Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum...

11
Dr. Markus Sasse Hintere Straße 9, 76756 Bellheim Mission - biblische und historische Betrachtungen Mission gehört zum Selbstverständnis des Christentums. Dies betonen nahezu alle amts- kirchlichen Stellungnahmen zum Thema Mis- sion. Was allerdings unter Mission verstanden wird, kann sehr stark differieren. I Der Begriff Mission begegnet erstmalig im Kontext des aufstrebenden Überseehandels der frühen Neuzeit (16. Jahrhundert) und bezeichnet eine planmäßige, institutionalisierte Sendungsakti- vität der Kirche mit dem Ziel der Zwangs- christianisierung (im Sinne einer sakramenta- len Zuführung zur katholischen Kirche) der von den katholischen Patronatsfürsten (Spa- nien, Portugal) unterworfenen Völker. Seit dem 19. Jahrhundert ist das Christentum eine weltweit verbreitete Religion. Anders als in der frühen Neuzeit stand die Mission aber nicht mehr allein im Dienst der katholischen Herrscher, die dabei waren, neue Gebiete mit ungeahnten wirtschaftlichen Möglichkeiten zu erschließen. Die neuen Missionsbewegungen sind größtenteils in der Hand von unabhängi- gen (z.T. kirchenkritischen) protestantischen Missionsgesellschaften. Charakteristisch ist seit dieser Zeit auch die Unterscheidung von äuße- rer Mission und innerer Mission und die da- raus resultierende Verbindung von sozialer Frage und Evangelisation. Auch wenn hier die innere Frömmigkeit (Bekehrung) und der reli- giöse Idealismus eine zentrale Rolle bei der missionarischen Motivation spielten, blieb die Verbindung von Mission und Kolonialismus erhalten (Vorwurf des .Kryptokolonialismus'' bzw. Religionsimperialismus). In diesem Sin- ne ist Mission zu einem Teil der kirchlichen Schuldgeschichte geworden und wird in kir- 192 chen- und religionskritischen Diskursen bis heute thematisiert. Daran hat auch die trinitäts- theologische Begründung seit dem 20. Jahr- hundert nichts geändert, die Gottes Handeln in den missionarischen Aktivitäten der Kirchen betont (missio Dei)? und verstärkt Begriffe wie Solidarität, Entwicklung, Interreligiöser Dia- log, Inkulturation und Kontextualität in den Vordergrund stellt. Innerkirchlich stellt ein weit gefasster Missi- onsbegriff (Verbreitung von Glaubensinhalten und -gehalten als Weiterführen der Sendung Jesu) kein theologisches Problem dar. Nahezu das gesamte kirchliche Handeln kann mit die- sem Begriff bezeichnet werden - von der in- nergemeindlichen Identitätsstärkung bis zu weltmissionarischen Aktivitäten in Solidarität. In der Außenwahrnehmung von Kirche bleibt Mission aber ein kritisches Thema.' Das gilt vor allem dann, wenn Kirchen als Körper- schaften öffentlichen Rechts in der Zusam- menarbeit mit dem Staat Aufgaben für die Ge- samtgesellschaft übernehmen (Schulischer Religionsunterricht, kirchliche Akademien, Notfallseelsorge u.v.a.m.). Auch wenn die In- nenperspektive von Religion hier die zentrale Rolle spielt, die auch vom Staat gefördert wird, ist nicht die Bekehrung das Ziel der Ak- tivitäten, sondern der Dienst an der Gesell- schaft. Gleiches gilt für den institutionalisier- ten Dialog mit den Vertretern anderer Religi- onsgemeinschaften. Nimmt man den Ge- sprächspartner als dialogisches Subjekt ernst, verbietet sich jegliche Aktivität, die auf einen Religionswechsel hinausläuft. Dass für den jü- disch-kirchlichen Dialog das Thema "Juden- mission" eine Belastung darstellt, kann nicht verwundern. Dies gilt vor allem angesichts der jahrhundertelangen Schuldgeschichte der christlichen Kirchen gegenüber jüdischen Men- schen und Gemeinden. Eine biblische Missionstheologie lässt sich nicht ermitteln. Missionierung im Sinne einer aktiven und geplanten Glaubensverbreitung ist kein Thema des Alten Testaments. Die neutes- tamentlichen Schriften stehen mitten im mis- sionarischen Vollzug. Das frühe Christentum

Transcript of Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum...

Page 1: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

Dr. Markus SasseHintere Straße 9, 76756 Bellheim

Mission -biblische und historischeBetrachtungenMission gehört zum Selbstverständnis desChristentums. Dies betonen nahezu alle amts-kirchlichen Stellungnahmen zum Thema Mis-sion. Was allerdings unter Mission verstandenwird, kann sehr stark differieren. I Der BegriffMission begegnet erstmalig im Kontext desaufstrebenden Überseehandels der frühenNeuzeit (16. Jahrhundert) und bezeichnet eineplanmäßige, institutionalisierte Sendungsakti-vität der Kirche mit dem Ziel der Zwangs-christianisierung (im Sinne einer sakramenta-len Zuführung zur katholischen Kirche) dervon den katholischen Patronatsfürsten (Spa-nien, Portugal) unterworfenen Völker. Seitdem 19. Jahrhundert ist das Christentum eineweltweit verbreitete Religion. Anders als inder frühen Neuzeit stand die Mission abernicht mehr allein im Dienst der katholischenHerrscher, die dabei waren, neue Gebiete mitungeahnten wirtschaftlichen Möglichkeiten zuerschließen. Die neuen Missionsbewegungensind größtenteils in der Hand von unabhängi-gen (z.T. kirchenkritischen) protestantischenMissionsgesellschaften. Charakteristisch ist seitdieser Zeit auch die Unterscheidung von äuße-rer Mission und innerer Mission und die da-raus resultierende Verbindung von sozialerFrage und Evangelisation. Auch wenn hier dieinnere Frömmigkeit (Bekehrung) und der reli-giöse Idealismus eine zentrale Rolle bei dermissionarischen Motivation spielten, blieb dieVerbindung von Mission und Kolonialismuserhalten (Vorwurf des .Kryptokolonialismus''bzw. Religionsimperialismus). In diesem Sin-ne ist Mission zu einem Teil der kirchlichenSchuldgeschichte geworden und wird in kir-

192

chen- und religionskritischen Diskursen bisheute thematisiert. Daran hat auch die trinitäts-theologische Begründung seit dem 20. Jahr-hundert nichts geändert, die Gottes Handeln inden missionarischen Aktivitäten der Kirchenbetont (missio Dei)? und verstärkt Begriffe wieSolidarität, Entwicklung, Interreligiöser Dia-log, Inkulturation und Kontextualität in denVordergrund stellt.Innerkirchlich stellt ein weit gefasster Missi-onsbegriff (Verbreitung von Glaubensinhaltenund -gehalten als Weiterführen der SendungJesu) kein theologisches Problem dar. Nahezudas gesamte kirchliche Handeln kann mit die-sem Begriff bezeichnet werden - von der in-nergemeindlichen Identitätsstärkung bis zuweltmissionarischen Aktivitäten in Solidarität.In der Außenwahrnehmung von Kirche bleibtMission aber ein kritisches Thema.' Das giltvor allem dann, wenn Kirchen als Körper-schaften öffentlichen Rechts in der Zusam-menarbeit mit dem Staat Aufgaben für die Ge-samtgesellschaft übernehmen (SchulischerReligionsunterricht, kirchliche Akademien,Notfallseelsorge u.v.a.m.). Auch wenn die In-nenperspektive von Religion hier die zentraleRolle spielt, die auch vom Staat gefördertwird, ist nicht die Bekehrung das Ziel der Ak-tivitäten, sondern der Dienst an der Gesell-schaft. Gleiches gilt für den institutionalisier-ten Dialog mit den Vertretern anderer Religi-onsgemeinschaften. Nimmt man den Ge-sprächspartner als dialogisches Subjekt ernst,verbietet sich jegliche Aktivität, die auf einenReligionswechsel hinausläuft. Dass für den jü-disch-kirchlichen Dialog das Thema "Juden-mission" eine Belastung darstellt, kann nichtverwundern. Dies gilt vor allem angesichtsder jahrhundertelangen Schuldgeschichte derchristlichen Kirchen gegenüber jüdischen Men-schen und Gemeinden.Eine biblische Missionstheologie lässt sichnicht ermitteln. Missionierung im Sinne eineraktiven und geplanten Glaubensverbreitung istkein Thema des Alten Testaments. Die neutes-tamentlichen Schriften stehen mitten im mis-sionarischen Vollzug. Das frühe Christentum

