Morbus Parkinson - FOMT · PhysiotheraPie med 4 | 2009 | | special special rem sozialem alltag...

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PHYSIOTHERAPIE med 4 | 2009 | | special von Volker Sutor, Frank Diemer Morbus Parkinson Teil III Hilft Krafttraining? Einführung Haben Parkinson-Patienten Kraftdefizite und lassen sich die- se Defizite durch Krafttraining verringern? Werden Alltags- probleme (Aktivität und Partizipation) durch ein Kraftdefizit mit verursacht und können diese Schwierigkeiten in der Be- wältigung des Alltags (Sturzgefahr, langsamer Gang, etc.) durch bessere Kraftwerte kompensiert werden, oder kommt es sogar zu einer Verschlechterung der Symptomatik? Dies sind Fragen, die sich Patienten und Therapeuten immer wie- der stellen, wenn sie physiotherapeutische Maßnahmen be- kommen oder durchführen. Verschiedene Studien zeigen mehr oder weniger große Kraftdefizite bei Parkinson-Patienten (Schilling 2009, Paasu- ke 2002, 2004, Pedersen 1997, 1993, Inkster 2003), welche auch im Zusammenhang mit Einschränkungen im täglichen Leben zu sehen sind (Robinson 200, Brod 1998, Bridge- water 1997, Yanangawa 1990). Kraftdefizite sind, neben der Erkrankung und der daraus folgenden Schonung, abhängig von der Dauer der Erkrankung und der Medikamentenein- nahme. In Off-Phasen sind die Kraftdefizite deutlicher zu er- kennen (Quelle). Besonders das erschwerte Gehen und die erhöhte Sturz- gefahr macht den Patienten auch im Bereich der Partizipati- on zu schaffen. Dadurch ziehen sich viele Patienten aus ih- Zusammenfassung: Krafttraining bei M. Parkinson ist ein umstrittenes Thema. Immer wieder wird ohne Kenntnis der Lite- ratur behauptet, Krafttraining sei schädlich für betroffene Personen. Diese Aussagen basieren meist auf persönlichen Er- fahrungen und veralteten, theoretischen Hypothesen. Durch aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen lassen sich diese Aussagen nicht bestätigen. Ganz in Gegensatz dazu scheint ein Krafttraining ein vielversprechender Behandlungsansatz zu sein, dem man mehr Aufmerksamkeit schenken sollte. Bekannter weise führen Kraftdefizite zu Alltagseinschränkungen, die in einem Teufelskreis mit Rückzug und erhöhter Sturz- gefahr, verringerter Leistungsfähigkeit und Depressionen enden können. Diesem Teufelskreis kann nur mit einer adäquaten Therapie entgegengewirkt werden. Neben den unverzichtbaren Medikamenten (Klockgether 2003), haben sich in den letz- ten Jahren verschiedene Behandlungsabsätze als hilfreich heraus kristallisiert (Kuan 200, De Goede 2001, Miyai 2002, Nieuwbooer 2002, Snyder 200, Kwakkel 2007). Krafttraining scheint einer dieser möglichen Ansätze zu sein, die in den nächsten Jahren weiter intensiv untersucht werden sollten, um optimale Ergebnisse für die betroffenen Menschen zu errei- chen. Schlüsselwörter: Krafttraining / M. Parkinson / Sturzgefahr

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von Volker sutor, Frank Diemer

Morbus ParkinsonTeil III – Hilft Krafttraining?

einführung

haben Parkinson-Patienten Kraftdefizite und lassen sich die-se Defizite durch Krafttraining verringern? Werden alltags-probleme (aktivität und Partizipation) durch ein Kraftdefizit mit verursacht und können diese schwierigkeiten in der Be-wältigung des alltags (sturzgefahr, langsamer Gang, etc.) durch bessere Kraftwerte kompensiert werden, oder kommt es sogar zu einer Verschlechterung der symptomatik? Dies sind Fragen, die sich Patienten und therapeuten immer wie-der stellen, wenn sie physiotherapeutische Maßnahmen be-kommen oder durchführen.

