Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen....

8
Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit Author(s): Philipp Huber Source: Pädagogische Monatshefte / Pedagogical Monthly, Vol. 4, No. 3 (Feb., 1903), pp. 75-81 Published by: University of Wisconsin Press Stable URL: http://www.jstor.org/stable/30170743 . Accessed: 15/05/2014 22:32 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . University of Wisconsin Press is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Pädagogische Monatshefte / Pedagogical Monthly. http://www.jstor.org This content downloaded from 194.29.185.103 on Thu, 15 May 2014 22:32:07 PM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Transcript of Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen....

Page 1: Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit

Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichenSchulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu DetroitAuthor(s): Philipp HuberSource: Pädagogische Monatshefte / Pedagogical Monthly, Vol. 4, No. 3 (Feb., 1903), pp. 75-81Published by: University of Wisconsin PressStable URL: http://www.jstor.org/stable/30170743 .

Accessed: 15/05/2014 22:32

Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at .http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp

.JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range ofcontent in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new formsof scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected].

.

University of Wisconsin Press is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access toPädagogische Monatshefte / Pedagogical Monthly.

http://www.jstor.org

This content downloaded from 194.29.185.103 on Thu, 15 May 2014 22:32:07 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 2: Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit

Milndliche Erteilung des deutschen Unterrichts. 75

trank ihn aus goldenem Becher. Edle Lebensfreude, in edler Form, aus gol- denem Becher - genossen: Das ist auch eine Lebenskunst, die wir Deut- sche hier iiben, hier vertreten sollten. Unsere Pflicht haben wir jetzt in diesem Stiicke nicht getan - der Genius unseres Volkes klagt uns an.

Endlich, - und das ist das letzte - lassen wir das Abendrot am Him- mel! Wo die 'issenschaft uns verlisst, da sollten wir Poesie und Rcligion nicht zurfickstossen. Im Abendrot sah Schiller goldne Friichte gliihen und einen Nachen schwanken nach jenem Lande, wo nach den Worten des Paulus ,,das Stiickwerk aufhort" und von dem Goethes Chorus Mysti- cus singt:

,,Das .Unzulingliche Hier wzirds Ereignis."

Das ist der letzte und hehrste Idealismus.

Miindliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer offentlichen Schulen.

Vortrag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit.

Von Philipp Huber, Saginaw, W. S., Mich.

Wird in unseren 6ffentlichen Schulen und besonders in den Anfangs- klassen derselben, wobei Kinder von fiinf Jahren zu unterrichten sind, deutsch gelehrt, so kann der Zweck und das Ziel des Unterrichts nur darin bestehen, die Kinder mit dem Ge b r a u c h der deutschen Sprache ver- traut zu machen, sowie dieselben zum miindlichen und schriftlichen Ge- dankenausdruck zu befThigen.

Dass die zur Zeit gebrauchlichen Methoden, wobei mit Lesen und Schreiben in der Fremdsprache begonnen wird, ehe die Kinder die Sprache verstehen, ein Hindernis sind, das wichtigste Ziel, die Kinder mit dem Ge b r a u c h der deutschen Sprache vertraut zu machen, und zwar mdg- lichst rasch, damit sie dann desto linger und tiefer auf Herz und Ge- muit ihrer Schiller durch diese Sprache einzuwirken vermbgen, steht wohl bei jedem Lehrer, der auf die Er ge b n i s s e des deutschen Sprachunter- richts ein aufmerksames Auge hat, fest.

Diese Ergebnisse werden jedoch um so geringer sein, je mehr die wirkliche deutsche, d. h. aus Deutschland eingewanderte Bev6lkerung ab- nimmt und wir in den Schulen bereits die zweite oder dritte Generation zu unterrichten haben; mit organischer Notwendigkeit muss dann der deutsche Unterricht vollstindig aufh6ren. Sollten jedoch die Resultate des deutschen Unterrichts derartige sein, dass die Kinder, auch diejenigen angloamerikanischer Abkunft, die Sprache wirklich sprechen lernen, nicht nur lesen und schreiben, so werden wir keinen gr6sseren und

6 PM 1v

This content downloaded from 194.29.185.103 on Thu, 15 May 2014 22:32:07 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 3: Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit

Pitdagogische Monatshefte.

begeisterten Anhinger und Verteidiger dieses Unterrichtszweiges haben, als den Angloamerikaner.

Das Haupthinderni s, dass die Methode des deutschen Sprachunterrichts noch nicht so vollkommen ist, wie sie sein sollte, um ihr Ziel zu erreichen, ist, dass sie zu sehr auf den Leib der rein deutschen Schule zugeschnitten ist.

