Mobbing im Krankenhaus Psychoterror im Berufsalltag zwingt oft zur Kündigung

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| Der Internist 10·99 M 312 M. Ludwig · D. Klingmüller Mobbing im Krankenhaus Psychoterror im Berufsalltag zwingt oft zur Kündigung ist Mobbing die Ursache. Aus dem Eng- lischen übersetzt bedeutet Mobbing „Anpöbeln, Belästigen, Schikanieren“. Der am 17. Juli 1932 in Wolfenbüttel geborene Psychologe Professor Heinz Leymann, der seit 1955 in Schweden arbeitet, entdeckte 1980 erstmals das Phänomen des Mobbings am Arbeits- platz. Konfliktbelastete Kommunikation Die Gesellschaft gegen psychosozialen Streß und Mobbing e.V. (GpSM) defi- niert Mobbing am Arbeitsplatz als eine „konfliktbelastete Kommunikation un- ter Kollegen oder zwischen Vorgesetz- ten und Untergebenen, bei der die an- Laut Statistik verbringt der Mensch im Durchschnitt ein Drittel seiner Lebens- zeit am Arbeitsplatz. Leider haben in den letzten Jahren die Konflikte am Arbeitsplatz sowohl zwischen Kollegen als auch zwischen Vorgesetzten und Untergebenen derart zugenommen, daß die Kosten zur Bekämpfung hieraus resultierender psychischer und psycho- somatischer Symptome nach einer Stati- stik der AOK Hamburg in einem Bereich von 100 Milliarden DM pro Jahr liegen. Angst als krankhaftes Symptom ist nach Meinung von Arbeitsmedizinern, Psych- iatern, Unternehmensberatern und Be- triebsräten ein alltägliches Phänomen am Arbeitsplatz und wird verursacht durch Leistungsdruck, Versagens- und Überforderungbefürchtungen. Häufig gegriffene Person unterlegen ist, von ei- ner oder mehreren anderen Personen oft, systematisch und während längerer Zeit mit dem Ziel und/oder dem Effekt des Ausstoßes direkt oder indirekt an- gegriffen wird und dies als Diskrimi- nierung empfindet“. Nach Leymann ist das Mobbing-Opfer einer von 45 krän- kenden Handlungsarten, die er unter- scheidet, mindestens einmal pro Wo- che, mindestens ein halbes Jahr lang ausgesetzt. Am Arbeitsplatz ist für die Betroffenen Mobbing zu erkennen an Schikane und Bosheit von Kolleginnen und Kollegen, oft von Vorgesetzten so- gar angestiftet oder unterstützt. Am Arbeitsplatz ist für die Betroffenen Mobbing zu erkennen an Schikane und Bosheit von Kolleginnen und Kollegen, oft von Vorgesetzten sogar angestiftet oder unterstützt. Nach einem ZDF-Bericht vom 19.3.1998 sind etwa eine Million Arbeitnehmer täglich von Attackenformen betroffen, die von ständiger Kritik, sozialer Dis- kriminierung, Rufschädigung über Iso- lation oder Angriffe auf die persönliche Gesundheit bis zur „Kaltstellung“ rei- chen. Eine aktuelle Untersuchung des Frankfurter Psychologie-Professors Die- ter Zapf zeigt, daß Mobbing am häufig- sten in Krankenhäusern stattfindet. Weitere Mobbing-Schwerpunkte sind der Polizeidienst und der Lehrerberuf. Eine Umfrage des Marburger Bund Landesverbandes Nordrhein-Westfa- len/Rheinland-Pfalz e.V. konnte offen- legen, daß sich rund 25 Prozent der Kli- nikärztinnen und -ärzte oft oder stän- dig ungerechter Kritik von Kolleginnen und Kollegen ausgesetzt sehen. Hiervon sind Assistenzärztinnen und -ärzte am meisten betroffen. Beschluß des 101. Ärztetages in Köln zu „Mißbrauch und Repression in hierarchischen Arbeitsverhältnissen“ In den Ärztekammern sollen Ansprechpartner für Mobbing-Fälle benannt werden. Diese verstehen sich zunächst als Schlichter, vertreten in ernsten Fällen den beantra- genden Arzt im Sinne der Berufsordnung.Vertraulichkeit im Kontakt mit dem Arzt wird zugesichert, solange der Betroffene es wünscht. Begründung: Die Position einzelner Ärztinnen und Ärzte in der momentanen Arbeitsmarktlage gegenüber Repressionen im Berufsalltag (insbesondere Assistenzärzte im Kranken- haus) durch Verwaltung, Chefärzte u.a. ist sehr schwach. Dr.Clade, Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 17/1998, spricht von Kuliordnung. Prof. Dr. Hoppe weist in einem Editorial des Rheinischen Ärzteblattes (5/98, Anm. d. Red.) sehr offen auf das Problem hin. Viele Kollegen bedürfen der Unterstützung und der Erfahrung, daß die Berufsordnung nicht nur ein Glaubensbekenntnis, sondern im Bedarfsfall auch konkretes Ordnungsmittel ist, eine Anlaufstelle bietet und die Chance, quantitativ zu erfassen, ob und wo gehäuft Mobbing in vermuteter Menge stattfindet oder nur Modewort ist. (Deutsches Ärztebl. 23, 5.6.1998)