Page 2: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

hat ein missionarisches Selbstverständnis, re-flektiert aber seine Missionsstrategien nur sel-ten. Von einer thematischen Einheitlichkeit istman noch weit entfernt. Wer jedoch die Textein ihrer Fremdheit wahrnimmt (z.B. in der Dis-kussion um die Forderung der Beschneidungder nichtjüdischen Christen), kann versuchenBezüge zu unseren heutigen Problemen herzu-stellen und sie mit den biblischen Antwortenzu konfrontieren. Hierbei geht es nicht um dasRelativieren biblischer Aussagen, sondern umein Profilieren. Historisch-kritische Exegesebedeutet eben nicht, die Verbindlichkeit derTexte durch Kontextualisierung zu relativie-ren, sondern die grundsätzliche Bereitschaft,sich von einem Text belehren zu lassen, die ei-gene kirchliche Praxis kritisch zu prüfen.' Esgehört zur reformatorischen Identität, das ei-gene kirchliche Handeln an die urchristlichePraxis zurückzubinden.

1. Altes Testament und Frühjudentum:Identität und Integration

Überlegungen zur Verbreitung des JHWH-Glaubens tauchen wohl erstmals in spätexiIi-scher Zeit auf" Dies hängt mit der speziellenDeutung des Exils als Ereignis der Heilsge-schichte zusammen: Wenn Gott nicht Teil derGeschichte ist, sondern als Schöpfergott derenUrsache, kann sich seine Zuständigkeit kaumauf die kleine Zahl der im Exil befindlichenJudäer beschränken. Wenn Gott universal ist,muss es auch jedem möglich sein ihn zu vereh-ren. Dem Volk Israel kommt eine heilspädago-gische Aufgabe zu: Israel soll zum Licht dernichtjüdischen Völker werden (Jes 49,1-6; vgl.ferner Jes 45,22; 51,4; 56,6-8; 66,19; Ez37,28). Vorexilische Grundlage dieses Den-kens ist die Vorstellung von der Völkerwall-fahrt zum Zion (Jes 2,2f.; Mi 4,1-5; vgl. auchSach 8,20-23). Dies ist wohl als bewusste Kor-rektur eines zu einseitig verstandenen Erwäh-lungsdenkens zu erklären. Es geht dabei alsomehr um die Rolle Israels im Rahmen der Be-folgung des göttlichen Gesetzes bzw. des Ler-nens aus der Heilsgeschichte. Über die Be-stimmung der Heidenvölker vor Gott gibt es

nämlich auch ganz andere Texte (vgl. Jes 54,3;Mi 5,10-15; Zef2,10f.; Sir 36,7; PsSaI17,25-27; lQM 12,10 [Vernichtung der Heiden] bzw.Jes 45,14.23; 49,23; Mi 7,17; äthHen 90,30;lQM 12,13 [Unterwerfung der Heiden]).6Für das Frühjudentum wird - nachträglich undvon außen betrachtet (!) - ein zentripetalesMissionskonzept charakteristisch: Man ziehtnicht in die Welt hinaus, sondern die Synago-gengemeinde vor Ort leistet so gute Arbeit,dass sie Interesse und Sympathie weckt. DieErmöglichung des Beitritts von geborenenHeiden war der entscheidende Schritt zurDurchsetzung dieses Konzepts. Allerdings isthier methodische Vorsicht angeraten: 7 Die Bei-trittsermöglichung und die Betonung der Uni-versalität Gottes sind Grundlagen der Praxiseiner städtischen Synagoge. Allerdings bleibtvollkommen unklar, ob diese Grundlagenplanmäßig im Sinne von Missionsstrategienumgesetzt worden sind. Dem Frühjudentumging es um Integration - nicht um Mission."Ein Musterbeispiel für das zentripetale Missi-onskonzept im Neuen Testament ist das juden-christliche Johannesevangelium (Joh 17,21-23).9Die Märtyrer der frühjüdischen Zeit sind, an-ders als die späteren christlichen Märtyrer,nicht mit dem Gedanken der Glaubensverbrei-tung verbunden." Den Märtyrern der Makka-bäerzeit ging es um die Bewahrung der tradi-tionellen Lebensweise gegenüber innerjüdi-schen hellenistischen Modernisierungstenden-zen. Auch wenn während der Zeit des rabbini-schen Judentums die Möglichkeiten der Kon-version stärker thematisiert wurden, wird des-wegen das Judentum noch keine aktiv missio-nierende Religion. Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit desGlaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die Gerechten unter den Völkern,die nach den noachidischen Geboten leben.

2. Jesus: Sendung und SammlungDer terminologische Brennpunkt der späterenfrühchristlichen Missionsstrategien ist das Ver-ständnis Jesu als Gesandter Gottes: Mission ist

193

Page 3: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

das Fortsetzen der Sendung Jesu. Auf Jesuswerden Aussagen des frühjüdischen Botenin-stituts angewandt, die jedoch in ihrem Kontextnichts mit Glaubensverbreitung zu tun haben,sondern eher mit prophetischem Handeln. DasGesandtsein hebt ihn nicht aus der Menge dervielen Gesandten Gottes (Mose, Elia, Elisa,Johannes der Täufer etc.) hervor, deswegen istseine Funktion mit anderen Begriffen (SohnGottes, Menschensohn, Bildworte ) näher zuerklären. Die Sendungsvorstellung ist alsonicht exklusiv mit Jesus verbunden.- Wenn die Jünger (= Schüler) zu Aposteln (=

Gesandte, Missionare) werden, werden sieals Gesandte von Nachfolgenden zu Nach-folgern. Sie setzen das Werk des gesandtenLehrers fort. Der Sender ist derselbe.

- Paulus verwendet dasselbe Wortfeld wie derEvangelist Johannes in seiner Sendungs-christologie für die Beschreibung seinerapostolischen Funktion.

