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Nummer 1 März 2019 imago Geschwister

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Geschwis ter

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Kürzlich wählte das Publi-kum des Schweizer Fern-sehens die Heldin des All-tags 2018. Die BernerinChristiane von May ent-lastet und begleitet mit ih-rer Stiftung «Pro Pallium»Familien mit schwerkran-ken Kindern. Diese Aus-gabe des «imago» gibtden vielen kleinen Heldin-nen und Helden des All-tags eine Stimme, die ih-ren Eltern bei der Be-treuung von Kindern mitBehinderung eine grosseStütze sind, und dies meistim Verborgenen: den Ge-schwisterkindern.

Letzten Herbst thematsier-te der DOK-Film «Schwe-re Last auf schmalenSchultern» die Situationvon Kindern und Jugend-lichen, die Angehörigepflegen, unter anderemauch ihre Geschwister miteiner körperlichen oderkognitiven Beeinträchti-gung. Gemäss nationalenErhebungen sind acht Pro-zent aller Kinder zwischen10 und 15 Jahren soge-nannte «Young Carers»,junge Pflegende. 46% da-

von kümmern sich um einkrankes oder behindertesGeschwister.«Young Carer» ist einneuer Begriff für eineRolle, die es schon immerin den Familien gab. In-zwischen hat sich die Forschung des Themas«Young Carers» angenom-men. Ziel ist es, Fachper-sonen für die Thematik zusensibilisieren, aber auch,politische und gesellschaft-liche Massnahmen anzu-stossen, um pflegende Kin-der und Jugendliche inSchule, Ausbildung undBeruf besser zu unterstüt-zen. Chancengleichheit istdas Stichwort.

Auch visoparents schweizsieht es als eine ihrer Auf-gaben an, diese Kinderund Jugendlichen sowiedie Eltern von Kindern mitBehinderung in ihrem All-tag tatkräftig zu unterstüt-zen und wo immer mög-lich zu entlasten.

Carmelina Castellino,Direktorin

Kleine Helden des Alltags

Liebe Leserin, lieber Leser

Fokus Geschwisterkindern eine Stimme geben 4 Mama bloggt: Drei durch dick und dünn 10 Persönlich: Interview mit Martina Dumelin 12 Aus der Eltern- und Fachberatung 15

Gut zu wissen Gewalt in der Erziehung 16 Psychomotorik-Förderung in der Kita 18 Frühe Förderung: Gerechte Chancen für die Kleinsten 21

Aktuell Neu und nützlich 22

Verein Children’s Ride 2019 24 Kinder Sensorik-Beutel selber machen 26 Kinderinterview 28

Veranstaltungen 29

Informationen für Gönner 30

Pinnwand 31

Impressum 32

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Spagat zwischen Familie und Schule oder LehrstelleÜbernehmen Kinder Pflegeleistungen oder sind siedurch eine akute Phase oder andere Schwierigkeitenmit dem kranken oder behinderten Kind emotionalund zeitlich vereinnahmt, kann sich dies negativ aufdie Leistungsfähigkeit und Konzentration in der Schuleoder der Lehre auswirken. Wissen Lehrpersonen oderLehrmeisterInnen zu wenig Bescheid über die Situationzu Hause, schätzen sie Leistungseinbussen falsch einund sprechen die Geschwisterkinder auch nicht daraufan. Freundschaften und Hobbys von Geschwisterkin-dern können aufgrund der Situation daheim ebenfallszu kurz kommen. Auch können Kinder glauben, mitGleichaltrigen nicht über die Behinderung oder Krank-heit des Geschwisters reden zu können oder nieman-den nach Hause einladen zu können.

Die eigenen Bedürfnisse zurückstellen Besonders folgenreich ist es, wenn Kinder das Gefühlhaben, ihre Eltern schonen zu müssen, wenn sie überlange Zeit negative und widersprüchliche Gefühle

nicht offen und direkt ausdrücken können und es we-nig Raum für ihre Bedürfnisse gibt. Diese Kinder über-nehmen – scheinbar problemlos – viel Verantwortung.Sie helfen, unterstützen und funktionieren sehr gut.Die auf den ersten Blick gute Anpassung bedeutetaber für viele Kinder, dass sie ihre eigenen Bedürf-nisse zurückstellen und mit der Zeit verlernen, siewahr- und ernst zu nehmen und anzumelden. Im Ge-gensatz zu Kindern, deren Belastung über auffälligesoder störendes Verhalten oder durch einen deutlichenLeistungsabfall in der Schule sichtbar wird, bestehtfür diese Kinder das Risiko, dass sie längerfristigepsychische Probleme entwickeln.

