Muss sich das Wirtschaftsinformatik-Curriculum unter dem Gesichtspunkt „Lebenslanges Lernen“...

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WI – MEINUNG/DIALOG WIRTSCHAFTSINFORMATIK 2 | 2008 147 WI – Meinung/Dialog Muss sich das Wirtschaftsin- formatik-Curriculum unter dem Gesichtspunkt „Lebens- langes Lernen“ weiterentwi- ckeln? DOI 10.1365/s11576-008-0027-z Als Fachgebiet „zwischen“ Betriebs- wirtschaftlehre und Informatik sind für die Wirtschaftsinformatik verschiedene Posi- tionierungen in der Hochschul-Fächerland- schaft denkbar – nicht nur hinsichtlich der Entscheidung für die eingliederungs- bestimmende Referenzdisziplin, sondern auch hinsichtlich des Grades der Unabhän- gigkeit von Referenzdisziplinen, der An- wendungsnähe oder des dominanten Erkenntnisparadigmas. Es hat deshalb ei- nige Zeit gedauert, bis allgemein akzep- tierte Empfehlungen für Lernziele und Methoden der Wirtschaftsinformatik-Aus- bildung an Universitäten und Fachhoch- schulen vorlagen. Diese Empfehlungen werden jedoch nicht durch die ständige Weiterentwicklung der Informationsverar- beitung in Wirtschaft und Verwaltung her- ausgefordert, sondern auch durch die Ent- wicklung hin zu lebenslangem Lernen. Es ist naheliegend, in der Ausbildung von Berufs- einsteigern auf andere Lernziele und ande- re Vermittlungsformen zu fokussieren als in der Weiterbildung von Führungskräfte- Nachwuchs. Während die Erstausbildung üblicherweise zur Schaffung eines (eher disziplinären) Fundaments dient, baut die Weiterbildung dieses Fundament in Form von Vertiefung/Spezialisierung oder – noch häufiger – durch Vernetzung mit anderen Disziplinen aus. Während für Berufsanfän- ger die Konstruktion bedarfsgerechter In- formationssystem-Lösungen das wichtig- ste Ausbildungsziel darstellen kann, treten für Professionals häufig Fertigkeiten im Veränderungsmanagement, für die Kom- munikation komplexer Lösungen und/oder für den „Brückenbau“ zwischen Funktions- und Kompetenzsilos in den Vordergrund. Diese Diskussionsrunde beschäftigt sich mit den Herausforderungen des lebenslan- gen Lernens an das Wirtschaftsinformatik- Curriculum. Diskussionsbeiträge aus Uni- versitäten und Weiterbildungseinrichtun- gen sowie aus der Praxis adressieren die folgenden Fragen: j Wie muss sich das Wirtschaftsinformatik- Curriculum unter dem Gesichtspunkt „Lebenslanges Lernen“ weiterentwickeln? j Welche Unterschiede sollte es in den Studiengängen bzw. Ausbildungsfor- maten im Erststudium und in der Weiter- bildung geben? j Welche unterschiedlichen didaktischen Möglichkeiten bestehen im Erststudium und in der Weiterbildung? Welche Rolle spielen hier Praxiserfahrung, unter- schiedliche inhaltliche Breite und Tiefe, moderne Technologien und unter- schiedliche Qualifikationsprofile? j Meine Einladung zu dieser Diskussions- runde haben die folgenden Damen und Herren angenommen (in alphabetischer Reihenfolge): j Prof. Dr. Jörg Becker, Geschäftsführen- der Direktor, European Research Center for Information Systems (ERCIS), Univer- sität Münster j Andreas Dietrich, CIO, Schweizerische Bundesbahnen SBB j Prof. Dr. Dieter Euler, Direktor, Institut für Wirtschaftspädagogik der Universität St. Gallen und Swiss Centre for Inno- vations in Learning (SCIL) j Sandra Harbert, Expert / Mindsets & Capabilities Practice, McKinsey & Com- pany Inc. j Oliver Triebel, Head of Organizational Learning, McKinsey & Company, Inc. j Dr. Jochen Müller, Studienleiter, Execu- tive Master of Business Engineering, Universität St. Gallen Kollege Becker stellt die Herausforderungen aus Sicht der Universitäten in den Vorder- grund und identifiziert Weiterbildung als eine Gelegenheit zur inhaltlichen Vertiefung sowie zur Schärfung des Integrationscharak- ters der Wirtschaftsinformatik. Andreas Diet- rich formuliert aus Kundensicht acht konkrete Wünsche an die Aus- und Weiterbildung in Wirtschaftsinformatik. Kollege Euler geht ins- besondere auf die veränderten Adressaten, Kompetenzen und Methoden des Lernens ein. Sandra Harbert und Oliver Triebel beto- nen die Wichtigkeit von Praxisnähe und be- triebswirtschaftlich-fachlichen Kompeten- zen in einem modularen, innerbetrieblichen Weiterbildungskonzept. Dr. Jochen Müller re- flektiert die durch Wirtschaftsinformatik- Weiterbildung zu schaffenden Qualifika- tionen, mögliche Adressatengruppen und entsprechende Inhalte. Aus den Beiträgen wird ersichtlich, dass die Erstausbildung vor allem ein Mittel sein sollte, um Berufsanfänger/innen auf lebens- begleitendes Lernen vorzubereiten. Die kon- tinuierliche, institutionalisierte Weiterbil- dung zur Aktualisierung und Verbreiterung der Qualifikationen wird der Regelfall – sei es in Weiterbildungsprogrammen der Un- ternehmen oder in der Hochschul-Weiterbil- dung. Die Wirtschaftsinformatik übernimmt hier in ihrer Funktion als Mittler zwischen wirtschaftlich-fachlichen und technisch-in- genieurwissenschaftlichen Denkwelten eine besondere Herausforderung. Ihre Aufgabe ist es, insbesondere in der Weiterbildung das breite Verständnis für beide Denkwelten zu vermitteln bzw. zu vertiefen. Wenn auch Sie zu diesem Thema oder ei- nem Artikel der Zeitschrift Wirtschaftsin- formatik Stellung nehmen möchten, dann senden Sie Ihre Stellungnahme (max. 2 DIN A4 Seiten, gerne auch als E-Mail) bitte an den Hauptherausgeber der WIRTSCHAFTS- INFORMATIK, Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl, Uni- versität Augsburg, Hans-Ulrich.Buhl@wiwi. uni-augsburg.de. Prof. Dr. Robert Winter Muss sich das Wirtschaftsin- formatik-Curriculum unter dem Gesichtspunkt „Lebens- langes Lernen“ weiterentwi- ckeln? – und wenn ja, wie? von Prof. Dr. Jörg Becker Es heißt, nichts sei so beständig wie der Wandel. Gerade die Wirtschaftsinformatik lebt als junge und dynamische Forschungs- disziplin von ihrer Innovationskraft. Unter- nehmen sehen sich mit einer schnellen Ero- sion erfolgskritischer Ressourcen konfron- tiert. Gefordert ist hier die Wahrung alter Stärken, aber vor allem auch die Befähigung zur stetigen Weiterentwicklung. Auf der Ebene des Individuums schlägt sich die Ero- sion von Ressourcen in einer zunehmend schnelleren Veraltung aktuellen Fachwis- sens nieder; hieraus ergibt sich die Notwen- digkeit einer ständigen Erneuerung des Wissens vor dem Hintergrund eines lebens- langen Lernens. Akademische Bildungsein- richtungen sind dazu aufgerufen, diese Lernprozesse durch die Bereitstellung ge- eigneter (Weiter-) Bildungsangebote zu un- terstützen. Gleichzeitig erschafft und för- dert eine unbedachte und vorschnelle An- passung von Lehrinhalten die Bildung spä- ter nicht aufrechtzuerhaltender Hypes. Was vielfach als Revolution angekündigt wird, kann sich später leicht als zeitlich befristete Mode herausstellen. Beispiele hierfür gibt es genug. Für ein durchdachtes Design des universitären Curriculums hat dieser Wider- spruch beachtliche Konsequenzen. Dies lässt sich auch und vor allem anhand der