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M.Ludwig · D.Klingmüller

Mobbing im KrankenhausPsychoterror im Berufsalltag zwingt oft zur Kündigung

ist Mobbing die Ursache. Aus dem Eng-lischen übersetzt bedeutet Mobbing„Anpöbeln, Belästigen, Schikanieren“.Der am 17. Juli 1932 in Wolfenbüttelgeborene Psychologe Professor HeinzLeymann, der seit 1955 in Schwedenarbeitet, entdeckte 1980 erstmals dasPhänomen des Mobbings am Arbeits-platz.

KonfliktbelasteteKommunikation

Die Gesellschaft gegen psychosozialenStreß und Mobbing e.V. (GpSM) defi-niert Mobbing am Arbeitsplatz als eine„konfliktbelastete Kommunikation un-ter Kollegen oder zwischen Vorgesetz-ten und Untergebenen, bei der die an-

Laut Statistik verbringt der Mensch imDurchschnitt ein Drittel seiner Lebens-zeit am Arbeitsplatz. Leider haben inden letzten Jahren die Konflikte amArbeitsplatz sowohl zwischen Kollegenals auch zwischen Vorgesetzten undUntergebenen derart zugenommen,daß die Kosten zur Bekämpfung hierausresultierender psychischer und psycho-somatischer Symptome nach einer Stati-stik der AOK Hamburg in einem Bereichvon 100 Milliarden DM pro Jahr liegen.Angst als krankhaftes Symptom ist nachMeinung von Arbeitsmedizinern, Psych-iatern, Unternehmensberatern und Be-triebsräten ein alltägliches Phänomenam Arbeitsplatz und wird verursachtdurch Leistungsdruck, Versagens- undÜberforderungbefürchtungen. Häufig

gegriffene Person unterlegen ist, von ei-ner oder mehreren anderen Personenoft, systematisch und während längererZeit mit dem Ziel und/oder dem Effektdes Ausstoßes direkt oder indirekt an-gegriffen wird und dies als Diskrimi-nierung empfindet“. Nach Leymann istdas Mobbing-Opfer einer von 45 krän-kenden Handlungsarten, die er unter-scheidet, mindestens einmal pro Wo-che, mindestens ein halbes Jahr langausgesetzt. Am Arbeitsplatz ist für dieBetroffenen Mobbing zu erkennen anSchikane und Bosheit von Kolleginnenund Kollegen, oft von Vorgesetzten so-gar angestiftet oder unterstützt.

Am Arbeitsplatz ist für die BetroffenenMobbing zu erkennen an Schikane undBosheit von Kolleginnen und Kollegen,oft von Vorgesetzten sogar angestiftetoder unterstützt.

Nach einem ZDF-Bericht vom 19.3.1998sind etwa eine Million Arbeitnehmertäglich von Attackenformen betroffen,die von ständiger Kritik, sozialer Dis-kriminierung, Rufschädigung über Iso-lation oder Angriffe auf die persönlicheGesundheit bis zur „Kaltstellung“ rei-chen. Eine aktuelle Untersuchung desFrankfurter Psychologie-Professors Die-ter Zapf zeigt, daß Mobbing am häufig-sten in Krankenhäusern stattfindet.Weitere Mobbing-Schwerpunkte sindder Polizeidienst und der Lehrerberuf.

