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Z. anorg. allg. Chem. 583 (1990) 133-144 ~~~ J. A. Barth, Leipzig Ober die Reaktion der kafigartigen vinylsilylierten Doppelvierringkieselsaure [(CH2=CH)(CH3)2Si]8Si8020 mit HSir-haltigen Verbindungen und die Herstellung eines neuen Polymers D. HOEBBEL*, I. PITSCH, D. HEIDEMANN, H. JANCKE und W. HILLER Berlin-Adlershof, Zentralinstitut fur Anorganische Chemie, Zentralinstitut fur Physikalische Chemie und Zentralinstitut fur Organische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR Inhaltsubersicht. Mit Hilfe der ZgSi-, 13C- und IH-NMR wird gezeigt, daB rnit ((CH,),SiO),CH,SiH und (C,H5),SiH eine vollstandige Addition der acht Vinylgruppen des kifig- artig aufgebauten Kieselsaurederivats [(CH,=CH)(CH,),Si],Si,O,, ( Q8Mi) erfolgt. Die Addition verlauft entgegen der Markovnikov-Regel unter Bildung der Kieselsaurederivate [((CH,),SiO),CH,Si(CH,),Si(CH,),1,Si,02, bzw. [(C2H,),Si(CH,),Si(CH,),],Si,0,,. Die Reaktion des Q,Mz mit dem ebenfalls k?ifigartig aufgebauten Kieselsaurederivat Q,M? fuhrt bei einem Molver- haltnis (MV) von 1: 1 zu einem unloslichen Polymer, das aus vernetzten Doppelvierringkieselsaure - einheiten aufgebaut ist und aus sterischen Grunden Anteile unumgesetzter Vinyl- und H-Gruppen enth&lt.Bei einem MV > 1 bilden sich zunehmend in organischen Losungsmitteln losliche Polymere. On the Reaction of the Cage-like Vinylsilylated Double Four-ring Silicic Acid [ (CHz=CH) (CHs)2Si] ~Si~0~0 with HSk Containing Compounds and the Preparation of a New Polymer Abstract. By means of ,%i, lac and lH NMR it has been shown that the compounds ((CH,),SiO),CH,SiH and (C,H5),SiH react completely with the eight vinyl groups of the cage-like silicic acid derivate [(CH,=CH)(CH,),Si],Si80zo (Q,Mz). The reactions do not follow the Markov- nikov rule and give derivatives of the formula [((CH,),Si0),CH3Si(CH,),Si(CH3),]~Si~0,,, and [(C,H5),Si(CH,),Si(CH,),I,Si~Ozo, respectively. The reaction of &,MI with the likewise cage-like silicic acid derivative Q8MF in the molar ratio of 1:l results in an insoluble polymer consisting of cross-linked double fourring silicic acid units. Due to the sterical hindrance the polymer inelrides parts of unreacted vinyl and H groups. Molar ratios of > 1 result in increasing amounts of a soluble polymer. Uber die Herstellung, die Eigenschaften und die Struktur des kafigartig aufgebauten Doppelvierring-(D4R-) Kieselsaurederivats der Formel [(CH,=CH) (CH,)zSi]sSi,O,,, im folgenden als Q,MZ bezeichnet I), wurde vor kurzem berichtet [l, 21. Entsprechend dem Konstitutionsschema in Abb. 1 1) Q steht fur Si(Oo,5)4 und M fur R1R2R3SiOO,,; in diesemBeispiel ist R1, RZ: -CH, und R3: -CH=CH, (V)

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Z. anorg. allg. Chem. 583 (1990) 133-144 ~~~

J. A. Barth, Leipzig

Ober die Reaktion der kaf igartigen vinylsilylierten Doppelvierringkieselsaure [(CH2=CH)(CH3)2Si]8Si8020 mit HSir-haltigen Verbindungen und die Herstellung eines neuen Polymers

D. HOEBBEL*, I. PITSCH, D. HEIDEMANN, H. JANCKE und W. HILLER

Berlin- Adlershof, Zentralinstitut fur Anorganische Chemie, Zentralinstitut fur Physikalische Chemie und Zentralinstitut fur Organische Chemie der Akademie der Wissenschaften der DDR

