Motorist: EDV, Warenwirtschaft

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Motorist 5/10 47 Strom aus der Steckdose wäre als Energie- versorgung unzuverlässig, instabil und damit keine Geschäftsgrundlage. DATENSTRÖME Bei der Betrachtung der enormen Heraus- forderungen hinsichtlich der Integration von EDV innerhalb der Gartentechnikbranche müssen zwei sehr unterschiedliche Wege für Datenströme und deren unterschiedliche In- halte getrennt und einzeln bewertet werden: 1. Datenströme, die ausschließlich vom Hersteller zum Händler oder andersherum fließen, ohne inhaltlich vom Empfänger ver- ändert werden zu dürfen, und 2. Datenströme, bei denen Kommunikation und häufige Veränderung stattfindet, in der Konsequenz also individuelle, nicht-standardi- sierbare Inhalte transportiert und nicht-stan- dardisierbare Prozesse abgebildet werden. Letztere, etwa schon der Bestellprozess mit seinen unterschiedlichen und flexiblen Kon- ditionssystemen, entziehen sich regelmäßig einer allgemeinen Standardisierung. Natürlich wäre es äußerst hilfreich, wenn hier zumindest grundlegend eine Normung etwa von Schnitt- stellen oder Datenstrukturen stattfinden wür- de. Alles darüber hinaus entbehrt aber, und dessen sind sich sowohl Industrie als auch Handel bewusst, jeglicher Grundlage. Lieferanten unterscheiden sich eben auch, heute vielleicht sogar primär, durch Einkaufs- konditionen, ihr individuelles Verhalten bei Garantiefällen, Rückläufern und ähnlichen Prozessen. Darauf zu hoffen, dass sich alle Hersteller an einen Tisch setzen und sich auf gleiche Abläufe oder gar Konditionen einigen, ist völlig illusorisch und marktfremd. Diese Idee ist planwirtschaftlich und funktionsstö- rend. Sie lässt sich folglich auch nicht sinnvoll auf digitale Prozesse und konkrete Schnittstel- len übertragen. Ü ber das Für und Wider elektronischer Hilfen wird immer noch sehr gerne diskutiert – aber: Die überwiegende Mehrheit der Fachhändler weiß, dass sie das Personal in der Buchhaltung der 1970/80er heute schlicht nicht mehr finanzieren könnte, genauso wenig wie die damaligen Lagerbe- stände. Und die Mehrheit im Fachhandel weiß auch, dass sie an der immer weiter und vor allem tiefer gehenden Entwicklung im EDV- Bereich nicht vorbeikommen wird. Namentlich die Integration der EDV zwi- schen Herstellern und Fachhandel ist seit den 1990er Jahren eine ernsthafte und heute pri- märe Herausforderung: Nach einem Viertel- jahrhundert der Entwicklung knirscht es hier deutlich vernehmbar im Gebälk. Viele der glo- balen Lösungsansätze sind längst wieder ver- schwunden und die Kostenbelastung, speziell auf Seiten des Fachhandels, erreicht unbekann- te, geradezu unvorstellbare Dimensionen. War in den 1980er Jahren vor allem die Hardware einer der Kostentreiber, ist es heute die Software – und zwar nicht etwa das Waren- wirtschaftssystem (WWS), sondern vielmehr die schier unglaubliche Vielzahl an Schnitt- stellen, Onlineanwendungen und lokalen An- wendungen von und zu sämtlichen Herstel- lern. Alle Oberflächen und Prozesse muss ein Händler – und natürlich sämtliche Mitarbeiter in Werkstatt und Verkauf – beherrschen, um schlicht einen Rasenmäher, ein Messer oder eine Schraube fehlerfrei heraussuchen und bestellen zu können. Das ist Babel in Rein- kultur! EIN GEDANKENEXPERIMENT Stellen Sie sich einmal vor, jedes einzelne elektrische Gerät in Ihrem Haushalt würde über einen anderen Anschluss verfügen – und zwar nicht nur über einen anderen als den genormten Konturenstecker, sondern selbst- verständlich mit Strombedarf in unterschied- lichen statt der einheitlichen, weil heute euro- paweit festgelegten Frequenz und Spannung. Obendrein würden auch die Stromversor- ger den Strom in unterschiedlichen Frequen- zen und Spannungen anliefern. Und um die Welt noch etwas komplizierter zu machen: Alle 6 bis 18 Monate würden sie Frequenz oder Spannung verändern, häufig ohne er- kennbaren Grund, häufig spontan und ohne vorherige Ankündigung. Hätten sich Stromversorger und Geräte- hersteller im letzten Jahrhundert nicht auf einen Standard geeinigt oder diesen jeweils übernommen, würde es die gesamte Industrie nicht in ihrer heutigen Dimension geben. Sie wäre zersplittert und aus Kundenperspektive unattraktiv. Herzlich willkommen in Babel! EDV Etwa Mitte der 1980er Jahre haben die ersten Hersteller / Importeure ihre Warenwirtschaft, Buchhaltung und Faktura auf Elektronische Datenverarbeitung (EDV) umgestellt. Spätestens in den 1990er Jahren folgte der gesamte Fachhandel. Ähnlich, wenn auch teilweise etwas früher, verlief die Entwicklung auf Seiten der Hersteller und Importeure: Wer heute noch primär auf Papier arbeitet, ist in der Gartentechnikbranche jedenfalls eine einsame, die Regel bestätigende Ausnahme- erscheinung. Zeit also für eine Gesamtbetrachtung, die leider nicht positiv für den Handel ausfällt. Paul Herwarth von Bittenfeld, Geschäftsführer von Gartentech- nik.com: „Der Aufwand der Datenintegration und bei der Etablierung und dem Aufrechterhalten von Schnittstellen ist immens. Dieser Fak- tor wird immer wieder unterschätzt. Stan- dardformate für Artikelstammdaten, etwa BMEcat, sind in der Branche weitgehend unbekannt. Word- oder Excel-Dokumente und Bilder in Verzeichnisstrukturen sind die Regel, nicht die Ausnahme. Im Verhältnis zur Automobilindustrie, selbst zur Sanitär- oder Heizungsbranche, lebt die Gartentechnik- branche insofern in der digitalen Steinzeit.“ UNTERNEHMENSFÜHRUNG

