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    irgendwie waren sie verschwunden. manwute nich ts , n icht wann und wie, warumund wo. nur, da ein paar nicht mehr dasein knnen. und da man in der unsicherheit nicht die reaktionre haltungwollte: sie vergessen und begraben. vergessen heit verraten. nun sind sie wiederda - und haben selber alles vergessen.So beginnt ein 77seitiger Text, denKarl-Heinz Dellwo im Celler Hochsicher

    heitstrakt 1990 schrieb. Ausgangspunkt wardie Festnahme ehemaliger Mitglieder derRoten Armee Fraktion in der DDR: Susanne Albrecht, Inge Viett, Werner Lotze,Ekkehardt Seckendorff-Gudent, ChristineDmlein, Monika Helbing, Silke MaierWitt, Henning Beer, Sigrid Sternebeckund Ralf-Baptist Friedrich. Alle machtensofort umfangreiche Aussagen und stelltensich, mit wenigen Ausnahmen wie IngeViett , die sich erst 1980 der RAF angeschlossen hatte, der Anklagebehrde alsKronzeugen fr neue Verfahren gegenGefangene aus der RAF zur Verfgung.Das Ergebnis waren erneute Haftstrafen.So wurde zum Beispiel Sieglinde Hofmann nach zwlf Jahren Gefngnis imJuni1992 wegen Beteiligung an der SchleyerEntfuhrung abermals zu fnfzehn Jahrenverurteilt.Karl~Heinz Dellwo wurde 1952 in

    einer westflischen Kleinstadt geboren. Erwuchs in kleinen Orten der Ei fel und imSchwarzwald auf. Ende der sechziger Jahre

    war er Lehrling in einem Industriebetrieb,wurde entlassen und jobbte danach alsFahrer, fuhr zur See und arbeitete 1972 einJahr als Postarbeiter in Hamburg. In dieserZeit begann Dellwo die Abendschule mitdem Ziel, e inmal Pdagoge zu werden . ImFrhjahr 1973 grndete sich das Hamburger ),Komitee gegen Folter an politischen Gefangenen in der BRD und WestBerlin, in dem er mitarbeitete. KarI-HeinzDellwo beteiligte sich an Aktionen dermilitanten Linken, etwa an der Besetzungeines Hauses in der Hamburger Eckhofstrae. Bei der Rumung durch polizeiliche Sondereinsatzkrfte wurde er im Mai1973 festgenommen und zu zwlf Monaten Haft verurteilt.1975 ging Kar l-Heinz Del lwo in die

    Illegalitt und gehrte zum KommandoHolger Meins der RAF, das am 24. April1975 die deutsche Botschaft in Stockholmbesetzte, zwlf Geiseln nahm und die Freilassung von 26 politischen Gefangenenforderte. Knapp zwei Monate vorher hatten Mitglieder der Bewegung 2.Juni denLandesvorsitzenden der Berliner CDUPeter Lorenz entfhrt und die Aktion mitdem Austausch von fnf Gefangenen erfolgreich abgescWossen. Die StockholmerBotschaftsbesetzung endete jedoch ineinem Desaster fur das RAF-Kommando.Das Kommando erscho den Militrattache Andreas von Mirbach und denBotschaftsrat HeinzHillegart, nachdem die

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    schwedische Polizei mehreren Ultimatenzum Rckzug nicht nachgekommen war.Die Bundesregierung weigerte sich jedochweiterhin, die Forderungen zu erfllen.Beim Sturm auf d ie Botschaft kam eszueiner Explosion, bei der das Kommandomitglied UIrich Wessei gettet wurde.Siegfried Hausner erlag am 4.Mai, nachder Auslieferung an die BRD, seinen Verletzungen. Hanna Krabbe, Bernd Rssner,Lutz Taufer und Karl-Heinz Dellwo wurden, zum Teil schwer verletzt, festgenommen. Am 20. Jul i 1977 verurtei lte man siein Dsseldorf zu je zweimal lebenslnglich.Dellwo ist whrend seiner zwanzigjhrigen Haft durchgngig Sonderhaftbedingungen ausgesetzt gewesen. Er beteiligtesich an den kollektiven Hungerstreiks derGefangenen aus der RAF und fhrte individuell Hungerstreiks gegen die Haftbedingungen und f).irdie Zusammenlegungdurch. Von 1981 bis zu seiner Entlassungim Apr il 1995 war er, zusammen mit KnutFolkerts und ab 1982 mit Lutz Taufer , inCelle in einer Kleingruppe inhaftiert.Der auszugsweise Nachdruck des 1990

    produzierten Textes dokumentiert den

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    subjektiven Entscheidungsproze einesLinken, der sich radikal den gesellschaftlichen Verhltnissen entziehen wollte undden bewaffneten Kampf als Konsequenzder politischen Arbeit begriff. Gleichzeitigbietet der Text e inen Blick aus der Binnenperspektive zur Politik der RAF seitMitte der siebziger Jahre. Karl-HeinzDellwos Papier war ursprnglich fr diegruppen interne Diskussion gedacht undsollte fortfhren, was alle RAF-Gefangenenin ihrer Hungerstreikerklrung vomFebruar 1989 alsAnspruch auf freieKommunikation untereinander und mitpolitischen Gruppen drauen formulierthatten. Da eine interne Diskussion desPapiers jedoch nicht stattfinden konnte,l iegt zum einen an den pol it ischen Dif fe~renzen der Gefangenen untereinander,zum anderen auch an den Haftbedingungen.Jegliche interne Debatte versucht derStaat auch heute zu verh indern . Fr d ieimmer noch inhaftierten RJ\F-Gefangenen, deren Freilassung nicht absehbar ist,bleibt die Zusammenlegung weiter eineForderung von entscheidender Bedeutung.Nicht nur ihre direkte Lebenssituation

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    (einige der Gefangenen sind aufgrund derjahrelangen Isolation erkrankt) wrde verbessert, sondern eine Zusammenlegungwre auch der notwendige Ausganspunktfur eine weitere Auseinandersetzung mitder eigenen Geschichte. Red.

    was uns mit v ielen, die in den nachkriegsjahren aufgewachsen sind, gemeinsamwar, war das bedrfuis nach aufrichtigkeitvor uns selbst in unserem leben. d ie erfahrung war , da das innerhalb dieser gesell schaftsverhltnisse nicht herstellbar ist. daraus ist unser linkes politisches bewutseinentstanden. das andere war das rechte,jenes,welches die eigenen empfindungen niedermachte zu sich und der ungerecht igkei t umuns und in der welt. die norm in der klassen- und konkurrenzgesellschafi:, nach obenzu kommen. in diesem dreck wollten wirnicht vers inken. das wrde ich als beginnunserer bewutwerdung bezeichnen.

    politisch wurde das bedrfnis in derbes timmung der aufhebung der trennung

    des privaten und gesellschaftlichen, der aufhebung der alten verhaltensmuster vonmann und frau, der klassenzugehrigkeit,des kopf- und handarbeiters oder auch soetwas wie den kampf darum, sich und andere nicht zu belgen.

    manchmal schien es ungeheuer schwer,dem erkannten auch das verhalten folgen zulassen. oft geschah es schweigsam und hattezur bedingung, da wir uns untereinanderauch den raum dazu lieen. nur feinde handeln anders. wir kamen aus einer sozialisat ion, d ie zwar sehr unterschiedlich war inden ueren bedingungen, d ie wir gleichwohl als verbrechen am menschen erfuhren. wir wollten sie berwinden, und eswarbeides: sich gegen das einzelne zu stel lenund der kampf darum, zusammenzubleibenund eine gemeinsame offene entwicklungzu haben. es war in diesen jahren dasgemeinsame bei uns nicht gebrochen.

