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FILM & TV KAMERAFRAU · 20. September 2015 3

Dass es nicht gerade 50 Prozent sind, war zuerwarten. Aber dass nur zwölf Prozent allerdeutschen Kinofilme der Jahre 2009 bis 2013von Kamera frauen gemacht wurden, ist schonerschreckend. Und wer jetzt glaubt, das seiein Problem im Kamera -Depart ment, dem seigesagt, dass sich das Bild auch in anderenkünstlerischen Medien berufen ganz ähnlichdarstellt: 22% Frauenanteil an der Regie fürdie Filme im selben Zeitraum, und die Reiheließe sich schier endlos fortsetzen, übrigensdurchaus auch bei Fernseh an stalten und im Verlags wesen. Viel Karriere-Monokultur –zu viel!

Warum ist das so? Ist was dran an der so-genannten Trichter-Theorie, dass es nicht ge-nügend gut ausgebildete Frauen gebe? Wohlkaum! Aber irgendwo verschwinden sie ja anscheinend doch aufdem Weg im Berufsleben und nach »oben«. Deshalb nochmals die Frage: Gibt es tatsächlich so wenige Kamerafrauen? Sind die, die esgibt, möglicherweise unsichtbarer als ihre männlichen Kollegen?Und wenn ja, warum? Wieviele Kamerafrauen fallen Ihnen auf Anhieb ein?

Frauen hätten es eben nicht so mit der Technik und außerdemdie schweren Kameras… Enschuldigung, aber diese Argumente haben einen Bart, auf den jeder Dumbledore-Darsteller stolz wäre!Die schweren Kameras sind es bestimmt nicht, aber vielleicht hatder geringe Frauenanteil durchaus etwas mit den Arbeitsbedin-gungen in unserer Branche zu tun.

Und trotzdem: Wir haben zwar noch zu wenige, aber hervor-ragende Frauen in unserer Branche. In diesem Heft geht es um ihreFragen, ihre Gedanken, ihre Forderungen.

Zum Schluss noch eine Bemerkung in eigener Sache: In 227 Aus-gaben habe ich Sie seit 1993 an dieser Stelle mit meinem Editorialund meinem Bild begrüßt und Ihnen mit meinem Redaktionsteamauf den folgenden Seiten ein vielfältiges Themenspektrum präsen-tiert, was mir sehr viel Freude gemacht hat. Das wird nun aus Grün-den, die außerhalb meines Entscheidungsbereiches liegen, in Zukunft leider nicht mehr möglich sein. Ich möchte mich daher andieser Stelle von Ihnen verabschieden und danke allen, die mich inall den Jahren unterstützt haben.

Alles Gute für Sie, Ihre

Minority ReportBild | Ton | Schnitt

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20. September 2015

Zum Titel

Titel- und Editorial-Foto: Sabine Felber

Birgit Gudjonsdottir, Sonja Rom,Daniela Knapp, (1.R.v.l.n.r.)Eva Katharina Bühler, Anne Misselwitz, Lotta Kilian (2.R.v.l.n.r.)Sechs von vielen hervorragen-den Kamerafrauen in Deutsch-land. Unser Special beginnt aufSeite 32.

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Bildgestalterinnen…

Wieviele Kamerafrauen können Sie ad hoc auf-zählen? Und wieviel gibt es überhaupt? Wirhaben an verschiedenen Stellen nachgefragtund nachgezählt: Im Berufsverband Kinema-tografie sind von 464 Mitgliedern insgesamt gerade mal 40 Frauen, also 8,6 %. Beim Ver-band der Fersehkameraleute BVFK zeigt sichein ähnliches Bild: 562 Mitglieder, 36 Frauen,6,4%. Bei der deutschen Filmakademie sind inder Sektion Kamera 15 Frauen und 98 Männer,sprich 13% Frauenanteil. Bei den 250 erfolg-

reichsten Hollywoodproduktionen des Jahres2013 liegt der Frauenanteil bei den DPs bei 3%,der der Regisseurinnen bei 6% – Tendenz inden vergangenen Jahren fallend. Im ASC, demvornehmen Club der amerikanischen DPs,sind von 372 Mitgliedern gerade mal 14 Frau-en, das sind 3,8 %. Das heißt nicht, dass esnicht mehr Kamerafrauen gibt; es beweistaber, dass weltweit nur ein kleiner Prozentsatzder Menschen, die ihren Lebensunterhalt dau-erhaft mit dem Gestalten von Bildern verdie-

Nur etwa 22 % aller fiktionalen Kinofilme werden von Regisseurinnen gemacht.Durchsucht man die Listen hochbudgetierter Filme nach Kamerafrauen, ist dieProzentzahl sogar nur einstellig. Ein Satz, der in diesem Zusammenhang dann oft zuhören ist: »Es gibt halt nicht genug etablierte Frauen, die man engagieren könnte.«Ist das tatsächlich so? Und falls ja, warum? Weniger Frauen als Männer gibt es ja nuneindeutig nicht auf der Welt… Eine Bestandsaufnahme und viele Fragen!

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Special Frauen in den Medien

Beatrice Susan Mayer

Eva Katharina Bühler

Daniela Knapp

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nen, Frauen sind. Undwer jetzt glaubt, diesesPhänomen sei dem Ka-mera-Department vor-behalten, liegt falsch. Die Grafiken auf dernächsten Seite zeigen, dass Frauen in allen Above-the-line-Positionen nur zwischen 9 %und 22 % Anteil haben, und im Kamera-De-partment in allen Positionen außer bei den Kameraassistentinnen unter 10%.

Wie aber kommt es zu solch einer Unter -repräsentation von Frauen in diesem Beruf?Beginnen wir weiter vorne und betrachten dieSituation an den deutschen Filmhochschulen.

Die Ausgangssituation der angehendenKamerafrauen sieht im Gegensatz zur Lage aufdem Berufsmarkt etwas besser aus. Zwischen20 % und 30 % der Kamerastudierenden anden deutschen Hochschulen sind weiblich.

Viele Kamerastudiengänge wurden erstvor wenigen Jahren ins Leben gerufen, davorwaren sie in andere Studiengänge integriert.Im Vergleich zeigt sich, dass vor allem in denuniverseller angelegten Studiengängen derAnteil an weiblichen Kamerastudierenden höher ist. Obwohl einige Hochschulen inDeutschland explizit auf die Unterrepräsenta-

tion mit offensiver Umwer-bung bei öffentlichen Veran-staltungen und auch einergezielten Förderung wäh-

rend des Studiums reagieren, lässt sich bisherkeine signifikante Änderung der Zahlen er -kennen. Nur in einzelnen Jahrgängen wird die50 %-Grenze erreicht oder teilweise sogarüberschritten. Auch weiterhin bewerben sichmehr Männer als Frauen beziehungsweise finden Frauen teilweise erst später im Verlaufdes Studiums ihren Weg zur Kamera.

Gerade der Übergang von der Hochschuleins Berufsleben zeigt dann noch einmal einezusätzliche Schwierigkeit. Auch wenn derTransit geschlechtsunabhängig ein harter Wegist, schaffen es nur sehr wenige Kamerafrauenin gut dotierte Langspielfilm-Projekte. SindFrauen zuvor noch gut in den Studienablaufeingebunden und drehen während des Stu -diums viele Filme, so zieht sich dieses Bild fürviele nicht weiter in die Zeit nach der Hoch-schule, wie die Zahlen belegen.

Woher kommt die Unterrepräsentation be-reits im Studium? Je technischer ein Bereich istoder erscheint, desto weniger Frauen findetman. Aber das ist ja kein Naturgesetz. Wir

Susana Salonen

Sophie Maintigneux

Jana Marsik

Fotos: privat(1), Sabine Felber(2,3,5,6), Ute Badura(4)

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Frauen in den Medien

wollen an dieser Stelle nicht in die Diskussioneinsteigen, ob Frauen und Männer von Geburtan außer einem Chromosom noch weitereUnterschiede mit in die Wiege gelegt bekom-men haben. Jeder Mensch ist ein Individuum.Punkt. Und diesem Individuum werden durchunsere Verfassung die gleichen Pflichten auf-erlegt, aber eben auch die gleichen Rechte ver-sprochen, unter anderem, dass Männer undFrauen gleichberechtigt sind und dass derStaat die tatsächliche Durchsetzung der Gleich -be rech tigung von Frauen und Männern för-dert und auf die Beseitigung bestehenderNachteile hin wirkt.

Dafür kann der Staat nicht nur bei Dax-Konzernen, sondern auch in unserer Branchedurchaus etwas tun: unter anderem für einegerechte Verteilung öffentlicher Mittel bei-spielsweise in der Filmförderung sorgen.

Aber auch der und die einzelne ist gefragt.Denn die Gleichberechtigung kann zwar aufdem Papier vorgeschrieben werden, passierenmuss sie aber in den Köpfen, und gelebt wer-den muss sie von den Menschen. Stellen wiralso die Rollenbilder, die in unseren Köpfennoch sehr mächtig sind, übrigens bei Männernund Frauen, immer wieder auf den Prüfstand.Und hinterfragen wir doch, ob wir durch Bil-der, die wir in die Köpfe unserer Kinder ein-pflanzen, schon früh Weichen in ganz be-stimmte Richtungen stellen.

Wenn es darum geht, Mädchen und jungeFrauen explizit dazu zu ermutigen, technischeBerufe zu ergreifen – was ja durchaus an vielenStellen passiert – ist unsere Branche leidernoch ziemlich rückständig.

Eine Sache, die da sehr hilft, sind Vorbilder.Je sichtbarer die Bildgestalterinnen sind, die es

gibt, desto mehr Mädchenwerden diesen Beruf auch fürsich in Betracht ziehen. Undda müssen wir uns durchausan die eigene Nase fassen,denn dieses Magazin ist ja mitseinem Titel auch nicht dazuangetan, das in vielen Köpfenanscheinend immer nochzemen tier te Bild, dass die fürsKamera -Depart ment verant-wortliche Person eben ein Ka-mera»mann« ist, aufzubre-chen und die Kamerafrauensichtbar zu machen.

Special

10 Tipps# Sei selbstbewußt und sprich über deinen Stärken. # Verhandle hart und verkaufe dich nicht zu billig. # Lerne Pokern.# Halte es stets für möglich, dass dein Gegenüber nicht dein, sondern sein Bestes will.# Stelle Forderungen. Sei hartnäckig.# Du bist in deinem Department die Managerin, sei taff. Löse alle Konflikte sofort, versuche dabei vor allem gerecht zu sein.# Scheu dich nicht, Leute aus deinem Team rauszuwerfen, die dich torpedieren.# Sie freundlich und bestimmt, aber entschuldige dich nie für etwas, was gemacht werden muss.# Halte den Kopf nicht schräg.# Sprich nicht im Konjunktiv.

Frauenanteil der Above-the-line-Funktionen für die Filme 2009-2013. Zahlen aus der Studie Wer dreht deutsche Kino filme? Gender Report:2009–2013 der Universität Rostock von Prof. Dr.Elisabeth Prommer und Skadi Loist.

Frauenanteil bei verschiedenen Kameraverbänden:BVK, BVFK und ASC.

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Aber neben diesen gesamtgesellschaft-lichen Problemen hat die Film- und Medien-branche noch ein ganz anderes Problem. DieArbeitsbedingungen werden immer katastro-phaler und die Bezahlung wird kontinuierlichschlechter. Die Branche ist zum Großteil sehrunprofessionell, nachtragend, fast schon kin-disch. Sagt jemand (aus welchem Grund auchimmer) ein Projekt ab, wird das persönlich ge-nommen, er oder sie ist abgemeldet. Wer aufPausen pocht oder am Wochenende nichtdurcharbeiten will – Quertreiber, abgemeldet.Und dann pendelt man immer zwischen Extre-men: Man hat entweder gerade ein Projekt, daseinen mit Haut und Haaren verschlingt unddessen zeitliche Planung oft sehr chaotisch ist,oder man wartet auf den nächsten Anruf. Ge-fühlsachterbahn, Dauerstress! Das alles zu-sammengenommen ist nicht nur ungesund,sondern auch extrem partnerschafts- und fa-milienfeindlich. Natürlich ist das auch für Män-ner ein Problem, aber (und da grüßen wiederdie Rollenbilder) es ist für Frauen noch vielschwieriger, in solch einem Umfeld die Ent-scheidung für oder gegen das Kinderkriegen zutreffen. Denn wenn eine Frau sich für Kinderund ihren Beruf entscheidet, hat sie immernoch große Hürden zu überwinden: vom ver-meintlich wohlmeinenden »Jetzt hast du dochein Kind, bleib doch erst mal zuhause« bis zur»Rabenmutter«, die gleich wieder arbeitet, istviel Platz für Vorurteile und wenig für Jobange-bote. Die Kinderbetreuung wird zur reinen Pri-vatsache gemacht. Dabei muss das nicht sein.

