MITTEILUNGEN DER DEUTSCHEN MATHEMATIKER...

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MITTEILUNGEN DER DEUTSCHEN MATHEMATIKER- VEREINIGUNG Band 16 Heft 1 2008 ISSN 0947-4471 IMPRESSUM Verleger Deutsche Mathematiker-Vereinigung e.V. Herausgeber Rainer Schulze-Pillot (verantwortl.) Universität des Saarlandes Postfach 15 11 50 66041 Saarbrücken Tel. +49 . 681 . 302 48 35 Fax +49 . 681 . 302 44 43 [email protected] Folkmar Bornemann TU München Tel. +49 . 89 . 28 91 79 82 [email protected] Kristina Reiss (GDM) LMU München Tel. +49 . 89 . 21 80 44 51 [email protected] Günter M. Ziegler TU Berlin Tel. +49 . 30 . 31 42 57 30 [email protected] Adresse der Redaktion Mitteilungen der DMV TU Berlin, MA 6–2, 10623 Berlin Tel. +49 . 30 . 31 42 33 54 Fax +49 . 30 . 31 42 12 69 [email protected] Redaktion, Gestaltung + Satz Christoph Eyrich, Berlin, [email protected] Umschlag Christoph Eyrich, unter Verwendung einer Grafik von Oliver Labs, Saarbrücken Druck Oktoberdruck AG, Berlin Erscheinungsweise vierteljährlich. Der Bezugspreis ist im Mitgliedsbeitrag der DMV enthalten. Bitte senden Sie Manuskripte an den Herausgeber, Anzeigen an die Redaktion. Bitte senden Sie Adressenänderungen und alle die Mitgliedschaft betreffenden Zuschriften an die Geschäftsstelle der DMV, c/o WIAS, Mohrenstr. 39, 10117 Berlin Tel. +49 . 30 . 20372-306 (Mo–Fr 9–14) Fax +49 . 30 . 20372-307 [email protected] Vorwort des Präsidenten 2 Briefe an die Herausgeber und Notizen 4 DMV-Jahrestagung 2008 5 Neue Angebote für Graduierte 6 Katharina Habermann: Weblogs – ein neues Medium für die Mathematik? 8 Andreas Loos und Dierk Schleicher: Probleme gesucht 11 Robert Ineichen: Leibniz, Caramuel, Harriot und das Dualsystem 12 Miriam Dieter, Pia Brugger, Dietmar Schnelle und Günter Törner: Zahlen rund um das Mathematikstudium – Teil 1 16 Aloys Krieg, Ferdinand Verhulst und Sebastian Walcher: „Lieve Maria“ – Niederländische Studenten beschweren sich 22 Jamiri: Korrektur 25 Sarah-Marie Belcastro, Amy F. Szczepa´ nski and Carolyn Yackel: (k)not cables, braids 26 Andreas Loos: Bilderbuchstart 35 Thomas Vogt: Mathematik in den Medien 37 Günter M. Ziegler: Mathematik im Alltag: A streetcar named desire 40 Gernot Stroth: Gauß-Vorlesung 42 Gitta Kutyniok erhält von Kaven-Ehrenpreis 43 Wolfgang Dahmen: Laudatio auf Gitta Kutyniok 44 Alfred Schreiber: Gemeinste Plätze 46 Klaus Altmann: Böllings WpA 48 Fritz Otto Kappler: Verloren in den Wirren des 20. Jahrhunderts 52 Sybille Handrock: Frauen im Professorenamt 54 EMS-CDC – alive and kicking 56 STAUNT ’08 58 Informationen 59 Neue Bücher in Oberwolfach 62

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  • MITTEILUNGENDER DEUTSCHENMATHEMATIKER-

    VEREINIGUNGBand 16 Heft 1 2008 ISSN 0947-4471

    IMPRESSUMVerleger DeutscheMathematiker-Vereinigung e. V.Herausgeber

    Rainer Schulze-Pillot (verantwortl.)Universität des SaarlandesPostfach 15 11 5066041 SaarbrückenTel. +49 . 681 . 302 48 35Fax +49 . 681 . 302 44 [email protected]

    Folkmar BornemannTU MünchenTel. +49 . 89 . 28 91 79 [email protected]

    Kristina Reiss (GDM)LMU MünchenTel. +49 . 89 . 21 80 44 [email protected]

    Günter M. ZieglerTU BerlinTel. +49 . 30 . 31 42 57 [email protected] der RedaktionMitteilungen der DMVTU Berlin, MA 6–2, 10623 BerlinTel. +49 . 30 . 31 42 33 54Fax +49 . 30 . 31 42 12 [email protected], Gestaltung + SatzChristoph Eyrich, Berlin,[email protected] Christoph Eyrich, unterVerwendung einer Grafik vonOliver Labs, SaarbrückenDruck Oktoberdruck AG, BerlinErscheinungsweise vierteljährlich.Der Bezugspreis ist imMitgliedsbeitrag der DMV enthalten.Bitte senden Sie Manuskripte an denHerausgeber, Anzeigen an dieRedaktion. Bitte senden SieAdressenänderungen und alle dieMitgliedschaft betreffendenZuschriften an dieGeschäftsstelle der DMV,c/o WIAS, Mohrenstr. 39, 10117 BerlinTel. +49 . 30 . 20372-306 (Mo–Fr 9–14)Fax +49 . 30 . [email protected]

    Vorwort des Präsidenten 2Briefe an die Herausgeber und Notizen 4DMV-Jahrestagung 2008 5Neue Angebote für Graduierte 6Katharina Habermann:Weblogs – ein neues Medium für die Mathematik? 8Andreas Loos und Dierk Schleicher:Probleme gesucht 11Robert Ineichen:Leibniz, Caramuel, Harriot und das Dualsystem 12Miriam Dieter, Pia Brugger, Dietmar Schnelle und Günter Törner:Zahlen rund um das Mathematikstudium – Teil 1 16Aloys Krieg, Ferdinand Verhulst und Sebastian Walcher:„Lieve Maria“ – Niederländische Studenten beschweren sich 22Jamiri:Korrektur 25Sarah-Marie Belcastro, Amy F. Szczepański and Carolyn Yackel:(k)not cables, braids 26Andreas Loos:Bilderbuchstart 35Thomas Vogt:Mathematik in den Medien 37Günter M. Ziegler:Mathematik im Alltag: A streetcar named desire 40Gernot Stroth:Gauß-Vorlesung 42Gitta Kutyniok erhält von Kaven-Ehrenpreis 43Wolfgang Dahmen:Laudatio auf Gitta Kutyniok 44Alfred Schreiber:Gemeinste Plätze 46Klaus Altmann:Böllings WpA 48Fritz Otto Kappler:Verloren in den Wirren des 20. Jahrhunderts 52Sybille Handrock:Frauen im Professorenamt 54EMS-CDC – alive and kicking 56STAUNT ’08 58Informationen 59Neue Bücher in Oberwolfach 62

    [email protected]@[email protected]@[email protected]@[email protected]

  • DEUTSCHE MATHEMATIKER-VEREINIGUNG

    Vorstand und Präsidium

    PräsidentProf. Dr. Günter M. ZieglerInst. für Mathematik, MA 6-2, TU BerlinStraße des 17. Juni 136, 10623 BerlinTel. +49 . 30 . 314 25 730 | Fax +49 . 30 . 314 21 [email protected]

    VizepräsidentProf. Dr. Wolfgang LückMathematisches Institut, Universität MünsterEinsteinstraße 62, 48149 MünsterTel. +49 . 251 . 83 33 741 | Fax +49 . 251 . 83 38 [email protected]

    SchatzmeisterProf. Dr. Jürg KramerInst. für Mathematik, Humboldt-Universität zu BerlinRudower Chaussee 25, 12489 BerlinTel. +49 . 30 . 2093-5842 | Fax +49 . 30 . [email protected]

    Herausgeber der MitteilungenProf. Dr. Rainer Schulze-PillotUniversität des Saarlandes, Anschrift s. Seite 1

    SchriftführerProf. Dr. Günter TörnerFB 11 – Mathematik, Universität Duisburg-EssenCampus Duisburg, 47048 DuisburgTel. +49 . 203 . 379 26 68 | Fax +49 . 203 . 379 25 [email protected]

    Weitere PräsidiumsmitgliederProf. Dr. Werner Ballmann, BonnProf. Dr. Ehrhard Behrends, FU BerlinProf. Dr. Gunter Dueck, HeidelbergProf. Dr. Lisa Hefendehl-Hebeker, Duisburg-EssenProf. Dr. Klaus Hulek, HannoverProf. Dr. Peter Littelmann, KölnProf. Dr. Hans Jürgen Prömel, HU BerlinProf. Dr. Michael Röckner, Bielefeld

    Mitgliedsbeitrag 2008Grundbeiträge (inkl. Bezug der Mitteilungen)regulär EUR 46,00ermäßigt für Ehepaare EUR 69,00ermäßigt für Schüler und Studierende EUR 15,00ermäßigt für Mitglieder der DPG, der GI,

    der GOR und der GDM EUR 37,00ermäßigt für Reziprozitätsmitglieder EUR 23,00ermäßigt für Senioren EUR 34,00

    der neuen Bundesländer EUR 15,00

    Zeitschriften (Jahresabo 2008)(mindestens eine der folgenden Zeitschriften mussabonniert werden, Ausnahme studentische Mitglieder)Jahresbericht der DMV EUR 23,00

    (B. G. Teubner, Wiesbaden. Ein Jahrgang = 4 Hefte)Journal für Mathematik-Didaktik EUR 21,00

    (B. G. Teubner, Wiesbaden. Ein Jahrgang = 4 Hefte)Mathematische Semesterberichte EUR 22,00

    (Springer-Verlag, Heidelberg. Ein Jahrgang = 2 Hefte)

    DMV-Serverhttp://dmv.mathematik.de

    DOCUMENTA MATHEMATICAwww.mathematik.uni-bielefeld.de/documenta/

    BankverbindungenVolksbank Freiburg 6 95 50 02 (BLZ 680 900 00)IBAN: DE66 6809 0000 0006 9550 02BIC: GENODE61FR1Postgiro Stuttgart 185 17-706 (BLZ 601 100 70)IBAN: DE39 6001 0070 0018 5177 06BIC: PBNKDEFFDie Deutsche Mathematiker-Vereinigung e. V. ist durch denKörperschaftssteuer-Freistellungsbescheid des Finanzamtes fürKörperschaften I Berlin vom 29. 07. 2007 als zu den in § 5 Abs. 1Nr. 9 KStG bezeichneten Körperschaften gehörig anerkanntworden.

    Liebe Mathematikerinnen und Mathematiker,

    auf der Veranstaltung zur Verleihung der Leibnizpreise2008 am 11. Februar (herzliche Glückwünsche an DMV-Vizepräsident Wolfgang Lück!) begrüßte mich die Bun-desforschungsministerin Annette Schavan mit den Wor-ten „Die Mathematiker sind einfach Klasse!“. Mit Ausru-fezeichen. Dieses Lob gebe ich gerne an Sie weiter!

    Der Anlass dafür: unser Wissenschaftsjahr 2008 un-ter dem Titel „Mathematik. Alles, was zählt!“ hat einenfulminanten Start gehabt. Die Resonanz in den Medi-en (überregionale und regionale Zeitungen, Radio undFernsehen) ist überwältigend – auch nach Einschätzungvon sehr wissenschaftsjahrerfahrenen Profis. Eine knap-pe Dokumention dazu hat Thomas Vogt, der Leiter des„Contents Office“ im Redaktionsbüro des Jahres, füruns ab Seite 37 zusammengestellt.

    Offenbar geht das Konzept auf. Die Plakate unter demMotto „Du kannst mehr Mathe, als Du denkst“ kommensehr gut an, genauso der Image-Film des Jahres (siehewww.jahr-der-mathematik.de). Mathematik ist ein The-ma, das reizt, das für die Journalisten (von denen natür-lich viele „in Mathe schlecht waren“) Widerhaken hatund damit spannend ist. Die interessieren sich für uns,kommen mit interessanten Fragen und suchen das Ge-spräch.

    Natürlich kann man sich Sorgen machen, dass sich dasInteresse der Medien für das Fach und für das Wissen-schaftsjahr nicht ein ganzes Jahr lang in dieser Form auf-recht erhalten lässt, dass dann die zweite Jahreshälfteversandet. Ich bin aber optimistisch, weil wir ja einegroße Vielfalt von Inhalten liefern können und zu dis-kutieren haben. Das Redaktionsbüro des Jahres berei-tet ein gutes Dutzend Themendossiers vor, die Materialzu aktuellen Themen (Mathematik und Wahlen, Mathe-matik und Sport) und Anlässen (Mathematik und Tech-nik zur Hannover Messe, Mathematik und Klima zurWirbelsturm-Saison) liefern sollen. Und die Ausstellun-gen und Events des Sommers (Wissenschaftssommerin Leipzig, ScienceStation, Matheschiff MS Wissenschaft)und des Herbstes (Mathema-Ausstellung in Berlin, DMV-Medienpreise, etc.) liefern weitere Anlässe zur Bericht-erstattung.

