Metallkunde · Werkstoff prüfung · Edelmetallforschung · ceedings of the Twenty-Seventh Santa Fe...

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1|3 METALLKUNDE · WERKSTOFFPRÜFUNG · EDELMETALLFORSCHUNG Einleitung Massive metallische Gläser weisen eine einzigartige Kombination von mechanischen und physikalischen Ei- genschaften auf [1]. Im Vergleich zu ihrer kristallinen Erstarrungsform besitzen sie gewöhnlich eine höhere Festigkeit, Härte und eine höhere elastische Dehnung, während ihr E-Modul niedriger ist, was sie zu ausge- zeichneten Federmaterialien macht. In den meisten Fällen werden amorph erstarrende Me- talle im Bereich nah-eutektischer Konzentrationen von Legierungsystemen mit mindestens drei Komponenten gefunden. Daher haben amorphe Metalle in der Regel eine vergleichsweise niedrige Liquidustemperatur Tl. Zusammen mit dem Ausbleiben der Kristallisations- schrumpfung, welches das Auftreten von Schrump- fungsporosität minimiert, machen diese Eigenschaften die massiven metallischen Gläser zu idealen Gusslegie- rungen, mit denen endformnahes Gießen möglich ist. Zwischen der Glasübergangstemperatur T g und der Kristallisationstemperatur T x befindet sich das massive metallische Glas im Zustand der „unterkühlten Schmel- ze“. Die unterkühlte Schmelze kann mit relativ niedrigen Kräften bis zu mehreren 100% plastisch verformt wer- den, ohne dass der Materialzusammenhalt unter der Verformung leidet. Im Jahr 2005 wurde eine Goldlegie- rung mit 750 Ma% Au entwickelt [2]. Mit einer kritischen Dicke dc von 5mm, bis zu der diese Legierung noch problemlos mit einfachen Abschreckmethoden amorph gegossen werden kann, ist diese Legierung sehr viel- versprechend für Anwendungen im Schmucksektor. Einer breiten Anwendung der Legierung steht allerdings ihr ungünstiges Korrosionsverhalten entgegen, auf- grunddessen die Legierung im Gebrauch ihre Farbe von einem Premium-Weißgold hin zu einer gelblich-brau- nen Farbe verändert. Die Untersuchung der Verarbeit- barkeit hinsichtlich industrieller Fertigungsprozesse und das Verständnis des Anlaufverhaltens als Grundla- ge für die Entwicklung neuer, anlaufbeständiger Legie- rungen mit 18kt Goldgehalt sind Thema der For- schungsarbeiten im AiF/IGF Projekt 16843N. Herstellungsmöglichkeiten Als Halbzeug für die weitere Verarbeitung wurden zu- nächst amorphe Pellets und Granalien der Legierung Au 49 Cu 26.9 Ag 5.5 Pd 2.3 Si 16.3 (at%) entwickelt. Die Entwick- lung von Halbzeugen ist elementar für die Weiterverar- beitung, da die Glasbildungsfähigkeit massiver metalli- scher Gläser sehr konzentrationsempfindlich ist und die Einwaage der 5 Komponenten vergleichsweise aufwen- dig ist. Es ist daher wirtschaftlicher, große Mengen der Legierung als Halbzeug zu produzieren. Pellets sind als Halbzeuge besonders gut geeignet, wenn die Legierung im Anschluss in großen Stückzah- len wieder aufgeschmolzen und gegossen werden soll, da die Pelletgröße an das gewünschte Produkt ange- passt werden kann. Granalien sind besonders gut ge- eignet für die individuelle Weiterverarbeitung, da sie einfach portionierbar sind. Die Herstellungsparamter für die Granalien wurden für eine Granaliengröße von 0.7–2mm im Durchmesser optimiert. Beide Halbzeuge sind auch für das thermoplastische Formen geeignet. Anwendungsmöglichkeiten Es wurden sowohl Gießversuche als auch Versuchsrei- hen zum thermoplastischen Formen massiver metalli- scher Gläser durchgeführt. Mehrere platin- und goldba- sierte Legierungen wurden hergestellt, verarbeitet und charakterisiert. Die systematische Erprobung der Pro- zesse wurde allerdings hauptsächlich an der Legierung Au 49 Cu 26.9 Ag 5.5 Pd 2.3 Si 16.3 (at%) durchgeführt, da sie ein- fach herzustellen ist und eine sehr gute Glasbildungsfä- higkeit besitzt. Thermoplastisches Formen wurde sowohl unter Labor- bedingungen als auch in einer Goldschmiedewerkstatt (Freihandformen) erprobt. Neben dem Umformen mas- siver Halbzeugen wie beispielsweise plattenförmigem Material wurde erfolgreich ein Materialverbund von Granalien zu einem massiven Werkstück durch thermo- plastisches Formen erzielt. Bei den Gießversuchen kamen ausschließlich kommer- zielle Gießanlagen zum Einsatz, die dem industriellen Metallkunde · Werkstoffprüfung · Edelmetallforschung Herstellungs- und Anwendungsmöglichkeiten massiver metallischer Gläser auf Edelmetallbasis