Für Jesus war Gott ohne Frage universal, aberes ging ihm nicht darum, den Glauben an ihnzu verbreiten (S.O.).II Sein Anliegen war esvielmehr, Israel in Gestalt der priesterlichenEliten daran zu erinnern, dass es seine heilspä-dagogische Funktion nicht wahrnahm. Dieswird aus der Tempelreinigungsgeschichtedeutlich. Jesus verstand sich als zu seinemVolk gesandt. Geplante Mission im späterenSinne hat er nicht betrieben. Er hat den Kon-takt zu Nicht juden und Außenseitern nicht ge-mieden, aber er hat sie nicht zum Religions-wechsel motiviert. Es gibt bei Jesus keinetheologisch begründete allgemeine Auswei-tung seines Wirkens auf die Nichtjuden.'? Sofindet man in der gesamten Jesusüberlieferungkeine Diskussion über die typischen Elementeder jüdischen Lebensweise im Rahmen der alt-testamentlichen Ritualgesetzgebung - andersals später bei Paulus, wo dies zu einem zentra-len Thema wird.Entscheidend für das öffentliche Wirken Jesuist der Aspekt der Sammlung. Ausgangspunktjeder Sendung und Sammlung ist die Men-schenfreundlichkeit Gottes, die allen mensch-

194

liehen Machtansprüchen entgegensteht. Alsheimatloser Menschensohn repräsentiert Jesusdie Herrschaft Gottes auf Erden und sammeltdie verlorenen Schafe seines Volkes. Dies wirdallein durch sein Auftreten deutlich: Ein jüdi-scher Lehrer wandert mit zwölf Schülerndurch die Gebiete der verlorenen Stämme Isra-els und zieht zum Passafest nach Jerusalem.Verlorene Schafe sind dabei nicht nur die Ju-den in den nichtjüdisch besiedelten Grenzge-bieten, sondern auch Kranke, Besessene undMenschen, die durch ihren Kontakt mit Nicht-juden als unrein gelten. Deren Reintegration indas Gottesvolk als Ausdruck der Gottesherr-schaft ist die Aufgabe des sammelnden Ge-sandten Jesus. Als Aussteiger aus den gesell-schaftlichen Strukturen wendet sich Jesus denvon der Gesellschaft Ausgestoßenen zu. Er de-monstriert eine Art soziale Transzendenz, dieseine Botschaft authentisch verkörpert. Pauluskann in seiner kreuzestheologischen Begrün-dung seines missionarischen HandeIns direktdaran anknüpfen (s.u.). Jesus ist das menschli-che Gesicht der Herrschaft Gottes, währenddie menschlichen Mächte in der jüdischenApokalyptik als Tiere dargestellt werden. Ent-scheidend ist im Wirken Jesu ein offensivesReinheitsverständnis, das den Kontakt mit Un-reinem ohne Berührungsängste ermöglicht.'?Verkörpert wird dadurch die Priorität der heil-samen Zuwendung Gottes vor jeder kultischenRegelung. Die Folgen dieser Priorität sind fürdie jesuanische (und spätere christliche) Ethikerheblich: Versöhnung als Voraussetzung fürdie Teilnahme am Kult (Mt 5,23f.); Verbot desRichtens (Lk 6,37parr); Vergebungsgebot (Mt18,21f.); Verbot verbaler Gewalt (Mt 5,21 f.).14Die Jesusbewegung war ein Lebensmodell,das in seiner Zeichenhaftigkeit nur wirkenkonnte, wenn es zeitlich befristet war. Dieselbst gewählte Randexistenz war nicht aufDauer angelegt. Dies erkennt man deutlich anden weiteren Lebenswegen der elf Jünger. Siewerden eben nicht zu Jesusimitatoren, das fa-milienkritische Modell des Anfangs wird nichtzur kirchlichen Norm. Es entsteht unmittelbarnach der Kreuzigung ein städtisch geprägtes

Page 4: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

Christentum in Jerusalem, Syrien, Ägypten,Kleinasien, Griechenland und Italien. Die sog.Wandercharismatiker, sollte es sie je gegebenhaben, bleiben ein Ausnahmephänomen.

3. Frühes Christentum: Sendung und Inte-gration

Die frühchristliche Mission an Nicht juden istvisionär begründet (Eine Aufforderung zur Ju-denmission gibt es nicht). Nicht menschlicheÜberlegungen stecken dahinter, sondern derGeist Gottes.

Der Auferstandene beruft seine Nachfolgerzur Mission unter den nichtjüdischen Völ-kern (Mt 28,16-20).Paulus reiht sich durch seine Christusvisionunter die Apostel (die zuvor schon Jüngerwaren und die Sendung Jesu weiterführen)ein.In der Apostelgeschichte des Lukas wirddeutlich, dass der Heilige Geist der eigentli-che Motor der Mission ist.

Zu Beginn der frühchristlichen Zeit verwende-te man noch ein rein zentripetales Modell(s.o.), das sich am Modus der griechischen Ko-lonialisierung orientierte: Missionare einerGemeinde (z.B. Barnabas und Paulus als an-tiochenische Gemeindeapostel) gründeten Ge-meinden, die weiterhin in einer engen Bezie-hung zur Muttergemeinde standen (daher dieVerhandlungen über die Mission des Pauluszwischen den Gemeinden Jerusalem und An-tiochia in Apg 15). Die Mission an Nicht judengeschah in der Anfangszeit nicht vorausset-zungslos. Adressaten der Mission waren Men-schen, die bereits eine Bindung zur jüdischenSynagoge hatten. Die Konversion von Men-schen, die noch nichts vom Gott Israels gehörthatten, dürfte die Ausnahme gewesen sein.Auch wurde die kulturelle Grenze des Imperi-um Romanum nicht überschritten, in dem dieJuden die größte religiöse Minderheit (im Sin-ne einer exklusiven Kultgemeinschaft) dar-stellten. Zu Beginn seiner selbständigen Phase(nach seiner Trennung von Barnabas) betreibtPaulus Mission nach dem zentrifugalen Mo-

deli: Er bereist die Städte, missioniert zunächstin den Synagogen und gründet dann eine Ge-meinde in einem Privathaus. Danach zieht erweiter. Eine Muttergemeinde kennt Paulusnicht mehr. Allerdings ist für seine Missionstä-tigkeit die Anerkennung durch Jerusalem le-benswichtig (vgl. Röm 16). Für Paulus bleibtJerusalem Zentrum der Verheißungen.Paulus schreibt seine Briefe nicht, um denGlauben an Christus zu verbreiten, sondernum die Gemeinde nach innen und nach außenzu integrieren. Hier zeigt sich deutlich die Do-minanz des zentripetalen Modells. Auch dieGemeinde erhält - analog zum Gottesvolk Is-rael - eine heilspädagogische Funktion. Esgeht daher weniger um den Bekehrten als Be-kehrer als um die konkrete Gemeinschaft, dieim Sinne der Botschaft Jesu Zeichen setzt. Ander Gemeinde erkennt man das Wirken Gottes.Deshalb ist es wichtig, dass in der Gemeindeeine gewisse Ordnung herrscht (lKor 12-14).Die Einheit der Gemeinschaft repräsentiert dieEinheit von Gott und Christus (l Kor 1,10).Nach innen äußert sich dies darin, dass die inder Außenwelt relevanten sozialen Unterschie-de in der Gemeinde keine Rolle spielen dürfen(GaI3,28; lKor 12,13). Im Blick auf die nicht-christlichen Juden hat die Gemeinde einewichtige Funktion im Sinne eine zentripetalenMissionskonzepts: Die Juden sollen zornigwerden über den Erfolg der (von Gott gewirk-ten) paulinischen Mission und dadurch zumGlauben kommen (Röm 11,11 mit Röm10,19).Ausschließlich in den heidenchristliehen Ge-meinden begegnet das Phänomen der Geistes-gaben (Charismen) als erkennbares Zeichenfür das Christsein. Überhaupt spielt der Geistim heidenchristliehen Kontext eine herausra-gende Rolle (Ga I 3,2; lThess 2,13). Die Cha-rismen sind ein Ersatz für die durch die Aufga-be des jüdischen Ritualgesetzes verschwunde-nen Merkmale der Zugehörigkeit zu Gott.Während jüdische Christen sich durch ihrespezifische Lebensweise (als Zeichen der Zu-gehörigkeit zum Gottesvolk) von der Außen-welt unterschieden, sind nichtjüdische Chris-