Was brauchen Geschwisterkinder ? Das, was alle Kinder brauchen. Darüber hinaus gibtes vieles, was dazu beiträgt, dass Geschwisterkinderentlastet werden können:

Aufmerksamkeit und Zeit Für Geschwisterkinder ist es sehr wichtig, dass ihnengenügend Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt wer-

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Fragt man Geschwisterkinder, wie sie ihre Situationbeschreiben würden, antworten sie oft, dass es «ein-fach so» ist. Wie die meisten Kinder gehen sie selbst-verständlich mit den Gegebenheiten um und passensich an. Wie ein Geschwisterkind die Krankheit oderBehinderung der Schwester oder des Bruders wahr-nimmt, hängt ab vom Schweregrad der Beeinträchti-gung, wie bedrohlich diese ist und wie stark das All-tagsleben der Familie davon beeinflusst ist. Zudemspielt es eine Rolle, wie die Familie und das naheUmfeld mit der Situation umgehen, wie sichtbar undwahrnehmbar die Einschränkungen sind und wieMenschen in der Öffentlichkeit darauf reagieren.

Was bedeutet es, ein Geschwisterkind zu sein? Klar ist, dass das Aufwachsen mit einem behindertenoder kranken Geschwister prägt, auch im positivenSinn. So sind viele Geschwisterkinder sozial kompe-tent und reif. Kann die Familie die Herausforderungengut bewältigen, erwerben die Geschwisterkinder spe-zifische Fähigkeiten und Stärken: Empathie, Abgren-zungsfähigkeit, Selbstständigkeit, Differenziertheit,Strategien im Umgang mit Schwierigkeiten usw. Siemachen die Erfahrung, dass auch «nicht normierte»Lebenswege wertvoll sind, erleben Zusammenhalt(«es gemeinsam schaffen») und entwickeln Kompe-tenzen im Umgang mit unterschiedlichen Menschen.Viele erwachsene Geschwisterkinder empfinden dieBeziehung zum Geschwister mit einer Behinderungoder Krankheit als tiefgehend, als bereichernd undwichtig für ihr eigenes Leben. Allerdings kann es fürein Kind auch mit verschiedenen Schwierigkeiten ver-bunden sein, so aufzuwachsen.

Mit den eigenen Gefühlen alleingelassen Es kann für Geschwisterkinder belastend sein, wennsie mit ihren eigenen Gefühlen alleingelassen werden:

mit der Angst um das Geschwister, der Scham überdie Behinderung oder Krankheit, der Enttäuschung,wenn die Eltern sich aus Sicht des Kindes zu wenig fürseine Belange, Wünsche und Erfolge interessieren, derFrustration, weil auf Flugreisen oder bestimmte gemein-same Freizeitaktivitäten verzichtet werden muss, demÄrger, wenn die Eltern Hilfe einfordern (das Geschwis-ter z.B. mit nach draussen nehmen, bei der Pflegeoder Betreuung helfen) oder auch dem Gefühl der Zu-rücksetzung, wenn ein behindertes oder krankes Ge-schwister sehr viel Aufmerksamkeit erhält.

Auch wiederholte, oft unplanbare Spitalaufenthalte,die zu längeren Abwesenheiten der Mutter oderdes Vaters führen, können Kinder verunsichern undstressen, selbst wenn sie mit dem daheimgebliebe-nen Elternteil «die Stellung halten» und «den Ladenschmeissen».

Fehlende Informationen Fehlen dem Geschwisterkind Informationen über dieKrankheit oder Behinderung des Geschwisters sowieüber mögliche Verläufe und Behandlungen, sucht eseigene Erklärungen für die Situation. Diese beinhaltennicht selten Schuld- und übermässige Verantwortungs-gefühle in Bezug auf das Geschwister oder die Eltern,was sich negativ auf das Selbstbild und den Selbst-wert des Geschwisterkindes auswirkt.