    (...)unsere hausbesetzung in der eckhofstraewar von den meisten von uns von anfang anals aussichtslos betrachtet worden. wirwaren voller widersprche zu unserer eige-

    nen aktion. wi r woll ten keine schnerwohnen-idylle und wuten gleichzeitig,da wir einen staats- und systemfreien raumerst dann werden halten knnen, wenn dieillegalitt als hinterland existiert. ohne siemuten wir als minderheit auf offenem terrain an den ungleichen machtverhltnissenscheitern. d ie i llegal itt war damals nichtmehr organisier t, d ie raf im knast , und wirselber haben es uns noch nicht zugetraut.wir hatten noch mit uns selber zu viel zutun , f ti r e ine stra tegische organisierungunserer aufbruchsbedrfnissse waren wirnoch nicht reif. so konnten wir andere nuruntersttzen, und einige von uns gabenende 72, anfang 73 die psse an die ab, diedamals nach einer raf-gefangenen-entlassung' die illegalitt neu zu organisieren begannen. die wurden brigens von einemddr'ler e ingesammelt. wicht ig f ti r uns allewaren in dieser zeit die erfahrungen desspk' mit seiner bestimmung ausder krankheit eine waffe machen. beschdigt warenwir alle, und wir begannen gegen denselbsttotschlag des selbstverschuldet diegesellschaftliche bedingtheit dessen zu erkennen. und da wir, integriert in ein fal-

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    sches leben, unsere entfremdung immerwieder neu reproduzieren muten. derbegriff von der inst itut ionalisierung desfaschismus gab damals unser wissen vomnachleben des nazi-s taates und unsere erfahrung mit den neuen sozial-technologiender sozialdemokratie wieder. so wollten wirden bruch in allem. so wollten wir in derhausbesetzung lieber das gewaltsame verlieren statt jenes durch anpassung.

    (...)

    keiner von uns ist in die illegalitt getriebenworden. das hatten wir bei uns immerbewut so best immt. der staat so ll te dabeikeine mitentscheidung haben. aus dem gleichen grund wollten wir nicht, da jemandmit f reund oder f reundin in die i llegali t tgeht. es sollte niemand wegen jemandanderen diesen schr it t machen und sptervielleicht seinen eigenen grund nicht mehrkennen. es soll te die entscheidung aus dereigenen entwicklung sein. wir haben unsere beziehungen deshalb vorher auch abgeschlossen. das geschah zu dem zeitpunkt, alsder widerspruch zwischen unserem wissen

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    ber uns und die gesellschaft/staat und wiewir darin lebten und bisher gekmpft hatten so herangereift war, da wir im altennicht mehr zu hause waren. dor t t ro tzdemzu verharren, htte das bisher erkmpfte beiuns , relat iv ident isch zu sein mit dem, waswir wollten und taten , wieder zers tr t. ichwute damals, da ich jetzt gehen mu undda das mein tei l dafur ist , e ine grundlageherzustellen, auf der wir uns und andere furden kampf um eine offene zukunft wiederfinden knnen. es ist mir nicht leicht gefallen, n icht nur wegen der vielen unsicherheiten , ob die eigenen fhigkei ten fUr dasausreichen, was nun vor uns stand; langfristig waren auch die perspektive der guerilla und die mit ihr verbundenen gesellschaft lichen prozesse mir undeut lich. vorallem aber deswegen, weil ich in unseremal ten zusammenhang zum ersten mal dasgefuW hatte, da das ein leben ist.es war beiuns gewesen, auch habe ich die meisten ummich herum geliebt, widersprchlich,schmerzhaft und elend manchmal auch,aber wir hatten eine wesentliche stufe unserer politischen und sozialen emanzipationdurchgekmpft. in der legalitt war das

    nicht mehr fortsetzbar. es gab in ihr nichts,woran ein revolutionrer proze entwickelbar gewesen wre. dazu war die zei t nichtreif. das alles verlassend, war es zu anfang inder illegali tt ziemlich einsam und leer,auch gab es nicht viel an struktur und wirwaren sehr wenige. aber wir hatten unserziel und begannen zu spren, da wirboden unter die fUe kriegten. von da abwar alles einfach, das finden im denkenebenso wie das erledigen der prakt ischenaufgaben. wir hatten eine ahnung von unsin f reihei t bekommen. fur mich war das diezeit, ab der ich wute, da wir die macht frage stellen knnen und werden.

    unsere akt ion in stockholm war das, waswir damals konnten . ob sie durchkommt,b lieb mir zweifelhaft , und letzt lich war amabend der besetzung niemand von uns sehrberrascht , a ls k lar war , da die aktion aufihr unmittelbares zie l bezogen scheiternwird. es war nicht das einzige ziel. die konkrete best immung war , da wir die gefangenen rausholen oder eben ein politischesverhltnis materialisieren zum staat und zuunserer eigenen befreiung, die kein zurckmehr will. schlaumeier hinterm linken

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    zuschauerzaun sahen spter darin eine starre haltung und sprachen von kamikazemental itt . aber zum einen hat esdamit zu tun ,da wir noch keine erfahrung fur diesestufe des befteiungskampfes hatten; aus derlegalitt kommend haben wir ja sozusagenaus dem stand heraus die damals zentralstemachtfrage mit dem staat gestellt. deshalbhatten wir uns auf eine aktion konzentriert.wir wollten nicht die fehler der gruppe73/74' vor uns wiederholen, uns solange inder strukturlegung zu verl ieren, bis wirdurch irgendeinen fehler mglicherweisevor der aktion verhaftet werden. zum anderen war der angriff, der die machtfragestellt, damals als politischer durchbruch, alsversuch, eine poli tische sperre der l inkenaufzuheben, notwendig. wir hatten esdamals auch eilig. das scheitern der aktionhaben wir daraus immer auch nur alshalbeniederlage begriffen.

    (...)hinter uns lag unsere kindheit und jugend,die wir wegen des fehlenden bruchs zurnazi-vergangenheit, die allem anhaftete, derflucht in die konsumwelt, der wir zeitweise

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    selber hinterherhingen und in der wir unsimmer ausgehungerter fanden, blde gemacht im fehlenden lebenssinn und umgeschlagen oft in selbs thass, zum scWu nurnoch gehat haben. das leben der vergangenheit zu verlieren war kein verlust. einesin der zukunft zu gewinnen gegen diemacht, die das alles wie immer auszutretenentschlossen war, zwangslufig mit dergefahr des vlligen scheiterns bedroht. mirwaren die konsequenzen relativ egal. das isteine bedingung der illegalitt. sie kamen, oftsah man sie hellsicht ig voraus , man mutesie in kauf nehmen. wir sprten, da wirsonst eh untergehen wrden. aber wir wollten diesen kampf fur eine befreiungsperspektive wenigstens versuchen.d iese bedingungslos igkei t war bei holgermeins ' d ie grundlage: bei aller l iebe zumleben - den tod verachten. das heit. furmich: dem volke dienen. und: menschoder schwein - das bestehen auf einegrundstzliche eindeutigkeit im leben. dieses dem volke dienen, was von heute ausgesehen einen ideal isier ten klang hat, damals aber noch ein subjekt ives geft ih l ausder studentenbewegung in kristalliner form

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    zum ausdruck brachte, hatte genau das zuminhal t: die entscheidung zu denen hin, dieausgebeutet, unterdrckt und um ihr lebenbetrogen sind, die zugleich wir selberwaren. auch wenn jene ihre fremdheit darinnoch als natrlich fanden, und das auchgegen uns. das war egal. eine bedingungslose solidaritt. eben: ein liebesverhltnis. nurdas hlt die zukunft offen.

    pol it isch kamen wir alle nicht mehr unmittelbar aus der studentenbewegung, auchwenn der eine der die andere s ie am randenoch miterlebt hat. die meisten von unswaren aus der ferne von ihr mobilisiert, undals wir da waren, war ihr niedergang schonvorangeschr it ten. unsere emotionen undunsere zu bewutsein drngenden vorstellungen fanden sich in dem, was von ihr verbl ieben war, n icht mehr wieder. d ie emanzipativen inhalte der studentenbewegungwaren entweder theoretisch geworden oderauf einen kleinen lebensausschnitt dessystems zuruckgeschnitten. auf das systemals ganzes bezogen war ihre praxis nur nochtheoretisch befreiung und im realen lebendes einzelnen fremd. das gal t dann auch ruruns im all tgl ichen. der marsch durch dieinstitutionen war fr uns nichts, und die kgruppen mit ihrer 20er-jahre-maskeradekonnten nur abschrecken. wir wolltenetwas, was zugleich unmittelbar befreiungund langfristig perspektive enthielt.das kennzeichnete uns damals: ber unsetwas herausf inden und uns verndern zuwollen in der unmittelbaren pol itischenpraxis und langfristig der anspruch, dassystem als ganzes bekmpfen zu knnen.mitrauisch gegen unsere emotionen, denen alles mgliche aus der vergangenhei tanhaften konnte und die wir nur beschrn~t zul ieen aus angst , es kommt eindreck hoch, den wir zu bewltigen nochnicht s tark genug sind , und voller abwehrgegen jede systemintegration: in england,