195

Page 5: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

ten an ihren pneumatischen Begabungen zu er-kennen. Diese Charismen dienen jedoch nichtder Abgrenzung nach außen und werden des-halb auch nicht zur Missionsstrategie, sonderndienen dem Aufbau der Gemeinde (lKor 12-14).Der Modus der Mission ist für Paulus kreuzes-theologisch vorgegeben (IKor 1,17-31): Nichtdie kluge, wohl formulierte Rede der Weisheit,sondern die Rede vom Kreuz. Niedrigkeit istder Modus der Mission - auch hier ordnet derApostel sein Handeln in das Heilshandeln Got-tes in Christus ein." Dass Paulus so selten denirdischen Jesus erwähnt, hat auch damit zu tun,dass sich seine Sendung deutlich von der Sen-dung Jesu an das jüdische Volk unterscheidet.Er kann nicht an das Lehrer-Schülerverhältnisder elf Jünger anknüpfen und hat auch keineBeauftragungen durch den irdischen Jesus er-lebt. Paulus begründet sein missionarischesHandeln mit universalistischen Texten des Al-ten Testaments, eine einfache WeiterfiihrungJesu Reinheitskonzept als Übertragung auf dieHeiden ist für ihn nicht ausreichend, da er da-mit nicht den Verzicht auf Beschneidung undRitualgebote begründen kann. Sein Missions-konzept kann allerdings nicht als typisch fürdas frühe Christentum betrachtet werden. Pau-lus ist eine missionarische Ausnahmegestalt,die den entscheidenden Schritt in RichtungNichtjuden nicht nur gegangen ist, sondernauch gegen Widerstände von allen Seitendurchgehalten hat. Ob sein Konzept noch zuseinen Lebzeiten ein Erfolgskonzept gewor-den ist, lässt sich angesichts der Quellenlagenicht beantworten und spielte für ihn persön-lich wegen seiner Naherwartung (I Thess4,16f.) auch letztlich keine Rolle. Das missio-narische Konzept des Paulus ist auf eschatolo-gische Nachhaltigkeit angelegt. Es geht um dieRettung von Juden wie Nicht juden vor dembevorstehenden Gericht. Daher spielt für ihndie Ergebnissicherung durch die Briefkommu-nikation eine genauso wichtige Rolle wie dieBekehrungen durch die Missionsverkündi-gung.

196

Einen eigenständigen Weg in der Verbreitungdes Glaubens geht der 1. Petrusbrief": Er pro-pagiert die Integration der nichtjüdischenChristen in das Judentum, indem er die Ehren-titel Israels auf die Gemeinde überträgt (lPetr2,9), ohne sie dem nichtchristliehen Judentumabzusprechen.'? Ihre Identität erhält die Ge-meinde offensichtlich nicht durch Abgren-zung, sondern durch Integration. Der Weg derTrennung von Christentum und Judentum istoffensichtlich noch nicht beschritten. DieRandexistenz wird als Kehrseite der Erwäh-lung verstanden und führt nicht zur Abschot-tung, sondern zurück in die Gesellschaft, umdurch das Tun des Guten zu beeindrucken(IPetr 2,11f.).18 Die damit verbundenen Lei-denserfahrungen werden mit dem LeidenChristi verbunden. Nachfolge unter den Be-dingungen der Welt ist die Bereitschaft zumLeiden bei gleichzeitiger Unbescholtenheit ge-genüber denen, die das Leid verursachen. An-ders ausgedrückt: Die unbegründeten Feindse-ligkeiten werden mit einem religiös begründe-ten Ethos beantwortet. Das neue Lebensgefühlwird durch den Lebenswandel zur Verkündi-gung. Die Teilnahme an diesem neuen Lebens-gefühl wiederum macht das Christentum fürAußenstehende attraktiv.Neutestamentliche Missionsstrategien orien-tieren sich offensichtlich stark an den kulturel-len Voraussetzungen.- Bereits der für das Christentum prägende

Begriff für Gemeinde/Kirche .ekklesia"stammt aus dem Kontext der griechischenKommunalverwaltung.Der Verzicht auf die Beschneidung im Rah-men der paulinischen Mission ist nicht nurdurch die abschreckende Funktion wegengesundheitlicher Risiken begründet. DieBeschneidung galt in der gesamten grie-chisch-römischen Antike als Perversion undwurde der Kastration gleichgestellt. 19Der nur im Judentum verständliche Messi-astitel begegnet im Neuen Testament nur anzwei Stellen (Joh 1,41; 4,25). Umschreibun-gen, die die Nähe zu Gott bzw. zu den Men-schen ausdrücken (Sohn, Sohn Gottes, Herr,

Page 6: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

Heiler bzw. Lehrer, Bruder, Freund, guterHirte) können in vielen Kontexten verstan-den und auch emotional nachvollzogen wer-den. Dass der Christustitel (als Übersetzungvon Messias) von Heidenchristen kaum ver-standen wurde, zeigt die Verwendung vonJesus Christus als Eigenname in den spätenSchriften des Neuen Testaments. Bereits inden Paulusbriefen scheint die Verwendungan einigen Stellen schon doppeldeutig zusein.Die neutestamentlichen Riten der Christ-werdung variieren je nach Kontext. Da dasNeue Testament noch keine einheitliche Sa-kramentstheologie bietet, existieren ver-schiedene Taufvorstellungen nebeneinander(Wassertaufe, Geisttaufe, Taufe auf den Na-men)." Gemeinsam ist die vermittelte be-sondere Nähe zu Gott.

Das kulturell pluralistische Missionsgebietführte zu anpassungsfähigen Missionsstrate-gien, ohne dass dabei der Kern der religiösenInhalte tangiert wurde. Gleichzeitig hat diefrühchristliche Missionstätigkeit (anders alsspätere Zwangschristianisierungen) nie dasAuslöschen anderer Kulturen bewirkt. Grund-lage allen missionarischen Handeins ist dieWertschätzung derer, die missioniert werdensollen. Im Unterschied zum Judentum ging esja nicht um die gemeinsame Herkunft, sondernum die gemeinsame Zukunft. Die unterschied-lichen Herkünfte der neuen Christen haben dieGemeinden sprachlich und rituell bereichert.Die Pluralität der Kontexte hat die Universali-tät des Glaubens erst ermöglicht.Für die Ausbreitung des Christentums hat dieplanmäßige Mission keine Rolle gespielt." In-stitutionalisierte Missionsstrategien könnensich nicht ohne erhebliche Uminterpretationenauf die Glaubens- und Lebenspraxis des Ur-christentums berufen. Entscheidend für diestetige - aber nicht rasante - Ausbreitung wardie Standhaftigkeit der Christen angesichts dervielfaltigen Herausforderungen durch dieMehrheitsgesellschaft.P Im frühen Christen-tum entsteht ein neues Lebensgefühl, aus demsich im weiteren Verlauf eine neue Kultur ent-

wickeln wird.P Ging es in der Jesusbewegungum eine selbst gewählte Randexistenz inner-halb der durch die eigene Religion geprägtenGesellschaft, geht es jetzt um eine selbst ge-wählte Randexistenz, die der multireligiösenMehrheitsgesellschaft als religiöser Gegenent-wurf gegenübersteht. Während die Jesusbewe-gung die Herrschaft Gottes und das endzeitli-che Israel repräsentiert, repräsentiert jedechristliche Ortsgemeinde die Wahrheit desneuen Glaubens an die in Christus realisierteZuwendung Gottes. Neu ist dabei weder dieBotschaft von der Zuwendung Gottes noch dieMöglichkeit, dass Nicht juden daran Anteil ha-ben können. Auch die Begründung der beson-deren Rolle Jesu bleibt noch vollständig imfrühjüdischen Kontext. Neu ist, dass diese Re-präsentation auch außerhalb Israels möglichist und dass dadurch vom Judentum unabhän-gige Gemeinschaften entstehen.

