«, sagt Rhode. 7

Werner Hoffmann

metall: Der Aufschwung ist nun auch in der Holzwirtschaft ange-kommen. Was bedeutet der Abschluss in NRW?Wolfgang Rhode: Die Branche war in der Vergangenheit einSorgen-kind. Diese Vergangenheit ist jetzt passé. Wir haben jetzt beim Ent-gelt wieder Anschluss an andere Branchen gefunden.metall: Trotz Boom stöhnen die Arbeitgeber, der Abschluss sei zuhoch.Rhode: Das ist Quatsch. Der Tarifvertrag ist eine faire Sache, die be-zahlbar ist, zumal die Lohnquote niedrig wie nie ist. Nach den jahre-langen Belastungen für die Belegschaften hat dieser Abschluss eineUmkehr eingeleitet.metall: Dass es mit der Branche wieder aufwärts geht, ist auch Verdienst der Arbeitnehmer.Rhode: Und wie. Das ist doch zynisch, wenn die Holzarbeitgeber tö-

nen, nur wegen der Opfer der Arbeitnehmer sei die Wende zum Positivengelungen. Deshalb müsse aus ihrer Sicht bescheiden bleiben, wer Ar-beitsplätze sichern wolle. Das ist dreist: Wir haben die Krise in der Bran-che teuer bezahlt – mit Arbeitsplatzverlusten und mit Lohnsenkungen.Weitere Opfer zu verlangen ist unverschämt. Unsere Leute brauchen Teil-habe am Aufschwung und keine Ratschläge zur Mäßigung.metall: Trotzdem spielen die Arbeitger auch jetzt die alte Leier, dass esnichts zu verteilen gebe?Rhode: So sind sie nun mal. Aber dass es wieder aufwärts geht, liegtan der besseren Konsumlaune, an der Reallohnerhöhung in der Metall-und Elektroindustrie und am guten Export. Die Rezepte von gestern,wie längere Arbeitszeit, haben zusätzlich Arbeitsplätze gekostet undLöcher in den Geldbeutel der Arbeitnehmer gerissen. Deshalb ist jetztSchluss mit lustig.

Die Beschäftigten in der Holz und Kunststoff verarbeitenden Industriemüssen auch am Aufschwung teilhaben. Das sieht Wolfgang Rhode , imVorstand der IG Metall für diese Branche zuständig, im Gespräch mit metall in dem Abschluss für Westfalen-Lippe.

»Unsere leute brauchen teilhabe«

»Schluss mit lustig«

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Effektivlöhne sind rückläufig

Quelle: Statistisches Bundesamt *Hochrechnung

Möbelindustrie Holzgewerbe

Die Entgelte in der Holzwirtschaft liegen seit Jahren unter der Inflationsrate und sindrückläufig. Wegen der guten wirtschaftlichen Lage auch in dieser Branche, wollen die Beschäftigten ihren Anteil haben.

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Leserbriefe

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Rauer Umgangstonmetall 5/2007: Leiharbeit: Rech-te kennen – Rechte nutzen

3Seit einer Woche grübele ichüber Ihren Ratgeber »Leihar-beit«, ich war auch Sklave. Estut schon weh, wenn manliest, dass Leihfirmen per Gesetz seit 2003 verpflichtetsind, gleichen Lohn zu zahlenwie für Stammbeschäftigte,sich aber nicht daran halten.Lothar Hillmann, Nordhausen

3Häufig ist es für einen Leih-arbeitnehmer doch so, dass ervon den Kundenfirmen (Ent-leiher) sowie von der Zeitar-beitsfirma selbst als eine ArtArbeitnehmer zweiter Klasseangesehen wird. Nicht seltensieht er sich dabei einem rau-en Umgangston bei seinenKundeneinsätzen ausgesetzt.Manfred Radina, Schweinfurt

3Mit Unverständnis habe ich dasInterview mit Andrea Nahlesgelesen – unabhängig von denAussagen zum bedingungslosenGrundeinkommen. Ich finde esauch nicht nachvollziehbar, einerBefürworterin der »Rente mit67« knapp zwei Monate nach derEntscheidung im Bundestag Platzin unserer Mitgliederzeitschrifteinzuräumen. Der Ruf nach Ar-beitszeitverkürzung am Ende desInterviews ist blanker Hohn füralle, die sich gegen die »Rentemit 67« engagiert haben.Michael Wolf, Cottbus

3Ich bin auch nicht für einGrundeinkommen und kann dieArgumente von Andrea Nahlesnachvollziehen. Leider hat dieSPD-Linke aber für die »Rentemit 67« gestimmt.Roland Mayer, Reutlingen

Unwürdige Zuständemetall 5/2007: Marktmachtbestimmt die Preise

3Sie machen dankenswerterWeise darauf aufmerksam, dassbei der Produktion von Texti-lien in Fernost jeglicher Schutzder beschäftigten Frauen fehlt.Das klingt nach meiner Auffas-sung reichlich hilflos. Fakt ist,dass auf die ungeheuerlichenMissstände sowohl in China als

auch andernorts schon vor Jah-ren hingewiesen wurde. Faktist auch, dass die chinesischeRegierung ein Gesetz verab-schiedet hat, das gewisse Min-deststandards sichern soll. DieFolge ist, dass amerikanischeKonzerne die chinesische Füh-rung unter Druck setzen, dieseStandards zu verhindern. Es istauch nicht so, dass nur Dis-counter an den unwürdigenZuständen Schuld sind, son-dern auch Markenanbieter(Karstadt, Adidas oder Puma)und selbstverständlich auchdie Verbraucher.Volkmar Grombein, Heusweiler

metall 5/2007: Interview mit AndreaNahles zum Grundeinkommen

Herausgeber: Jürgen Peters, BertholdHuber, Bertin Eichler

Anschrift: metall-RedaktionWilhelm-Leuschner-Straße 7960329 Frankfurt am MainTelefon 0 69–66 93-24 45, Fax 0 69–66 93-80-20 00E-Mail: [email protected]

Redaktionsleiter: Werner Hoffmann(verantwortlich im Sinne des Presserechts)

Chefredakteurin: Susanne Rohmund

Redaktion: Fritz Arndt, Martina Helme-rich, Sylvia Koppelberg, Fabienne Mel-zer, Antonela Pelivan, Gabriele Prein

Gestaltung: Gudrun WichelhausBildredaktion: Michael Schinke

Sekretariat: Birgit Büchner

Internet: www.igmetall.de/metall

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Vertrieb: Reinhold WeißmannTelefon 069–66 93-22 24, Fax 0 69–66 93-25 38E-Mail: [email protected]

metall erscheint monatlich (zehnMal im Jahr). Für Mitglieder derIG Metall ist der Bezug imBeitrag enthalten.Druck: apm AG,Darmstadt.