    Und das Jahr hat ja gerade erst begonnen. Auch die Pla-nung ist bei weitem nicht abgeschlossen, es ist immernoch Platz und Raum für Ideen, Events, Aktionen, fürIhre Initiativen. Ein Jahr hat 365 Tage – dieses sogar 366Tage!

    Die DMV startet mit ambitionierten eigenen Projektenin das Mathematikjahr. Ich nenne hier fünf:

    – Der DMV-Abiturpreis ist auf gutem Weg: Jedes Gym-nasium in Deutschland kann ab 2008 jedes Jahreinen exzellenten Mathematik-Abiturienten nominie-ren, der mit Urkunde, Buchpreis und einer einjäh-rigen kostenlosen DMV-Mitgliedschaft ausgezeichnetwird. Das Buch dazu, „Kaleidoskop der Mathematik“,entsteht unter Hochdruck und wird vom Springer-Verlag realisiert und finanziert – dafür sind wir sehrdankbar!

    – Der DMV-Webserver dmv.mathematik.de wird der-zeit neu aufgebaut: Er soll dann sehr viel attraktiverund aktueller sein und auch die notwendige Infra-struktur für den DMV-Abiturpreis tragen. Wenn Siedieses Heft in Händen haben, ist er schon am Netz.Schauen Sie rein!

    – Das Projekt „Regionale Aktivitäten und Vernetzungmit Schulen“ ist eine Aktion von DMV und Deut-sche Telekom Stiftung in Kooperation mit der MNU.An fast 50 Hochschulstandorten sind inzwischenTandems zwischen Schule und Hochschule gebildet,werden Projekte angeschoben. Regie führt DMV-Vizepräsident Wolfgang Lück.

    2 Vorwort des Präsidenten

    [email protected]@[email protected]@uni-due.dehttp://dmv.mathematik.dehttp://dmv.mathematik.dewww.mathematik.uni-bielefeld.de/documenta/www.jahr-der-mathematik.dehttp://www.jahr-der-mathematik.dedmv.mathematik.dehttp://dmv.mathematik.de

  • – Die DMV-Jahrestagung 14.–19. September in Erlan-gen (siehe S. 5) wird unsere große Bühne im Mathe-matikjahr. Die Anmeldung ist seit dem 1. März mög-lich unter http://www.dmv2008.uni-erlangen.de.

    Die Jahrestagung 2008 wird natürlich im Zeichen desMathematikjahrs stehen, wir wollen und wir werden fei-ern. Die Wissenschaft wird dabei nicht zu kurz kom-

    men. Es gibt aber auch Wichtiges zu besprechen – etwadie neuen Zahlen „rund um’s Mathematikstudium“, dieunter Regie von DMV-Schriftführer Günter Törner ausden Daten des Statistischen Bundesamtes zusammen-stellt (siehe Seite 16), und die durchaus nicht in allenKomponenten erfreulich sind.

    Ihr Günter M. Ziegler

    Präsidiumswahlen 2008Einladung zur Nominierung von Kandidaten/innen

    Ende dieses Jahres laufen die derzeitigen Amtszeiten fürzwei Vorstandsmitglieder der DMV (Schriftführer undHerausgeber der Mitteilungen), sowie für drei weiterePräsidiumsmitglieder ab (darunter der Herausgeber desJahresberichts und der Beauftragte für mathematik.de).

    Das Präsidium wird entsprechend § 2 der Wahlordnungfür jede dieser Position im Vorstand und Präsidium we-nigstens einen Kandidaten/Kandidatin benennen.

    Der Präsident und das Präsidium haben aber ausdrück-lich ihr Interesse an Nominierungen von Kandidaten ausdem weiten Kreis der DMV-Mitglieder erklärt. SolcheWahlvorschläge bedürfen der Unterstützung von min-destens zehn Mitgliedern. Sie müssen bis zum 30. Aprilbei der Geschäftsstelle eingegangen sein.

    Der Schriftführer der DMVProf. Dr. Günter Törner

    Termine◦ IMAGINARY -– mit den Augen der Mathematik (vgl. Mitteilungen 15-4, S. 256)

    Bis 11. April in Kaiserslautern, 17.–25. Mai in Stuttgart, 29. Mai –25. Juni in Potsdam (www.imaginary2008.de)◦ 25. April 2008: Gauß-Vorlesung in Bonn – Prof. J. Morgan (siehe S. 42)◦ bis 1. Mai 2008: „Alles ist Zahl“, Ausstellung von 16 Bildern des Schweizer Künstlers Eugen Jost

    Heinz Nixdorf Museumsforum, Paderborn (www.mathematik-kalender.de)◦ 7. Mai 2008: Start des Ausstellungsschiffs von Wissenschaft im Dialog in Bonn.

    Anlegestellen unter www.ms-wissenschaft.de◦ 15. Mai: Einsendeschluss für den Ideenwettbewerb Mathe erleben (www.jahr-der-mathematik.de)◦ bis 31. Mai: Mathematik-Literatur-Wettbewerb Stories & Friends (www.mathematik.stories-and-friends.com)◦ 28. Juni – 4. Juli 2008: Wissenschaftssommer in Leipzig◦ 14.–18. Juli 2008: Fifth European Congress of Mathematics (5ECM), Amsterdam◦ bis 20. Juli: Zahlen, bitte. Ausstellung im Nixdorf Museumsforum, Paderborn (vgl. Mitteilungen 15-4, S. 249)

    (Ausstellung verlängert – www.hnf.de)◦ 14.–19. September 2008: DMV-Jahrestagung, Erlangen, http://www.dmv2008.uni-erlangen.de/, siehe S. 5◦ 6. November 2008: Eröffnung der Mathema-Ausstellung, Deutsches Technikmuseum, Berlin◦ 7. November 2008: Verleihung der Medien-/Journalistenpreise, Berlin◦ 14. November 2008: Gauß-Vorlesung in Hamburg (B. Fiedler)◦ bis Ende 2008: Das Minimathematikum aus Gießen auf Deutschlandtour

    Orte und Termine unter www.mm-gi.de/

    Aktuelle Informationen: www.dmv.mathematik.de

    DMV-Ansprechpartner „vor Ort“

    Augsburg: Jost-Hinrich EschenburgBayreuth: Thomas PeternellFU Berlin: Ehrhard BehrendsHU Berlin: Jürg KramerTU Berlin: Günter M. ZieglerBielefeld: Michael RöcknerBochum: Peter EichelsbacherBonn: Werner BallmannTU Braunschweig: Thomas SonarU Bremen: Dmitry Feichtner-KozlovChemnitz: Christoph HelmbergTU Darmstadt: Michael JoswigDortmund: Karl Friedrich SieburgDuisburg: Rüdiger SchultzErlangen: Frank DuzaarEssen: Lisa Hefendehl-HebekerFrankfurt: Thorsten TheobaldTU Freiberg: Wolfgang MönchFreiburg: Sebastian GoetteGöttingen: Thomas SchickHalle: Gernot StrothHamburg: Reiner LauterbachHannover: Christine Bessenrodt

    Ilmenau: Carsten TrunkKarlsruhe: Michael PlumKassel: Wolfram KoepfKöln: Uwe SemmelmannKonstanz: Claus ScheidererLeipzig: Wolfgang KönigLübeck: Jürgen PrestinMagdeburg: Martin HenkMainz: Volker BachMarburg: Volkmar WelkerLMU München: Helmut SchwichtenbergTU München: Peter GritzmannMünster: Wolfgang LückOldenburg: Daniel GrieserPaderborn: Torsten WedhornPotsdam: Christian BärRegensburg: Guido KingsRostock: Florian PfenderSaarbrücken: Jörg EschmeierStuttgart: Timo WeidlHfT Stuttgart: Hanspeter BoppTübingen: Jürgen Hausen

    MDMV 16 / 2008 3

    http://www.dmv2008.uni-erlangen.dehttp://www.dmv2008.uni-erlangen.demathematik.dewww.imaginary2008.dewww.mathematik-kalender.dewww.ms-wissenschaft.dewww.jahr-der-mathematik.dewww.mathematik.stories-and-friends.comwww.hnf.dehttp://www.dmv2008.uni-erlangen.de/www.mm-gi.de/www.dmv.mathematik.de

  • Briefe an die Herausgeber und Notizen

    Emmy Noether (15-4 / 2007)

    In der Legende desBildes auf Seite 225aus dem Bildarchiv desMFO wird irrtümlicher-weise Hanna Neumanngenannt. Peter Neu-mann, Oxford, hat Re-nate Tobies auf ihreNachfrage hin bestä-tigt, dass das Photonicht seine Mutter Han-na Neumann zeigt.Wer weiß, um wen essich bei der Unbekann-ten handelt? Hinweisebitte an [email protected].

    Ausstellungen

    Es gibt wieder Ausstellungen, die für MathematikerInnenneben dem allgemeinen Kunstinteresse auch das berufli-che Interesse ansprechen:

    Im Wiener Museum moderner Kunst (MUMOK) fin-det bis zum 18. Mai die Ausstellung Genau + anders –Mathematik in der Kunst von Dürer bis Sol LeWitt statt.Aus der Ausstellungsankündigung: „Mathematik istallgegenwärtig: Die Ausstellung Genau und andersanalysiert und kommentiert die Verknüpfungen derKunst mit einer von Zahlen, Berechnungen, Statisti-ken und geometrischen Konstruktionen bestimmtenWirklichkeit. Anhand von 120 künstlerischen Posi-tionen wird demonstriert, wie mathematische Fra-gestellungen die Avantgarden des 20. Jahrhundertsbeeinflusst haben.“http://www.mumok.at/ (RSP)

    In Göttingen findet vom 6. April bis zum 18. Mai imLichtenberg-Haus, Gotmarstraße 1, die Ausstellungmit dem von Lichtenberg stammenden Titel Mathe-matik ist eine Teufelskunst der Malerin Rune Mieldsstatt (von der Sie in Heft 15-1 auf Seite 50 ein Bildsehen konnten, das die platonischen Körper thema-tisierte). (Benno Artmann)

    Im Museum Wiesbaden läuft noch bis zum 18. Maidie Ausstellung Robert Indiana – The American Painterof Signs mit Werken des Pop-Art Künstlers RobertIndiana.Aus der Ausstellungsankündigung: „Im Mittelpunktder Ausstellung stehen die „Numbers“, als Skulptu-ren von gut zwei Metern Höhe ausgeführt, oder alszeichenhafte Gemälde an der Wand. Eine kompletteSerie der Ziffern von Null bis Neun wird im größtenRaum der Ausstellung als skulpturales Ensemble zumersten Mal überhaupt in Europa zu sehen sein.“http://www.museum-wiesbaden.de

    (Benno Artmann)

    Im Görges-Bau der TU Dresden ist vom 30 Mai biszum 8. August die Ausstellung GOOD VIBRATIONS –Geometrie und Kunst zu sehen.Aus der Ausstellungsankündigung: „Die Ausstellunginszeniert Geometrie über das ihr eigentlich frem-de Medium Kunst. Zwischen Kunst und Geometrieentstehen auf diese Weise Beziehungen, die das im-manent Unpersönliche der mathematischen Disziplinverschwinden lassen. Der Betrachter ist nicht nurpassiver Rezipient, sondern tritt in einen Dialog mitden gezeigten Werken und Objekten. Diese Ausein-andersetzung lässt ein Glücksgefühl entstehen: Geo-metrie ist elektrisierend und schön.“http://www.altana-galerie-dresden.de/vorschau/

    (GMZ)

    Abel-Preis 2008

    Der Abel-Preis 2008 wird gemeinsam an JohnThompson und Jacques Tits verliehen. Beidewerden für ihre bahnbrechenden Arbeiten inder Algebra, insbesondere der Gruppentheo-

    rie, geehrt. Die Preisverleihung wird am 20. Maistattfinden. Die Mitteilungen berichten in einemder kommende Hefte.