4. Der sog. MissionsbefehlIn den Diskussionen um das missionarischeSelbstverständnis der Kirche wird nahezu im-mer auf den sog. Missionsbefehl verwiesen,der eine auf Konversion ausgerichtete Missionfür das Christentum insgesamt verbindlichfestschreibe. Ein Verzicht auf Judenmissionwürde den Juden nicht nur die frohe Botschaftvorenthalten, sondern auch einen direkten Be-fehl Christi unterlaufen.Ein Blick in den Text ist hier mehr als auf-schlussreich: Mit einer visionären Anweisungan die verbliebenen elf Jünger endet das Mat-thäusevangelium. Nach seiner Auferweckungwar Jesus zunächst nur den Frauen, die nachdem Grab sehen wollten, erschienen. Diesenhatte er gesagt: ,,Fürchtet euch nicht! Geht hinund verkündigt es meinen Brüdern, dass sienach Galiläa gehen: dort werden sie mich se-hen" (Mt 28, I0). Dies taten sie dann auch undwarfen sich vor ihm nieder. Das Niederwerfenist Ausdruck der Gottesfurcht, da sie im Aufer-standenen die Tat Gottes erblicken. Das Zwei-feln einiger von ihnen ist wohl Ausdruck dergrundsätzlichen Ambivalenz der Jüngerschaft,die sich durch das ganze Matthäusevangelium

197

Page 7: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

zieht (vgl. z.B. die Reaktion Jesu bei dem ver-suchten Seewandel des Petrus in Mt 14,31).Der folgende Missionsbefehl ist aber sichernicht als Antwort auf dieses Zweifeln (mögli-cherweise das Beistandsversprechen in Mt28,20) zu verstehen, sondern hat grundsätzli-chen Charakter. Um welchen Berg in Galiläaes sich hier handeln könnte, ist kaum zu beant-worten, auch wenn hier wohl ein ganz be-stimmter Berg gemeint ist. Möglicherweiseweist Mt 28,20a (" ...lehret sie halten alles, wasich euch befohlen habe ...") auf den Berg derBergpredigt, aber auch dies ist keineswegsdeutlich (andere Möglichkeiten: Berg der Ver-suchung oder Berg der Verklärung). Das Berg-motiv weist sicherlich nicht auf alttestamentli-che Vorstellungen von der Völkerwallfahrtzum Zion oder Wiederherstellung Großisraels.Im Gegenteil: Jerusalem ist die Stadt der Hin-richtung Jesu. Die Jünger werden für ihre wei-tere Aufgabe aus Jerusalem wegberufen. DieJüngerbeauftragung hat deutlich eine univer-salistische Tendenz. Unklar ist jedoch, ob da-mit die Mission an Israel bereits beendet ist.Vorstellbar sind unterschiedliche Phasen derMission:vor Ostern: Mission an Israel durch Jesus unddie zwölf Jünger (vgl. Mt 10,5-6; 15,24);nach Ostern: Mission an den nichtjüdischenVölkern durch die elf Jünger.Gibt es hier ein sich ablösendes Nacheinander,oder sind beide Adressaten weiterhin im Blick- nur mit jeweils unterschiedlichen Metho-den?" Die vielen frühjüdischen Argumente imMatthäusevangelium (z.B. Mt 5,17f; 23,3) las-sen m.E. nicht vermuten, dass der Bruch mitIsrael schon vollständig vollzogen worden ist.Die Mission an Israel, für die die Jünger dieVollmacht erhalten haben, Zeichen und Wun-der zu wirken (Mt 10,1.8), geht weiter bis zumendzeitliehen Gericht durch den Menschen-sohn (Mt 10,23). Bei der Mission an denNichtjuden hat der auferstandene Christus dieVollmacht (Mt 28,18), und die Mission voll-zieht sich durch Lehre, nicht durch Wunder (soauch bei Paulus in lKor 1,22; vgl. auch Joh4,48 und Mt 12,38). Theologisch zentral ist die

198

Kategorie des göttlichen Beistands (hier: Mt28,20b; vgl. in diesem Sinne auch Mt 18,20).Der auferstandene Herr ist bei der Mission da-bei und verheißt schützenden Beistand undHilfe beim Gelingen (so auch bei Paulus inlKor 2,1-5). So wie bei Paulus die endzeitli-che Rettung der nichtchristliehen Juden Gottanheimgestellt wird (Röm 11,25-32), wird derErfolg der Mission an den Nicht juden in Got-tes Hand gelegt. Der Modus der Mission istvom göttlichen Beistand her zu bestimmenund nicht vom typisch menschlichen Strebennach Erfolg."Mit dem Begriff "Missionsbefehl" als Über-schrift wird dieser Text allerdings deutlichmissverstanden. Der bis heute verbreitete Ge-danke, hier werde für alle Christen die Missionzu einem verbindlichen Wesensmerkmal deschristlichen Glaubens festgeschrieben, begeg-net erst seit dem 19. Jahrhundert. Bis dahinverstand man die Beauftragung als ganz kon-kret an die elf Jünger gerichtet. Auch die gän-gige Übersetzung ("machet zu Jüngern alleVölker") wirft erhebliche Probleme auf." Dasgriechische mathetein mit "zu Jüngern ma-chen" zu übersetzten, ist philologisch nichthaltbar. Die Erweiterung der Einheitsüberset-zung "macht alle Menschen zu meinen Jün-gern" kann man kaum noch als sachgemäß be-zeichnen." Es geht wohl vielmehr um die aus-drückliche Erlaubnis entgegen Jesu Verbot inMt 10,5f. ("Geht nicht den Weg zu den Heidenund zieht in keine Stadt der Samariter, / son-dern geht hin zu den verlorenen Schafen ausdem Hause Israel") ab jetzt auch Nicht judenunterrichten zu dürfen." Wenn dieser Unter-richt auf fruchtbaren Boden fällt, folgt alsKonsequenz die Taufe und die Unterweisungin die durch Jesu Lehre bestimmte Lebenswei-se.29 Die neue Lutherübersetzung (Luther2017) ist konsequenterweise hier zu der ur-sprünglichen und sprachlich korrekten Über-setzung Martin Luthers zurückgekehrtr..Da-rum gehet hin und lehret alle Völker: Taufet sieauf den Namen des Vaters und des Sohnes unddes Heiligen Geistes." Auch die viel geschol-tene Bibel in gerechter Sprache bietet hier ge-

Page 8: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

genüber Luther 1984 und der Einheitsüberset-zung die bessere Übersetzung: "Macht euchauf den Weg und lasst alle Völker mitlernen."Mission als allgemeine Christenpflicht ist hiernicht im Blick. Der Verzicht auf Mission anJuden bedeutet ohnehin keine Relativierungdieses Christuswortes, da Juden hier ausdrück-lich nicht als Adressaten genannt werden. Dassmit "alle Völker" die Nicht juden gemeint sind,ist sprachlich eindeutig. Wer aber hier nach Aruft, sollte B nicht einfach unter den Tisch fal-len lassen: Wer für sich den Text als Missions-befehl versteht und seine eigene missionari-sche Existenz in den Text hineinliest, sollte be-achten, dass dieser Text keine Mission paulini-sehen Typs im Blick hat. Es geht eindeutig umeine an der mosaischen Tora orientierte Le-bensweise. Weder Beschneidung noch Speise-gebote werden im Matthäusevangelium zurDiskussion gestellt.