Für SehbehinderteAngebot für sehbehinderte und blinde Mitglieder: metall gibt es als Word- oderpdf-Datei. Bestellung an: [email protected]

metall Das Monatsmagazin der IG Metall

E-Mail: [email protected] Redaktion behält sich vor, Leser -briefe zu kürzen. Leserbriefe können nur bei Angabe der Adresse veröffentlicht werden. Die vollständige metall-Ausgabe stehtauch im Internet.

Impressum

»Unverständlich und nichtnachvollziehbar«

Die Betriebsrätin Birgit Kaulitz ist Hand-werkerin und Holz-wurm. Sie ist eman -zipiert aber keineEmanze. Sie ist enga-giert, aber sie nimmtsich auch Zeit für ihrHobby. Segeln auf historischen Muse-umsschiffen ist diegroße Leidenschaftder Hamburgerin.

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aEin Mädchen im Hamburger Stadtteil Billstedt: »Gegen Grundeinkommen«

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Porträt

Zu Besuch bei

Birgit Kaulitz

Die Metallerin Birgit Kaulitz: Erst wollte sie Erzieherin werden, dann ent-schied sie sich für eine Ausbildung beim Klavierbauer Steinway

Nach dem Schulabschluss wählte Birgit Kau-litz zunächst einen klassischen Frauenberuf:Erzieherin. »Das war wohl das Helfersyn-drom, das in so vielen Frauen steckt«, bewertet sie heute ihren damaligen Berufs-wunsch. Sie rasselte durch die Prüfung. Undlernte statt Kinder zu hüten, Hammerköpfeim Klangkörper eines Konzertflügels zusam-menzusetzen.

»Ich wollte lieber was mit den Händenmachen.« Um den begehrten Ausbildungs-platz als Klavierbauerin bei Steinway zu be-kommen, setzte sie alle Hebel in Bewegungund baute eine Lokomotive aus Holz. Fotosdavon verschickte sie vor 22 Jahren zusam-men mit ihrer Bewerbung. Birgit Kaulitz er-hielt den begehrten Ausbildungsplatz. Undseither arbeitet sie bei Steinway. »Ich bin›Holzwurm‹. Und das werde ich im Herzenauch immer bleiben«, betont die 43-Jähri-ge. Ein bisschen wehmütig blickt sie zurück

eim Klang des Firmennamens lächeltBirgit Kaulitz. »Klar bin ich stolz, dassman unser Produkt auf der ganzen Welt

kennt«, schwärmt die Betriebsrätin. Steinway:Das ist die Firma, die perfekte, handgearbeite-te, sündhaft teure, glänzende, schwarze Kon-zertflügel baut, auf denen dann Superstars wieBilly Joel oder Lang Lang spielen. So lautet dasKlischee über den Hamburger Klavierbauer.»Gemessen an Volkswagen oder Daimler-Chrysler ist Steinway ja fast ein Kleinunterneh-men. Aber wir finden Gehör und ich persön-lich auch«, erklärt Birgit Kaulitz.

396 Beschäftigte zählt der Betrieb zurzeit.Zwanzig Frauen davon arbeiten in der Pro-duktion. Birgit Kaulitz kommt in dieserMännerwelt gut zurecht, auch wenn es beimVerteilen von Rosen am InternationalenFrauentag oft von den Männern im Betrieb»dumme Sprüche« hagelt. »Man gewöhntsich an den rauen Ton.«

auf die Zeiten, bevor die »Holzwürmer« –die Gewerkschaft Holz und Kunststoff – sichmit der IG Metall zusammenschlossen. »Im-mer mehr kleine Holz- und Kunststoff-Be-triebe brechen weg. Die Kollegen finden oftkein Gehör«, kritisiert sie das Schrumpfender Branche. Für die Betriebsrätin ist es des-halb wichtig, in zahlreichen Gremien zu sit-zen und das Holzhandwerk zu vertreten. Sieist Mitglied im Vertrauensleuteausschuss, imBildungsausschuss und im Bundesbran-chenausschuss Holz und Kunststoff.

Segeln ist ihre LeidenschaftIm Betrieb macht sich die stellvertretendeBetriebsratsvorsitzende und Vertrauenskör-perleiterin stark für den Arbeitsschutz. »Dasist der Schwerpunkt meiner Betriebsratsar-beit.« Geld, Sicherheit aber auch Gesundheitseien für die Kolleginnen und Kollegen diewichtigsten Themen. Für Steinway hat siedeshalb Gefährdungsbeurteilungen mitini-tiiert. Ein Prozess, der immer wieder über-prüft, ob der Arbeitsplatz krank macht.

Und sie selbst? Vollzeitjob als Klavierbaue-rin und engagierte Betriebsrätin in zahlrei-chen Ausschüssen – wo tankt Birgit KaulitzKraft? »Beim Segeln«, schwärmt die 43-Jäh-rige. Historische Schiffe sind ihre Leiden-schaft. Seit 1991 macht sie nicht nur jedesJahr einen Segel-Törn. Die Handwerkerinhilft auch bei der Restauration alter Schiffe.Und sie segelt sogar als Besatzungsmitgliedauf Charterschiffen mit.