Im Z w e c k und Z ie 1 des deutschen Unterrichts stimmt die zwei- sprachige mit der einsprachigen deutschen Schule vollkommen iiberein. Beide haben denselben Zweck: die hochdeutsche Sprache ihren Schiilern gelaufig zu machen und durch dieselbe auf Herz und Geist der Kinder einzuwirken; und dasselbe Ziel: die Schiiler zum Verstandnis des miind- lichen und schriftlichen Gedankenausdrucks in Wort und Schrift zu be- fahigen. Wahrend es aber in der rein deutschen Schule hauptsachlich nur darauf ankommt, die Kinder mit einer ihnen mehr oder weniger schon b e- k a n n t e n Sprache vertraut zu machen, hat die zweisprachige Schule die ungemein schwierige Aufgabe, ihre Schiiler zum Gebrauch einer ihnen noch v 611 i g oder t e il w e i s e fremden Sprache zu befahigen. Aus diesem Grunde ist es wohl ersichtlich, dass der deutsche Sprachunterricht in zweisprachigen Schulen ganz andere Wege, als in rein deutschen Schu- len einschlagen muss, um zu seinem Ziele zu gelangen, dass mithin die Methode dieses Unterrichtsfaches eine in beiden Schulen von einander verschiedene sein muss.

Die W6rter fur die verschiedenen Dinge, Eigenschaften, Tatigkei- ten, Umstinde und Verhaltnisse machen gewissermassen das Knochen- geriist der Sprache aus. Ohne eine hinreichende Wortkenntnis kann man Reden und Schriftstiicke in der in Betracht kommenden Sprache ih- rem sachlichen Inhalte nach nicht geniigend verstehen und sich selbst nur kiimmerlich ausdriicken. Wir miissen uns darum vergegenwirtigen:

I. Wie viel W6rter die Kinder der zweisprachigen Schule lernen sollen,

2. Nach welchen Gesichtspunkten diese Wbrter zu wihlen und zu ver- teilen sind,

3. Wie man die Kinder am zweckmassigsten in das Verstandnis der W6rter einfiihrt und

4. Wie man sie vor dem Vergessen der einmal erlernten Worte be- wahrt.

I. Eine bestimmte Zahl der W6rter, die die Kinder in der zwei- sprachigen Schule iiberhaupt lernen sollen, lisst sich nicht ohne weiteres mit voller Sicherheit aufstellen. Man muss zunichst nach einem Anhalte zur Berechnung dieser Zahl suchen. Den besten Anhalt daffir geben uns wohl die fiir die verschiedensten Stufen gebrauchten Lesebiicher. Durch

76

This content downloaded from 194.29.185.103 on Thu, 15 May 2014 22:32:07 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 4: Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit

Miindliche Erteilung des deutschen Unterrichts.

vorsichtige Vergleichung kam man zu folgendem Resultate: Die Spross- formen und Zusammensetzungen ausgeschlossen, ergeben ungefahr 2000zooo - 2400 Worter als Lernstoff fiir eine Schulzeit von 6 Schuljahren; wir erhalten dann fiir jedes Schuljahr rund 400 Worter, die einzuiiben wiren und auch ohne uiibergrosse Miihe geuibt werden konnen.

2. Einen sicheren Weg zur Ermittlung der in erster Reihe zu be- riicksichtigenden Worter gibt es zur Zeit noch nicht. Wenn wir etwa den Wortschatz genau kennen lernen wollten, iiber welchen sechsjThrige Kinder in ihrer Muttersprache verfiigen, so miissten diesbezuiigliche Un- tersuchungen von mehreren Seiten vorliegen, damit durch Vergleichung und Zusammenstellung derselben Einseitigkeiten und Irrtuiimer ausge- schieden werden konnten.

Ich glaube jedoch, dass folgende Punkte bei der Auswahl zu beruick- sichtigen sind:

Nur recht praktische Gegenstande besprechen; ganz besonders Dinge, mit denen sich die Sprache des taglichen Lebens befasst und die in dem Anschauungskreise der Kinder liegen. Ausdriicke, welche in der tag- lichen Umgangssprache haufig vorkommen, miissen dabei besonders be- riicksichtigt werden; die Kinder miissen auch auf den Markt, in die Werk- statt, auf den Wirtschaftshof und ins haiusliche Leben gefiuhrt werden, miissen angeleitet werden, wie sie bitten, griissen, wiinschen und fragen sollen, insbesondere sind sie in der Fragestellung zu iiben, denn die Frage spielt bekanntlich in der Unterhaltung des tiglichen Lebens eine Haupt- rolle.