5. Die Kirche aus Juden und HeidenChristliche Gemeinschaften, die aus Juden undNicht juden bestehen, sind das Ziel des Missi-onskonzepts des Paulus (GaI3,28; lKor 12,13;vgl. auch Röm 3,29-31; 10,12). Zu den Leb-zeiten des Paulus wird dieses Konzept initiiertaber noch nicht institutionalisiert. Die Quellenbrechen ab und lassen keine Rückschlüsseüber die Verbreitung gemischter Gemeindenpaulinischen Typs zu. Anders formuliert: Eindezidiert nichtjüdisches Christentum findetkeinen Eingang in den neutestamentlichen Ka-non, auch wenn dessen Schriften zum Teil äl-ter sind als die jüngsten Texte des Neuen Tes-taments. Damit verbindet sich ein weiterer As-pekt: Das frühe Christentum hat ein Selbstver-ständnis als Gemeinschaft der Erlösten entwi-ckelt, das aus heutiger jüdischer Perspektiveanmaßend klingt, damals aber keineswegs sogemeint war. Der von Gott für Israel vorgese-hene Heilsweg wird nicht bestritten, auchwenn alttestamentliche Beziehungsbegriffeauf die neue Glaubensgemeinschaft übertra-gen werden. Die Deutung der Zerstörung desJerusalemer Tempels als Strafe für den Un-glauben der Juden ist nicht der Beginn einer

antijüdischen Enterbungstheologie, sondernein geläufiges innerjüdisches Argumentations-muster.Problematisch ist nicht nur der anachronisti-sche Missionsbegriff (s.o.), sondern auch dieverwendete Terminologie für die Zielgruppender apostolischen Sendung bzw. Sammlung:Als Heiden (ethne) werden die Angehörigender nichtjüdischen Völker bezeichnet, die sichvom Volk Gottes dadurch unterscheiden, dasssie den einzigen und wahren Gott und seineGebote nicht kennen (vgl. IThess 4,5). Wäh-rend die nichtjüdischen Christen ihre vor-christliche (meist polytheistische) Kultpraxishinter sich lassen und als Götzendienst disqua-lifizieren, können jüdische Christen ihre Kult-praxis weiterführen. Anders ausgedrückt: Jü-dische Christen bleiben Juden, die aus dennichtjüdischen Völkern stammenden Christenbleiben aber keine Heiden. Auch die Lebens-weise der nichtjüdischen Christen ist innerjü-disch vorgeprägt und an der Tora orientiert.Hier geht es eben nicht nur um Glaubensfra-gen (Bekenntnis zu dem einzigen Gott und zuChristus), sondern auch um Fragen der Le-bensführung. Während des ersten christlichenJahrhunderts hat es noch kein Christentum ge-geben, das sich bewusst von den jüdischenGrundlagen abgrenzt und sich als Variante derhellenistisch-römischen Religiosität (z.B. alsMysterienreligion) versteht. Erst mit den Brie-fen des Ignatius von Antiochien (um 110) be-gegnet ein profiliert nichtjüdisches Christen-tum, das sich unter Verwendung der jüdischenGlaubensgrundlagen vom Judentum abgrenzt.Es geht in dieser frühen Phase der ersten Apos-tel vielmehr um das Hineinnehmen von Nicht-juden in eine Sondergruppe innerhalb des Ju-dentums. Die Möglichkeit, mit Nicht juden Ge-meinschaft zu haben, lässt sich jüdisch mitHilfe der Schrift begründen (z.B. Jes 2,1-4; Mi4,1-4; Sach 8,20-23), ist aber kontrovers zudiskutieren.Mit der Bezeichnung .Juden" ist es noch kom-plizierter: Der griechische Begriff ioudaioskann mit Jude aber auch mit Judäer übersetztwerden." Jesus war Jude aber kein Judäer.

199

Page 9: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

Wenn im Johannesevangelium der galiläischeJude Jesus von den Ioudaioi verfolgt wird (Joh7,1), dann sind damit meistens die judäischenJuden (Sadduzäer oder Pharisäer aus Jerusa-lern) gemeint. Jesu Aussage "Das Heil kommtvon den Judäern" (Joh 4) bezieht sich auf denJerusalemer Tempel als das einzig legitime jü-dische Heiligtum. Philologisch ist es daherauch möglich, dass Paulus sich nicht zu denNicht juden gesandt sah, sondern zu nicht jü-disch lebenden Juden in der Diaspora (den hel-lenos), die sich in ihrer Lebensweise und Spra-che von den judäischen Juden unterschieden(vgl. als Fallbeispiele 1Kor 9,20ff. und Phil3,3 mit Bezug aufDtn 30,6).31Die Mission desPaulus wäre dann eher eine Weiterfuhrung derSammlung Jesu unter den Bedingungen derDiaspora.

6. Weiterführende Überlegungen zum mis-sionarischen Selbstverständnis

1. Das Christentum der apostolischen Zeit isteine missionierende Bewegung - im Sinnevon Verbreitung des Glaubens über dieGrenzen des Judentums hinaus. Darin un-terscheidet es sich vom Judenchristentumund vom Mehrheitsjudentum. Missionari-sches Handeln der Kirche ist eine bewussteAnknüpfung an diese Ursprünge.

2. Die Verbreitung des Glaubens betrifft nichtdie Gotteslehre. Es geht um den Glauben anJesus als den Christus. Wie bei einer inner-jüdischen Erneuerungsbewegung geht esum die Ausgestaltung der Gottesbeziehung.Bei den nichtjüdischen Christen gab esschon zuvor Anknüpfungspunkte durch ihrInteresse am Judentum. Missioniert wirdvon jüdischen Christen an Juden und Nicht-juden - niemals von nichtjüdischen Chris-ten an Juden.

3. Die pneumatisch vermittelte Mission ist -in abgestufter Würde - der zweite Akt dervon Gott veranlassten Sendung Jesu. Sowie der Gesandte Gottes auf den Sender zu-rückverweist, führt auch der Apostel denErfolg seines Handeins auf das WirkenGottes zurück (lKor 2,1-3). Apostel sind

200

Mitarbeiter der durch Gott angestoßenenund begleiteten Mission.

4. Pluralistische Missionskontexte haben plu-ralistische Antworten erhalten - den Judenein Jude, den Griechen ein Grieche. Ten-denzen zur Vereinheitlichung der Missions-strategien sind im Neuen Testament nochnicht erkennbar. Was für die eine Gemeindegut war, muss nicht in der anderen zum Er-folg führen.

5. Ähnlich wie im Judentum bleibt die gelebteReligion das entscheidende Missionsargu-ment. Die Einheit der Gemeinde ist eintheologisches Gut - nicht nur ein organisa-torisches. Spaltungen sind unter allen Um-ständen zu vermeiden.F Mission und Inte-gration gehören untrennbar zusammen. Nureine sich selbst bewusste Kirche kann nachaußen Mission betreiben.