Verschiedene studien zeigen mehr oder weniger große Kraftdefizite bei Parkinson-Patienten (schilling 2009, Paasu-ke 2002, 2004, Pedersen 1997, 1993, inkster 2003), welche auch im Zusammenhang mit einschränkungen im täglichen Leben zu sehen sind (robinson 200�, Brod 1998, Bridge-water 1997, yanangawa 1990). Kraftdefizite sind, neben der erkrankung und der daraus folgenden schonung, abhängig von der Dauer der erkrankung und der Medikamentenein-nahme. in off-Phasen sind die Kraftdefizite deutlicher zu er-kennen (Quelle).

Besonders das erschwerte Gehen und die erhöhte sturz-gefahr macht den Patienten auch im Bereich der Partizipati-on zu schaffen. Dadurch ziehen sich viele Patienten aus ih-

Zusammenfassung: Krafttraining bei M. Parkinson ist ein umstrittenes thema. immer wieder wird ohne Kenntnis der Lite-ratur behauptet, Krafttraining sei schädlich für betroffene Personen. Diese aussagen basieren meist auf persönlichen er-fahrungen und veralteten, theoretischen hypothesen. Durch aktuelle wissenschaftliche Untersuchungen lassen sich diese aussagen nicht bestätigen. Ganz in Gegensatz dazu scheint ein Krafttraining ein vielversprechender Behandlungsansatz zu sein, dem man mehr aufmerksamkeit schenken sollte.Bekannter weise führen Kraftdefizite zu alltagseinschränkungen, die in einem teufelskreis mit rückzug und erhöhter sturz-gefahr, verringerter Leistungsfähigkeit und Depressionen enden können. Diesem teufelskreis kann nur mit einer adäquaten therapie entgegengewirkt werden. Neben den unverzichtbaren Medikamenten (Klockgether 2003), haben sich in den letz-ten Jahren verschiedene Behandlungsabsätze als hilfreich heraus kristallisiert (Kuan 200�, De Goede 2001, Miyai 2002, Nieuwbooer 2002, snyder 200�, Kwakkel 2007). Krafttraining scheint einer dieser möglichen ansätze zu sein, die in den nächsten Jahren weiter intensiv untersucht werden sollten, um optimale ergebnisse für die betroffenen Menschen zu errei-chen.Schlüsselwörter: Krafttraining / M. Parkinson / sturzgefahr

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rem sozialem alltag zurück und es kommt zu einem teufels-kreis mit schonung und weiterem Kraftverlust.

Parkinson-Patienten erleben, neben ihrer neurodegene-rativen erkrankung, auch den normalen altersprozess nega-tiv; dies führt häufig zu einem rückzug und einer abnahme der körperlichen Leistungsfähigkeit.

38% der Parkinson-erkrankten stürzen, von denen 13% mehr als einmal die Woche fallen. Manche berichten sogar von mehreren stürzen täglich, wobei nicht wenige davon mit schwerwiegenden Verletzungen, wie z.B. schenkelhalsfrak-turen enden.

Verschiedene autoren (Wolfson 199�, Day 2002) konn-ten bei geriatrischen Personen aufzeigen, dass verringer-te Kraftwerte der unteren extremität, besonders der Plan-tarflexoren, mit einer erhöhten sturzgefahr und einer gerin-geren Ganggeschwindigkeit einhergehen. Bei Parkinson-Betroffenen lassen sich reduzierte Kraftwerte der sprung- und Kniegelenke feststellen (Nogaki 1999, 2001, Peder-sen 1993, saltin 197�), welche bei höheren Bewegungsge-schwindigkeiten noch deutlicher werden (Nogaki 1999, Ka-kinuma 1998).