    ende 71, habe ich mich immer dafr geschmt und davon distanziert, aus dem landder nazi-schweine zu kommen. auch wennwir sie nicht kritisiert haben, oft aus einembegrifflich noch nicht zu fassenden gespr,sohat ten wir im unmittelbaren viel mit denundogmatischen gruppen gemeinsam. getrennt hat uns ,da sie of t in der poli tik einfach ihren stimmungen nachgingen undweil wir irgendwann eine verbindli chepolitik gegen den staat wollten. sie wolltenihn eher lcherl ich machen. von da aus hatuns die raf ungeheuer angezogen. untersttzung htten wir ihr von anfang an schongerne gegeben. hnlich war esmit den palst inensern. mit der akt ion des schwarzenseptembers in mnchenS waren wir gleichsolidarisch. die aktionen der raf waren konkret und haben zu unmittelbaren fragen diemachtfrage aufgeworfen. an ihnen war einfach zu entscheiden, wer recht und unrechthatte. ihre herausforderung besa die strkemoralischer legitimitt. politisch gesehen istes das operieren im legitimationsdefizit desstaates gewesen: postfaschistischer staat,kriegsimperialismus in vietnam und neuerepression. aus der 68er-politisierung dergesellschaft hatte das eine relative akzeptanz. und sie hatte zugleich in der illegalitteinen befreiten raum fr das leben jetztgeschaffen, aus dem alles mglich schien,der nach der notwendigkeit best immte angriff und in der kol lekt ivstruktur ein verhltnis untereinander, dem man fr dieeigene vernderung trauen konnte. sie hattedie gedankliche przision der studentenbewegung in eine praxis transformiert, die dievielen trennungen, die uns zerrissen, aufzuheben ermglichte. aber es schien uns fruns noch weit. von unseren fhigkeiten her,vor allem bei der frage, in allen situationendie r icht ige poli tische antwor t zu f inden,fanden wir uns dagegen noch klein. unsfehlte ein politischer proze, der uns sicher-

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    heit ber uns brachte. zeitweilig versuchtenwir d ie theoret ischen defizi te durch schulung aufzuheben, aber nach dem dritt enmal kapital-lesekreis blieb ich z.b. diesemfern. wir fanden uns darin genauso entfremdet wie in dem anderen versuch, unsgewisse technische fhigkeiten anzueignen.wir muten fr die s ituation lernen, in dertheor ie ' und praxis. nur so blieb esbei uns.wir haben uns von beidem getrennt und inder komitee-arbeit in der untersttzung derraf-gefangenen das gemacht, wo wir vonder poli tisierung unserer emotionen undunseres bewutseins her damals bei unswaren.

    was als eine art befreites terrain in dereckhofstrae damals nicht realisierbar war,nicht nur, weil wir isoliert gegen die repression blieben, vor allem, weil wir uns vondort sozial in der al ltgl ichkeit der gesell schaft nicht multiplizieren konnten, wurdedas komitee politisch: die arbeit an den rafgefangenen verband uns mit einer langfristigen revolutionren perspektive, und derkampf gegen die isolation ermglichte einepolitische mobilisierung von teilen der linken und vertre tern des brger lichen ant iimperialismus bis in die humanistischen bereiche hinein. dar in s ind wir auch persnlich weitergekommen. wir hatten die ganzezei t im kopf, da es letzt lich um die befreiung der gefangenen ging. wir wollten , dader aufbruch weiterg ing, und wuten , dawi r alle es sind, die dort im gefngnis zerbrochen und niedergemacht werden sol lten.

    die komitee-arbei t war mit dem tod vonholger" inhaltlich an ihrem ende angelangt.das einfach weiterzumachen wre nur verdrngung gewesen. buback' hat te uns eineleiche vorgeworfen in dem kalkl , da wirdaran resignieren. den gefangenen sollte derkampfWille gebrochen werden, und bei unsrechneten sie damit, da wir zu einer neuen

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    widerstandsqualitt nicht in der lage sind.aber unsere politis ierung umfate unsereneigenen aufbruch, und so lhmte der imgefngnis vorgefhrte terror nicht. ebensowenig wollten wir den,faschismus, der sichdaran zeigte, wie die .generation vor unsverdrngen. das war die zeit, wo wir ineinen nicht mehr zu verdrngenden widerspruch zu unserer bisherigen poli tischenarbei t ger ie ten. d ie for tsetzung des altenwre die preisgabe von uns selbst gewesen.hier war fr einige von uns der punkterreicht, von dem wir springen muten,d ie zei t gekommen, selber auf dem niveauder gueri lla zu kmpfen. den anderen zerfielen die komitees, da sie den widerspruchselber in sich sprten. das gefhl oder daswissen, vor sich selber in seiner praxis wahrzu sein, war zerbrochen. so sind si e dannspter auch nachgekommen. angetriebenwurden wir auch von dem zerfallsprozeder linken. auf der veranst al tung in hamburg nach dem tod von holger forderteirgendein sprecher der kpd/ao die rafgefangenen auf, ihren hungerstre ik abzubrechen, und schwafelte etwas von einerperspekt ive, in der die arbeiterk lasse diegefangenen befreien wrde, es war die aufforderung an die gefangenen, vor der isolation, also der macht des staates zu kapitulieren. und ebenso an die l inke. bei denen wardas kalkl von buback aufgegangen. unserziel war eh die illegalitt, und da wir keinentoten mehr unter den g~fangenen wollten ,hie das, die entscheidung jetzt schon zutreffen. seinen ausdruck fand das damals inder erklrung, die dem hungerstreik einende setzte: wir nehmen euch diese waffe- weil d ie konfrontation jetzt unsere war.

    es gab damals und lange jahre spter diekri tik, die d ie raf als befreit d ie guer il laguerilla bezeichnete. leider ist davon spterin der landshut-aktion8 etwas wahr geworden. aber die grundstzliche bestimmung

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    fr die befreiung der gefangenen war eineandere. zum einen wuten wir , da die gefangenen als ausdruck der hi er seit jahrzehnten zum ersten mal neu entstandenenrevolutionren fundamentaloppositiondurch das isolationsprogramm zerstrt werden sollten. ulrike im toten t rakt in klnossendorf , der nich t e inmal ber den subjekt iven irr tum des berzogenen sicher hei ts in teresses zu verdrngen war , hat tebereits alles gesagt. buback und posser, dernordrhein-westfalische justizminister, habensich hier in der bewuten entscheidnungfr ihre zerstrung getroffen. das ging soweit, da sie einen zwangsweisen eingriff inihr gehirn planten.

    (...)wir wuten, was in den gefangnissen abluftund da das kein mistand war oder einzelaktionen des gefangnispersonals. es warenvon der poli tischen fhrung und der justizgewollte und gedeckte bre{:hungsversuche.in der bundesrepublik hat scWieI ich dasbundesverfassungsgericht mit seinem berchtigten bescWu folter verrechtlicht.9gegen die raf-gefangenen verh ie lten sichalle insti tu tionen wie unter kr iegsbedingungen. und wir wuten, da der widerstand der gefangenen dagegen - und f ti rdashalten und entwickeln ihrer politi schensubstanz - leg it im ist . schutz der gefangenen konnte hier nur noch von auen kommen. und auen hie hier die gueri lla.denn die l inken waren keine kraft . das wareine frage an uns selbst. und natrlich: freiheit! denn nur '[ur eine blde welt ist dieschne haftzelle ein kampfziel. das war dertiefere grund ftir unsere illegalisierung: dabefreiung gegen das system mglich bleibt.das wollten damals auch die, die spter indie ddr gegangen sind.

    f ti r uns war die gefangenenbefreiung

    eine exemplarische akt ion . befreiung ausdem gefangnis als mikro modell des gesellschaftssystems, die gefangnisrealitt nicht alserscheinung, sondern als von allen poli ti schen vermitt lungen entkleideter kern deskapitalistischen gesellschaftsmodells - darinkonnten wil le und mglichkei t zur bef re iung berhaupt sichtbar werden. aber genauso wichtig war die gefangenenbefreiungals antwort auf die niederlage von 72; dasgefangnis sollte nicht die letzte bastion dessystems sein, welche ihm sicher ist. wirwollt en die machtfrage des aufbruchs furuns entscheiden und darin gewi auch unsund anderen beweisen , da es langfrist iggegen das system einen si eg geben kann.auch das unterschied uns von allen anderengruppen, die hier einmal an der frage desbewaffneten kampfes dran waren.

