Mitteilungen aus dem SOFI -...

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SOFI Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen an der Georg-August-Universität September 2009, Ausgabe 7, 3. Jahrgang Mitteilungen aus dem SOFI Erste Ergebnisse einer Projektevaluation des SOFI Von Bettina Kohlrausch und Heike Solga In den letzten zwei Jahren hat sich am SOFI ein neuer Zweig der Evaluationsforschung etabliert, in dessen Rahmen die Bildungsverläufe von beson- ders abschlussgefährdeten Hauptschüler/innen im Längsschnitt erhoben und ausgewertet werden. Konkret werden die folgenden Projekte evaluiert, die von der Niedersächsischen bzw. Saarländischen Landesregierung und der Bundesagentur für Arbeit gefördert werden: „Abschlussquote erhöhen und Berufsfähigkeit stei- gern“ in Niedersachsen, Projektlaufzeit Februar 2007 - Juli 2008 (AQB1) „Abschlussquote erhöhen und Berufsfähigkeit stei- gern“ und „Vertiefte Berufsorientierung und Praxis- begleitung an Hauptschulen“ in Niedersachsen, Projektlaufzeit September 2009 - Juli 2010 (AQB2 und VBOB) „Werkstatt Schule“ im Saarland, Projektlaufzeit Mai 2008 - Juli 2010 Inzwischen liegen erste Ergebnisse der Evaluation des Projektes AQB1: „Abschlussquote erhöhen und Berufsfähigkeit steigern“ vor. Projektbeschreibung Das Modellprojekt „Abschlussquote erhöhen – Be- rufsfähigkeit steigern“ verfolgt einen Ansatz, der inzwischen in vielen Bundesländern realisiert wird, um schulmüden Hauptschüler/innen den Weg in eine berufliche Ausbildung zu ermöglichen. Kern dieses Ansatzes ist die Einführung eines „dualisier- ten Schulalltages“, in dem die Schüler/innen einen bestimmten Anteil der Unterrichtszeit im Betrieb verbringen, um dort praxisrelevante Lernerfah- rungen zu sammeln. Entsprechend lauten die Zielformulierungen des Projektes „Abschlussquote erhöhen – Berufsfähigkeit steigern“, die Chancen von akut schulabschlussgefährdeten Jugendlichen für den Erwerb eines einfachen Hauptschulab- schlusses sowie den Zugang zu einer voll qua- lifizierenden Ausbildung zu verbessern. An 24 Titelthema: Erhöht dualer Schulalltag die Abschlussquote und die Berufsfähigkeit von Hauptschüler/innen? 1 Aus den Projekten: Monitor Arbeitsmarktpolitik läuft aus: Bilanz eines besonderen Projekts 5 Ausgangsüberlegungen zu einem neuen Forschungsprojekt: Deutsche Standorte in globalen Wertschöpfungsnetzwerken 8 Veranstaltungen: Konferenz:„Bringing Capitalism back in!“ am 7./8.10.2009 in Jena 10 Veranstaltung:„Teilhabe im Umbruch“ am 13.11.2009 in Berlin 11 Veröffentlichungen: Veröffentlichungen von SOFI-MitarbeiterInnen von April bis September 2009 12 Personalia 12 Impressum 6 Inhalt: Erhöht dualer Schulalltag die Abschlussquote und die Berufsfähigkeit von Hauptschüler/innen?

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Erste Ergebnisse einer Projektevaluation des SOFI

Von Bettina Kohlrausch und Heike SolgaIn den letzten zwei Jahren hat sich am SOFI ein neuer Zweig der Evaluationsforschung etabliert, indessen Rahmen die Bildungsverläufe von beson-ders abschlussgefährdeten Hauptschüler/innen imLängsschnitt erhoben und ausgewertet werden.Konkret werden die folgenden Projekte evaluiert,die von der Niedersächsischen bzw. SaarländischenLandesregierung und der Bundesagentur für Arbeitgefördert werden:

� „Abschlussquote erhöhen und Berufsfähigkeit stei-gern“ in Niedersachsen, Projektlaufzeit Februar2007 - Juli 2008 (AQB1)

� „Abschlussquote erhöhen und Berufsfähigkeit stei-gern“ und „Vertiefte Berufsorientierung und Praxis-begleitung an Hauptschulen“ in Niedersachsen,Projektlaufzeit September 2009 - Juli 2010 (AQB2und VBOB)

� „Werkstatt Schule“ im Saarland, Projektlaufzeit Mai2008 - Juli 2010

Inzwischen liegen erste Ergebnisse der Evaluationdes Projektes AQB1: „Abschlussquote erhöhen undBerufsfähigkeit steigern“ vor.

Projektbeschreibung

Das Modellprojekt „Abschlussquote erhöhen – Be-rufsfähigkeit steigern“ verfolgt einen Ansatz, der inzwischen in vielen Bundesländern realisiert wird,um schulmüden Hauptschüler/innen den Weg ineine berufliche Ausbildung zu ermöglichen. Kerndieses Ansatzes ist die Einführung eines „dualisier-ten Schulalltages“, in dem die Schüler/innen einenbestimmten Anteil der Unterrichtszeit im Betriebverbringen, um dort praxisrelevante Lernerfah-rungen zu sammeln. Entsprechend lauten dieZielformulierungen des Projektes „Abschlussquoteerhöhen – Berufsfähigkeit steigern“, die Chancenvon akut schulabschlussgefährdeten Jugendlichenfür den Erwerb eines einfachen Hauptschulab-schlusses sowie den Zugang zu einer voll qua-lifizierenden Ausbildung zu verbessern. An 24

Titelthema: Erhöht dualer Schulalltag die Abschlussquote und die Berufsfähigkeit von Hauptschüler/innen? 1

Aus den Projekten: Monitor Arbeitsmarktpolitik läuft aus: Bilanz eines besonderen Projekts 5

Ausgangsüberlegungen zu einem neuen Forschungsprojekt:Deutsche Standorte in globalen Wertschöpfungsnetzwerken 8

Veranstaltungen: Konferenz:„Bringing Capitalism back in!“ am 7./8.10.2009 in Jena 10

Veranstaltung:„Teilhabe im Umbruch“ am 13.11.2009 in Berlin 11

Veröffentlichungen: Veröffentlichungen von SOFI-MitarbeiterInnen von April bis September 2009 12

Personalia 12

Impressum 6

Inhalt:

Erhöht dualer Schulalltag die Abschlussquote und die Berufsfähigkeit von Hauptschüler/innen?

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TITELTHEMA

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Schulen in Niedersachsen wurden dazu „Berufsstarterklassen“ einge-richtet, in denen die Schüler/innen in der Regel zwei Tage der Woche imBetrieb verbrachten und von soge-nannten „Berufsstartbegleiter/innen“pädagogisch begleitet wurden.

Anlage der Untersuchung

Um analysieren zu können, ob und in welchem Ausmaß das Erreichendes Hauptschulabschlusses und die Einmündung in eine berufliche Aus-bildung tatsächlich auf die Projekt-teilnahme zurückzuführen sind, wur-den Kontrollklassen in die Analysenmiteinbezogen. Im Rahmen der Eva-luation wurden als Kontrollgruppedie Schüler/innen aus einer der Parallelklassen der jeweiligen Be-rufsstarterklassen (an den 24 teil-nehmenden Schulstandorten) be-fragt sowie je eine Hauptschulklasseim gleichen Schuljahrgang an vierweiteren Standorten in Nieder-sachsen, die nicht am Modellprojektteilnehmen. Unbeobachtete Hetero-genität zwischen Teilnehmer- undKontrollklassen wird in den deskrip-tiven und multivariaten Analysendurch Berücksichtigung kognitiverGrundfähigkeiten kontrolliert. Ins-gesamt wurden die Schüler/innenviermal befragt. Diese Befragungenumfassen eine Ausgangs- und Ziel-messung sowie eine telefonische Befragung zur Erfassung des Zu-standes ca. drei Monate nach Endedes Projektes. Zusätzlich wurden eine(halb)standardisierte Befragung derLehrkräfte sowie Experteninterviewsmit Betrieben, Arbeitsagenturen und

dem pädagogischen Personal derSchulen (einschließlich Schulleiter/innen) durchgeführt.

Zusammensetzung der Klassen

Zielgruppe des Projektes waren starkabschlussgefährdete Schüler/innen.Die deskriptiven Analysen der Zu-sammensetzung der Klassen habenergeben, dass ein großer Teil der Pro-jektschüler/innen diesem Kriteriumentspricht (vgl. Schaubild 1). Gut 50Prozent der Schüler/innen der Berufs-starterklassen wiesen schlechte Schul-leistungen auf, d.h. sie hatten in bei-den Hauptfächern (Mathematik undDeutsch) die Note 4 und schlechter.Ein Drittel der Teilnehmer/innen hattein einem der beiden Fächer eine guteund im anderen eine schlechte Note.Gleichwohl ist festzustellen, dass fastjede/r zehnte Projektteilnehmer/inzum Zeitpunkt des Projektbeginns inDeutsch und Mathematik die Note 3und besser hatte. Insofern ist zu fra-gen, ob es sich hier wirklich um „akutabschlussgefährdete Schüler/innen“handelt.