Inhaltsubersicht. Mit Hilfe der ZgSi-, 13C- und IH-NMR wird gezeigt, daB rnit ((CH,),SiO),CH,SiH und (C,H5),SiH eine vollstandige Addition der acht Vinylgruppen des kifig- artig aufgebauten Kieselsaurederivats [(CH,=CH)(CH,),Si],Si,O,, ( Q8Mi) erfolgt. Die Addition verlauft entgegen der Markovnikov-Regel unter Bildung der Kieselsaurederivate [((CH,),SiO),CH,Si(CH,),Si(CH,),1,Si,02, bzw. [(C2H,),Si(CH,),Si(CH,),],Si,0,,. Die Reaktion des Q,Mz mit dem ebenfalls k?ifigartig aufgebauten Kieselsaurederivat Q,M? fuhrt bei einem Molver- haltnis (MV) von 1: 1 zu einem unloslichen Polymer, das aus vernetzten Doppelvierringkieselsaure - einheiten aufgebaut ist und aus sterischen Grunden Anteile unumgesetzter Vinyl- und H-Gruppen enth&lt. Bei einem MV > 1 bilden sich zunehmend in organischen Losungsmitteln losliche Polymere.

On the Reaction of the Cage-like Vinylsilylated Double Four-ring Silicic Acid [ (CHz=CH) (CHs)2Si] ~ S i ~ 0 ~ 0 with H S k Containing Compounds and the Preparation of a New Polymer

Abstract. By means of ,%i, lac and lH NMR it has been shown that the compounds ((CH,),SiO),CH,SiH and (C,H5),SiH react completely with the eight vinyl groups of the cage-like silicic acid derivate [(CH,=CH)(CH,),Si],Si80zo (Q,Mz). The reactions do not follow the Markov- nikov rule and give derivatives of the formula [((CH,),Si0),CH3Si(CH,),Si(CH3),]~Si~0,,, and [(C,H5),Si(CH,),Si(CH,),I,Si~Ozo, respectively. The reaction of &,MI with the likewise cage-like silicic acid derivative Q8MF in the molar ratio of 1:l results in an insoluble polymer consisting of cross-linked double fourring silicic acid units. Due to the sterical hindrance the polymer inelrides parts of unreacted vinyl and H groups. Molar ratios of > 1 result in increasing amounts of a soluble polymer.

Uber die Herstellung, die Eigenschaften und die Struktur des kafigartig aufgebauten Doppelvierring-(D4R-) Kieselsaurederivats der Formel [(CH,=CH) (CH,)zSi]sSi,O,,, im folgenden als Q,MZ bezeichnet I), wurde vor kurzem berichtet [l, 21. Entsprechend dem Konstitutionsschema in Abb. 1

1) Q steht fur Si(Oo,5)4 und M fur R1R2R3SiOO,,; in diesemBeispiel ist R1, RZ: -CH, und R3: -CH=CH, (V)

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(R = R1) befindet sich an jeder der acht Ecken der kafigartigen Kieselsaure- verbindung eine reaktionsfahige Vinyldimethylsilylgruppe. Das Ziel der Arbeit war es, zu priifen, ob die ungesattigten Gruppen des Kieselsaurederivats mit HSi=-Gruppen enthaltenden Verbindungen in bekannter Weise Additionsreak- tionen eingehen und ob durch derartige Reaktionen neuartige Polymere her- zustellen sind.

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R2

R - Si(CH3),CH2CH2SiCH3(OSi(CH3)3)2

R4 - Si(CH,),CH2CH,Si(C2H5)3

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Abb. 1 Konstitutionsschema von Doppelvierring-Kieselsaurederivaten

Als HSiE -Gruppen enthaltende Reaktionspartner des Q,M; wurden die fol- genden Verbindungen ausgewahlt :

CH3 I

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a) Methylbis(trimethylsi1oxy) silan (CH,) ,SiOSiOSi(CH,) (MzDH)

b) Triethylsilan (C2HJ3SiH (TES) c) H-dimethylsilylierte D4R-Kieselsaure [H(CH3) zSi],Si,Oz, (&,Mi'). Bei den ersten beiden Verbindungen handelt es sich urn ein monofunktionelles

Silan bzw. Siloxan, das letztgenannte Q,MF [3] ist polyfunktionell und weist das gleiche kafigartige Kieselsauregeriist auf wie das vinylanaloge Q,MT. Abb. 1 (R = Rz). Der Umsatz der HSiG-Gruppen enthaltenden Verbindungen mit Q,MZ erfolgte unter den bekannten Additionsreaktionsbedingungen [ 41 unter Zusatz von Hexachloroplatinsaure als Katalysator, Einzelheiten sind im experi- mentellen Teil angegeben.