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WI – MEINUNG/DIALOG

WIRTSCHAFTSINFORMATIK 2 | 2008 147

WI – Meinung/Dialog

Muss sich das Wirtschaftsin-formatik-Curriculum unter dem Gesichtspunkt „Lebens-langes Lernen“ weiterentwi-ckeln?

DOI 10.1365/s11576-008-0027-z

Als Fachgebiet „zwischen“ Betriebs­wirtschaftlehre und Informatik sind für die Wirtschaftsinformatik verschiedene Posi­tionierungen in der Hochschul­Fächerland­schaft denkbar – nicht nur hinsichtlich der Entscheidung für die eingliederungs­bestimmende Referenzdisziplin, sondern auch hinsichtlich des Grades der Unabhän­gigkeit von Referenzdisziplinen, der An­wendungsnähe oder des dominanten Erkenntnisparadigmas. Es hat deshalb ei­nige Zeit gedauert, bis allgemein akzep­tierte Empfehlungen für Lernziele und Methoden der Wirtschaftsinformatik­Aus­bildung an Universitäten und Fachhoch­schulen vorlagen. Diese Empfehlungen werden jedoch nicht durch die ständige Weiterentwicklung der Informationsverar­beitung in Wirtschaft und Verwaltung her­ausgefordert, sondern auch durch die Ent­wicklung hin zu lebenslangem Lernen. Es ist naheliegend, in der Ausbildung von Berufs­einsteigern auf andere Lernziele und ande­re Vermittlungsformen zu fokussieren als in der Weiterbildung von Führungskräfte­Nachwuchs. Während die Erstausbildung üblicherweise zur Schaffung eines (eher disziplinären) Fundaments dient, baut die Weiterbildung dieses Fundament in Form von Vertiefung/Spezialisierung oder – noch häufiger – durch Vernetzung mit anderen Disziplinen aus. Während für Berufsanfän­ger die Konstruktion bedarfsgerechter In­formationssystem­Lösungen das wichtig­ste Ausbildungsziel darstellen kann, treten für Professionals häufig Fertigkeiten im Veränderungsmanagement, für die Kom­munikation komplexer Lösungen und/oder für den „Brückenbau“ zwischen Funktions­ und Kompetenzsilos in den Vordergrund.

Diese Diskussionsrunde beschäftigt sich mit den Herausforderungen des lebenslan­gen Lernens an das Wirtschaftsinformatik­Curriculum. Diskussionsbeiträge aus Uni­versitäten und Weiterbildungseinrichtun­gen sowie aus der Praxis adressieren die folgenden Fragen:j�Wie muss sich das Wirtschaftsinformatik­

Curriculum unter dem Gesichtspunkt

„Lebenslanges Lernen“ weiterentwickeln?j�Welche Unterschiede sollte es in den

Studiengängen bzw. Ausbildungsfor­maten im Erststudium und in der Weiter­bildung geben?

j�Welche unterschiedlichen didaktischen Möglichkeiten bestehen im Erststudium und in der Weiterbildung? Welche Rolle spielen hier Praxiserfahrung, unter­schiedliche inhaltliche Breite und Tiefe, moderne Technologien und unter­schiedliche Qualifikationsprofile?

j�Meine Einladung zu dieser Diskussions­runde haben die folgenden Damen und Herren angenommen (in alphabetischer Reihenfolge):

j�Prof. Dr. Jörg Becker, Geschäftsführen­der Direktor, European Research Center for Information Systems (ERCIS), Univer­sität Münster

j�Andreas Dietrich, CIO, Schweizerische Bundesbahnen SBB

j�Prof. Dr. Dieter Euler, Direktor, Institut für Wirtschaftspädagogik der Universität St. Gallen und Swiss Centre for Inno­vations in Learning (SCIL)

j�Sandra Harbert, Expert / Mindsets & Capabilities Practice, McKinsey & Com­pany Inc.

j�Oliver Triebel, Head of Organizational Learning, McKinsey & Company, Inc.

j�Dr. Jochen Müller, Studienleiter, Execu­tive Master of Business Engineering, Universität St. Gallen

Kollege Becker stellt die Herausforderungen aus Sicht der Universitäten in den Vorder­grund und identifiziert Weiterbildung als eine Gelegenheit zur inhaltlichen Vertiefung sowie zur Schärfung des Integrationscharak­ters der Wirtschaftsinformatik. Andreas Diet­rich formuliert aus Kundensicht acht konkrete Wünsche an die Aus­ und Weiterbildung in Wirtschaftsinformatik. Kollege Euler geht ins­besondere auf die veränderten Adressaten, Kompetenzen und Methoden des Lernens ein. Sandra Harbert und Oliver Triebel beto­nen die Wichtigkeit von Praxisnähe und be­triebswirtschaftlich­fachlichen Kompeten­zen in einem modularen, innerbetrieblichen Weiterbildungskonzept. Dr. Jochen Müller re­flektiert die durch Wirtschaftsinformatik­Weiterbildung zu schaffenden Qualifika­tionen, mögliche Adressatengruppen und entsprechende Inhalte.

Aus den Beiträgen wird ersichtlich, dass die Erstausbildung vor allem ein Mittel sein sollte, um Berufsanfänger/innen auf lebens­begleitendes Lernen vorzubereiten. Die kon­tinuierliche, institutionalisierte Weiterbil­dung zur Aktualisierung und Verbreiterung

der Qualifikationen wird der Regelfall – sei es in Weiterbildungsprogrammen der Un­ternehmen oder in der Hochschul­Weiterbil­dung. Die Wirtschaftsinformatik übernimmt hier in ihrer Funktion als Mittler zwischen wirtschaftlich­fachlichen und technisch­in­genieurwissenschaftlichen Denkwelten eine besondere Herausforderung. Ihre Aufgabe ist es, insbesondere in der Weiterbildung das breite Verständnis für beide Denkwelten zu vermitteln bzw. zu vertiefen.

Wenn auch Sie zu diesem Thema oder ei­nem Artikel der Zeitschrift Wirtschaftsin­formatik Stellung nehmen möchten, dann senden Sie Ihre Stellungnahme (max. 2 DIN A4 Seiten, gerne auch als E­Mail) bitte an den Hauptherausgeber der WIRTSCHAFTS­INFORMATIK, Prof. Dr. Hans Ulrich Buhl, Uni­versität Augsburg, Hans­[email protected]­augsburg.de.