Und wer erstmal einige Zeit raus ist ausdem Beruf, hat große Probleme, wieder da an-zuknüpfen, wo sie oder er aufgehört hatte. Daspielen die schon angesprochenen Empfind-lichkeiten der anderen Akteure ebenso eineRolle wie das Überangebot an mehr oder we-niger gut ausgebildeten Leuten, die alle aucheinen Job wollen und brauchen.

Aber wie können sich Frauen nun in die-sem Haifischbecken behaupten? Einfache Lösungen gibt es da leider nicht. Was sicherhilft, ist sich zu vernetzen, selbstbewußt auf-zutreten, sichtbar zu sein und den eigenenEinfluss für andere Frauen zu nutzen. Genau-so funktionieren auch die Männer-Netzwerke.

»Es sind die vielen kleinen Stolpersteine,die aus dem Weg geräumt werden müssen. Diegläserne Decke oder den einen Moment, wodie Karriere abknickt, gibt es nicht«, sagt Elisa-beth Prommer von der Uni Rostock, die eineinteressante Genderstudie* zur Situation inder Filmbranche gemacht hat.

Ebenfalls sehr interessant ist das umfang-reiche Zahlenmaterial, das die Betreiberinn-nen des Blogs SchspIN* zusammengetragenhaben.

Auf den folgenden Seiten kommen zahl -reiche Bildgestalterinnen zu Wort, die wir inden vergangenen Wochen erreicht haben. Essind natürlich beileibe nicht alle, aber sie spre-chen stellvertretend für viele.

Einige, vor allem jüngere Frauen, mögendie Genderfrage nicht, da sie sich nicht per sein einer schwächeren (Ausgangs-)Position

Verteilung der weiblichen und männlichenStudierenden in Kamerastudiengängen an vierdeutschen Hochschulen mit Kameraausbildung(Filmuniversität Potsdam, Macromedia München,HFF München, dffb), wobei wir die kumuliertenZahlen darstellen.

Anhand der Datenbankeinträge von Crew Unitedwurden Frauen- und Männeranteile in den unter-schiedlichen Bereichen einer Filmproduktion aus-gewertet. Hier die Zahlen für den Bereich Bild.Quelle ist der Beitrag Film: Frauengewerke, Män-nergewerke? im Blog SchspIN.

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Frauen in den MedienSpecial

…haben das WortWir haben mit zahlreichen Kamerafrauen gesprochen über den Beruf, über Hürden,die es in diesem Beruf für Frauen gibt und was sich ändern muss. Wir können bei-leibe nicht alles erklären. Es werden am Ende Fragen bleiben… Und hoffentlich Men-schen, die darüber nachdenken und darüber diskutieren…

sehen beziehungsweise sehen wollen. Tat-sächlich ist es ja auch schön, wenn man unab-hängig von Geschlecht, Rasse usw. einfach alsMensch seine Position erreicht und behaup-ten kann. Wer möchte das nicht. Fakt ist aber,dass weibliche und männliche Karrieren inden Medien unterschiedlich verlaufen undnach wie vor Führungspositionen männlich

dominiert sind. Das gilt auch für die künstleri-schen Berufe in den audiovisuellen Medien.Natürlich kann man hoffen, dass man selbstdie Ausnahme ist, aber wer genderblind denKopf in den Sand steckt, ändert nichts an denStrukturen!

Evelyn Voigt-Müller, Mitarbeit: Monika Kijas

*Hier die beiden LInks zu den erwähnten Studien: www.imf.uni-rostock.de/aktuelles •https://schspin.wordpress.com/2015/07/07/geschlechtergerechtigkeit-beim-film/

4%, 6%, 9%…Fangen wir mal mit ein bisschen Ursachenforschung an: Was könntenGründe dafür sein, dass es so wenige Kamera-frauen gibt, vor allem so wenige »etablierte«?

Christine A. Maier: Das hängt natürlich mit denBildern und Narrativen in unseren Köpfen zu-sammen, die wir alle haben und die uns immerwieder »erzählt« wurden und noch werden. Bil-der und Erzählungen prägen uns und beißensich fest. Alles ist eine Narration: von der Ge-schichtsschreibung bis zum Spielfilm bis hin zuden identitären Erzählungen, wer wir sind undwer die anderen. Und dann ist da natürlich dieFrage, wer hat die Erzählhoheit. Wer erzählt daeigentlich, wer beschließt, woran geglaubtwird? Das bezieht sich ja nicht nur auf Frauen,sondern auch auf andere Gruppen. In den USAfindet beispielsweise gerade ein Diskurs überden Anteil der afro-amerikanischen Filme -macherInnen statt.

Jana Marsik: Vielleicht liegt es auch daran, dassder Begriff »Kamerafrau« so fremd ist. Es gibteben den »Kameramann« wie den »Rennfah-rer«. Wahrscheinlich haben viele junge Frauen

gar nicht im Bewusstsein, dass das auch ein Beruf für Frauen ist.

Lotta Kilian: Kamerafrauen gibt es zwar pro-zentual gesehen nur wenige, das Problem istaber eher, dass sie von der gesamten Brancheals Ausnahme behandelt werden.

Daniela Knapp: Da Kamerafrauen die Ausnah-me sind, wird ihre Position viel mehr hinter-fragt. Warum soll es eine Frau machen undnicht so – wie normal – ein Mann? Und schongeht die Diskussion los und man muss Argu-mente finden, warum nicht das »Normale« ge-macht wird.

Sophie Maintigneux: Jede tiefe gesellschaft -liche Veränderung nimmt leider viel Zeit in An-spruch. Frauen sind auf »Spitzen«-Positionen(Regie, Kamera…) nicht erwünscht. Es ist so.Die Denkmechanismen in den Fernsehredak-tionen und Produktionsfirmen sind veraltetund ängstlich. Entweder man geht auf »Num-mer sicher« oder sie rufen die Agent/innen an,die die meisten Bildgestalter/innen vertreten.Trotzdem, wenn eine Regisseurin oder ein Re-gisseur sich eine Bildgestalterin wünscht, gibt

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es meistens keine Diskussion mehr. Also mussdie absolute Notwendigkeit von seiten der Regie provoziert werden.

Gisela Tuchtenhagen: Der Beruf Kameramannwar ein Männerberuf und ist es in der Regel immer noch. Als es bei uns noch sehr wenigebekannte Regisseurinnen gab, haben die sich sogut wie nie in Zusammenarbeit mit den weni-gen Kamerafrauen etabliert, sondern verließensich auf die Erfahrung von Kameramännern.Kamerafrauen sind erst durch ihre eigenen Filme bekannt geworden.

Kamerafrauen werden heute vor allem anden Filmschulen im Fachbereich Kamera aus-gebildet. Ihre Ausbildung ist dieselbe wie diezum Kameramann. Sie machen dann in der Regel die gleiche Arbeit wie Kameramänner.

Eine Voraussetzung, um sich als Kamera-frau zu etablieren, ist dann die Zusammen -arbeit mit einem Regisseur oder einer Regisseu-rin bei mehreren erfolgreichen Filmprojekten,vor allem bei Spielfilmen. Eine andere Möglich-keit wäre, dass sie sich bewusst für eine andereArbeitsweise entscheidet, eigene Filme machtund sich traut, Strukturen zu verändern.

Birgit Gudjonsdottir: Die Rollenklischees wer-den immer weitergegeben. Von klein auf be-kommen Mädchen Puppen und Jungs Autosund Technik. Junge Mädchen trauen sich nichtan unseren vermeintlich technischen Beruf. Esgibt dann einfach zu wenige junge Frauen,diediese Hemmschwelle überschreiten und sichan den Filmhochschulen bewerben. Diese Rol-lenklischees müssen aus den Köpfen der Men-schen raus. Das muss schon im Kindergartenanfangen. Frauen wie Männer müssen lernen,dass die Gesellschaft verändert werden muss,und dass alle davon profitieren können.

Julia Daschner:Neben der früher gängigen Auf-fassung, dass Frauen nicht in technische Berufepassen, waren insbesondere in der Filmbranchedie Bedingungen schwerer körperlicher Arbeit,die Unsicherheiten der Frei beruf lichkeit unddie erschwerte Familienplanung die Faktoren,die man Frauen nicht zutraute – und sie sichselbst sicher auch zu wenig. Es gab dann zumGlück einige entschlossene Vorreiterinnen wieSo phie Maintigneux, Judith Kaufmann oder

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Christel Fomm

Foto: Axel Schmidt

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sant ist auch, was mir eine Agentin sagte, näm-lich dass ihre Kamerafrauen bei einer Job -anfrage meist erst nach dem Inhalt fragen, ihreKameramänner dagegen meist erst nach derGage. Kamerafrauen könnten stärker in Gagen-verhandlungen sein, aber Herzblut für den Inhaltist natürlich absolut positiv und auch für michunverzichtbar.

Sonja Rom: Vielleicht können Männer auchdas Lässigsein besser simulieren und geben soallen das beruhigende Gefühl, das alle brau-chen. Weil alle total viel Angst haben und wol-len, dass da jemand an der Kamera sitzt, wo siedas Gefühl haben, der wird den Karren schonaus dem Dreck ziehen.

Britta Becker: So faszinierend und spannendunser Beruf ist, er ist auch immer wieder mitenormen psychichen und physischen Anstren-gungen verbunden. Dazu die Selbstständigkeitmit vielen Unsicherheiten, unregel mäßi genund teilweise heftigen Arbeitszeiten, mangel-

haften Sozialstrukturenund ein übersättigterMarkt an Kameraleuten.Das kann schon auchabschreckend wirken.

Frauen in den MedienSpecial

Bella Halben… Diese Frauen haben gezeigt, wiees geht, und sie haben sich stark gemacht fürkommende Generationen. Für uns Jüngere hatsich dadurch die Situation stark verändert.

Sanne Kurz: Ich habe sechs Jahre in Australiengelebt. Dort haben ich erstmals erlebt, dassmein Geschlecht keinerlei Rolle spielte: ichwurde nicht gebucht, weil ich eine Frau bin(oder eben nicht gebucht, weil ich eine Fraubin). Kein »Frauen haben eben diesen anderenBlick« sondern nur »Hast du Zeit, was hast dugemacht, was verlangst du pro Tag?«

Christiane Buchmann: Ich denke, die Pro -bleme kommen wenn dann von außen. Alsodass Frauen vieles erst mal nicht zugetraut wird.Gerade in der Werbung geht es oft darum »auf dicke Hose« zu machen – pretend to be – und dasind Frauen oftmals zurückhaltender.

Yoliswa von Dallwitz: Ich habe oft erlebt, dassFrauen nicht so direkt sind wie Männer, wennes um ihre eigene Vermark-tung geht und eher hoffen,entdeckt zu werden, statt sichdirekt anzupreisen. Interes-

Lotta Kilian

Anne Misselwitz

Birgit Gudjonsdottir

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Was sind aus deiner Sicht Hürdenfür Frauen in diesem Beruf?

Christel Fomm: Schon beim Einstieg waren dieHürden irrsinnig hoch. Ich habe damals ver-sucht, einen Platz als Kameraassistentin zu be-kommen. Weder beim öffentlich-rechtlichenFernsehen, noch bei freien Produktionen be-kam ich eine Chance. Sie wollten einfach keineFrauen. Es war damals noch mehr als heute eine»intakte« Männerdomäne. Die wollte man nichtaufgeben. Viele haben mich ausgelacht. BeimWDR haben sie mir an den Oberarm gegriffenund gemeint, eine Kamera sei viel zu schwer fürmich. Außerdem würden immer Kamera -männer und ihre Assis in einem Zimmer schla-fen, wenn sie unterwegs wären (was natürlichgelogen war). Und der Beruf einer Cutterin wäredoch viel netter für eine Frau. Später, als ichschon als Kamerafrau arbeitete, hat der WDRmich gefragt, ob ich als erste Kamerafrau imFernsehen festangestellt werden wollte. Für dieganzen »Frauenfilme«, die in den 70iger Jahren

entstanden. Damitder WDR mit sei-nen Teams auchmal in die Frauen-

häuser reinkönne zum Drehen. Ich habe geant-wortet, ich interessierte mich auch für alle mög-lichen anderen Themen und ich wolle michnicht in die Frauenecke stellen lassen.

Christine A. Maier: Am Anfang gab es viele Hür-den, nicht von ungefähr haben die meistenFrauen vor mir das Kamerastudium nicht abge-schlossen oder sind zu Schnitt oder Produktiongewechselt. Es gab damals auch nie mehr alseine Frau in der Kameraklasse. In den meistenJahrgängen über mir, gab es überhaupt keineFrauen. Das hat sich dann erst mit den neuenKameraprofessoren Walter Kindler und Christi-an Berger geändert. Mit diesem Generations-wechsel wurden dann auch viel mehr Frauenaufgenommen. Aber es gab eine glückliche Fügung, die mich damals sehr ermutigt hat. Genau in dem Jahr, als ich begonnen habe inWien zu studieren, kam Johanna Heer als Gast-professorin für Kamera an die Wiener Filmaka-demie. Sie war die erste etablierte Kamerafrau,die ich kennengelernt habe. Für mich war dieBegegnungmit ihr da-mals wirklichsehr wichtig.