6. Die Frage nach dem aktuellen missionari-schen Selbstverständnis wird auch durchdie Rolle der Kirchen in der pluralen Ge-sellschaft bestimmt. Die Differenzen zurfrühchristlichen Lebenswelt sind erheblich:Missionarische Verkündigung (an Nichtju-den) hatte das Ziel, Menschen zu der Ab-kehr von ihrer bisherigen Religiosität zubewegen und sich in einer Gemeinde zuversammeln, die eine egalitäre Parallelge-sellschaft bildete und Repressalien von Sei-ten der Mehrheitsgesellschaft zu erduldenhatte. Nach Artikel 140 des Grundgesetzessind die Kirchen unter die Religionsge-meinschaften subsumiert. Das bedeutet: Ineiner freiheitlichen Gesellschaft sind dieReligionsgemeinschaften dialogisch aufei-nander bezogen und haben die gemeinsameAufgabe an einer gerechten und solidari-schen Gesellschaftsordnung mitzuwirken.Dies bedeutet nicht, sich von Identität stif-tenden Glaubensinhalten zu verabschiedenoder auf die Eindeutigkeit der frohen Bot-schaft zu verzichten.

7. Eine missionierende Erlösungsreligion be-darf einer gewissen Einfachheit. Sie mussklar zum Ausdruck bringen, wovon sie er-löst. Ihre Verkündigung muss unmissver-

Page 10: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

ständlich und eindeutig sein. Damit ver-bunden ist häufig der Wunsch nach einerVerbindlichkeit garantierenden Auslegungs-autorität (katholisches Lehramt bzw. sog.Bibeltreue). Beide verständlichen Bedürf-nisse werden jedoch durch die HeiligeSchrift auf ihrer wörtlichen Ebene nicht er-füllt. Sämtliche urchristlichen Schriftenstammen aus einer Phase der Suche und derAuseinandersetzungen. Von Einfachheit undAutorität ist man noch weit entfernt.

8. Die gegenwärtige kirchliche Praxis in derLebenswelt des Urchristentums wiederfin-den zu wollen, gestaltet sich zwangsläufigals schwierig (s.o.). Ein anderer Weg istgangbarer: WeIche Impulse lassen sich beiunvoreingenommener Lektüre der HeiligenSchrift entnehmen? Die zentripetalen An-sätze bei Paulus, Johannes und im 1. Pe-trusbrief bieten Anknüpfungspunkte imBlick auf eine Kirche, die durch ihr erkenn-bares und gelebtes Profil missionarischwirkt. Der Modus der liebevollen Zuwen-dung bleibt dem biblischen Gottesbild undseiner Repräsentation durch und in Christusverbunden und lässt sich als Wertschätzungdes mitmenschlichen Gegenübers dialogischentfalten. Der Ansprechpartner wird zumdialogischen Subjekt, nicht zu einem zumissionierenden Objekt.

9. Jede Äußerung eines Absolutheitsanspruchsmuss sich daran erinnern lassen, dass dieKirche in Gottes Zuwendungsgeschichtenur eine Übergangslösung darstellt, die imendzeitliehen Erscheinen Gottes hinfälligwird (Jes 59,20; Röm 11,26).33DialogischeMission ist Mission unter den Bedingungenekklesiologischer Bescheidenheit.

AnmerkungenI Vgl. als Überblick GRÜNSCHLOSS, A.: Mission, in: TRT' 2 (2008),

801-804. WOLFGANG REINBOLD hat Mission als .autoreferentiellesWort" bezeichnet: ••Es hat genau die Bedeutung, die ihm der Autorund die Autorin jeweils gibt." REINBOLD, W.: Mission im NeuenTestament, in: Pastoraltheologie 95 (2006), 76-87: 77. Dazu auchREINBOLD, W.: Propaganda und Mission im ältesten Christentum.Eine Untersuchung zu den Modalitäten der Ausbreitung der frühenKirche (FRLANT 188), Göttingen 2000.

2 Vgl. dazu GRÜNSCHLOSS, Mission (Anm. I); MÜLLER, H.: Missio-narische Bewusstseinsbildung. in: LexRP 2 (2001),1347-1350.

3 Vgl. dazu REINBOLD, W.: »Gehet hin und machet zu Jüngern alleVölker«? Zur Übersetzung und Interpretation von Mt 28, 19f., in:ZThK 109 (2012),176-205: 177.

4 Mehr als befremdlich erscheinen mir Tendenzen, die historisch-philologische Arbeit am Text grundsätzlich abzulehnen und die ei-gene kirchliche Praxis als biblisch begründet zu bezeichnen. Einederartige Position kann man noch nicht einmal als fundamentalis-tisch bezeichnen, da sie sich entschlossen weigert, die Aussagendes vermeintlichen Fundaments zur Kenntnis zu nehmen, sofernsie den eigenen Vorurteilen widersprechen.

5 Vgl. dazu SASSE, M.: Geschichte Israels in der Zeit des ZweitenTempels. Historische Ereignisse, Archäologie, Sozialgeschichte,Religions- und Geistesgeschichte, Neukirchen- Vluyn 2004, 21 ff.

6 V gl. dazu ZANGENBERG, 1.: Mission in der Antike und im antikenJudentum, in: ZNT 15 (2005), 12-21: 18.

7 Vgl. dazu ZANGENBERG, Mission (Anm. 6),18; SCHMELLER, T.:Mission im Urchristentum. Definition - Motivation - Konkretion,in: ZNT 15 (2005), 2-11: 6.

8 Vgl. ZANGENBERG, Mission (Anm. 6),18. Dazu insgesamt GOOD-MAN, M.: Mission and Conversion. Proselytizing in the ReligiousHistory of the Roman Empire, Oxford 1996.

9 Zu dem hier vorausgesetzten historischen und theologiegeschicht-lichen Ort des Johannesevangeliums vgL SASSE, M. Der Men-schensohn im Evangelium nach Johannes (TANZ 35), Tübingen,Basel 2000, 20-50, in Anlehnung an WENGST, K.: Bedrängte Ge-meinde und verherrlichter Christus. Ein Versuch über das Johan-nesevangelium, München' 1992, und BERGER, K: Theologiege-schichte des Urchristentums. Theologie des Neuen Testaments,Tübingen, Basel 21995,713-724.

10 CHRlSTOPH MARKSOllES zählt die Taten der Märtyrer (aber auchbesonderen Leistungen antiker Kleriker; v.a. Mönche) zu denwichtigsten Gründen für das Überleben des Christentums in derAntike. Vgl. MARKSCHIES, C.: Warum hat das Christentum in derAntike überlebt? Ein Beitrag zum Gespräch zwischen Kirchenge-schichte und Systematischer Theologie (ThLZ.F 13), Leipzig'2006, hier: 44f.

11 Dass Jesus während seines irdischen Wirkens keine von Israel un-terscheidbare Sondergemeinschaft namens Kirche im Sinne hatte,die sich durch von ihm eingesetzte Sakramente, Amtsverständnisgottesdienstlicher Praxis vom Frühjudentum unterschied, darf alswissenschaftlicher Konsens gelten.

12 Vgl. zu diesem Problem im Matthäusevangelium VON DOBBELER,A.: Die Restitution Israels und die Bekehrung der Heiden. Das Ver-hältnis von Mt IO,5b.6 und Mt 28,18-20 unter dem Aspekt derKomplementarität. Erwägungen zum Standort des Matthäusevan-geliums, in: ZNW 91 (2000), 18-44.