Prof. Dr. Robert Winter

Muss sich das Wirtschaftsin-formatik-Curriculum unter dem Gesichtspunkt „Lebens-langes Lernen“ weiterentwi-ckeln? – und wenn ja, wie?von Prof. Dr. Jörg Becker

Es heißt, nichts sei so beständig wie der Wandel. Gerade die Wirtschaftsinformatik lebt als junge und dynamische Forschungs­disziplin von ihrer Innovationskraft. Unter­nehmen sehen sich mit einer schnellen Ero­sion erfolgskritischer Ressourcen konfron­tiert. Gefordert ist hier die Wahrung alter Stärken, aber vor allem auch die Befähigung zur stetigen Weiterentwicklung. Auf der Ebene des Individuums schlägt sich die Ero­sion von Ressourcen in einer zunehmend schnelleren Veraltung aktuellen Fachwis­sens nieder; hieraus ergibt sich die Notwen­digkeit einer ständigen Erneuerung des Wissens vor dem Hintergrund eines lebens­langen Lernens. Akademische Bildungsein­richtungen sind dazu aufgerufen, diese Lernprozesse durch die Bereitstellung ge­eigneter (Weiter­) Bildungsangebote zu un­terstützen. Gleichzeitig erschafft und för­dert eine unbedachte und vorschnelle An­passung von Lehrinhalten die Bildung spä­ter nicht aufrechtzuerhaltender Hypes. Was vielfach als Revolution angekündigt wird, kann sich später leicht als zeitlich befristete Mode herausstellen. Beispiele hierfür gibt es genug. Für ein durchdachtes Design des universitären Curriculums hat dieser Wider­spruch beachtliche Konsequenzen. Dies lässt sich auch und vor allem anhand der

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Zielgruppen verdeutlichen, die als „Kun­den“ des Wirtschaftsinformatik­Curricu­lums auftreten.

Zunächst kommt der Hochschule im Rah­men der universitären Erstausbildung ins­besondere die Aufgabe zu, Studierenden neben der Vermittlung notwendigen aktu­ellen Fachwissens eine Methodenkompe­tenz im Sinne eines „Lernen zu lernen“ zu vermitteln. Es geht hier um die Befähigung zur selbstständigen und sicheren Ausein­andersetzung mit stets neuen (oder häufig auch altbewährten und lediglich neu ver­packten) Konzepten und Technologien. Da­bei sollte die Universität ihren Forschungs­schwerpunkten und bewährten Konzepten treu bleiben und diese weiter ausbauen. Beispielsweise konnte sich Münster vor allem im Bereich der Informationsmodellie­rung etablieren. Die Schärfung des eige­nen universitären Profils ist nicht zuletzt durch die zunehmende Entlassung der Hochschulen in die Selbstverwaltung – auch jenseits der vieldiskutierten Exzellenz­initiative – entscheidend für die Außen­wahrnehmung der Hochschule. Die Kon­zentration auf eigene Forschungs­ und Lehrschwerpunkte bedeutet dabei keines­falls einen Widerstand gegen neuartige Konzepte und Sichtweisen, sondern viel­mehr die Herausbildung international kon­kurrenzfähiger Kompetenz.

In fortgeschrittenen Phasen des Lernens kann die Universität von der anfänglichen Konzentration auf die Methodenkompe­tenz etwas Abstand nehmen und in zuneh­mendem Maße ihrer Rolle als Ausbilder von Fachpersonal für die Wirtschaft nachkom­men. Gefragt sind hier im Gegensatz zu den ersten Semestern weniger die zeit­losen Inhalte als vielmehr die Vermittlung hochaktueller Fragestellungen, Technolo­gien und Methoden. Vor dem Hintergrund eines notwendigen lebenslangen Lernens müssen sich die akademischen Bildungs­einrichtungen zunehmend öffnen und zu­sätzlich berufsbegleitende Bildungsange­bote für „Praktiker“ anbieten. Seit 2002 sammeln wir in Münster neben anderen Weiterbildungsangeboten mit dem WI­Executive­MBA­Programm Information Management Erfahrungen in der berufsbe­gleitenden Weiterbildung von (Nach­wuchs­) Führungskräften.

Der Umgang mit Praktikern bringt ande­re Ansprüche an Themenauswahl und die Art der Wissensvermittlung mit sich, als dies bei der universitären Erstausbildung der Fall ist. Da die Teilnehmer die erforder­liche Methodenkompetenz häufig bereits

im Erststudium verwandter Themenge­biete erworben haben, stehen hier im Sinne einer punktuellen Weiterbildung stark fokussierte Inhalte im Vordergrund. Die Wissensvermittlung muss sich daher viel stärker am Einbezug praktischer Erfah­rungen und realer Projekte in Unterneh­men orientieren. Gleichzeitig werden In­halte vor diesem Hintergrund kritischer hinterfragt und stark auf ihren praktischen Nutzwert geprüft. Hier kommt dem Hoch­schullehrer somit eher die Rolle zu, den Wissens­ und Erfahrungsaustausch unter den Studierenden zu moderieren, gezielt mit fokussierten Inhalten anzureichern und gemeinsam weiterzuentwickeln. Auch muss die Vermittlung der Inhalte ange­sichts kleiner Lerngruppen individueller verfolgt werden.

Ob Erstausbildung oder Weiterbildung: Beiden Bereichen liegt das Selbstverständ­nis der Wirtschaftsinformatik als Brücken­schlag zwischen den verschiedenen Aufga­ben und den Sichtweisen betriebswirt­schaftlich­fachlicher und technisch­ingeni­eurwissenschaftlicher Berufsfelder zugrun­de. Hier gilt es, die Studierenden auf ihre spätere Rolle als Vermittler zwischen sich teilweise widersprechenden Problemwahr­nehmungen und ­lösungen vorzubereiten. In diesem Sinne ist der Wirtschaftsinforma­tiker ein Wegbereiter für innerbetriebliche Lernprozesse, die in der Zusammenarbeit und dem gegenseitigen Austausch der ver­schiedenen Problemwahrnehmungen und Lösungsansätze wirken. Dies ist eine stets wiederkehrende Anforderung, die insbe­sondere aus der Praxis an uns herangetra­gen wird. Gerade in der Weiterbildung ob­liegt es somit jedem Einzelnen, auch fach­fremde Lerninhalte aus verwandten Diszi­plinen zu verinnerlichen, um neues Wissen aufzubauen. Die Herkunft der Executive­Studierenden aus einer Vielzahl an Fachdis­ziplinen bestärkt uns in dieser Auffassung.

Profitieren können wir in Münster nicht zuletzt von interdisziplinär zusammenge­setzten Teams aus Hochschullehrern ver­wandter Fachgebiete, die ein lösungsorien­tiertes Zusammenzuarbeiten ermöglicht, nicht nur in der Forschung, sondern eben auch in der Lehre. In Münster haben wir mit der Etablierung des European Research Center for Information Systems (ERCIS) die­sem Gedanken Rechnung getragen. Hier verknüpfen wir Kernkompetenzen der Wirtschaftsinformatik mit Fragestellungen der Informatik, der Betriebswirtschaft und mit Spezialaspekten des Rechts in einem gemeinsam abgestimmten Lehrangebot.

Schließlich ist die Segmentierung in klar definierte Fachgebiete eine universitäre Schöpfung, während Probleme der realen Welt sich nicht in derartige Vorgaben pres­sen lassen, sondern häufig einen fachüber­greifenden Charakter haben. Entsprechend muss auch ein Lösungsprozess verschie­denen Perspektiven Rechnung tragen.

