Michael Beleites: 18. September 2012 · PDF fileEine Denkschrift zur Agrarpolitik (Stiftung...
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Michael Beleites: 18. September 2012
Leitbild Schweiz oder Kasachstan? Zur Entwicklung der lndlichen Rume in Sachsen
Eine Denkschrift zur Agrarpolitik (Stiftung Weiterdenken, AbL-Verlag, Dresden/Hamm 2012)
Thesen:
1. Im Osten Deutschlands ist der durchschnittliche Landwirtschaftsbetrieb mehr als fnf Mal so
gro wie im Westen, die Zahl der Beschftigten je 100 Hektar liegt aber nur bei knapp einem
Drittel. Somit bringt die Ost-Landwirtschaft eine erheblich geringere Wertschpfung in die
lndlichen Rume als die westdeutsche.
2. Die ostdeutsche Sondersituation ist keine gewachsene Agrarstruktur, sondern die Folge
kommunistischer Systemverbrechen. Mit ihrer dreistufigen Klassenkampfpolitik gegen die
Bauern Bodenreform, Kollektivierung, Industrialisierung machte die SED-Herrschaft die
freien Bauern zu abhngigen Landarbeitern.
3. Im Westen fhrte die Politik des Wachsen oder Weichen zu einem sanfteren Hfe-
Sterben, aber tendenziell ebenso zu einer Konzentration der Landwirtschaft.
4. Industrielle Landwirtschaft ist untrennbar verbunden mit einer Schdigung von Bden und
Grundwasser, einer Qualittsminderung der Nahrung, sowie mit einer wirtschaftlichen
Schwchung und letztlich Entvlkerung der lndlichen Rume.
5. Sachsen und Thringen gehren in ihrer traditionellen Agrarstruktur zu Westdeutschland:
Nicht groe Gutsbetriebe mit einer armen Landarbeiterschaft, sondern kleine und mittlere
Bauernhfe prgten die mitteldeutschen Regionen.
6. Die schsische Nach-Wende-Agrarpolitik knpfte an das landwirtschaftliche System der
DDR an und befestigte gemeinsam mit der einseitigen BVVG-Bodenpolitik die agrar-
strukturelle Angleichung Sachsens an die ostelbischen Verhltnisse des Nordostens.
7. Insgesamt kennt die DDR-geprgte Separat-Agrarpolitik der ostdeutschen Lnder kaum
parteipolitische Unterschiede, wenngleich der DBD-Flgel der CDU besonderes zielstrebig
die Lobby-Interessen der LPG-Nachfolger vertritt.
8. Fatal wirken sich die 1992 eingefhrten flchenbezogenen EU-Subventionen aus, die ein von
der Bewirtschaftung unabhngiges Festhalten an jedweder Agrarflche bewirken und in den
Ost-Lndern die sozialistisch geprgte Agrarstruktur eingefroren haben.
9. Prinzipiell haben kleine Betriebe weitaus bessere Voraussetzungen, nach der Grundidee einer
kologischen Kreislaufwirtschaft zu funktionieren als groe. Die schleichende Agrar-
Industrialisierung des ko-Landbaus untergrbt das Vertrauen in die Bio-Branche.
10. Die Umkehr hin zu einer verantwortbaren Agrarpolitik im Sinne einer Postwachstums-
konomie (Niko Paech), braucht die kleinen und mittleren Bauernhfe. In Sachsen und
Thringen sind diese grtenteils noch vorhanden, verfallen aber zusehends und werden
eigentumsrechtlich von den dazugehrigen Nutzflchen amputiert. Das buerliche Erbe zu
sichern und wiederzubeleben, ist eine Herausforderung, die ber die Zukunft entscheidet.
11. Agrarsubventionen wurden nicht eingefhrt um die Landwirte zu sttzen, sondern um ihre
Produkte zu verbilligen: damit die Verbraucher weniger fr Ernhrung und mehr fr
Industrieprodukte investieren. Sie sind ein Teil jener Wachstumsbeschleunigung, die eine
gesunde buerliche Landwirtschaft erstickt. Der Kampf der landwirtschaftlichen
Interessenvertretungen fr Agrarsubventionen verschrft die strukturelle Schwche der
Landwirtschaft, die eigentlich die Basis-Wirtschaft jeder Gesellschaft ist.
12. Eine wirkliche Agrarwende braucht keine kologisch deklarierte Brokratisierung, sondern
eine Komplettabschaffung der Agrarsubventionen bei gleichzeitiger Einfhrung einer
ausreichend hohen Agrochemikalien-Abgabe sowie gesetzlicher Obergrenzen fr Betriebs-
gren und Viehbestnde. Damit knnte ein kologischer Umbau der Gesamtlandwirtschaft
erreicht und deren Spaltung in konventionell und bio berwunden werden.