    4 Briefe und Notizen

    [email protected]@math.tu-berlin.demailto:[email protected]://www.mumok.at/http://www.mumok.at/http://www.museum-wiesbaden.dehttp://www.museum-wiesbaden.dehttp://www.altana-galerie-dresden.de/vorschau/http://www.altana-galerie-dresden.de/vorschau/

  • DMVJahrestagung 2008

    Erlangen, 14.–19. September

    Im „Jahr der Mathematik“ laden die DMV unddas Department Mathematik herzlich zur DMVJahrestagung 2008 an die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg ein. In einerVielzahl von Vorträgen, Diskussionen und an-deren Veranstaltungen soll ein aktuelles Bildunserer Wissenschaft und ihrer neuesten Ent-wicklungen entstehen. Beteiligen Sie sich dar-an! Informationen über das Programm, zu denHauptvorträgen und den geplanten Minisym-posien, Festveranstaltungen, Preisverleihungen,Rahmenprogramm etc. finden Sie auf der Ta-gungsseite:

    http://www.dmv2008.uni-erlangen.de/

    Die Anmeldung zur Tagung ist auf dieserWebseite möglich. Für Nachfragen benutzenSie bitte die Email-Adresse [email protected]

    Neben den Minisymposien werden drei mode-rierten Sektionen eingerichtet:

    – Reine Mathematik– Angewandte Mathematik– Didaktik der Mathematik

    Die Anmeldung eines Vortrags in einer der mo-derierten Sektionen ist auf der Homepage derTagung möglich. Darüber hinaus besteht grund-sätzlich die Möglichkeit der Eingliederung desVortrages in ein Minisymposium. Der Wunschhierzu ist bei der Anmeldung des Vortrages derTagungsleitung mitzuteilen, die dann den Kon-takt zu den Organisatorinnen bzw. Organisato-ren des in Frage kommenden Minisymposiumsherstellt. Natürlich hängt die mögliche Einglie-derung von der Zustimmung der Organisato-rinnen bzw. Organisatoren ab.

    In Erlangen soll für uns alle und für die Öf-fentlichkeit im Jahr der Mathematik sichtbarwerden, wie lebendig und produktiv unsereWissenschaft ist. Besonders liegt der Erlan-ger Mathematik am Herzen, dass Studentin-nen und Studenten aus ganz Deutschland denWeg nach Erlangen finden – als Teilnehmer derStudierenden-Konferenz oder als reguläre Be-sucher der Tagung – und so das Gefühl ge-winnen, bei der mathematischen Forschung alseiner großen Gemeinschaftsleistung dabei zusein.

    Die Jahrestagung der DMV in Erlangen bietetdie besondere Gelegenheit gemeinsam zu ler-nen, Mathematik zu erleben und auch zu feiern.Die Tagung und ihr interessantes und vielfälti-ges Rahmenprogramm laden dazu gerade ein.Nehmen Sie die Einladung an! Die Erlanger Ma-thematik freut sich auf Ihre Teilnahme.

    Für die örtliche Tagungsleitung:

    Prof. Dr. Frank DuzaarInstitut für MathematikFriedrich-Alexander-Universität Erlangen-NürnbergBismarckstr. 11/291054 [email protected]

    MDMV 16 / 2008 5

    http://www.dmv2008.uni-erlangen.de/http://www.dmv2008.uni-erlangen.de/[email protected]@mi.uni-erlangen.demailto:[email protected]@mi.uni-erlangen.demailto:[email protected]

  • Thema: MathematikJournalisten- und Cartoon-Preis der DMV

    Die DMV vergibt 2008 zum dritten Mal ihrenmit 1000 Euro dotierten Journalistenpreis fürein journalistisches Einzelwerk, das in besonde-rer Weise das Ansehen der Mathematik in derÖffentlichkeit fördert. Ausgezeichnet werdenkönnen im deutschen Sprachraum erschieneneBeiträge, unabhängig von ihrem Erscheinungs-medium (Fernsehen, Rundfunk, Print etc.), so-fern dieses eine angemessene Verbreitung hat;Erscheinungszeitraum: 1. 8. 2006–31. 7. 2008.

    Auswahljury: Dr. Christoph Pöppe (Spektrum),Dr. George Szpiro (NZZ) Prof. Rainer Schulze-Pillot, Prof. Günter M. Ziegler

    Als besondere Aktion zum Jahr der Mathema-tik (http://www.jahr-der-mathematik.de) ver-gibt die DMV 2008 zusätzlich einen Cartoon-Preis, für eine Karikatur, die besonders einfalls-reich und überraschend Mathematik zum The-

    ma hat. Ausgezeichnet wird dafür ein aktuellerCartoon (erschienen ab Januar 2007 oder spä-ter, oder noch nicht veröffentlicht). Die DMVerhält mit jeder Einreichung eines oder meh-rerer Cartoons das Publikationsrecht für ihreeigenen Publikationen; das sonstige Copyrightverbleibt beim Zeichner.

    Auswahljury: Til Mette (stern), Jan-MichaelRichter (Jamiri), Prof. Rainer Schulze-Pillot,Prof. Günter M. Ziegler

    Bewerbungen sind bis zum 30. 7. 2008 zu rich-ten an den Präsidenten der DMV:

    Prof. Günter M. ZieglerInstitut für Mathematik, MA 6-2Technische Universität Berlin10623 [email protected]

    Neue Angebote für Graduierte

    GraduiertenkollegMathematische Strukturen in dermodernen Quantenphysik

    Dieses interdisziplinäre Graduiertenkolleg un-tersucht mathematische Strukturen, die in dermodernen Quantenphysik auftreten, und ihreAnwendungen etwa in der Quantenfeldtheorie.Dabei befassen wir uns auch mit rein mathe-matischen Problemen, unter anderem aus dernichtkommutativen Geometrie, Analysis undDarstellungstheorie und aus Topologie und al-gebraischer Geometrie.

    Wir bieten Studierenden aus Mathematik undtheoretischer Physik eine breite Ausbildung,die es ihnen erlaubt, erfolgreich Fragen imGrenzbereich zwischen Mathematik und Quan-tenphysik zu erforschen.

    Beginn und Dauer:1. 4. 2008 bis 30. 9. 2012

    Beteiligte Einrichtungen:Georg-August-Universität Göttingen

    Sprecher: Prof. Dr. Ralf Meyer

    Stellvertreter: Prof. Dr. Detlev Buchholz

    Vertretene Gebiete:Reine Mathematik und Mathematische Physik

    Interessentenkreis: Studierende mit Diplomoder Master in Mathematik oder Physik mitdem jeweils anderen Fach als Nebenfach

    Förderungsmöglichkeiten:14 Doktorandenstipendien und2 Postdoktorandenstellen ab 1. 4. 2008

    Weitere Informationen:http://www.uni-math.gwdg.de

    6 Neue Angebote für Graduierte

    http://www.jahr-der-mathematik.dehttp://[email protected]:[email protected]://www.uni-math.gwdg.dehttp://www.uni-math.gwdg.de

  • . . . wie die Studiengebühren eingesetzt werden

    Sehr geehrte Kolleginnen und Kolleginnen,

    die DMV würde sich gerne einen Überblick dar-über verschaffen, in welcher Form und auf wel-che Weise an den verschiedenen Universitätendie Studiengebühren eingesetzt werden, um inder Mathematikausbildung „die Lehre zu ver-bessern“. Und wir würden uns freuen, wenn Sieuns bei der folgenden Umfrage behilflich wären.

    Es wird kein detaillierter Bericht erwartet. Ge-wünscht wird eine kurze (stichwortartige) Zu-sammenfassung/Skizze der Maßnahmen, und,falls vorhanden, Adressen von Webseiten,auf denen gegebenenfalls Einzelheiten nachge-schaut werden können, sowie Adressen vonAnsprechpartnern für Rückfragen.

    Auch Erfahrungen mit der begleitenden Büro-kratie (in negativer wie positiver Hinsicht) sinderwünscht, und Hinweise darauf, wie viel vonden Studiengebühren eigentlich an den Institu-ten ankommt. Vertraulich zu behandelnde An-gaben bitte besonders kennzeichnen.

    Die DMV verbindet zwei Ziele mit dieser Um-frage:

    – Die Ergebnisse sollen auf einer Webseitezusammengestellt werden. Die Einführung/Umsetzung neuer Konzepte in der Lehrebraucht Zeit, neue Ideen und bereits gesam-melte Erfahrungen können hier sehr hilfreichund inspirierend sein, und sie können Argu-

    mente liefern für Kolleginnen und Kollegenan anderen Universitäten.

    – Eine solche Übersicht ist langfristig hilf-reich um abzuschätzen, wie effektiv dieStudiengebühren helfen, die Lehre zu ver-bessern, und welcher Anteil der Gebüh-ren überhaupt den Instituten/Departments/Fachbereichen zu Verfügung steht.

    Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie entwe-der selber die Initiative ergreifen oder aber die-se Seite an die entsprechende zuständige Per-son an Ihrem Institut/Department/Fachbereichweiterleiten, und uns so die notwendigen Infor-mationen zukommen lassen.

    Der Ansprechpartner ist Peter Littelmann(Universität Köln), die Email-Adresse für dieAktion ist

    [email protected].

    Mit besten Grüßen,Peter Littelmann

    Prof. Dr. Peter LittelmannMathematisches InstitutUniversität zu KölnWeyertal 86–9050931 Kö[email protected]

    VORAN!MATHEMATIKISTIN!Chronogramm zum Jahr der Mathematik 2008

    Benno Artmann

    MDMV 16 / 2008 7

    [email protected]:[email protected]@math.uni-koeln.demailto:[email protected]

  • Weblogs –ein neues Mediumfür die Mathematik?Katharina Habermann

    Viele sehen in Begriffen und Konzepten wieWeb2.0, Social Software oder Folksonomy nur Bei-spiele zahlreicher Strömungen des Zeitgeistes, an-dere durchaus einen Paradigmenwandel in der Nut-zung des Internets. In diesem Beitrag soll eines derneuen Instrumente aus diesem Umfeld vorgestelltwerden, nämlich das sogenannte Weblog.

    Der Terminus Weblog setzt sich aus dem WortWeb, von World Wide Web, und dem WortLog, kurz für Logbuch, zusammen. Abgekürztwird häufig auch der Begriff Blog benutzt, wor-aus sich dann die Worte bloggen für das Schrei-ben von Beiträgen in einem Weblog, Bloggerfür den Autor der Beiträge und die Blogosphärefür das Netzwerk, die Gesamtheit der Weblogsund ihrer vielfältigen Verknüpfungen unterein-ander ableiten.

    Ein Weblog ist eine Webseite, auf welcher inumgekehrt chronologischer Reihenfolge einzel-ne Beiträge (Postings, Posts), in der Regel Tex-te, aber auch Bilder oder andere Inhalte, aufge-listet werden. Umgekehrt chronologisch heißtdabei, dass man die neuesten Beiträge auf die-ser Webseite ganz oben findet. Jeder Eintrag istmit einer separaten URL (Permalink) adressiertund kann damit eigenständig im Internet zitiertbzw. verlinkt werden. Zudem ist jeder Beitragmit dem Datum seiner Veröffentlichung verse-hen. Außerdem gibt es in den gängigsten Syste-men für die Leser die Möglichkeit, Kommenta-re zu den Beiträgen abzugeben und so in Dis-kussionen einzutreten. Als Navigationshilfe imschnell wachsenden Umfang der Einträge einesWeblogs dient die Vergabe von selbstgewähltenKategorien und Tags (Schlagworte) durch denAutor, der seine Einträge im Weblog auf dieseWeise klassifizieren kann.

    Weblog-Einträge finden durch sogenannteRSS-Feeds1 sehr schnelle Verbreitung. Dafürbraucht man als Weblog-Autor selbst nicht ak-tiv werden. Leser eines Weblogs können die

    RSS-Feeds abonnieren. Mit diesem technischenHilfsmittel werden sie dann automatisch infor-miert, wenn es in dem sie interessierendenWeblog neue Einträge gibt, ohne dass sie dazudie Seite regelmäßig besuchen müssen. In RSS-Feeds werden vorrangig Titel und evtl. Textan-fang des Beitrages angezeigt. Nutzer, die vie-le RSS-Feeds abonniert haben, „scannen“ die-se nur noch und schauen sich dann lediglichEinträge genauer an, die aufgrund der Über-schriften die Neugier zum Weiterlesen wecken.Von weiteren technischen Elementen, die vonWeblogs bereitgestellt werden bzw. diese aus-machen, seien hier nur noch die Funktionali-tät sogenannter Trackbacks oder Pingbacks ge-nannt, die sowohl Autor als auch Leser einesBeitrages automatisch mitteilen, dass ein ande-rer Blogger über einen Link auf diesen Beitragverweist.

    Systeme zum Betreiben von Weblogs erlaubenein schnelles und einfaches Veröffentlichen ei-gener Beiträge, selbst für Zeitgenossen ganzohne internet-technische Affinität. Die größ-ten Anbieter von Portalen zum Hosten vonWeblogs sind derzeit Wordpress unter http://wordpress.com und das bei Google angesie-delte Blogger (http://www.blogger.com). Kleine-re Plattformen der deutschen Blogcommunitysind beispielsweise http://www.myblog.de undhttp://www.blog.de. Man benötigt nun nur nocheinen Internetzugang, um hier selbst publizis-tisch aktiv werden zu können. Nicht einmalHTML-Kenntnisse sind mehr vonnöten.