Darüber hinaus haben Schüler/innender Berufsstarterklassen häufiger be-reits die Erfahrung des „Scheiterns“ inder Schule gemacht: 72 Prozent hattenzu Projektbeginn eine oder mehrereKlassen wiederholt (43 Prozent in denKontrollklassen). Möglicherweise alsKonsequenz aus dieser Erfahrung

zeichneten sie sich zudem durch einegrößere Schulmüdigkeit aus: 40 Pro-zent hatten vor Projektbeginn häufi-ger die Schule geschwänzt (19 Prozentin den Parallelklassen).

Ein hinsichtlich des Projektziels wich-tiger Befund ist, dass die befragtenHauptschüler/innen – wie Hauptschü-ler/innen allgemein – über eine ver-gleichsweise geringe Anbindung anden Ausbildungs- und Arbeitsmarktüber ihre Eltern verfügen. In nur etwaeinem Drittel ihrer Familien war min-destens ein Elternteil Vollzeit erwerbs-tätig. Überdurchschnittlich häufig warin ihren Familien kein Elternteil er-werbstätig oder nur geringfügig be-schäftigt (Berufsstarterklassen: 19 Pro-zent, Kontrollklassen: 16 Prozent). Innur rund 61 Prozent der (erwerbstäti-gen) Familien von Schüler/innen derBerufsstarterklassen übte mindestensein Elternteil eine qualifizierte Tätig-keit aus, bei den Kontrollklassen warenes 83 Prozent. Hier zeigt sich ein signi-fikanter Unterschied (vgl. Schaubild 2).

Kehrseite der Zusammenfassung starkabschlussgefährdeter Schüler/innen ineinem Klassenkontext war, dass da-durch teilweise sehr anregungsarmeLernumwelten geschaffen wurden: Sogab es beispielsweise keine Kontroll-klasse mit einer Durchschnittsnotevon unter 3,6/3,7 in Mathematik oderDeutsch (am Ende des ersten Halb-

Fortsetzung von S. 1

Schaubild 1: Durchschnittliche Leistungen der Projekt- und Kontrollklassen

Quelle: Datensatz „Abschlussquote erhöhen – Berufsfähigkeit steigern“, 2007 - 2009, SOFI

n = 243 Schüler/innen aus Berufsstarterklassen und 326 aus Kontrollklassen

Informationen zum Projekt

Titel des Projekts: Evaluation„Abschlussquote erhöhen – Be-rufsfähigkeit steigern”

Gefördert von der Bundesagenturfür Arbeit

Projektleitung: Prof. Dr. Heike Solga

Projektbearbeitung: Dr. BettinaKohlrausch, Claudia KretschmannM.A., Dr. Sabine Fromm

Laufzeit: Februar 2007 - Januar2009

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jahres der 8. Klasse/Projektbeginn),bei den Berufsstarterklassen waren es hingegen 16 von 23. Dies wurde in vielen Fällen noch dadurch verstärkt,dass Berufsstarterklassen häufiger alsKontrollklassen sehr hohe Anteile vonSchüler/innen aus sozial schwachen Familien oder von Jugendlichen mit Migrationshintergrund zu verzeichnenhatten, die über dem – ohnehin schonhohen – Maximum bei den Kontroll-klassen lagen.

Dennoch war die Motivation der Teil-nahme am Projekt hoch: Die Mehrheitder Jugendlichen (ca. 80 Prozent) freute sich sehr oder ein bisschen,eine Berufsstarterklasse zu besuchen.Diese Motivation sowie die ihrer Eltern hatte einen positiven Einfluss auf ihre Schulleistungen.

Wie erfolgreich war das Projekt?

Das erste Erfolgskriterium des ProjektsAQB1 war das Erreichen des Haupt-schulabschlusses am Ende der 9. Klas-se. Insgesamt erreichten 92 Prozent derProjektschüler/innen (im Vergleich zu97 Prozent der Kontrollschüler/innen)den Hauptschulabschluss. Dies ist – vordem Hintergrund der Zielgruppe desProjektes – mit Sicherheit als Erfolg zu werten. Erfolg gibt es auch beimLeistungsniveau des Schulabschlusseszu verzeichnen. Von den Schüler/innender Berufsstarterklassen – wie der Kon-

trollklassen – hatte ca. ein Drittel einenguten Abschluss (mit Deutsch und Mathematik besser als die Note 3).

Das zweite Erfolgskriterium war der Be-ginn einer beruflichen Ausbildung.Insgesamt haben von den Schüler/innen, die nach der 9. Klasse die Schuleverlassen haben, 47 Prozent der Teil-nehmer/innen am Projekt AQB1 und 38Prozent der Schulabgänger/innen ausden Kontrollklassen eine Ausbildungbegonnen. Auch dies ist als Erfolg zubewerten und angesichts der Tatsache,dass nur drei der 24 Projektstand-orte in Arbeitsamtbezirken mit nied-riger Arbeitslosigkeit bzw.günstiger Arbeitsmarktlagelagen, ein beachtliches Ergeb-nis. Der Projekterfolg ist da-bei vor allem auf sogenannteKlebeeffekte zurückzuführen:94 Prozent der Schüler/innender Projektklassen, die eineAusbildung begonnen haben,haben in diesem Betrieb be-reits ein Praktikum gemacht.Die multivariaten Analysenzeigten, dass dieser Effekt vor allem dann greift, wenn dieSchüler/innen längerfristig indem Betrieb blieben, sie mitdem Praktikum zufrieden wa-ren und sie im Praktikum qua-lifizierte Tätigkeiten ausübenkonnten.

Gleichwohl ist für einige Schülergrup-pen – unterschiedlich nach Zielkrite-rium – das Projekt AQB1 nicht erfolg-reich gewesen. Die Befunde aus denmultivariaten Analysen zusammen-fassend, ergibt sich das in Tabelle 1dargestellte differenzierte Bild (s. S. 4):

� Schüler/innen mit schlechterenAusgangsleistungen hatten höhe-re Chancen, ihre Leistungen zu verbessern als vergleichbare Schü-ler/innen aus den Kontrollklassen.Berücksichtigt man allerdings die lerngruppenbezogene Benotungs-praxis, dann zeigt sich, dass dieseSchüler/innen aus Berufsstarter-klassen eine geringere Chance hat-ten, einen guten Schulabschluss zu erreichen. Andererseits hattenSchüler/innen mit schlechten Ab-schlussleistungen aus Berufsstar-terklassen eine höhere Chance,einen Ausbildungsplatz zu erhalten.Die Bilanz für diese Schüler/innen(und das Projekt) ist daher sowohlnegativ als auch positiv.

� Für Schüler/innen mit gemisch-ten Ausgangsleistungen oder Ab-schlussleistungen hatten die Teil-nahme am Projekt und der Besuch einer Berufsstarterklasse in bei-den Zielkriterien einen positiven Effekt. Negativ ist hierzu anzumer-ken, dass Erstere eine höhere Wahr-scheinlichkeit hatten, eine schlech-te Deutschendnote zu erhalten als vergleichbare Schüler/innen, die eine normale Hauptschulkasse (Kon-trollklasse) besucht haben.

Schaubild 2: Erwerbsstatus der Eltern (in Prozent)

Bei den Berufsstarterklassen resultiert die Summe von 101 durch Rundungs-abweichungen.n = 206 Schüler/innen aus Berufsstarterklassen und 308 aus Kontrollklassen

Quelle: Datensatz „Abschlussquote erhöhen – Berufsfähigkeit steigern“, 2007 - 2009, SOFI

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� Für Schüler/innen mit guten Aus-gangsleistungen ist die Projektteil-nahme eher negativ einzuschätzen.Hinsichtlich des Zugangs zu einemAusbildungsplatz hatten Schüler/in-nen mit guten Abschlussleistungen(zu denen ein Großteil der gutenSchüler/innen bei Projektbeginn ge-hörte) durch die Projektteilnahme –mit dem damit verbundenen Label„ein akut abschlussgefährdeter Ju-gendlicher zu sein“ – eher schlechtereChancen auf dem Ausbildungsmarkt.