Die Forderung nach einem „lebenslan­gem Lernen“ gilt in gleichem Maße für die Universität als Institution in der Form orga­nisationalen Lernens. Auch hier lässt sich dif­ferenzieren: Aus der zunehmenden Kunden­orientierung resultiert die Erfordernis, die Bedürfnisse und Ansprüche unserer Studie­renden nach einer aktuellen und am Arbeits­markt verwertbaren Ausbildung ernst zu nehmen und unser Lehrangebot sinnvoll zu erweitern. Aus einer angebotsorientierten Perspektive erwächst erneut die Forderung zur Fokussierung und Profilschärfung der Institutionen, die in eine fortwährende Eva­luierung und Weiterentwicklung unseres Curriculums münden soll und wird.

Prof. Dr. Jörg BeckerUniversität Münster

ERCIS – European Research Center for In­formation Systems

„Lebenslanges Lernen“ – was sich CIOs von Lehrinstitutio-nen wünschen

von Andreas Dietrich

Trotz oder gerade wegen ihrer langen Tra­dition ist die Bahn heute einer der mo­dernsten und leistungsfähigsten Verkehrs­träger. Entsprechend anspruchsvoll sind die Informatiksysteme ausgelegt, um kon­tinuierlich steigende Transportleistungen an Personen und Gütern zu bewältigen. Entsprechend groß sind aber auch die An­forderungen an die Mitarbeitenden, die diese Systeme (weiter­)entwickeln und be­treiben.

Die Informatikerinnen und Informatiker der Schweizerischen Bundesbahnen SBB verantworten große und herausfordernde IT­Projekte. So entwickelt die SBB Informa­tik etwa für das Railteam, die Allianz von Eu­ropas führenden Bahnbetreibern im Hoch­geschwindigkeitsverkehr, das zentrale Bu­chungs­ und Reservierungssystem „Rail­team­Broker“. Unser Bedarf an qualifi­zierten IT­Fachkräften ist entsprechend groß doch leider nicht nur unserer.

Nach Jahren des Überangebots werden gut ausgebildete Spezialisten wieder hef­tig umworben. Doch ist dies längst nicht

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nur ein Kampf um Arbeitskräfte, sondern ein „War for Talent“ also um die besten ih­res Faches. Um sich in dieser angespannten Situation zu behaupten, nutzen die Unter­nehmen alle Kanäle der Personalgewin­nung. Doch genügen diese bei Weitem nicht, um den Bedarf zu decken. Stattdes­sen nimmt die Aus­ und Weiterbildung auf allen Alters­ und Erfahrungsstufen immer größeren Stellenwert ein. Damit steigen auch die Bedeutung unserer Weiterbil­dungsinstitutionen und deren Angebote in der Erst­ und Weiterbildung. Lebenslanges Lernen ist also nicht mehr nur ein gutge­meintes Ideal der Personalverantwort­lichen, sondern – auch im Hinblick auf die demografische Entwicklung – eine unbe­strittene Notwendigkeit.

Damit die Mitarbeitenden der SBB Infor­matik ihre Arbeit professionell ausüben können, junge Leute ab der Erstausbildung den Berufseinstieg reibungslos bewältigen und auch Professionals aus anderen Funk­tionen der Umstieg in die Informatik erfolg­reich gelingt, möchte ich deren (und damit auch meine) Bedürfnisse an die Aus­ und Weiterbildungsinstitutionen in acht Wün­schen formulieren:

1. Gestaltet die Erstausbildung so breit gefächert wie möglich!Die Bandbreite benötigter Kompetenzen und Skills innerhalb der Wirtschaftsinfor­matik wird immer umfassender. Entspre­chend groß ist die Versuchung, sich schon früh zu spezialisieren. Junge Informatike­rinnen und Informatiker sollten jedoch nach der Erstausbildung möglichst flexibel eingesetzt werden können. Denn nur durch Umsehen und „Hineinschnuppern“ in ver­schiedene Funktionen und Bereiche wer­den sie ihre Berufung und ihre wahren Stär­ken finden und entwickeln können zu ih­rer Zufriedenheit und damit zum Erfolg des Unternehmens.

2. Sprecht eine einheitliche Sprache!Unsere Mitarbeitenden wollen sich weiter­entwickeln und Karriere machen. Gezielte Weiterbildung ist dabei unverzichtbar. Nur: Welcher Ausbildungspfad ist der richtige? Welche Institution ist dafür geeignet? Doch oftmals lässt der Blick in die Weiterbil­dungskataloge von Hochschulen und Pri­vatanbietern bei den Lernwilligen in erster Linie Ratlosigkeit zurück. Zu unvergleich­bar sind die Angebote, zu wenig werden konkrete Berufsziele – zum Beispiel von IT­Architekten – in genauso konkrete Weiter­bildungsprogramme übersetzt.

3. Richtet euer Angebot an realen Beruf-sanforderungen und Berufsbildern aus!Die SBB Informatik investiert derzeit viel Energie in die Definition von realen und zu­kunftsfähigen IT­Berufsbildern. Auch das Standardwerk „Berufe der ICH“ wird über­arbeitet. Wozu dieser Aufwand? Eine ein­deutige Beschreibung der jeweiligen Tätig­keitsfelder gibt den Mitarbeitenden Halt und Ziel bei der Arbeit, macht Leistung be­urteilbar und zeigt gegebenenfalls Lücken auf. Entscheidend ist nun, von diesen defi­nierten Berufsbildern praxistaugliche Wei­terbildungsmodule abzuleiten. Dazu muss aber auch der Austausch zwischen Arbeit­gebern und Weiterbildungsinstitutionen intensiviert werden.

4. Setzt die Idee der Bologna-Reform kon-sequent um!Aus Sicht des Kunden, also der Studieren­den und IT­Professionals, die sich weiterbil­den möchten, hat die Bologna­Reform et­was sehr Positives gebracht: Man kann an einer Universität oder Fachhochschule mit dem Studium beginnen, dieses an einem anderen Ort fortsetzen und so das Studium bzw. die Weiterbildung nach den spezi­fischen Interessen und Neigungen zusam­menstellen. So zumindest die Theorie. In der Realität fehlt bei den ECTS­Punkten je­doch die Umsetzung des Punktes „T“, also des Transfers. Die Punkte sind nur Ausdruck der geleisteten Arbeit, haben aber dane­ben keine weitere Bedeutung und können – salopp gesagt – nach dem Studium ge­trost in den Papierkorb geworfen werden.

5. Baut im deutschsprachigen Raum eine Top-Hochschule für Informatik auf!Die Klagen über zu wenige Studienbegin­ner in der IT reißen nicht ab. Doch die we­nigsten Ausbildungsinstitutionen und IT­Firmen unternehmen etwas dagegen. Ab­hilfe könnte eine Top­Adresse schaffen, an der jeder IT­Studierende gerne studieren würde, aber wegen hoher Qualifikations­hürden nur die Besten dürfen.