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EinleitungMassive metallische Gläser weisen eine einzigartige Kombination von mechanischen und physikalischen Ei-genschaften auf [1]. Im Vergleich zu ihrer kristallinen Erstarrungsform besitzen sie gewöhnlich eine höhere Festigkeit, Härte und eine höhere elastische Dehnung, während ihr E-Modul niedriger ist, was sie zu ausge-zeichneten Federmaterialien macht.

In den meisten Fällen werden amorph erstarrende Me-talle im Bereich nah-eutektischer Konzentrationen von Legierungsystemen mit mindestens drei Komponenten gefunden. Daher haben amorphe Metalle in der Regel eine vergleichsweise niedrige Liquidustemperatur Tl. Zusammen mit dem Ausbleiben der Kristallisations-schrumpfung, welches das Auftreten von Schrump-fungsporosität minimiert, machen diese Eigenschaften die massiven metallischen Gläser zu idealen Gusslegie-rungen, mit denen endformnahes Gießen möglich ist. Zwischen der Glasübergangstemperatur Tg und der Kristallisationstemperatur Tx befi ndet sich das massive metallische Glas im Zustand der „unterkühlten Schmel-ze“. Die unterkühlte Schmelze kann mit relativ niedrigen Kräften bis zu mehreren 100% plastisch verformt wer-den, ohne dass der Materialzusammenhalt unter der Verformung leidet. Im Jahr 2005 wurde eine Goldlegie-rung mit 750 Ma% Au entwickelt [2]. Mit einer kritischen Dicke dc von 5mm, bis zu der diese Legierung noch problemlos mit einfachen Abschreckmethoden amorph gegossen werden kann, ist diese Legierung sehr viel-versprechend für Anwendungen im Schmucksektor.

Einer breiten Anwendung der Legierung steht allerdings ihr ungünstiges Korrosionsverhalten entgegen, auf-grunddessen die Legierung im Gebrauch ihre Farbe von einem Premium-Weißgold hin zu einer gelblich-brau-nen Farbe verändert. Die Untersuchung der Verarbeit-barkeit hinsichtlich industrieller Fertigungsprozesse und das Verständnis des Anlaufverhaltens als Grundla-ge für die Entwicklung neuer, anlaufbeständiger Legie-rungen mit 18kt Goldgehalt sind Thema der For-schungsarbeiten im AiF/IGF Projekt 16843N.

HerstellungsmöglichkeitenAls Halbzeug für die weitere Verarbeitung wurden zu-nächst amorphe Pellets und Granalien der Legierung Au49Cu26.9Ag5.5Pd2.3Si16.3 (at%) entwickelt. Die Entwick-lung von Halbzeugen ist elementar für die Weiterverar-beitung, da die Glasbildungsfähigkeit massiver metalli-scher Gläser sehr konzentrationsempfi ndlich ist und die Einwaage der 5 Komponenten vergleichsweise aufwen-dig ist. Es ist daher wirtschaftlicher, große Mengen der Legierung als Halbzeug zu produzieren.