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Fotos: Sabine Felber(1,2,3), privat(4,5,6)

Julia Höhnemann

Britta Becker

Gisela Tuchtenhagen

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Danach habeich dann den

Austauschauch mit anderen Kamerafrauen wie Elfi Mi-kesch oder Sophie Maintigneux gezielt gesucht,weil mich das bestärkt hat.

Anne Misselwitz: Ich habe den Eindruck, dassFrauen inzwischen gerade in der Ausbildungs-phase bewusst gefördert werden und es in denHochschulen ein ausgesprochenes Anliegen ist,die Filmwelt vor allem auch in den technischenBereichen mit mehr weiblichem Einfluss zu be-reichern.Wir waren zwar in meinem Jahrgangnur sehr wenig Studentinnen, aber in meinerWahrnehmung gab es immer viel Interesse,vielleicht auch Neugier, gerade mit einer Kame-rafrau zu arbeiten.

Ich denke, die Hü� rden kommen dann spä-ter, wenn es darum geht, aus den Nischen derniedrigfinanzierten, kleinen, feinen und künst-lerisch auch oft sehr wertvollen Produktionen(in denen Frauen sich oft finden und hier tolleFilme mit ganz individuellen Handschriften realisieren) in normal bis gut finanzierte Pro-duktionen zu avan cieren. In Projekte, die dann

nicht nur vielfälti-gere und teuretechnische Mittelfür die Bildgestaltung möglich machen, son-dern auch die Chance zur breiteren Wahrneh-mung der eigenen Arbeit bieten.

Allerdings gab es für mich während meinerAusbildungszeit – und auch heute noch – tat-sächlich wenig weibliche Vorbilder im Kamera -bereich. In dieser immer noch recht mä� nner -dominierten Branche wird mir nach wie vor ge spiegelt, dass es ungewöhnlich ist, als Frauhinter der Kamera zustehen. Es ist also eine Frage des gesellschaftlichen Selbstverständnis-ses. Für mich ist es ein ganz normaler Beruf, indem ich die Möglichkeit habe, meine Begabun-gen, Interessen und meine Leidenschaft verei-nen zu können, worüber ich sehr glücklich bin.Und die kleine Gedankenpause, die viele daranhindert das Wort »Kamera(äh)frau« flüssig überdie Lippen zu kriegen bestätigt mir, dass das ge-sellschaftliche Selbstverständnis für Frauen indiesem Beruf noch Entwicklungspotential hat.

Eva Katharina Bühler: Hürden im klassischenSinne gab es in meiner Ausbildung keine. Ich

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Alicja Pahl

Christine A. Maier

Julia Daschner

Special Frauen in den Medien

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hatte manchmal das Ge-fühl, dass es etwas längerdauert, bis man als Frauwahrgenommen wird, und ich mir meinenStand etwas härter erkämpfen musste, mich gegen die Jungs beweisen. Wenn man dieseHürde dann aber erst mal hinter sich hat, istman natürlich auch wieder im Vorteil, weil mandann eine der wenigen Frauen in diesem Berufist und einen besonderen Stand hat.

Beatrice Susan Mayer: In meinem Ausbildungs-betrieb war die Chefin eine Kamerafrau. Dawurden ich als junge Frau gefördert. Ich denke,eine Mentorin hilft schon sehr. Wenn man esdann aber geschafft hat – und ich bin jetzt seit25 Jahren als Kamerafrau tätig – hat mandurchaus auch ein Privileg, denn es gibt ja nichtso viele Kamerafrauen.

Julia Daschner: Im Wettbewerb um die bestenProjekte geht es bereits an den Filmhochschulenunter den Kamerastudenten um Kopf und Kra-gen. Studentinnen gehen dabei weniger aggres-siv vor, stecken eher mal zurück. Ich kenne sol-che, die im zweiten Studienjahr keinen Film

gedreht haben, weil ein ge-hypter Kamerastudent ausdem vierten Jahr auch allesandere drehte. Wer aber dieHochschule nicht mit einerengen Verbindung zu mindes-tens einem Regisseur/in undProduzent/in verlässt, hat esdanach deutlich schwerer, einDebüt zu drehen. Selbst wennHochschulen darauf achtenund sich dadurch beim Di-plom die Geschlechter nochdie Waage halten, drehen vie-le Kameraabsolventinnen jah-relang keinen langen Debüt-film. Und das liegt nicht anFamilienplanung, weil dievielfach aus Angst weit nachhinten geschoben wird.

Wenn man sich etablie-ren konnte, taucht mit einemeventuellen Kinderwunschdie nächste Hürde auf. ZumGlück gibt es auch hier mitt-lerweile etablierte Kamera-frauen, die sich für Kind undKamera entscheiden und so-

mit Vorbild wie Vorreiter sein können – auchhinsichtlich eines neuen Berufsverständnisses.

Sophie Maintigneux: Man könnte diese Bran-che als »süße« Mafia bezeichnen. Wer kenntwen? Wer hat Interesse an wem? Für die aller-meisten existiert das Frauen-Thema einfach garnicht, da fehlt das Bewusstsein, und zwar aufbeiden Seiten, männlich und weiblich. Vielejunge Frauen stoßen die Wörter Frauenquote,Frauenrechte oder Feminismus ab. Dieses Ver-gegenwärtigung kommt erst später, mit 40,wenn Frauen anfangen sich zu hinterfragen.Davor geht es eher darum, sich auf dem Marktzu etablieren.

Daniela Knapp: Es gibt zu viele Männer in füh-renden Positionen, die das »Abenteuer Film-dreh« lieber mit ihresgleichen erleben wollen.Und dann beginnt der Negativkreislauf: Es gibtwenige etablierte Kamerafrauen, deswegen giltder Kameramann als das »Normale« und manmuss erstmal argumentieren, warum es eine

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Fotos: privat(1,2,3,4,5)

Sonja Rom

Yoliswa von Dallwitz

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Frau machen soll und warum nicht das »Nor-male« gemacht wird.

Sonja Rom: Tatsächlich muss ja nur ein Pro-duktions-Assi über einen sagen, »Die istmanchmal schwierig«, dann machen die mei -sten Produktionsleiter einen Rückzug, und esbraucht sehr starke Regisseure, um eine Kame-rafrau durchzusetzen.

Birgit Gudjonsdottir: Auch Frauen verhindernoft andere Frauen im Team. Stattdessen solltenwir alle versuchen, andere Frauen so oft wiemöglich zu fördern!

Miriam Kolesnyk: Ich habe mehrfach die Er-fahrung gemacht, dass die Leute am Ende ganzbegeistert von meiner Arbeit waren und davon,mit welche Energie ich extreme Drehtage ge-rockt habe – im Nachhinein ist mir klar gewor-den, dass sie mich als zierliche Frau vorher ein-fach unterschätzt haben. Zuvor habe ich michals Frau nie direkt diskriminiert gefühlt, aberdas hat mir schon zu denkengegeben. Ich liebe es, an gro-ßen Sets zu arbeiten und einTeam anzuleiten.

Die schwere Kamera… …das war ein Argument, das ganz viele Männer uns gegenüber im Gespräch als erstes genannt haben…

Birgit Gudjonsdottir: Dieser Unsinn, dass eineHandkamera zu schwer für eine Frau sei! Eine35mm-Kamera wiegt so viel wie ein Kleinkind,da sagt doch auch keiner, dass das zu schwer füreine Mutter sein könnte und will ihr die Kinder -erziehung verbieten…

Melanie Brugger: Dass man das körperlichnicht schaffen könnte, glauben in der Tat an-scheinend viele. Erst wenn ich dann erzähle,dass ich Sport studiert habe und auf dem Bau-ernhof aufgewachsen bin, ist das Thema in derRegel vom Tisch.

Anne Misselwitz: Auch ich werde ständig ge-fragt, ob die Kamera nicht zu schwer sei fürmich, oder was die Kamera denn eigentlich wie-ge. Ein 2 1/2 jä� hriges Kind wiegt auch nicht we-

niger als eine voll gerigg-te Alexa, also an kör -per licher Kraft mangeltes uns doch nicht.

Frauen in den MedienSpecial

Caroline Rosenau

Melanie Brugger und Lorenz

Fotos: privat(1,2,3)

Christiane Buchmann

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Caroline Rosenau: Ich habe den Eindruck sei-tens der Redaktionen und Producer, dass manuns den Job, die Ausdauer mental und körper-lich einfach nicht so wirklich zutraut. Seltsamist nur: Für sensible Themen, typische »Frauen -themen« ist das dann plötzlich kein Thema, dascheint es kein Problem zu sein.

Nur wollen wir nicht immer nur typischeFrauenthemen drehen, oder Dokumentarfilm.Szenisch und Werbebereich können wir Frauendefinitiv auch.

Sonja Rom: Eine Regisseurin sagte mal zu mir,»Weißt du, du bist diese kleine Frau mit dieserriesigen Kamera auf der Schulter, ich hab’ immer Angst um dich.« So hatte ich das nochnie gesehen, ich fühl mich groß und finde dieKamera gar nicht schwer auf meiner Schulter...

Beatrice Susan Mayer: Oft fragen auch die Pro-tagonisten, ob das nicht zu schwer für eine Frausei und dem Redakteuer wird dann vorgehal-ten, dass er ja nicht gerade ein Kavalier sei,wenn er die Frau alles schleppen läßt.

Daniela Knapp: Es gibt insgesamt zu viele Vor-urteile. Auch ich werde oft noch gefragt, ob mirdie Kamera nicht zu schwer ist. Und diese Ansicht, dass Frauen mit Technik ein Problem haben, ist absurderweise noch total verbreitet.

Big Budget: Warum fallen Frauen oftdurchs Raster, sobald es um viel Geld geht?Was im Umkehrschluss natürlich auch erklärt, warum sie nicht so etabliert sind…

Sophie Maintigneux: Der Dreh ist eine subtileMaschinerie, künstlerisch und wirtschaftlichgesehen. Je größer das Budget, desto größer derDruck (so wenig Überstunden wie möglich, kei-ne Drehplan-Überschreitungen, Bilder zu pro-duzieren die dem Markt entsprechen...). VieleLeute zweifeln immer noch an weiblicher Füh-rungskompetenz und Selbstverantwortung.

Ein anderer wich tiger Punkt ist das tief ver-ankerte Vorurteil, ein Bildgestalter könnte eineSchauspielerin besser ausleuchten als eineBildgestalterin.

Die Ironie des Schicksals ist, dass Bildge-stalterinnen in Filmen mit kleinem Budget

glänzen: ihre Energie, ihre Motivation, ihreÜberzeugung und sogar ihre Kreativität sindwillkommen.

Susana Salonen: Die Konkurrenz um große,teure, renommierte Kamerajobs ist hart. Da fal-len viele durch. Nicht nur Frauen. Aber ich mer-ke an mir selbst, dass ich dazu neige, mein Lichtunter den Scheffel zu stellen. Das ist karriere-mäßig ziemlich kontraproduktiv.

Christine A. Maier: Ich denke, die Bringschuldvon Frauen in der Branche ist noch immer höher. Die Auswirkungen bei einem Flop sindgrößer als bei einem Mann, nicht nur in Bezugauf die einzelne, sondern auch auf die potentiellnächsten Regisseurinnen und Kamerafrauen,die dann nicht mehr angefragt werden, weilman ja jetzt mit einer »Frau« keine gute Erfahrung gemacht hat.

Daniela Knapp: Wenn viel Geld im Spiel ist,dann will niemand ein Risiko eingehen. Frauenhaben oft eine falsche Bescheidenheit. Sie wol-len sympathisch wirken und erzählen deshalböfters von ihren Schwächen. Das klingt natür-lich hochriskant. Da können und müssen wirFrauen selbst aktiv etwas dagegen tun!

Caroline Rosenau: Das liegt nicht nur daran,dass es eine Männerdomäne ist, sondern daran,dass die Situation in Deutschland insgesamtbranchenübergreifend so ist. Frauen verdienenin vielen Fällen ja auch einfach weniger als ihremännlichen Kollegen.

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Judith Kaufmann bei den Dreharbeiten zu Elser

Foto: Lucky Bird Pictures/Bernd Schuller

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Uns traut man ein Studium noch zu, einpaar Jahre im Beruf arbeiten, aber dann heißt esFamilie gründen und zuhause bleiben oder inTeilzeit arbeiten. Unsere Gesellschaft hat daeinfach noch ein ganz altes Frauenbild. Ein bis-schen Selbstverwirklichung, ein bisschen Aner-kennung, aber dass wir genauso wie unseremännlichen Mitstreiter arbeiten wollen undkönnen und genauso gut sind, wird bisher nichtso gesehen.

(Wie) kann man Kindermit diesem Beruf vereinbaren?

