Museumsleiter Peter Dragsbo

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Sonderburg FOTOS: KARIN RIGGELSEN Am 7. Juni wird Abschied genommen von Museumsleiter Peter Dragsbo / Worauf er stolz ist, was ihn die elf Jahre in Sonderburg gelehrt haben und warum Nordschleswig kein Randbezirk ist SONDERBURG/SØNDERBORG – rie. Er war schon ein recht ungewöhnliches Kind. Mit vier Jahren zeichnete er nur alte Häuser und an seinem sechsjährigen Geburtstag be- kam er Kraks Stadtpläne über 60 dänische Kaufstädte ge- schenkt. Die hatte er bei sei- ner Oma in Kopenhagen ge- sehen und die wollte er unbe- dingt auch haben. Für sein Konfirmationsgeld kaufte er sich Hugo Matthiessens kul- turhistorische Werke. „Für mich gab es also nur einen Weg“, meint Peter Dragsbo selbst: Er wurde Ethnologe und Museums- mensch – mit Leib und Seele. Nach Leiterposten bei den Museen in Esbjerg und Mid- delfart zog es den gebürtigen Apenrader vor elf Jahren zu- rück nach Nordschleswig. Er wurde der Chef im Sonder- burger Schloss. Spannende Geschichte „Ich war schon immer Nordschleswig sehr verbun- den, habe auch meine Ab- schlussarbeit über Nord- schleswig geschrieben. Die Geschichte hier ist mindes- tens 50 Prozent spannender als anderswo. Hier trifft man andere Sprachen und Identi- täten. Dadurch lernt man mehr über die anderen und über sich selbst. Das sollten alle mal probieren“, erklärt Peter Dragsbo, der nicht nur wegen seiner Größe – er misst zwei Meter – große Fußstapfen hinterlässt, wenn er am 31. Juli seinen Platz im Sonderburger Schloss räumt. Er hat viel geschafft, der große Mann, der eine Vorlie- be für farbenprächtige Rin- gelpullover hat und Locker- heit und Herzlichkeit der vornehmen Art vorzieht. Über die Jahre hat der Mag.art. in europäischer Ethnologie diverse Publika- tionen über die Architektur verschiedener Städte her- ausgegeben und unzählige Artikel u. a. zur Bewahrung von verschiedenen Bauten veröffentlicht. Er versteht es, andere für die Architek- tur zu begeistern, wofür sei- ne beliebten Stadtwande- rungen nur der beste Beweis sind. Geglückte Fusion Dragsbo freut sich u. a. auch über die geglückte Fusi- on der nordschleswigschen Museen. Nicht zuletzt ein Verdienst des Vorsitzenden Jens Møller, den Dragsbo als unglaubliche „ildsjæl“ mit politischem Gespür und Lie- be zur Geschichte um- schreibt. Mit der Fusion wur- den auch die einstigen Zwis- tigkeiten zwischen dem His- toriecenter, dem Schloss und der Mühle ad acta gelegt. „In meiner Zeit ist der Krieg auf Düppel beendet worden. Heute arbeiten wir gut zusammen und jeder hat seine Rolle“, meint der Muse- umsleiter augenzwinkernd und schaut vielsagend an die Decke. Ausstellungen erneuert Unter Dragsbos Federfüh- rung wurden die permanen- ten Ausstellungen im Schloss Sonderburg in den vergange- nen Jahren von Grund auf er- neuert. Für die Abteilung über den Ersten Weltkrieg engagierte Peter Dragsbo den internationalen Künstler Ingvar Cronhammar, was da- mals viele wunderte. Kritik wurde laut – aber heute sind alle begeistert. Wichtig war auch die Aus- stellung „Mindretalsliv / Minderheitenleben“, ein Ge- meinschaftsprojekt zwi- schen der deutschen und dä- nischen Minderheit und den Museen und Archiven im Grenzland. „Es war unwahrscheinlich viel Bürokratie. Aber wir er- reichen die Resultate, die wir wollten“, stellte Dragsbo zu- frieden fest. Er schätzt die Zusammenarbeit u. a. mit Personen aus der deutschen Minderheit sehr. „Minderheiten sind das Salz in der Suppe. Gäbe es sie nicht, sollte man sie erfin- den“, so Peter Dragsbo, der kürzlich „Grænseforenigen“ beitrat. Vor seiner Zeit in Sonder- burg konnte er der EU – viel- leicht durch den Vater beein- flusst, wie er selbst bemerkt – wenig abgewinnen. Das hat sich in den letzten elf Jahren ganz entscheidend geändert. „Heute bin ich 100 Prozent Europäer. Europa ist ja ein Friedensprojekt“, meint Dragsbo, der auch einst in Esbjerg aktiv in der Friedens- bewegung war. Ein großes Lob bekommt auch Museumsinspektorin Inge Adriansen von ihm mit auf den Weg . „Sie war einer der Gründe dafür, dass ich mich überhaupt beworben habe. Sie ist ein sehr span- nender Sparringspartner. Zusammen mit René Ras- mussen haben wir das Son- derburger Schloss zu einer Stätte gemacht, mit der man rechnen kann. Wir sind ei- nes der Flaggschiffe des Mu- seums Sønderjylland“, er- klärt Dragsbo und breitet begeistert die Arme aus. Kein Randbezirk Dass Nordschleswig von einigen als Randbezirk be- zeichnet wird, kann der Mu- seumsleiter überhaupt nicht nachvollziehen. „Wir leben hier in einer richtig guten Ecke von Däne- mark – und so dicht an der Grenze zu Europa. Fahre ich zwei Stunden, dann sitze ich in einem Café in Hamburg. Die Nordschleswiger müssen verstehen, dass es kein Rand- bezirk ist. Die vier größten Städte müssten viel besser zusammenarbeiten“, plä- diert Dragsbo für weniger Lokalpatriotismus. Geht es der einen Stadt schlecht, kommt das den anderen schließlich nicht zugute. Keine Langeweile Am 31. Juli verlässt Drags- bo seinen termin-intensiven Chefposten. Er wird jedoch noch bis Jahresende im . . ......................................... . . ......................................... „Minderheiten sind das Salz in der Suppe. Gäbe es sie nicht, sollte man sie erfinden.“ Peter Dragsbo Museumsleiter Schloss ein- und ausgehen. Drei Monate lang wird der Historiker mit einem For- schungsprojekt über die Grenzlandarchitektur be- schäftigt sein. Aber auch später wird bei dem inkarnierten Kanin- chen-Fan – sein Büro im Schloss wird von Schlappoh- ren in allen Schattierungen bevölkert – auf dem heimi- schen Hof auf Langeland keine Langeweile aufkom- men. „Ich werde auch weiterhin schreiben und Vorträge hal- ten. Ich habe auch schon für die Revue auf Langeland Tex- te verfasst, und ich bin Fund- raiser für einen Stadtpavillon geworden. Und dann würde ich gern verstärkt in der Poli- tik mitmischen. Dafür hatte ich bislang ja nicht so viel Zeit“, erzählt Dragsbo, der bereits der Radikalen Venstre auf Langeland beigetreten ist. Am Freitag, 7. Juni, wird um 10 Uhr ein Empfang für den scheidenden Museums- leiter im Sonderburger Schloss durchgeführt. Sonderburg In Sonderburg wurde ich ein Europäer PFINGSTEN 2013 NOS SEITE 32 . . ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... . . ........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................... 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Der Nordschleswiger, Artikeltipp, 2013