6. Modularisiert das Weiterbildungs-angebot!Jede ambitionierte IT­Fachkraft möchte sich weiterentwickeln. Da die Informatik aber nicht mehr nur für Entwickler und Pro­jektleiter etwas zu bieten hat, sondern auch für Service Manager, Architekten, Applica­tion Manager, ist die Nachfrage nach grund­legenden Weiterbildungsmöglichkeiten für einen erfolgreichen Wechsel zwischen den Berufsbildern groß. Doch kann man

dafür nicht immer ein vollständiges Studi­um absolvieren. Berufsbildspezifische Mo­dule sind die Lösung.

7. Vergesst die Sozialkompetenzen nicht!Kein Zweifel: Technische Kompetenz ist in der heutigen Informatik unverzichtbar. Doch erfolgreiche IT­Spezialisten sind auch gute Kommunikatoren, Moderatoren, Streitschlichter, Zuhörer und anderes mehr. Auch diese Kompetenzen müssen schon in der Erstausbildung Platz finden. Aber Ach­tung: Ein Präsentationskurs genügt bei Weitem nicht!

8. Arbeitet enger mit der Wirtschaft zusammen!Da staunen selbst die erfahrensten Recrui­ting­Fachleute: An Absolventenkongressen wird immer wieder offensichtlich, wie pra­xisfern die Vorstellungen der Studierenden sind. Kaum einer weiß, wie angewandte In­formatik funktioniert, welchen Stellenwert diese für den Unternehmenserfolg hat, welche Laufbahnen möglich sind und wel­che Kompetenzen für diese benötigt wer­den. Meine letzte, aber auch eindringlichs­te Bitte an die Weiterbildungsinstitutionen lautet deshalb: Sucht und fördert einen in­tensiven Austausch mit den Unternehmen. Sowohl Hersteller als auch Anwender mo­derner IT­Lösungen können Einblicke ge­währen, um neue Strömungen schnell in Lehrpläne zu integrieren.

Andreas DietrichCIO, Schweizerische Bundesbahnen SBB

Muss sich das Wirtschaftsin-formatik-Curriculum weiter-entwickeln?

von Prof. Dr. Dieter Euler

Es gibt Veränderungen, die für eine so in­novationsrasante Disziplin wie die Wirt­schaftsinformatik konstitutiv sind. Eine Dis­ziplin, die sich mit einem fluiden Gegen­stand wie der Einbettung von (neuen) Tech­nologien in soziale und arbeitsorganisato­rische Prozesse beschäftigt, neigt schnell dazu, die Lerninhalte als so etwas wie ein Dauerprovisorium zu behandeln. Interes­sant ist in diesem Zusammenhang das Wort von den neuen Technologien: Diesen wird im allgemeinen Sprachgebrauch schon tra­ditionell und seit langer Zeit (!) bescheinigt, dass sie „neu“ sind.

Damit scheint die Ausgangsfrage ein­deutig beantwortet aber eine solche Ant­

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wort wäre zumindest nicht überzeugend begründet. Denn selbst wenn sich die Tech­nologien ändern, so begründet sich die Wirtschaftsinformatik nicht über ein kurz­lebiges Produktwissen, sondern sie be­schäftigt sich mit Problemen, deren Lö­sungsstrukturen genereller und tiefgrün­diger ansetzen. Unabhängig davon sind aus didaktischer Sicht drei miteinander ver­zahnte Faktoren von Interesse für die Dis­kussion der Fragestellung:1. Neue Lernende: Im Zeitalter der ‚Net

Generation‘ kommen Studierende heute mit anderen Voraussetzungen und Erwartungen in die Bildungsinsti­tutionen.

2. Anspruchsvollere Ziele: Die Bedin­gungen der Arbeitswelt verändern die Ziele des Lernens; auch wenn fachliche Kompetenzen weiterhin bedeutsam sind, so gewinnen überfachliche Kom­petenzen wie insbesondere Sozial­ und Selbstlernkompetenzen an Gewicht.

3. Neue Methoden: Schließlich bieten nicht zuletzt die neuen Technologien neue Optionen für die Gestaltung des Lernens.

1. „Net Generation“ (Oblinger und Oblin­ger 2005) kann als Stichwort für die Fra­ge verstanden werden, wie künftige Ge­nerationen lernen (werden), die in einer digitalen Welt mit Computern, Internet, Mobiltelefonen u. a. groß geworden sind. Als „digital natives“ (Prensky 2001) erschließen sie Wissen und Information nicht sequentiell über klassische Lehr­formen, sondern sie zeichnen sich durch gänzlich andere Lerngewohnheiten aus: Lernen ist eingebettet in parallel verlau­fende, schnell wechselnde Aktivitäten (Multitasking); Informationen werden mittels Hyperlinking anstelle von „linear thinking“ aufgenommen und verarbei­tet; Visuelle, interaktive, in Spiel­ und Phantasiewelten eingebettete Lern­formen werden den klassischen Lern­methoden vorgezogen; Induktives Ent­decken im Rahmen einer „just­do­it“­Haltung steuert den Lernprozess. Auch wenn die Forschungen zu diesem The­ma noch nicht ausgereift sind, so er­scheint die These nicht allzu gewagt, dass diese im Gegensatz zu den verbrei­teten Praktiken in unseren Bildungsins­titutionen stehenden Lernhaltungen ei­ne zunehmende Bedeutung erfahren.

2. Ähnlich verhält es sich mit dem zweiten Faktor, den veränderten Zielen des Ler­nens. Ist die (alleinige) Ausrichtung des Lernens auf fachliche Inhalte noch zeit­

gemäß, wenn es sich darauf konzent­riert, ein Vorratswissen in Form von Lernkonserven aufzubauen? Ist es nicht wahrscheinlich, dass viele dieser Lern­konserven insbesondere in aktualisie­rungsintensiven Disziplinen wie der Wirtschaftsinformatik ihr Verfallsda­tum erreichen, bevor sie nach einem Studium in der Praxis geöffnet werden? Ein gewisser Konsens besteht sicherlich darin, dass Lernen in einer Wissensge­sellschaft als ein lebenslanges – oder wem die begriffliche Nähe zu Verurtei­lung und Gefängnis nicht behagt: als ein lebensbegleitendes – Lernen zu verstehen ist. Und auf der allgemeinen Ebene der Lippenbekenntnisse und unverbindlichen Postulate besteht weitgehende Einigkeit darin, dass die Wissensgesellschaft andere Kompe­tenzprofile von den Menschen fordert als die Industriegesellschaft: Während in einer hierarchisch organisierten in­dustriellen Arbeitswelt das diszipli­nierte Funktionieren und die fehlerlose Erfüllung von Arbeitsroutinen im Vor­dergrund standen, stützt sich die Wis­sensgesellschaft auf Prinzipien wie Selbstorganisation, Dialog, eigenver­antwortliches Lernen und Verständi­gung. Mitarbeiter hängen in dieser Be­trachtung nicht mehr an den Marionet­tenfäden ihrer Vorgesetzten, sondern erkennen und lösen selbstständig die Probleme. Vor diesem Hintergrund gilt auch für die Wirtschaftsinformatik: Wer nur etwas von Wirtschaftsinformatik versteht, der versteht auch nichts von Wirtschaftsinformatik! Wissen bedarf der ständigen Aktualisierung und der situativen Einbettung in soziale und ökonomische Kontexte.

