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Märkte

30 Special Sourcing | 8. Februar 2007 informationweek.de

Deutsche Automobilhersteller lagernsoftwareintensive Systementwicklungenselten in andere Länder aus. Sie behaltenkomplexe Leistungen, die entscheidendfür die Funktionalität eines Fahrzeugssind und die als Kernkompetenzen gel-ten, eher bei sich. Wird die Verantwor-tung für die Systementwicklung etwaeines Steuergerätes doch nach außen ge-geben, geht dieser Auftrag zumeist aninländische Zulieferer, die diese Leistun-gen dann teilweise im Ausland erstellenlassen.

Erfahrungsgemäß treffen Zuliefererdie Entscheidung, ob Leistungen ausge-lagert werden, projektbezogen. Strate-gisch gesehen ist es dagegen viel wichti-ger, Aufgabenbereiche auszulagern, indenen spezifische Kenntnisse im Unter-nehmen vorhanden sind. Die Prozesseund Werkzeuge müssen schon zur Ver-fügung stehen – das ist die Bedingung

dafür, dass Know-how transferiert wer-den kann. Eine Aufgabe im IT-Bereich,die sich als erster Schritt ins Auslandsehr gut eignet, ist das Testen einer vomZulieferer entwickelten Software (SW).

Während in einigen Branchen ganzeIT-Abteilungen mit SAP- oder Buchhal-tungsaufgaben ausgelagert werden gehtes in der Automobilindustrie meist umSW- und Systementwicklungsaufgaben,was weitreichende Konsequenzen fürdas Vorgehen mit sich bringt. Diese Artvon IT-Outsourcing muss vorsichtigund schrittweise ablaufen, denn das nö-tige Know-how müssen sich die Fach-kräfte an den neuen Standorten erst er-arbeiten.

Einige Automotive-Unternehmenhaben schon früh begonnen, SW-Ent-wicklungsaufgaben erfolgreich nachOsteuropa zu verlagern, wie zum Bei-spiel Bosch in Tschechien und Ungarn

sowie Siemens VDO in Rumänien. Dieausländischen Ingenieure haben bei SW-Tests Erfahrung aufgebaut und konntennach und nach weitere strategisch wich-tige Bereiche übernehmen, bis sieschließlich komplette Steuergeräte ver-antwortlich entwickelt haben.

KLEINIGKEITEN GEBENHEUTE DEN AUSSCHLAGDie kulturellen Unterschiede zwischenIndien/Asien sowie Europa sind groß.Die CEE-Länder (Central and EasternEurope) und Westeuropa haben durchdie räumliche Nähe und durch eine ge-meinsame europäische Geschichte, dienur durch den Kalten Krieg unterbro-chen wurde, eine ähnliche Kultur. Seitder Ausdehnung der Grenzen der EU ha-ben viele Unternehmen die CEE-Länderfür sich entdeckt und es ist eine Art»deutscher Trend« zu beobachten: Wäh-rend Firmen aus dem angloamerikani-schen Raum aufgrund der traditionellguten Wirtschaftsbeziehungen weiter vorallem nach Indien expandieren, habendeutsche Firmen eher die CEE-Länderals Ziel. Einige US-amerikanische Unter-nehmen folgen diesem Beispiel mittler-weile. In Krakau (Polen) gibt es ein gro-ßes SW-Entwicklungszentrum, an demFirmen wie Delphi Automotive Systemsund TRW Automotive beteiligt sind.

Gut 15 Jahre nach den politischenUmwälzungen in CEE stellt die politi-sche Situation in den meisten Ländernkaum mehr ein Problem dar. Vor- undNachteile, wie Förderung von Investitio-nen oder steuerliche Unterschiede, sindnicht mehr allein ausschlaggebend fürdie Standortwahl von Unternehmen.

AUFBRUCH NACH MITTEL- UND OSTEUROPAWer IT- und Softwareentwicklungsaufgaben auslagern will, steht vor der Frage, welche Standorte sich eignen. Nearshore ist im Kommen,aber kulturelle Unterschiede, Ausbildungsstandards oder Sprachbarrierensind zu berücksichtigen, um den Erfolg langfristig zu sichern.

VON CHRISTOPHE DEBOU |[email protected]

Durch Coaching- und Trainingsmaßnahmen wird den Partnern in den Nearshore-Ländern das notwendige Management-Know-how vermittelt.

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UNTERNEHMEN

Es sind kleinere Besonderheiten, die dieEntscheidung für oder gegen einenNearshore-Standort beeinflussen. Wich-tig ist beispielsweise die Sprache. Einer-seits gibt es Länder, in denen bestimmteSprachen eine lange Tradition haben undbesser beherrscht werden; in Rumänienist Deutsch zum Beispiel verbreitet. An-dererseits geht es um die technischeManagementsprache: Durch ein unter-schiedliches Verständnis kann es zu un-nötigen Missverständnissen kommen.»Schnittstellenhelfer« vermeiden techni-sche Probleme und Konflikte und tragenzur besseren Verständigung zwischenAuftraggeber und -nehmer bei. Wichtigist, dass diese Dienstleister Erfahrung imProjektmanagement haben und die Men-talität der verschiedenen Länder begrei-fen. In der Praxis hat sich gezeigt, dassUnternehmen, die langfristige Beziehun-gen nach Osteuropa aufbauen wollen, beiden Assessments ihrer potenziellen Part-ner hervorragende technische Kompeten-zen vorfinden – nur die Fähigkeit, Projek-te zu leiten und die Qualitätssicherungsind oft problematisch. Durch geeigneteCoaching- und Trainingsmaßnahmen inden Bereichen Projekt-, Anforderungs-und Qualitätsmanagement werden diePartner auf Augenhöhe gebracht. Beimersten Projekt werden sie noch angeleitet,beim zweiten arbeiten alle Beteiligten ge-meinsam und beim dritten wird die Ver-antwortung komplett übergeben.