Sophie Maintigneux: Alte Frage. Unter demMotto Kino Karriere Kind hatte der Verband derFilmarbeiterinnen im Jahr 2000 ein Kolloquiuman der Akademie der Künste organisiert. Schondamals war klar, dass diese Frage mit gesell-schaftlichen und politischen Aspekten verbun-den ist. Welche Lösungsansätze gibt es? MehrVaterschaftsurlaub, weniger Vorurteile gegen -über der »Rabenmutter« (schreckliches Wort!),mehr finanzielle Unterstützung für Tagesmüt-ter, mehr Beistand nach der Schwangerschaft…

Miriam Kolesnyk: Bei Veranstaltungen habeich beobachtet, dass ein Mann mit Kind we-sentlich positiver wahrgenommen wird als eineFrau in derselben Situation. Bei Frauen wird an-scheinend angenommen, dass Kinder mit demBeruf nicht zu vereinbaren sind.

Lotta Kilian: Die Filmbranche sollte sich insge-samt engagieren, ein familienfreundliches Ar-beiten zu gewährleisten. Ich denke viele habendas Gefühl, dass sie sich zwischen Familie undBeruf entscheiden müssen, was vielleicht auchabschreckt, diesen Beruf zu erlernen.

Gisela Tuchtenhagen: 1989 plante ein Schwei-zer Regisseur einen Dokumentarfilm über denLuchs in den Schweizer Bergen und wollte michals Kamerafrau dafür engagieren. Er kanntemeine Filme und traute mir für sein Projektmehr Zähigkeit zu als bergsteigerprobten Ka-meramännern. Ich hatte ein Jahr vorher zweiKinder adoptiert und lehnte deshalb meineMitarbeit spontan ab. Der Regisseur verschobunsere Dreharbeiten in die Sommerferien und

mietete ein Haus mit Köchin am Drehort.Glücklicherweise konnte auch eine befreunde-te Lehrerin mitkommen. Für meine Kinder plusHund war während der sechswöchigen Dreh-zeit bestens gesorgt. Es war zwar schon eine zu-sätzliche Belastung für mich, aber insgesamteine gute Lösung.

Melanie Brugger:Mein letzter Spielfilmdrehwar in Italien, wir hatten 40 Drehtage, 9- bis 10-Stunden-Tage, samstags 7 Stunden und insge-samt nur sechs Überstunden. Es geht also. Undmein Freund, der Elternzeit genommen hat,und unser Sohn waren auch vor Ort.

Daniela Knapp: Das ist sehr ähnlich wie in an-deren Berufen: man braucht den richtigen Part-ner, man braucht gute Nerven für Absprachen,man braucht allerdings auch mehr Geld fürKinderbetreuung! Und man muss die Vorberei-tungszeit möglichst effizient gestalten.

Julia Daschner: So lange in der Gesellschaftoder auch in der einzelnen Partnerschaft Kin-derbetreuung als Frauensache angesehen wird,bleibt das Problem bestehen. In einer gleichbe-rechtigten Partnerschaft müssen beide gemein-sam eine flexible Lösung finden. Dann nämlichsteht ein Regisseur, Produzent oder auch Ka-meramann, der Kinder hat, vor den gleichenFragen. Um Lösungen zu finden, muss diesesProblembewusstsein offen in der Branche dis-kutiert werden. Das wird bislang viel zu weniggetan, da keiner Probleme von Vereinbarkeiteingestehen will.

Besserung: Was würde helfen, um dieSituation von Kamerafrauen zu verbessern?

Christine A. Maier: Als eines der wichtigenBranchenblätter sollte der Kameramann einSignal setzen und sich endlich umbenennen,damit es alle Kamera leute im Titel trägt!

Sophie Maintigneux: Zum Beispiel an diesemArtikel mitzuwirken. Aufhören, den Kopf in denSand zu stecken, und das Schweigen beenden.

Sanne Kurz: Wir brauchen geschlechtsneutra-le Berufsbezeichnung. Wir brauchen Kollegin-

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Frauen in den MedienSpecial

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nen, die Anfängerinnen Mutmachen. Und wir müssenselbst mit gutem Beispiel vor-angehen und Menschen –nicht Frauen oder Männer –buchen.

Daniele Knapp: Es muss in allen führenden Positionen(Produktion, Regie etc. ) mehrFrauen geben. Dann werdenautomatisch mehr Geschich-ten erzählt, in denen Frauennicht nur Stichwortgeber oderFreundinnen der männlichenHauptfigur oder das tote Op-fer sind – es werden interes-santere Filme entstehen undlangfristig wird unsere Gesell-schaft anders, neu geprägt.Junge Mädchen bekommen neue Vorbilder. Umdiesen Prozess zu beschleunigen, ist meinerMeinung nach an vielen Stellen eine Frauen-quote sehr sinnvoll.

Und ich finde es ganz wichtig, vor allem diejungen Mädchen generell in technischen Beru-fen zu fördern! Girls go movie – ein Filmfestivalin Mannheim für Mädchen und junge Frauen,ist ein sehr gutes Beispiel dafür; deshalb bin ichauch eine der Schirmherrinen dieses Festivals,das ich wirklich fantastisch finde. Es zeigt denMädchen, dass Film Teamwork ist, dass beimFilm sein nicht nur als Schauspielerin möglichist, sondern auch als Tonfrau. Film kann dieThemen, die die Mädchen bewegen, transpor-tieren und andere Menschen bewegen. DasFestival setzt meiner Meinung nach am richti-gen Punkt an.

Ich werde meiner Tochter sagen, dass für siealles möglich ist!

Miriam Kolesnyk: Es wäre gut, wenn wir mehrhervortreten, sichtbarer, selbstbewusster wer-den. Es muss allen klar werden, dass Frauennicht nur Frauenfilme oder Dokfilme machen,sondern dass wir vielseitig sehr gute Arbeit lei -sten, zuverlässig sind und hart arbeiten.

Anne Misselwitz: Wir brauchen insgesamtmehr Mut zum Risiko. Damit meine ich nichtdie Arbeit mit Kamerafrauen, sondern ganz all-

gemein die Entscheidungen, die innerhalb derFördergremien und Redaktionen getroffen wer-den, die sich allzuoft auf alteingesessene Struk-turen, Personal und Inhalte verlassen und da-durch unbekannteren Leuten (Frauen undMännern) und unkonventionellen und innova-tiven Themen und Konzepten keine Chance zurRealisierung unter normalen Bedingungen ge-ben. Wenn sich diese Strukturen änderten, wür-de das nicht nur die Situation von Frauen in derFilmbranche verbessern, sondern auch denDeutschen Film und das Fernsehen belebenund ihnen zu neuen Qualitäten verhelfen.

Julia Hönemann: Ich glaube, dass es generellmehr Anerkennung für Kameraleute gebenmuss – unabhängig ob Mann oder Frau. Momentan ist die Chance, als Kameramensch einen Preis zu bekommen, sehr klein, denn inDeutschland gibt es gerade mal eine Handvolletablierter Kamerapreise – wenn überhaupt.

Und ich denke es würde helfen, wenn sichKameraleute insgesamt besser vernetzen.

Sonja Rom: Ich bin sicher, dass positive Vorbil-der Mut machen. So jemand wie Uta Briesewitz,oder Anna Förster, die beide in den USA in teu-ren Produktionen Kamera machen. Wahr-scheinlich ist es wichtiger als ich dachte, dassman von ihrem Erfolg erzählt und es im Be-wusstsein der FilmemacherInnen als ganz

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Was würde helfen, um die Situation von Kamera frauen zuverbessern? Die Anzahl von Frauen im Kamerateam erhöhen!Das Kamera-Department bei Hochzeit meiner Eltern (RealFilm) mit Birgit Gudjonsdottir (DP), Thorsten Alt (SC, KA), Lotta Killian (DP 2.K),Sarah Alisch (2.KA), Janine Paetzold (2.KA), Kevin Huthmann (K-Pr).

Foto: Dirk Domcke

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selbstverständlich verankert, dass natürlichauch eine Frau das schaffen kann.

Jana Marsik: Ich glaube, dass sich die Situationvon Kamerafrauen verbessert, wenn die Verein-barkeit mit der Familie sich verbessert.

Wir brauchen große und interessante kleineund feine Projekte. Und Partner, die uns unter-stützen, in dem, was wir tun und lieben, unduns dabei eine gute Mutter sein lassen.

Christine A. Maier: Definitiv die Quote. Dass daeine ökonomische Umverteilung freiwillig pas-siert, glaube ich nicht mehr. Die Forderung vonPro Quote Regie in Deutschland finde ich des-halb toll, weil sie eine gerechtere Verteilung vonöffentlicher Filmförderung für Frauen undMänner fordert. Das wäre ein Anfang.

Hast du konkrete Forderungen?

Daniela Knapp: An alle Frauen: Traut euch,stellt euer Licht nicht unter den Scheffel, gehtauch mal das Risiko ein, euch erstmal unbeliebtzu machen, um etwas zu erreichen. Man kannund muss auch selbst was tun, um die Situationzu verbessern.

Alicja Pahl: Wir brauchen eine Frauenquote fürAusbildung, Geldvergabe, Stipendien undPreisnominierungen. Und Frauen sollten sichgegenseitig mehr fördern und weiterempfeh-len! Es gibt genausoviele oder -wenige hervor-ragende Kameramänner wie Kamerafrauen,und es gibt genausoviele schlechte Kamera-männer wie -frauen.

Birgit Gudjonsdottir: Frauen müssen Frauenfördern. Wir brauchen Coaching-Seminare, umzu lernen, wie wir besser und stärker werden.

Sophie Maintigneux: Meine konkrete Forde-rung ist, mehr Mut zu haben sich mit den Themen Gender und Geschlechter-Rollen (Er-wartung an Frauen, Frauenklischees, Selbstver-trauen der Frauen...) zu konfrontieren. WenigerSelbstlüge und mehr Aktion! Was die Regisseu-rinnen mit Pro Quote Regiemachen, ist wunder-bar und nötig. Endlich! Wir sind noch sehr weitweg von Parität und Gleichheit. Jede neue Gene-

ration muss sich mit diesem Thema aufs neuebefassen und ihre Forderungen defi nieren.

Lotta Kilian: Kamerafrauen müssen gleich vielverdienen wie ihre männlichen Kollegen, siemachen schließlich auch die gleiche Arbeit. Lei-der scheint es immer eine besondere, oft the-matische, Rechtfertigung zu brauchen um eineKamerafrau zu engagieren, das muss sich ändern.

Christel Fomm Ja, an die Frauen: Lasst euchnicht euren Berufswunsch kaputt machen. Seidbeharrlich, setzt euch durch, tretet keinenSchritt zurück! Kamerafrau ist ein guter Beruffür Frauen: Er fordert Einfühlungsvermögen,Fantasie, Teamfähigkeit und Sinn für techni-sche Abläufe. Alles Frauenqualitäten.

Britta Becker: Frauen, unterstützt euch gegen-seitig, traut euch etwas zu und glaubt an euch!Treten selbstverständlich und selbstbewußtauf. Ich glaube, wir müssen selbst die Verände-rung sein.

Was muss sich ändern?

Daniela Knapp: Ich glaube, dass sich etwas än-dert, wenn man weibliche Vorbilder schafft unddiese sooft als möglich in den Focus rückt. Nichtnur im Bereich Film, sondern in allen Bereichen.

Ich glaube, dass sich etwas ändert, wenn esmöglichst viele Frauen in führenden Positionengibt. Deshalb bin ich auch Unterstützerin vonPro Quote Regie.

Ich glaube, dass sich etwas ändert, wennjunge Mädchen in technischen Berufen geför-dert werden und dadurch eine Selbstverständ-lichkeit entsteht: »Ist doch klar das Frauen mitTechnik umgehen können.« statt »Oh je – Frau-en und Technik…«

Birgit Gudjonsdottir: Es muss mehr Filme ge-ben, in denen Frauen mit Frauen über andereDinge als nur über Männer sprechen. In denenFrauen Berufe haben und darin erfolgreichsind. Filme die zeigen, dass Väter auch ihre Kin-der hüten und das nicht nur aus einer Notsitu-ation heraus. Es müssen Kinderfilme gemachtwerden, in denen Mädchen genausoviel reden

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Frauen in den MedienSpecial

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dürfen wie Jungs und mehr sind als nur alsStaffage figuren für Jungsgeschichten. Schon imKin der garten und in der Schule müssen Mäd-chen auch technisches Handwerk lernen, da-mit sich endlich die Rollenklischees ändern.

Christel Fomm Wir brauchen selbstbewussteFrauen! Frauen, die Lust auf einen verantwor-tungsvollen, gnadenlosen Beruf haben! Und wirbrauchen Männer, die diese Frauen unterstüt-zen. Und keine Angst vor ihnen haben!

Beatrice Susan Mayer: Der Beruf der Kamera-leute steckt in einer Krise, wie die gesamte Me-dienbranche. Jetzt sind wir gefragt gemeinsamwieder für mehr Wertschätzung unserer Arbeitund damit bessere Bedingungen zu kämpfen,und da müssen Kamerafrauen und Kamera-männer an einem Stick ziehen. Deshalb enga-giere ich mich auch im BVFK.