3. Dies führt zu dem dritten Faktor, den neuen Lernmethoden. Dabei ist zu­nächst vor falschen Erwartungen zu warnen. Eine fatale Antwort auf die neu­en Herausforderungen erscheint mir der verbreitete Glaube an das, was ich eine „Mikrowellenpädagogik“ nenne: Dabei wird nicht nur die Arbeit, sondern auch das Lernen einem Beschleuni­gungsdenken unterworfen. Der Hoch­geschwindigkeitsmensch ist ständig auf der Überholspur, er erwirbt sein Wissen im Rahmen einer „just­in­time­Qualifi­zierung“ dann, wenn er es braucht. Hin­ter diesem Verständnis steht die unzu­lässige Gleichsetzung von Lernen und Information: Während ein Anlagebera­ter die aktuellen Börsenkurse oder Kon­

ditionen nachschlagen kann, hier geht es um den Abruf aktueller Informati­onen, muss er für die kompetente Ge­staltung einer Kundenberatung Fähig­keiten besitzen, die nicht im Schnell­durchgang erworben werden können. Wenn von neuen Methoden des Ler­nens die Rede ist, dann geraten insbe­sondere solche in das Blickfeld, die das selbstgesteuerte und eigenverantwort­liche Lernen unterstützen. Dazu zählen u. a. Formen des technologieunterstütz­ten Lernens, die eine Wissenserarbei­tung ermöglichen oder den Austausch zwischen Lernenden und Lehrenden or­ganisieren. Neben klassischen Instrukti­onsmedien sind dies heute die Opti­onen einer Social Software oder auch Varianten der synchronen oder asyn­chronen Netzkommunikation.

Diese und weitere Entwicklungen begrün­den das Postulat, Lernen und Bildungsgän­ge so anzulegen, dass nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern zugleich Sozial­ und Selbstlernkompetenzen gefördert werden. In der Aus­ und Weiterbildung soll­te verstärkt selbst gesteuert an komplexen, möglichst unstrukturierten Problemstel­lungen das Wissen erarbeitet und nicht in erster Linie dozierend vermittelt werden. Lernen sollte mit Fragen und bedeutsamen Problemstellungen beginnen, nicht mit Antworten. In ein Bild gekleidet: Die Ler­nenden sitzen nicht mehr in erster Linie auf dem Beifahrer­ oder gar dem Rücksitz und werden von einem erfahrenen Dozenten durch die Gegend kutschiert, sondern sie sitzen am Lenkrad, gelegentlich in Beglei­tung eines Lehrenden oder anderer Ler­nender. Wenn Kompetenzen auf diese Wei­se entwickelt und kultiviert werden, dann entsteht kein Wissen, das sich bei einer neuen Erkenntnis oder einem neuen Kon­zept als ‚Wegwerfqualifikation‘ erweist. Vielmehr entwickelt sich die Grundlage für ein flexibles und eigenständiges Handeln in einer anspruchsvollen Praxis.Auch in der Wirtschaftsinformatik gilt daher das Credo, dass sich alles ändern muss, damit alles so bleiben kann, wie es ist.

Prof. Dr. Dieter EulerUniversität St. Gallen

Institut für WirtschaftspädagogikSwiss Centre for Innovations in Learning

(SCIL)

LiteraturOblinger, Diana G.; Oblinger, James L. (2005):

Is It Age or IT: First Steps Toward Understanding 1.

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the Net Generation. In: Oblinger, Diana G.; Oblin-ger, James L. (Hrsg.): Educating the Net Generati-on. Educause e-book, http://www.educause.edu/educatingthenetgen, S. 2.1–2.19.

Prensky, M. (2001): Digital Natives, Digital Im-migrants. In: On the Horizon 9 (5).

Brückenbauer zwischen den Welten: Anforderungen an die Weiterbildung für Wirtschafts-informatiker

von Sandra Harbert und Oliver Triebel

Als Dietmar Hopp kürzlich zu Besuch in Ber­lin weilte, widerfuhr ihm Seltsames. Wie er in vertrautem Kreis erzählte, wollte er sich eine Fahrkarte an einem Automaten lösen. Der Mitbegründer des Softwarekonzerns SAP brauchte dazu fast eine Viertelstunde, um am Ende doch zu scheitern.

Die Anekdote wirft ein Schlaglicht auf ein vielerorts ungelöstes Problem. Die Informa­tionstechnologie ist ursprünglich angetre­ten, Prozesse zu erleichtern. Doch viele IT­Projekte halten nicht, was sie versprechen. Der Hauptgrund: In der Zusammenarbeit zwischen Entwicklern und Anwendern aus den Fachbereichen prallen ganz gegensätz­liche Welten aufeinander. Woran es vor allem mangelt, ist gegenseitiges Verständnis: Was will der Praktiker, was kann der IT­Spezialist leisten. Die Kluft bei Denken und Sprache führt dazu, dass der Abstimmungsbedarf im­mens ansteigt, ohne dass nachfolgende Miss­verständnisse gänzlich ausgeschlossen sind.

Wirtschaftsinformatiker als LösungIn Zeiten, in denen die Anforderungen komplexer werden und zudem unter ho­hem Zeitdruck gehandelt werden muss, sind Reibungsverluste in der Zusammenar­beit zwischen IT­Spezialisten und Anwen­dern umso problematischer. Die Lösung sollen Wirtschaftsinformatiker bringen. Durch ihre interdisziplinäre Ausbildung sol­len sie Brücken zwischen den Welten bau­en. Im Erststudium befassen sich Wirt­schaftsinformatiker deshalb nicht nur mit IT­Themen. Sie lernen auch betriebswirt­schaftliches Grundwissen, erwerben ein Grundverständnis für strategisch unter­nehmerisches Handeln ebenso wie Fähig­keiten zur Organisationsentwicklung.

Vier Kernfähigkeiten durch Weiterbil-dung ausbauenDie wachsende Zahl von Wirtschaftsinfor­matikern hat bislang aller Erwartung zum Trotz noch nicht zu einer Auflösung der misslichen Situation geführt. Hierfür gibt es

2.

aus unserer Sicht zwei Gründe: Erstens ist in vielen Unternehmen das Rollenverständ­nis für Wirtschaftsinformatiker nicht klar. Häufig werden sie statt an den Brennpunk­ten zwischen IT und Business an anderen Stellen eingesetzt. Zweitens vermittelt die universitäre Ausbildung nur Grundlagen. Für die Praxis reicht das oft nicht aus. Im­mer mehr Unternehmen haben dies er­kannt und reagieren mit Weiterbildungs­programmen auf den Notstand. In diesen werden Wissen und Fähigkeiten in den vier Kernkompetenzen Projektmanagement, Kommunikation, Change Management und Führung vermittelt.

Weiterbildung für IT-Spezialisten bei McKinseyMcKinsey hat mit dem Business Technolo­gy Office (BTO) eine weltweit tätige Bera­tungseinheit, die Klienten genau an der Schnittstelle zwischen IT und Business bei Strategiefragen unterstützt.