    (...)das verhltnis zwischen guerilla, ihrer kleinen basis und der linken entwickelte s ichdamals wie eine offene schere auseinander.fr die meisten dor t war der aufbruch keinepersnliche kategorie mehr. zusammengehalten wurde das verhltnis nur noch durchdie gefangenen. zum einen, weil die gefangenen damals d irekt aus ihren eigenen reihen kamen und das umgesetzt hatten, wasin der aufbruchphase 68 viele fr sich imkopf hatten. das war von diesen l inken ausein moralischer zusammenhang, der aberauch durch immer mehr gesetzte bedingungen fr die solidaritt am brckeln war.zum anderen, weil man das faschist ischepotential des staates sah, welches sich in derbehandlung der gefangenen uerte. aber eswar damit keine revolut ionre sol idari t tmehr, eher mehr eine links-sozialistische. alsopfer sollten die gefangenen solidarittbekommen, als gefangene gueri lla nich t.mit den opfern konnte man seine eigene

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    politik machen, die guerilla war ein gegensatz, der die eigenen, zum reformismus tendierenden politikvorstellungen stndig infrage stellte. die guerilla selber, die damalsneu entstand, konnte sich mit dem nichtverbinden. es war dort n ichts, was sie t rug .sie mute sich selber eine neue basis schaffen . sie hat te dann auch auf die kommunikation mit ' d ieser l inken zur bestimmungeiner gemeinsamen revolutionren praxiskeinen wer t gelegt . die voraussetzungenwaren nicht gegeben, die zumindest, daalle eine revolutionre perspektive wollen.

    uns hatte sich die frage ohnehin nichtkonkret gestellt. die bestimmung, die politischen gefangenen zu befreien, war fr unszu keinem zeitpunkt diskutabel. diese versuche s ind aus sich heraus legitim. es warnich t der privatkr ieg der raf. d ie dr innenwaren, hatten fur uns alle alles eingesetzt. esdabei zu belassen, ist die haltung armerschweine. die nach uns kamen, haben zweifellos aus unserer aktion die notwendigkeitgezogen, der guerilla eine langfristige struktur und eine viel breitere interventions mglichkeit zu geben. die objektive politische schwche der guerilla, primr nurihren eigenen politi schen willen und diesystementwicklung der zukunft zur basis zuhaben, konkret aber auf wenig gesellschaftliche reife fur einen revolutionren prozezu stoen, konnten sie nich t lsen . in demsozialdemokratischen roll-back auf die68er-bewegung war zu viel verschttetworden. das model l deutschland, diemischung aus repression und eben auchnebeninhal te der protestbewegung integrierende modernisierung der gesellschaftsgrundlage, in ihr auch das bemhen, sichvon oben von der nazi-vergangenheit abzusetzen, fand auch in der l inken wirkung.was sich spter als grne formierte, nahmdas ja so an: ab jetzt ist alles anders, wirknnen in diesem staat mitmachen. der

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    revolu tionre ansatz ht te deswegen neuentwickelt werden mssen, aus den bedingungen hier in der metropole fur d ie menschen. aber die waren eben noch nicht soherangereift, da eine sie grundstzlich aufhebende gegenvorstel lung deut lich ' undvermittelbar gewesen wre. in unseremproze wegen der stockholm-aktion warenwir bereits auf d iese schwierigkei t gestoen. croissants einstellungsantrag fhrtenochmal die verbrechen aus dem vietnamkrieg vor und die gegen die gefangenen.aber v ie tnam war vorbei , und auch die ver treter des neuen blocks an der macht setzten sich davon ab. und aus der innerenrepression war der guerillakampf als sozialegegenstrategie nicht ausreichend begrndet. der bezug auf die verbrechen des imperialismus nach auen und die repressionnach innen gab ja auch unsere eigenen aufbruchsgrnde nicht ausreichend wieder. dielagen urscWich darin, da wir das leben indiesem system aus seiner zurichtung fr diewel t der ware als vll ig sinn los ersprtenoder erkannten , a ls fr uns ungelebter ver brauch unseres lebens. nur war das damalsnoch schwer zu fassen als auf die grundbedingung der gesellschaft zu bestimmendepositive setzung.

    zu fassenwar die subjektive seite, da wirdas nicht mitmachen und auf unser eigenesleben bestehen. das aber htte eine vorsichtige umsetzung des bewaffneten kampfsbedingt. eine, die sich nicht von all en bi sdahin bewuten oder erlittenen widersprchen hier abtrennt . gelaufen ist es anders.der bewaffnete kampf ist zur eskalation zwischen uns und dem staat geworden , die sichspira lfrmig entwickelte, innerhalb undauerhalb der knste. der rest der gesellschaf t b lieb als von uns zu suchendes subjekt auen vor. in bochum'o, am abend derscWeyer-entfuhrung; nachdem wir geradeden am brutalsten verlaufenen hungerstreik

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    berhaupt abgebrochen hatten - die bundesanwaltschaft hatte d ie 3 monate bestehende zusammenlegung in stammheimwieder zerschlagen - , fand ich die durchftihrung der aktion als zu hart ftir das,waswir bisher in der gesellschaft politisch mobilisiert hatten. eine angst, da drauen allesberzogen wird. was auf unserer seite stand,oft schon nur noch ber die eigenen, nachauen behaupteten politischen ansprchegezwungen, brach daran ein. die landshutentftihrung gab dann schluendlich dasalibi, statt gegen den staat die widersprchegegen uns zum zentralen zu machen. daswar dann auch ein bankrott der l inken.wenn die zeit noch nicht so herangereift

    ist, da das bild einer befreiten zukunftschon wie eine landschaftskontur hinterleichtem nebel vor den menschen auftaucht , wird der subjekt ive wil le zur al le inigen kraft, die undurchsichtige zukunft zudurchdringen. das.ist nicht falsch, das kannftir einen aufbruch ausreichend sein. aber eshat zur bedingung, sich langsam vorzutastenund den kontakt zum eigenen aufbruchs ortals sicheren bezugspunkt nicht zu verlieren.sonst steht man auf einmal alleine mitten imnebel, hat di e richtung verloren, aus derman kam, und wei aus der verlorenenortskenntnis nicht mehr genau, wohin mannun weiter vorstoen soll.das ist 77 gelaufen. ein vorstrmen, eine

    eskalation, die hinter einem abbrach, undpltzl ich war a lles ter ra in ver loren auerdem, wo man gerade stand.zwischen der best immung dem volke

    dienen und der politischen realitt derlandshut-aktion, es einfach als mittel zumzweck zu benutzen, war keine poli tischevermittlung mehr mglich. hier hat sich diepolitik der guerilla den vorher falschen vorwrfen wie den der befreit die guerillaguerilla angepat und daraus das schmaleeigene terrain verwstet, auf dem sie vorher

    noch stehen konnte und was unter uns malgefat war als das moralische ticket, welches die raf besitzt. die gesellschaft wardarin als adressat fr uns von uns verworfen.das war zwar nicht d ie absicht dieser 77eroffensive und dieser einzelnen aktion, aberes war die verselbstndigte folge einerimmer neu hochgeschraubten eskalation,deren dynamik der gruppe aus der handgeglitten ist. s ie hatte ihren eigenen prozenicht ernst genommen und sich der scheinstrke oberflchlicher erfolge, den mglichgewordenen angriffen, hingegeben.nimmt man die stockholmer aktion al s

    gegeben - eine grundstzl iche kr it ik trfedie aktion als ganzes, also darauf, sich sozusagen auf offenes gelnde begeben zuhaben -, so war aus einer immanenten betrachtung die erschieung des militrattaches am nachmittag ein politischer fehler, da sie der regierung die ablehnung deraustauschforderung erleichterte. die sachlage in krze dargestel lt war: wir hatten den3. stock der botschaft unter kontrol le , dieschwedische polizei den rest des gebudes.zwei versuche von ihr, in den 3. stock zugelangen, muten wir bewaffnet abwehren.auf dauer konnten wir uns solche schieereien nicht erlauben, da uns irgendwanndie munition ausgegangen wre. vor allemaber konnten wir nicht hinnehmen, da sieuns so nah umstellt und darin die fur siegnst igs ten opt ionen in der hand hat . wirhaben dann 4 ultimaten gestellt, da sie diebotschaf t rumt. d ie schwedische polizeizog si ch nicht nur nicht zurck, sie legtegeradezu ein dummdreistes verhal ten anden tag.nach dem dritten ultimatum wurdeder attache geholt , um den ernst der lage zuverdeutlichen. seine aufforderungen an dieschwedische polizei als wie auch an denunten verbliebenen nchst ranghchstenbotschaftsvertreter, die botschaft zu verlassen, beantwortete sie ausschlielich mit fra-