� Hinsichtlich der Förderung vonMädchen ist der Projekterfolg ambi-valent einzuschätzen. Einerseits wa-ren diese mit dem Besuch einer Berufsstarterklasse in der schulischenDimension erfolgreich. Hier liegt je-doch derzeit weniger eine Benach-teiligung von Mädchen vor. In der Dimension des Zugangs zu einemArbeitsplatz, in der Mädchen benach-teiligt sind, war das Resultat negativ.Vergleichbare Mädchen aus den Kontrollklassen hatten hier höhereAusbildungschancen. Die betrieb-liche Komponente des Projekts AQB1scheint daher noch zu sehr „jungen-fokussiert“ gewesen zu sein.

� Jugendliche mit Migrationshinter-grund haben von dem Besuch einerBerufsstarterklasse sowohl in Bezugauf den schulischen Erfolg als auch in Bezug auf den Ausbildungsplatz-zugang profitiert. Gleichwohl war derVorteil des Besuchs einer Berufsstar-terklasse von Jugendlichen ohne Mi-grationshintergrund größer. Von da-her ist das Projekt AQB1 hinsichtlichder Förderung von Jugendlichen mitMigrationshintergrund zwar erfolg-reich gewesen. Für die Reduzierungder Benachteiligung von Jugend-lichen mit Migrationshintergrundmittels Berufsstarterklassen müsstees jedoch zusätzlich spezifische För-der- und Unterstützungsangebotefür diese Gruppe von Jugendlichengeben.

Die berichteten Erfolgszahlen werdendurch die sehr hohe Fluktuation ausdem Projekt gemindert. Von den 472Schüler/innen, die in das Projekt auf-genommen wurden, haben 107 Schü-ler/innen das Projekt vorzeitig wieder verlassen (23 Prozent). Viele dieser Schüler/innen zeichnen sich durch eine geringere Motivation für die Teilnahme

an dem Projekt und durch häufige-res Schwänzen vor Projektbeginn aus.Damit war das Projekt jedoch geradefür jene Schüler/innen nicht erfolgreich,bei denen es sehr wichtig gewesen wäre, ihnen durch das Projekt neue Perspektiven aufzuzeigen – denn dieWahrscheinlichkeit, dass dies nun mitMaßnahmen nach dem Verlassen derSchule gelingt, dürfte noch deutlich geringer sein.

Abschließende Bewertung

Abschließend stellt sich die Frage, wieder Ansatz des Projektes – die Einfüh-rung eines dualisierten Schulalltages –zu bewerten ist. Die Praxistage sind eines der wichtigen Kernstücke desProjekts AQB1 und haben ohne Zweifel bedeutend zum Erfolg des Projektsbeigetragen. Die erhofften Klebeeffek-te stellten sich allerdings vor allem immer dann ein, wenn das Praktikumtatsächlich neue Lernerfahrungen ge-währleistete, indem qualifizierte Tätig-keiten im Praktikum ausgeübt wurden.Auch haben Jungen in deutlich stär-kerem Maße als Mädchen von den

Klebeeffekten profitiert. Weiterhin istals problematisch zu beurteilen, dassdie Einrichtung der Praxistage an fastallen Schulen mit der Reduzierung von Unterrichtsstunden und Streichungenvon Fächern aus dem Curriculum ein-hergingen. Damit wird – da bestimmteFächer nicht unterrichtet werden – dieVersetzung in die 10. Klasse zum Teilgefährdet. Zudem ist fraglich, ob dieSchüler/innen ausreichend auf die Anforderungen der Berufsschule vor-bereitet sind. Besonders für Schüler/innen, die nicht in eine Ausbildung einmünden, aber auch für diejenigen,die die begonnene Ausbildung abbre-chen, wäre die Projektteilnahme dannmit einer Reduktion von Zukunftschan-cen verbunden. Um eine Unterrichtsre-duktion zu vermeiden, wäre möglicher-weise darüber nachzudenken, ob diePraktikumstage durch eine Verlänge-rung der Schulzeit der Berufsstar-terschüler/innen um ein Jahr ausge-glichen werden könnten bzw. sollten(die 8. und 9. Klasse würde dann nicht in zwei Jahren – wie im Projekt AQB1 –,sondern in drei Jahren absolviert).

Fortsetzung von S. 3

Tabelle 1: Einfluss des Besuchs einer Berufsstarterklasse für das Erreichen der beiden Zielkriterien des Projekts AQB1 für unterschiedliche Schülergruppen(Jugendliche aus den Berufsstarterklassen im Vergleich zu denen aus Kontrollklassen)

Leistungsniveau bei Projektstart bzw. -ende- Gute Schüler/innen- Schüler/innen mit gemischten Leistungen- Schlechte Schüler/innenGeschlecht- Jungen- MädchenMigrationshintergrund- Ja- Nein

=+-

=+-

=++

+(+)

(+)+

-++

+-

(+)=

Schülergruppen Mathema-tikendnote1)

Deutsch-endnote1)

Niveau des erreichten Schulab-

schlusses2)

Aus-bildungs-platz im

09/20083)

Legende:

+ Höhere Chance für Schüler/innen aus Berufsstarterklassen- Geringere Chance = Gleiche Chance

(+) Höhere Chance für Berufsstarterklassen – im Vergleich zu Kontrollschüler/innen, aber geringere als Jungen bzw. Jugendliche ohne Migrationhintergrund beim internen Vergleich von Berufsstarterschüler/innen

1) N = Jugendliche, die am gesamten Projekt teilgenommen haben – bei gleichem durch-schnittlichem Sozialverhalten der besuchten Klasse (Indikator für Lernkontext), gleichen ver-balen und figuralen kognitiven Grundfähigkeiten und Kontrolle für Benotungsunterschiede.

2) N = Jugendliche, die den Hauptschulabschluss oder eine Versetzung in Klasse 10 erhaltenhaben – bei gleichen Ausgangsleistungen, gleichem Sozialverhalten, gleichem durchschnitt-lichen Sozialverhalten der besuchten Klasse (Indikator für Lernkontext), gleichen verbalenund figuralen kognitiven Grundfähigkeiten.

3) N = Jugendliche, die die Schule nach der 9. Klasse verlassen haben – bei gleichem Niveaudes Schulabschlusses, gleichem Bildungsabschluss der Eltern, gleichen verbalen und figuralen kognitiven Grundfähigkeiten und kontrolliert für Schwänzen in der 9. Klasse.

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AUS DEN PROJEKTEN

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Von Volker Baethge-KinskyIn diesen Tagen läuft das von der Hans-Böckler-Stiftung und der Otto-Brenner-Stiftung von Ende 2005 bisSeptember 2009 geförderte Projekt„Monitor Arbeitspolitik“ aus. Das SOFIhat dieses Projekt in Kooperation mitdem Forschungsteam internationalerArbeitsmarkt (FIA) durchgeführt. Dasbesondere Format dieses Projekts, mitdem sowohl die Förderinstitutionenals auch die Auftragnehmer Neulandbetreten haben, gibt Anlass zu einerBilanz.

Projektauftrag und Rahmenbedingungen

Der Monitor Arbeitsmarktpolitik wur-de als ein Transferprojekt konzipiert,das die Umsetzung der vier Gesetze zu „modernen Dienstleistungen am Ar-beitsmarkt“ – auch als „Hartz I bis IV“bekannt – begleiten sollte. Insbeson-dere sollten die Ergebnisse der im politischen Auftrag durchgeführten Evaluation über die Wirkungen dieserGesetze aufbereitet und in den Adres-satenraum überwiegend gewerk-schaftlicher Akteure transferiert wer-den.

Die Formel „Aufbereitung von Ergeb-nissen“ unterzeichnet freilich die ei-gentliche Aufgabe des Projekts. Ob-wohl das Projekt kein Forschungs-projekt im herkömmlichen Sinne ist,

war es während der ganzen Laufzeitauf eigene sekundäranalytische und -statistische Forschungsaktivitäten an-gewiesen. Dies hängt damit zusam-men, dass insbesondere die Wir-kungsforschung zu den ersten dreiHartz-Gesetzen in hohem Maße instru-mentenspezifisch angelegt und allein

auf die Umsetzung der neuen Arbeits-marktgesetze orientiert war. Durchdiese thematische Engführung, die dieWirkungen je spezifischer Instrumenteund den Umbau der Arbeitsverwal-tung in den Rechtskreisen des SGB III(Arbeitslosenversicherung) und SGB II(Grundsicherung) in den Mittelpunktder Analyse rückte, wurde – wie erwar-tet – vor allem eine Fülle an Einzelbe-funden und Daten produziert, diemehr oder minder unverbunden ne-beneinander standen und vor allemlängst nicht alle wichtigen arbeits-marktpolitischen Themen abdeckten.