Eine Umfrage des Marburger BundLandesverbandes Nordrhein-Westfa-len/Rheinland-Pfalz e.V. konnte offen-legen, daß sich rund 25 Prozent der Kli-nikärztinnen und -ärzte oft oder stän-dig ungerechter Kritik von Kolleginnenund Kollegen ausgesetzt sehen. Hiervonsind Assistenzärztinnen und -ärzte ammeisten betroffen.

Beschluß des 101. Ärztetages in Köln zu „Mißbrauch und Repressionin hierarchischen Arbeitsverhältnissen“

In den Ärztekammern sollen Ansprechpartner für Mobbing-Fälle benannt werden.Diese verstehen sich zunächst als Schlichter, vertreten in ernsten Fällen den beantra-genden Arzt im Sinne der Berufsordnung.Vertraulichkeit im Kontakt mit dem Arztwird zugesichert, solange der Betroffene es wünscht.

Begründung:Die Position einzelner Ärztinnen und Ärzte in der momentanen Arbeitsmarktlagegegenüber Repressionen im Berufsalltag (insbesondere Assistenzärzte im Kranken-haus) durch Verwaltung, Chefärzte u.a. ist sehr schwach.Dr. Clade, Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 17/1998, spricht von Kuliordnung.Prof. Dr. Hoppe weist in einem Editorial des Rheinischen Ärzteblattes (5/98, Anm.d. Red.) sehr offen auf das Problem hin.Viele Kollegen bedürfen der Unterstützung und der Erfahrung, daß dieBerufsordnung nicht nur ein Glaubensbekenntnis, sondern im Bedarfsfall auchkonkretes Ordnungsmittel ist, eine Anlaufstelle bietet und die Chance, quantitativ zuerfassen, ob und wo gehäuft Mobbing in vermuteter Menge stattfindet oder nurModewort ist.

(Deutsches Ärztebl. 23, 5.6.1998)

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gin das Angebot des Chefs an. Ihre Ar-beitszeit gestaltete sich nun so, daß sieum 8.00 Uhr früh die Klinik betrat undum 21.00 Uhr ihre Arbeitsstätte wiederverließ. Neben ihrer Tätigkeit auf einerStation wurde von ihr gefordert, daßsie selbst sämtliche Arztbriefe mittelsComputer abfaßte und an die überwei-senden Kollegen verschickte. Alleindiese Aufgabe nahm einen großen Teilihrer Freizeit in Anspruch. Nach eini-ger Zeit bat die Kollegin um eine Ver-besserung ihrer Arbeitssituation. IhrVorgesetzter reagierte mit Verständ-nislosigkeit und argumentierte, er ha-be früher auch umsonst und zu we-sentlich schwierigeren Bedingungenarbeiten müssen. Die sehr fleißige undfachkompetente Kollegin bewarb sichdrei Monate vor Beendigung ihres Ar-beitsvertrages beim Personaloberarztihrer Klinik um die Übernahme in eineVollbeschäftigung als Assistenzärztin.Bis zu dem Tag vor Ablauf ihrer AiP-Anstellung bekam sie trotz mehrererNachfragen keine Antwort. Dannmachte man ihr wiederum das Ange-bot einer Halbtagsstelle mit ganztägi-ger Beschäftigung.Deprimiert wies dieAssistentin diese Offerte zurück undverließ die Klinik.

● Einspareffekte in einer Universitäts-klinik hatten zur Folge, daß die Arzt-briefe stationärer Patienten von denjeweiligen Stationsärztinnen und-ärzten per Computer selbst geschrie-ben werden mußten. Statt einem etwazehnminütigem Diktat erfordertedies jetzt pro Arztbrief einen Zeitauf-wand von rund 1 1/4 Stunden. Der As-sistentensprecher mahnte diese Zu-stände bei seinem Klinikdirektor an.Dieser zeigte hierfür wenig Verständ-nis und bat darum, daß die Betroffe-nen ihr Problem schriftlich darlegenund ihm persönlich vorlegen sollten.