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    gen ber strke und bewaffnung unsereskommandos. eine funfte verlngerung desul timatums wre lcherl ich gewesen. diesituation, so wie sie war, aber einfach zubelassen und die rumung nach den ultimaten nicht durchzusetzen, htte erbrigt, dieforderung nach dem gefangenenaustauschzu stellen. sie wre genausowenig ernst genommen worden. das war von uns ein planungsfehler. wir hatten aus der analyse desschwedischen polizeiverhal tens anhandanderer in schweden abgelaufener aktionendie annahme zur grundlage, da si e sichauch bei uns zurckzieht . a ls sie das nichttat, waren wir in einem reaktionszwang, deruns so oder so schaden mute. mit groeranstrengung, nicht ungefhrlich fur dasganze, htten wir diese situation vielleichtanders noch klren knnen. statt dessenhaben wir eskaliert.in der offensive 77 ist in einem viel

    greren mastab etwas hnliches gelaufen.zuerst kam das attentat auf buback. das warals antwort auf die vernichtungsstrategie inden gefangnissen und auf die schauprozessevermittelt. dem konnte sich auch die regierung nicht entziehen. die zusammenlegungin stammheim kam danach. dann der mitseinem tod endende entfuhrungsversuchvon ponto." damit hatte die eli te h ier schondas verloren, was ihr als konsequenz in derkonfrontation um die befreiung der gefangenen ers t drohen soll te. d ie i llegalen verloren darin eine operationsmglichkeit.zwischendrin der versuchte raketenwerferanschlag auf die bundesanwaltschaft alsreaktion auf ihre eskalation nach pontogegen die gefangenen. dann die schleyerentfhrung. strategie bedeutet die summeverschiedener wege und ausweichmglichkeiten zum ziel. die regierung hat danachdrauf gesetzt, da die raf aufgrund des mitallem ohnehin schon verbundenen krfteaufWandes ber keine weitere operations-

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    mglichkeit aktuell verfugt. hinzu kam, dadas politische bindeglied zwischen der rafund der gesellschaft, hergestellt durch diegefangenenkmpfe, d ie hrte dieser konf rontat ion nicht t rug und die verbindungsprengte. der armselige distanzierungszuglinker intellektueller und marxistischerprofessoren 77, um in bann bei der machtdevote erklrungen abzuliefern.t2 die regierung war insoweit nur mit der guerilla konf ront iert und zog die konfrontat ion in derhoffnung in die lnge, da dem fahndungsapparat die gewonnene zeit zur gegenschlagsmglichkeit wird oder die guerilla indem versuch, das krfteverhltnis ftir sich zuwenden, einen fehler begeht.viel schwieriger als das organisieren von

    operationen in der illegalitt ist die entscheidung, eine konfrontation zurckzuholen. man hat soviel reingesteckt in diearbei t, man wei, a lles neu zu best immenund zu organisieren wird lnger brauchen;und dann war noch die si tuation der gefangenen da. spter wute man es dann. eswre damals richtig gewesen, die offensivein ihrem festgefressenen stadium zu unterbrechen und sie grundstzlich neu zubestimmen auf einer politischen basis , diedie gueri lla mit tei len der gesellschaft neuverbindet. statt dessen wurde auf die ehschon hocheskal ierte offensive eine neueeskalation gesetzt, die alles kippte. die vonder raf zu verantwor tende landshut-entfuhrung durch ein palstinensisches kommando. ein teil derjenigen, die die Offensiveausmachten , war nun auf offenem terrain.f ti r d ie regierung war damit gar nicht mehrdas ob, sondern nur noch das wie siedrankommen die entscheidungsfrage. polit isch war diese akt ion eine katastrophe. inden urlaubern machte sich die guer il la dasvolk zum angriffsziel und gab der regierungeine brei te zust immung, sie mit allen mitteln zu bekmpfen. diese wute das auch

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    auszunutzen. das ergebnis dieser offensive:ein sieg des militrischen staatsapparats undein verlorenes kommando in mogadischu,in s tammheim die toten, d ie machtfrage anden gefangenen gescheitert und die guerilla selber moral isch und polit isch iso liert .htte es noch c;inen fahndungseinbruch indie i llegale struktur hier gegeben, wre esrur uns sozusagen der gau gewesen.

    (...)

    im april 77 hatten wir das legitimationsdefizi t des staates gegen die offengelegtebehandlung der gefangenen in der haft undin den prozessen in der durchsetzung derzusammenlegung in stammheim ftir unsgewendet. das at tentat auf buback hatte danichts ndern knnen fur den staat. er warder organisator von allem. nach pontobegann die gegenbewegung des apparates.in nordrhein-westfa len waren wir geradeim hungerstreik, um ftir uns selber diezusammenlegung zu bekommen. nach demtod von ponto sagten uns die gefangenenaus stammheim, da wir abbrechen sollten.sie beftirchteten, da der apparat aus rachefur ponto einen von uns sterben lt. wirhaben das dann gemacht. aber es war nichtsmehr aufzuhalten. eine woche spter inszenierte die bundesanwaltschaft ber die gefngnisleitung in stammheim einen zusammensto, aus dem sie sofort die gruppe dortauseinanderr i. die gerade erkmpfte zusammenlegung wurde wieder aufgehoben.der apparat versuchte, sein verlorenes terrain wieder zurckzugewinnen. daraufhaben alle gefangenen mit einem hungerund dllrststreik geantwortet, der zu dembrutalsten dieser art in der ganzen bisherigen haftzeit wurde. rebmann'\ von der bundesregierung flankiert, propagierte inffent lichen s tel lungnahmen den tod vongefangenen. eskommt unten in der admini-

    st ra tion wie gedacht an: als f re ibrief . vonkln nach bochum zur brechung diesesstre iks verlegt , war ich an der dor t nun ablaufenden gewaltorgie darauf eingestellt,da sie uns totschlagen. in hamburg diegleiche brutalitt und aus anderen gefngnissen hnliche nachrichten. das war alles inberichten nach drauen gegangen; siewuten, wie es um die gefangenen stand,insbesondere konzentrierte sich der ha aufdie stammheimer. schon whrend derstockholm-aktion war croissant von einemzeugen berichtet worden, was jener alsgesprch von zwei wrtern aus dem 7.stockmitgehrt hatte: vor einer freilassung, sagteeiner, werde er s ie erschieen und wegeneinem affektzustand allenfaUs ein jahr imknast sitzen. diese berechnung htte aufgehen knnen. im sommer 77 wuten alle,da von der guerilla die befreiung dergefangenen versucht werden wird. auchvon da der totschlagreflex. wir haben diesenhunger- und durststreik dann am 2.9.77abgebrochen.

    seit ihrer festnahme gab es eine reale zerstrungsabsicht gegen die gefangenen, diemit hohem materiellen aufWand verfolgt,nach auen aber immer abgestri tten worden ist. im sommer 77 schlug das in eineoffen vertretene vernichtungsabsicht um.whrend der schleyer-entfuhrung wurdedie geiselerschieung der gefangenen wochenlang in aUen medien diskutier t. rebmann forderte sie ffentlich, andere taten esihm nach. das gehr t zum hintergrund derentscheidungen der illegalen.

    wichtiger als dies jedoch - denn eineguerilla mu das handhaben knnen, siedarf sich nicht vom feind antreiben lassen erscheint mir ein anderes problem: die illegalen haben die eskalation nicht aus ihrereigenen politis ierung heraus bestimmt. siewren aus dem widerspruch, aus der lebensrealitt der metropole heraus mobilisiert, in

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    deren aufhebungszustand aber noch nichtangekommen zu sein, vorsichtiger, gewidamit auch langsamer vorgegangen. das galtfur die meisten von ihnen, die ebenso wiewir in s tockholm einen riesensprung machen muten, von ihrer bisherigen praxiszur organisierung des guerillakampfes. wirhaben uns selber den anspruch gesteUt,denbewaffneten kampf auf der gleichen politischen hhe rur uns zu beginnen und fur dieraf fortzusetzen, auf der die grndergruppeinzwischen war . sie kam aus der pol it isierung der 68er-mobilisierung mit deren spezifischer erfahrung, was imperialismus nachinnen und auen ist. im gefngnis mit einerhochentwickelten vernichtungsstrategiekonfrontiert, hat sie besonders die subjektive struktur der befreiung, die der kollektivitt, entwickelt und konstituiert, ebensoihren neuen begriff von faschismus, wasaufgrund der realen trennung in haft einebesonders intensive anstrengung, aber auchein besonders entwickeltes ergebnis war. eszeigt sich an der inhaltlichen tiefe ihrertexte, in denen man auch heute noch denproze einer befreiung wiedererkennenkann. ich kenne auch keine guer il la , der esnach ihrer vlligen gefangennahme gelungen ist, s ich politisch aus dem gefngnis zubefreien und drauen neu entstehen zu lassen. der raf ist es gelungen, und viel le ichtgelingt es heute auch noch der grapo.'4