Zur Aufgabe des Projekts gehörte es daher, Zusammenhänge zwischen Einzelbefunden der Wirkungs- und sonstigen Arbeitsmarktforschung her-zustellen. Zudem waren die wissen-schaftlichen Evaluationen und Einzel-untersuchungen, welche die Reformenbegleiten, kritisch gegen den Strich zu bürsten und Leerstellen, ungelösteProbleme und nicht intendierte Effek-te zu identifizieren. Um dieses leistenzu können, war das Projekt mit seiner

begrenzten Ressourcenausstattungauf Unterstützung durch arbeitsmarkt-politische Expert/inn/en, ein funktio-nierendes politisches Monitoring undschließlich auch auf eine gewisse Ak-zeptanz im Bereich der Arbeitsmarkt-forschung und -politik angewiesen.Diese Voraussetzungen waren nur

zum Teil gegeben oder mussten erstgeschaffen werden. Eine weitere we-sentliche Voraussetzung dafür, dassdas Projekt seinem Anspruch gerechtwerden konnte, lag in einer Themen-auswahl, die zum einen weit genug ge-fasst war, um alle wesentlichen Interes-sen ihrer Zielgruppen zu bedienen.Zum anderen war sie aber auch enggenug, so dass der Einsatz begrenzterRessourcen auf die Kernfragen ge-richtet wurde und es nicht zu einer voluntaristischen Behandlung von Fragestellungen kam. Dies impliziertLern- und Entscheidungsprozesse, diesich in der sukzessive vorgenomme-nen Konzentration auf vier – in derEvaluation eher vernachlässigte – the-matische Schwerpunkte (Qualität derArbeitsmarktdienstleistungen, Exis-tenzsicherung, Qualifizierung in derArbeitsmarktpolitik, Beschäftigungs-förderung) widerspiegeln.

Kommunikationsformate

Der Transfer der durch das Projekt aufbereiteten und kontextualisiertenForschungsergebnisse an die Adressa-

„Monitor Arbeitmarktpolitik“ läuft aus

Bilanz eines besonderen Projektformats

Veranstaltungen des Projekts:

Workshop 1 „Diagnose, Wirkungenund Nebenwirkungen der Hartz-Reform“ ; Göttingen, 26.4.2006

Workshop 2 „Grundsicherung fürErwerbsfähige – Wirkungen und Alternativen“; Berlin , 10.11.2006

Fachtagung 1 „Über ‚Hartz’ hinaus -Stimmt die Richtung in der Arbeits-marktpolitik?“; Berlin, 29./30.3.2007

Fachtagung 2 „Gut beraten? Gutvermittelt? Arbeitsagenturen undGrundsicherungsträger als Dienst-leister“ ; Berlin, 15./16.11.2007

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AUS DEN PROJEKTEN

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Fortsetzung von S. 5tInnen vollzog sich über unterschied-liche Kommunikationsformate: Nebenden im Wissenschaftsbetrieb üblichenBeiträgen in wissenschaftlichen Zeit-schriften und medienwirksamen Kurz-publikationen (Artikel, Informations-material, Broschüren) stützte er sichvor allem auf zwei zwar nicht vollkom-men untypische, aber in der geplantenFrequenz doch eher neue Formate:

� Das eine Format war die kontinuier-liche Einstellung von Beiträgen undKommentaren auf einer eigens fürdas Projekt eingerichteten, in ihrerNavigation nach den Themensträn-gen des Projekts strukturierten Web-site (http://www.monapoli.de), dieder Selbstinformation der Adressa-tInnen diente. Sie wurde über einenNewsletter, der in größeren Abstän-den erschien und auf ausgewählteneue Beiträge aufmerksam machte,beworben. Im Rahmen dieser Bei-träge wurden Forschungsergebnissesowohl aus der laufenden Evaluationals auch aus anderen Zusammen-hängen der Arbeitsmarktforschunginhaltlich und methodisch aufgear-beitet.

� Das andere Format bestand aus einer Reihe von arbeitsmarktpoliti-schen Workshops und Tagungen, diein etwa halbjährlichem Abstandstattfanden. Diese brachten dieunterschiedlichen Akteure aus ar-beitsmarkpolitischer Praxis und Arbeitsmarktforschung zu einemkritisch-konstruktiven Dialog zugrundlegenden arbeitsmarktpoliti-schen Themen zusammen.

Die sowohl mit externen Publikatio-nen in Printmedien als auch mit den

tik („Debatte“), und zur Rechtspre-chung beschäftigt haben. Die Websitegehört seit Längerem – legt man diePlatzierung zugrunde, die bei Eingabedes Schlagwortes Arbeitsmarktpolitikerreicht wird – zu den thematisch ein-schlägigen Internetadressen.

Mit den Veranstaltungen des Projektswurde ein zunehmend wachsender

Adressatenkreis erreicht. Während dieersten beiden in 2006 durchgeführtenWorkshops zwischen 40 und 50 Teil-nehmer (wenige darunter aus Politikund Forschung) anzogen, wurden mitden beiden in 2007 durchgeführtenzweitägigen Fachtagungen nicht nurein zahlenmäßig größeres Publikum(jeweils mehr als 100 Personen) er-reicht, sondern auch eine Teilnehmer-struktur aus Evaluator/inn/en und anderen Wissenschaftler/inne/n, ausPolitik und Administration, aus Prak-tiker/inne/n, Gewerkschaften und Be-troffenen, die einen bemerkenswertenDialog erlaubte.

Die Vielfalt der Transferformen ging imProjektverlauf mit Verschiebungen imGewicht der einzelnen Formate einher.Ein nicht unerheblicher Teil des Trans-fers vollzog sich schon im Auslauf derersten Phase, verstärkt aber in derzweiten Phase des Projekts nicht nurüber Website und Workshops, sondernauch über Auftritte der Projektmitar-beiter/innen auf Veranstaltungen Drit-ter. Die in der Regel zeitaufwändigen,inzwischen mehr als 30 Auftritte als

eben benannten Formaten bis zumheutigen Tag erreichte Projektbilanzkann sich sehen lassen: Allein vom SOFI/FIA-Team sind im Projektverlaufinsgesamt 18 Beiträge in Printmedienerschienen. Zu ihnen zählen das in derOBS-Schriftenreihe als Heft Nr. 55 er-schienene Positionspapier „Arbeits-marktpolitik: Nachsteuern oder neuorientieren? Anstöße zu einer überfäl-

ligen Debatte“ sowie die vom Projekt-verbund herausgegebene Tagungs-dokumentation „Über ,Hartz’ hinaus:Stimmt die Richtung in der Arbeits-marktpolitik?“. Des Weiteren sind bisheute auf der MonApoli-Website ca. 80Kommentare und Beiträge erschienen,die sich mit Befunden und Diskussio-nen zur Reorganisation der Arbeits-verwaltung, zu Fragen der Existenz-sicherung, der Qualifizierung, der ge-förderten Beschäftigung, zur generel-len Ausrichtung der Arbeitsmarktpoli-

Impressum

Die Mitteilungen aus dem SOFI erscheinen dreimal im Jahr.

Herausgeber: Soziologisches Forschungsinstitut (SOFI) an der Georg-August-Universität Göttingen, Friedländer Weg 31, 37085 Göttingen,Tel.: (0551) 52205-0, E-Mail: [email protected], Internet:http://www.sofi.uni-goettingen.de

Redaktion und Layout: Dr. Martina Parge, PARGE PR Fotos: S. 1: Dr. Klaus Peter Wittemann, S. 5: Bundesagentur für Arbeit u.a.

Die Mitteilungen aus dem SOFI sind auf der Website des SOFI (www.sofi.uni-goettingen.de) als PDF-Download erhältlich und können online abonniert werden.

Website www.monapoli.de

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AUS DEN PROJEKTEN

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Referent/inn/en auf arbeitsmarktpoli-tischen Veranstaltungen oder als Dis-kutanten auf arbeitsmarktpolitischenPodien beschränkten sich nur anfäng-lich auf gewerkschaftliche Schulun-gen oder einschlägige Tagungen vonEinzelgewerkschaften. In der Folgezeit erweiterte sich der Aktionsradius aufVeranstaltungen anderer Akteure ausArbeitsmarktpolitik und -forschung:Deutsche Vereinigung für sozialwis-senschaftliche Arbeitsmarktforschung(SAMF), Bundesarbeitsgemeinschaft(BAG) Arbeit, Landesarbeitsgemein-schaft (LAG) Arbeit Hessen, Bundes-ministerium für Arbeit und Soziales(BMAS). Diese Entwicklung zeigt, wiesehr das Projekt in der Mitte der Ar-beitsmarktpolitik und -forschung an-gekommen ist.

Mehr Wissensproduktion als Wissenstransfer

Mit dem nun zu Ende gehenden Pro-jekt haben nicht nur die fördernden Institutionen, sondern hat auch dasSOFI als ein der anwendungsorien-tierten Grundlagenforschung ver-schriebenes Institut Neuland betre-ten. Die hier zu diskutierende Frage isteine doppelte: Wie viel wissenschaft-lichen Ertrag wirft ein als wissen-schaftsgestütztes Monitoring konzi-piertes Projekt ab? Und inwieweitlassen sich die Erträge noch derGrundlagenforschung zurechnen?