»Hand für Koje« heißt diese Variante unterSeglern. Der Vorteil: Der »Job« im Urlaub istpreiswert und ermöglicht eine Fahrt auf Se-gel-Legenden wie der »Sedov« oder »Friedavon Hardersleben«. Gaffelsegler, die Normal-sterbliche höchstens mal im Hafen oder jähr-lich auf der Rum Regatta in Flensburg bestau-nen können. Der Nachteil: Als Besatzungsmit-glied darf Birgit Kaulitz nicht zimperlich sein.Sie muss Toiletten schrubben oder in derKombüse helfen. Aber sie darf auch Segel set-zen, den Mast hochklettern und mit der Crewüber den besten Kurs fachsimpeln. »Das istebenfalls meine Welt«, sagt die Hamburgerin.Schon allein das Knirschen der alten Holz-planken oder der Geruch nach geteertemHanf reichen aus, um bei Birgit Kaulitz Fern-weh nach einer großen Fahrt zu wecken. »So-bald ich die Planken betrete und den Windpfeifen höre, kann ich total abschalten.«7

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s kam zwar noch nicht oft vor. Abereinmal war Jürgen Hess auf die Kin-derbetreuung durch seinen Arbeit-

geber angewiesen: Die Oma konnte seinevierjährige Tochter Janina mittags nicht vomKindergarten abholen. Hess rief nur kurz imBetrieb an, und schon war das Problem ge-löst. Seine Tochter ging zur Kinderbetreuungim Daimler-Chrysler-Werk in Wörth. Be-rufstätige Eltern kennen solche kleinen undgroßen Katastrophen, die das ausgeklügelteBetreuungssystem leicht zusammenstürzenlassen. Eine kranke Großmutter oder Tages-mutter, Teamsitzungen im Kindergartenoder bewegliche Ferientage – jedes Mal stelltsich die Frage: Wer betreut die Kinder?

Seit drei Jahren bietet Daimler-Chryslerseinen Beschäftigten in Wörth in solchenNotfällen eine Betreuung an. Daneben gibtes einen Hort für Kinder unter drei Jahrenund ein Sommercamp für Schulkinder.Die Nachfrage in den Sommerferien istgroß. Die insgesamt 180 Plätze sind im-mer ausgebucht, sagt Jürgen Hess, Be-triebsrat bei Daimler-Chrysler. LangeZeit hatte das Unternehmen kein Ohrfür das Anliegen berufstätiger Eltern.»Der Betriebsrat hatte seit vielen Jahreneine betriebliche Kinderbetreuung ge-fordert. Erst als Berechnungen zeigten,dass es sich auch wirtschaftlich lohnt, be-wegte sich was«, erklärt Hess.

Die Luxus-VarianteEltern wenden sich bei Problemen mitder Kinderbetreuung nur selten an ihrUnternehmen. Das sollten sie aber,empfiehlt Susanne Dalkmann vonder Beratungsagentur »Wertarbeit«in Duisburg. »Wer Kinderbetreuungmit Überstunden oder Schichtarbeitnicht vereinbaren kann, sollte dies sei-nem Betriebsrat sagen.«

Gerade für Eltern im Schichtdienstreichen die Öffnungszeiten städti-scher Einrichtungen nicht aus. Dasind Betriebe näher am Problemdran. Eine echte Komfort-Lö-sung bietet etwa die DillingerHütte im Saarland ihren Be-schäftigten seit einem Jahr an.Die betriebseigene Kinderta-gesstätte mit 30 Plätzen fürKinder im Alter von acht Wo-chen bis zwölf Jahren hat ihreÖffnungszeiten auf die Schichtzei-ten abgestimmt. Der Betriebsrat hatteerst den Bedarf ermittelt, bevor er sich anden Vorstand wandte. Das Projekt klappte

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EIm Notfall sinddie Betriebe gefragt

Ratgeber

Illustration:PD

Kinderbetreuung

Gute Einrichtungen, auf die sich berufstätige Eltern verlassen kön-nen, gibt es in Deutschland viel zu wenig. Nur dreieinhalb Prozentder Betriebe bieten ihren Beschäftigten Betreuungsmöglichkeitenan. Die IG Metall macht sich stark für die Vereinbarkeit von Berufund Familie – mit wachsendem Erfolg.

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auch deshalb reibungslos, weil Manage-ment, Vorstand und Betriebsrat an einemStrang zogen.

Auch bei Jenoptik in Jena entsteht ein Kin-dergarten mit 60 bis 80 Plätzen. Die Anre-gung kam von der Unternehmensleitung,die den berufstätigen Eltern mehr Flexibili-tät in der Arbeitszeit ermöglichen wollte.Jenoptik finanziert den Bau der Kindertages-stätte und beteiligt sich an den Gebühren. Esist kein reiner Betriebskindergarten, aber dieJenoptik-Beschäftigten haben ein so ge-nanntes »Erstzugriffsrecht« bei der Vergabeder Plätze.

Ein weiteres Beispiel: Opel in Rüssels-heim. Dort testete der Betriebsrat per Um-frage, ob Interesse an einer betriebsnahenBetreuungsstätte besteht. Ermutigt von derpositiven Resonanz hat der Betriebsrat beider Geschäftsleitung jetzt beantragt, Kinder-betreuungsplätze einzurichten. Bis es soweitist, dürfte noch einige Zeit vergehen. AberBetriebsrat Armin Herber ist optimistisch:»Wir werden das schon hinbekommen.«

Die teure Lösung »Betriebskindergarten«kann sich nicht jedes Unternehmen leisten.Zwar will die Bundesregierung in diesemJahr zusätzliche Fördermittel bereitstellen,und auch Kommunen bieten oft finanzielleUnterstützung an. Doch ist eine eigene Ein-richtung für kleine Betriebe oft eine Num-mer zu groß.

Oftmals wünschen die Eltern auch keinebetriebsnahe Betreuung, weiß BeraterinDalkmann. Der Betrieb ist vor allem wäh-rend der Ferien und in Notfällen gefragt. Dasbestätigt auch eine Umfrage, die die IG Me-tall in der Region Oelde-Ahlen im Rahmeneines Projekts gemacht hat. Die meisten Be-fragten waren mit der alltäglichen Situationzufrieden. Engpässe entstanden jedoch in

den Ferien, bei kurzfristigen Einsätzen undwechselnder Schichtarbeit. Damit Eltern sol-che Engpässe in Zukunft besser abfedernkönnen, gibt es in Oelde-Ahlen einen »Not-fallkoffer«, in dem beispielsweise Adressenvon Tagesmütternetzen, Babysittern undKinderbetreuungsangeboten nachgeschla-

gen werden können. Es gibt viele Möglich-keiten für Betriebe, Eltern bei der Betreuungihrer Kinder zu unterstützen. Solche Mög-lichkeiten müssen nicht immer teuer sein.Ein Eltern-Kind-Arbeitszimmer zum Bei-spiel kann sich fast jede Firma leisten. Hierkönnen Eltern ihre Kinder während der Ar-beit selbst beaufsichtigen. Für eine Notfall-

betreuung reicht in der Regel ein Raum undeine Erzieherin, die auf Honorarbasis arbei-tet. Was ein Betrieb allein nicht leisten kann,lässt sich gemeinsam leichter stemmen.Mehrere Unternehmen könnten gemeinsamAngebote für Ferienfreizeiten organisierenoder ein Tagesmütternetz für ihre Beschäf-

tigten bereit halten.Weitere gute Ideen:Betriebe beteiligensich an Kindertages-stätten in ihrem Stadt-teil oder finanzierenBelegplätze.