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Strom aus der Steckdose wäre als Energie-versorgung unzuverlässig, instabil und damit keine Geschäftsgrundlage.

DATENSTRÖME

Bei der Betrachtung der enormen Heraus-forderungen hinsichtlich der Integration von EDV innerhalb der Gartentechnikbranche müssen zwei sehr unterschiedliche Wege für Datenströme und deren unterschiedliche In-halte getrennt und einzeln bewertet werden:

1. Datenströme, die ausschließlich vom Hersteller zum Händler oder andersherum fließen, ohne inhaltlich vom Empfänger ver-ändert werden zu dürfen, und

2. Datenströme, bei denen Kommunikation und häufige Veränderung stattfindet, in der Konsequenz also individuelle, nicht-standardi-sierbare Inhalte transportiert und nicht-stan-dardisierbare Prozesse abgebildet werden.

Letztere, etwa schon der Bestellprozess mit seinen unterschiedlichen und flexiblen Kon-ditionssystemen, entziehen sich regelmäßig einer allgemeinen Standardisierung. Natürlich wäre es äußerst hilfreich, wenn hier zumindest grundlegend eine Normung etwa von Schnitt-stellen oder Datenstrukturen stattfinden wür-de. Alles darüber hinaus entbehrt aber, und dessen sind sich sowohl Industrie als auch Handel bewusst, jeglicher Grundlage.

Lieferanten unterscheiden sich eben auch, heute vielleicht sogar primär, durch Einkaufs-konditionen, ihr individuelles Verhalten bei Garantiefällen, Rückläufern und ähnlichen Prozessen. Darauf zu hoffen, dass sich alle Hersteller an einen Tisch setzen und sich auf gleiche Abläufe oder gar Konditionen einigen, ist völlig illusorisch und marktfremd. Diese Idee ist planwirtschaftlich und funktionsstö-rend. Sie lässt sich folglich auch nicht sinnvoll auf digitale Prozesse und konkrete Schnittstel-len übertragen.