Birgit Gudjonsdottir: Ohne Quote wird eskaum eine Gleichberechtigung geben. Wirbrauchen mehr Solidarität. Wir müssen die

Regisseurinnen von Pro Quote Regie in ihremKampf um die Quote unterstützen! Gemein-sam können wir viel erreichen.

Gisela Tuchtenhagen: Wir brauchen Kamera-frauen, bei denen nicht die Technik das Maßaller Dinge ist, die sich nicht der Fernsehlogikunterwerfen, die Fantasie haben, das Beste-hende zu verändern, unbeirrbar durch Erfolgeund Misserfolge ihrem schönen weiblichenBlick vertrauen. Denn sie sind nun mal Frauen.

Eva Katharina Bühler: Ich glaube, familien-freundlichere Arbeitsbedingungen würden unsallen helfen, auch den Männern. Außerdem einbesseres Networking unter den Kamerafrau-en/Regiesseurinnen. Wir wenige müssen unsgegenseitig unterstützen, austauschen, für Jobsvorschlagen! Vielleicht müssen wir dann jairgendwann nicht mehr darüber reden wie »besonders« es ist, Kamerafrau zu sein.

Die Interviews führten Evelyn Voigt-Müller und Monika Kijas

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Meine 10 »mir wäre es wirklich lieber, du würdest…«… für bessere Arbeitsbedingungen für alle Filmschaffenden eintreten: Die Arbeitszeit muss gesenkt und kontrolliert und die Bezahlung muss verbessert werden.

… sobald es um öffentliches Geld geht, eine Quote einführen – und zwar in allen Gewerken. Ohne Quote wird es kaum eine Gleichberechtigung geben.

… insgesamt mehr auf unsere Sprache achten.

… Kamerafrauen nicht dauernd fragen, ob die Kamera nicht zu schwer für sie ist. Frauen können Technik!

… Kamerafrauen und andere Medienfrauen sichtbarer machen. Dazu können Medien, Festivals, Firmen und andere Filmschaffende beitragen. So werden diese Frauen auch zu Vorbildern für die nächste Generation.

… in Anzeigen nicht Models neben einer Kamera fotografieren, die taugen nun wirklich nicht als Rollenvorbild. Es geht doch nicht um »toys for antiquated boys«, sondernum Werkzeuge für kreative Menschen.

… unterstützten, dass Frauen und Männer in ihren Filmen vielfältige Geschichten erzählen können, in denen Frauen nicht nur Stichwortgeberinnen oder Dekoration sind.

… einsehen, dass Regisseurinnen und Bildgestalterinnen nicht nur Frauenthemen, sondern alle Arten von Geschichten erzählen können.

… einsehen, dass Regisseurinnen und Bildgestalterinnen auch mit ganz großen Budgets umgehen können und wollen.

… erkennen, dass Mütter und Väter keine Probleme, sondern Kinder haben. Sie können genauso gebucht werden wie Menschen ohne Kinder – und wenn die Arbeitszeiten etwas normaler und die Gagen etwas höher werden, können sie sich ein Netzwerk schaffen, das trägt. Und: Kinderbetreuung am Set ist möglich. Evelyn Voigt-Müller

Foto: Sabine Felber

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Prof. Isabell Welpe leitet an der TU Münchenden Lehrstuhl für Strategie und Organisationund hat schon zahlreiche Genderstudiendurchgeführt. Bei einer Untersuchung der Ver-teilung von Führungspositionen im Medienbe-reich kam sie im vergangenen Jahr zu einer er-staunlichen Erkenntnis: Hier ist der Anteil vonFrauen noch deutlich geringer , als in der übri-gen Wirtschaft. So sind nur 2% der Chefredak-tionen bei Zeitungen weiblich geführt, beimFernsehen sind es 18%. Untersucht hat Welpeund ihr Team auch das Bild, das die Medien vonFrauen erzeugen – und da sieht es nicht vielbesser aus: nur 24 % der Personen, über die inMedien berichtet wird, sind weiblich, in der Re-gel werden sie gefragt, wenn es um die Meinungvon Laien oder persönliche Erfahrungen geht;braucht man hingegen eine Expertenmeinung,so wird die in 80% aller Fälle von einem Manneingeholt.

Warum ist das so? Da hört man die unter-schiedlichsten Argumente. Da ist zum einen diesogenannte Trichter- oder Pipeline-Theorie, diein den Raum stellt, dass es einfach nicht genü-gend gut ausgebildete Frauen gebe. Schaut mansich die Absolventenzahlen von Hochschulenan, so kann man allerdings leicht erkennen,dass das mittlerweile in fast allen Fachberei-chen Unsinn ist. Auch gerne genommen: diesogenannte Defizit-Theorie. Frauen fehle et-was, was notwendig sei, um den Karriereschrittzu machen oder eine Führungsposition zuübernehmen. Einzelbedürfnisse und -erfah-rungen werden hier einfach verall gemeinert

und allen Frauen übergestülpt. Und dann gibtes da noch die Stereotypen, die als Bilder in denKöpfen oft vollkommen unbewusst da sind. Esgibt da interessante Untersuchungen über dieZuschreibung von Wärme (also der ganze Ge-fühlsbereich) und Kompetenz bei Mann undFrau. Während ein typischer Mann von derMehrheit als sehr kompetent und »mittel-warm« wahrgenommen wird, ist die typischeFrau in der Wahrnehmung kaum kompetent,hingegen »sehr warm«. Karriere-Mann und-Frau unterscheiden sich kaum, sie werden beide als sehr kompetent und eher kühl wahr-genommen. Das zeigt nun, dass das Gefälle zwi-schen der Wahrnehmung einer typischen Frauund einer Karriere-Frau sehr viel größer ist, alsdies bei Männern der Fall ist. Eine Karriere-Frauwird also als sehr untypisch wahrgenommen.Erst wenn sich diese Kopfbilder mehrheitlichändern, wird sich auch die Situation für Frauen,die Karriere machen oder bisher männertypi-sche Berufe ergreifen wollen, ändern.

Prof. Welpe sieht keinen Mangel an wissen-schaftlichen Erkenntnissen zur Thematik, es seialles erforscht, sagt sie, jetzt gehe es darum,dass die Erkenntnisse in den Köpfen der Men-schen ankommen und dort die alten Stereoty-pen überschrieben werden. Nicht die Frauenmüssen sich ändern, sondern die Strukturen!

Auf der individuellen Ebene könne man alsFrau am eigenen Selbstbewusstsein arbeitenund durch eine gute Selbstdarstellung dafürsorgen, dass und wie man wahrgenommenwerde. Noch viel wichtiger ist es aber, dass aufder organisatorischen Ebene die Veränderun-gen von ganz oben gewollt seien und unter-stützt würden. Hier ist im Filmbereich Schwe-den ein hervorragendes Vorbild. Und auf dergesellschaftlichen Ebene sieht Welpe die Me-dien in der Pflicht, denn sie liefern die Rollen-modelle – im Positiven wie im Negativen. evm

Das Problem steckt in den Köpfen

Frauen in den MedienSpecial

»Nicht die Frauen müssen sich ändern,sondern die Strukturen und die Rollenbilder.Was wir brauchen, ist ein Kulturwandel.«Prof. Isabell Welpe, TU München

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Intellekt vs. InstinktMaryse Alberti hat sich für uns beim Camerimage 2014 Zeit genommen, um eineaußergewöhnliche Karriere zu reflektieren, die viele Wendepunkte des Glücksnahm: Sie nahm stets ihre Chancen wahr und schreckte vor Gefahren nicht zurück.

Happiness, Velvet Goldmine, The Wrestler –Sie waren verantwortlich für die Bildgestaltungganz vieler wunderbarer Spielfilme. Aber Siekommen vom Dokumentarfilm. Sehen SieÜberschneidungen der beiden Welten?Maryse Alberti: Dokumentation und Spiel -film – das sind absolut unterschiedliche Vorge-hensweisen. Beim Spielfilm hat man viel mehrZeit zur Vorbereitung, um den Stoff intellek-tuell zu durchwirken. Natürlich ist alles größer,es herrscht ein größerer Druck, was Zeit, Finanzen und persönliche Befindlichkeitenanbelangt. Wenn man beim Dokumentarfilmeinmal das Thema erfasst hat, funktioniertman draußen instinktiv, reagiert auf Personenund Orte. Es geht also um den unterschied -lichen Schwerpunkt auf Intellekt beziehungs-weise Instinkt.

Ich mag beides, das Abenteuerliche desDokumentarfilms ist wiederum intellektuellstimulierend. Ich wähle dabei Filme, die michzum Denken bringen, Themen, über die ichnoch nichts weiß. Das ist fast wie eine Schulefür mich. Übrigens stehen hier im Katalog desCamerimage-Festivals falsche Informationenüber mich: Ich habe nie eine Filmschuleabgeschlossen. Meine Schule war die Welt, dasFilmen selbst.

Was brachte Sie ins Filmbusiness?Maryse Alberti: Glück, absolutes Glück. Ichhabe wegen Freunden angefangen. Ich habeals Fotografin versucht Fuß zu fassen und lebteerst einmal als ganz arme Künstlerin im EastVillage. Dann kam ich auf ein Filmset, weil Freunde mir empfohlen hatten, dort werde für

eine Standfotografin 50 Dollar am Tag bezahlt –wieder Glück also. Da sah ich zum ersten MalFilmkameras und die ließen mich nicht los.

Man liest, der Job war an einem Porno-Set…Maryse Alberti: Ja. Die Porno-Industrie der1970er- bis hin zum Anfang der 80er Jahre – vorAids – bestand zu weiten Teilen aus ganz jun-gen Leuten, Studenten der NYU und ColumbiaUniversity. Die Älteren waren der Produzentund Regisseur, darum nur junge Leute. Einrichtiger »training ground« war das. Ich kenneeinige Leute, die heute berühmt sind und großeHollywood-Filme machen und dort angefan-gen haben. Es war großartig für mich, ich habeviele Fotos für mich aufbewahrt und spätereine große Galerie-Ausstellung damit gestaltet.Von da aus lernte ich weitere Leute kennen, diemich in den Dokumentarfilm brachten. Es warein Tonmann, der beispielweise einen Kamera-mann kannte, der nach einer Assistenz suchte:Jean de Segonzac. Ich arbeitete dann einigeJahre, er bekam tolle Jobs, und ich lief so mit. Erwar sehr großzügig und schubste mich ausdem sicheren Nest, als es die richtige Zeit warum mich selber zu beweisen. So halte ich dasbis heute auch mit meinen Assistenten, von denen einige mittlerweile selber als DPs gut imGeschäft sind.

Wäre dieser Weg heute möglich?Maryse Alberti: Das ist eine sehr gute Frage.Ich sage den Jungen immer, das Business isteine Mischung aus einigem Talent, richtig har-ter Arbeit, und dann ist es immer wieder Glück.Heute ist es aber schwieriger, weil es immer

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Maryse AlbertiSp

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Maryse Alberti……geboren am 10. März 1954, ist als Französin in den USA hängengeblieben und als Kamerafrau fürSpielfilm wie Dokumentarfilm äußerst erfolgreich. Auf ihre Rolle als Frau im Geschäft angesprochensagte sie der L.A. Times einmal, am Anfang ihrer Karriere hätten sie Crewmitglieder auf ihre kleineStatur angesprochen. Sie antwortete: »Die kleine Frau trägt nicht die großen Lampen. Das macht ihr.«Filmografie: www.cinematographers.nl/PaginasDoPh/alberti.htm

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Foto: Sab

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mehr Wettbewerb gibt. Denn jeder mit einerkleinen Kamera ist heute grundsätzlich ja inder Lage, es selber zu tun. Das ist einerseits gut,es demokratisiert die Industrie. Und es istschlecht, weil so viel – mit Verlaub – Scheiß unterwegs ist. Ich weiß nicht, ob die Kunst derBildgestaltung verlorengegangen ist. Aber siewurde jedenfalls zurückgedrängt, der Respektvor dem Bild hat abgenommen. Reality TV istdafür das entscheidende Beispiel. Auf Filmmusste man seine Lichtsetzung im Griff haben,weil man die Ergebnisse nicht direkt gesehenhat und es viel kostete. Kurz: es ist also eineschwierige Situation heute. Zugleich ist der Director of Photography selbst zum Star ge -worden – sie interviewen mich ja gerade! Wissen Sie was, die Welt ist insgesamt kom-plizierter. Mein Sohn ist 21, in wenigen Jahrenist er im Job. Ich beneide ihn nicht.

Was macht die Essenz eines guten Bildes aus?Maryse Alberti: Tja, was ist ein gutes Bild? Dashängt vom Betrachter ab. In Filmen sollte das

Bild aber immer der Geschichte dienen, so ein-fach ist das. Ich mache nicht das gleiche Bild fürWrestler oder Velvet Goldmine. Manchmal wirddas Bild stärker zu einem eigenständigenCharakter, wie eben in Velvet Goldmine. InHappiness soll man dagegen überhaupt nichtüber das Bild nachdenken.