Bringen wir dem Kinde zunaichst die K i n d e s s p r a c h e bei! Ma- chen wir es fahig, sich mit seinen Schul-, Spiel- und Hausgenossen in der ihm eigenen Gedankensphare zu unterhalten, dann wird das Kind auch mehr Freude an der Sprache haben.

Als Wiirze gebe man Spruiiche, Gedichte, dramatische Behandlung derselben, Lieder, Spiele, Ausfliige u. s. w.

3. Beschaftigen wir uns nun mit der Frage, wie die Kinder in das Verstlindnis der Worter einzufuihren sind. Diese Einfuihrung kann er- folgen durch die Anschauung derWirklic h k ei t, durch die Verwendung von M o d e 1 e n und B i 1 d e r n und durch die Vermitt- lung der Muttersprache, also durch tbersetzung.

Uber die Ubersetzungsmethode zur Erlernung einer fremden Sprache in den Elementarklassen haben Theorie und Praxis der Padagogik zwar schon lhngstens ihr endgiltiges Urteil gesprochen, aber immer noch wagen sich Manner, wenn auch unberufene, hervor, um die aus der Volksklasse verbanute Methode wieder dahin zuriickzufiuhren. Da nicht wenige Menschen die Bequemlichkeit lieben, seien einige Worte iiber diese be- queme Methode gesagt. Den Kindern, welche den deutschen Sprachun-

77

This content downloaded from 194.29.185.103 on Thu, 15 May 2014 22:32:07 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 5: Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit

78 Piidagogische Monatsiejt

terricht nach dieser Methode empfangen, wird die deutsche Sprache nie zum geistigen Eigentum werden, denn sie werden nie in ihr denken ler- nen, sondern ihre Sprache wird immer ein miihsames tbersetzen sein. Wer aber in einer fremden Sprache nicht denken kann, der wird doch nicht behaupten, dass er sie besitzt. Die Muttersprache wird stets alleinige Traigerin der Vorstellungen sein, aber nicht die deutsche. Derjenige, der vielleicht meint, dass das Kind von selbst darauf kommt, eine direkte Ver- bindung zwischen dem betreffenden Begriffe und dem deutschen Worte herzustellen, hat keine Ahnung von dem tragen, hilflosen Geiste der mei- sten Kinder bei ihrem Schuleintritte. Ganz so, wie ihm die Stoffe vom Lehrer dargeboten werden, nimmt er dieselben auf und reproduziert sie ohne jegliche selbstindige Verinderung.

Manche meinen, es schade ja nichts, auf der Unterstufe die englische Sprache zu Hilfe zu nehmen und dann in den Mittel- und Oberstufen nur deutsch zu sprechen - geschieht dies, so achten die Schiiler nicht mehr auf die deutsche Sprache und das Bediirfnis nach derselben wird also nicht in ihnen geweckt.

Da das Behalten der deutschen Worter hierbei lediglich Sache des Gedachtnisses ist, so kann es bei weniger sorgfltiger Einiibung der Uber- setzung leicht vorkommen, dass das Kind die Zusammengehorigkeit der- selben vergisst oder mehrere Wdrter mit einander verwechselt und die babylonische Sprachverwirrung im kleinen ist da.

Der Einwand, dass die Kinder ohne Zuhilfenahme der Muttersprache das deutsche Wort zwar lernen, aber nicht verstehen werden, f~lt in sich selbst zusammen durch die Forderung: Unterrichte anschaulich. Durch die Schwierigkeiten, welche das Ubersetzen notwendigerweise mit sich bringt, wird den Schiilern die deutsche Sprache verleidet.

Diese Methode leitet die Kinder auch sogar zur unrichtigen Aneig- nung der deutschen Sprache an, indem diese dadurch gewohnt werden, wartlich, ohne Riicksicht auf die Wortfolge, zu iibersetzen, wodurch jenes schauderhafte Deutsch grossgezogen wird, das wir alle kennen. (Przi- billa.)

,,Wenn der deutsche Sprachunterricht nicht ganz und gar seine ge- miitliche und belebende Seite verlieren soll, so darf er nicht als Anhangsel des englischen betrieben werden, sondern er muss direkt aufs Ziel los- steuern und den Schiiler so schnell und gerade als mdglich in den Geist der deutschen Sprache einfiihren. Der Schiler muss gleich in der deut- schen Sprache denken und unabhingig von der Muttersprache den Gedan- ken auch nach den Gesetzen der deutschen Sprache aussprechen lernen. Nur dann erhalten die deutschen Worter auch ihren bedeutsamen Inhalt und dann wird das Horen, Verstehen und Sprechen in der deutschen

Sprache das richtige sein." (Spohn.) Als Regel sollte gelten: Nie darf

This content downloaded from 194.29.185.103 on Thu, 15 May 2014 22:32:07 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 6: Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit

Miindliche Erteilung des deutschen Unterrichts.

die englische Sprache als V e rm i t t 1 e r in des Verstindnisses der deut- schen Worter gebraucht werden.