Über das Für und Wider elektronischer Hilfen wird immer noch sehr gerne diskutiert – aber: Die überwiegende

Mehrheit der Fachhändler weiß, dass sie das Personal in der Buchhaltung der 1970/80er heute schlicht nicht mehr finanzieren könnte, genauso wenig wie die damaligen Lagerbe-stände. Und die Mehrheit im Fachhandel weiß auch, dass sie an der immer weiter und vor allem tiefer gehenden Entwicklung im EDV-Bereich nicht vorbeikommen wird.

Namentlich die Integration der EDV zwi-schen Herstellern und Fachhandel ist seit den 1990er Jahren eine ernsthafte und heute pri-märe Herausforderung: Nach einem Viertel-jahrhundert der Entwicklung knirscht es hier deutlich vernehmbar im Gebälk. Viele der glo-balen Lösungsansätze sind längst wieder ver-schwunden und die Kostenbelastung, speziell auf Seiten des Fachhandels, erreicht unbekann-te, geradezu unvorstellbare Dimensionen.

War in den 1980er Jahren vor allem die Hardware einer der Kostentreiber, ist es heute die Software – und zwar nicht etwa das Waren-wirtschaftssystem (WWS), sondern vielmehr die schier unglaubliche Vielzahl an Schnitt-stellen, Onlineanwendungen und lokalen An-wendungen von und zu sämtlichen Herstel-lern. Alle Oberflächen und Prozesse muss ein Händler – und natürlich sämtliche Mitarbeiter in Werkstatt und Verkauf – beherrschen, um schlicht einen Rasenmäher, ein Messer oder eine Schraube fehlerfrei heraussuchen und bestellen zu können. Das ist Babel in Rein-kultur!

EIN GEDANKENEXPERIMENT

Stellen Sie sich einmal vor, jedes einzelne elektrische Gerät in Ihrem Haushalt würde über einen anderen Anschluss verfügen – und zwar nicht nur über einen anderen als den genormten Konturenstecker, sondern selbst-verständlich mit Strombedarf in unterschied-lichen statt der einheitlichen, weil heute euro-paweit festgelegten Frequenz und Spannung.

Obendrein würden auch die Stromversor-ger den Strom in unterschiedlichen Frequen-zen und Spannungen anliefern. Und um die Welt noch etwas komplizierter zu machen: Alle 6 bis 18 Monate würden sie Frequenz oder Spannung verändern, häufig ohne er-kennbaren Grund, häufig spontan und ohne vorherige Ankündigung.

Hätten sich Stromversorger und Geräte-hersteller im letzten Jahrhundert nicht auf einen Standard geeinigt oder diesen jeweils übernommen, würde es die gesamte Industrie nicht in ihrer heutigen Dimension geben. Sie wäre zersplittert und aus Kundenperspektive unattraktiv.

Herzlich will kommen

in Babel!

EDV

• • • Etwa Mitte der 1980er Jahre haben die ersten Hersteller / Importeure ihre Warenwirtschaft, Buchhaltung und Faktura auf Elektronische Datenverarbeitung (EDV) umgestellt. Spätestens in den 1990er Jahren folgte der gesamte Fachhandel. Ähnlich, wenn auch teilweise etwas früher, verlief die Entwicklung auf Seiten der Hersteller und Importeure: Wer heute noch primär auf Papier arbeitet, ist in der Gartentechnikbranche jedenfalls eine einsame, die Regel bestätigende Ausnahme-erscheinung. Zeit also für eine Gesamtbetrachtung, die leider nicht positiv für den Handel ausfällt. • • •

Paul Herwarth von Bittenfeld, Geschäftsführer von Gartentech-nik.com: „Der Aufwand der Datenintegration und bei der Etablierung und dem Aufrechterhalten von Schnittstellen ist immens. Dieser Fak-tor wird immer wieder unterschätzt. Stan-dardformate für Artikelstammdaten, etwa BMEcat, sind in der Branche weitgehend unbekannt. Word- oder Excel-Dokumente und Bilder in Verzeichnisstrukturen sind die Regel, nicht die Ausnahme. Im Verhältnis zur Automobilindustrie, selbst zur Sanitär- oder Heizungsbranche, lebt die Gartentechnik-branche insofern in der digitalen Steinzeit.“