Bei Morbus Parkinson-erkrankten zeigen studien zu-dem auf, dass Zusammenhänge zwischen verringerter Kraft der unteren extremität und dem Gleichgewicht, der Gangge-schwindigkeit und auch der Knochendichte vorliegen (Pang 2009, robinson 200�, Nallegowda 2004, Glendinning 1994, 1997). Die Kraftdefizite waren besonders während der off-Phasen deutlicher zu erkennen (Nallegowda 2000) (abb. 1).

Muskelaktivierung zeigen (besonders mit geschlossenen augen), welches auf einen uneffektiven einsatz der Musku-latur und einer schnelleren ermüdung hin deutet.

hinsichtlich der Kraftentwicklungsgeschwindigkeit bei verschiedenen Kraftstufen (Zeit bis zur entwicklung von 1�%, 3�% und ��% der Maximalkraft) und der Kraftwerte bei verschiedenen Geschwindigkeiten (isokinetische Kraft-messung bei unterschiedlichen Winkelgraden) ist ein Defi-zit im Vergleich zu gleichaltrigen, gesunden Personen zu er-kennen (Park 2007, Nogaki 1999; abb. 2).

Beim aufstehen von einem stuhl gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen geringeren Kraftwerten der un-teren extremität (extensorenkette) und der Zeit, die dafür benötigt wird (Paasuke 200�). Vom Bewegungsablauf ver-suchten die Parkinson-Patienten die geringere Kraft der un-teren extremität durch vermehrtes einsetzen der hüftstrate-gie (Vorlehnen des oberkörpers) zu kompensieren (inkster 2004), was aber wiederum nur durch vermehrten Krafteinsatz der unteren extremität gelingen kann. auch ramsey (2004) und Mak (2003) stellen diese Veränderungen beim aufste-hen durch veränderte strategien bzw. Kraftwerte fest.

auch für die atemmuskulatur zeigen Untersuchungen Veränderungen bei Parkinson-Patienten. haas (2004) stell-te bei �� leicht bis mittel betroffenen Patienten im Vergleich zu 32 gesunden Kontrollpersonen eine signifikante Verän-derung der atemmuskulatur fest. so waren die Betroffenen bei der Druckausübung während des ausatmens signifikant schwächer (P<0,0�; siehe abb. �). Die Kraft beim ausatmen korreliert mit der Laktatschwelle, mit dem ergometerstufen-test und den hoehn & yahr-stufen.

Diese Verringerung der Kraft führt aber im normalen all-tag, der wahrscheinlich unterhalb der anaeroben schwelle absolviert wird, zu keinerlei einschränkungen. trotzdem ist nicht auszuschließen, dass diese abschwächung im Verlauf der erkrankung zu einer weiteren negativen anpassung der ausdauerleistung führt, welche dann auch einen negativen effekt auf den alltag haben könnte. Konsekutiv kann man da-von ausgehen, dass Parkinson-Patienten früh ein intensives

abb. 1: Vergleich der relativen Kraft pro Kilogramm Körpergewicht der Beinstrecker bei Parkinsonerkrankten und einer gesunden Kontrollgruppe. Die Unterschiede sind signifikant (29,4 +-12,1 zu 41,0 +-1�,2; schilling 2009).

abb. 2: Zeit in ms bis zur entwicklung einer Kraft. Parkinson-Pa-tienten zeigen eine verzögerte Kraftentwicklung, die bei höheren Kraftwerten deutlicher wird. (Park 2007)

Pedersen (1997) stellt darüber hinaus fest, dass Parkin-son-Patienten ein deutlich geringeres Geschwindigkeitsma-ximum haben und im alltag langsamer laufen. Die schritt-länge, als auch die einbeinstandphase, sind verkürzt. Diese auffälligkeiten stehen in direktem Zusammenhang mit den Kraftwerten der unteren extremität.