Es mochte jedoch einige Fille geben, in welchen die Muttersprache den Kindern wirklich das beste Mittel zur Einfiihrung in das Verstandnis des deutschen Wortes ist, wie dies bei ,,gestern, heute, morgen" zutreffen diirfte.

Man waire iiberhaupt nie zur Beniitzung jener Methode gelangt, hitte man mehr auf unsere bedeutenden Psychologen und Paidagogen geh6rt. Schon Comenius sagte in seiner Didactica magna: Die Worte miissen im- mer in Verbindung mit den Dingen und Handlungen gelehrt werden, da- mit Verstand und Sprache imrner gleichzeitig gebildet werden. Worte ohne Dinge sind Schalen ohne Kerne, eine Scheide ohne Schwert, Schatten ohne K6rper, Kbrper ohne Seele. Die Weisheit besteht in den Dingen, nicht in den Worten. Noch deutlicher sagt er dies in seinem ,,Orbis pic- tus": ,,Dies parallellaufende Kennenlernen der Dinge und Worte ist das

grosse Geheimnis der naturgemissen Methode."

Wie muss nun eine naturgemisse Methode verfahren?

I. W i r k liche Anschauung und Veranschaulichung des Sprach- unterrichts und Sprachstoffs; wobei zuerst die einfachste Form der Spra- che gewihlt und die Wahl des Stoffes aus dem Kreise getroffen werden muss, in dem das Kind lebt und sich bewegt.

2. Die in den ersten Obungen zu lernenden W6rter miissen mdg- lichst kurz und volltinend sein.

3. Ausschliesslich in ganzen Sitzen wiirde stets die Antwort zu ge- ben sein; denn nur dadurch werden die Schiiler d e n k en d sprechen ler- nen.

4. Auf die Einfibung einer richtigen Aussprache und guten Beto- nung ist besonders zu achten und deshalb sind Atempausen von grosser Bedeutung.

5. Von der Notwendigkeit der Sprachformen- und Wortbildungs- iibungen in zweisprachigen Schulen sind alle Piidagogen iiberzeugt. Fremdsprachige Kinder bringen kein Sprachverstandnis fiir gebriuch- liche Sprachformen, Zusammensetzungen und Sprossformen mit, wie Kinder deutscher Abkunft, und deshalb wird eine p 1 a n m i s i g e E i n- f ii h r u n g in das Verstindnis und in die Anwendung aller hochdeut- schen Sprachformen und aller Arten der Wortbildung gefordert. Die planmissige Formenbildung ist eine gewollte Erzeugung des der Natur abgelauschten Vorganges, bei welchem die am hliufigsten auftretenden Formen sich zuerst und am sichersten einprigen.

a) Diese tObungen verhelfen den Kindern zu einem tieferen Sprach- verstindnis--vom ILeichten zum Schweren fortschreitend, jede Ubung

79

This content downloaded from 194.29.185.103 on Thu, 15 May 2014 22:32:07 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 7: Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit

Pitdagogisce Monatsbefte.

auf die vorhergehende bauend, iibt man die einzelnen Formen der deut- schen Sprache, dass sie den Schiilern in Fleisch und Blut iibergehen und dadurch zu ihrem unverlierbaren Eigentum werden.

b) Das Interesse der Kinder ist dabei ein lebendiges, da ein reger Wechsel der Objekte vorherrscht, da die Ubungssitze sich mit den ver- schiedensten Dingen und deren Eigenschaften und Tatigkeiten beschiif- tigen.

c) Der Tod jeglichen Unterrichts ist die Gleichgiltigkeit der Kin- der fiir den betreffenden Lehrgegenstand; soll nun der Sprachunterricht nicht an dieser Klippe scheitern, so ist es von grosser Wichtigkeit, den Kindern ein mni6glichst reges Interesse fiir diesen Unterricht einzufl6ssen. Dies geschieht durch deutliche, allseitige Anschauung, naturgemasse Be- handlung klares Verstindnis der Sprachstoffe; indem man alle Ubungen aus dem Anschauungskreise der Kinder nimmt, indem man den toten K6rpern Leben verleiht - indem die Kinder stets handeln, veranschau- lichen, selbst tatig sind, sich gegenseitig fragen, spielen, singen; nicht nur h6ren und sehen wollen die Kinder, sondern auch fiihlen, riechen, schmecken; alle Sinne sollen geiibt werden. Dabei wird vor- und nach- gesprochen, oft wiederholt, oft zuriickerinnert u. s. w., kurz das wirkliche kindliche Leben gelebt - die Schule ist Leben.