Die IG Metall setztsich dafür ein, dass

sich bei diesem Thema mehr als bisher be-wegt. Um Betriebe zu unterstützen, fordertbeispielsweise der Bezirk Frankfurt eine Stif-tung, die von den Arbeitgebern finanziertwerden soll. Diese Stiftung könnte Einrich-tungen unterstützen, die Kinder im Krip-pen- und Hortalter aufnehmen.7

Martina Helmerich / Fabienne Melzer

3Eltern müssen aktiv werdenFür Verbesserungsvorschläge haben vieleBetriebe ein betriebliches Vorschlagswesen.Eltern können diesen Weg nutzen und einebetriebliche Kinderbetreuung vorschlagen.Dabei gilt: Je mehr Eltern sich über diesenWeg zu Wort melden, desto eher werden sieErfolg haben.3Richtige Adresse BetriebsratBetriebsrat und Vertrauensleute sind in denBetrieben die ersten Ansprechpartner fürdie Beschäftigten. Auch bei Betreuungspro-

blemen können sich Eltern an ihre Interes-senvertretung wenden.3Gute Ideen weitergebenWer gute Beispiele kennt, sollte sie in sei-nem Betrieb bekannt machen. Beschäftigtekönnen sie an den Betriebsrat weitergeben,über einen Aushang veröffentlichen oder andie Mitarbeiterzeitung schicken.3Nicht ins Blaue hinein planenWelche Form der Kinderbetreuung für wel-chen Betrieb infrage kommt, hängt vom Bedarf der Eltern ab. Deshalb müssen Be-

triebsräte und andere Initiatoren zunächstdie Beschäftigten befragen, welche Betreu-ungsangebote gewünscht werden. 3Angebote bekannt machenNicht immer kennen alle Beschäftigten dieAngebote, die ihr Unternehmen bereitsmacht. Betriebsräte können sie in einem Flyer zusammenstellen. Um gleichzeitig aufden neuesten Stand zu kommen, kann mandem Flyer einen Kurzfragebogen beilegenund abfragen, welche Angebote die Be-schäftigten darüber hinaus noch wünschen.

wege zur betrieblichen kinderbetreuung

Weitere tipps und Infos

Netzwerke und lokale Bündnisse für Familie

Für Eltern wird es immer dann eng, wenn sie amArbeitsplatz kurzfristig einspringen müssen,wie etwa bei Dienstreisen, in den Ferien oder beiwechselnder Schichtarbeit.

Ratgeber

3IG Metall »Netzwerk Chancengleichheit im Betrieb«: Ermöglicht die Vernetzung und den Erfahrungsaustausch von Betriebsrätinnen und Ortsfrauenausschüssen www.netzwerk-chancengleichheit.org, Astrid Knüttel, Telefon 069–6693-2906 3Lokale Bündnisse für Familie des DGB: Dabei stehen betriebliche Kindertagesstätten im Mittelpunkt. Mehr Infos auf der DGB-Seite www.dgb.de unter Themen, Familienpolitik3Werkzeugkoffer für Gewerkschafterinnen »Vereinbarkeit von Familie und Beruf ge stalten!«: auf www.familie.dgb.de zunächst auf Projekte und dann auf Werkzeug kofferklicken, oder bestellen bei [email protected], Telefon 030–24060-5653Checkheft betriebliche Kinderbetreuung: Die Broschüre der Bundesregierung und desDIHK gibt es auf der Seite www.bmfsfj.de. Fragen unter Telefon 089–5116-150

6_24_25_RatgKinderbe_apm.qxp:24_25_Ratgeber 21.05.2007 21:54 Uhr Seite 25

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Recht so

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Jurist Carsten Schuld vomDGB-Rechtsschutz beantwortet hier jedenMonat Fragen

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§metall: Manche Arbeitgeber versuchen, Schwierig-keiten mit einer betriebsbedingten Kündigung zuumgehen, indem sie eine Änderungskündigung aussprechen. Was hat es damit auf sich, und wasmüssen die Arbeitnehmer beachten?

Cars ten Schuld: Eine Änderungs-kündigung beinhaltet stets einenormale Beendigungskündigungund ein Angebot, das Arbeitsver-hältnis unter geänderten Bedin-gungen fortzusetzen. Die Ände-rungskündigung muss schriftlicherfolgen. Das neue Vertragsange-bot muss zeitgleich mit der Kündi-gung gegeben werden. Und: Diegeänderten Bedingungen müssenpräzise dargelegt sein.

Der Arbeitnehmer hat nach Er-halt der Änderungskündigung dreiMöglichkeiten. Die erste: Er nimmtdas neue Angebot vorbehaltlos an.Dies muss er innerhalb von dreiWochen schriftlich mitteilen. Dannbesteht das Arbeitsverhältnis nachAblauf der Kündigungsfrist zu denneuen Bedingungen weiter.

Die zweite Möglichkeit: Er lehntdas Vertragsangebot ab. Dann en-det das Arbeitsverhältnis mit Ab-lauf der Kündigungsfrist.

Und die dritte Möglichkeit: Erakzeptiert fristgerecht die Ände-rungen unter dem Vorbehalt, dasssie sozial gerechtfertigt sind. Dieslässt er gerichtlich prüfen. Vor Ge-richt gelten dann (fast) die glei-chen Regeln wie bei einer Beendi-gungskündigung: Klageerhebung

3Weitere Fragen rund umden Rechtsschutz? Die zuständigeVerwaltungs stelle der IG Metall hilft weiter.

innerhalb von drei Wochen; Dar-legung der Gründe durch den Arbeitgeber; Prüfung, ob der Betriebsrat angehört wurde;Prüfung, ob Sonderkündigungs-rechte bestehen. Gewinnt derArbeitnehmer den Prozess, be-steht das Arbeitsverhältnis inder alten Form weiter. Verliert er,hat aber zuvor den Änderungenunter Vorbehalt zugestimmt, istzwar die Wirksamkeit der Ände-rungen festgestellt; das Arbeits-verhältnis ist durch den Prozessaber nicht in seinem Bestand ge-fährdet.