    (...)das fehlen einer ent~chlossen verfolgtenentscheidung, sich nach der entstehung derguerilla als antiimperialistische die bedingungen der metropole zur erweitertengrundlage zu machen, war dann teil derursache unserer iso lierung wie ebenso tei lder ursache, da der von uns in gang gesetz te proze unseren hnden entgl it t. wirhaben uns nicht um die linken bewegungen

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    gekmmert und uns damit auch von einerkr it ik von auen abgeschnit ten . sie ht tehelfen knnen, den kampf als fur alle gemeinsam zu halten. der strategische rahmender 68er-bewegung waren die befreiungskmpfe im trikont. an den sozialen sinn, denman dort sah oder hinprojiziert hatte, warendie eigenen aufbruchsbedrfnisse gegen dieinnere real itt hier gebunden. dor t wurdeder kampf gegen den imperialismus aufdem hchsten niveau ausgetragen. nachdemder kriegsimperialismus in vietnam grundstzlich geschlagen war, zerfiel dieser strategische rahmen. zum staat sich umwandelnd, waren die befreiungsbewegungenmit dem aufbau auf zerstrtem terrain konfrontiert. ftir sie war das ntigste an lebensbedingungen fur die masse schon ein fort- 'schritt. fur ihre eigene befreiung erkanntedie linke darin nicht mehr viel und verlorso auch die verbindung. selber hatte siedann nur noch eine hochentwickelte erkenntnis ber das, was imperialismus nachauen ist, und ein sehr subjektives radikalesaufbruchbedrfnis . was sie nicht hatte, wardie vorstellung, wie si e hier den gesel lschaft lichen umwlzungsproze in gangsetzen kann. daran hhlte s ich sowohl das,was sie ber die realitt hier einmal erkannthat, als auch ihre subjektive radikalitt aus.der aufbruch gegen das ganze system zerfiel. er wurde allenfalls, wie von den kgruppen, als tote politische fassade vor sichher getragen. das einzige, was eine gesamtgesellschaftliche realitt fate, war die frauenbewegung. aber das war ein andererhauptwiderspruch, der letzt lich bis' zumkapital auch nicht vordrang und bei dergleichheit vor der ware stehenblieb. die rafwar in dieser situation eine gute konsequenz: damit befreiung in den metropolenselber irgendwann einmal wahr werdenkonnte, mute sich der aufbruch hier einstra teg isches konzept schaffen. es hat den

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    zer fa ll der l inken nicht aufgehal ten , aberberstanden, inhaltlich- etwas gerettet undihre neuentstehung antizipiert. in der zweiten hlfte der 70er jahre gab es dann dieneuen anstze aus der linken. die bewegungen wie zu brokdorf oder wyW. was sichgegen das ganze system nicht umzusetzenwute, suchte sich hier nun im kampfgegen einen tei lbere ich zu finden . das warauch ein hinwenden zu bedingungen dermetropole und zu dem, wo man selber pol it isch war. uns war das n icht ausreichend . eshtte verbunden werden mssen: die strategische konzeption und die, die sich in deralltglichkeit der gesellschaft suchte. aberwir waren dazu nicht in der lage. wir warennoch von der erfahrung des niedergangs derl inken bestimmt. es ist aber auch nich t nurunser feWer.von teilen, die in diesen bewegungen kmpften, ging auch der versuchaus, das zum neuen revolut ionsmodell zuerklren: wenn die menschen einmal aneiner sache mobilisi ert sind, springt dieablehnung auf das ganze system um. dasgeht n icht auf . das kennt auch keinen eigenen ort und hat nur die ablehnung zurgrundlage. wenn die waa gestrichen ist,wWen die menschen "im lande wiedercsu. gegen den rest wissen sie nichts. hinzukam die systematische entwaffnung der linken durch die grnen. falsch ist es abertrotzdem, aus dieser "berladung das ganzezu verwerfen. weder kommen wir alleinewei ter , noch diese bewegungen. ab 78 warers t einmal die grundlage gesprengt, mitdem, was es h ier an bewegungen gab, e inegemeinsamkeit zu finden. von der raf bliebder " strategische rahmen zurck, ihreinnere authent iz itt war gebrochen. es istvon ihr ja dann auch alles abgeschr iebenworden. erst im frontpapier mai 82 bezogsie sich auf das, was sie als 80er-bewegungneu am entstehen sah. realwar mit der altenlinken auch nicht mehr viel zu machen.

    jede generation wird nur einmal , daft ir umso grndlicher besiegt. trotzdem gab esdar in auch neue aufbrche, die damit auchlinks liegen gelassen wurden. und es gabauch noch welche, die sich ein verhl tniszur guerilla offenhielten. mir hatte sich diesgezeigt, als ein von uns in kln unterextrem schwierigen bedingungen zustandegekommen es kritikpapier15 drauen aufflogund inhalt lich bekannt wurde. obwoW daspapier noch auf einer ersten stufe derannnherung an unsere feWer war undmehr nur selbstverstndlichkeiten als auflsung enthielt ("die gueril la macht keineaktionen gegen das volk), kriegten wir ausunserem legalen politischen zusammenhangdrauen eine erleichterung und die hoffnung mit , da alles aufgearbei te t und neubestimmt werden kann. und so die lhmunggelst wird. sie wurde nicht erfllt. nacheinem von jnschke sich auf schneider 16berufenden satzwar die haltung der gruppedrauen, da die linke fr eine aufarbeitungvon 77 noch nich t rei f sei .

    (...)mogadischu blieb ein trauma. november 74auf einem linken-treffen in hamburg, als ichden termin ftir das begrbnis von holgerbermittelte, lief so ein mensch von derhamburger rztegruppe fuchtelnd durchden saal und rief: "jetzt hilft uns nur nocheine f1ugzeugentfuhrung, von mir n ichtohne verachtung betrachtet. 77 war dasdann unser eigener zusammenhang. undvor allem: die palstinenser hatten dieseaktion ftir uns gemacht. drei sind daftirerschossen worden , die v ierte hat schwerverletzt berlebt. und trotzdem berwog,da man am ende darber f roh war , da diepassagiere mit dem leben davongekommensind. wre es dort zu einem von uns mitverschuldeten massaker gekommen, htte

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    ich mich umgebracht . mit dem als h inter grund ist e ine befreiung nich t mehr mglich. ich sag'das heute auch anders: die guerilla hatte sich in eine absolut legitimationslose lage gebracht . selber rur e ine lsungveran twor tl ich, konnte sie diese nur nochgegen sich suchen. wenn sie das nichtmacht und nur noch das die alternat ive ist ,da ein kommando ausgeschaltet wird oderein massaker droht, dann bleibt nur nochdie ausschaltung des kommandos, egal weres ist .man kann bis in den eigenen tod mitanderen solidarisch sein, auch in widersprcWichen verhltnissen und - selbst beierhebl ichen - poli tischen differenzen. rurdie entwicklung eines solchen kampfesmu man das auch zurckstel len knnen.aber al les hinzunehmen heit al les zu verlieren. in stockholm hatten wir das problemnicht. als uns sicher schien, da wir da nichtmehr lebend rauskommen, haben wir diesekretrinnen freigelassen, ohnehin nur festgehal ten, wei l s ie sonst den bul len zu vie leinformationen ber die lage im 3. stockgegeben htten. deren tod wollten wir nichtmitverantworten. der rest aber, die hherebotschaftsebene, war ftir uns verantwortlichrur die politik des brd-staates, die zu vertreten und durchzusetzen ihr eigener willewar. holger meins war auch unbewaffnet, alser starb - und die anderen von uns auch , d ieim gefngnis niedergemacht werden sollten.der revolut ionre kampf ist manchmal nurein ausgleich von ungerechtigkeit. nur wern ich ts tut , kann hehre moral ische pr inzipien hochhal ten. umgekehrt war es rur uns77 im gefngnis n icht mgl ich , uns auerhalb der verantwort lichkeit fur das zu ste llen, was drauen in unserem zusammenhang geschah. das wre nur eine armseligeund orientierungslose privatmoral. die passag iere der landshut waren rur n ichts verantwortlich.