UNTERNEHMENSFÜHRUNG

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UNTERNEHMENSFÜHRUNG

HändlermeinungenPaul Raimund, Landmaschinen-, Reifen- und Motorgerätefachhändler in Meisenheim: „Je-der Hersteller hat ein anderes System, jeder mit einer anderen Oberfläche. Händler und Mitarbeiter müssen 20 bis 30 Systeme – alle mit eigenem Login – beherrschen. Man muss vor allem die Zeit sehen, die hier aufgebracht wird. Viele Händler auf dem Land haben außer-dem immer noch kein DSL, dort ist die Online-bestellung ein riesiges Problem.“

Ralf Schramek, Fahrrad- und Motorgeräte-fachhändler in Weiden: „Eigentlich hat sich nicht viel zu 1995 [s. MOTORIST 3/95 S. 11] verändert. Jeder Hersteller kocht sein eigenes Süppchen, nutzt sein eigenes Programm, mit eigenen Zugängen. Lexcom-Updates verur-sachten bei uns etwa 1.500 Euro Kosten im Jahr, seit letztem Jahr ist der Zugang bei

Honda kostenlos, dafür aber zu langsam, zu umständlich, teilweise unlogisch in der Be-dienung, auf gut bayrisch, a Glump. Daneben müssen wir uns bei kleineren Lieferanten die Daten mühsam zusammensuchen, da es sich nicht lohnt, diese einzukaufen. Selbst wenn die Programme und Updates kostenlos wären, fallen bei uns für jeden Lieferanten sehr hohe Kosten durch Schulungen an.“

Ein Motorist, der aber nicht namentlich ge-nannt werden möchte: „Heute läuft alles on-line. Die Problematik von 2001 hat sich aber im Ergebnis nicht verändert: jeder Hersteller, jeder Lieferant nutzt eine andere Maske, ein anderes System. Die Systeme müssten stärker vereinheitlicht werden. Das ist aber insgesamt unpassend für die heutige Zeit.“

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UND ES GEHT DOCH, IRGENDWIE ...

Dass einheitliche und branchenweite Stan-dards zumindest bei Datenstrukturen, Daten-formaten und partiell auch Schnittstellen mög-lich wären, beweisen die Anbieter von Waren-wirtschaftssystemen (WWS) seit den 1990er Jahren: Sie nutzen für ihre insgesamt etwa 2.000 Kunden intern eine jeweils einheitliche Struktur für Produkt- und Ersatzteildaten aller gängigen Hersteller. Ein weiteres Beispiel ist Gartentechnik.com, wo für die Websites von weit über 300 Fachhändlern ein einheitliches, detailliert strukturiertes Datenformat für die Produktinformationen mit B2C-Charakter (Handel zu Kunde) von über 150 Marken zum Einsatz kommt.

Wie dies, trotz völliger Heterogenität am Markt, möglich ist? Durch sehr viel Arbeit, regelmäßig auch rein händisches Abgleichen, sogar noch von Papier.

DER FACHHÄNDLER: DIE FEHLENDE SCHNITTSTELLE

In der praktischen Anwendung sieht der Bestellprozess aus Perspektive des Fachhan-dels folgendermaßen aus: Zunächst werden Maschinen oder Ersatzteile im Onlinekatalog des Herstellers herausgesucht. Im Bestfall be-steht eine technische Schnittstelle zum WWS des Händlers. Tatsächlich ist aber der Händler im Regelfall selbst die Schnittstelle, muss die Daten, etwa Ersatzteilnummern, also händisch übertragen.

Vom WWS geht es gebündelt weiter zur elektronischen Bestellung oder zur Garan-tieabwicklung, Abwicklung von Rückläufern usw. Dieser Schritt erfolgt wieder regelmäßig durch händische Übertragung in lokal ins-tallierte Lieferantensoftware oder via FTP, E-Mail, Webupload oder unmittelbar im Her-stellerextranet.

