MJS France

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20 INTERNATIONALES 20 INTERNATIONALES MJS: Mouvement des Jeunes Socialistes Frankreich m Mai wählt Frankreich einen neuen Präsiden- ten, der entweder zum zweiten Mal Nicolas Sarkozy heißen wird, oder François Hol- lande, der Kandidat der Sozia- listischen Partei. In aktuellen Umfragen deutet alles auf eine Stichwahl zwischen diesen beiden hin. Weder der Rechts- extremen Marine Le Pen noch dem Linkskandidaten Jean-Luc Mélenchon wird zugetraut, in die Stichwahl zu kommen. Mit den Terroranschlägen von Tou- louse und der Ergreifung des Attentäters, dem Kontakte zu radikal-islamistischen Terror- organisationen nachgesagt wer- den, hat sich die Ausgangslage verkompliziert, wie Guillaume erläutert. Gleichzeitig sei aber noch nicht absehbar in welche Richtung das für den Wahl- kampf ausschlaggebend ist. Soziale Probleme im Mittelpunkt Den Kern der Wahlkampagne von Francois Hollande bilden soziale Themen. Etwa die ext- rem hohe (Jugend-)Arbeitslo- sigkeit vor allem in den Außen- bezirken der großen Städte, nicht leistbare Wohnräume oder mit der Krise argumentier- te und zur Umverteilung nach oben genutzte Kürzungen in den verschiedensten Bereichen sozialer Leistungen. Man könn- te ja annehmen, dass Hollan- de angesichts der miserablen Lebensstandards der untersten sozialen Schichten siegessicher in die Wahlauseinandersetzung gehen kann. Wie Guillaume aber erläutert, fühlen sich gera- de diese Schichten von der Poli- tik dermaßen im Stich gelassen, dass ihre Wahlbeteiligung ins Bodenlose sinken könnte. Die für die Koordination der Jugendkampagne verantwort- liche MJS fokussiert sich vor allem auf die Mobilisierung der ärmeren Schichten. Kür- zungen der konservativen Sar- kozy-Regierung und der Abbau regionaler Infrastruktur (von Post über Polizei bis zum Nah- verkehr) haben deren Situation schrittweise verschlechtert und zu Ausschreitungen geführt, die auch weltweit Beachtung fanden. Hollande meint, dass es kein Gerede mehr über die- se katastrophalen Zustände braucht, sondern dass die sozi- alen Verhältnisse nun verbes- sert werden müssten – etwa durch massive Investitionen in Bildung und Beschäftigung. Merkozy abwählen In Europa sorgt natürlich die durch einen Sieg Hollan- des mögliche Sprengung der konservativen Einheitsfront Merkozy für gespannte Auf- merksamkeit. Laut Guillaume verfolgt Hollande das Ziel, der europäischen Linken wieder Mut einzuhauchen. Dies äußert sich z.B. in seiner Ankündigung, den Fiskalpakt aufzuschnüren. Konkrete Ausführungen dazu sind allerdings spärlich gesät. Laut der MJS lehnt Hollande den von neoliberalen „ExpertInnen“ ausgearbeiteten Pakt bedin- gungslos ab; und fordert statt- dessen einen Pakt für Beschäf- tigung und soziale Sicherheit. Eine Nicht-Unterzeichnung des Fiskalpakts durch den zukünf- tigen französischen Präsiden- ten hätte wohl den Aufschrei der gesammelten Konservati- ven Europas zur Folge. Eine Wende in Frankreich wäre ein erster Schritt in Richtung einer stärkeren, koordinierten linken Oppositionspolitik in Euro- pa. Hollande verspricht zwar kei- ne revolutionären Umwälzungen, aber die stärkere Thematisierung sozialer Probleme, um die Umver- teilung von unten nach oben zu stoppen bzw. umzukehren und das auch auf europäischer Ebene zu diskutieren. So ernüchternd der Zustand der europäischen Linken auch ist und so unambitioniert Hol- landes Programm für Kriti- kerInnen gelten mag: Sowohl ein französischer Präsident Hollande, als auch eine auf absehbare Zeit eintretende Wende in Deutschland, nähren zumindest die Hoffnung, dass die ArbeiterInnenbewegung aus ihrem Dornröschenschlaf langsam, aber doch erwacht. Wir bleiben gespannt! Kein Heilsbringer, aber ein Schritt in eine bessere Richtung Ein erfrischend ehrliches Gespräch mit dem internationalen Sekretär der MJS France, Guillaume Renaud, über die anstehenden Wahlen in Frankreich. Quelle: www.sxc.hu, guby Deutschland: Laut allen Umfragen hat die schwarzgelbe Koaliti- on keine Mehrheit mehr in Deutschland. Die FDP, der liberale Koalitionspartner Merkels, dürfte gar aus dem Bundestag fliegen. „Merkozy“ steht für die konservative Achse Merkel-Sarkozy, die in den letzten Monaten die europäische Politik bestimmt hat. Hollande verspricht zwar keine revolutionären Umwälzungen, aber die stärkere Thematisierung sozialer Probleme, um die Umverteilung von unten nach oben zu stoppen bzw. umzukehren und das auch auf europäischer Ebene zu diskutieren. François Hollande …ist Kandidat der Parti Socialiste (PS) für die Präsidentschaftswahl. Klaus Seltenheim I