Pellets sind als Halbzeuge besonders gut geeignet, wenn die Legierung im Anschluss in großen Stückzah-len wieder aufgeschmolzen und gegossen werden soll, da die Pelletgröße an das gewünschte Produkt ange-passt werden kann. Granalien sind besonders gut ge-eignet für die individuelle Weiterverarbeitung, da sie einfach portionierbar sind. Die Herstellungsparamter für die Granalien wurden für eine Granaliengröße von 0.7–2mm im Durchmesser optimiert. Beide Halbzeuge sind auch für das thermoplastische Formen geeignet.

AnwendungsmöglichkeitenEs wurden sowohl Gießversuche als auch Versuchsrei-hen zum thermoplastischen Formen massiver metalli-scher Gläser durchgeführt. Mehrere platin- und goldba-sierte Legierungen wurden hergestellt, verarbeitet und charakterisiert. Die systematische Erprobung der Pro-zesse wurde allerdings hauptsächlich an der Legierung Au49Cu26.9Ag5.5Pd2.3Si16.3 (at%) durchgeführt, da sie ein-fach herzustellen ist und eine sehr gute Glasbildungsfä-higkeit besitzt.

Thermoplastisches Formen wurde sowohl unter Labor-bedingungen als auch in einer Goldschmiedewerkstatt (Freihandformen) erprobt. Neben dem Umformen mas-siver Halbzeugen wie beispielsweise plattenförmigem Material wurde erfolgreich ein Materialverbund von Granalien zu einem massiven Werkstück durch thermo-plastisches Formen erzielt.

Bei den Gießversuchen kamen ausschließlich kommer-zielle Gießanlagen zum Einsatz, die dem industriellen

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Standard entsprechen. Dadurch sind die Projektergeb-nisse auf die Prozesse der Zielgruppe (KMU in Deutsch-land) direkt übertragbar. Untersucht wurden unter-schiedliche Herstellungsparameter und Gießverfahren im Schleuderguss und Kippgussverfahren. Das im Rah-men des Projekts erstellte Halbzeug ist als Basismaterial sehr gut geeignet. Wiederholungen von Güssen des gleichen Materials ohne Reinigung (von Oxiden oder anderen Verunreinigungen) der Legierung Au-49Cu26.9Ag5.5Pd2.3Si16.3 (at%) zeigten, dass die Glasbil-dungsfähigkeit durch wiederverwenden nicht ge-schmälert wird.

Die Anwendung des am fem neu entwickelten Gießver-fahrens zum Gießen in verlorene Metallformen ermög-licht das Gießen individueller amorpher Gussteile z.B. Schmuckstücke auf Basis von Wachsteilen wie beim Feingussverfahren. Feinguss ist ein gut eingeführtes Fertigungsverfahren in der Schmuckindustrie, das sich aber durch die langsamen Kühlraten der verwendeten Einbettmassen nicht für die Herstellung amorpher Teile eignet. Durch Galvanoformen können aber auf Basis der Wachsmodelle Kupferformen erstellt werden. Abbil-dung 1 zeigt einige Beispiele von Schmuckstücken aus Au49Cu26.9Ag5.5Pd2.3Si16.3 (at%), die im Rahmen des Pro-jekts zu Demonstrationszwecken hergestellt wurden. Dieses neue Gießverfahren wurde zum Patent ange-meldet (Nr. DE 10 2013 009 975.7).