Bosek (200�) zeigt, dass bei Gleichgewichtsanforde-rungen Parkinson-Betroffene deutlich mehr stochastische

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ausdauerprogramm absolvieren sollten, um keine abschwä-chung der atemmuskulatur zu erhalten. im Zuge der atem-therapie sollte daher eine Verbesserung der atemmuskula-tur erzielt werden, welches wahrscheinlich nicht mit konven-tionellen atemtherapeutischen techniken erreicht werden kann. Koseoglu (1997) konnte durch ein spezielles atem-muskeltraining eine Verbesserung einiger Parameter entde-cken (atemvolumen, Belastungsfähigkeit, subjektive Belast-barkeit). Diese hypothesen sollten in weiteren studien be-legt werden.

scandalis (2001) ging der Frage nach, ob Parkinson-Pa-tienten durch ein Krafttraining Verbesserungen der Kraft-werte erreichen können und verglich diese mit Nichtbetrof-fenen. 11 Patienten und 8 gesunde Kontrollpersonen und führten ein achtwöchiges Krafttraining der unteren extre-mität durch (2x die Woche). Für alle Übungen (Beinpresse, Beinstrecker, Beinbeuger, Crunches, Wadenheber) wurden nur eine satz mit jeweils 12 Wiederholungen durchgeführt. Konnten die 12 Wiederholungen erreicht werden, steigerte man das Gewicht. Die Pausenzeit betrug zwei Minuten. Kon-trolliert wurden die Widerstandsveränderungen sowie quan-titative Gangparameter (schrittlänge, Ganggeschwindigkeit, Gleichgewicht).

Die Patienten konnten gleiche Kraftverbesserungen wie die Kontrollgruppe erreichen (abb. 3).

Bei der Ganganalyse kam es zu Verbesserungen der Ganggeschwindigkeit, der schrittlänge und der Gleichge-wichtswerte, die nach dem training annähernd den Werten der gesunden Probanden vor dem training nahe kamen.

Dibble (200�) führte einen Vergleich zwischen einer stan-dardtherapie mit und ohne einem speziellen exzentrischen training auf einem Fahrrad durch. Nach 12 Wochen mit je-weils drei therapien pro Woche waren sowohl das Quadri-cepsvolumen, die Kniestreckerkraft, der �-Minute Walk, als auch das treppensteigen in der exzentrischen trainings-gruppe verbessert (abb. 4).

hirsch (2003) verglich ein reines Gleichgewichtstrai-ning mit einem kombinierten training aus Gleichgewichtsü-bungen und Krafttraining. 1� Patienten wurden zufällig in di-ese zwei Gruppen eingeteilt. es wurde ein 10-wöchiges trai-ningsprogramm, 3x die Woche durchgeführt. Das Krafttrai-ning bestand aus drei Übungen (Kniestrecker und -beuger, Plantarflexoren) an Geräten, wobei die ersten zwei Wochen mit 12 Wiederholungen geübt wurde und ab der 3. Woche mit nur noch 4 Wiederholungen. Jede Wiederholung dau-erte � – 9 sekunden. Nach jedem satz wurde zwei Minuten Pause gemacht.

Das Gleichgewichtstraining dauerte pro einheit 30 Mi-nuten, wobei auf dem Boden und instabilen Unterlagen, mit offenen und geschlossenen augen, sowie mit Kopfbewe-gungen geübt wurde. Beide Gruppen erhielten genau das gleiche Programm. hirsch kam zu drei hauptergebnissen:• Gleichgewichtstraining kann das Gleichgewicht verbes-

sern, wobei das Krafttraining diesen effekt verstärkt.• Beide Maßnahmen konnten die Fallhäufigkeit verringern

(Zeit bis zum nächsten sturz wurde größer).• Kraft wurde in beiden Gruppen größer, wobei die kom-

binierte Gruppe signifikant höhere Zuwächse erreichen konnte (�2% zu 9%). Diese effekte hielten auch ohne wei-teres training vier Wochen an (abb. �).

abb. 3: Veränderungen der Kraft vor und nach einem Krafttraining bei Gesunden und Parkinson-Patienten (scandalis 2001).

abb. 4: Distanz in Metern beim �-Minute-Walk vor und nach einem exzentrischen training oder einer standardtherapie. Patienten konnten signifikant mehr Meter in sechs Minuten nach einem ex-zentrisch betontem training gehen (Dibble 200�)

abb. �: Kraftveränderungen der unteren extremität nach einem Kraft-training (Knieextensoren, Knie-, Plantarflexoren; hirsch 2003).