IT-Ingenieure in Indien haben seitlangem einen guten Ruf, deshalb habenUnternehmen IT-Leistungen meist dort-hin ausgelagert. Die Inder legen bei derAusbildung großen Wert auf Manage-ment-Know-how, weshalb dort Projekt-management und Steuerungsaufgabenübernommen werden. Der Umgang mitManagementtools, Prozess- oder Reife-gradmodellen, wie CMMI (CapabilityMaturity Model Integration), ist weitverbreitet.

In CEE gibt es ebenfalls viele gut aus-gebildete Ingenieure, dafür sind guteManager eher selten. AuslagerndeUnternehmen behalten deshalb die Pro-jektleitung oft bei sich: Entweder werdenMitarbeiter an die externen Standortegeschickt oder das Management läuftvon Deutschland aus.

Die Firmen haben großen Einflussauf die Ausbildung an den neuen Stand-

orten. Wenn sich ein großes Unterneh-men ansiedelt, findet parallel oft eineKooperation mit einer lokalen Univer-sität statt, wie in Krakau, wo beispiels-weise Motorola mit der AGH Universi-ty im Telekommunikationsbereich zu-sammenarbeitet. Im IT-Bereich ist In-formatik- und Elektronik-Know-howgleichermaßen wichtig und die Ausbil-dungsinstitute im Ausland wollen die-sen Anforderungen gerecht werden.Trotzdem werden IT-Absolventen, dieals SW-Entwickler eingesetzt werdensollen, oft erst nach Deutschland geholt,damit sie das nötige Wissen für die Pra-xis vervollständigen können, bevor sievor Ort tätig werden.

OUTSOURCING NICHT NURWEGEN DES KOSTENDRUCKSGrund für das Outsourcing ist nicht nurder Kostendruck, mit dem die Zuliefererkonfrontiert sind. Zwar sind zum Bei-spiel die Lohnkosten für einen Ingenieurin Polen um bis zu zwei Drittel günstigerals für einen Ingenieur in Deutschland –doch dieser Unterschied nivelliert sich.Da viele Unternehmen in den CEE-Län-dern aktiv sind und Fachkräfte benöti-gen, entwickelt sich schon jetzt tenden-ziell ein Ungleichgewicht zwischen An-gebot und Nachfrage, was dazu führt,dass sich die Kosten in Zukunft anglei-chen. Insbesondere in Westeuropa istder Mangel an Fachkräften ausgeprägt.Es fehlen Ingenieure, deshalb sind dieUnternehmen gezwungen, sich denNachwuchs in anderen Ländern zu su-chen. Die CEE-Länder profitieren vonihrem guten Ruf, Informatik ist hier einPrestige-Studium. Die Ingenieure verfü-gen über sehr gute mathematischeKenntnisse und profilieren sich durchtechnisches Know-how.

Sie sind erfahrungsgemäß zudemäußerst motiviert. Deshalb sind sie ge-rade im Vergleich mit ihren westeuro-päischen Kollegen konkurrenzfähig. Inder Praxis zeigt sich, dass die Fachkräf-te in CEE Verantwortung übernehmenwollen. Sie möchten zeigen, dass sie gutgenug sind, auch größere Projekte ei-genständig zu leiten. Sie entwickeln ih-re Managementfähgkeiten und wachsenmit ihren Aufgaben. Managementthe-men wie Automotive SPICE (ein Stan-dard zur Bewertung und Verbesserung

von SW- und Systementwicklungsproz-essen im Automobilbereich) undCMMI werden deshalb wichtiger. Ver-besserungsprogramme, die in Unter-nehmen wie Bosch oder Siemens VDOlaufen, zeigen ihre Wirkung in ver-mehrtem Qualitätsdenken.

Die Telekommunikationsbranchehat rund zehn Jahre Vorsprung beimOutsourcing in Osteuropa. Das BeispielMotorola macht die zu erwartendeEntwicklung beim Outsourcing vonSW-Entwicklungsaufgaben deutlich:Das Motorola-Entwicklungszentrum inKrakau begann 1998 mit 30 Mitar-beitern, die große Erfahrung in Inge-nieurwesen, Qualitäts- und Manage-mentmethoden hatten. Es wurdenvorwiegend Absolventen lokaler Uni-versitäten eingestellt und weitere Pro-jekte von Motorola übernommen.Gleichzeitig nahm die übertrageneProjektverantwortung schrittweise zu.Im Jahr 2002 war das Zentrum die ersteeuropäische Organisation, die mitCMMI Level 5, der höchsten erreich-baren Qualitätsstufe des Modells, be-wertet wurde. 2006 arbeiteten dort etwa800 Ingenieure. �

* CHRISTOPHE DEBOU ist zuständig für diezentral- und osteuropäischen Märkte beider KUGLER MAAG

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:TRW