● Das wiederholt öffentlich formulierteFührungsprinzip eines Klinikdirek-tors war, jede Kollegin oder jeden Kol-legen der Klinik gleich schlecht zu be-handeln, um niemanden zu bevorzu-gen. Dies verleitete einen leitendenOberarzt und Leistungsträger der Kli-nik zur Kritik, indem er vorschlug,das Führungsprinzip der Klinik da-hingehend zu ändern, jede oder jedender Klinik gleich gut zu behandeln.Wegen dieser Bemerkung wurde derOberarzt von seinem Vorgesetztenvor Kollegen als ständiger Meckerer

Informationen bewußt einschränkenund selektieren, das Mobbing-Opfervon seiner Umwelt nicht nur persön-lich, sondern auch räumlich ausge-grenzt wird, Entscheidungen der Be-troffenen vor der Öffentlichkeit bezwei-felt und Gerüchte verbreitet werden.

Durch die ständige Demontage desSelbstbewußtseins des Mobbing-Opfersund indem sich die Umwelt zunehmendvon diesem mit der Begründung di-stanziert, der oder die Betroffene sei imUmgang schwierig und nicht koopera-tions- oder konsensfähig, wird dasMobbing-Opfer innerhalb kurzer Zeitzum Außenseiter und zur Problemper-son gemacht. Es kommt zu einer weite-ren Verbreitung der Rufschädigung.

Mobbing macht krank

Mobbing führt nicht nur zur Entwick-lung von Angstzuständen, sondern hatauch die Ausbildung psychosomatischerKrankheitsbilder, wie Schlafstörungen,Hypertonie, Herzschmerzen, Magen-und Darmentzündungen, gastrointesti-nale Geschwüre, anhaltende Muskelver-spannungen, Körperfehlhaltungen so-wie Wirbelsäulen- und Gelenkerkran-kungen zur Folge. Durch den chroni-schen Streß können Immunschwächen,Allergien und die mögliche Ausbildungbösartiger Tumore verstärkt werden.Die genannten psychischen und körper-lichen Schädigungen führen beim Mob-bing-Opfer zu einer Zunahme vonKrankmeldungen. Dies kann arbeits-rechtlich Maßnahmen zur Folge haben.

Die Ausgrenzung am Arbeitsplatzhat beim Mobbing-Opfer nicht nurAuswirkungen auf dessen psychosoma-tisches Befinden, sondern beeinflußtauch sein familiäres Umfeld. Ehepart-ner erkennen oft nicht die tatsächlichauslösende Ursache und trennen sich –von familiären Konflikten entnervt –von der betroffenen Person.

Im folgenden werden einige Bei-spiele von Mobbing im Krankenhausdokumentiert:

● Eine Ärztin im Praktikum erhielt einebezahlte Halbtagsstelle an einer Klinik.Sie wurde aber gebeten, ganztags zuarbeiten, damit man ihr auch ein Wei-terbildungszeugnis über eine ganztä-gige Ausbildung ausstellen könne. InAnbetracht der schwierigen Situationauf dem Arbeitsmarkt nahm die Kolle-

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Pra

xis

BDI

Hauptursachen von Mobbing● organisatorische Mängel am

Arbeitsplatz● Führungsschwäche der

Vorgesetzten● soziale Stellung der Betroffenen● mangelnde Ethik und Moral am

Arbeitsplatz

Auch an Unis wird es eng

Der Abwärtstrend auf dem Arbeits-markt ist auch an deutschen Hochschu-len zu beobachten. Während im Jahr1993 ein regelrechter Boom von C3- undC4-Stellenausschreibungen verzeichnetwerden konnte, hat die Gesamtanzahlder Ausschreibungen für C3/C4-Profes-suren im Jahr 1997 gegenüber 1993 um48 Prozent abgenommen. Dies ent-spricht einer Halbierung der Vakanzenvon Professuren. Für die Fächer Medi-zin und Zahnmedizin betrug 1993 dieAnzahl der C3- und C4-Ausschreibun-gen 362, im Jahr 1997 nur noch 207. Diesentspricht einem Rückgang medizini-scher C3/C4-Stellen um 57 Prozent in-nerhalb von vier Jahren. Konflikte inder Arbeitswelt der Hochschullehrer,die überwiegend den jungen Nach-wuchs betreffen, sind aufgrund dieserZahlen geradezu vorprogrammiert.