    Während das Internet in der Vergangenheitvon Inhalten bestimmt war, die von den Nut-zern lediglich gelesen werden konnten, bietetes heute in zunehmendem Maße Möglichkei-ten zur Interaktion. Die Tatsache, dass We-blogs als ein Paradebeispiel dieses Trends, wel-cher durch neue Technologien nur noch ver-stärkt wurde, so eine enorme Verbreitung und

    1 RSS steht für Really Simply Syndication, was „wirklich einfache Verbreitung“ bedeutet.

    8 Katharina Habermann | Weblogs

    http://wordpress.comhttp://wordpress.comhttp://wordpress.comhttp://www.blogger.comhttp://www.blogger.comhttp://www.myblog.dehttp://www.myblog.dehttp://www.blog.dehttp://www.blog.de

  • Popularität gefunden haben, lässt sie bereitszum Forschungsgegenstand von Sozial- und Me-dienwissenschaftlern werden. Doch ginge esallein darum, mit einfachen Mitteln und oh-ne eigenes technisches Know-How in chrono-logischer Reihenfolge Texte ins Netz zu stel-len, so wäre die Welt der Weblogs, die Blo-gosphäre, nicht halb so interessant. Zum ech-ten Phänomen ist diese Entwicklung gewor-den, weil durch Kommentarfunktion, Track-backs und RSS-Feeds das Betreiben eines We-blogs wesentlich mehr Aufmerksamkeit wecktund die Einträge eine schnellere Verbreitungfinden sowie eher Reaktionen auslösen als her-kömmliche Webseiten.

    Themen und Inhalte, die in Weblogs Eingangund Darstellung finden, stammen praktisch ausallen Bereichen des alltäglichen, kulturellen undwissenschaftlichen Lebens. Weblogs dienen alsInformationsdienst sowie als Orientierung ineiner Fülle verstreut vorhandener Informati-onsquellen, eignen sich als virtuelle Notizblö-cke und besitzen Archivfunktion. Sie reichendabei von privaten Tagebüchern bis hin zuMarketinginstrumenten kommerzieller Anbie-ter. Zunehmende Verbreitung finden fachbe-zogene Weblogs, die häufig auf ein speziel-les Thema fokussiert sind, zum Teil von einerüber fachliche Kriterien definierten Gruppe be-trieben werden und professionelle Informatio-nen anbieten bzw. Sachfragen diskutieren. Die-se Fachblogs genießen zudem ein hohes Maßan Glaubwürdigkeit und werden auch von Au-ßenstehenden, z. B. von Journalisten, für die Re-cherche nach neuen Themen und zur Auswer-tung von Trends genutzt. Angesichts dieser Tat-sache tragen Blogger auch eine besondere Ver-antwortung bei der Veröffentlichung von Infor-mationen, die sie aus informellen Quellen be-ziehen.

    Wie in anderen Fachgebieten beginnen auch inder Mathematik Fachblogs in wachsender Zahlals einfaches und schnelles Medium zu überzeu-gen. Sie werden häufig als Diskussionsplattformgenutzt. Darüberhinaus fungieren sie verbreitetsowohl als persönliches als auch als gemein-schaftliches Lern- und Arbeitsjounal, z. B. vonPromotionsstudenten.

    Populäre mathematische Forschungs- undDiskussions-Weblogs sind beispielsweis NotEven Wrong2, welches von Peter Woit betrie-ben wird, The n-Category Café3, an dem JohnBaez, David Corfield und Urs Schreiber be-teiligt sind, oder das Secret Blogging Seminar4.Auch Fields-Medaillisten bloggen. So zum Bei-spiel Terence Tao mit seinem Blog What’s new5,Richard Borcherds mit Mathematics and physics6

    sowie Alain Connes als Mitautor im Blog Non-commutative Geometry7. Da Englisch die Wis-senschaftssprache in der Mathematik ist, sindauch die meisten mathematischen Weblogs inder englischsprachigen Blogosphäre zu finden,selbst wenn Englisch nicht die Muttersprachedieser Blogger ist. Doch auch das bisher kleineReich der deutschsprachigen mathematischenFachblogs ist nicht minder informativ. Man fin-det sehr viele Weblogs, in denen auf verschie-densten Ebenen durch Dozenten, Lehrer, Refe-rendare, Studenten oder Schüler Fragen zumMathematikunterricht diskutiert werden. Bei-spiele sind die Weblogs Chrisp’s Virtual Com-ments8, Wikis und Blogs im Mathematikunter-richt9, DIE mathematiKLernseiten10 oder Mathe-matikunterricht und China11.

    Während es im englischsprachigen Raum auchmehrere Mathematikprofessoren gibt, die eineigenes Weblog betreiben, gibt es in derdeutschsprachigen Blogosphäre generell kaumProfessoren. Eine sicher nicht vollständige Lis-te findet man in einem Weblog – wo auch sonst– unter dem Titel „bloggende Professoren:die Liste – Deutschlands Denkelite schweigt“12

    einschließlich einer Diskussion zu den Grün-den in den Kommentaren. Die Situation beginntsich inzwischen mit deutschen Wissenschafts-Blog-Plattformen wie Scilogs – Tagebücher derWissenschaft13 und dem deutschen Ableger vonScienceBlogs14 zu ändern.

    Der erste mir bekannte bloggende deutscheMathematikprofessor war Albrecht Beutels-pacher mit seinem MATHEBLOG15. In diesemWeblog lässt er uns am Fortgang seiner Ar-beit an einem Buch mit dem Titel „100 Ma-the Basics“ teilhaben. Dabei erleben wir auchseine konzeptionelle Arbeit, seine Gedankenund Ideen beim Schreiben des Buches. Allein

    2 http://www.math.columbia.edu/~woit/wordpress3 http://golem.ph.utexas.edu/category4 http://sbseminar.wordpress.com5 http://terrytao.wordpress.com6 http://borcherds.wordpress.com7 http://noncommutativegeometry.blogspot.com8 http://cspannagel.wordpress.com9 http://idotter.ch/wp10 http://diekl.wordpress.com11 http://china-and-math.blog.de12 http://www.basicthinking.de/blog/2007/09/16/bloggende-professoren-die-liste13 http://www.scilogs.de14 http://www.scienceblogs.de15 http://beutelspacher.viewegblogs.de

    MDMV 16 / 2008 | 8–10 9

    http://www.math.columbia.edu/~woit/wordpresshttp://www.math.columbia.edu/~woit/wordpresshttp://golem.ph.utexas.edu/categoryhttp://golem.ph.utexas.edu/categoryhttp://sbseminar.wordpress.comhttp://sbseminar.wordpress.comhttp://terrytao.wordpress.comhttp://terrytao.wordpress.comhttp://borcherds.wordpress.comhttp://borcherds.wordpress.comhttp://noncommutativegeometry.blogspot.comhttp://noncommutativegeometry.blogspot.comhttp://cspannagel.wordpress.comhttp://cspannagel.wordpress.comhttp://idotter.ch/wphttp://idotter.ch/wphttp://diekl.wordpress.comhttp://diekl.wordpress.comhttp://china-and-math.blog.dehttp://china-and-math.blog.dehttp://www.basicthinking.de/blog/2007/09/16/bloggende-professoren-die-listehttp://www.basicthinking.de/blog/2007/09/16/bloggende-professoren-die-listehttp://www.scilogs.dehttp://www.scilogs.dehttp://www.scienceblogs.dehttp://www.scienceblogs.dehttp://beutelspacher.viewegblogs.dehttp://beutelspacher.viewegblogs.de

  • diese Tatsache, dass Studenten ihren Profes-sor als Schreibenden wahrnehmen, der Mate-rial sammelt, clustert, Texte entwirft und über-arbeitet und sie mit seinen zukünftigen Leserndiskutiert, ist von unschätzbarem didaktischemWert. Und seit November 2007 bloggt auchder DMV-Präsident Günter M. Ziegler. SeinWeblog MATHEMATIK IM ALLTAG16 betreibt erauf der oben genannten Plattform Scilogs. Einweiteres sehr schönes Beispiel für den Einsatzvon Weblogtechnik ist der professionell reali-sierte Internetauftritt des EMS-Komitees „Wo-men and Mathematics“17 bei Wordpress.

    Obwohl Weblogs in der Mathematik noch nichtals etabliert gelten können, ist deren Zahl be-reits schwer überschaubar. Eine Übersicht zumStart in die Welt der mathematischen We-blogs findet man unter der URL http://del.icio.us/mathematische_weblogs im Netz. Ausgehendvon einem Weblog kann man sich über dieim sogenannten Blogroll angeführten Links zuanderen Weblogs weiterklicken. Einen weite-ren Einstieg bieten Dienste, die Weblogs nachThemen gegliedert auflisten, wie beispielswei-se Technorati18 oder bloggerei.de19. Interessantsind auch die sogenannten Carnivals of Mathe-matics20.

    Für die Zukunft bleibt abzuwarten, ob und wiedurch Weblogs und andere neue Webtechno-logien tatsächlich neue Zugänge zu Informatio-nen möglich werden. Bis dahin gilt der Sloganmit dem der Weblog-Service-Anbieter Word-press derzeit (Stand Januar 2008) seine Gäste

    begrüßt: Express yourself. Start a blog. Dem kannich mich nur anschließen.

    Adresse der AutorinKatharina HabermannFachreferentin für Mathematik und InformatikNiedersächsische Staats- undUniversitätsbibliothek GöttingenPlatz der Göttinger Sieben 137073 Gö[email protected]: http://mathe2008.wordpress.com

    Katharina Habermann, Jahrgang1966, begann ihre wissenschaftli-che Laufbahn an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie besuchtean dieser Einrichtung die Spezial-schule für Mathematik und Physik,studierte von 1984 bis 1989 Ma-thematik und promovierte 1993.Nach der Promotion ging sie andie Ruhr-Universität Bochum, wosie sich im Jahre 1999 habilitier-

    te. Weitere Stationen waren das Max-Planck-Institutfür Mathematik in den Naturwissenschaften in Leipzigund die Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. ImJahr 2000 erhielt sie den Gerhard-Hess-Preis der Deut-schen Forschungsgemeinschaft, mit dem sie ein eige-nes Forschungsprojekt auf dem Gebiet der symplekti-schen Geometrie realisieren konnte. Seit 2004 arbei-tet sie als Fachreferentin für Mathematik und Informa-tik an der Niedersächsischen Staats- und Universitäts-bibliothek Göttingen und betreut dort insbesonderedas Sondersammelgebiet „Reine Mathematik“. Kathari-na Habermann ist außerdem zweite Sprecherin der IuK-Fachgruppe der DMV/ÖMG.

    16 http://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/mathematik-im-alltag17 http://womenandmath.wordpress.com18 http://www.technorati.com19 http://www.bloggerei.de20 siehe http://www.sixthform.info/maths/?p=163

    10 Katharina Habermann | Weblogs

    http://del.icio.us/mathematische_weblogshttp://del.icio.us/mathematische_weblogshttp://del.icio.us/[email protected]:[email protected]://mathe2008.wordpress.comhttp://mathe2008.wordpress.comhttp://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/mathematik-im-alltaghttp://www.wissenslogs.de/wblogs/blog/mathematik-im-alltaghttp://womenandmath.wordpress.comhttp://womenandmath.wordpress.comhttp://www.technorati.comhttp://www.technorati.comhttp://www.bloggerei.dehttp://www.bloggerei.dehttp://www.sixthform.info/maths/?p=163http://www.sixthform.info/maths/?p=163

  • Probleme gesucht!Andreas Loos und Dierk Schleicher

    Zwei Aspekte der Mathematik interessierenMedien und Öffentlichkeit besonders: Persön-liches Engagement von Mathematikerinnen undMathematikern (,human touch‘) und Knobe-laufgaben. Ideal ist, wenn beides zusammenkommt, wenn Aufgaben helfen, kleine Ge-schichten über Mathematik zu erzählen – undüber die, die sich mit ihr beschäftigen.

    Ein Beispiel sind die von den Medien geliebtenAufgaben von Clay & Co. Nachteil: Sie sind zubekannt. Doch es gibt auch andere Preispro-bleme, etwa von Paul Erdős, Donald E. Knuth,Stanisław Ulam oder Byran Thwaites:

    Nimm eine positive ganze Zahl. Ist sie ge-rade, teile sie durch zwei; ist sie ungerade,multipliziere sie mit 3 und addiere 1. Ite-riere dieses Verfahren.Die Vermutung lautet: Egal, welche Zahldu genommen hat – du landest stets ir-gendwann bei 1.(Beweis oder Gegenbeispiel sind £ 1000wert.)