Auf diese Weise besitzen die Kinder rasch eine Fiille von Sprachfor- men, gegen die ein Schatz von Vokabeln ganz tot ist.

d) Ein Mittel, den Kindern das Verstindnis der deutschen Sprache zu erschliessen, sind auch Gebirde und Geste.

e) Zum Einiiben der Sprachformnen ist auch das Chorsprechen von Wichtigkeit.

6. Die Ubungen der W6rter und Sprachformen wfirden aber allein nicht geniigen, die Schiiler mit der Sprache geniigend vertraut zu machen, sondern das in den Ubungen gewonnene Material muss auch noch in be- sonderen Besprechungen verarbeitet werden. Die Besprechungen folgen, sobald ein kleiner Sprachschatz angeeignet ist - wobei nie eine Form ge- braucht werden darf, die noch nicht geiibt wurde - spiter darf der Lehrer auch noch nicht geiibte Formen gebrauchen, wenn er stets fiir volles Ver- stindnis seiner Frage Sorge trigt. In betreff der Veranschaulichung des Sprachstoffes fiir die Besprechung ebenso wie fiir den Sprachform- unterricht muss des Lehrers Ideal die w i r k 1 i c h e Anschauung der zu besprechenden Dinge sein. Ein wesentliches Merkmal eines jeden Ideals, die Unerreichbarkeit, tritt auch hierbei zutage; deshalb ist das Niichste, gute Modelle und Bilder; jedoch soll als erster Grundsatz gelten, lieber iiber die gewohnlichsten Dinge, die in natura vorgezeigt werden k6nnen,

80

This content downloaded from 194.29.185.103 on Thu, 15 May 2014 22:32:07 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions

Page 8: Mündliche Erteilung des deutschen Unterrichts in den Anfangsklassen unserer öffentlichen Schulen. Vortag, gehalten vor dem 32. Lehrertage zu Detroit

Miindliche Erteilung des deutschen Unterrichts.

zuerst zu reden, als fiber Gegenstinde, von denen vielleicht noch kein Kind etwas gesehen oder geh6rt hat.

Gegen das Vergessen des einmal Erlernten schiitzt man die Kinder am besten durch eine moglichst feste Einpragung beim Erlernen und durch eine haufige gelegentliche Wiederholung. Die feste Einpriigung ist nicht schon mit der Vermittlung des Verstandnisses ohne weiteres er- reicht. Das Wort muss auch seinem Lautgehalte nach scharf aufgefasst - deswegen deutlich vorgespr6chen, nachgesprochen und einzeln und im Chor wiederholt werden.

Soweit der Stand des Schreibunterrichtes es erlaubt, soil jedes neue Wort auch geschrieben und gelesen werden; der Lehrer schreibt diese Worter vor, lasst sie lesen und in der auf die Sprachiibung folgenden stil- len Beschiftigung abschreiben. Die Einpriigung ist ferner eine um so festere, in je mehr Satzen das neue Wort bei seiner Einfiihrung auftritt.

tber Fehlerverbesserung sei zu bemerken, der Lehrer mache es sich zum Grundsatz, gleich von vornherein, von den ersten Sprachiibungen an, keine Fehler durchschliipfen zu lassen; nie lache der Lehrer fiber gemachte Fehler oder werde heftig - die Verbesserung muss eingeiibt werden.

Nun noch einige Worte iiber die Zeit, wenn der Schreib- und Lese- unterricht begonnen werden soll. Aus dem bisher gesagten geht hervor, dass der Leseunterricht in Verbindung mit der Fibel nicht eher begonnen werden soll, als bis die Klasse fihig ist, denselben in der deutschen Spra- che zu empfangen; was meiner jetzigen Erfahrung nach gegen das Ende des I. Schuljahres, bestimmt am Ende des 2. Schuljahres geschehen kann. Der Schreibleseunterricht kann jedoch schon friiher, vielleicht gegen das Ende des ersten Halbjahres beginnen.

81

This content downloaded from 194.29.185.103 on Thu, 15 May 2014 22:32:07 PMAll use subject to JSTOR Terms and Conditions