    (...)32

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    die wirkung der raf in den ersten jahren warauf die gesellschaft, vor allem den staat,uerst politisch. viel strker als das, was inden einzelnen aktionen real steckte. scWiel ich ist d ie brd ein hochorganisier tes land,das erhebliche angriffe materiell verkraftenkann. nur pol it isch eben nich t. die stammheimer gefangenen haben dazu einmalerklrt: es liegt an dem strategischenmoment der instabilitt, welches die guerilla in d ie metropolen bring t. geschicht lichwar die brd eine auengrndung der westsiegermchte nach dem 2. weltkrieg. daspolitische system nie vom volk erobert undso zu seinem eigenen gemacht, waren seineinneren tragenden sulen der antikommunismus und die konsumentenkultur. seitmitte der 60er jahre befand sich das ineinem zersetzungsproze. erst d ie spterzum staat bergelaufenen l inken mittel schich ten haben das rur sich als grundlageerneuert . dei "konsumbewute citoyenoder, wie zuletzt, die die Jaz rechts berholenden reflexe der taz gegen den zusammenbrechenden staatssozialismus. damalsaber war d ie alte form dieses dreckigen gesellschaftskitts am brckeln. die soziallibera le koal it ion tra t gegen diesen zer fa ll miteiner strategie der gesellschaftlichen grundrenovierung an. in dieser instabilen lagemute eine guer il la , die von anfang an diemachtf rage aufwarf , enorme reakt ionenhervorrufen. nach umfrageergebnissen 72tolerierte jeder 5. bundesbrger den schutzder gruppe vor verfolgung und verhaftung.jeder 7.scWo nicht aus, raf-mitglieder bernacht bei sich zu verstecken. 6 prozent bezeichneten sich als poten tiel le helfer . derstaat nahm die raf daraus gleich als potentielle brgerkriegsarmee an. mitte der 70erJahre sah herold bereits brgerkriegshnli che zus tnde auf europa zukommen. inder konfrontation 77 war von beiden seitendieses verhltnis offensiv angenommen. die

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    raf wollte e ine grundstzl iche niederlagedes staates,jener selbst nahm die offensiveso an, als sei der innere kriegskonflikt aktuell. die regierung des septembers/oktoberswar eine des ausnahmezustandes, die diepol it ischen, jur is tischen, exekutiven undkulturellen institutionen von staat undgesellschaft ihrer inneren kriegsftihrungsstra tegie unterwarf der k le ine kr isenstabund das bka wurden zur konunandozentraleder gesellschaft. (...)Postskriptum, Oktober 1997Ich habe diesen Text 1990 geschrieben.Anla war die Verhaftung von zehn ehemal igen RAF-Mitgl iedern auf dem Terri torium der alten DDR nach dem Fall derMauer. Viele von ihnen hat te ich gekanntsei t Beginn meiner mil itanten Organisierung. Sie waren, Anfang der siebziger Jahrevon der RAF mobilisiert, zunchst in derenUntersttzungsfeldaktiv, spter sind sieselbst in die Illegalitt gegangen. Nach derOffensive der RAF im Herbst 1977, in dersie alles mitgetragen haben, was sie spternicht mehr begrnden konnten, sind sie ausdem Konzept Stad tgueri lla ausgest iegenund auf Vermittlung des verbleibendenRests der Gruppe in die DDR gegangen.Nun kamen s ie zurck und wurden Kronzeugen, berlufer zur anderen Seite.Man kann sich immer damit begngen,vom Ergebnis auf den Anfang zu scWieen.Ich halte das nicht fr angebracht. DieEmanzipation verluft in Sprngen undBrchen. Sie hat keine l ineare Kausal ittwie im physikalischen Experiment. Es wreauch eine andere Entwicklung mglichgewesen, wenn. das, was man lapidar oftPoli tik nennt , n icht nur aus abstrak tenAnsprchen heraus entwickelt worden,sondern mit dem konkreten Emanzipat ionsproze der einzelnen verbunden geblieben wre. Bei denen, die der anderen

    Seite anheimgefallen sind, findet eine miglckte Befreiung ihren bewutlosen Ausdruck und wir ft jensei ts der moral ischenVerurteilung desVerrats nicht nur die Fragenach der individuellen, sondern vor al lemauch die Frage nach der allgemeinenUrsache dieser Niederlage auf Denn allewaren aufgebrochen, wei l sie mit diesemKampf eine Hoffnung tUr sich verbundenhatten.

    Am schl immsten, sagt Bloch, ist d iefalsche Erfllung, Dieser Satz kam aus derErfahrung mit der ersten, groben, verstaatl ichten Gesta lt des Sozia lismus in diesemJahrhundert . Am Ende war es eine Gesel lschaft, die auch in der Ferne keine Erfllung der Bedrfnisse des einzelnen glaubhaft mehr verheien konnte. Fr die Hlfteder I llegalen der RAF aus '77 war die Zukunft in der drgen DDR besser als dieFortsetzung eines falschen Zustands in derGruppe.1977 war das Jahr, in dem zum ScWualles taktisch wurde. Am Ende dieser Offensive hatten wi r unsere eigene politischeMoral, die Fundament eines neuen gesel lschaftlichen Aufbruchs sein sollte, in einemerheblichen Mae politisch widerlegt undentwertet . Unsere Best immungen habenden Ausnahmezustand, den wir selbst gesucht und geschaffen haben, nicht berstanden. Das machte sie auch ftirandere bedeutungslos.Verloren war damit die am Anfangvorhandene Gewiheit , im Namen der Befreiung zu operieren und so auch erkanntzu werden. Ohne diese Selbstvermittlungkann nach meiner berzeugung das Subjekt im revolutionren Kampf nicht auskommen. Es ist e ine der Ursachen, warumsich damals ein grerer Tei l der Gruppeaus dem Konzept Stadtguerilla verabschiedet hat.Es war vl lig unmglich damals , so zutun, als sei nichts Gravierendes passiert. Wir

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    htten uns besinnen mssen, warum wiraufgebrochen sind, um daran zu erkennen,was eigentlich in der fr uns wie selbstverstndlich ablaufenden Kampfdynamik geschehen ist. Statt dessen kam die Tabuisierung, fr die das verschwiegene Exi l einesTeils der Gruppe materielles Symbol ist.Glat t ver lief das die Jahre spter nich t.Immer wieder in Krisen und Konfrontat ionen kam das Ungelste aus '77 hoch.Immer wieder aber wurde esauch zurckgeste ll t im Interesse eines gemeinsamenVorgehens gegen die Haftbedingungen undin der Hoffuung, es bei e iner i rgendwannerkmpften Zusammenlegung klren zuknnen. Die Geschichte dazu will ich jetztni cht nachzeichnen. Mir liegt auch fern,e ine Zuschreibung vorzunehmen und dieGruppe in die aufzuteilen, die viel Verantwor tung fr d ie unterbl iebene Selbstreflexion hatten, und in jene, fr die dasweniger gelten wrde. In unterschiedlichenRollen waren alle daran beteiligt.Mit dem Auftauchen der ehemaligenRAF-Mitgl ieder aus der DDR war dasTa

    buisierte aus '77 mit einem Schlag wiedergegenwrtig. Aber auch nach diesen Jahrenwar die Gruppe noch nicht fhig geworden,den Widerspruch an sich heranzulassen undsich selbst zur Debatte zu ste llen . Wiederwurde zu eingebten subjektivistischen Erklrungsmustern Zuflucht genommen, diejedes weitere Nachdenken erneut als unnt ig erklr ten. Andere in der Gruppe saheneine ausreichende Erklrung dar in , da esdie falschen Leute (waren), oder nochscWichter im Ausspucken des Wortes vonden Staatsschutzprostituierten. Da diesebegriffslosen Muster auf uns selber zurckfallen muten, war den Vertretern dieserBegrndungen in ihrem blinden Abwehrref lex entgangen. Denn zur Wahrhei t gehrt , da die meisten, d ie nach '77 weitergemacht hatten , sich weder von ihrer e ige-

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    nen Mobilis ierung noch vom Alter odervon der Sozia lisa tion her wesent lich vondenen unterschieden, die in die DDR gegangen waren. Das war damals' der li nkeBereich, aus dem der bewaffuete Kampf nurentstehen konnte.