    Wir suchen Aufgaben dieser Art, um damit –auch nach dem Jahr der Mathematik 2008 – Ma-

    thematik in Medien und Öffentlichkeit zu trans-portieren. Im Idealfall sollen die Probleme un-gelöst, leicht und knapp zu formulieren und miteinem Preis versehen sein, vom Räucherschin-ken bis zu einigen tausend Euro. Und: Sie sollenauf einem spannenden mathematischen Hinter-grund basieren. Dazu brauchen wir Ihre Hil-fe: Kontaktieren Sie uns bitte, wenn Ihnen ei-ne geeignete Aufgabe unterkommt. Und wennSie selbst schon immer auf die Lösung IhresLieblingsproblems eine Flasche Wein aussetzenwollten – jetzt ist die Gelegenheit dazu!

    Adresse der AutorenAndreas LoosOtto-von-Guericke Universität MagdeburgUniversitätsplatz 239106 [email protected]

    Dierk SchleicherJacobs University BremenPostfach 750 56128725 [email protected]

    MDMV 16 / 2008 11

    [email protected]:[email protected]@jacobs-university.demailto:[email protected]

  • Leibniz, Caramuel,Harriot und dasDualsystemRobert Ineichen

    Das Zeitalter der Rechenautomaten und dergroßen Datenverarbeitungsanlagen hat auchdas Dualsystem, also das Stellenwertsystem, inwelchem die Zahlen allein durch die zwei Zif-fern 0 und 1 dargestellt werden, ziemlich all-gemein bekannt werden lassen. Im Zusammen-hang mit der Erklärung dieses Dualsystems (da-für auch: Zweiersystem, binäres System, dya-disches System) und der zugehörigen Grund-operationen mit Dualzahlen (Binärzahlen) wirdoft Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) er-wähnt, der sich schon gegen Ende des 17. Jahr-hunderts intensiv mit solchen Zahlen beschäf-tigt hat und im Jahrgang 1703 der Histoirede l’Académie Royale des Sciences eine Ar-beit darüber publiziert hat (erschienen in Paris1705). Manchmal wird Leibniz auch ausdrück-lich als „Erfinder“ oder als „Entdecker“ des Du-alsystems bezeichnet.

    Man kann sich die Fragen stellen, wer als ers-ter über das Dualsystem publiziert hat und wel-cher Mathematiker sich eigentlich als erster da-mit beschäftigt hat. Diesen beiden Fragen sollhier etwas nachgegangen werden. – H. J. Za-cher, der sich in [1] ebenfalls mit diesen Fra-gen befasst, geht auch der weiteren Frage nach,was den Anstoß zu solchen Beschäftigungen ge-geben haben mag und welche weiteren Einflüs-se mitgewirkt haben könnten. Darauf soll hiernicht eingegangen werden.

    1 G. W. Leibniz

    Zu seinen Lebzeiten ist 1705 die oben genann-te Arbeit und weiter sind – von ihm angeregt– eine Abhandlung von W. E. Tentzel über dieArithmetica binaria (1705) und eine von P. Dan-gincourt über die Arithmetica dyadica (1710) pu-

    bliziert worden. Eigentlich sehr wenig, könnteman meinen; es stehen aber diesen wenigen Pu-blikationen zahlreiche weitere gegenüber, dienach dem Tode von Leibniz erschienen sind,und dazu noch in seinem Nachlass eine sehrgroße Zahl von Abhandlungen, Notizen undBriefen, die sich ebenfalls mit unserem Themabefassen.1

    Seine französisch2 geschriebene eben erwähn-te Darstellung trägt den Titel Explication del’Arithmétique binaire. Er schreibt einleitend,dass er sich nur der Ziffern 0 und 1 bedie-nen wird und stellt zunächst in einer Tabelle dieZahlen von 0, 1, 2, 3 bis 32 im Dualsystem dar,also 0, 1, 10, 11 bis 100000. Er weist in dieserGegenüberstellung auch auf die Perioden hin,die sich in den einzelnen Spalten erkennen las-sen, wenn man die aufeinander folgenden Bin-ärzahlen untereinander stellt: Liest man dieseBinärzahlen von rechts, so ist wechselweise dieerste Ziffer 0 oder 1, die zweite zweimal 0 oderzweimal 1, die dritte viermal 0 oder viermal 1usw.

    Er vergisst auch die Praktiker nicht, die beimWiegen von Massen mit geringem Gewicht mitwenigen Gewichtsstücken auskommen könn-ten, so ist z. B. „13, dargestellt durch 1101, dieSumme aus acht, vier und eins“; dies „könn-te auch bei den Münzen dienen, um verschie-dene Beträge mit wenig Stücken darzustellen“.Es folgen dann Beispiele für die Ausführung derGrundoperationen, analog zu den entsprechen-den Rechnungen mit Zahlen im Dezimalsystem,wo jedoch „nichts auswendig zu lernen ist wiebeim gewöhnlich Rechnen“, und wo man beimDividieren „weder zu probieren braucht nochzu erraten“: „beim Binärsystem wird alles di-rekt gefunden und bewiesen, wie aus den [. . . ]Beispielen ersichtlich ist“. Trotzdem schließt er

    1 Hans J. Zacher hat die Hauptschriften zur Dyadik von Leibniz publiziert, zusammen mit einer Darstellung derEntstehungsgeschichte der Dyadik bei Leibniz und einem ausführlichen Kommentar [1].

    2 Den französischenText und die deutsche Übersetzung findet man z. B. auch in [2].

    12 Robert Ineichen | Leibniz, Caramuel, Harriot und das Dualsystem

  • diese Ausführungen mit dem Satz: „Ich emp-

    Gottfried Wilhelm von Leibniz,1646–1716

    fehle jedoch nicht, dieses Rechensystem an dieStelle der praktischen Dezimalmethode zu set-zen.“ – H. J. Zacher stellt in [1] nach seinenausführlichen Untersuchungen fest, dass Leib-niz „keine genauen Angaben über den Zeit-punkt der Erfindung seiner Dyadik macht undandererseits die Entdeckung für sich allein be-ansprucht.“ Zum Zeitpunkt sind verschiedeneÜberlegungen gemacht worden; er muss wohlam Anfang der siebziger Jahre liegen.3

    Bereits in der handschriftlich vorliegenden Ab-handlung De Progressione dyadica Pars I (vom 15.März 1679) findet man im Anschluss an dieDarstellung einer Multiplikation

    10111011110 (Faktoren 93 und 14, Produkt 1302)

    101110101011101

    101110110100010110

    den interessanten Hinweis:4

    Diese Art Kalkül könnte auch mit einerMaschine – per machinam – ausgeführtwerden. [. . . ]. Eine Büchse soll so mit Lö-chern versehen sein, dass diese geöffnetund geschlossen werden können. Sie seioffen an den Stellen, die jeweils 1 entspre-chen, und bleibe geschlossen an denen, die0 entsprechen. Durch die offenen Stellenlasse sie kleine Würfel oder Kugeln in Rin-nen fallen, durch die anderen nichts. Siewerde so bewegt und von Spalte zu Spalteverschoben, wie die Multiplikation es er-fordert. Die Rinnen sollen die Spalten dar-stellen, und kein Kügelchen soll aus einerRinne in eine andere gelangen können, essei denn, nachdem die Maschine in Bewe-gung gesetzt ist. Dann fließen alle Kügel-chen in die nächste Rinne, wobei immereines weggenommen wird, welches in einleeres Loch fällt, sofern es allein die Türpassieren will. Denn die Sache kann so ein-gerichtet werden, dass notwendig immerzwei herauskommen, sonst sollen sie nichtherauskommen.

    Bei den letzten zwei Sätzen handelt es sichoffenbar um die Beschreibung des „Zweier-übergangs“: Ein solcher muss stattfinden, wenn

    zwei oder mehr Kügelchen in einer Rinne sind.Dann müssen zunächst zwei Kügelchen austre-ten. Von diesen beiden fließt das eine in „einleeres Loch“ und das andere in die nächste Rin-ne. Wenn nötig muss dieser Vorgang mehrmalsstattfinden. Schließlich befindet sich dann in je-der Rinne nur eine oder überhaupt keine Kugel.

    Mit Recht schreibt somit H.J. Greve in [2]: „Dieerste, nach dem binären Prinzip arbeitende Re-chenmaschine wurde also bereits von Leibnizim Jahre 1679 skizziert.“

    H. J. Zacher [1] stimmt dieser Ansicht zu. Erstellt aber fest, dass sie eigentlich ergänzt wer-den sollte durch die Aussage: „Das erste, nachdem binären Prinzip arbeitende 〈mechanische〉Rechenhilfsmittel wurde bereits von Neper imJahre 1617 vorgelegt.“5

    Leibniz gehört übrigens zusammen mit W.Schickhardt (1592–1635) und Blaise Pascal(1623–1662) auch zu den Wegbereitern derKonstruktion von jenen Rechenmaschinen, dienicht nach dem binären Prinzip arbeiten. – So-viel zum rein Mathematischen. Es soll aberdoch noch darauf hingewiesen werden, dassdie Dyadik für Leibniz auch ein Bild der bib-lischen Schöpfung, eine imago creationis, war:Alle Zahlen entstehen aus 1 und 0 und stel-len so gleichsam „in einem Spiegel die Schöp-fung oder den Ursprung der Dinge aus Gott undsonst Nichts“ dar.6 Dieser interessanten Über-legung von Leibniz, der ja der Philosophie undder Theologie sehr nahe stand, können wir hiernicht nachgehen.

    2 Juan Caramuel y Lobkowitz

    1670 hat der Zisterziensermönch und spätereBischof J. Caramuel y Lobkowitz seine Mathe-sis biceps vetus et nova, zwei großformatige, um-fangreiche Bände in lateinischer Sprache, publi-ziert – biceps, also „zweiköpfig“, weil er die da-malige „alte“ und die „neue“ Mathematik7 prä-sentieren will. Im Band, der der „alten“ Mathe-matik gewidmet ist, behandelt er auch die Dar-stellung der natürlichen Zahlen mit verschiede-nen Basen, und unter diesen n-ären Zahlendar-stellungen findet man selbstverständlich auchdas Zweiersystem. Hier, also 1670, dürfte so-mit die erste Publikation über das Dualsystemvorliegen.

    3 [1, p. 10 ff.]4 Faksimile des lateinischen Textes und deutsche Übersetzung in [2].5 [1, p. 22]. – Neper (John Napier, 1550–1617) verwendet ebenfalls ein Zweiersystem, das aber hier nicht ein eigent-

    liches Stellenwertsystem ist. Es werden calculi (Rechensteinchen) verwendet, die auf bestimmten Stellen gesetztwerden und so einen zahlenmäßigen Stellenwert erhalten; mit diesen calculi wird bei der Durchführung der Grun-doperationen gearbeitet.

    6 Aus einem Brief von Leibniz an Herzog Rudolf August vom 8. Mai 1696 [1, p. 235]7 Zur „neuen“ Mathematik gehört z. B. seine mathematische Behandlung von Würfelspielen, Teilungsproblemen und

    des Zahlenlottos. Vgl. R. Ineichen [3].

    MDMV 16 / 2008 | 12–15 13

  • Caramuel (1606–1682), geboren in Madrid, of-

    Juan Caramuel y Lobkowitz,1606–1682

    fenbarte schon in früher Jugend großes Ta-lent für Mathematik und Astronomie. Er stu-dierte Philosophie und Theologie und zeigtezeitlebens eine außergewöhnliche Aktivität undNeugierde. Er muss ungeheuer fleißig gearbei-tet haben. Dem enzyklopädischen Ideal desBarocks folgend, wollte er in jedes Wissens-gebiet eindringen. Seine Publikationen, mehrals siebzig Bände, gelten den verschiedenstenFachgebieten. Allerdings gefiel er sich gelegent-lich auch „in Paradoxen und allem Absonder-lichen“.8 Viele Aufgaben im Dienste der Kir-che führten ihn in zahlreiche Länder Euro-pas.

    Bei seinen Zahlensystemen handelt es sich im-mer um Positionssysteme; die Ziffern ersetzter aber, mit Ausnahme der 0, durch die Buch-staben a, b, c, usw. Dies hat den Vorteil, dasser bei Basen, die größer als zehn sind, keinebesonderen Benennungen zu erfinden hat. Imersten Abschnitt, De binaria arithmetica, geht esum das Zweiersystem: Er bezeichnet 0 durcho und 1 durch a, dann also 2 = 2 + 0 = ao,3 = 2+1 = aa, usw., 31 = 16+8+4+2+1 =aaaaa und schließlich 32 = aooooo.

    Es scheint uns, dass Caramuel mit seinen Aus-führungen zeigen wollte, dass ganz verschiede-ne Basen verwendet werden könnten, wobeisich gewisse Basen durch eine besondere „Na-türlichkeit“ auszeichnen und deshalb sehr na-he liegend sind, andere uns im Alltag begeg-nen oder in den Wissenschaften, ohne dass wirsie ausdrücklich als „Basen“ wahrnehmen. Beider Basis 2 macht er uns auf die Situation beiden Intervallen in der Musik aufmerksam, dieer als von der Natur gegeben betrachtet. Hiererzeugt die Verdopplung oder die Halbierungder Saitenlängen jeweils die Oktave.