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20 INTERNATIONALES20 INTERNATIONALES

MJS:Mouvement des Jeunes

Socialistes

Frankreich

m Mai wählt Frankreich einen neuen Präsiden-ten, der entweder zum

zweiten Mal Nicolas Sarkozy heißen wird, oder François Hol-lande, der Kandidat der Sozia-listischen Partei. In aktuellen Umfragen deutet alles auf eine Stichwahl zwischen diesen beiden hin. Weder der Rechts-extremen Marine Le Pen noch dem Linkskandidaten Jean-Luc Mélenchon wird zugetraut, in die Stichwahl zu kommen. Mit den Terroranschlägen von Tou-louse und der Ergreifung des Attentäters, dem Kontakte zu radikal-islamistischen Terror-organisationen nachgesagt wer-den, hat sich die Ausgangslage verkompliziert, wie Guillaume erläutert. Gleichzeitig sei aber noch nicht absehbar in welche Richtung das für den Wahl-kampf ausschlaggebend ist.

Soziale Probleme im Mittelpunkt

Den Kern der Wahlkampagne von Francois Hollande bilden soziale Themen. Etwa die ext-rem hohe (Jugend-)Arbeitslo-sigkeit vor allem in den Außen-bezirken der großen Städte, nicht leistbare Wohnräume oder mit der Krise argumentier-

te und zur Umverteilung nach oben genutzte Kürzungen in den verschiedensten Bereichen sozialer Leistungen. Man könn-te ja annehmen, dass Hollan-de angesichts der miserablen Lebensstandards der untersten sozialen Schichten siegessicher in die Wahlauseinandersetzung gehen kann. Wie Guillaume aber erläutert, fühlen sich gera-de diese Schichten von der Poli-tik dermaßen im Stich gelassen, dass ihre Wahlbeteiligung ins Bodenlose sinken könnte.

Die für die Koordination der Jugendkampagne verantwort-liche MJS fokussiert sich vor allem auf die Mobilisierung

der ärmeren Schichten. Kür-zungen der konservativen Sar-kozy-Regierung und der Abbau regionaler Infrastruktur (von Post über Polizei bis zum Nah-verkehr) haben deren Situation schrittweise verschlechtert und zu Ausschreitungen geführt, die auch weltweit Beachtung fanden. Hollande meint, dass es kein Gerede mehr über die-se katastrophalen Zustände braucht, sondern dass die sozi-alen Verhältnisse nun verbes-sert werden müssten – etwa durch massive Investitionen in Bildung und Beschäftigung.

Merkozy abwählen

In Europa sorgt natürlich

die durch einen Sieg Hollan-des mögliche Sprengung der konservativen Einheitsfront Merkozy für gespannte Auf-merksamkeit. Laut Guillaume verfolgt Hollande das Ziel, der europäischen Linken wieder Mut einzuhauchen. Dies äußert sich z.B. in seiner Ankündigung, den Fiskalpakt aufzuschnüren. Konkrete Ausführungen dazu sind allerdings spärlich gesät. Laut der MJS lehnt Hollande den von neoliberalen „ExpertInnen“ ausgearbeiteten Pakt bedin-gungslos ab; und fordert statt-dessen einen Pakt für Beschäf-tigung und soziale Sicherheit. Eine Nicht-Unterzeichnung des Fiskalpakts durch den zukünf-tigen französischen Präsiden-ten hätte wohl den Aufschrei der gesammelten Konservati-ven Europas zur Folge.

Eine Wende in Frankreich wäre ein erster Schritt in Richtung einer stärkeren, koordinierten linken Oppositionspolitik in Euro-pa. Hollande verspricht zwar kei-ne revolutionären Umwälzungen, aber die stärkere Thematisierung sozialer Probleme, um die Umver-teilung von unten nach oben zu stoppen bzw. umzukehren und das auch auf europäischer Ebene zu diskutieren.

So ernüchternd der Zustand der europäischen Linken auch ist und so unambitioniert Hol-landes Programm für Kriti-kerInnen gelten mag: Sowohl ein französischer Präsident Hollande, als auch eine auf absehbare Zeit eintretende Wende in Deutschland, nähren zumindest die Hoffnung, dass die ArbeiterInnenbewegung aus ihrem Dornröschenschlaf langsam, aber doch erwacht. Wir bleiben gespannt!

Kein Heilsbringer, aber ein Schritt in eine bessere Richtung

Ein erfrischend ehrliches Gespräch mit dem internationalen Sekretär der MJS France, Guillaume Renaud, über die anstehenden Wahlen in Frankreich.

Quelle: www.sxc.hu, guby

Deutschland:Laut allen Umfragen hat die schwarzgelbe Koaliti-on keine Mehrheit mehr in Deutschland. Die FDP, der liberale Koalitionspartner Merkels, dürfte gar aus dem Bundestag fliegen.

„Merkozy“ steht für die konservative Achse Merkel-Sarkozy, die in den letzten Monaten

die europäische Politik bestimmt hat.

Hollande verspricht zwar keine revolutionären

Umwälzungen, aber die stärkere Thematisierung sozialer Probleme, um die Umverteilung von unten

nach oben zu stoppen bzw. umzukehren und das auch auf europäischer Ebene zu

diskutieren.

François Hollande …ist Kandidat der Parti Socialiste (PS) für die Präsidentschaftswahl.

Klaus Seltenheim

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