Arbeitnehmer sollten Versu-chen von Arbeitgebern, durchÄnderungskündigung das Ein-kommen zu senken oder die Ar-beitszeit zu verlängern, ent-schieden entgegentreten.Nichts unterschreiben, sondernschnell eine Rechtsberatungeinholen, heißt dann die Devise.

Stornokosten?Wann der Chefzahlen mussErholung muss sein. Deshalb habenBeschäftigte Anspruch auf Urlaub. metall gibt Beispiele, wie sich der Anspruch auch durchsetzen lässt.

Urlaub

Darf der Chef seinen Mitarbei-ter zwingen, den bereits geneh-migten Urlaub zu verschieben?In der Regel gilt ein genehmigterUrlaub als verbindliche Zusageund kann nicht widerrufen wer-den. Eine Ausnahme wäre einbetrieblicher Notfall. Aber nichtjeder betriebliche Grund ist einNotfall. Ein neuer Auftrag bei-spielsweise ist es nicht. Aufträgean Land zu ziehen, gehört zumTagesgeschäft eines Unterneh-mens. Übrigens gilt auch: Eineim Arbeitsvertrag festgelegte»Rückrufvereinbarung«, die denbereits genehmigten Urlaub be-trifft, ist nicht zulässig.

Was wäre ein Notfall?Wenn durch den Urlaub eines Ar-beitnehmers, der über spezielle Fähigkeiten verfügt, der Betrieb

zusammenbricht. Beispiel: Nurein einziger Beschäftigter kanneine bestimmte, dringend benö-tigte Maschine bedienen.

Wer zahlt, wenn in einem sol-chen Fall die Reise storniertwerden muss?Für die Stornokosten muss derArbeitgeber aufkommen. Denn:Der Arbeitnehmer hat im gutenGlauben darauf, dass sein Ur-laub genehmigt ist, seine Reisegebucht.

Können Arbeitnehmer einfachohne den Arbeitgeber zu fragenUrlaub »nehmen«?Arbeitgeber sollten auf die Wün-sche ihrer Mitarbeiter Rücksichtnehmen. Aber: Ohne zu fragendarf niemand Urlaub nehmen.Urlaub muss beantragt werden.

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Meldungen

Leiharbeitnehmer können sichnicht in den Betriebsrat einesEinsatzbetriebs wählen lassen.Sie dürfen aber zur Wahl gehen,wenn sie dort länger als drei Mo-nate im Einsatz sind. In der Mai-Ausgabe von metall (Seite 24 und 25:»Rechte kennen – Rechte nut-zen«) ist diese Unterschei-dung missverständlich formu-

liert worden. Wählen lassenkönnen sich Leiharbeitnehmernur in den Betriebsrat ihrerZeitarbeitsfirma.

Infos zur Leiharbeit: »FranzKünstler Verein«, ChristophSchulz, E-Mail: [email protected], Telefon030–69 81 63 04, Internet:3www.franz-kuenstler-ev.de,3www.igmetall-zoom.de

Leiharbeit

Recht auf Wahl der Betriebsräte

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Page 27: metall · Johannes Steffen von der Bremer Arbeitnehmerkammer hat nach-gerechnet: »Knapp fünf Euro ›Mindestlohn‹ bei Vollzeit rei-chen aus, um den Arbeitslosen-geld-II-Bedarf

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Ratgeber

»Gesundheitsreform 2007 – Tippsund Informationen für Versicher-te« heißt eine neue Broschüre desDeutschen Gewerkschaftsbunds(DGB). Sie gibt Antworten aufwich tige Fragen.Bereits seit dem 1. April geltenzahlreiche neue Regelungen fürdie Versicherten. Doch nur we-nige wissen, was eigentlichgenau neu geregelt wurde und

worauf sie achten müssen. DieBroschüre liefert auf 48 Seiteneinen Überblick über die neuenRegelungen und Leistungen. Siegibt Antworten auf wichtigeFragen. Unter anderem findetsich eine Bewertung der neuenKrankenkassenleistungen undKrankenkassenwahltarife sowieeine Übersicht der Zuzahlungs-regelung. Außerdem wird erläu-

tert, wie gesetzlich Versichertedie Krankenkasse wechseln kön-nen oder wann es ein Sonder-kündigungsrecht gibt.

Gewerkschaftsmitglieder be-kommen die Broschüre kosten-los bei ihrer IG Metall-Verwal-tungsstelle oder auch im Inter-net unter: 3www.dgb.de 3Themen A–Z3Gesundheitsreform 2007

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Gesundheitsreform 2007

Tipps und Informationen für Versicherte

In einer Gruppe oder Abteilungkommt es zwischen Kollegen beider Urlaubsplanung zu Über-schneidungen. Was passiert,wenn sich zwei Kollegen nichteinig werden?

Wem wird der Chef letztendlichden Urlaub genehmigen?Keine Rolle spielt, wer von bei-den den Urlaub zuerst beantragthat. Wichtig sind individuelleGründe. Auch bei einer Über-schneidung, wird der Arbeitge-ber zunächst prüfen, ob er denUrlaub aus betrieblichen Grün-den ablehnen muss. Außerdemmuss er die sozialen Gesichts-punkte berücksichtigen. Wennbeispielsweise die Urlaubsan-träge der Kollegen in die Schul-ferien fallen, dann würde diekinderlose Person in den saurenApfel beißen. Sie müsste ihrenUrlaub verlegen.

Und was, wenn beide Kollegenschulpflichtige Kinder haben?Dann können soziale Prinzipienzum Zuge kommen. Der Ältere,der Schwächere oder der Kinder-reiche erhält das Vorrecht. Oderder Beschäftigte mit einer länge-ren Betriebszugehörigkeit be-kommt den Vorrang.

Kann der Betriebsrat helfen?Ja. Denn Betriebsräte haben beiallgemeinen Urlaubsgrundsät-zen und beim Urlaubsplan eingenerelles Mitbestimmungs-recht. Betriebsräte dürfen auchbeim Zeitpunkt des Urlaubs mit-reden. Und zwar dann, wenn eszwischen Chef und den beteilig-ten Kollegen zu keiner Einigungkommt.