Untersuchung des AnlaufmechanismusZum Verständnis der zugrundeliegenden Mechanismen der beobachteten Farbänderung wurde eine systemati-sche Studie an verschiedenen amorph erstarrenden Le-gierungen des Systems Au-Cu-Si durchgeführt. Proben der Legierungen wurden einheitlich präpariert und ver-schiedenen trockenen und flüssigen Umgebungsbedi-nungen ausgesetzt. Hierzu zählen Auslagerungsversu-che bei verschiedenen Temperaturen an Luft und zum Vergleich im Vakuum und unter Ar-Flux, normierte Tests in simulierten Körperflüssigkeiten und normierte Anlauftests in einem Sulfidtauchbad. Die Farbänderun-gen als Funktion von Zeit und Korrosionsmedium wur-den quantifiziert durch regelmäßige Farbmessungen. Die Anlaufschichten auf den Probenoberflächen wur-den charakterisiert mittels REM, STEM, TEM, XPS-Mes-sungen und Auger-Spektroskopie. Es konnte gezeigt werden, dass eine Interaktion des Kupfers und des Sili-ziums der Legierung zur Bildung von Oxidschichten be-reits bei Raumtemperatur führt. Abbildung 2 zeigt eine besonders große Korrosionsnarbe. Diese Oxidschichten bewirken die Farbänderung. Erste Arbeiten zur Opti-mierung des Cu/Si Verhältnisses zeigten bereits eine Verbesserung des Anlaufverhaltens. Um das Anlaufen im Gebrauch komplett zu unterdrücken, sind aber wei-tere Arbeiten zur Legierungsentwicklung notwendig, die im Jahr 2014 fortgesetzt werden sollen.

Die Ergebnisse des Projekts wurden detailliert im Ab-schlussbericht beschrieben. Weitere Veröffentlichungen der Ergebnisse sind eingereicht worden und teilweise bereits erschienen:

> Mozgovoy, S.; Heinrich, J.; Klotz, U. & Busch, R. In-vestigation of mechanical, corrosion and optical properties of an 18 carat Au-Cu-Si-Ag-Pd bulk me-tallic glass Intermetallics, 2010, 18, 2289 - 2291

Abb. 2 | Korrosionsangriff auf der Oberfläche amorpher Au- Legierungen

Abb. 1 | Demonstratorschmuckstücke

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> U.E. Klotz, M. Eisenbart, Gold-Based Bulk Metallic Glasses: Hard Like Steel, Moldable Like Plastics, Pro-ceedings of the Twenty-Seventh Santa Fe Symposium in Albuquerque, New Mexico, 2013

> M. Eisenbart, Herstellungs- und Anwendungsmög-lichkeiten massiver metallischer Gläser auf Edelme-tallbasis Pforzheimer Werkstofftag Tagungsband, 2013, ISSN 0946-3755, Publikationsserien „Focus Werkstoffe“ Norbert Jost, Roman Klink

> Gold-Based Bulk Metallic Glasses: Hard Like Steel, Moldable Like Plastics. Proceedings of the Jewelry Technology Forum, 2014

> On the Abnormal Room Temperature Tarnishing of an 18K Gold Bulk Metallic Glass Alloy, eingereicht beim Journal of Alloys and Compounds, 2013

> A colourimetric study of the tarnishing rate of 18 ka-rat gold bulk metallic glasses, eingereicht bei Corro-sion Science, 2013

Literatur[1] P. K. Liaw, G.W.J.S., Bulk Metallic Glasses: Overcoming

the Challanges to widespread Applications. JOM, 2010. 62: p. 69-99.

[2] Schroers, J., et al., Gold based bulk metallic glass. Ap-plied Physics Letters, 2005. 87(6): p. 061912-1 - 061912-3.

DanksagungDas IGF-Vorhaben 16843N der Forschungsvereinigung Verein für das Forschungsinstitut für Edelmetalle und Metallchemie (fem) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemein-schaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie aufgrund eines Beschlus-ses des Deutschen Bundestages gefördert.

ForschungspartnerUniversität des SaarlandesIndustriepartnerG. RAU GmbH & Co. KG | Nonnenmacher GmbH | Reischauer GmbH | C. Hafner GmbH & Co. KGHeraeus Holding GmbH | Goldschmiedin Christine Eberhard | Linn High Term GmbHAnsprechpartnerfem | Forschungsinstitut Edelmetalle + Metallchemie | Katharinenstraße 17 | 73525 Schwäbisch GmündDr. Ulrich Klotz, [email protected] | Dipl.-Ing. Miriam Eisenbart, [email protected]

Projekt: AiF 16843N