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Page 1: Museumsleiter Peter Dragsbo

Sonderburg

FOTOS: KARIN RIGGELSEN

Am 7. Juni wird Abschied genommen von Museumsleiter Peter Dragsbo / Worauf er stolz ist, was ihn die elf Jahre in Sonderburg gelehrt haben und warum Nordschleswig kein Randbezirk ist

SONDERBURG/SØNDERBORG

– rie. Er war schon ein rechtungewöhnliches Kind. Mitvier Jahren zeichnete er nuralte Häuser und an seinemsechsjährigenGeburtstagbe-kamerKraksStadtpläneüber60 dänische Kaufstädte ge-schenkt. Die hatte er bei sei-ner Oma in Kopenhagen ge-sehenunddiewollte er unbe-dingt auch haben. Für seinKonfirmationsgeld kaufte ersich Hugo Matthiessens kul-turhistorische Werke.„Für mich gab es also nur

einen Weg“, meint PeterDragsbo selbst: Er wurdeEthnologe und Museums-mensch –mit Leib und Seele.Nach Leiterposten bei den

Museen in Esbjerg und Mid-delfart zog es den gebürtigenApenrader vor elf Jahren zu-rück nach Nordschleswig. Erwurde der Chef im Sonder-burger Schloss.

Spannende Geschichte

„Ich war schon immerNordschleswig sehr verbun-den, habe auch meine Ab-schlussarbeit über Nord-

schleswig geschrieben. DieGeschichte hier ist mindes-tens 50 Prozent spannenderals anderswo.Hier trifftmanandere Sprachen und Identi-täten. Dadurch lernt manmehr über die anderen undüber sich selbst. Das solltenalle mal probieren“, erklärtPeter Dragsbo, der nicht nurwegen seiner Größe – ermisst zwei Meter – großeFußstapfen hinterlässt,wenn er am 31. Juli seinenPlatz im SonderburgerSchloss räumt.Er hat viel geschafft, der

große Mann, der eine Vorlie-be für farbenprächtige Rin-gelpullover hat und Locker-heit und Herzlichkeit dervornehmen Art vorzieht.Über die Jahre hat der

Mag.art. in europäischerEthnologie diverse Publika-tionen über die Architekturverschiedener Städte her-ausgegeben und unzähligeArtikel u. a. zur Bewahrungvon verschiedenen Bautenveröffentlicht. Er verstehtes, andere für die Architek-tur zu begeistern, wofür sei-ne beliebten Stadtwande-

rungen nur der beste Beweissind.