Könnte man sagen, Umsicht ist bei derBildgestaltung wichtiger geworden?Maryse Alberti: Ich denke, wenn man Bilderschätzt, weiß man, wann ein Bild treffend ist.Und der durchschnittliche Zuschauer ist vonSchönheit getroffen, selbst wenn er das viel -leicht nicht bewusst erfasst. Man ist von einemBild in Der Pate umgehauen, auch wenn mandie Prinzipien der Gestaltung nicht versteht.Man weiß es emotional. Wir werden heute aberbombardiert mit schlechten Bildern. Abergleich zeitig, ich gebe es zu, ist amerikanischesFernsehen nicht nur der Hort für Reality TV,sondern auch für unglaublich gute Dramen.Wahrscheinlich gibt es da noch eine Balance,die Leute erkennen die Qualität wohl schon.

Dann würden wir Sie gern konkret fragen: ImWrestler gibt es unvergessliche Bilder – undeines davon ist sicher Mickey Rourke fast wiein einer Doku hinter der Fleischtheke. EinFleischberg vor Wurstwaren, die er verkauft…Maryse Alberti: Oh, ich liebe diese Szene. Wirhaben das in einem offenen Supermarkt ge -dreht. Darren Aronofsky hat dem Regieassis-tenten gesagt: Wir drehen das einfach so un-tertags. Und der sagte: Das ist verrückt. Er bliebnicht lange auf dem Set, kann ich Ihnen sagen.Ich bin jedenfalls ruhig geblieben, auch wennich mir dachte: Verrückt! Und es funktionerte.Wir haben für das Licht einfach nur die Birnenin dem Laden ausgetauscht. Es war auch fürmich unglaublich. Da kam diese alte schwarzeLady und kaufte einfach ein Hühnchen beiMickey Rourke, und er spielte die Szene durch.Das ist sehr selten. Aber ich würde den Wrestlernicht in die Nähe von Dokumentarfilmen rück-en wollen. Hat er einen dokumentarischen Stil?Nicht einmal das. Als Dokumentaristin ver-suche ich dem Editor Material vorzulegen,

viele Details und Totalen.Beim Wrestler ging es zumeistum einen langen Take. Es istsehr hart für mich, wenn mir

die dokumentarische Erfahrung unter solchen Bedingungen vorgehalten und gesagt wird:Mach mal einfach. Ja schon, sag ich dann. Abernicht wenn fünf Trucks hinter mir stehen mitEquipment und überall Statisten stehen.

Natürlich brauchen lange Szenen und langeTakes eben auch lange Vorbereitung…Maryse Alberti: Absolut. Und mit Mickeymussten wir sowieso gut vorbereitet sein, weilwir nicht viel Zeit hatten. Er macht drei odervier Takes und sagt dann, er hat nichts mehr zugeben. Aber mit einem großen Regisseur wieAronofsky geht es, solche Widersprüche zuvereinen. Übrigens habe ich mit M. Night Shya-malan Anfang 2014 einen Film gedreht, derauch lange Takes hatte. Auch er ist ein wunder-barer Regisseur, man würde angesichts seinerFilme gar nicht glauben, wieviel Humor er hat.Ich kann natürlich nicht verraten, wieso dielangen Takes notwendig waren, wie immer beiseinen Filmen. Aber auch diese waren extremlang vorbereitet – und haben also überhauptnichts Dokumentarisches. Ich habe den ganzen

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»Es ist hart für mich, wenn mir meine Dok-Erfahrung im Spielfilm vorgehalten wird.«

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Film aus der Hand gedreht. Was also ist doku-mentarisch? Das reicht von Frederick Wisemanbis Errol Morris. Die Gleichung Dokumen-tarisch gleich Handkamera und schwankendesLicht geht jedenfalls nicht auf. Die meistenDokus habe ich vom Stativ gedreht.

Lassen Sie uns kurz über Happiness reden: die Radikalität der Inhalte, die leisen Bilder ...Maryse Alberti: Jemand hat mir gestern ge -sagt, dass so ein Film heute nicht mehr finanziert werden könnte. Mein Agent hat mirdamals abgeraten. Ich sagte nur: Bist du ver-rückt? Ich will das machen! Heute habe icheinen anderen Agenten. Es war ein sehrschmales Budget, zwei Millionen Dollar, einsehr harter Dreh. Der Film war non union. Des -halb waren es sehr lange Drehtage. Todd be -reitet wirklich lange vor, dreht viel, und danndrechselt er den Film noch einmal im Schnitt -raum. Es gab eine weitere Vergewaltigung,unglaublich viel Material. Aber das fiel raus. Soein Film wäre heute kaum umzusetzen.

Taxi to the Dark Side oder Enron: The SmartestGuys in the Room sind nur einige der Klassiker im dokumentarischen Bereich ausIhrem Portfolio. An welche Erfahrungen er -innern Sie sich besonders gerne oder intensiv?Maryse Alberti: Wissen Sie, Crumb, das war1994, da war ich jung, das war toll. Der Cartoon-Künstler, den wir porträtieren, war selbst mitdem Regisseur Terry Zwigoff befreundet, dasPorträt ging sehr nah. Enron ist dagegen einFilm über Ideen, da steckt ein sehr intellek-tueller Prozess dahinten. Damals habe ich AlexGibney getroffen, mit dem ich mittlerweileneun Filme gemacht habe. Ich würde generellsagen, dass ich von der »dunklen Seite« an -

gezogen bin. Aber 2007 habe ich zum Beispiel In God’s Name für das Fernsehen gedreht. Wirkonnten um die Welt reisen, um mit zwölfgeistig-spirituellen Führungspersönlichkeitenzu reden. Kein besonders toller Film, aber ich hatte da eine tolle Zeit. Jeder der Dokumen-tarfilme war anders, ich war bei Revolutionendabei, ob in Russland oder Südafrika. Dasmache ich mitt lerweile nicht mehr, ich mini -miere Risiken, seit ich Mutter geworden bin.Aber es waren wunderbare Erfahrungen, sehrvielfältig. Mehr kann ich dazu kaum sagen. Wasmir im Rückblick auffällt: Das Digitale hat dieArbeit sehr verändert, die Möglichkeit, dieKamera einfach laufen zu lassen. Ich habe daseinmal gemacht – ich sage nicht, mit wem –aber das ist mir zu athletisch. Schließlich willich immer noch selbst kadrieren und schwen -ken. Man denkt damit aus meiner Sicht vorabnicht mehr über die Essenz der Szene nach. Ichversuche, solchen Regisseuren auszuweichen.Ich liebe die Regisseure, die auch große Inter-viewer sind: Gibney, Michael Apted, MartinSmith. Wie solche Leute die Gesprächsparnteröffnen, ist großartig. Für mich ein Privileg,dabei zu sein.

Verstehen wir Sie richtig: Das Risiko hat Sie früher regelrecht angezogen?Maryse Alberti: Wissen Sie, wenn man jungist, denkt man naiverweise, die Kamera wirdeinen beschützen. Das war wirklich dumm(lacht). Mit Martin Smith habe ich viele harteFilme gemacht, auch wenn es nicht sogefährlich wie Kriegsfotografie war. Er sagtemir rückblickend auf die Zeit: Du wolltest nichtsterben. Du hattest nur das Gefühl, du kannstnicht sterben. Heute bin ich vorsichtiger.

Interview: Christoph Gröner, Evelyn Voigt-Müller

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Erfolge von Maryse Alberti sind im Dokumentarischen wie im Spielfilm gleichermaßen auszumachen: DenIndependent Spirit Award gewann sie für 1 The Wrestler (2009), den Sundance-Preis für 2 Crumb (1995).

Fotos: Niko Tavernise/Fren

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Bei der ARD ist der Fernsehfilm fest in weib-licher Hand: Fast alle entsprechenden Abtei-lungen werden von Frauen geleitet. Umso selt-samer ist das offenkundige Missverhältniszwischen Regisseurinnen und Regisseuren:Laut der Initiative Pro Quote Regie wird nurrund jeder zehnte Fernsehfilm von einer Frauinszeniert. Fragt man nach den Gründen, hörtman überall die fast gleichlautende Antwort.»Wir haben tolle Regisseurinnen, auch vielejüngere, aber die, die man verpflichten möchte,haben oft schon andere Projekte«, sagt die fürdie Freitagsfilme im Ersten zuständige Degeto-Geschäftsführerin Christine Strobl. Auch Geb-hard Henke, Programmbereichsleiter Fernseh-film, Kino und Serie beim WDR, versichert, esstecke kein Vorsatz hinter dem Missverhältnis:»Die guten Regisseurinnen sind auf Jahre hin-

aus ausgebucht, so dass am Ende doch wiederein Regisseur beauftragt wird.«

Bei den Freitagsfilmen beträgt der Anteil derRegisseurinnen immerhin gut 20 Prozent. Da-mit sich das nicht zum Schlechteren ändert, hatStrobl nun eine Frauenquote eingeführt. DieGleichstellungsinitiative von Pro Quote Regiehabe das Bewusstsein geschärft: »Nach einerAbsage fragt man sich, mit wem man bei ver-gleichbaren Projekten schon gute Erfahrungengemacht hat; und das sind rein statistisch gese-hen eben oft Männer.« Ab sofort soll bewusstnach einer anderen Regisseurin gesucht wer-den. Martina Zöllner, Leiterin der Hauptabtei-lung Film und Kultur beim SWR, hat die glei-chen Erfahrungen gemacht: »Da es deutlichmehr etablierte Regisseure als Regisseurinnengibt, bekommt man von den Frauen häufigerAbsagen als von den Männern, und dann fällteinem als Ersatz eher ein Regisseur ein; das istein Teufelskreis.«

Mitunter hört man jedoch auch Antwortenwie die von NDR-Fernsehfilmchef ChristianGranderath, für den eine ganz andere Frage vielentscheidender ist: »Wer passt im Hinblick aufdie Geschichte, auf Inhalt und Ästhetik am be-sten zu einem bestimmten Stoff? Da schaue ichüberhaupt nicht darauf, ob das ein Mann odereine Frau ist. Viel wichtiger ist doch, ob er odersie das mutmaßlich kann.« Und dann gibt esnoch die Position, die Liane Jessen vertritt. BeiFrauen hat die Fernsehfilmchefin des Hessi-schen Rundfunks »häufig erlebt, dass andereDinge für sie im Vordergrund stehen«, weil siesich immer auch um die Alltagsstrukturen ihrerFamilie kümmern müssen. Sie verstehe das,sagt Jessen, »aber ich vertrete auch den Stand-punkt: Kunst funktioniert in der Regel nur mitabsoluter Hingabe; das gilt für eine Dirigentin

ebenso wie für eine Regis -seurin. Alles andere führt zuMittelmaß.«

Aus Sicht von Pro QuoteRegie repräsentiert Jessen da-mit eine Haltung, die die Initi-ative »als offen frauendiskri-

minierend« anprangert. De facto käme diesePosition »einer Art Berufsverbot« gleich. DieAusführungen der Fernsehfilmchefin machtendeutlich, »wie tief – aber dennoch subtil – in dieMottenkiste der Geschlechterklischees gegrif-fen wird, um die Diskriminierung von Frauen inder Film- und Fernsehbranche zu rechtferti-gen.« Wenn regieführende Frauen aus familiä-ren Gründen abgelenkt oder unkonzentriertseien, »was ist dann mit Ärztinnen oder Pilotin-nen, die sogar Verantwortung über Leben undTod tragen? Ist die Quote der Kunstfehler oderder Flugzeugabstürze bei Frauen höher als beiMännern? Uns jedenfalls ist eine solche Statis-tik nicht bekannt.«

Jessens Kolleginnen bei den anderen ARD-Sendern gehen ebenfalls auf Distanz. »Regis-seurinnen brennen genauso für ihre Projektewie Regisseure, ich sehe da hinsichtlich Energieund Leidenschaft keine Unterschiede«, sagtbeispielsweise Bettina Ricklefs, Programmbe-

»Kein Vorsatz…«

Frauen in den MedienSpeci

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…stecke hinter der Tatsache, dass nur so wenige Fernsehfilme von Regisseurinneninszeniert werden. Eine Frage – einige Antworten.

Oft wird sehr tief – aber dennoch subtil – indie Mottenkiste der Geschlechterklischeesgegriffen, um die Diskriminierung von Frauenin der Film- und Fernsehbranche zurechtfertigen. Pro Quote Regie

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reichsleiterin Spiel Film Seriebeim BayerischenRundfunk. Auch Strobl kann nicht bestätigen,dass Regisseurinnen weniger bereit seien, ei-nem Film alles andere unterzuordnen: »Ich er-lebe sie im Gegenteil als Multitasking-Talente,die Beruf und familiäre Belange ausgezeichnetorganisieren können«, aber es sei natürlich »eingrundsätzliches Problem, dass Familienthe-men immer noch eher an den Frauen hängen

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Offen frauenfeindlichVermitteln die Fernsehfilme von ARD und ZDF konservative Rollenbilder?