Während das Persönlichkeitsprofilderjenigen Personen, die Mobbing aus-üben, einigermaßen klar definiert wer-den kann, ist das Persönlichkeitsprofilder Mobbing-Opfer schwer zu charak-terisieren. Anders formuliert: Jeder vonuns kann Opfer des Mobbings werden,aber nicht jeder kann Mobbing-Täterwerden.

Jeder von uns kann Opfer des Mobbingswerden, aber nicht jeder kann Mob-bing-Täter werden.

Zunächst erkennt das Mobbing-Opfermeist nicht den schleichenden Aus-grenzungsprozeß, dem es in der Ar-beitswelt ausgesetzt ist. Feindselige Re-aktionen von Kolleginnen und Kolle-gen oder Vorgesetzten nimmt die oderder Betroffene zunächst mit Irritatio-nen auf und vermag die Konflikte nichtzu verarbeiten. Die ständige Konfliktsi-tuation am Arbeitsplatz artet in Psy-chostreß aus. Dieser Prozeß kann sichbeschleunigen, wenn Vorgesetzte ihre

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tituliert. Er drohte ihm, die „Daumen-schrauben“ anzulegen. Seit dieserZeit wurde der Oberarzt vom Klinik-direktor ignoriert. In der Durchfüh-rung seiner Weiterbildungsermächti-gung wird der Kollege seitdem behin-dert. Seine Anträge zur Apparateaus-stattung, Personalbesetzung oderRaumausstattung fanden keine Reso-nanz. Bei statistisch gleichbleibenderZahl der durch den Oberarzt persön-lich behandelten Privatpatienten ver-ringerte der Klinikdirektor seine Ab-gaben an den Kollegen innerhalb derfolgenden drei Jahre um 75 Prozent.

● In einem ZDF-Fernsehbericht be-klagte sich ein Oberarzt aus Berlinüber Unterstellungen seines Chefs, erwürde seine Arbeitszeit nicht einhal-ten. Diese Unterstellungen haben denBetroffenen stark gekränkt. „ZumSchluß wurde es unfair. Da wurde eineKollegin gebeten zu notieren, wannich komme und gehe.“

● Ein internistischer Chef einer Reha-Klinik, deren Belegung aufgrund dergesundheitspolitischen Situation vonReha-Krankenhäusern rückläufig war,wurde von Mitgliedern des Klini-schen Vorstands wiederholt hierfürpersönlich verantwortlich gemacht.Man warf ihm unberechtigt wieder-holtes Fehlverhalten gegenüber Pati-enten vor. Zurückgekehrt von einemUrlaub fand der Chefarzt-Kollege inseinem Briefkasten ein Schreiben desVerwaltungsrates, in dem ihm diefristlose Kündigung mit Hausverbotausgesprochen wurde.

kennen, den Tatbestand publik machenund sich offensiv zur Wehr setzen. Hier-für muß die Angst vor Repression un-bedingt überwunden werden. Beson-ders wichtig ist die Vorbereitung sowiedie Durchführung eines geeignetenKonfliktgesprächs. In diesem Zusam-menhang sollte sich das Mobbing-Op-fer folgende Fragen stellen:

1. Welches ist die Mobbing-Ursache?2. Welchen kränkenden Handlungen

bin ich ausgesetzt?3. Wer ist Mobbing-Täter?4. Gibt es mehrere Mobbing-Täter?5. Ist die Toleranzgrenze erreicht?6. Besteht die Aussicht der Konfliktlö-

sung durch ein Gespräch?7. Welches sind die Ziele des Konflikt-

gesprächs?8. Welche neutrale Person soll zu die-

sem Gespräch hinzugezogen werden?9. An welchem Ort und zu welchem

Zeitpunkt sollte das Konfliktge-spräch stattfinden?