Geglückte Fusion

Dragsbo freut sich u. a.auch über die geglückte Fusi-on der nordschleswigschenMuseen. Nicht zuletzt einVerdienst des VorsitzendenJens Møller, den Dragsbo alsunglaubliche „ildsjæl“ mitpolitischem Gespür und Lie-be zur Geschichte um-schreibt.Mit der Fusionwur-den auch die einstigen Zwis-tigkeiten zwischen dem His-toriecenter, dem Schloss undder Mühle ad acta gelegt.„In meiner Zeit ist der

Krieg auf Düppel beendetworden. Heute arbeiten wirgut zusammen und jeder hatseineRolle“,meintderMuse-umsleiter augenzwinkerndund schaut vielsagend an dieDecke.

Ausstellungen erneuert

Unter Dragsbos Federfüh-rung wurden die permanen-tenAusstellungen imSchlossSonderburg in den vergange-

nen Jahren vonGrund auf er-neuert. Für die Abteilungüber den Ersten Weltkriegengagierte Peter Dragsboden internationalenKünstlerIngvar Cronhammar, was da-mals viele wunderte. Kritikwurde laut – aber heute sind

alle begeistert.Wichtig war auch die Aus-

stellung „Mindretalsliv /Minderheitenleben“, ein Ge-meinschaftsprojekt zwi-schen der deutschen und dä-nischen Minderheit und denMuseen und Archiven imGrenzland.„Es war unwahrscheinlich

viel Bürokratie. Aber wir er-reichen die Resultate, die wirwollten“, stellte Dragsbo zu-frieden fest. Er schätzt dieZusammenarbeit u. a. mitPersonen aus der deutschenMinderheit sehr.

„Minderheiten sind dasSalz in der Suppe. Gäbe es sienicht, sollte man sie erfin-den“, so Peter Dragsbo, derkürzlich „Grænseforenigen“beitrat.Vor seiner Zeit in Sonder-

burg konnte er der EU – viel-leicht durch den Vater beein-flusst, wie er selbst bemerkt– wenig abgewinnen. Das hatsich in den letzten elf Jahrenganz entscheidend geändert.„Heute bin ich 100 Prozent

Europäer. Europa ist ja einFriedensprojekt“, meintDragsbo, der auch einst inEsbjerg aktiv in derFriedens-bewegung war.Ein großes Lob bekommt

auch MuseumsinspektorinInge Adriansen von ihm mitauf den Weg . „Sie war einerder Gründe dafür, dass ichmich überhaupt beworbenhabe. Sie ist ein sehr span-nender Sparringspartner.Zusammen mit René Ras-mussen haben wir das Son-derburger Schloss zu einerStätte gemacht, mit der manrechnen kann. Wir sind ei-nes der Flaggschiffe des Mu-seums Sønderjylland“, er-

klärt Dragsbo und breitetbegeistert die Arme aus.

Kein Randbezirk

Dass Nordschleswig voneinigen als Randbezirk be-zeichnet wird, kann der Mu-seumsleiter überhaupt nichtnachvollziehen.„Wir leben hier in einer

richtig guten Ecke von Däne-mark – und so dicht an derGrenze zu Europa. Fahre ichzwei Stunden, dann sitze ichin einem Café in Hamburg.DieNordschleswigermüssenverstehen, dass es kein Rand-bezirk ist. Die vier größtenStädte müssten viel besserzusammenarbeiten“, plä-diert Dragsbo für wenigerLokalpatriotismus. Geht esder einen Stadt schlecht,kommt das den anderenschließlich nicht zugute.

Keine Langeweile

Am 31. Juli verlässt Drags-bo seinen termin-intensivenChefposten. Er wird jedochnoch bis Jahresende im

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„Minderheiten sinddas Salz in der Suppe.Gäbe es sie nicht,

sollte man sie erfinden.“Peter DragsboMuseumsleiter

Schloss ein- und ausgehen.Drei Monate lang wird derHistoriker mit einem For-schungsprojekt über dieGrenzlandarchitektur be-schäftigt sein.Aber auch später wird bei

dem inkarnierten Kanin-chen-Fan – sein Büro imSchlosswird von Schlappoh-ren in allen Schattierungenbevölkert – auf dem heimi-schen Hof auf Langelandkeine Langeweile aufkom-men.„Ich werde auch weiterhin

schreiben und Vorträge hal-ten. Ich habe auch schon fürdieRevue auf LangelandTex-te verfasst, und ich bin Fund-raiser für einenStadtpavillongeworden. Und dann würdeich gern verstärkt in der Poli-tik mitmischen. Dafür hatteich bislang ja nicht so vielZeit“, erzählt Dragsbo, derbereitsderRadikalenVenstreauf Langeland beigetretenist.Am Freitag, 7. Juni, wird

um 10 Uhr ein Empfang fürden scheidenden Museums-leiter im SonderburgerSchloss durchgeführt.

Sonderburg

In Sonderburg wurde ich ein Europäer

PFINGSTEN 2013 NOS SEITE 32. ............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

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