13 Vgl. dazu BERGER, K.: Jesus als Pharisäer und frühe Christen alsPhariäer, in: DERS.: Tradition und Offenbarung. Studien zum frü-hen Christentum (hrg. v. M. KLlNGHARDT u. G. ROHSER), Tübin-gen, Basel 2006, 409-434: 414-422.,

14 Vgl. Luz, U.: Absolutheitsanspruch und Aggressionspotenzial imfrühen Christentum, in: EvTh 64 2004), 268-284: 269f.

15 Vgl. SASSE, M.: Weisheit und Torheit im Kontext frühchristlichenTaufverständnisses. Überlegungen zu I Kor 1,18, in: VON DoBBE-LER, A. I ERLEMANN, K. I HEILlGENTHAL, R. (Hrg.): Religionsge-schichte des Neuen Testaments (FS K. BERGER), Tübingen, Basel2000,255-261.

16 V gl. dazu HORN, F.w.: Christen in der Diaspora. Zum Kirchenver-ständnis des I. Petrusbriefs, in: KuD 63 (2017), 3-17. Dazu auchdie Beiträge in Du TOIT, D.S. (Hrg.): Bedrängnis und Identität.Studien zu Situation, Kommunikation und Theologie des 1. Petrus-briefes (BZNW 200), Berlin, Boston 2013, sowie GUTTENBERGER,G.: Passio Christiana. Die alltagsmartyrotogische Position des Ers-ten Petrusbriefes (SBS 223), Stuttgart 20 IO.

201

Page 11: Mission - biblische und historische Betrachtungen · Im Übrigen kennt das rab-binische Judentum auch die Möglichkeit des Glaubens an Gott, ohne zum Judentum zu kon-vertieren - die

17 MARTINVAHRENHORSTspricht hier von einer .Jsraelekklesiologie".Vgl. VAHRENHORST,M.: Der erste Brief des Petrus (ThKNT 19),Stuttgart 2016, 38.

18 Vgl. REINBOLD,Propaganda (Anm. 1),308.19 Vgl. dazu umfassend BLASCHKE,A.: Beschneidung. Zeugnisse der

Bibel und verwandter Texte (TANZ 28), Tübingen, Basel 1998.20 Vgl. BERGER,Theologiegeschichte des Urchristentums (Anm. 9),

I23ff.21 Vgl. REINBOLD,Propaganda 286 (Anm. I) mit Belegen aus der kir-

chenhistorischen Sekundärliteratur in Anm. 4. Zu den Gründen fürden Erfolg des Christentums vgl. auch LAUSTER,J.: Die Verzaube-rung der Welt. Eine Kulturgeschichte des Christentums, München2014, 84-89; MARKSCHIES,Warum hat das Christentum in der An-tike überlebt? (Anm. 10).

22 Vgl. dazu auch als kurzer Überblick SASSE,M.: "Die Welt ist nichtgenug." Die frühen Christen als Weltbürger, in: Brennpunkt Ge-meinde 312014,102-105.

23 Vgl. LAUSTER,Verzauberung (Anm. 21),76-83.24 Für eine Gleichzeitigkeit votiert mit guten Gründen VONDOBBE-

LER,Restitution Israels (Anm. 19),42: "M. E. reflektiert das MtEvin seiner Endfassung ein Judenchristentum der zweiten Generati-on, das durch eine strikte Orientierung am Gesetz (in der Ausle-gung Jesu) einerseits und durch ein messianisches Bewußtsein an-dererseits gekennzeichnet war, sich nach wie vor als Teil Israelssah, zu Israel gesandt, um die Niedergeschlagenen im Volk aufzu-richten, und zugleich - als Teil seiner messianischen Sendung -seine Aufgabe darin sah, die Heiden unter die Herrschaft des einenGottes zu bringen."

25 Vgl. REINBOLD,"Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker"?(Anm. 3), 204f.: "Wenn wir denn das oft missbrauchte Wort ,Mis-sion' weiterhin als Leitbegriff christlichen Handeins verwendenwollen, dann muss unmissverständlich klar sein: Eine Mission imNamen Jesu Christi kann nichts anderes sein als eine freundlicheEinladung zum Vertrauen auf den Gott, der sich in Christus zu er-kennen gegeben hat. Die Formen und Modalitäten solcher Missionmüssen dem Inhalt des Evangeliums stets und unter allen Umstän-den entsprechen. Nur dann werden wir in der Lage sein, ein Ver-ständnis von ,Mission' zu entwickeln, das mit den Herausforde-rungen des 21. Jahrhunderts vereinbar ist."

26 Vgl. dazu den lesenswerten und materialreichen Aufsatz von REIN-BOLD,"Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker"? (Anm. 3).

27 Vgl. REINBOLD,"Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker"?(Anm. 3), 199f.

28 Vgl. REINBOLD,"Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker"?(Anm. 3), 201, mit Verweis auf KONRADT,M. Israel, Kirche unddie Völker im Matthäusevangelium (WUNT 215), Tübingen 2007,334--348.

29 Vgl. REINBOLD,"Gehet hin und machet zu Jüngern alle Völker"?(Arun. 3), 204: "Auch aus exegetischen Gründen ist die heuteselbstverständliche Übersetzung unsachgemäß. Die elf Jüngerwerden am Ende des Matthäusevangeliums keineswegs dazu auf-gefordert, alle Welt ,zu Jüngern zu machen', indem sie sie taufenund in die Einzelheiten der Lehre Jesu einführen. Sondern sie wer-den dazu aufgefordert, die Lehre Jesu den Menschen aus den Völ-kern nicht länger vorzuenthalten. Von nun an dürfen sie nichtjüdi-sche Schüler annehmen, und sie dürfen sie, sollte die Lehre bei ih-nen auf fruchtbaren Boden fallen, taufen. Der Weg zu den Völkernist neu und durchaus riskant. Das Wort des Auferstandenen ermu-tigt die Elf, den neuen Weg zu wagen."

30 Zum Problem vgl. MASON,S.: Jews, Judaeans, Judaizing, Judaism:Problems of Categorization in Ancient History, in: JSJ 38 (2007),457-512 I DERS.: Josephus, Judea, and Christian Origins,PeabodylMass.2009, 141-184; MASON,S.: Das antike Judentumals Hintergrund des frühen Christentums, in: ZNT 37 (2016), 11-22.

202

31 Vgl. in diesem Sinne TROBISCH,0.: War Paulus verheiratet? Undandere offene Fragen der Paulusexegese, Gütersloh 2011, 60-67.

32 Vgl. BERGER,K.: Glaubensspaltung ist Gottesverrat. Wege aus derzerrissenen Christenheit, München 2006.

33 Vgl. BARTH,H.-M.: Religionen und Toleranz "Wahrhaftig sein inder Liebe" - wie macht man das?, in: KuD 60 (2014), 153-168:167: "Eine Religion darf auf das Absolute verweisen, aber nichtsich selbst für das Absolute halten. Sonst wird sie, statt auf Gott zuverweisen, selbst zum Götzen. Solchen Götzen ist der Kampf an-zusagen, am liebsten würde man wohl sagen: Solche Religionengehören abgeschafft. Aber das wäre intolerant. Wir müssen wohlmit ihnen leben. Aber wir können wenigstens darauf achten, dasswir uns nicht selbst zu Selbstüberhebung und Selbstvergötterungverführen lassen. Wir können .in Liebe und Wahrhaftigkeit' dafürwerben, dass in allen Religionen ein Geist der Selbstkritik und derSelbsttranszendenz einkehrt. Unter dieser Voraussetzung nämlichwird Toleranz zwischen den Religionen überflüssig. Der Konkur-renzdruck zwischen ihnen schwindet. Eine Atmosphäre der Frei-heit breitet sich aus. Eine Kultur des freien Austauschs nimmt Ge-stalt an. An die Stelle mühsam aufrecht erhaltener Toleranz tritt derAtem der Freiheit."