    Es ist hier anzumerken, dass bereits Blaise Pas-cal in seiner kleinen Abhandlung [4] De numerismultiplicibus (1654 bzw. 1665) festgestellt hat,dass für die Basis 10 unseres üblichen Zahlen-systems keine „natürliche Notwendigkeit“, kei-ne necessitas naturae, besteht, sondern dass sieauf Grund einer Konvention, also ex instituto ho-minum, verwendet wird.9

    Im nächsten Abschnitt, De ternaria arithmetica,arbeitet er mit der Basis 3 und verwendet au-ßer o und a noch b für die 2; seine Tabelle führtvon o bis zu aaob = 27 + 9 + 0 + 2 = 38,aaao = 27 + 9 + 3 + 0 = 39, aaaa =27+9+3+1 = 40. Er weist auf die Bedeutung

    der Zahl 3 in der Theologie hin (die Dreifal-tigkeit, das mysterium sanctissimae trinitatis) undauf die Verehrung der Zahl 3 durch die Ägyp-ter, weil (nach Plotin) die Dreizahl „Anfang, Mit-te und Ende“ – principium, medium et finem –hat. Selbstverständlich fehlt hier auch nicht dasVergil-Zitat „Gott freut sich an der ungeradenZahl“ – Numero Deus impare gaudet – aus der8. Ekloge (Vers 75). Doch damit nicht genug: Erstellt u. a. fest, dass auch der Himmel „dreifach“aufgebaut ist, denn er besteht aus dem Aëreum,dem Aethereum und dem Empyreum, also ausder Luft, dem Äther und dem „Feuerhimmel“als oberster Weltgegend. Hier und an vielen an-deren Stellen seiner Mathesis staunt man immerwieder über seine Phantasie und die vielseiti-gen Verknüpfungen, die er zu erkennen weiß.Andererseits ist man überrascht, dass Caramu-el mit der Beschreibung dieser Zahlensystemegar keine weiteren mathematischen Überlegun-gen verbindet oder Hinweise für die Praxis ver-bindet.10

    In ähnlicher Art geht es weiter: Es folgen dieBasen 4 bis 10, dann noch 12 und 60. Bei 4etwa erinnert er nebst vielem anderem an dievier Winde Boreas, Notus (Südwind), Zephy-rus (Westwind) und Eurus (Ostwind), dann andie große Rolle, die die „heilige Vierzahl“ beiden Pythagoräern spielt, d. h. an die Tetraktys(die „Vierheit“) der Zahlen 1, 2, 3, 4, derenSumme 10 ergibt usw. – Die Basis 5 kann manin den vier Elementen der Antike, Erde, Was-ser, Luft und Feuer, ergänzt um die quinta es-sentia, erkennen. Doch scheint ihm diese Zahldurch die Natur ungenügend fundiert für einwissenschaftliches System zu sein: non subsistitnatura. Nach reichhaltigen weiteren derartigenBetrachtungen gelangt Caramuel zur Sexagena-ria Arithmetica, also zur Basis 60, wo er selbst-verständlich auf die Grade, Minuten und Sekun-den der Astronomen zu sprechen kommt.

    3 Thomas Harriot

    Er ist wohl der erste Erfinder des Dualsystems,wie mehrere Manuskripte in seinem Nachlasszeigen. Er verwendet im Dualsystem die Zif-fern 0 und 1 und zeigt an Beispielen, wie manvom Dezimalsystem ins Dualsystem und um-gekehrt übergehen kann (Conversio bzw. Reduc-tio). An weiteren Beispielen demonstriert er dieGrundoperationen.11

    8 Mehr darüber bei R. Ineichen [3].9 Nach M. Cantor [5, p. 783] war Pascal in dieser Sache „Vorgänger, aber jedenfalls unbekannter Vorgänger von

    Caramuel.“.10 In etlichen anderen Kapiteln seiner Mathesis biceps geht er hingegen oft auch seinen mathematischen Interessen

    nach, so z. B. bei der Behandlung der Teilbarkeit von natürlichen Zahlen, bei den Würfelspielen, beim Zahlenlotto,bei geometrischen Konstruktionen.

    11 John W. Shirley hat als erster 1950 darauf hingewiesen und darüber 1951 publiziert [6].

    14 Robert Ineichen | Leibniz, Caramuel, Harriot und das Dualsystem

  • Thomas Harriot (1560–1621) war Mathemati-

    Thomas Harriot, 1560–1621

    ker, Physiker und Astronom. Er trat zunächstin die Dienste von Sir Walter Raleigh und wur-de von diesem zur Vermessung von Virginia(North Carolina) ausgesandt; später lebte erzunächst in Irland, dann in England. – Die meis-ten seiner Untersuchungen sind nur aus sei-nem handschriftlichen Nachlass bekannt; die Ar-tis analyticae praxis, die bloß elementare Mathe-matik enthält, liegt gedruckt vor.

    Shirley weist darauf hin, dass Harriot keines-wegs nur mit dem Dualsystem arbeitet, son-dern auch in Zahlensystemen mit den Basen 3,4, 5 usw. Er betont, wie die vorliegenden Ak-ten vor allem auch „the clarity with which hesaw the problems and the facility with which heused the techniques of fundamental calculationin the nondecimal systems“ zeigen.

    Doch Harriot sah keine praktischen Anwen-dungen für seine verschiedenen neuen Zah-lensysteme, und so verfolgte er diese Unter-suchungen nicht weiter. Shirley schließt seineAusführungen mit einem Satz, mit dem wohldie meisten Mathematiker sehr gerne einver-standen sind; mit ihm wollen wir hier abbre-chen:

    If there is a lesson in this tale, it is thatuseless knowledge may someday be useful– theory, impractical though it seem, maywell be of real and practical value in situa-tions as yet unimagined.

    Literatur

    [1] H. J. Zacher (1973): Die Hauptschriften zur Dya-dik von G.W. Leibniz – Ein Beitrag zur Geschichtedes binären Zahlensystems. Frankfurt a. M.: VittorioKlostermann.

    [2] E. Hochstetter e.a. (1966): Herrn von Leibniz’Rechnung mit Null und Eins. Berlin: Siemens AG.

    [3] R. Ineichen (1999) Juan Caramuels Behandlung derWürfelspiele und des Zahlenlottos. N.T.M – Inter-nationale Zeitschrift für Geschichte und Ethik derNaturwissenschaften, Technik und Medizin 7 (21–30).R. Ineichen (1999) Über die Kybeia und die Arith-momantica von Juan Caramuel y Lobkowitz – einKapitel aus der Frühgeschichte der Wahrscheinlich-keitsrechnung. Bull. Soc. Frib. Sc. Nat. 87 (5–55).

    [4] B. Pascal (1954): Œuvres complètes. Texte établi,présenté et annoté par. J. Chevalier (p. 159–165).Paris: Gallimard.

    [5] M. Cantor (1913): Geschichte der Mathematik, Bd.2. Leipzig: Teubner.

    [6] J. W. Shirley (1951): Binary Numeration beforeLeibniz. American Journal of Physics 19 (452–454).

    Bildnachweise

    S. 13: Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik derHumboldt-Universität zu Berlin, http://www.sammlungen.hu-berlin.de/dokumente/283/S. 14: Caramuel electronicus – Opera et studiaelectronica Joannis Caramuel Lobkowitz cura et studioJacobi Schmutzii, Doctoris Sorbonici, http://pagesperso-orange.fr/caramuel/index.htmlS. 15: Thomas Harriot Seminar, http://www.rensoc.org.uk/ths/index.htm

    Adresse des AutorsProf. émérite Dr. Robert IneichenInstitut de mathématiquesUniversité de Fribourg1700 FribourgSchweiz

    MDMV 16 / 2008 | 12–15 15

    http://www.sammlungen.hu-berlin.de/dokumente/283/http://www.sammlungen.hu-berlin.de/dokumente/283/http://www.sammlungen.hu-berlin.de/dokumente/283/http://pagesperso-orange.fr/caramuel/index.htmlhttp://pagesperso-orange.fr/caramuel/index.htmlhttp://pagesperso-orange.fr/caramuel/index.htmlhttp://www.rensoc.org.uk/ths/index.htmhttp://www.rensoc.org.uk/ths/index.htmhttp://www.rensoc.org.uk/ths/index.htm

  • Zahlen rund um dasMathematikstudium– Teil 1Miriam Dieter, Pia Brugger, Dietmar Schnelle und Günter Törner

    1 Einleitung

    Zahlen rund um das Mathematikstudium wer-den vielfach nachgefragt, auch aus Anlass desMathematikjahres 2008. Wir präsentieren da-zu gesichertes Material, das die Statistiken vonTörner (2000), die noch im Netz1 sind, ak-tualisiert und weit darüber hinausgeht. Unse-re Grundlage ist das objektive Datenmaterialdes Statistischen Bundesamtes, die Auswertungund Darstellung wurde durch Mittel der Deut-sche Telekom Stiftung gefördert.

    In den nächsten Heften der Mitteilungen wer-den wir zahlreiche Tabellen und Trends präsen-tieren und diese kommentieren. Wir gliedernunsere Präsentation wie folgt: Überblicksdatenüber den Studienbereich und das StudienfachMathematik (Teil 1), Mathematik-spezifischeStudiengänge; Promotionen (Teil 2) und Noten-verteilungen von Absolventen; Abbrecherpro-blematik (Teil 3).

    2 Zur Datengenerierung

    2.1 Welche Daten sind Gegenstand derHochschulstatistik?

    Entsprechend den allgemeinen Grundsätzender Bundesstatistik hat die Hochschulstatis-tik die Aufgabe, neutral, objektiv und wissen-schaftlich unabhängig über Strukturen und Ent-wicklungen an Hochschulen zu informieren. Zuden Hauptnutzern der Hochschulstatistik zäh-len Politik und Verwaltung auf nationaler undinternationaler Ebene. Auf nationaler Ebenesind hier insbesondere die für Bildung, Wis-senschaft und Forschung zuständigen Landes-und Bundesbehörden sowie die Hochschulenselbst zu nennen, auf internationaler EbeneOECD und Eurostat. Weitere Hauptnutzer der

    Daten sind Forschungsinstitute, Berufsverbän-de, Bildungs- und kulturelle Einrichtungen, pri-vatwirtschaftliche Unternehmen und Informati-onsdienstleister sowie die Medien.

    Die Hochschulstatistik, die auf der am1. 6. 1992 in Kraft getretenen Neufassung desHochschulstatistikgesetzes basiert, setzt sichim Wesentlichen zusammen aus: Studierenden-statistik, Prüfungsstatistik, Personal- und Stel-lenstatistik und Hochschulfinanzstatistik. Dar-über hinaus liefert die Hochschulstatistik auchErgebnisse zu den Gasthörern, Studienkollegia-ten und Berufsakademien sowie zu den Habili-tationen.

    Als Hochschulen werden alle nach Landesrechtanerkannten Hochschulen, unabhängig von derTrägerschaft, ausgewiesen. Im Studienjahr 2006waren unter den 383 Hochschulen, die indie Hochschulstatistik einbezogen wurden, 103Universitäten, 6 Pädagogische Hochschulen, 15Theologische Hochschulen, 53 Kunsthochschu-len, 176 Fachhochschulen und 30 Verwaltungs-fachhochschulen.

    Die Hochschulstatistik basiert auf den Ver-waltungsdaten, die die Hochschulen sowie –im Fall der Prüfungsstatistik – die staatlichenund kirchlichen Prüfungsämter für administra-tive Zwecke erheben. Somit ist die Hochschul-statistik eine Sekundärerhebung, deren Merk-malskatalog von den vorliegenden Verwaltungs-daten bestimmt wird. Da es sich bei der Hoch-schulstatistik um eine Vollerhebung handelt,die sämtliche Studierende und Prüfungen sowiedas Personal und die Finanzen erfasst, sind dieErgebnisse der Hochschulstatistik als präziseund vollständig einzustufen. Die Qualität einzel-ner Merkmale der Hochschulstatistik hängt imWesentlichen von der Qualität (Vollständigkeit,Genauigkeit) der Datenlieferungen der Hoch-schulverwaltungen und Prüfungsämter ab.

    1 http://www.uni-duisburg.de/FB11/Fakten/fakten.html

    16 Miriam Dieter et al. | Zahlen rund um das Mathematikstudium 1

    http://www.uni-duisburg.de/FB11/Fakten/fakten.htmlhttp://www.uni-duisburg.de/FB11/Fakten/fakten.html

  • 2.2 Berichtsweg

    Der Berichtsweg der Hochschulstatistik ist sogestaltet, dass die Hochschulen und Prüfungs-ämter ihre Daten an die statistischen Ämterder Länder liefern. Die statistischen Ämter derLänder prüfen die Meldungen auf Vollständig-keit und Plausibilität und liefern die plausibili-sierten Länderdaten an das Statistische Bundes-amt. Das Statistische Bundesamt bereitet dasBundesergebnis auf und veröffentlicht es aufder Basis von bundeseinheitlichen Systemati-ken.