Die erste Frage lässt sich aus der Er-fahrung heraus positiv beantworten:Gerade weil das Projekt bei der Be-handlung von Ergebnissen und De-sideraten der jüngeren Arbeitsmarkt-forschung im Kern immer stark se-kundäranalytisch und -statistisch aus-gerichtet und thematisch an zentralenGegenständen orientiert war, füllte eseine Lücke aus, die von der Arbeits-marktforschung zwischenzeitlich hin-terlassen wurde. Die Leistung des Pro-jekts bestand in der wissenschaft-lichen Verdichtung von Einzelbe-funden zu einer Deutung der jünge-ren Arbeitsmarktgesetzgebung wieauch im Aufwerfen neuer Fragestel-lungen für die Arbeitsmarktforschung.Demzufolge hat es eher Wissenspro-duktion in dem Sinne betrieben, dassdurch die Zusammenführung unter-schiedlicher Wissensbestände undDatenquellen neues Wissen um die

Folgen der Gesetzgebung bereitge-stellt wurde, als dass es nur schon vor-handenes Wissen allgemeinverständ-lich für einen größeren Adressaten-kreis aufbereitet hat. Von diesemSachverhalt zeugen die wissenschaft-lichen Publikationen. In jedem der viervom Projekt bearbeiteten Schwer-punkte wurden jeweils Beiträge fürdie wissenschaftliche Debatte beige-steuert:

� So wurde etwa durch das Projektdurch Rückgriff auf unterschiedlicheEinzelbefunde der Forschung, in de-nen Qualitätsprobleme in den Ver-mittlungsprozessen aufschienen, dieFrage nach einem einheitlichen, diebeiden Rechtskreise von SGB III undSGB II übergreifenden Angebot anVermittlungsdienstleistungen auf-geworfen.

� Des Weiteren thematisierte das Pro-jekt frühzeitig die – von der For-schung lange unbeachtete – Bedeu-tung der materiellen Leistungen fürArbeitssuche und Lohnfindungspro-zesse.

� Darüber hinaus lenkte das Projektden in der Arbeitsmarktforschungauf das Instrument „Förderung be-ruflicher Weiterbildung“ verengtenBlick auf die Leistungen arbeits-marktpolitischer Bildung und Quali-fizierung hin zu einer Betrachtungder Bereitstellung von Ressour-cen zur Qualifizierungsplanung und -beratung, die an den Lernbedarfenund -voraussetzungen der Arbeits-losen ansetzt.

� Schließlich setzte das Projekt mitdem Verweise auf die unterschied-lichen Funktionen von Arbeits-marktpolitik (z.B. Marktersatz) dieFrage nach dem Verhältnis von öffentlichem Dienst und öffentlichgeförderter Beschäftigung auf dieAgenda der wissenschaftlichen Dis-kussion.

Ob das so produzierte Wissen derGrundlagenforschung zuzurechnenist, ist damit freilich noch nicht ent-schieden. Aber auch hier gilt: Die vomProjekt aufgeworfenen Forschungsfra-gen rücken nachdrücklich Themen insZentrum der Forschung, die bislangunbearbeitet sind und doch grundle-gende Zusammenhänge in der Ar-beitsmarktpolitik berühren.

Ausgewählte Veröffentlichungen

Baethge-Kinsky,Volker (2007): Trans-formation statt Erosion arbeits-marktpolitischer Qualifizierung –Lehren aus der Evaluation derHartz-Gesetze. In: WSI-Mitteilun-gen, 6/2007, S. 312-319

Baethge-Kinsky, Volker/Wagner,Alexandra (2008): Zur Umsetzungdes „Gender Mainstreaming“ inder wissenschaftlichen Evaluationder Hartz-Gesetze I bis III. In: Ru-dolph, Clarissa/Niekant, Renate(Hg.) (2007): Hartz IV – Zwischen-bilanz und Perspektiven. Erfah-rungsberichte, Analysen und Be-wertungen der bisherigen Um-setzung. Münster

Baethge-Kinsky, Volker/Bartelhei-mer, Peter/Wagner, Alexandra (mitJudith Aust und Till Müller-Schoell):Arbeitsmarktpolitik: Nachsteuernoder neu orientieren? Anstöße zueiner überfälligen Debatte. OBS-Schriftenreihe, Heft 55. Frankfurt/Main

Baethge-Kinsky, Volker/Wagner,Alexandra (mit Judith Aust u. Till.Müller-Schoell (Hg.)(2008): Über‚Hartz’ hinaus. Stimmt die Rich-tung in der Arbeitsmarktpolitik?Edition Hans Böckler Stiftung 214.Düsseldorf

Bartelheimer, Peter/Henke, Jutta(2009): Eher ein „Randbereich”?Beobachtungen zu Genderfragender Fallbearbeitung bei drei SGB-II-Trägern; In: Betzelt, Sigrid; Lan-ge, Joachim; Rust, Ursula (Hrsg.):Wer wird „aktiviert” – und warum(nicht)? Erste Erkenntnisse zur Re-alisierung der gleichstellungspoli-tischen Ziele des SGB II. LoccumerProtokolle 79/09. Rehburg-Loc-cum, S. 167-195

Wagner, Alexandra (mit Wiethold,Franziska) (2009): Prekäre Beschäf-tigung und Geschlecht. In: Kurz-Scherf, Ingrid/Lepperhoff, Julia/Scheele, Alexandra (Hg.): Femi-nistische Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – ein Lehr- undStudienbuch. Marburg (im Erschei-nen)

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AUS DEN PROJEKTEN

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Die Überlegungen bilden den Ausgangs-punkt eines neu gestarteten, von derHans-Böckler-Stiftung finanzierten Pro-jekts mit dem Titel „Globale Komponen-ten“, das die Autoren gemeinsam mitGary Herrigel (University of Chicago)durchführen.

Von Ulrich Voskamp und Volker WittkeViele Unternehmen mit Schwerpunktin Deutschland haben in den letztenJahren die Möglichkeiten der Glo-balisierung genutzt und eigene Akti-vitäten außerhalb Deutsch-lands aufgebaut und erwei-tert. Neue Standort-Optioneninsbesondere in Niedriglohn-regionen wie Osteuropa, Chi-na oder Indien haben für siedie Landkarte industriellerProduktion größer und viel-fältiger werden lassen. FürStandorte in Hochlohnlän-dern wie Deutschland ist die-se Entwicklung folgenreich.Sie finden sich nun einge-bunden in globale Strukturen.Denn die neuen Möglichkei-ten im Ausland werden vonhiesigen Unternehmen zurSchaffung von transnationalen Pro-duktions- und Innovationsnetzwerkengenutzt: Es entstehen grenzüber-schreitende Wertschöpfungsketten,bei denen das Ensemble von funktio-nal zusammengehörigen Innovations-

und Produktionsaktivitäten räumlichdisparat über diverse Standorte undRegionen („global“) in verschiedenenLändern, Kontinenten und Kulturenverteilt wird.

Wie sich diese Organisationsformenauf hiesige Standorte auswirken, darü-ber gehen die Einschätzungen seitJahren weit auseinander. Während seitBeginn der neueren Globalisierungs-debatte die weitreichende Erosion desProduktionsstandorts Deutschland andie Wand gemalt wird, schwingt das

Pendel nun zurück: Erfahrungen mittransnationalen Systemen, so hörtman, veranlassen die Unternehmennun zur Zurückhaltung und Rücknah-me von Verlagerungsentscheidungen.Bei aller Gegensätzlichkeit haben bei-de Positionen unseres Erachtens eingemeinsames Manko: Sie beruhen aufvereinfachten Annahmen im Hinblickauf die Möglichkeiten bzw. Schwie-rigkeiten der Organisation globaler Wertschöpfungsketten. Diese Verein-fachungen führen dazu, dass relevanteEntwicklungslogiken transnationalerWertschöpfungsnetzwerke und rele-vante Möglichkeiten der Gestaltungauch für Hochlohnstandorte ausge-klammert und unterbelichtet bleiben.