1. Reaktion des QsMT mit MzDH Die Reaktionspartner Q,M: und M,DH wurden im Molverhaltnis 1 : 8 in Toluen

gelost und nach Zugabe des Katalysators auf 90-100°C erhitzt. Nach dem Abdestillieren des Losungsmittels wurde ein olartiges Reaktionsprodukt erhalten,

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D. HOEBBEL u. a., [(CH2=CH)(CH,),Si],Si,0,, 135

das auch in Aceton und Chloroform loslich ist. Die Verbindung zeigt im IR-Spek- trum keine Bande im Bereich der vSi,-Schwingungen (um 2 130 cm-l) und Y ~ = ~ -

Schwingungen (um 1600 em-1) , desgleichen sind im 1H-NMR-Spektrum keine Protonen von Vinyl- und HSi-Gruppen nachzuweisen. Die Ergebnisse weisen darauf hin, daB ein vollstandiger Umsatz der Ausgangsstoffe erfolgte.

Die Resultate der lH-, 13C- und 29Si-NMR-Untersuchungen sind in Tab. 1 zusammengefaBt. Der Nachweis von -CH,-Gruppen irn lH- und 13C-NMR- Spektrum des Reaktionsprodukts spricht fur eine Additionsreaktion entsprechend dem Schema:

I I

I I GSi-0 -Si- CH= CH, + HSiG + =Si- 0- Si- CH,- CH,-Sk, (1)

Die Reaktion erfolgt entgegen der Markovnikov-Regel und sollte zu folgender Bindung in den Liganden des D4R fuhren :

Si(CH,), c CH3 0 I d I b a

4- O-Si-CH,-CH,-Si-CH3 I I CH, 0

Si(CH,), c

Im 29Si-NMR-Spektrum des Reaktionsprodukts sind vier Signale zu beobachten (Tab. I), die den in ( 2 ) gekennzeichneten Si-Atomen a-d zugeordnet werden. ErwartungsgemaB weist das Signal c die doppelte Intensitat im Vergleich zu den ubrigen Signalen auf. Das schmale Einzelsignal a im Resonanzbereich der Kiesel- skure-Si-Atome zeigt, daB das Doppelvierringkieselsauregerust im Reaktions- produkt erhalten blieb. Damit ergibt sich fur die Verbindung die Formel [( (CH3)3SiO),CH3Si(CH,),Si(CH3),],Si,0,0 mit der in Abb. 1 (R = R3) gezeigten Konstitution.

2. Reaktion des QsMr mit TES Der Umsatz der Reaktionspartner erfolgte analog den unter 1. angegebenen

Bedingungen. Als Reaktionsprodukt wurde ebenfalls eine Verbindung in olartiger Konsistenz erhalten, die entsprechend den Ergebnissen der IR- und lJ€.-NMX- Untersuchungen keine unumgesetzten =Si-CH=CH,- und HSiE-Gruppen ent- halt. Mit Hilfe der IH-NMR konnte nachgewiesen werden, daB die Addition des Protons vom TES am C1-Atom der Vinylgruppen des Q,Mr erfolgt. Das 29Si-NMR- Spektrum des Resktionsprodukts zeigt im wesentlichen drei Signale, die den Si-Atomen des Kieselsauregerusts (a), der (C,H,),SiC=-(b) und der -OSi(CH,),C=-(c)-Gruppe zuzuordnen sind (Tab. 1). Lage und Intensitat der Signale bestatigen den nahezu quantitativen Ablauf der Addition unter Erhalt des Kieselsauregeriistes zu einer Verbindung der Konstitution [(C,H,)3Si(CH2)2Si(CH3)2]sSis0,0 (Abb. 1, R = R4).

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D. HOEBBEL u. a., [(CH,=CH)(CH,),Si],Si,O,, 137

Die beiden verwendeten H-Silane M,DH und TES sind monofunktionell und hinsichtlich ihres sterischen Aufbaus relativ einfache Verbindungen. Mit den folgenden Versuchen wurde die Reaktion des Q8Mr mit der mehrfachfunktionellen H-dimethylsilylierten D4R-Kieselsaure Q,MF untersucht , die eine vergleichsweise grol3e Molekel ist und auf Grund ihrer Polyfunktionalitat zu stark vernetzten Reaktionsprodukten fuhren sollte.