Insgesamt entstehen somit zwei ernsthafte Fehlerquellen und erheblicher, fortlaufender Schulungsaufwand für Fachhändler und ihre Mitarbeiter: Das Problem sind aufgrund feh-lender technischer Schnittstellen nicht nur die händischen Übertragungen, sondern auch das Erfordernis, zwei, bei allen Herstellern äußerst unterschiedliche Prozesse zu erlernen und die-ses Wissen regelmäßig zu aktualisieren.

VERSUCHE DER VEREINHEITLICHUNG

Bereits 1993 stellte Briggs & Stratton mit Powercom 2000 eine Branchenlösung für die Ersatzteilbeschaffung, speziell als einheitliches Katalogsystem, vor (s. MOTORIST 5/93 S. 48 und 4/94 S. 88 ff.).

Die Parts-and-more e.G. startete 2002 mit dem Ziel der Schaffung einer Ersatzteilplatt-form für alle Hersteller. Nach dem Ausschei-den von Roth bündelt die Plattform heute noch die Lieferanten AS-Motor, Solo und die Irms.

Was man aus Powercom 2000 und Parts-and-more für die Zukunft lernen kann: Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit werden sich Hersteller mit ihren unterschied-lichen Kulturen, Prozessen und individuellen Anforderungen auch morgen nicht auf ein System, also eine Software oder Plattform, ei-nigen. Geradezu aussichtslos ist es, Hersteller zu überzeugen, die nicht nur eigene Systeme für Deutschland anbieten, sondern vielmehr global einheitlich vorgehen oder in Deutschland nicht über die eingesetzten Systeme entscheiden.

Dies lässt sich auch anhand anderer Bran-

chen sehr gut nachvollziehen: Auf eine große, einheitliche Plattform zu hoffen, die von allen genutzt wird, ist ebenso illusorisch wie die zu Beginn genannte Idee der Vereinheitlichung gar der Geschäftsprozesse. Das will ganz of-fensichtlich niemand und wird daher auch niemand umsetzen.

EINE SPRACHE FÜR MEHR INDIVIDUALITÄT

Betrachtet man andere Branchen, so hat sich ein alternativer Weg durchgesetzt, der nicht auf einheitliche Software oder Systeme abzielt, sondern auf eine einheitliche „Spra-che“: Statt Babel also ein einheitliches Daten-format, eine einheitliche Datenstruktur, mit der sämtliche Systeme von Herstellern und Fachhändlern Daten austauschen können, et-wa Artikelstammdaten. Ein Format, auf das sämtliche Systeme ausgerichtet werden und auf das sich alle Softwareanbieter verlässlich und langfristig einstellen können. Beispiele sind die bereits genannten: BMEcat, Data-norm oder EDIfact.

Markus Walter, Chefentwickler bei Sewiga: „Heute arbeiten wir für unsere 750 Kunden mit über 120 unterschiedlichen Schnittstel-len zu Herstellern. Bei Preisdaten sogar mit über 400, da regelmäßig auf Herstellerseite noch einmal unterschiedliche Systeme zum Einsatz kommen. Darüber hinaus finden sich kaum automatisierte Prozesse. Normforma-te für Artikelstammdaten, etwa EDIfact oder Datanorm, sind überhaupt nicht verbreitet. Hinzu kommen über 50 unterschiedliche Bestellschnittstellen, soweit diese struktu-rell überhaupt etabliert werden können.“

Walter Schwob, After Sales Service Manager bei Honda:„Preisdaten werden unseren Fachhandels-partnern zweimal im Jahr kostenlos zur Verfügung gestellt, selbstverständlich auch zum Download direkt aus dem Honda Ex-tranet. Diese Daten müssen aber noch für das jeweilige WWS des Händlers aufbereitet werden.“

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Aber was genau leisten derartige Normfor-mate? Während heute hunderte Datenstruktu-ren von der auf Hersteller- oder Handelsseite eingesetzten Software „verstanden“ werden müssen, reduziert ein Zwischenformat den Aufwand für alle und sorgt für verlässliche, stabile Strukturen.