Modularisierung und ihre Grenzen

In der Diskussion über die Entwick-lung globaler Produktionsstrukturengilt Modularisierung vielfach als derSchlüssel zur Nutzung von Niedrig-

lohnstandorten. Modularität kenn-zeichnet Wertschöpfungsketten, diesich leicht aufspalten, entkoppeln undverlagern lassen. Als Dreh- und Angel-punkt für eine weitreichende Verlage-rung (vornehmlich von Produktions-aktivitäten) an Niedriglohnstandortegilt dabei die Produktarchitektur. DieAnnahme ist: Wo ein modularer Pro-duktaufbau gelingt, dort stellt sichauch eine modulare, durch kodifizier-tes Wissen leicht koordinierbare Struk-tur der „value chain“ ein, dort lassensich auch deren Segmente (etwa

Produktentwicklung und Pro-duktion) sowohl organisationalleicht aufspalten (Outsourcing)als auch geographisch leichtentkoppeln (Offshoring). Mo-dulare Wertschöpfungsketten sind in ihrer Geographie ten-denziell global und führen zurErosion des Produktionsstand-orts Deutschland.

Die empirische Forschung zutransnationalen Wertschöp-fungsketten hat mittlerweiledie Grenzen der Modularisie-rung aufgezeigt. Selbst hart-näckige Protagonisten räumen

ein, dass sie nur in seltenen Ausnah-mefällen wie in der PC-Industrie dieGovernance und die Geographie vonProduktionssystemen so nachhaltigprägt. Und keineswegs sind modulareWertschöpfungsketten im Begriff, zumhegemonialen Muster der Gestaltungtransnationaler Produktionssystemezu werden. Vielmehr wird immer deut-licher: Kennzeichen globaler Wert-schöpfungsnetzwerke ist ihre hoheFragilität und Störanfälligkeit. Dies gilt vor allem dann, wenn es um an-spruchsvolle, variantenreiche, flexibleund kundenorientierte Qualitätspro-duktion geht. Die Schwierigkeiten undProbleme solcher Netze sind vielfältig– häufig geht international verteilteProduktion mit Qualitätsmängeln, Lie-ferproblemen, versteckten Kosten undAnlaufschwierigkeiten bei der Einfüh-rung neuer Produkte und Prozesse einher. Die Phänomene zeigen, dass –möglicherweise unter dem Druck der

Ausgangsüberlegungen zu einem neuen Forschungsprojekt

Deutsche Standorte in globalen Wertschöpfungsnetzwerken

Informationen zum Projekt

Titel: Globale Komponentenpro-duktion – Herausforderungen fürdeutsche Standorte in globalenProduktions- und Innovations-strukturen der Zulieferindustrie

Gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung

Projektteam: Prof. Dr. Gary Herri-gel (University of Chicago), UlrichVoskamp (SOFI), Prof. Dr. VolkerWittke (SOFI)

Laufzeit: 9/2009 bis 11/2011

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AUS DEN PROJEKTEN

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Finanzmärkte – die Neigung stieg, ein-fachen Rezepten der Produktionsver-lagerung an Niedriglohnstandorte zuvertrauen. Die Schwierigkeiten der Beherrschung globaler Netze wurdenvielfach unterschätzt und ignoriert.Viele Unternehmen haben dafür vielLehrgeld bezahlt.

Koordination transnationaler Systeme

Wenn Produktarchitekturen wenigermodular geprägt sind und in höheremMaße integrierte Anteile aufweisen,lassen sich die entsprechenden Wert-schöpfungsketten weniger leicht auf-spalten und entkoppeln. Dies liegt darin begründet, dass Systeme mit integrierter Produktarchitektur, ho-hem Anteil von „tacit knowledge“ oderimplizitem Wissen höhere Interde-pendenzen zwischen den Aktivitäteninnerhalb der Wertschöpfungsketteaufweisen. Entsprechend steigt derKoordinationsbedarf. Die Frage ist:Was bedeutet das für die Geographiedieser Produktionssysteme? Sind dieGrenzen der Modularität gleichzeitigGrenzen der räumlichen Verlagerung?Wenden die Unternehmen sich wiederregionalen Produktionssystemen zu,um die Vorteile räumlich abgegrenz-ter, kollaborativer Produktionssysteme(„industrieller Distrikte“) für Rück-kopplungsprozesse und den Transfervon „tacit knowledge“ zu nutzen? Die Berichte über Rückverlagerungenkönnten darauf schließen lassen.

Der Forschungsstand spricht aller-dings nicht für eine Renaissance tra-ditioneller regionaler Ökonomien.Viel-mehr nutzen die Unternehmen trans-nationale Produktionsnetze auch fürdas weite Feld nicht modularer Pro-dukte. Offenbar sind die Grenzen derModularisierung nicht die Grenzen derGlobalisierung. Es besteht keine linea-re Relation zwischen der Reichweitevon Modularisierung und Globalisie-rung – weder positiv noch negativ.

Für Hochlohnregionen ist dieser Be-fund ambivalent. Einerseits bedeuteter: Auch in Produktbereichen, die alsglobalisierungsresistent galten, grei-fen globale Produktions- und Innova-tionssysteme. Auch die Fertigung nichtmodularer Produkte wird global neuaufgeteilt. Damit ist für Hochlohn-

standorte und die dort Beschäftigtendas Feld der Gefährdung größer alsvermutet.

Andererseits muss in diesen geogra-phisch fragmentierten Wertschöp-fungsketten das Problem der Integra-tion gelöst werden, da es hier nichtdurch Modularität entschärft wird. Wiedie Unternehmen die neu entstehen-den Integrationsprobleme lösen, ist fürdie Perspektive von Hochlohnstand-orten in diesen Netzen relevant. Denndie Etablierung von globalen Produk-tionsnetzen ist mehr als nur die geo-graphische Umverteilung einer insge-samt unveränderten Funktionsmasse.Es ist kein Nullsummenspiel der Ver-schiebung von Stufen und Funktionenvon Wertschöpfungsketten im Raum(bzw. auf dem Globus). Vielmehr än-dert sich die Funktionsmasse, weil dieNutzung von globalen Produktions-netzen nicht gratis und mit Risiken verbunden ist. Dabei geht es um dieFähigkeit der Integrationund Koordination globa-ler Produktion, um die Fähigkeit zum Wissens-transfer über große räum-liche Distanzen, Zeitzo-nen, sprachliche und kul-turelle Grenzen sowie ins-titutionelle Differenzenzwischen nationalen Ka-pitalismen hinweg. DieseAufgaben sind gewisser-maßen der Preis für dieNutzung globaler Netze.Die These lautet: Bei der Beherrschung trans-national verteilter Wert-schöpfungsnetze könnendeutsche Standorte einewichtige Rolle spielen – wenn sie ihreFunktions- und Aufgabenprofile an-passen.

Neue Aufgaben für Hochlohnstandorte?

Aus der geographischen Entkopplungvon Funktionen innerhalb einer Wert-schöpfungskette (insbesondere zwi-schen der Produktentwicklung anHochlohnstandorten und den Mas-senproduktionsstandorten in Niedrig-lohnregionen) ergeben sich neue Op-tionen auch für Hochlohnstandorte.Denn wer die Kostenvorteile von Nied-riglohnstandorten ernten will und sich

zu diesem Zweck geographisch ver-teilter Produktions- und Innovations-systeme bedient, der muss das Systemund seine Risiken beherrschen. Ent-scheidend ist: Das Koordinationspro-blem muss anders bearbeitet werdenals im Fall modularer Netze. In der Organisation dieser Integrationsleis-tungen, insbesondere der Organisa-tion von Rückkopplungsschleifen undder Gestaltung von Interdependen-zen über große Distanzen liegen fürHochlohnstandorte auch Möglichkei-ten. Denn für die Beherrschung derInterdependenzen – für die funktio-nale Integration von geographisch dispersen Systemen – bieten Hoch-lohnstandorte gute Voraussetzungen.Räumliche Nähe zwischen Entwick-lung und Fertigung fördert die Qua-lität dieser Rückkopplungen ebensowie qualifizierte Beschäftigte in derFertigung, die in der Lage sind, mit denEntwicklern zu kommunizieren undFertigungs-Know-How für den Ent-

wicklungsprozess nutzbar zu machen.Diese, hier zu Beginn des Projekts zu-nächst noch thesenhaft formuliertenÜberlegungen zeigen, dass das Profilhiesiger Standorte in globalen Netzenkeineswegs feststeht. Unterschiedemögen branchenspezifisch begründetsein, sie sind aber auch strategieab-hängig und damit beeinflussbar. Dabeisind wichtige Fragen offen: Wie sehenOrganisations- und Arbeitsstrukturenfür Innovationszentren bzw. Pilotfabri-ken aus, die schnelle und sichere Rück-kopplungs- und Transferprozesse er-möglichen? Wie verschieben sich Qua-lifikationsprofile und Tätigkeitsstruk-

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AUS DEN PROJEKTEN

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turen? Braucht es neue Vernetzungenmit externen lokalen/regionalen Ak-teuren? Offen ist aber auch: Wie starkbeeinflusst das Produktdesign die Ar-chitektur von Wertschöpfungsnetz-werken?