● Hierarchische Personalstruktur inKrankenhäusern

● Steigende Arztdichte in Deutsch-land (Höchststand am 31.12.1997:350.854 registrierte Ärztinnen undÄrzte) mit der Folge des gesteiger-ten Konkurrenzkampfes unterKolleginnen und Kollegen

● Unterschreitung des Tarifniveaus:– Einstellung von Halbtagskräften,

deren Arbeitszeit vom Vorgesetztenauf ganztags bei fehlender finanziel-ler Kompensation ausgeweitet wird

– Einstellung kostenloser ärztlicherMitarbeiterinnen und Mitarbeiter

● Zunehmende Arbeitslosigkeit(Anstieg der Arbeitslosigkeit imZeitraum 1996–1997 um 30 Pro-zent) durch Abbau von Arztstellenim Krankenhaus (1996 hatte jedes3. Haus offene Arztstellen zeitweisenicht besetzt) und durch Schlie-ßung von Reha-Krankenhäusern

Auf den Arztberuf übertragen könnenfolgende Gründe für Mobbing ange-führt werden:

● Zunahme des Arbeitsaufwandesunter Krankenhausärzten durch:

– kürzere Verweildauer von Patientenim Krankenhaus

– Verlagerung von Aufgaben, die inden Kompetenzbereich des Pflege-dienstes gehören, auf Ärztinnenund Ärzte

– zunehmende, zum Teil nicht plausi-ble Dokumentationsflut

● Hohes Überstundenpotential beifehlendem finanziellen Ausgleichoder Freizeitausgleich (durchschnitt-lich 8,46 Überstunden pro Woche)

Jeder kann betroffen sein

Die Beispiele zeigen, daß in den hierar-chischen medizinischen Strukturen jedeKollegin oder jeder Kollege von Mob-bing betroffen sein kann. Aus dem Ar-beitsrecht ist bekannt, daß im fortge-schrittenen Fall Mobbing fast immer mitdem Ausschluß aus dem Arbeitslebenendet. Häufig kündigt der oder die Be-troffene selbst, oder die Kündigung wirdvom Arbeitgeber eingeleitet. Um gegenMobbing rechtlich einzuschreiten, mußdie oder der Betroffene selbst Strafan-trag stellen (z.B. wegen übler Nachredeund Verleumdung oder wegen vorsätzli-cher oder fahrlässiger Körperverletzungbei schweren Gesundheitsschäden). DieGerichtsverfahren sind aber meist so ko-sten-, nerven- und zeitintensiv, daß dasMobbing-Opfer diese Belastung scheutund Abstand von rechtlichen Mittelnnimmt. In diesem Zusammenhang istaber besonders darauf hinzuweisen, daßgerade der Arbeitgeber eine gesetzlichvorgeschriebene Fürsorgepflicht hat, dieauch beinhaltet, Mobbing zu verhindernoder dagegen einzuschreiten.

Wie kann Mobbing verhindertwerden?

Wichtig ist, daß die vom Mobbing Be-troffenen dies so früh wie möglich er-

Persönlichkeitsprofildes Mobbing-Täters:

● Mangel in der Personalführung● Mangelndes Selbstbewußtsein● Mangelnde Bereitschaft zur

Konfliktlösung● Suche nach einem Sündenbock● Charakterschwache Person

Hilfsgruppen und Ansprechpartner

Mobbing-Beratung der ÄrztekammerNordrhein: Ansprechpartner: Frau Dr.Hefer,Tel.: 0211/4302-504 oder FrauDr. Levartz Tel.: 0211/4 302-216.Verein gegen psychosozialen Streßund Mobbing e.V., Kemmelweg 10,65191 Wiesbaden,Tel.: 0611/541737,0611/95703 81, 0172/6133857, Fax:0611/9570381.Netzwerk der Mobbing-Selbsthilfe-gruppen, Adresse und Telefonnum-mern siehe oben unter:Verein gegenpsychozialen Streß und Mobbing e.V.

Priv.-Dozent Dr. Malte M. LudwigLeiter der angiologischen Funktionseinheitder Med. Poliklinik der Universität Bonn

Prof. Dr. Dietrich KlingmüllerLeiter der Endokrinologie des Instituts fürklinische Biochemie an der Universität Bonn