Vereinfacht würde eine ähnliche Situation eintreten, als unterhielten sich ein Deutscher und ein Chinese auf Englisch: Beide müssen in einer anderen als ihrer Muttersprache mitein-ander reden, sie müssen also von Deutsch oder Chinesisch auf Englisch übersetzen und zu-rück. Das klingt zunächst einmal aufwändig. Kämen nun aber ein Franzose, ein Italiener, ein Japaner ... zum Gespräch hinzu, hätten alle eine gemeinsame Grundlage: Sie könnten alle problemlos auf Englisch kommunizieren.

Besonders angenehm ist diese Situation natürlich für einen Muttersprachler, denn für ihn entfällt die Übersetzung vollständig. Dies kann für jeden Teilnehmer der logische nächste Schritt sein: Statt der Konvertierung in ein universelles Format, könnte die eigene Software auch intern und unmittelbar auf das Normformat für Daten setzen. Verpflichtend oder zwangsläufig wäre dies allerdings nicht! Und realistisch können derartige Anpassun-gen auch erst dann erwartet werden, wenn sehr viele Branchenteilnehmer den Standard grundsätzlich akzeptiert hätten.

Dass der Weg zur Norm nicht einfach ist, zeigt branchennah EDI_agrartec, ein Arbeits-kreis von DRV, H.A.G. und VDMA, das den elektronischen Datenaustausch zwischen Landtechnik-Industrie und -Handel auf eine einheitliche Basis stellen wollte.

Die große Anzahl der mittelständischen Lieferanten konnte nicht einmal dazu gebracht werden, auf eine Logik wie etwa EAN-Codes, also international standardisierte Artikelnum-mern, umzusteigen.

Ausblick und nächste schritte

In einem ersten, vielleicht auch schon fina-len Schritt müsste die Vereinheitlichung von Datenformaten und Datenstrukturen inner-halb der Gartentechnikbranche stehen: Hier gilt es, zumindest zu anderen Branchen auf-zuschließen. Der Vorteil: Es kann viel gelernt, adaptiert und – soweit erforderlich – angepasst

oder erweitert werden. Artikelstammdaten und damit auch Preisdaten sind ganz offen-sichtlich das elementare Teilchen, für das eine branchenweite Struktur entwickelt werden könnte und sollte.

Die Vorteile für alle Seiten sind gerade heute mehr als überdeutlich und die abseh-bare Vertiefung der EDV-Integration wird die Situation weiter verschärfen: Nichtsdestotrotz darf nicht verschwiegen werden, dass die Vor-teile auf Seiten der Hersteller vergleichsweise gering ausfallen könnten. Sie haben auf ihrer Seite viele Vorteile einer vollständigen Digi-talisierung in Richtung Handel bereits erzielt. Andererseits sind die Aufwände der Konver-tierung in ein Normformat vergleichsweise so minimal, dass eine entsprechende Entschei-dung ohne viel Aufhebens getroffen werden könnte. Für die eigenen Fachhandelspartner wäre die Einsparung jedenfalls um ein sehr hohes Vielfaches größer als die Investition ihres jeweiligen Lieferanten.

Insbesondere Verbände, Einkaufsgemein-schaften und Softwareanbieter, sowohl auf Hersteller- als auch Fachhandelsseite, soll-ten das Thema stärker auf die Tagesordnung setzen, wenn Babel und die digitale Steinzeit endlich verlassen und auch digital wieder in einer Sprache miteinander gesprochen werden soll. – Den Kopf in den Sand zu stecken und das Problem weiter zu ignorieren, ist jedenfalls keine Option für die Zukunft, die absehbar noch weitergehende Integrationserfordernisse zwischen Lieferanten und Fachhandel mit sich bringen wird. ❚ Gerrit Eicker

Händlermeinungen zu Parts-and-more:Raimund: „Parts and more ist eine interes-sante Idee, aber da die Hersteller nicht teil-nehmen, bleibt es auch dabei.“

Ein Händler, der nicht genannt werden möchte: „Parts-and-more ist nicht schlecht. Für Händler wäre es hilfreich, wenn sämt-liche Hersteller vertreten wären. Dies wird aber wahrscheinlich nie oder nur mit Mar-ken-abhängigen Zugängen eintreten, da die Hersteller keine Dritthändler beliefern wollen.“

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