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Bridgewater (1997) untersuchte die auswirkungen eines 12-wöchigen Übungsprogrammes, wobei der schwerpunkt des trainings auf der ausdauer, sowie rumpfkräftigungen lag. 2� leicht betroffene Parkinson-Patienten (hoehn und yahr stadium i und ii) wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Nur eine Gruppe führte die Übungen durch, die andere Grup-pe wurde alle drei Wochen zu einem Gespräch geladen.

Ziel dieser studie war es nicht, gezielt alltagsfunktionen zu verbessern, sondern aufzuzeigen, dass ein spezielles Übungsprogramm, welches auch Krafttraining enthält, kei-nen negativen effekt auf die Gesamtkonstitution des Pati-enten hat.

Kontrollparameter waren die rumpfkraft, die Beweglich-keit sowie drei verschiedene skalen für Parkinson-Patienten (Webster rating scale, Northwestern University Disability scale, Maximal activity score). Bei den skalen war keine Veränderungen zu erkennen, wobei dies am komplexen auf-bau der skalen liegen könnte, welche viele Parameter ent-halten, die sich durch ein Kraftraining des rumpfes nicht be-einflussen lassen (z.B. sprache).

Bei der isometrischen Kraftentwicklung kam es zu einer signifikanten Zunahme der trainingsgruppe, welche auch im Vergleich zur Kontrollgruppe zu erkennen war. so verbes-serte sich die rumpfkraft folgendermaßen:• Flexion: 18,7%• extension: 20,7%• seitneigung rechts: 30,8%• seitneigung links: 49,2%

Bei der maximalen Bewegungsgeschwindigkeit (gegen ein vorgegebenes Gewicht) kam es zu noch deutlicheren Veränderungen:• Flexion: 38,7%• extension: 27,1%• seitneigung rechts: �8,9%• seitneigung links �4,2%

interessanterweise schwächt nicht nur die streckerkette ab, sondern auch die flektierenden Bauchmuskulatur. Bei hö-heren Geschwindigkeiten war das Defizit hier sogar größer. selbst wenn Parkinson-Patienten sehr flektiert gehen und wirklich eine verkürzte Bauchmuskulatur aufweisen, heißt das noch lange nicht, dass diese Muskeln ausreichend trai-niert sind. Dies wurde schon bei vielen anderen Pathologien nachgewiesen (Cools 200�, elliot 200�, Dangaria 1998).

Crizzle (200�) konnte in einem Literaturreview sieben studien identifizieren, die sich ausschließlich mit Parkinson-Patienten beschäftigten und körperliche aktivitäten als in-tervention benutzten. Falvo (2008) fand weitere fünf studi-en, bei denen Krafttraining als intervention genutzt wurde (siehe tabelle).

schlussfolgerungen aus diesen Übersichten war, dass das Fehlen von körperlicher Betätigung auf jeden Fall zu ei-ner einschränkung der Lebensqualität führt. Bewegung ist für Parkinson-Betroffene, besonders in den frühen stadien nützlich (Gleichgewicht, allgemeine ausdauer, Muskelkraft, aDL̀ s, etc.), wobei unklar ist, wann welche Übungen ge-

autor trainingsparameter Dauer outcome Veränderung

toole 2000 3x10 Wdh. 30 einheiten in 10 Wochen

isokinetische Knieextension und -flexion, sprunggelenk-sinversion

Kraftsteigerung, Gleichgewichtsversserung

scandalis 2001 1x12 Wdh.1� einheiten in 8 Wochen

Gang, Bauchkraftausdauer schrittlänge und Ganggeschwin-digkeitssteigerung, gleiche an-passungen wie Gesunde

hirsch 2003 1x12 Wdh. 30 einheiten in 10 Wochen

Knieextension und -flexion, Plantarflexion des Fußes, Gleichgewicht

Größerer Kraftgewinn als reines Balancetraining. Balancegewinn

Dibble 200�3-� Min bis 1�-20 Min. exzentrisches Fahrrad

3� einheiten in 12 Wochen

isometrische Knieextension, Quadricepsvolumen, �-Minute-Walk, treppen hoch/runter