Darf ein Arbeitgeber generelleBetriebsferien anordnen?Er darf. Gibt es eine mit demBetriebsrat ausgehandelte Ver-einbarung über Betriebsferien,müssen sich alle daran halten.Auch der Arbeitgeber. Er mussden Zeitpunkt der Betriebsferienbereits am Jahresanfang ankün-digen und kann sie nicht beliebigverschieben. Zudem müssen sieinnerhalb der Schulferien liegen,um Mitarbeiter mit Kindern nichtzu benachteiligen. TraditionelleAspekte sind kein Grund, umBetriebsferien anzuordnen,betriebswirtschaftliche dagegenschon. Gründe können beispiels-weise eine saisonale Auftrags-flaute oder das Sparen extremhoher Heizkosten sein. Auch hiermuss der Betriebsrat zustimmen.

Was müssen Auszubildende beider Urlaubsplanung beachten?In vielen Betrieben dürfen Auszu-bildende nur während der Be-rufsschulferien Urlaub nehmen.Solche Regeln müssen mit demBetriebsrat abgestimmt sein.

Gibt es einen generellen Rat-schlag, den es zu beachten gilt?Bevor es zu Konflikten mit demChef oder zwischen den Kollegenkommt: Der IG Metall-Betriebsratoder die IG Metall-Verwaltungs-stelle informiert über Rechte undPflichten.7

Antonela Pelivan

Mitarbeiter, die sich gegenseitigvertreten, sollten sich abspre-chen. Die Erfahrung zeigt, dasshäufig schon bei der Planung ge-stritten wird. Das Ergebnis: DerFall wird zur Chefsache.

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Page 28: metall · Johannes Steffen von der Bremer Arbeitnehmerkammer hat nach-gerechnet: »Knapp fünf Euro ›Mindestlohn‹ bei Vollzeit rei-chen aus, um den Arbeitslosen-geld-II-Bedarf

Lösungswort Kreuzworträtsel

Das Lösungswort auf eine Postkarte schreibenund bis 30. Juni 2007 senden an: Redaktion metall, Preisrätsel, 60146 Frankfurt

Lösungswort aus April: Lohnerhoehung

Diesen Monat verlosen wir unterden Einsendern der rich tigenLösung wieder3einen IFA-Gutschein im Wertvon 50 Euro, anzurechnen beiBuchung eines IFA-Aufent -halts (keine Barauszahlung).3eine IG Metall-Brotbox3eine IG Metall-Sicherheits-westeals Extrapreis.

Zusätzlich verlosen wirzwei IG Metall-Fußbälle

Der Zusatzgewinnim April:Je ein IG Metall-Fußballgeht an:Peter Pathe, MosbachStefan Heilig, Karlsdorf

Teilnehmen können nur Mitglieder der IG Metall, allerdings keine hauptamtlich Beschäftigten.

Monatsrätsel . . .

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1) Biathlon

a) Sitzwaschbecken ...STEb) Humorlosigkeit .......KJGc) olymp. Disziplin ......LASd) Stadt in Spanien ....PKT2) Elastizität

a) Dehnbarkeit .............SDb) Herzstromkurven .....TMc) Fußballbegriff.........LGZd) Nutzungsnehmer .....DE3) Genom

a) Erdkunde .................SEb) Chromosomensatz ....IEc) Gerät im Haushalt ....JOd) Erbfaktor..................HG

4) Lamé

a) Nervenmittel ..........LMBb) Lesegestörter ........ERTc) sprachwiss. Begriff...KUd) Gewebeart ...............SA5) Nostradamus

a) Wiener Architekt † ...KIJb) Teil des Mundes....EGHc) frz. Astrologe † ........URd) widerspenstig ........PÖL6) Objektiv

a) Teil der Kamera .....AUSb) Arzneimittel ..............PLc) Gerätebedienteil ....EFVd) Theaterplatz ...........NHZ

Kennen Sie die folgenden Wörter? Bei richtiger Lösung ergebendie rechts stehenden Buchstaben den sechsten Teil unseresDrei-Monats-Rätsels.

1. Preis: drei Tage für zwei Personenim Doppelzimmer/HP im IFA-Ferien-park Rügen ***/Ostseebad Binz

2. Preis:Ein original

Steiff-Teddy»Petsy«

Lösungsspruch des Drei-Monats-R ätsels aus Teil 4 bis 6 auf eine Postkarte schrei ben und bis 30. Juni 2007 einsenden an:

Rätsel

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

3. Preis:ein IG Metall-Schreibset

Drei-Monats-Rätsel . . . Teil 6

widerrecht-liche Re-produktioneines Films

Wert-papiere alsKapital-anlage

Zwei-finger-faultier

an einerhöhergelegenenStelle

US-Leicht-athlet †(Jesse)

GroßvatersKosenameZufluss derDordogne

zusam-mengehör.Menschen-gruppe

roheWurst-masse

kleinerHügel imFlachland

7

Hansestadtan d. OstseeFeuchtig-keit 12

Haut-ausschlag

Nadelbaum 6

sib. Strom

Wind-schatten 11

3

lang-fristigeKredit-aufnahme 14

altnord.Gott

schmal imDurchlass

Weintrau-benerntemitVorliebe 4

bedrängteLage

Ozean 15Radio-senderan-zeige (Abk.)

Ameise(veraltet)Stadt aufSizilien

Ertei-len vonAuf-trägen

hintererTeil desFußes 10

Schall-refle-xion 13

klöster-licheGemein-schaft 2

wahrschein-lichermoderneKunstrichtg.

8

Dramavon IbsenVortrag,Ansprache

griechischeGöttin derMorgenröte

Neben-fluss derDonau

Zuflussdes Arnoin derToskana

modernerMusikstil

Grogzutat 9

Märchen-wesenWeltorga-nisation 1

Verfasser

französ.Präposition

Neben-fluss derRhone

Boots-sportart

5

chemi-schesZeichenfür Zinn

Umgangs-wort für:Gejammer

713463

Hauptpreise:

Redaktion metall, Preisrätsel, 60146 Frankfurt

Sie müssen den Spruch aus drei auf -ein an der folgen den Heften einesQuartals lösen. Haben Sie den richti-gen Spruch heraus ge fun den, könnenSie einen der drei Hauptpreise gewin-nen. Und als Extra: eine ACE-Klubmit -glied schaft für ein Jahr im Wert von 56 Euro.