3. Reaktion des QsMr mit QsMF Die beiden kristallinen Ausgangsprodukte wurden zunachst im Molverhiiltnis

(MV) 1 : 1 in Toluen gelost und nach Zugabe des Katalysators auf 90- 100°C erhitzt. Bereits nach 15 min bildet sich ein durchsichtiges Gel. Nach weiterem

b d

Abb. 2 F) (L: Lijsungs-, F: Festkorperspektrum, M V : Molverhtiltnis, X = D,-Standard

28Si-NMR-Spektren. 1 Q8Mz (L), 2 Q8MF (L), 3 Additionsprodukt aus 1 und 2 (MV 1: 1,

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45minutigen Erhitzen wurde das Losungsmittel abdestilliert und als Riickstand ein hydrophobes rontgenamorphes Pulver erhalten, das in Wasser und organi- schen Losungsmitteln praktisch unloslich ist. Zur naheren Charakterisierung seines Aufbaus wurde das Reaktionsprodukt mit der 29Si-NMR untersucht. Abb. 2, Nr. 3 zeigt das 29Si-NMR-Festkorperspektrum, zum Vergleich sind die 29Si-NMR-LBsungsspektren der Ausgangsverbindungen Q,Ml (1) und Q,MF (2) mit angegeben. In den 29Si-NMR-Festkorperspektren amorpher Feststoffe, wie z. B. Silicatglasern und Kieselgelen, liegen die Signale der Kiesehaure-Si-Atome (Q4) mit Linienbreiten von 10-15 ppm [5] vor, die Ausdruck der Existenz nicht- identischer Q4-Baugruppen in diesen Produkten sind. I m Unterschied dazu zeigt das Q4-Signal (d) des Additionsprodukts Nr. 3 mit 2,3 ppm eine nur kleineLinien- breite. Dieser Befund weist auf nahezu einheitliche Q4-Baugruppen in der Struktur des Additionsproduktes hin. Da auch die Lage des Q4-Signals im Rahmen der MeBgenauigkeit mit der der Q4-Signale der Ausgangsverbindungen 1 und 2 uber- einstimmt, ist davon auszugehen, daB im Additionsprodukt 3 die Doppelvier- ring-Grundstruktur erhalten blieb. Fur den Erhalt der Doppelringstruktur spricht auch das ermittelte Verhaltnis der Si-Atome in den M- und Q-Baugruppen, das dem fur diesen Strukturtyp charakteristischen Verhaltnis von 1 : 1 nahekommt. Ausgehend von den Spektren 1 und 2 der beiden Startverbindungen werden die zwei dicht benachbarten und nur unvollstiindig aufgelosten Signale b und c des Reaktionsprodukts 3 bei 6 etwa -0,6 ppm und etwa -2,9 pprn den Si-Atomen in -OSi(CH,),(CH=CH,)- und -OSi(CH,),H-Gruppen zugeordnet. Das Signal a bei 8 etwa 13 ppm wird analog den Ergebnissen der M,DH- und TES-Reaktion den Si-Atomen in den durch Addition gebildeten Brucken zugeschrieben. In Tab. 2, Nr. 3 sind die chemischen Verschiebungen 8 der Signale, das Intensitats- verhaltnis der Signale im Bereich der M- und Q-Baugruppen sowie das Intensitiits- verhaltnis der Signale von Si-Atomen in verbruckten (M-Br) und terminalen (M-T) M-Baugruppen zusammengefafit.