�% Volumenzunahme, 24% Kraftsteigerung, 21% �-Minute-Walk Verbesserung, 18% steigerung des treppensteigens

hass 2007 1x8-12 Wdh. 24 einheiten in 12 Wochen

sit-to-stand, Maximalkraft, Muskelausdauertest

alle Messparameter wurden gesteigert

Pitts 2009 �x� Wdh. (atemmus-keltraining)

20 einheiten in 4 Wochen

Parameter für schlucken und husten

Beide Parameter wurden verbessert

tabelle: Übersicht der studien Krafttraining mit M. Parkinson-Patienen (nach Crizzle 200�, Falvo 2008)

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macht werden müssen. häufig werden sicherlich zu geringe intensitäten von den Patienten gefordert, die kaum zu anpas-sungen am Körper führen (Gesetz der ausreichenden Bela-stung). es ist keine standardisierte Vorgehensweise bekannt, welche diese effekte deutlicher darstellen könnte. Ärzte sol-len ihre Patienten aber immer dazu ermutigen, sich regelmä-ßig körperlich zu betätigen, um sekundäre Problem so lange wie möglich heraus zu zögern.

Krafttraining in der Pt-Praxis

therapeuten sollten insbesondere die testung und das training der Kraft der unteren extremität bevorzugen. eine Krafttestung sollte abhängig von den bestehenden Möglich-keiten durchgeführt werden (z.B. Dynamometer, isokinetik). eine reine einteilung über die Muskelfunktionswerte ist nicht ausreichend. Die anfangswerte sollten nicht in einem off-stadium bestimmt werden. Die Kraftwerte sind wichtig, um seitendifferenzen (bis zu 1�% Kraftdifferenz im seitenver-gleich ist normal) und den ausgangswert zu bestimmen. so können der therapeut und der Patient erkennen, ob die the-rapiemaßnahme erfolgreich ist. Über die Jahre ist ein Kraf-terhalt als erfolg zu sehen, da mit zunehmendem alter ein Muskelabbau von ca. 1-2 Prozent pro Jahr zu erwarten ist. in den meisten artikeln und studien wird von einem training mit 8-12 Wiederholungen ausgegangen, was einem klas-sischen hypertrophietraining entspricht. subjektive Parame-ter, wie weit der Patient sich ermüden soll, werden selten ge-nannt. Wir empfehlen auf Grund eigener erfahrungen im Be-reich der Kraftausdauer 1�-20 Wiederholungen mit einem rhythmus von 2-0-2 (2 sekunden exzentrische Kontraktion-keine Pause an der Bewegungsumkehr-2 sekunden konzen-trische Kontraktion), 3-4 serien und einer subjektiven ermü-dung des Patienten zu arbeiten. als Pausenzeit zwischen den serien sollte man 1-2 Minuten nicht unterschreiten (Die-mer/sutor 200�).

auch hypertrophietraining ist notwendig, nachdem eine Grundlage gelegt wurde. hier wird mit 8-12 Wiederholungen, einem rhythmus von 3-0-1, 3-4 serien und einer subjektiven ermüdung trainiert. Krafttraining sollte zwischen 1-4 Mal die Woche durchgeführt werden. Die Pausenzeit sollte hier bei ca. 3 Minuten liegen (Falvo 2008). am anfang sollten zu-erst nur 2-3 einheiten pro Woche absolviert werden. Nach ei-ner eingewöhnungsphase von ca. �-12 Wochen, wird mit 4-� einheiten der effekt sicherlich besser sein (Falvo 2008).

in den meisten Untersuchungen wird ein 1-satz-training durchgeführt. in trainingsstudien zeigt sich aber über einen längeren Zeitraum (ab ca. 8.-12. Woche) immer ein Vorteil des Mehrsatztrainings. Da Parkinson-Patienten ein lebens-langes trainingsprogramm absolvieren sollten, ist ein Mehr-satztraining auf Dauer unabdingbar. sind die intensitäten zu gering, wird das training nicht erfolgreich sein.