Jahrelang hat man sich auch in der ARD hintervorgehaltener Hand über die »Süßstoff«-Waream Freitag mokiert. Seit eineinhalb Jahren gehtdie ARD-Tochter Degeto einen anderen Weg.Die Stoffe sind lebensnäher, die Darsteller jün-ger, die Umsetzung ist flotter. Eins allerdings,kritisiert eine ARD-Fernsehfilmchefin, die na-mentlich nicht zitiert werden möchte, habe sichnicht geändert: »Viele Degeto-Filme sind nachwie vor offen frauenfeindlich. Bloß die Ver-schleierung ist raffinierter geworden.« Ohnehinwerde in so gut wie allen Fernsehfilm-Dreh -büchern ein »traditionelles Lebensmodell« pro-pagiert: »Es wird nicht vermittelt, dass auch fürFrauen ein selbstbestimmtes Leben jenseitsvon Partnerschaft möglich ist.«

SWR-Fernsehfilmchefin Martina Zöllnersieht die Schuld dafür bei den Autoren. Geradein den von Männern erzählten Geschichtenvermisst sie eine gewisse Realitätsnähe, etwabei den Darstellungen älterer Frauen: »Das ty-pische Bild zeigt eine patente, mütterliche undpragmatische Frau, die sich ihr Leben lang fürMann und Kinder aufgeopfert hat und nun imStich gelassen wird. Die Alternative ist die Hip-pie-Oma.« Erfolgreiche Frauen wiederum wirk-ten häufig »kaltherzig, sozusagen als der här tereMann.« Außerdem gebe es viel zu wenig Frauenin typischen Männerberufen. Barbara Buhl,Leiterin der WDR-Programmgruppe Fern seh -film und Kino, warnt jedoch davor, »heran-wachsenden Frauen filmische Vorbilder vorzu-setzen, denen sie nacheifern sollen.« Sie hältnichts davon, öfter Naturwissenschaftlerinnenzu zeigen, damit mehr Frauen die entsprechen-den Berufe ergreifen: »Ich sehe da die Gefahr,dass man ins entgegengesetzte Klischee verfällt.

Wenn eine Figur differenziert entwickelt und ineine Geschichte eingebettet ist, wird sie auto-matisch wahrhaftig.«

Eine ähnliche Haltung vertritt auch die Autorin Barbara Sichtermann, die sich in vielenVeröffentlichungen mit dem Wandel der Rol-lenbilder befasst hat. Für sie ist das fiktionaleFernsehprogramm ein Spiegel der Gesellschaft,weshalb es »auf keinen Fall versuchen sollte, dieEmanzipation der Frau voranzutreiben oderMädchen dazu zu animieren, bestimmte Be -rufe zu ergreifen.« Es wäre der Autorin sogarpeinlich, »wenn die Redaktionen verkrampftver suchen würden, emanzipative Frauenbilderzu konstruieren.« Sie räumt zwar ein, dass Filmeund Serien vermutlich »einen Überhang vontraditionellen, konservativen Frauenbildern«enthielten, aber es gebe auch »sehr avancierteEntwürfe von Frauen, die einen großen beruf-lichen Ehrgeiz entwickeln; wie im Leben ebenauch.«

Die Kritik am Rollenbild zielt nicht zuletztauf die beiden etablierten Frauenfilm-Sende-plätze freitags im Ersten und sonntags im Zwei-ten. Sie wird von den jeweils verantwortlichenFrauen jedoch energisch zurückgewiesen. De-geto-Chefin Christine Strobl berichtet sogarvon gegenteiligen Vorwürfen: »Ich höre sogardie Kritik, wir zeigten gar keine normalen Fami-lien mehr.« Und die für das »Herzkino« im ZDFzuständige Heike Hempel weist darauf hin, dassdie Hauptfiguren der Sonntagsreihen unter an-derem Anwältinnen, Ärztinnen und Pilotinnenseien. Dem hält Sichtermann allerdings entge-gen, dass »die Frauen zwar in der Tat tolle Beru-fe ausüben, aber trotzdem geht es letztlich umdie Suche nach dem richtigen Mann; der Beruf

bleiben.« Ricklefs betrachtet die Diskussion umdie Zahl der Regisseurinnen ohnehin als Belegfür einen gesellschaftlichen Zustand: »Offenbarkönnen es Männer eher einrichten, sechs Wo-chen an einem Set zu verbringen und sich vonmorgens bis in die Nacht auf ein Projekt zu kon-zentrieren. Als Frau mit Familie ist das nur mög-lich, wenn ein Mann an der Seite ist, der dasmitträgt.« Tilmann P. Gangloff

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findet nur im Hintergrund statt.« Andererseitskönnte man einige der Frauenfilme sogar alsmännerfeindlich bezeichnen. Neue Degeto-Produktionen wie Besser spät als nie oder Mut-ter auf Streife erzählen von Müttern, die nachein bis zwei Jahrzehnten als Hausfrau endlichauf eigenen Füßen stehen wollen. In allen dreiFällen haben die Männer große Probleme mitder Selbstverwirklichung ihrer Frauen. AuchEine wie diese (ZDF), eine Produktion von Zieg-ler Film, passt scheinbar in dieses Muster. DieGeschichte spielt allerdings Mitte der 1970er

Jahre, die Heldin steht also für ein modernesRollenbild. Produzentin Regina Ziegler hat inden letzten vierzig Jahren rund fünfhundert Fil-me hergestellt, darunter allein an die fünfzigmit Christine Neubauer. Regina Ziegler versi-chert jedoch, sie fühle keineMission, bestimm-te Frauen- oder Männerbilder zu propagieren:»Wenn ich mir meine Produktionen ansehe,sehe ich keine Schlagseite. Weder werden be-stimmte Frauenbilder verherrlicht noch dis -kriminiert. Es gibt nur gute und schlechte Ge-schichten.« Tilmann P. Gangloff

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Netzwerke sind eine NotwendigkeitSilke Johanna Räbiger ist seit vielen Jahren die künstlerische Leiterin des Frauenfilm-festivals Dortmund|Köln, das in jährlich wechselndem Rhythmus in den StädtenKöln und Dortmund stattfindet. Das nächste Mal im kommenden April in Dortmund.

Was war am Anfang der Grund, das Festival zu etablieren?Silke J. Räbiger: Als wir in den 1980er Jahrenmit dem Festival begannen, war die Situationdurchaus unübersichtlich. Das heißt, die Filme -macherinnen wussten nicht wirklich voneinan-der; das galt für die nationale Ebene, aber nochviel mehr für die internationale. Die Geschich-te der frühen Frauenbewegung war in den 70erund 80er Jahren mehr und mehr aus dem histo-rischen Dunkel emporgeholt worden und An-sporn für die neue Frauenbewegung geworden.Da erschien es nur folgerichtig, auch im Bereichdes Films genauer hinzuschauen, und plötzlichentdeckten die Filmemacherinnen – ähnlichwie die Autorinnen oder bildenden Künstlerin-nen – dass sie nicht alleine waren und dass esVorgängerinnen gegeben hatte. Man muss sichdas einfach mal vor Augen führen, dass erstEnde 1973 beim ersten Internationalen Frauen -filmseminar in Berlin, organisiert von HelkeSander und Claudia von Alemann, zum erstenMal in Deutschland 45 Filme von Frauen aus 7 Ländern gezeigt wurden. Es gab bis dahin keinerlei Recherchen, keine Netzwerke, keineelektronischen Hilfsmittel. Es war ein Schrittaus der Vereinzelung.

Mit dem ersten Festival 1987 in Dortmundhaben wir uns zunächst den deutschsprachi-gen Ländern zugewandt, haben eine Art Be-standsaufnahme gemacht, bevor wir uns mit

dem Festival 1989 der großen Sowjetunion zu-wandten und damit auf internationales Terrainvorstießen. Dabei haben wir immer darauf ge-achtet nicht nur aktuelle Filme zu zeigen, son-dern auch den Fokus auf die Filmgeschichte desjeweiligen Landes zu richten. Aus den Früh -zeiten des Hollywood- und des EuropäischenKinos haben wir Filme von Frauen aus den Archiven nach Deutschland geholt.

Haben Sie den Eindruck, dass man es auchheute wieder gründen müsste, wenn es nichtschon existierte? Sprich: Hat sich die Situationvon Frauen in der Filmbranche verändert?Silke J. Räbiger: Leider hat sich für die Frauenin der Filmindustrie nicht wirklich etwas geän-dert. Sie sind zwar keine Exotinnen mehr, auchnicht in den technischen Berufen, aber sie sindnach wie vor in einer bedrückenden Minder-heit. Weltweit wird das durch viele Neugrün-dungen von Frauenfilmfestivals in den letztenJahren deutlich. Im Netzwerk International Women’s Film Festival Network* haben sichweit über 50 Frauenfilmfestivals zusammenge-schlossen. Das bedeutet doch, dass die Arbeitenvon Frauen nach wie vor nicht sichtbar sind.

Ende der 1970er Jahre erschien erstmals dieZeitschrift Frauen und Film, und der Verbandder Filmarbeiterinnen konstituierte sich. Siebeleuchteten schon damals die Situation derFrauen und erhoben Forderungen, die erst

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heute, nach über 30 Jahren, wirklich ins allge-meine Bewusstsein dringen, nicht immer zurFreude derjenigen, die hierauf reagieren müs-sen. Gerade in den letzten beiden Jahren ist eineMenge in Bewegung geraten. Es sind Unter -suchungen gemacht worden, zum Beispiel vomBundesverband Regie, oder auch die FFA hatdie Förderentscheidungen der letzten Jahreevaluiert, die Universität Rostock hat einenGenderreport des deutschen Kinofilms heraus-gegeben, und nach wie vor als Vorreiterin giltdas Schwedische Filminstitut mit seiner geziel-ten Frauenförderung. Das IFFF Dortmund |Köln führt seit 2012 jährlich ein inter nationalesMeeting der Frauenfilmfestivals durch, das dieSituation der Frauen in der Filmindustrie welt-weit beleuchtet.

Und ganz wichtig: Die Regisseurinnen inDeutschland haben sich in Pro Quote Regie zu-sammengeschlossen und sie haben energischden Kampf gegen die Ungleichbehandlung mitihren männlichen Kollegen aufgenommen. Wirhaben jetzt in Deutschland eine Situation dererhöhten Aufmerksamkeit, wie Regisseurinnenan den Film- und Fernseh produktionen betei-ligt werden. Die langwährende Debatte umweibliche Führungskräfte in der Wirtschaft unddie Verabschiedung der Quote für Frauen inFührungspositionen bei den deutschen DAX-Unternahmen ist meines Erachtens so etwaswie ein Dammbruch. Hierauf können auch andere Bereiche aufbauen.

Welche Maßnahmen scheinen aus Ihrer Sichtgeeignet, um die Situation der Frauen zu verbessern?Silke J. Räbiger: Die Quote ist unumgänglich.Selbstverpflichtungen bringen keine messba-ren Resultate, das zeigt auch das Beispiel ausder Wirtschaft. Es muss deutlich werden, dassmehr Frauen in verantwortlichen Positionen

nicht der Niedergang der Filmkultur oder desdeutschen Films wären. Auch dies belegen dieErfahrungen des Schwedischen Filminstitutsdeutlich. Zum anderen müssen wir dafür sor-gen, dass die Frauen bekannter gemacht wer-den, um die Argumente, es gebe keine qualifi-zierten Frauen oder die wenigen, die es gibt,hätten keine Zeit zu entkräften. Wir haben inder Regie knapp 50% Hochschulabsolventin-nen, wo bleiben die? Die sind doch nichtschlechter qualifiziert als ihre männlichen Kol-legen. Jeder und jede sollte doch eine ehrlicheChance bekommen.

Bei Kamerafrauen ist das Verhältnis janoch schlechter als im Bereich Regie. Haben Sie dafür Erklärungen?Silke J. Räbiger: Seit 2001 vergeben wir als Fes-tival alle zwei Jahre einen Nachwuchspreis imBereich Bildgestaltung. In dieser Zeit haben wirviele begabte, junge Frauen bei uns zu Gast ge-habt, von denen etliche ihren Weg gemacht haben. Immer wieder ist hier deutlich gewor-den, dass gerade die erste Generation der Bild-gestalterinnen mit Vorurteilen zu kämpfen hat-ten wie, die Kamera sei zu schwer, technischeBerufe seien nichts für Frauen, sie seien nicht inder Lage, den Kamera- und Beleuchtungsstabzu leiten et cetera.

Bildgestaltung ist lange Zeit eine absolutmännliche Domäne gewesen, auch in der Leh-re. Die jungen Frauen hatten keine Vorbilder,weder an den Hochschulen, noch in den realenKinoproduktionen. Das hat sich erfreulicher-weise verändert und mehr Frauen haben sichdiesem Beruf zugewandt. Auch hier hilft selbst-verständlich die gesamtgesellschaftliche De-batte. Nicht ohne Stolz können wir auch sagen,dass viele Bildgestalterinnen sich beim IFFFDortmund | Köln kennengelernt haben unddaraus eine Art Netzwerk entstanden ist. Netz-werke, das wissen wir alle, sind eine unabding-bare Notwendigkeit in jedem Beruf.