Wortschatz

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Fotowettbewerb

Digital-Fotowettbewerb für Mitglieder der IG Metall

Zum zweiten Mal schreibt metall einen Fotowett-bewerb aus zum Thema: »Mein Foto aus der Arbeitswelt«. Gefragt sind Digitalfotos (Farbe oderschwarz-weiß) von Menschen, Arbeitsplätzen, Maschinen oder Materia lien.

Einsendeschluss: 10. November

Teilnahmebedingungen: Jedes Mitglied kann unsein Digitalfoto von je maximaler Dateigröße von500 KB zumailen (Originalbilddatei sichern). Bitte jedes Foto einzeln in einer E-Mail mit Bild-und Absenderinformationen zumailen. Wichtig: In der Betreffzeile den Namen der beige-fügten Bilddatei angeben, um eine einwandfreieZuordnung der Bilder zu ermöglichen. Die Arbeitenwerden auf eigenes Risiko eingesandt (keine Haf-tung). Die Einsender sichern zu, dass ihre Bildernicht mit Rechten Dritter belastet und abgebildetePersonen mit der Veröffentlichung einverstandensind. Ansprüche Dritter werden vom Einsender er-füllt. Die Teilnehmer erklären sich mit der Teilnah-me am Wettbewerb damit einverstanden, dass dieFotos im Zusammenhang mit dem Wettbewerb vonder IG Metall mit Copyright-Vermerk veröffentlichtwerden dürfen und auch im Rahmen einer Ausstel-lung gezeigt werden können. Geeignete Fotos stel-len wir auch in einer Internet-Galerie mit Copyright-Vermerk aus. Die Gewinner werden von einer Fach-Jury der IG Metall ausgewählt und prämiert. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Redaktions-Adresse für die neuen Fotos:

[email protected] Digitalfotos sollen eine maximale Dateigröße von 500 Kilobytes haben. Bitte die Originaldatei sichern.Teilnehmen können nur Mitglieder der IG Metall.

Turbinenhalle Kokerei Hansa von Metallerin Rositha Kötting, Wuppertal

Neuer Fotowettbewerb

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Monatsökonomin

35. bis 7. Juni in Rostock. Initiatoren: IG Metall, Attac, Greenpeace, Bund undviele andere Organisationen. Programm:Podiumsdiskussionen, Workshops undKultur (Herbert Grönemeyer, Bono).Nähere Infos im Internet unter:www.g8-alternative-summit.org Telefonisch bei der IG Metall unter: 069–6693-2426 (Kai Burmeister).

Der G8 Alternativgipfel

eit 1. Januar 2007 hat Deutschlandzum fünften Mal die Präsidentschaftder acht führenden Indus trie nationen

– der G8 – inne. Den Höhepunkt bildet vom6. bis 8. Juni das Treffen der Staats- und Re-gierungschefs im Ostseebad Heiligendamm– abgeriegelt hinter einem mehr als zwölfKilometer langen Zaun. Was ist das für eineInstitution, die G8, die so sehr die Protesteder Zivilgesellschaft scheut?

Die G8 sind eine selbst ernannte Gruppevon Regierungen der mächtigsten Indus -triestaaten. Von den kapitalistischen Nationendes Westens gegründet, kam nach dem Zu-sammenbruch des Realsozialismus die russi-sche Regierung als achtes Mitglied im »Clubder Reichen« hinzu. Obwohl die Gipfel imUnterschied zu den Vereinten Nationen(Uno) keine demokratische Legitimation be-sitzen, werden im Kreis der G8 fast alle wich-tigen wirtschafts- und sicherheitspolitischenInitiativen auf globaler Ebene vorentschie-den, bevor sie in anderen Institutionen, wieWelthandelsorganisation, Weltwäh rungs fondoder Uno, auf die Tagesordnung kommen.

In den vergangenen drei Jahrzehnten hatsich der Charakter der G8-Treffen verändert.Die Gipfel waren zu Beginn als Krisenmana-gement und Koordinationsinstrument fürdie Weltwirtschaft gedacht. Damals zähltendie Politiker noch auf Absprachen, zum Bei-spiel, um wilde Schwankungen der Wech-selkurse zu vermeiden. Für Regierungenwar es kein Tabu, regulierend in die Märkteeinzugreifen oder mit aktiver Konjunktur-politik etwas für Wirtschaftswachstum undBeschäftigung zu tun.

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Margit Köppenüber den G8-Gipfelin Heiligendamm

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Heute ist die ideologische Grundpositionder Regierungschefs von dieser Anfangsauf-fassung grundverschieden. Die neoliberaleWende in den 80er Jahren ist der Hinter-grund für die scharfen Proteste der Zivilge-sellschaft. Die meldet sich seit langem mit Gegengipfeln und Demonstrationen anläss-lich der G8-Gipfel zu Wort. Auch das Leit-motiv der deutschen Präsidentschaft im Juni, »Wachstum und Verantwortung«, soll-te keine verfrühten Hoffnungen wecken. DieBundeskanzlerin hat keinen Zweifel darangelassen, dass auch die deutsche Präsident-schaft unter neoliberalem Vorzeichen steht:»Ich bin davon überzeugt: Der Prozess derGlobalisierung ist ein Prozess der Liberali-sierung.«

Diese Auffassung steht der gewerkschaft-lichen Position diametral entgegen. Nicht zuwenig Liberalisierung, sondern gerade dasGegenteil ist das Problem: die unzureichen-

de Durchsetzung sozialer Regeln, der schrei-ende Gegensatz zwischen Reichtum und ex-tremer Armut in der Welt, Finanzspekulationund Finanzkrisen sowie die ökologischeZeitbombe. Das sind die wirklichen Proble-me der Globalisierung.

Einige dieser Themen finden sich auf derTagesordnung von Heiligendamm wieder.Zum Beispiel die Transparenz der internatio-nalen Kapitalmärkte (Hedge Fonds), Klima-schutz und – unter dem Motto »Wachstumund Verantwortung für Afrika« – die Ent-wicklungspolitik.

Für die »soziale Gestaltung der Globalisie-rung« haben die G8- Staaten nach Auffassungvon Angela Merkel eine besonders große Ver-antwortung. Ausdrücklich erwähnt werden inder G8-Agenda die Themen »Beachtung undStärkung sozialer Mindeststandards (Kernar-beitsnormen)« sowie auch die »gesellschaft-liche Verantwortung von Unternehmen«.