In der Beantwortung dieser Fragen hat sich bislang keine „best practice“etabliert – die Unternehmen probie-ren vielfach noch aus, wie sie die Archi-tektur globaler Wertschöpfungsnetze

gestalten können. Das bedeutet auch:Es gibt Gestaltungsspielräume – Gele-genheiten, um die strategischen Po-tentiale hiesiger Standorte für dasFunktionieren globaler Systeme insSpiel zu bringen. Die Offenheiten inder Gestaltung globaler Netze bergenMöglichkeiten auch für betrieblicheAkteure und Interessenvertreter, dieArchitektur und Funktionsweise glo-baler Netze zum Gegenstand von Poli-tik und Gestaltung zu machen.

Für die Wissenschaft bedeutet das:Forschung über Entwicklung von Ar-beit in Deutschland ist gut beraten,sich intensiver mit globalen Wert-schöpfungsketten zu befassen. Es er-scheint uns in diesem Zusammenhangvielversprechend, traditionelle arbeits-und industriesoziologische Zugriffemit industriegeographischen Ansät-zen und analytischen Zugängen ausder „global value chain“-Tradition zuverknüpfen.

Fortsetzung von S. 9

VERANSTALTUNGEN

Konferenz am 7. und 8.10.2009 in Jena

Bringing Capitalism Back in!

Lange schien es, als könne Kapita-lismusanalyse nicht mehr im Zentrumsoziologischer Forschung und Theo-riebildung stehen. Sofern von Kapi-talismus überhaupt noch die Rede war, wurde er im Plural buchstabiert.Im Fokus der Analyse standen vor al-lem divergente Institutionensystemeund selbst Arbeitssoziologen/-innen,die intentional an einer kapitalismus-theoretischen Fundierung ihrer An-sätze festhielten, nahmen die kapita-listische Ökonomie vornehmlich alsKontextbedingung wahr. Das beginntsich nun zu ändern. Mit „Bringing capi-talism back in!” überschreibt WolfgangStreeck das Schlusskapitel seines neu-en Buchs und deutet damit einen –auch theoretischen – Perspektivwech-sel an. Doch was bedeutet „Bringingcapitalism back in!”für die Arbeits- undIndustriesoziologie? Die Jenaer Konfe-renz will dieser Frage nachgehen.

Mittwoch, 7. Oktober 2009

11.00–13.00 UhrBringing capitalism back in – dreiPerspektiven: Klaus Dörre (JenZiG),Dieter Sauer (ISF München),Volker Wittke (SOFI Göttingen)

14.00–16.00 UhrBringing Labour back in Arbeits-soziologie und Kapitalismustheorie

Panel 1:Arbeit und Varieties of Capitalism:Michael Faust, Katharina Bluhm,Steffen Lehndorf, Stephan Lessenich,Moderation: Volker Wittke

Panel 2:Arbeit und Kapitalismus in der Regu-lationstheorie: Thomas Sablowski,Hans-Jürgen Bieling, Fritz Fiehler,Roland Atzmüller, Hildegard Maria Nickel, Moderation: Wolfgang Menz

Panel 3:Arbeit im Finanzmarkt-Kapitalismus:Jürgen Kädtler, Ulrich Brinkmann,Stefanie Hiß, Stefan Schmalz,Moderation: Klaus Dörre

Panel 4:Arbeit, Kapitalismus und funktionaleDifferenzierung: Hartmut Rosa, BrigitteAulenbacher, Wolfgang Bonß, Alex Demirovic, Moderation: Henning Laux

16.30–18.30 UhrTrade unions and the Crisis: New Conflicts and/or New Partnerships:Richard Hyman

Donnerstag, 8. Oktober 2009

9.00–11.00 UhrKapitalismus, Krisen und gesellschaftliche Restrukturierung

Panel 5:„Informationeller Kapitalismus”,globale Produktionsstrukturen,Unsicherheit: Andreas Boes, TobiasKämpf, Boy Lüthje*, Tobias ten Brink,Nicole Mayer-Ahuya, Joerg Flecker*,Moderation: Michael Faust

Panel 6:Kapitalismus, Arbeit, Sozialstruktur –neue Spaltungslinien? Peter Bartelhei-mer, Christoph Köhler, Gabriele Wagner,Berthold Vogel, Moderation: Hajo Holst

Panel 7:Kapitalismus und Subjektivität:Günter Voß, Silke van Dyk, Martin Kuhlmann, Sabine Pfeiffer, Stephan Voswinkel, Ulrich Bröckling,Moderation: Jürgen Kädtler

Panel 8:Arbeit und Legitimationskrisen im Kapitalismus: Wolfgang Menz,Günther Bechtle*, Stefanie Graefe,Kai Dröge*, Thomas Haipeter,Moderation: Dieter Sauer

11.30–13.00 UhrNach der Krise – Perspektiven:Christoph Scherrer, Hans-Jürgen Urban*

*angefragt

Kontakt und Anmeldung

Katharina Osthoff Friedrich-Schiller-Universität JenaInstitut für SoziologieCarl-Zeiss-Straße 2, 07743 JenaE-Mail: [email protected]

Veranstalter

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VERANSTALTUNGEN

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Zur Diskussion gestellt:Zweiter Bericht zur sozioökonomischen Entwicklung Deutschlands

Der Forschungsverbund „Bericht-erstattung zur sozioökonomischenEntwicklung Deutschlands” (soeb.de) setzt der kurzfristigen Diagnoseeiner ökonomischen Krise denlangfristigen Befund eines Um-bruchs des Wirtschafts- und Ge-sellschaftsmodells entgegen. DerZweite Bericht des Forschungs-verbunds versucht eine umfassen-de Bestandsaufnahme der sozioö-konomischen Entwicklungslinien inDeutschland. Auf der Makroebeneökonomischer Entwicklung geht esum die Zukunft des deutschenKapitalismusmodells. Auf der Mi-kroebene von Individuen, Haushal-ten und Unternehmen wird dieseEntwicklung daran gemessen, wieviel Ungleichheit sie bei gesell-schaftlichen Teilhabe- und Verwirk-lichungschancen bewirkt. Die Ver-anstaltung bildet den Auftakt füreine Reihe von Werkstattgesprä-chen zur Vorbereitung eines drittenBerichts.

Forschungsverbund Sozioökonomische Berichterstattung

Der Forschungsverbund wird ge-fördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).Die Koordination liegt beim So-ziologischen Forschungsinstitut an der Georg-August-Universität Göt-tingen (Projektleitung: Dr. Peter Bartelheimer). Der Zweite Berichtzur sozioökonomischen Entwick-lung Deutschlands, Teilhabe im Umbruch, erscheint Ende 2009 imVerlag für Sozialwissenschaften(Wiesbaden).

Veranstaltung am 13.11.2009 in der Humboldt-Universität Berlin

Forschungsverbund Sozioökonomische Berichterstattung:Teilhabe im Umbruch

Programm

10.30 Uhr BegrüßungDr. Angelika Willms-Herget (Bundesmi-nisterium für Bildung und Forschung,Bonn), Dr. Peter Bartelheimer (Soziologisches Forschungsinstitut an der Georg-August-Universität Göttingen)

11.00 Uhr Panel 1:Nach dem Rheinischen Kapitalismus?

Präsentation: Dr. Rainer Land (Thünen Institut, Bollewick)

Moderation: Dr. Marc Ingo Wolter (Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung, Osnabrück)

Diskussion: Prof. Dr. Klaus Dörre (Friedrich-Schiller-Universität Jena),Eckart Hohmann (Hessisches Statistisches Landesamt, Wiesbaden;Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten),Dr. Angelika Zahrnt (BUND;Rat für Nachhaltige Entwicklung)

12.30 Uhr Mittagsimbiss

13.45 Uhr Panel 2:Sozial ist, was Arbeit schafft?

Präsentation: Dr. Sabine Fromm (Soziologisches Forschungsinstitut an der Georg-August-Universität Göttingen)

Moderation: Dr. Anne Hacket (Institut für SozialwissenschaftlicheForschung, München)

Diskussion: Dr. Markus Promberger(Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg), Dr.Peter Krause (Längsschnittstudie,Sozio-oekonomisches Panel,Deutsches Institut für Wirtschafts-forschung Berlin), Dr. Rudolf Martens(Deutscher Paritätischer Wohlfahrts-verband, Berlin)

15.15 Uhr Kaffeepause

15.30 Uhr Panel 3:Bevölkerungs- oder Gesellschafts-politik?

Präsentation: Dr. Peter Bartelheimer(Soziologisches Forschungsinstitut an der Georg-August-Universität Göttingen)

Moderation: Tanja Schmidt (Schmidt-Sozialforschung, Berlin)

Diskussion: Prof. Dr. Rolf Kreibich (Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung-IZT, Berlin),Norbert Schwarz (Sozio-ökonomi-sches Berichtssystem, StatistischesBundesamt, Wiesbaden), Dr. Katja von der Bey (GründerinnenzentrumWeiberwirtschaft, Berlin)

17.00 Uhr Schlusswort und AusblickDr. Sabine Fromm (Soziologisches Forschungsinstitut an der Georg- August-Universität Göttingen)

17.15 Uhr Ende der Veranstaltung

Organisation und Anmeldung

Namara Freitag, Soziologisches Forschungsinstitut (SOFI),Friedländer Weg 31 37085 GöttingenE-Mail: [email protected].: +49 (0)551-52205-19 Fax: +49 (0)551-52205-88

Veranstaltungsort

Senatssaal der Humboldt-Universitätzu Berlin, Unter den Linden 6,10099 Berlin

Weitere Informationen

http://www.soeb.de, http://www.sofi-goettingen.de (Forschungsprojekte/Sozioökonomische Entwicklung)

Es entstehen keine Teilnahmekosten. Organisationshinweise und weitereUnterlagen erhalten Sie nach Anmeldung.