Bisher wurden keine negativen effekte durch Krafttrai-ning bei Patienten festgestellt (Falvo 2008). Man sollte trotz-dem auf eventuell auftretende langfristige ermüdungser-scheinungen achten (Falvo 2008). Übungen können als reine Kraftübungen an Klein- und Großgeräten, seilzügen, Gum-mibändern oder gegen die eigenschwere durchgeführt wer-den. Bevorzugt sollte die streckerkette (M. triceps surae, M. quadrizeps femoris, M. glutaeus maximus/medius/mini-mus und die rückenextensoren) trainiert werden. Geeignete Übungen können sein (Diemer, sutor 200�):• M. triceps surae: Zehenstand vom Boden oder an der

treppenstufe,• M. quadriceps femoris: Kniebeugen mit wenig oberkör-

pervorneigung, Beinspresse, Kniestreckung im sitz mit einer Gewichtsmanchette oder in einem Gerät,

• M. glutaeus maximus: Kniebeugen mit oberkörpervor-neigung, hüftstreckung aus Bauchlage, hüftstreckung in einem Gerät,

• rückenextensoren: oberkörper abheben aus Bauchlage, rückenextension in einem Gerät (back extension).

abb. �-10 (von links): Kniebeuge mit vorgeneigtem oberkörper, Wadenheber vom Boden, hüftstrecker, rückenstrecker

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Zusammenfassung

Kraftverringerungen sind bei Morbus Parkinson-Betroffenen ein relevantes Problem mit auswirkungen auf aktivitäten des täglichen Lebens. eine steigerung der Kraft zeigt, anhand der wenigen, bisher durchgeführten interventionsstudien, eine tendenz der Verbesserung einiger alltagsprobleme (Gangbild, sturzrisiko, �-Minute-Walk, etc.). Leider sind noch zu wenige Untersuchungen mit diesem ansatz durchgeführt worden, um eindeutige empfehlungen geben zu können. si-cherlich kann man nicht von negativen auswirkungen, wie früher oft behauptet wurde, ausgehen.

in Zukunft sollten vermehrt studien mit einem Krafttrai-ningsansatz durchgeführt werden, um die effektivste art des Krafttrainings (konzentrisches versus exzentrische training, Kraftausdauer-hypertrophie-Maximalkraft), die wichtigsten Muskelgruppen sowie die auf Krafttraining am besten rea-gierenden Patienten herauszufiltern (Bildung von Untergrup-pen).

hauptproblem dieser studien ist häufig die zu kurze inter-ventionsdauer, sowie die für Krafttraining zu geringen inten-sitäten. so werden interventionen als Krafttraining tituliert, die allenfalls trainingsparameter für koordinatives training beinhalten. Weiterhin wird zu selten ein echter Vergleich zwi-schen den verschiedenen interventionen durchgeführt bzw. keine intervention zum Vergleich gemacht, was aber an der ethischen Problematik der nicht gewünschten Nichtbehand-lung liegen dürfte.

Krafttraining scheint ein interessanter ansatz der Be-handlung bei Parkinson-Patienten zu sein, was an der Ver-besserung der sekundären anpassungen (atrophie, Kraft-verlust, abnahme von motorischen endplatten, etc.) liegen könnte, aber auch an einem verringerten Verbrauch von Do-pamin.

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Für die AutorenVolker sutor reha rondell – Praxis für Physiotherapie heilbronnerstr. 3�, 7433� Brackenheim e-Mail: [email protected]