Aus der Anwesenheit der Signalgruppe b, c im 29Si-N1MR-Spektrum der Probe 3 ist abzuleiten, daI3 im Unterschied zum TES und M,DH keine vollstandige Reaktion des Q,MF mit Q,Ml erfolgte. Die quantitative Auswertung des Spektrums ergibt, daB durchschnittlich nur 5,4 der acht vorhandenen Vinyl- bzw. H-Gruppen pro Doppelvierring reagierten. Wird die Reaktionszeit des Gemischs aus Q8Mi und Q,M: mit dem Ziel eines groBeren Vernetzungsgrades von 1 h auf 8 h erhoht, so reagieren maximal 6,3 funktionelle Gruppen pro D4R-Einheit. In Abb. 3 A ist ein Schema von Verknupfungsmijglichkeiten der Doppelvierringeinheit uber eine einfache, zweifache oder dreifache Bindung zu einem benachbarten D4R wieder- gegeben. Welche Art von Verknupfungen dominiert, laBt sich aus den Resultaten der in dieser Arbeit verwendeten Untersuchungsmethoden nicht entnehmen. Wird nur jeweils eine Bindung eines Doppelvierrings zu einem benachbarten Kafig und ein mittlerer Vernetzungsgrad von 6 angenommen, so macht das Schema in Abb. 3 B deutlich, daB eine betrachtliche sterische Hinderung bei einer voll- standigen Vernetzung zu erwarten ist.

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140 Z. anorg. allg. Chem. 583 (1990)

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Abb. 3 Verkniipfungsmoglichkeiten der Doppelvierringeinheiten

Um zu priifen, ob die unvollstandige Addition der D4R-Einheiten tatsjichlich sterische Ursachen hat, wurde versucht, durch kleine und sterisch anspruchslose Molekeln eine vollstanindige Reaktion der D4R im Polymer zu erreichen. Dazu wurde die Probe 3 in Toluen suspendiert und rnit einem ffberschuB Octen-l in Gegenwart eines Platinkatalysntors nachbehandelt. Das 29Si-NMR-Spektrum des von fliichtigen Komponenten befreiten Reaktionsproduktes zeigt Abb. 4, Nr. 4. Im Vergleich zum Spektrum der Probe 3 ist die Intensitat des Signals c deutlich kleiner, was auf eine Reaktion der bisher unzugiinglichen HSk-Gruppen der Probe 3 rnit Octen hinweist. Die mittlere Zahl der pro D4R umgesetzten M-Gruppen erhoht sich durch die Reaktion mit Octen auf 6,8 (Tab. 2, Nr. 4).

Urn die noch vorhandenen restlichen Vinylgruppen des Sestkorpers zur Reaktion zu bringen, wurdc die Probe 4 nach der Octen-Behandlung mit Triethylsilan umgesetzt. Das 2gSi-NMR-Spektrum des Reektionsprodukts (Abb. 4, Nr. 5 ) zcigt im Bereich der &iCH=CH,- (b) und rS iH- (0)

Gruppen keine nennenswerten Signale mehr, so daR durch die Nachaddition praktisch ein vollstjin

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D. HOEBBEL u. a., [(CH,=CH)(CH,),Si]8Si80,, 141

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Abb. 4 29Si-NMR-Spektren von Additionsprodukten des Q8MZ und Q8Mg. 3 MV 1:l (F), 4 1:l + Octen (F), 5 1:l + Octen f TES (F), 6 1:0,26 (L) (Abkiinungen wie in Abb. 2; x = D,-Standard, z = Rotor-Eigensignal)

diger Umsatz dieser funktionellen Gruppen erfolgte. Das zusiitzliche Signal e im Spektrum der Probe 5 wird durch die Si-Atome der (C,H,),SiC=-Gruppen verursacht.

Mit steigendem Q,Mr : Q,M?-Verhliltnis im Ansatz nimmt die Menge an un- loslichem Reaktionsprodukt zugunsten einer in organischen Losungsmitteln loslichen Komponente ab. Bei einem MV 1 : 0.8 liegt hauptsgchlich ein noch un-

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142 Z. anorg. allg. Chem. 583 (1990)

losliches Produkt vor (Tab. 2, Nr. 8). Betragt das Verhaltnis 1 : 0,5, bilden sich zu etwa gleichen Teilen ein losliches und unlosliches Reaktionsprodukt (Tab. 2, Nr. 7.1, 7.2), bei 1:0,25 wird nur noch ein liislicher Peststoff (Nr. 6) mit einer Molmasse von 2 500 g/Mol erhalten. Aus dem 29Si-NMR-Spektrum der Probe 6 ergibt sich, da13 im Durchschnitt nur 2,5 funktionelle Gruppen der D4R-Einheiten eine Bindung eingehen und damit ein nur wenig vernetztes, losliches Polymer gebildet wird. Bei der liislichen Fraktion der Probe 7 (7.2) wurde im 2gSi-NMR- Spektrum ein nur sehr kleiner Anteil bruckenbildender Si-Atome nachgewiesen, der quantitativ nicht mehr zu erfassen war. Daraus folgt, da13 die Probe 7.2 aus nicht oder nur wenig verknupften &,MT-Molekeln besteht. Die unlijsliche Frak- tion 7.1 zeigt dagegen einen relativ hohenvernetzungsgrad, der auch in der Probe 3 nachgewiesen wurde.