06_30_31_apm.qxp:30_Monatsoekonom_31_Die_gute_Idee 21.05.2007 22:09 Uhr Seite 30

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Wird da also doch endlich die Wende zu einersozialen und ökologischen Einbettung derMärkte eingeleitet? Wohl kaum. Denn der Gra-ben zwischen Taten und Worten ist tief. Schautman näher hin, meinen Bundesregierung undG8 mit »Wachstum und Verantwortung inAfrika« vor allem ein besseres Investitionskli-ma für multinationale Unternehmen und»Eigenanstrengungen Afrikas zur Verbesse-rung der Regierungsführung«.

Beim Thema »Durchsetzung der Kernar-beitsnormen« fehlt den Industrieländern derpolitische Wille. Dasselbe gilt für global gülti-ge Pflichten für multinationale Unternehmen.Immer wenn das Thema bei internationalenOrganisationen auf der Tagesordnung stand,wurden einklagbare Regeln für Unternehmenvon den Industrie ländern abgelehnt. Es bliebbei unverbindlichen Empfehlungen. Es siehtnicht so aus, dass die G8 in Heiligendamm ei-nen Positionswechsel vollziehen werden.

Auch die Forderung nach mehr Transpa-renz für Hedge Fonds und das Ziel, die Risikenfür die Stabilität des weltweiten Finanzsystemszu minimieren, werden bei der US-Regierungkeine Unterstützung finden, zumal die Präsi-dentschaftskandidaten in den USA sich ihrenWahlkampf von eben diesen Private EquityFonds und Hedge Fonds finanzieren lassen.

Also doch alles nur Medienspektakel undnichts dahinter? Nicht nur. Auf einigen Gebie-ten, etwa auf den Finanzmärkten, könntendie G8 tatsächlich für Regeln sorgen, wenn siees wollten. Würden die G8-Staaten beispiels-weise in konzertierter Aktion eine Devisen-umsatzsteuer zur Eindämmung der Spekula-tion einführen, hätte das weltweit durch-schlagende Wirkung. Die G8 dürfen keines-falls als demokratische, repräsentative Weltre-gierung missverstanden werden. Dennoch istes richtig, wenn Gewerkschaften einen Kurs-wechsel der G8-Politik einfordern, damit dieDefizite der neoliberalen Globalisierung end-lich politisch angegangen werden.7

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Die gute Idee

Globalisierungs-Expertin Margit Köppen leitet das Ressort Wirt-schaftspolitik und Statistik in der Wirt-schaftsabteilung beim IG Metall-Vor-stand. Zwischendurch promovierte sie ander Universität Bremen bei den Professo-ren Rudolf Hickel und Jörg Huffschmid.Ihre Arbeitsschwerpunkte sind die allge-meine Wirtschaftspolitik sowie alle Fra-gen der Globalisierung.

Zur Person

Die Workers Beer Company (WBC) organi-siert die Getränkeversorgung auf Musik -festivals oder gewerkschaftlichen Kund -gebungen. Die Gewinne fließen nicht inprivate Taschen, sondern an Projekte derSolidaritäts- und Arbeiterbewegung.Ortstermin Mainz, Tarifdemo: Die Geträn-ke spendiert die IG Metall. Alkoholfrei.Die Sonne strahlt. Am Getränkestand derWBC stehen ehrenamtliche Helferinnenund Helfer aus sozialen Gruppen. »AchtEuro Stundenentgelt zahlt die WBC ausdem Gewinn des Getränkeverkaufs. DerLohn wandert als Spende in die Kassenunserer Organisationen«, erklärt Kai Par-tenheimer vom »Netzwerk für Demokra-tie und Courage« und WBC-Mitglied. »Wirfinanzieren damit einen Teilunserer Arbeit.«

Ursprünglich ist die WBC auseiner Aktion von Gewerkschaf-tern zur Unterstützung des Berg-arbeiterstreiks in Großbritannien1984/85 hervorgegangen. Ir-gendjemand hatte die Idee, beieinem Rockkonzert Dosenbier von einemLastwagen herunter zu verkaufen und denGewinn an die Streikkasse zu spenden. Mitt-lerweile schenkt die WBC auf vielen großenMusikveranstaltungen Getränke aus, unteranderem in Glastonbury, einem der größtenOpen-Air-Festivals der Welt. Die WBC ist dortsogar Mitveranstalter. Die Einnahmen gehenan Hilfsorganisationen wie »Water Aid«.

Seit 2001 gibt es die Workers Beer Com-pany auch in Deutsch land, bislang über-wiegend im Rhein-Main-Gebiet, zuneh-mend aber auch bundesweit.

Gewerkschaft positiv vermitteln»Wir haben uns das im Jahr 1999 bei einemGewerkschaftsjugend-Austausch in Englandangeschaut«, erzählt Michael Holdinghau-sen, ehrenamtlicher Geschäftsführer derWBC Deutschland. »Interessant fand ich,dass man darüber Jugendliche positiv an Ge-werkschaften heranführen kann. Wir habenGleichgesinnte gesucht. Die WBC Englandhat uns bei der Gründung unter die Arme ge-griffen, um die Arbeit in Deutschland auf pro-fessionelle Füße zu stellen.«

Partner sind neben alternativenFestivals Gewerkschaften. Bei derGroßdemo am 21. Oktober 2006 inFrankfurt beispielsweise war dieWBC dabei. Auch Daniel Müllervom IG Metall-Bezirk Frankfurt ar-beitet gern mit der WBC: »Das istvöllig stressfrei. Die kann ich auch

kurzfristig anrufen. Die kümmern sich umdie Logistik, bauen ihren Stand auf, organi-sieren Getränke und Helfer. Wenn wir auchein paar Leute schicken, kommt ein Teil derGewinne als Spende wieder zurück an uns.Damit können wir dann kleinere Projektefür die Jugend finanzieren.«73www.workersbeercompany.de

Dirk Erb

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Politisch korrekt TrinkenWorkers Beer Company

Hoch die Bier-Krüge: »Thirst among equals – Durstig unter Gleichen« lautet das Motto derWorkers Beer Company

06_30_31_apm.qxp:30_Monatsoekonom_31_Die_gute_Idee 21.05.2007 22:09 Uhr Seite 31

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