    2.3 Terminologie

    Der bundeseinheitlichen Studierendenstatistikliegt eine Fächergruppensystematik zugrunde, inder die sehr speziellen hochschulinternen Stu-dienfächer einer entsprechenden Schlüsselpo-sition zugeordnet werden. Mehrere verwand-te Studienfächer (STF) sind zu Studienberei-chen (STB) und diese zu neun großen Fächer-gruppen zusammengefasst. Zum Nachweis derHochschulprüfungen wird die bundeseinheitli-che Prüfungssystematik verwendet.

    Mathematik ist in der oben erwähnten Fä-chergruppensystematik ein Studienbereich, der

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    Abbildung 1. Anteile des STB Mathematik und andererSTB an der Gesamtzahl aller Studierenden (Quelle:Destatis)

    sich aus den Studienfächern Mathematik, Sta-tistik, Technomathematik und Wirtschaftsma-thematik zusammensetzt und der Fächergrup-pe Mathematik/Naturwissenschaften zugeordnetist. Anders formuliert: Die statistisch erfasstenStudierenden im Studienfach Mathematik sindeinerseits die ,klassischen‘ Mathematikstudie-renden, andererseits auch genau die Lehramts-studierenden, die Mathematik als erstes Fachangegeben haben. Studierende, die Mathema-tik im 2. oder 3. Studienfach angeben, werdennur bei den Belegungen im Studienfach Mathe-

    Tabelle 1. Studierende im STB Mathematik nach Belegung und Prüfungsgruppe im WS 2006/2007

    Belegung als Prüfungsgruppe insgesamt Mathematik Statistik Technomathe WiMa

    einziges Fach Diplom (U) 21.943 14.866 540 836 5.701einziges Fach Promotionen 1.711 1.564 93 5 49einziges Fach Lehramt 1.087 1.087 0 0 0einziges Fach FH 2.106 1.417 36 194 459einziges Fach Bachelor 3.964 2.740 276 267 681einziges Fach Master 452 338 87 3 24Gesamt 31.263 22.012 1.032 1.305 6.914

    1. Fach Diplom (U) 375 241 0 97 371. Fach Promotionen 19 19 0 0 01. Fach Lehramt 21.269 21.269 0 0 01. Fach Bachelor 3.682 3.682 0 0 0Gesamt 25.345 25.211 0 97 37

    2. Fach Diplom (U) 587 546 41 0 02. Fach Promotionen 40 38 2 0 02. Fach Lehramt 13.727 13.727 0 0 02. Fach Bachelor 1.860 1.857 3 0 02. Fach Master 1 1 0 0 0Gesamt 16.215 16.169 46 0 0

    3. Fach Diplom (U) 291 195 94 0 23. Fach Promotionen 13 13 0 0 03. Fach Lehramt 5.375 5.375 0 0 03. Fach Bachelor 1 1 0 0 0Gesamt 5.680 5.584 94 0 2

    Insgesamt Diplom (U) 23.196 15.848 675 933 5.740Insgesamt Promotionen 1.783 1.634 95 5 49Insgesamt Lehramt 41.458 41.458 0 0 0Insgesamt FH 2.106 1.417 36 194 459Insgesamt Bachelor 9.507 8.280 279 267 681Insgesamt Master 453 339 87 3 24Gesamt 78.503 68.976 1.172 1.402 6.953

    MDMV 16 / 2008 | 16–21 17

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    Abbildung 2. Entwicklung der Gesamtzahl derStudierenden im STB Mathematik (Quelle: Destatis)

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    Abbildung 3. Studierende differenziert nach allenPrüfungsgruppen (Quelle: Destatis)

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    Abbildung 4. Prüfungsgruppe Diplom, Bachelor oderMaster im STB Mathematik (Quelle: Destatis)

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    Abbildung 5. Studierende in der PrüfungsgruppeDiplom, Bachelor oder Master (Quelle: Destatis)

    matik und im Übrigen in ihrem jeweiligen ers-ten Studienfach nachgewiesen. Studierende mitden Studienfächern Statistik, Technomathema-tik und Wirtschaftsmathematik sind mithin zu-sammen mit den Studierenden, die im erstenStudienfach Mathematik gewählt haben, überden Studienbereich Mathematik zu erfragen.

    Eine weitere Besonderheit der Statistikerhe-bung sollte hervorgeben werden: In der Sta-tistik werden auch die Nennungen des Zweit-faches bzw. Drittfaches erfasst. Beim Zählenvon Belegungen auf der Ebene von Studienbe-reichen ist also Vorsicht geboten, denn es magsein, dass ein Studierender als erstes Studien-fach Wirtschaftsmathematik angibt, als zweitesStudienfach jedoch Mathematik benennt. DieBelegungen im Studienbereich Mathematik zei-gen somit keine Personen, sondern Belegungs-fälle. Um solche Doppelzählungen zu vermei-den, weist die Hochschulstatistik in der Regeldie Studierenen nach ihrem ersten Studienfachnach.

    Eine weitere Differenzierung erfolgt durch dieAngabe der Prüfungsgruppe; folgende für dieMathematik relevanten Kategorien werden hiergelistet: ◦ Diplom (Universität), ◦ Promotio-nen, ◦ Lehramt, ◦ FH-Abschluss, ◦ Bachelor-abschluss, ◦ Masterabschluss. Erst über diesesMerkmal lassen sich die Lehramtstudierendenidentifizieren.

    Wenn wir Entwicklungen darstellen, so bezie-hen sich die Zeitangaben auf die Studienjahre –hier fassen wir das Sommersemester und dasim gleichen Jahr beginnende Wintersemesterzusammen2 oder es ist das jeweilige Winterse-mester als repräsentativer Datenpunkt genannt,wenn beispielsweise die Studierenden in einemStudienjahr gezählt werden.

    Ohne es jeweils zu kommentieren, erwähnenwir, dass ab 1993 in die Daten die entsprechen-den Zahlen aus den neuen Bundesländern inte-griert sind. Wenn unsere Zeitreihen ab 1983beginnen, so erkärt sich dies durch den Um-stand, dass ab 1983 Zeitreihen zu den Prü-fungen nach Studienfächern vorliegen und wirdie übrigen Zeitreihen entsprechend darstellenwollten.

    2.4 Das Informationsangebot derHochschulstatistik

    Das Informationsangebot der Hochschulstatis-tik ist es, aktuelle und zuverlässige Informatio-nen über die Hochschulen zu liefern. Deshalbwerden vorläufige Eckdaten der Studierenden-statistik in Form einer Schnellmeldung (Presse-mitteilung) bereits im Dezember des laufenden

    2 z.B. der Erfassung der Studienanfänger

    18 Miriam Dieter et al. | Zahlen rund um das Mathematikstudium 1

  • Wintersemesters veröffentlicht. Erste vorläufi-ge Ergebnisse der Studierendenstatistik werdenin einem Vorbericht im März des Folgejahresveröffentlicht. Die Veröffentlichung der endgül-tigen, sehr detaillierten Ergebnisse der Studie-rendenstatistik erfolgt im September des Fol-gejahres. Auch die Prüfungsstatistik wird in derRegel im September des Folgejahres veröffent-licht. Zur Personal- und Stellenstatistik erschei-nen vorläufige Eckdaten in Form eines Vorbe-richts im Juli des dem Berichtsjahr folgendenJahres. Die Veröffentlichung der endgültigen Er-gebnisse erfolgt im November des Folgejahres.

    Die Nutzer der Hochschulstatistik werden ins-besondere durch den Ausschuss für die Hoch-schulstatistik, der das Statistische Bundesamtim Hinblick auf die Anpassung der Statistikan aktuelle Entwicklungen und Bedürfnisse derHochschulplanung berät, in die Gestaltung derHochschulstatistik einbezogen. Im Hochschul-statistikausschuss sind u. a. die Kultusministeri-en der Länder, das Bundesministerium für Bil-dung und Forschung, Vertreter der Hochschu-len und des Wissenschaftsrates sowie wissen-schaftliche Institutionen, die mit Fragen derHochschulplanung betraut sind, vertreten. InZusammenarbeit mit dem Ausschuss für dieHochschulstatistik hat die Hochschulstatistikein System von Kennzahlen entwickelt, das ne-ben den Basisdaten jährlich veröffentlicht wird.Es enthält Kennzahlen zum Eintritt in das Hoch-schulsystem, zu den Hochschulabsolventen, zuden Betreuungsrelationen, zur Mobilität vonStudierenden und zu den Einnahmen und Aus-gaben der Hochschulen.

    3 Mathematik als Studienbereich –Überblicksdaten

    3.1 Mathematik als Studienfach an derGesamtzahl aller Studierenden

    Wenn wir von Mathematikstudierenden spre-chen, so nehmen wir also jene Personen insBlickfeld, die Mathematik als erstes (vielleichtauch einziges) Studienfach belegen. Erfasst manhierbei auch die Studierenden der Studienfä-cher Statistik, Technomathematik und Wirt-schaftsmathematik, so wird der Anteil ge-ringfügig größer.3 Die Abbildung 1 (auf Sei-te 17) beschreibt die Entwicklung der Stu-dierenden im Studienbereich Mathematik4 mitBlick auf die Entwicklung des Studienanteilsüber die letzten 15 Jahre und vergleicht siemit den Entwicklungen im benachbarten Stu-dienbereich Informatik sowie in der Fächer-

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    Abbildung 6. Studienanfänger (1. Fachsemester) imSTB Mathematik in der Prüfungsgruppe Diplom,Bachelor und Master (Quelle: Destatis)

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    Abbildung 7. Zahl der Lehramtsstudierenden im STBMathematik (Quelle: Destatis)

    gruppe Mathematik/Naturwissenschaften, diesich aus den Studienbereichen Mathematik, In-formatik, Physik, Chemie, Biologie usw. zusam-mensetzt. Dabei schwankt die Zahl für das Stu-dienfach Mathematik zwischen 1,9 und 2,4 Pro-zent. Positiv kann zunächst zur Kenntnis ge-nommen werden, dass seit 2000 eine kontinu-ierliche prozentuale Zunahme der Studenten-zahlen erfolgt – und wir sind optimistisch zuhoffen, dass auch das aktuelle Wissenschafts-jahr diesen Trend stützen und verstärken wird.Auffällig ist andererseits, dass der positive An-stieg der Studierendenzahlen in der Fächer-gruppe Naturwissenschaften und beim Studien-bereich Informatik Anfang 2000 nicht in glei-cher Weise auch bei der Mathematik zu beob-achten ist.

    In absoluten Zahlen bedeutet dies: ImWS 2006/07 studieren ca. 47 000 Mathema-tik als erstes oder einziges Studienfach. Nimmtman noch die weiteren Studienfächer im Stu-dienbereich Mathematik hinzu, also Wirt-schaftsmathematik, Technomathematik undStatistik, so ergibt sich eine Gesamtzahl5 vonaktuell 56 608.

    3 Der Anteil für den Studienbereich Mathematik liegt zwischen 2,2 und 2,9 %.4 jeweils erstes Fach oder alleinige Nennung5 Man beachte, dass in dieser Zahl auch die Lehramtsstudenten mit Mathematik als Erstfach enthalten sind.

    MDMV 16 / 2008 | 16–21 19

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    Abbildung 8. Frauenanteil der Lehramtsstudierenden imSTB Mathematik (Quelle: Destatis)

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    Abbildung 9. Gesamtstudiendauer von Erstabsolventenbzw. Promovierten im STF Bereich Mathematik nachSemestern (Quelle: Destatis)

    Hier zählt man allerdings nur die Erstfachnen-nungen, weil gegebenenfalls die Nennungen ei-nes weiteren Studienfachs im gleichen Studien-bereich liegen und Doppelterfassungen ent-stünden. Wie Tabelle 1 (auf Seite 17) zeigt, gibtes darüber hinaus noch knapp 16.000 Studie-rende, die Mathematik im zweiten, und knapp6 000 Studierende, die Mathematik im drittenStudienfach belegt haben. Insgesamt befassensich somit 69 000 Studierende mit dem Studi-enfach ,Mathematik‘.

    Den Trend der absoluten Studierendenzahlenin allen Studienfächern des StudienbereichesMathematik (erstes Fach) über den Zeitraum1983–2006, differenziert nach dem Geschlecht,gibt Abbildung 2 (auf Seite 18) wieder. Dieauffällige Zunahme des Frauenanteils in dieserGrafik Mitte der 90er Jahre sprechen wir in Ab-schnitt 3.3 noch einmal an.