Am Beispiel der liislichen Verbindung 6 wurde mit Hilfe der 13C-NMR ge- pruft, ob die Addition der HSiG-Protonen des Q,MF an das C1- oder C2-Atom der Vinylgruppen des &,MZ erfolgte. Die beiden Signale des Spektrums bei 6 = -1 ,O ppm (=Si(CH,),) und 6 = 8,7 ppm (=SiCH,-) beweisen eine Verbin- dungsbildung uber =SiCH,CH,Sir -Briicken (Anti-Markovnikov) .

4. Diskussion:und Zusammenfassung Die Ergebnisse zeigen, da13 durch Addition HSi= -funktioneller Verbindnngen

an &,MZ modifizierte Kieselsaurederivate mit unterschiedlichen Eigenschaften zu erhalten sind. Wird das mehrfachfunktionelle &,M: als Reaktionspartner eingesetzt, so ist in Abhangigkeit vom Molverhaltnis der Reaktanden eine mehr oder weniger starke Vernetzung der D4R-Einheiten zu erreichen, die zu unlos- lichen oder loslichen kieselsaurereichen Polymeren fuhren. Die unloslichen Poly- mere, die bevorzugt bei einem &,MT : Q,M:-Verh&ltnis von 1 erhalten werden, weisen eine nur kleine Oberflache von 8 m2/g auf und enthalten nur wenige Poren. Die Aufgabe weiterer Arbeiten wird es daher sein, den Einflulj der Bruckenlange zwischen den D4R-Kieselsaureeinheiten auf die sterische Hinderung und die Poro- sitat derartiger Polymere niiher zu untersuchen. Eine grosere Bruckenlange, die z. B. durch die Reaktion langerkettiger difunktioneller H-Siloxane mit &,MZ oder difunktioneller Vinylsiloxane mit Q,M: erreicht werden konnte, sollte Ada13 zu einer kleineren sterischen Hinderung der D4R-Einheiten und einem verander- ten Porensystem geben.

Wird die Reaktion von Q,MT mit Q,M: in Molverhaltnissen kleiner oder gro- 13er 1 durchgefuhrt, verbleiben im Polymer eine groljere Zahl unumgesetzter funktioneller H S k - bzw. CH,=CHSi--Gruppen. Diese Gruppen ermoglichen eine weitere gezielte Modifizierung der Polymere mit geeigneten organischen Ver- bindungen im Hinblick auf die Herstellung kieselsaurereicher anorganisch-organi- scher Verbunde, deren Grundstruktur aus kafigartigen Doppelvierring-Kiesel- saureeinheiten besteht.

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D. HOEBBEL u. a., [(CH,=CH)(CH,),Si],Si,020 143

5. Experimentelles

Herstellung der Additionsprodukte aus

a) QsMz u n d M2DR bzw. TES. Zu 1 g (0,82 mM) Q8Mz, gelost in 10 ml Toluen, wurden Hexa- chloroplatinsaure (4. Mol/Mol Doppelbindung) und 1,78 ml(G,56mM) M,DH bzw. 0,76g (6,56mM) TES gegeben. Die Losungen wurden jeweils 7 h auf 100°C erhitzt. Nach dem Abdestilliercn des Losungsmittels bei 75°C und 5 . 10, Pa fielen die Reaktionsprodukte in olartiger Konsistenz an.

b) QsMz u n d QsMF i m Molverha l tn i s 1:l u n d 1:0,8. 2,46g (2,OlmM) bzw. 1,OOg (0,82 mM) Q8Mz und 2,04 g (2,Ol mM) bzw. 0,66 g (0,65 mM) Q8MT wurden zusammen mit Hexa- chloroplatinsaure (1 . Mol/Mol Doppelbindung) in 45 bzw. 16 ml Toluen gelost und 1-10 h auf 100-110°C erhitzt. Die gelartigen Reaktionsprodukte wurden mehrmals rnit Toluen gewaschen und anschlieBend bei 75°C und 5 * 10, Pa getrocknet.