    Ich mute diesen nun in Auszgen verffentlichten Text 1990 schreiben. 13Jahrenach dem Konfl ik t von 1977 war eswie derletzte Termin, noch einmal zujener Offenheit und Radikalitt untereinander zurckzukehren, ohne die es die RAF nie gegebenhtte. Alles andere htte die Kraf t, aus derich immer gekmpft habe, aufgelst. Wirhatten keine gemeinsame Grundlage mehr.Sie war uns im Herbst 1977 abhanden gekommen, was wir ber unsere subjekt iveEntscheidung, die anderen und den Kampfnicht fallenzulassen zwar immer wiederkompensieren, aber mangels gemeinsamhergestel lter Erneuerung nicht ersetzenkonnten . So waren wir sei t 1977 poli tischnie wieder wi rklich zusammen. Der Textstellt den Versuch dar, eine Grundlage herzustellen, von der wir ohne Schuldzuweisung ber unsere Geschichte - auch ihreTragik - reden knnen. Ihn zu schreiben,hatte mir eine groe Anstrengung abgefordert. Denn da von den unmittelbarenAkteuren zu 1977, der Zeit davor unddanach, n ie wirk lich etwas gesagt wordenwar, mute ich versuchen, a lles ber michund meine eigenen Erfahrungen nachzuvollziehen. Die Solidaritt einer Reflexionbesteht dar in , uns selbst e twas erklrbar,damit auch vernderbar zu machen. Dasgehrte zur Moral der RAF, nicht vonSchuld und BezaWung auszugehen , sondern von der Vernderbarkeit des Menschenund seiner gesellschaftlichen Situation.In der Gefangenengruppe bin ich damitgescheiter t. Einmal mehr zeig te sich, daWidersprche unter uns nicht diskutierbarwaren. Es gab keine inhaltliche Auseinan-

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    dersetzung mit dem Papier. Diejenigen, die'77 drauen waren und die Zeit danachlange bestimmt hatten, reagierten mit einertotalen Abwehr, bis hin zu AusscWuwnschen und persnlichen Angriffen. Siehielten an einer falschen Anstrengung festund empfanden das Papier, in dem diese inFrage ges tellt war, offenkundig nur als Bedrohung. Gegen eine Verffentlichungwaren alle. Ich habe es damals nicht verffentlicht, weil es s ofort zum Bruch gekommen wre und weil ich auch niemandenvon seiner Geschichte enteignen wollte.Auch war ich mir sicher, da sich vieles andem Text verndern wrde, wenn wir mite inander reden knnten.

    Einer Krzung des Textes habe ich zugestimmt, weil er als Ganzes noch unter demAnspruch geschrieben worden war, da eseine Transformation der RAF in eine andere politische Gestalt geben mss e. Auch dasist eine falsche Anstrengung gewesen. Wirtreten nicht von einer Kampfstufe in dienchste. Der bergang ist nicht brucWos.Wenn wir etwas beenden, weil es falschoder untauglich geworden ist, dann mudas geschehen unabhngig von der Frage,ob wir schon einen Ersatz haben. OhnePhase der Entfremdung, in der wir uns vonb is dahin glt igen Vorste llungen lsen , wer den wir fr etwas wirklich Neues nichtoffen werden. Wichtig allein dabei ist dieErinnerung an das, was fr den altenAufbruch bedeutsam war. Dahin mssenwir zurck, von da aus kann es nur neu vorwrtsgehen.

    Karl-Heinz DellwoEs handel t s ich h ier um Margi t Schi lle r, d ienach eineinhalb Jahren Haft Anfang 1973entl assen wurde und dann mit Helmut Poh l,l lse Stachowiak und einem halben Dutzendwei terer Linker versuchte , den bewaffnetenKampf neu zu organ is ie ren . S ie s ind a ll e imFebruar 1974 in zwei Wohnungen in Frank -

    fur t und Hamburg fes tgenonunen worden .Dabei fand man Waffen, Sprengstoff undAusweispapiere.

    2 Das Heidelberger Sozia li st ische Pat ientenkollektiv (SPK) war eine anti-psychiatrischeSelbst hi lf egruppe, d ie 1970 rund 500 Mit glieder zhlte.

    Nach der Kriminalisierung des SPK gingenim Sommer 1971 e ini ge Mitgli eder , unt erande rem Margit Sch ill er , Klaus Jnschke ,Carmen Roll, Siegfried Hausner und LutzTaufer, in die Illegalitt und schlossen sich derRAF an.Vgl. Kleinkrieg gegen Patienten.AStADokumentation zur Veifolgung des SPK-Heidelberg. Heidelberg: KRRIM, Selbsrverlag fli rKrankheit 1987 (Neuauflage)

    3 Vgl. Funote 14 Holger Meins, geboren 1941, war Grn

    dungsmitglied der RAF. Gemeinsam mitAndreas Baader und Jan-Carl Raspe wurde eram l .Juni 1972 in Frank fu rt /M verhaf tet . Erstarb whrend des dri tten Hungerstreiks am9. November 1974.

    5 Die palstinensische Organisation SchwarzerSep tember g rndete s ich im Herbs t 1971.Der Name bez ieht s ich au f das Massake r desjordanischen Militrs im September 1970, beidem mehrere Tausend palstinensischeFlchtl inge ermordet wurden, die nach demisrae lisch-arabischen Sechstagekrieg nachJordanien geflohen waren. Ein Kommandodes Schwarzen Septembers berfiel whrendder Olympischen Spie le am 5 . Sep tember1972 die israelische Olympia-Mannschaft. Sietteten zwei Israelis und nahmen neun alsGeisel n, um die Frei la ssung von 200 a rab ischen Hftl ingen zu erzwingen. Die Akt ionendete in einem Blutbad, obwohl der damal ige Bundesinnenminister Gensch'er fre ienAbzug zugesagt hatte. Alle israelischen Geiseln, ftinf Mitglieder des Kommandos und einPol iz ist kamen bei der Erstrmung durch die

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    bayrische Polizei auf dem Flughafen Frstenfeldbruck ums Leben.Die RAF setzte sich in einem lngeren Papierim November 1972 ausft ih rl ich mit der Politik des Schwarzen September auseinander.VgI. Die Akt ion des Schwarzen Septemberin Mnchen. Zur Strategie des antiimperialistischen Kampfes

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    Mitten im Nebel

    Taufer befanden sich zu dieser Zeit in derJVA Bochum und wurden zwangsernhrt.Mit der Schleyer-Entfhrung trat sofort dieKontaktsperre ein, und sie wurden am 6. September nach Kln zurckverlegt.

    11Jrgen Ponto, Vorstandsvorsitzender derDresdner Bank, wurde bei einem Entfhrungsversuch in seinem Haus in Oberurselerschossen. Susanne Albrecht aus einemKommando der RAF bekannte sich zur Tat.

    12 In der Gttinger Studentenzeitung erschien am25. April 1977 unter dem Pseudonym Mescalero der sogenannte Buback-Nachruf.Darin wird einerseits Verstndnis fur dasAbleben des Generalbundesanwalts zum Ausdruck gebracht, andererseits die Politik derLiquidierung als inakzeptabel fr die Linkekritisiert. Da der Staatsschutz dies alsklammheimliche Freude sah, setzte er nachder Verffentlichung eine breite Repressionswelle in Gang. Rund dreiig Zeitschriftenwurden wegen des Nachdrucks mit ber 250Verfahren berzogen. Mehrere bekannteIntellektuelle und Professoren sahen in demArtikel jedoch einen Beitrag zur ffentlichenDiskussion und publizierten ihn ebenfalls.Nach Drohungen und Disziplinarverfahrendistanzierten sie sich jedoch mehrheitlichspter wieder vom Buback-Nachrui. Vgl.Peter Brckner (Hg.): Die Mescalero-Affre.Hannover: Internationalismus-Verlag 1979.

    13 Kurt Rebmann war als Nachfolger von Buback zwischen 1977 und 1990 Generalbundesanwalt am Bundesgerichtshof.

    14 Die Grapo (Antifaschistische Widerstandsgruppe des 1. Oktober) ist eine spanischeGuerillagruppe, zu der es seitens der RAFwhrend ihrer Phase der westeuropischenFront Mitte der achtziger Jahre Verbindungen gab.

    15 Nach der Schleyer-Entfhrung und der Aufhebung der Kontaktsperre hatten HannaKrabbe, Lutz Taufet, Bernd Rssner undKarl-Heinz Dellwo in der JVA Kln eine

    Stunde gemeinsamen Hofgang. Ansonstenwaren sie in vier verschiedenen Hafthusernisoliert. Alle vier muten sich vor und nachdem Hofgang vollstndig umkleiden, durftennichts mitnehmen und konnten gerade malim Mund ein Papier verstecken. So kam einText zustande, ein interner Kritikbrief an dieGruppe drauen, der gemeinsam abgesprochen war und den Karl-Heinz Dellwo dannformuliert hat. Dieser Text wurde bei derVerhaftung Stefan Wisniewskis im Mai 1978in Paris sichergestellt.

    16 Gemeint sind die ehemaligen RAF-Mitglieder Klaus Jnschke (von 1972 bis 1987 inHaft) und Gert Schneider (von 1977 bis 1987in Haft).