    Es macht Sinn, die Entwicklung der Gesamt-zahlen nach den wichtigsten Prüfungsgruppen,nämlich Diplom (U), Promotion, FH, Bachelor,Master und Lehramt zu bündeln, wir verweisenauf Abbildung 3 (auf Seite 18); naturgemäß lie-gen nur für die letzten Jahre Zahlen aus denBachelor- und Masterstudiengänge vor.

    Von besonderem Interesse ist nun die Abbil-dung 4 (auf Seite 18), die – in alter Sprechweise

    – alle ,Diplomer‘ oder Nicht-Lehrämter zeigt –unter Einbezug der kleinen Zahl der Promoti-onsstudierenden, wobei wir diese Zahlen, diffe-renziert nach dem Geschlecht, um die Studie-renden (mit angestrebtem Abschluss Bachelorund Master) ergänzen; dabei ist uns bewusst,dass durch die Veränderung der Lehramtsstu-dienordnungen mittlerweile einige Lehramts-studierende über die neuen BM-Studiengängeerfasst sein können.

    Wir kontrastieren diese Studierendenzahlenmit den Studienanfängern in den jeweiligen Stu-dienjahren (Abbildung 6 auf Seite 19); hier sindals die Studienanfängerzahlen des Sommerse-mesters und Wintersemesters addiert worden.

    3.2 Lehramtsstudierende

    Komplementär stellt sich die Frage, wievielLehramtsstudierende sich jeweils im Studiumbefinden. Statistisch treffen wir dabei nur ei-ne Aussage über die Lehrämter mit Mathema-tik als erstem Fach. Aktuell handelt es sich imStudienjahr 2006 um 22 356 Personen.

    Der Verlauf (in Abbildung 7) macht die Aus-wirkungen auf die Studienfachwahl deutlich, alsMitte der 80er Jahre keine Lehrer/innen mehreingestellt wurden. Die Studienanfänger habenzyklisch (und leider nicht antizyklisch) reagiert.Die Veränderung des Frauenanteils in den Lehr-amtsstudiengängen belegen wir noch einmal inAbbildung 8.

    3.3 Frauenanteil

    Auffällig in Abbildung 2 (auf Seite 18) ist derAnstieg des Frauenanteils Mitte der 90er Jahre.Die deutsche Einheit erklärt nicht den Zuwachsdes weiblichen Anteils, der sich von 1992 bis1993 lediglich um einen Prozentpunkt erhöhthat. Vielmehr spiegelt die Zunahme des Frau-enanteils in Mathematik lediglich die allgemei-ne Entwicklung bei den Studierenden wieder,wo sich der Frauenanteil von 38 % (1983) auf48 % (2006) erhöht hat. Es überrascht nicht,dass dieser Anteil bei den Lehramtsstudentenerheblich höher ist, vergleiche die Abbildung 8.

    3.4 Studiendauer und Durchschnittsalter

    Die Studiendauer ist sicherlich kein Ruhmes-blatt für die bisherigen Diplomstudiengänge,auch wenn nicht übersehen werden darf, dasssie sich aktuell auf 12,5 Semester6 verkürzt.Entsprechend alt sind unsere Absolventen, wieGrafik 9 aufzeigt.

    Daraus leitet sich in naheliegender Weise auchals Abbildung 10 eine Grafik ab, die das Durch-

    6 bei den Frauen 12,4, bei den Männern 12,6

    20 Miriam Dieter et al. | Zahlen rund um das Mathematikstudium 1

  • schnittsalter bei den differenzierten Studienab-schlüssen darstellt.

    Erste Daten liegen auch für die neuen Studien-gänge (Bachelor, Master) vor; aufgrund der klei-nen Anzahlen sind die Daten aber nicht sonder-lich aufschlussreich, so dass wir sie nicht aufge-nommen haben.

    Im Laufe unserer Beschäftigung mit den Zahlenstellte sich uns die Frage, inwieweit es signifi-kante Unterschiede bei den Studiendauern zwi-schen den Geschlechtern gibt. Auf den erstenBlick scheint Abbildung 11 solche Abweichun-gen nachzuweisen.

    Ähnliches geben auch die Grafiken für die FH-Studiengänge her und selbst bei der Promoti-on ist immer noch eine Differenz von einemJahr nachweisbar. Wenn man allerdings die Se-mesteranzahl nach männlich/weiblich differen-ziert, also die Gesamtstudiendauer in Semes-tern betrachtet, so schmelzen die Unterschie-de (vgl. Abbildung 12) und erklären sich wohlzumeist durch den vor dem Studium abgeleis-teten Wehr- oder Ersatzdienst.

    Wir setzen die Präsentation der Daten imnächsten Heft fort, in dem wir die Vertei-lung der Studierenden auf Studienfächer (Wirt-schaftsmathematik, Technomathematik usw.)beschreiben und die Verläufe der Absolventen-zahlen wie auch Erstsemester darstellen.

    Adresse der AutorenMiriam DieterProf. Dr. Günter TörnerUniversität Duisburg-EssenFachbereich MathematikCampus Duisburg47048 [email protected]@uni-due.de

    Pia BruggerStatistisches BundesamtVI B Hochschulstatistik65180 [email protected]

    Dietmar SchnelleDeutsche Telekom StiftungGraurheindorfer Str. 15353117 [email protected]

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    Abbildung 10. Durchschnittsalter von Erstabsolventenbzw. Promovierten im STB Mathematik (Quelle:Destatis)

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    Abbildung 11. Durchschnittsalter (m/w) vonErstabsolventen im STB Mathematik (Quelle: Destatis)

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    Abbildung 12. Gesamtstudiendauer (m/w) vonErstabsolventen im STB Mathematik (Quelle: Destatis)

    MDMV 16 / 2008 | 16–21 21

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  • „Lieve Maria“NiederländischeStudentenbeschweren sichüber denMathematik-SchulunterrichtAloys Krieg, Ferdinand Verhulst und Sebastian Walcher

    Man sollte von Schülern nicht erwarten, dass siesich über zu geringe Anforderungen im Unterrichtbeschweren. Es ist schon bemerkenswert genug,wenn ehemalige Schüler nachträglich die Qualitätdes Schulunterrichts kritisieren. Genau dies ist – inmassiver und pointierter Weise – Anfang 2006 inden Niederlanden geschehen: Studierende habensich in einem offenen Brief an die Wissenschafts-ministerin Maria van der Hoeven gewandt und kri-tisiert, dass das zu niedrige Niveau des schulischenMathematikunterrichts zu großen Schwierigkeitenim Studium führt [1]. Anlass und Hintergrunddes Protestes sind nicht nur für die Niederlandevon Interesse. Insbesondere sollten die Erfahrun-gen in den Niederlanden bei der Diskussion überdie Reform und Verbesserung des Mathematik-Schulunterrichts in den deutschen Bundesländernunserer Meinung nach nicht ignoriert werden.

    Der Brief ist unten in voller Länge wiederge-geben. Initiatoren waren die Mitglieder von DeLeidsche Flesch, einer Vereinigung von Studen-ten der Natur- und Ingenieurswissenschaften,Informatik und Mathematik. Innerhalb wenigerWochen wurden 10,000 Unterschriften hinzu-gefügt. Landesweit wurde der Brief unter demMotto „Lieve Maria“ bekannt.

    Neben einer deutlichen Kritik am (durch denSchulunterricht verursachten) geringen Niveauder Mathematikkenntnisse von Studienanfän-gern wird auch an der damals beabsichtigtenReform kritisiert, dass sie wiederum Anforde-rungen und Umfang des verpflichtenden Mathe-matikunterrichts zu gering ansetzt. Nach denVorstellungen der Ministerin sollte die Anzahlder Mathematikstunden im Leistungskurs von760 auf 520 abgesenkt werden.

    Zum Hintergrund: Ende der 1980er Jahre wur-de der Mathematikunterricht der Sekundarstu-fe II in den Niederlanden reformiert. Nebeneinem Leistungskurs (Wiskunde B) wurde ein„anwendungsorientierter“ Grundkurs (Wiskun-de A) eingeführt, der deutlich geringere An-sprüche stellte und deshalb von der großenMehrheit der Schüler gewählt wurde. In Wis-kunde A erfahren die Schüler Mathematik nurin eingekleideten Aufgaben (Stichwort: Mathe-matik im Kontext); Abstraktion und formaleFertigkeiten treten dem gegenüber zurück. Bei-spiele für Examensaufgaben zur Wiskunde Afinden sich in [7]. Ob man wirklich von An-wendungsbezug sprechen sollte, erscheint an-gesichts einiger Aufgabenstellungen eher frag-lich.

    22 Aloys Krieg et al. | Lieve Maria

  • Die Reform wurde mit Verweis auf didaktischePrinzipien von Hans Freudenthal begründet.Freudenthal hatte unter anderem gefordert,im Unterricht die Mathematik nicht als Fer-tigprodukt zu präsentieren, sondern die Ent-wicklung der Mathematik und das Mathemati-sieren zu betonen. Eine dem niederländischenModell vergleichbare Intention liegt auch derPISA-Länderstudie zu Grunde. Wir zitieren aus[2], 4.1.1.: „Nach Freudenthal muss das Lehrenund Lernen von Mathematik von der ’Phäno-menologie mathematischer Begriffe’ (. . . ) aus-gehen, das heißt von einer Reflexion darüber,wie mathematische Begriffe ,in der Welt veran-kert‘ sind. Die ,Ausbildung mentaler Objekte‘(. . . ) ist das Ziel, nicht aber von den Phänome-nen isolierte formale Kenntnisse.“ (Siehe auchFreudenthal [6], Kapitel 7; man könnte die Fra-ge stellen, ob Freudenthals Intentionen bei derniederländischen Reform etwas verkürzt wer-den.) Ein positiver Effekt der Reform war of-fenbar das gute Abschneiden der Niederlandebei der TIMSS-Studie, positive Teilresultate beiPISA 2000 (wo die Niederlande insgesamt –auf Grund zu geringer Teilnahme – nicht in derWertung vertreten waren), sowie ein Spitzen-platz bei PISA 2006.

    Das niederländische Modell stieß in Deutsch-land auf positive Resonanz; siehe [2] und [3] (in[4] wird auch angemerkt, dass es Kritik gibt).Die Aufgabentypen sind offenbar Vorbilder fürdas Abitur im Land Nordrhein-Westfalen.

    Es erscheint zunächst recht überraschend,wenn sich über die Qualität dieses Unterrichtsgerade Studenten der Natur- und Ingenieurs-wissenschaften beschweren, die anwendungs-bezogene Mathematik benötigen und schätzensollten. Des Rätsels Lösung liegt zum einen –liest man den Brief der Studenten genauer –im Niveau der Aufgaben. Betroffen von der Ab-senkung des Niveaus sind vor allem die Analysisund die Algebra, in geringerem Maße die Geo-metrie. Kritisiert wird unter anderem, dass dieSchüler nicht in der Lage sind, eine Aufgaben-stellung von einem Kontext in einen anderen zutransferieren. Dazu kommt, dass die „Anwen-dungsaufgaben“ der Wiskunde A (siehe [7]) invielen Fällen nicht besonders relevant für tat-sächliche Anwendungen sind: Es ist eine Erfah-rungstatsache, dass authentische und relevan-te Anwendungen der Mathematik keineswegseinfach sind. Auch treten wegen der Schwer-punktsetzung auf einen (neuen) Aspekt anderezurück; hier liegt wohl eine Ursache des Qua-litätsverlusts. Schließlich ist zu fragen, ob nichtauch Abstraktionsvermögen über ein einzelnesSzenario hinaus ein wünschenswertes Ziel desMathematikunterrichts ist.

    Ähnliche Reformbestrebungen und vergleich-bare Kritik gab es übrigens in den USA in den1990er Jahren; siehe [5]. Bemerkenswert ist

    ein Zitat von R. Askey in diesem Artikel: „TheNTCM [National Council of Teachers of Ma-thematics, d. Verf.] tried Agenda for Action andlater the Standards. Both of these were built onthe idea that if you could solve problems, thenyou could do mathematics. You can, but at toolow a level.“

    In den Niederlanden hat sich ironischerwei-se für die große Mehrheit ein Mathematikun-terricht durchgesetzt, der eigentlich für solcheSchüler gedacht war, die in ihrem weiteren Stu-dium und Beruf kaum Mathematik benötigen.Nochmal: Man sollte Schülern nicht vorwer-fen, wenn sie den einfachen Weg einschlagen.Hier handelt es sich um einen Fehler der Poli-tik.

    Der offene Brief hatte in den Niederlandendurchaus Wirkung. Die vom Ministerium be-absichtigte Reduktion von 760 auf 520 Stun-den wurde abgemildert; es bleibt eine Reduk-tion auf 600 Stunden. (Da Frau van der Hoe-ven im Ruf steht, ihre einmal gefasste Meinungnicht mehr zu ändern und auch sehr d