Um diesen besonderen Anforderungen gerecht zu werden, achtet McKinsey bei der Auswahl der Berater für das BTO darauf, dass die Kandidaten neben technischem Verständnis und Interesse vor allem auch sehr gute analytische und kommunikative Fähigkeiten mitbringen. Auf diesem Aus­gangslevel setzt ein umfangreiches Trai­ningsprogramm auf. So durchlaufen Bera­ter ohne betriebswirtschaftlichen Hinter­grund in ihrem ersten Vierteljahr bei McKin­sey einen dreiwöchigen Mini­MBA, der ih­nen umfangreiches Wissen zu wichtigen Unternehmensfunktionen vermittelt. Die­se Grundausbildung wird später Schritt für Schritt durch Trainings ergänzt, die in spe­zifischen Modulen zum einen Fähigkeiten im Projektmanagement und in der Kom­munikation, zum anderen technisches Know­how aufbauen. In einem fortge­schrittenen Stadium der Beraterlaufbahn rücken dann mehr und mehr Trainings für den Ausbau von Führungsfähigkeiten und Kompetenzen in der Organisationsent­wicklung in den Mittelpunkt. Diese plan­mäßige Weiterbildung der Berater wird er­gänzt durch Online­Lernmodule sowie das McKinsey Coaching­ und Mentorenkon­zept. In diesem unterstützen erfahrene Be­rater „on und off the job“ ihre jungen Kolle­gen mit Rat und Tat.

Zahlreiche Unternehmen haben in Zu­sammenarbeit mit McKinsey eigene Wei­terbildungsprogramme für ihre zentralen IT­Bereiche aufgesetzt, um die Kluft zwi­schen IT­ und Business­Themen zu über­brücken. Solche beispielhaften Trai­

ningsprogramme umfassen in den ersten Berufsjahren der Mitarbeiter sowohl Modu­le für Projektmanagement im IT­Kontext einschließlich Projektkommunikation als auch Trainingseinheiten zu Fachthemen wie IT­Infrastruktur und ­Architektur sowie Entwicklung von Applikationen. Für Mitar­beiter, die Führungsfunktionen überneh­men oder bereits innehaben, werden als Vorbereitung bzw. Begleitung spezielle Module angeboten, in denen sie Führungs­techniken wie emotionale Intelligenz oder den Umgang mit Persönlichkeitspräfe­renzen ebenso wie Methoden und Instru­mente für Coaching und Organisationsent­wicklung erlernen.

Wirtschaftsinformatiker sind kein Allheil­mittel. Aber sie sind unverzichtbare Lotsen, um IT und Business in eine gemeinsame Spur zu lenken. Für diese Aufgabe bringen sie aus ihrem Erststudium wichtige Voraus­setzungen mit. Wirklich effektiv werden sie aber erst, wenn sie in zielgerichteten Wei­terbildungen ihre Fähigkeiten ausbauen. Erst die Kombination aus Erststudium und einer integrierten und praxisnahen Weiter­bildung sorgt dafür, dass Wirtschaftsinfor­matiker ihr volles Potenzial erschließen und ihren Unternehmen entscheidend helfen können, die Erfolgsquote von IT­Projekten oder von Projekten, in denen IT ein wich­tiger Faktor ist, deutlich zu heben.

Sandra Harbert,Expert / Mindsets & Capabilities Practice,

und Oliver Triebel,Head of Organizational Learning,

McKinsey & Company, Inc.

„Lebenslanges Lernen“ – der nächste Entwicklungsschritt im WI-Curriculum?

von Dr. Jochen Müller

Lebenslanges Lernen – warum?„Lebenslanges Lernen“ wurde schon in den 1960er Jahren als Begriff geprägt und er­fährt seit einiger Zeit eine Renaissance. Be­sonders in der Bildungspolitik ist das The­ma aktuell – supranationale Organisati­onen wie die UNESCO, die EU und die OECD nehmen sich des Themas genauso an wie nationale Politik. Lebenslanges Lernen soll die klassischen Bildungsstrukturen mit ih­rer Einteilung in mehr oder weniger strikt aufeinander folgende Abschnitte eines Bil­dungsweges aufweichen, der mit dem Be­rufsausbildungs­ oder dem Hochschulab­schluss beendet ist. Ausdruck lebenslan­gen Lernens ist damit auf der einen Seite

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WI – MEINUNG/DIALOG

die Fort­ und Weiterbildung zum Erwerb von Qualifikationen, die der Anpassung an neue Erfordernisse wie z. B. veränderten Arbeitsfeldern, technischem Fortschritt oder schlicht auch der Lage auf dem Ar­beitsmarkt dienen. Gleichzeitig fordert die Politik aber auch, mit dem Instrument des lebenslangen Lernens Durchlässigkeit im Bildungssystem zu schaffen und die Bil­dungsbereiche aus dem „Schubladenden­ken“ der verschiedenen Bildungsgefäße heraus zu einem integrierten Gesamtsys­tem zu führen.

Träger des lebenslangen Lernens – Die Rolle der UniversitätenDie Diskussion der politischen Fragen mag man den entsprechenden Akteuren über­lassen wollen. Unbestreitbar ist jedoch, dass sich die (Hochschul­)Bildungsland­schaft verändert: Das „klassische“, grund­ständige Studium an der Universität oder auch an der Fachhochschule hat vielfältige Konkurrenz durch neue Bildungsinstitutio­nen in privater oder öffentlicher Träger­schaft erhalten. Neue Organisationsformen in der Aus­ und Weiterbildung wie berufs­begleitende Studiengänge, Fernstudien und Weiterbildungsprogramme unter­schiedlicher Art und Positionierung wer­den entwickelt und am Markt angeboten. Die Fülle an Werbeanzeigen in den ein­schlägigen Publikationen spricht eine deut­liche Sprache.

Auch für die klassischen Hochschulen ist es attraktiv, sich diesem Markt zu widmen: Einerseits generieren Weiterbildungsange­bote Einnahmen jenseits fixierter und – de­mographisch bedingt – tendenziell schrumpfender Budgets. Andererseits kön­nen Synergieeffekte mit Forschung und her­kömmlicher Lehre genutzt werden, wenn anwendungsorientierte Forschungsergeb­nisse in hochkarätigen Weiterbildungsver­anstaltungen mit einer idealerweise höchst qualifizierten Teilnehmerschaft diskutiert werden können. Die 11­jährige Erfahrung mit dem Executive Master of Business Engi­neering in St. Gallen zeigt, dass sich darüber hinaus auch weitere Synergien für For­schungsinstitute ergeben. So sind unsere Lehrgänge, die in der Schweiz, in den USA und in China durchgeführt werden, attrak­tive Quellen für Fallstudien und Anwen­dungsbeispiele. Und nicht zuletzt scheint auch die Hochschulpolitik das Entstehen marktorientierter Bildungsangebote mit Wohlwollen zu betrachten und auch zu un­terstützen. Dies liegt womöglich daran, dass damit die Öffnung der Hochschulen zu ins­

gesamt mehr marktlichen Organisations­ und Koordinationsformen gefördert wer­den kann.

Lebenslanges Lernen zu WI-Themen?Themengebiete im Umfeld der Wirtschafts­informatik bieten sich an unter dem Aspekt des „Lebenslangen Lernens“: Die Wirtschafts­informatik besetzt attraktive und zukunfts­trächtige Themen. Das erforderliche Wissen verändert sich schnell, sodass eine qualifi­zierte Wirtschaftsinformatik­Grundausbil­dung immer wieder ergänzt werden muss, um ihren Wert zu behalten. Berufsbilder und Arbeitsgebiete wandeln sich – eher tech­nisch orientierte Informatiker sehen sich da­mit konfrontiert, dass das Management der Informatik und das Nutzen Ihrer Potenziale immer größeren Stellenwert im Job anneh­men. Auf der anderen Seite spielen Themen aus der Wirtschaftsinformatik auch in den klassischen betriebswirtschaftlichen Funkti­onen eine immer größere Rolle, sodass ent­sprechende Kompetenzen im Qualifikati­onsportfolio attraktiv und nützlich werden. Führungsaufgaben drehen sich immer we­niger um das „Run the Business“ und immer mehr um das „Change the Business“, wobei Veränderungen, z. B. an Geschäftsmodellen oder Prozessen, durch (IT­)Innovation nach wie vor eine bedeutende Rolle spielen.