c) Q8Mz u n d QsMF i m Molverhgl tn is 1:0,5 bzw. 1:0,25. Ein Gemisch aus 0,49 g (0,40 mM) bzw. 0,58 g (0,47 mM) Q8Mz und 0,20 g (0,20 mM) bzw. 0,12 g (0,12 mM) Q8MF, gelost in 7 m l Toluen wurde nach Zugabe des Katalysators (wie unter b) 6 h auf 100-110°C erhitzt. Beim MV von 1:0,5 bildet sich nach etwa 0,5 h ein Gel in einer flussigen Phase, das wie unter b) beschrieben aufgearbeitct wurde. Als Reaktionsprodukt wird ein in Wasser und organischen Losungsmitteln unloslicher Feststoff erhalten. Die flussige Phase wurde bei 75°C und 5 + lo2 Pa vom Losungsmittel befreit. Der erhaltene Feststoff ist rontgenamorph und in polaren sowie apolaren organischen Lo- sungsmitteln loslich. Beim MV von 1 : 0,25 erfolgte die Aufarbeitung wie unter a) beschrieben. Das Reaktionsprodukt ist ein in organischen Losungsmitteln loslicher Beststoff.

29Si-NMR. Die Losungs- und Pestkorper-NMR-Spelrtren wurden rnit dem Gerat Bruker MSL 400 bei 79,48 MHz aufgenommen.

Losungen. Etwa 50%ige Losungen der Substanzen in CDCI, wurden unter Zusatz von 15 mg Cr(acac),/ml (zur Verringerung der Relaxationszeit TI) rnit inverse-gated Entkopplung gemessen. Die Sweep-Weite betrug 12000 Hz bei 8 K FID und 15 K Spektrum. Es wurde rnit 90"-Pulsen (17,5 ,us) in Abstanden von 10 s gearbeitet und etwa 100 scans akkumuliert. Die chemischen Ver - schiebungen sind auf TMS bezogen und mittels intcrnem Standard (D4, 6' = -19,71 ppm) geeicht .

Festkorper. Fur die Untersuchungen wurden das FT-Verfahren mit Protonenentkopplung (Pulsprogramm HPDEC des MSL 400) und die MAS-Technik eingesetzt. Die Pulsbreite (29Si) betrug 3 ps (45°-Impulse), die der lH-Entkopplungsimpulse 83 ms. Eswurden 300-900 F I D rnit 4 K Daten- punkten akkumuliert. Fur die quantitative Auswertung der Spektren waren Pulszeiten von min - destens 60 s erforderlich. Die Rotationsfrequenzen betrugen 5,l-5,3 KHz, um Rotationsseiten- bander auszuschlieI3en. Die Messungen erfolgten bei Raumtemperatur mit festem Q,M8 als sekundiirem Standard (B(M) = 11,5 ppm bezogen auf TMS). Die Reproduzierbarkeit der gemessenen Werte von 6 betrug 0,5 ppm.

IH-NMR. Die Spektren wurden rnit dem Gerat Tesla BS 587/A bei 80 MHz aufgenommen. Die Proben wurden in CDCI, gelost, als interner Standard diente HMDS.

13C-NMR. Die Proben wurden in CDCI, gelost, das such als interner Standard (6 = 77,O ppm) verwendet wurde. Die Spektren wurden rnit dem Geriit Bruker MSL 400 bei 100,63 MHz aufgenom- men.

Die Autoren danken Frau G. EBNER und Frau U. BOTTUHER fur andytische Arbeiten.

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Chem. 576 (1989) 160.

29 (1989) 260.

Bei der Redaktion eingegangen am 16. August 1989.

Anschr. d. Verf.: Dr. D. HOEBBEL, DipLChem. I. PITSCH, Dr. D. HEIDEMANN, ZI f. Anorg. Chemie d. AdW der DDR, Rudower Chaussee 6, Berlin-Adlershof, DDR-1199

Dr. H. JAXCKE, Z I f. Physikal. Chemie d. AdW der DDR, Rudower Chaussee 5, Berlin-Adlershof, DDR-1199

Dr. W. HILLER, Z I f. Organ. Chemie d. AdW der DDR, Rudower Chaussee 5, Berlin-Adlershof, DDR-1199