Interview: Evelyn Voigt-Müller*http://internationalwomensfilmfestivalnetwork.com/

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»In den vergangenen Jahren ist zum Glück vieles in Bewegunggeraten. Die Quote istunumgänglich!« Silke Johanna Räbiger

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ObsessionenKim Longinotto steht für ein engagiertes dokumen -tarisches Filmemachen im Cinéma-Vérité-Stil. Auf derganzen Welt hat sie Frauen filmische Denkmäler gesetzt: seit drei Jahrzehnten unsichtbar hinter derKamera und nicht zu ignorieren in ihren Themen.

Sie waren als Dokumentaristin auf der ganzen Welt unterwegsund haben zahlreiche Frauen in Indien oder dem Iranporträtiert, in Kenia einen Film über Genitalverstümmelunggedreht. Oder nehmen wir Gaea Girls und Shinjuku Boys, zwei Filme über Frauen in japanischen Subkulturen…Kim Longinotto: Das waren die letzten zwei. Ich habe sogar ins -gesamt fünf Filme in Japan gedreht, daran lassen sich eigent lichganz gut meine Obsessionen als Filmemacherin ablesen. DerGrund dafür ist meine Jugend: Ich bin mit einem sehr rassisti -schen Vater aufgewachsen. Er hatte eine Skala der meistgehass -ten Subjekt: Schwarze, Juden, Asiaten, in dieser Reihenfolge.Menschen waren nur Deutsche und Briten für ihn. Bei unswurde Deutsch am Tisch gesprochen: »Bitte reich’ mir dasWasser!« Ich weiß gar nicht, ob ich das richtig ausspreche. Er redete Deutsch mit uns! Er beschrieb Asiaten als »inscrutable«,als undurchschaubar. Briten benutzen das Wort nicht unbe -dingt rassistisch, aber es ging ihm darum, dass Japaner ihreEmotionen verbergen, verschlagen sind und dich in die Pfannehauen, wenn sie können. All meine Filme vor Shinjuku Boyswaren deshalb Porträts hochemotionaler Personen. In DreamGirls ging es um Menschen, die Stars sein wollen. Auch in Shinjuku Boys sind die Charaktere allesamt offener als Briten –ob es um Sex geht oder um ihre Gebrochenheiten. Aber der Filmist in gewisser Weise auch sehr untypisch für mein Gesamtwerk.

Inwiefern?Kim Longinotto: Es gibt Interviews. Ich habe eigentlich langeschon damit aufgehört. Aber einen Film über Sex kann mannicht ohne Interviews machen – ich würde den Akt selbst zu-mindest nicht filmen wollen. Es ist viel interessanter, von denZweifeln zu erfahren, wenn die als Frauen geborenen Onnabesin diesem Film als Männer auftreten. Wenn sie sich als Machogerieren und im Schlafzimmer die Masken fallen lassen. EineSache, die ich an Japan liebe, ist die Möglichkeit, zwei wider-sprüchliche Dinge zugleich zu denken und zu leben. Das istdort viel stärker ausgeprägt als hier in Europa, entspricht abersehr stark meiner Persönlichkeit. Ich hasse meine Eltern! Aberdann denke ich, es muss Momente geben, in denen ich meinenVater geliebt habe. Einzelemotionen und Erlebnisse sind keineLügen – aber sie bilden nicht die Komplexität des Lebens ab.

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Onnabes arbeiten als Männer in Clubs, wer-den so wahrgenommen, und gleichzeitig weißjede Frau, die in diese Clubs kommt, dass sieeben beides sind. Im Kabuki-Theater kann nurein Mann eine ideale Frau darstellen – das erscheint uns lächerlich. Aber warum? Physi -ker oder Programmierer wissen ganz genau,dass Transformation und Übergang das Wahr -haftigste sind. Ich empfinde das als höhereWahrnehmung, die uns schwerfällt

Wir können Dichotomien nicht loslassen?Kim Longinotto: Ja, und Hollywood liebt Gutund Böse. In Gaea Girls gibt es ein böse Wrest-lerin, die eine jüngere Kollegin richtig ver-prügelt. Und später finden wir heraus, dass ihrVater sie verprügelt hat. Sehen Sie die Ironie?Sie verstand sich selbst nicht. Erst als sie denFilm sah, war sie zutiefst schockiert über sich.Ich liebe die zwingende Ironie unserer Leben.Als ich zur Schule ging, gewann ein Mädchennamens Sarah – blond, groß, beliebt – den Tenniswettbewerb. Und als sie ihren Pokal ent-gegennahm, applaudierten alle. Ich trainiertealso wie verrückt für das Jahr darauf undgewann tatsächlich das Turnier. Ich ging aufdie Bühne, nahm den Pokal entgegen – undalles blieb still. Ich war immer noch ich, un -beliebt in der Klasse. Kein äußerer Erfolg kanndas Gefühl vernichten, nicht dazuzugehören.Das ist die Lehre daraus, und das versuche ichin meinen Filmen zu verfolgen.

Was brachte Sie denn nach der Schule zum Filmemachen?

Kim Longinotto: Meine Eltern schick ten michund meine Schwester in den Ferien einenMonat nach Rimini in ein Hotel, einfach weg.Das wäre heute wohl illegal. Meine erste Erin-nerung daran habe ich, als ich sieben war undmeine Schwester neun. Da fing sie an mich zuhassen – die kleine Schwester, die sie nichtloswerden konnte. Sie wollte mich nicht beisich haben und schloss mich im Hotel ein,auch weil mein Orientierungssinn völlig unter-entwickelt ist. Ich verbrachte also lange Zeitallein mit Lesen. Mein Traum als Kind war des -halb immer zu schreiben. Ich wollte Geschich -ten erzählen. In der Universität konnte ichdann zwar Kritiken schreiben, aber für Litera -tur fehlte mir wohl letztlich damals der Mut. Ich war sehr verwirrt zu der Zeit. Also habe iches mit Filmen versucht. Das gefiel mir, und dubist mit anderen Personen unterwegs. Tonleutehaben meistens einen sehr guten Orientie -rungssinn… (lacht)

Gibt es das eine übergreifende Thema für Sie?Kim Longinotto: Es geht um Pioniere in feind -lichen Umgebungen. Um Outsider. Und ichmag es als Filmemacherin, mich in die Rolleder Außenseiterin zu begeben. In Japan spre -che ich die Sprache nicht, sehe anders aus, binviel größer. Das ist oft der Ausgangspunkt.

Wie gewinnt man das Vertrauen dieser Leute?Kim Longinotto: Ich glaube, exakt wegen die -ser Position. Ich denke auch nicht, dass ich ihrVertrauen gewinne – eher ist es umgekehrt. ImClub in Shinjuku fragten meine Tonfrau Jano

Williams und ich nach einerDrehgenehmigung an. Janoist eine riesige Bohnenstangeund spricht fließend Japa -nisch, hat das aber von ihremFreund gelernt. Sie redet alsomit männlichen Endungen,nicht, wie es sich gehört, miteiner weiblichen Relativie -rung am Ende. Alles ist defini-tiver, das war unglaublich gutfür den Film. Als sie dem Chefunsere Absicht erklärte, warsie sehr selbstsicher. DreiOnnabes wollten sofort mit-machen. Sie sagten, japani -

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Kim Longinotto……1952 in London geboren, hatte eine schwierige Kindheit, die sieentscheidend hin zum Film trieb. Noch während ihres Studiums an der NFTS drehte sie einen ersten Klassiker, Pride of Place (1976).Seit 30 Jahren bereits sucht sie sich Frauenfiguren auf der ganzenWelt, die sie porträtiert. Mit ihrem Lieblingsfilm überraschte sieuns nachhaltig: Das Leben der Anderen. »Ich erinnere mich, dassich nach dem Film geweint habe. Ich habe so eine tiefe Hoffnungempfunden, dass sich Menschen verändern können; ein Fenster zusich selbst öffnen können. Der Stasi-Mann verliert alles. Aber erfindet seine eigene Menschlichkeit. Mein Vater ist in Johannis-burg aufgewachsen. Von Schwarzen aufgezogen, und trotzdemhasste er sie. Man hasst die Menschen, die man zu Opfern macht.Weil man man selber seine Menschlichkeit dabei verliert. Nur inder Liebe zum Schwachen kann man (wieder) Mensch werden.«Filmografie: http://wck.me/8eg

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sche Männer und Filmemacher hätten sieschlecht behandelt, wieso es nicht einmal mitdiesen seltsamen Briten versuchen? Dannhaben wir uns umarmt – das tut man auchnicht in Japan. Wir konnten die Regelnbrechen.

Finden Sie jeweils ein immer neues Team, um eben die Regeln brechen zu können?Kim Longinotto: Ja, jeder Film braucht ein anderes Team. Ein Beispiel: Meine FreundinZiba aus Divorce Iranian Style wurde zweimalgeschieden, und schämte sich. Als wir aber andere Frauen gemeinsam im Scheidungs-gericht beobachteten, fühlte sie sich stärker,und die Frauen fühlten sich ebenfalls stärker –und wollten gefilmt werden.

Sie sprachen von mehreren Obsessionen: das Porträt von Frauen…Kim Longinotto: …von weiblichen Rebellen!Und es geht immer um Veränderung und umLeute, die Geschlechterrollen aufbrechen. DasWort feminin wird gerade uminterpretiert. Intuitiv, imaginativ, fürsorglich – kein Mannwill diese Qualitäten heute missen, oder? Und Männliche Attribute wieabenteuerlich, praktisch undfurchtlos – das wollen dieFrauen doch auch sein. InWesteuropa nehmen wir diese Attribute undsagen, dass ist nicht die Domäne von Männernund Frauen. Gender-Gesetze auflösen gefälltmir, mein jüngster Film Love Is All macht genaudas. Und die letzte Leidenschaft ist natürlichein entschiedener Anti-Rassismus.

Welches Format bevorzugen Sie eigentlich?Kim Longinotto: Früher ganz klar Super-16 aufeiner Aaton. Und dann das Blow-up auf 35mm.Aber bei Sisters in Law in Kenia haben wir soviele belichtete Filmrollen beim Transport ver-loren, da fing ich an digital zu arbei ten. Wennman einmal damit anfängt, dann gibt es keinenWeg zurück. Es ist viel einfacher. Ich arbeite miteiner Sony 800HD. Ich will Speicher disks haben,die ich in einem Rucksack dabeihaben kann.

Ziemlich groß, die Kamera…Kim Longinotto: Schon, aber sicher mit derDisk. Und ich mag die Kamera gerne auf

der Schulter. Wissen Sie, die Beweglichkeit von Dogma-Filmen, das scheinbar Dokumen-tarische interessiert mich nicht. Aus meinerSicht sollte man nicht über die Kamera nach-denken, weder im Dokumentarfilm noch imfiktionalen Film. Mit einer Schulterkamerakann ich meinen Körper wie ein Stativ verwen-den. Ich operate immer selber. Die Kamera istimmer auf der Schulter, denn dann sprechendie Leute in die Kamera, mir in die Augen. Es istnichts zwischen mir und ihnen.

Eigentlich können Sie zumeist nicht wissen,was die Leute sagen, oder?Kim Longinotto: Das mag seltsam klingen:Doch, ich glaube sehr oft, ich verstehe es. Es istja nicht zufällig, ich bin gerade an einem be -stimmten Punkt der Geschichte, den ich filmenwill. ich weiß einiges von den Menschen. In Divorce Iranian Style kann ich zum Beispiel dasAnsteigen der Emotionen sehen, und dann beginne ich zu filmen. Und vergessen Sie nicht:Ich filme zumeist Action, und in den meistenFilmen gibt es mehr Action als Worte, daher hat es mich nie gestört. Aber natürlich habe ich jemanden dabei, der die Sprache versteht.

Und der mich mit einer kleinen Berührung hinweist, wann ich anfangen kann zu filmen.Ich denke auch ständig daran, wie es schneid-bar wäre.

Schneiden Sie selbst? Kim Longinotto: Das würde ich nie tun. Edi-toren sind echte Künstler. Außerdem waren sienicht vor Ort, sie sehen nur, was on screen ist,was die Geschichte am besten erzählt.

Ihr neuer Film Love Is All: 100 Years of Love & Courtship ist hier auf dem Camerimage zu sehen. Ganz aus Archivmaterial und damitganz anders als die anderen Filme…Kim Longinotto: Eine Auftragsarbeit. Die Leutewaren nicht mit dem Ergebnis zufrieden, unddann wurde ich etwas stur. Und machtemeinen Film. Auch wenn er nicht ganz so per-sönlich ist wie andere.Interview: Christoph Gröner, Evelyn Voigt-Müller

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»Transformation und Übergang sind dasWahrhafte am Leben – das will ich zeigen.«