Entsprechend bietet sich ein großes Po­tenzial, die Themen aus der Wirtschaftsin­formatik in Weiterbildungsveranstaltun­gen auf Universitätsniveau zu positionie­ren. Die Universität bietet eher als andere Anbieter auf dem Weiterbildungsmarkt die Voraussetzungen, anspruchsvolle und dis­ziplinenübergreifende Themen (wie sie der Wirtschaftsinformatik oft zueigen sind) in ausreichender wissenschaftlicher Tiefe und ohne zu starke Einschränkung auf be­stimmte, unternehmensspezifische As­pekte zu vermitteln.

Das WI-CurriculumDie Rahmenempfehlungen für die Univer­

sitätsausbildung in Wirtschaftsinformatik beziehen sich klar auf das grundständige Studium und geben Orientierung über das relevante Themenportfolio in den unter­schiedlichen Erscheinungsformen einer Wirtschaftsinformatik­Ausbildung auf Uni­versitätsniveau. Sie äußern sich nicht zu The­men oder Ausbildungsformen im Weiterbil­dungsumfeld. Wenn andererseits aber Wei­terbildung auch für die universitäre Wirt­schaftsinformatik immer mehr ein Betäti­gungsfeld wird, können als Ergänzung zum vorliegenden Empfehlungspapier zumin­

dest Eckpunkte relevanter Themen, Ziel­gruppen und Lehrformen nützlich sein. Sol­che Eckpunkte erscheinen hilfreich, um Wei­terbildungsbedarfe zu erkennen, die Gestal­tung entsprechender Programme zu unter­stützen und vielleicht durch eine vergleich­bare Terminologie in den entstehenden An­geboten zu etwas mehr Markttransparenz beizutragen. Andererseits darf nicht ver­kannt werden, dass Weiterbildung in einer großen Vielfalt unterschiedlicher Gefäße passiert – von Tages­Seminaren zu Einzelthe­men über mehrwöchige Programme, die mit einem Zertifikat abschließen, bis hin zu um­fassenden berufsbegleitenden Studiengän­gen mit einen Master (of Advanced Studies)­ oder Executive­MBA­Abschluss, wie wir sie in St. Gallen anbieten. Es erscheint unrealis­tisch, in dieser heterogenen Landschaft ähn­lich klar strukturierte Rahmenempfehlungen auszusprechen, wie sie für das grundständi­ge Studium vorliegen. Dies ist sicher auch nicht sinnvoll oder erstrebenswert, aber den­noch dürfte aus den geschilderten Überle­gungen die Formulierung einiger Eckpunk­te anzustreben sein. Neben der Skizzierung der Themen sollten auch methodische Über­legungen einfließen: Die lehrbuchorientierte Vermittlung von Theoriewissen (wie sie im grundständigen Studium mitunter adäquat ist) tritt bei uns zugunsten von Fallstudien, Erfahrungsaustausch und unmittelbarer Re­flexion im Umfeld der Teilnehmer eher in den Hintergrund.

Als Ansatzpunkte einer Diskussion wer­den im Folgenden einige kurze Überle­gungen zu Zielgruppen und daraus fol­gend möglichen Feldern „lebenslangen Lernens“ zu Themen aus der Wirtschaftsin­formatik und angrenzenden Disziplinen (im Sinne von Weiterbildung auf Universi­tätsniveau) angestellt.

Wer will also zu Themen aus der Wirt­schaftsinformatik „lebenslang lernen“? Ei­nige Zielgruppen seien genannt:

Personen, die mit einem eher tech­nischen Hintergrund im Informatikumfeld arbeiten und ihr Qualifikationsportfolio in Richtung „Management“ erweitern wollen. Diese Personen stellen fest, dass ihr ange­stammtes Arbeitsgebiet vielleicht nicht mehr die Potenziale bietet, die sie sich er­hoffen, dass sie aber auf dem Weg zu einer Rolle näher am „Business“ an Grenzen sto­ßen. Themen wie Business­IT­Alignment, Leadership, Change Management oder auch Prozessmanagement mögen Stich­worte sein, mit denen ein solcher Perso­nenkreis angesprochen werden kann.

Personen in kaufmännischen Funkti­

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onen, deren Tätigkeitsgebiet nahe an Infor­matikthemen ist. Diese sind auf der Fach­seite Kunden von (intern oder extern pro­duzierten) Informatikdienstleistungen und wollen diese fachlich mitgestalten und deren Potenziale nutzen. Für diesen Perso­nenkreis sind etwa Themen wie Business Intelligence, Architekturmanagement oder auch Modellierungs­ und Methodenthe­men von Interesse.

Der Geschäftsleitung im Unternehmen kommt die Rolle zu, das Unternehmen stra­tegisch zu positionieren und weiterzuent­wickeln. Auch in diesem Umfeld kommt Informatikthemen eine gewisse Bedeu­tung zu, muss doch sowohl über Chancen und Risiken von IT­Innovation für das eige­ne Geschäftsmodell befunden werden als auch die Ausrichtung der eigenen Informa­tikbereiche entschieden werden. In Inhalt und Format zielgruppengerechte Veran­staltungen für einen solchen Teilnehmer­kreis sind sicher für die Nachfrager wie für die Anbieter sehr attraktiv.

Schließlich sind auch – analog zu den grundständigen wirtschaftswissenschaft­lichen Studiengängen – in (Executive­) MBA­Curricula Inhalte aus dem Themenportfolio der Wirtschaftsinformatik enthalten. Auch für diesen Personenkreis sollte – je nach Aus­richtung des Programms – in Form und In­halt andere Lehre betrieben werden als in einem grundständigen Studium.

FazitLebenslanges Lernen ist gefragt. Für die Wirtschaftsinformatik mag es einerseits ge­sellschaftliche Verpflichtung sein, mit ihren Themen hier ein Beitrag zu leisten. Ander­erseits bietet sich aber auch die Chance, die Inhalte der Wirtschaftsinformatik und ihre Positionen an neue Zielgruppen zu vermit­teln, in einer Weise, die für Anbieter wie Nachfrager vorteilhaft sein kann. Ein weit­erentwickeltes WI­Curriculum, das Aspekte der Weiterbildung berücksichtigt, könnte Hilfestellung bei der Gestaltung entsprech­ender Angebote geben und zu etwas mehr Klarheit in einem sehr unübersichtlichen Markt sowie zur Profilbildung gerade der universitären Bildung beitragen. Damit würde es nicht nur den Wirtschaftsinforma­tik­Institutionen an den Universitäten hel­fen, sich diesen Markt zu erschließen, es würde gleichzeitig Unternehmen bei der Definition entsprechender Programme und Anfragen helfen.

Dr. Jochen MüllerUniversität St. Gallen

Executive Master of Business Engineering