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DIE LETZTE

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Personalia

Informationen zu allen Veröffentlichungendes SOFI seit 1990 im Internet zu fin-den unter: „www.sofi.uni-goettingen.de“ – Rubrik Publikationen.

Dr. Lena Arends, seit 2007 Mitarbei-terin am SOFI, wechselte zum 15.06.2009 in das Internationale Büro beimProjektträger der DLR in Bonn.

Patrick Feuerstein M.A., seit 2005Mitarbeiter am SOFI, ist seit Augustfür drei Monate mit einem DAAD-Stipendium zu einem Forschungs-aufenthalt in Indien.

Forschungsberichte

Baas, Meike/Deeke, Axel (2009): Evaluationder Nachhaltigkeit beruflicher Weiter-bildung im Rahmen des ESF-BA-Pro-gramms. Eine Wirkungsanalyse auf derGrundlage von Befragungen der Teilneh-menden und Vergleichsgruppen, IAB-For-schungsbericht 2/2009, Nürnberg.

Baethge, Martin/Arends, Lena (2009): Fea-sibility Study VET-LSA. A comparative analysis of occupational profiles and VET programmes in 8 European countries.International report, in cooperation withSchelten, Andreas/Müller, Markus/Nicko-laus, Reinhold; Geißel, Bernd/Breuer,Klaus/Hillen, Stefanie/Winther, Esther/Bals, Thomas/Wittmann, Eveline/Barke,Antonia. Göttingen, September 2009.

Paul, Gerd (2009): Evaluierung der Umset-zung des Nationalen Durchführungs-programms 2007 der BundesrepublikDeutschland im Rahmen des Europä-ischen Flüchtlingsfonds (EFF), unter Mit-arbeit von Brunke, Jörg; Menze, Henrike.Göttingen, August 2009.

Working Paper

Baethge, Martin/Arends, Lena (2009): Mea-suring vocational competencies. Wor-king Paper Series des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) 95/2009(http://www.ratswd.de/download/Rat_SWD_WP_2009/RatSWD_WP_95.pdf).

Solga, Heike/Dombrowski, Rosine (2009):Soziale Ungleichheiten in schulischer undaußerschulischer Bildung – Stand derForschung und Forschungsbedarf. Ar-beitspapier der Hans-Böckler-Stiftung Nr.171. Düsseldorf.

Aufsätze

Baethge, Martin (2009): Europa als Chanceder Berufsbildungsreform in Deutsch-land. In: König, Helmut/Schmidt, Julia/Sicking, Manfed (Hrsg.): Die Zukunft der

Arbeit in Europa. Chancen und Risikenneuer Beschäftigungsverhältnisse. Biele-feld (transcript Verlag), S. 75-90.

Bartelheimer, Peter (2009): Gut beraten?Gut vermittelt? Arbeitsagenturen undGrundsicherungsträger als Dienstleister.In: Berliner Debatte Initial, 20. Jg., Heft 1,S. 102-110.

Bartelheimer, Peter (2009): Warum Er-werbsausschluss kein Zustand ist. In: Cas-tel, Robert/Dörre, Klaus (Hrsg.): Prekarität,Abstieg, Ausgrenzung. Die soziale Frageam Beginn des 21. Jahrhunderts. Frankfurta. M./New York (Campus), S. 131-143.

Bartelheimer, Peter/Henke, Jutta (2009):„Eher ein Randbereich?” Beobachtungenzu Genderfragen der Fallbearbeitung beidrei SGB-II-Trägern; in: Betzelt, Sigrid/Lange, Joachim/Rust, Ursula (Hrsg.): Wer wird „aktiviert”– und warum (nicht)? Erste Erkenntnisse zur Realisierung der gleich-stellungspolitischen Ziele des SGB II.Loccumer Protokolle 79/09. Rehburg-Loccum, S. 167-195.

Bartelheimer, Peter/Pagels, Nils (2009):Kommunale Integrationspolitik und lo-kaler Arbeitsmarkt. In: Gesemann, Frank;Roth, Roland: Lokale Integrationspolitik inder Einwanderungsgesellschaft, Migra-tion und Integration als Herausforderungvon Kommunen. Wiesbaden (VS Verlag),S. 469-495.

Feuerstein, Patrick/Mayer-Ahuja, Nicole(2009): Programmieren zwischen Deutsch-land und Indien. Zur Qualität von Arbeits-verhältnissen in transnationalen IT-Unter-nehmen. In: Ahlers, Elke/Kraemer, Birgit/Ziegler, Astrid (Hrsg.): Beschäftigte in derGlobalisierungsfalle? Baden-Baden (No-mos), S. 119-136.

Hanekop, Heidemarie/Klein, Andreas (2009):Begleitforschung Mobile Media Projekt MIFRIENDS. Entwicklungsmöglichkeiten fürMobile Broadcasting. In: BLM Schriftenrei-he Band 90, München, S. 127-203.

Kuhlmann, Martin (2009): Beobachtungs-interview. In: Kühl, Stefan/Strodtholz, Pe-tra/Taffertshofer, Andreas (Hrsg.): Hand-buch Methoden der Organisationsfor-schung. Quantitative und Qualitative Me-thoden,Wiesbaden (VS Verlag), S. 78-99.

Kädtler, Jürgen (2009): Finanzmarktkapita-lismus und Finanzmarktrationalität. In:Sauer, Thomas; Ötsch, Silke; Wahl, Peter(Hrsg.): Das Casino schließen. Analysenund Alternativen zum Finanzmarktkapita-lismus. Hamburg (VSA), S. 47-60.

Kädtler, Jürgen (2009): German chemical giants’ business and social models in tran-sition – financialisation as a management strategy. In: transfer, Volume 15, Number 2, S. 229-249.

Mayer-Ahuja, Nicole/Wolf, Harald (2009):Beyond the Hype. Working in the Ger-man Internet Industry. In: McKinlay, Alan;Smith, Chris (eds.): Creative Labour. Wor-king in the Creative Industries. PalgraveMacmillan, S. 210-233.

Paul, Gerd/Konrad, Wilfried (2009): GroßerSprung vorwärts? Erfahrungen deutscherUmwelt- und Wasserdienstleister in China.In: Hirschl, Bernd/Weiß, Julika/Konrad, Wil-fried (Hrsg.): Umweltdienstleistungen. In-ternationalisierungsstrategien für dynami-sche Märkte.München (oekom),S.168-197.

Solga, Heike (2009): Bildungsarmut undAusbildungslosigkeit in der Bildungs-und Wissensgesellschaft. In: Becker, Rolf(Hrsg.): Lehrbuch der Bildungssoziologie.Wiesbaden (VS Verlag), S. 395-432.

Solga, Heike (2009): Wissensgesellschaft:Paradigmenwechsel in der beruflichenBildung. In: Kuhnhenne, Michaela/Heide-mann, Winfried (Hrsg.): Zukunft der Be-rufsausbildung. Düsseldorf. Edition derHans Böckler Stiftung Nr. 235, S. 21-37.

Solga, Heike/Pfahl, Lisa (2009): Doing Gen-der im technisch-naturwissenschaftli-chen Bereich. In: Milberg, Joachim (Hrsg.):Förderung des Nachwuchses in Technikund Naturwissenschaft. Berlin (SpringerVerlag), S. 155-218.

Uhlig, Johannes/Solga, Heike/Schupp, Jür-gen (2009): Bildungsungleichheiten undblockierte Lernpotenziale:Welche Bedeu-tung hat die Persönlichkeitsstruktur fürdiesen Zusammenhang? In: Zeitschrift fürSoziologie, Jg. 38, Heft 5, S. 418-441.

Veröffentlichen von SOFI-MitarbeiterInnen von April bis September 2009