Erschwerte Geschwisterbeziehung Die Behinderung oder Krankheit eines Kindes kanneine positive Geschwisterbeziehung erschweren, z.B.durch Verhalten, das für das Geschwisterkind schwernachvollziehbar ist, wie Schlagen oder Beissen, durchschwere Beeinträchtigungen der Kommunikations-möglichkeiten und -fähigkeiten oder durch langesoder wiederholtes Getrenntsein der Geschwister.

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In der Schweiz wachsen rund 250 000 Kinder mit einem behinderten oder kranken Geschwisterauf. Mit dem Projekt «Geschwisterkinder» informiert der Luzerner Verein Familien- und Frauengesundheit über die Herausforderungen und Chancen einer solchen Konstellation.

Für Oliver (rechts) ist es ganz selbstverständlich, sich um seinen Bruder Flavio zu kümmern.

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Geschwisterkindern eine Stimme geben

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Wie ist es für die Eltern? Erfahren Eltern während der Schwangerschaft odernach der Geburt ihres Kindes von einer Behinderungoder erkrankt oder verunfallt ihr vorher gesundesKind und erleidet schwerwiegende Folgen, fallenviele Eltern zunächst in ein «tiefes Loch» und geratenin einen Sturm von Gefühlen. Für viele Eltern ist dieseine traumatische Zeit. Jede Mutter und jeder Vatererlebt diese Verunsicherungen, Höhen und Tiefen undschliesslich den Weg in «ruhigere Gewässer» auf ei-gene Weise und in ihrem oder seinem eigenenTempo. Neben den eigenen Gefühlen müssen die El-tern sich auf eine veränderte Lebens- und Alltagspla-nung einstellen und den besorgten, neugierigen, gutgemeinten und manchmal unbedarften Fragen undRatschlägen der Verwandtschaft und des weiterenUmfelds begegnen. Manchmal müssen Eltern auchdamit zurechtkommen, dass Personen sich von ihnenabwenden oder Kontakte sich verflüchtigen – ande-rerseits kann Verständnis, Hilfe und konkrete Unter-stützung auch von unerwarteter Seite kommen.

Auch die Beziehungen in der Familie verändern sich.Vielen Elternpaaren gelingt es, sich gegenseitig Halt,Trost und Rat zu geben und ihre Beziehung erfüllendzu gestalten – andere gehen so unterschiedlich mit ih-ren Gefühlen um oder haben so unterschiedliche Be-dürfnisse, über die Situation zu reden, dass sie sichentfremden und eine grosse Distanz entsteht. Erschwe-rend kommen oft langwierige Auseinandersetzungenmit Versicherungen und finanzielle Probleme hinzu.Diese vielfachen Herausforderungen und Belastungenhaben zur Folge, dass sich Eltern von Kindern mit Be-hinderungen oder Krankheiten häufig überlastet, über-fordert und gestresst fühlen. Sie müssen ihren KindernHalt geben, sie umsorgen und ihnen Mut machen. An-dererseits brauchen sie selbst Halt und Unterstützung.Chronische Überlastungen von Eltern, die zu wenigUnterstützung erfahren, haben oft ungünstige Folgen:für die eigene körperliche und seelische Gesundheit,für die Paarbeziehung und die Kinder.

Was können Eltern für sich selbst und für die Kinder tun ? Die Art, wie Eltern die Herausforderungen meistern,welchen Umgang sie dem Kind vorleben, und nichtzuletzt ihre Fähigkeit zur Selbstsorge sind entschei-

dend dafür, wie belastend das Aufwachsen mit einemkranken oder behinderten Geschwister für ein Kindist. Zu einer guten Selbstsorge gehört vor allem derUmgang mit Stress und Überlastung.

Gründe für Überlastung erkennenNeben der Beanspruchung im Alltag und Verschlech-terungen des Gesundheitszustandes des Kindes, diemit viel Stress verbunden sind, gibt es auch «innere»Gründe für Überlastung. Dazu gehören hohe odergar perfektionistische Ansprüche an sich selbst («esallein schaffen wollen») oder ein ungünstiger Umgangmit negativen Gefühlen, z.B. wenn sich Eltern Wut,Schuld- und Frustrationsgefühle übel nehmen. Dies er-zeugt einen permanenten inneren Druck, der sich unteranderem auf Schlaf und Appetit auswirken kann.

Hilfe suchen und annehmen Selbst wenn Hilfsangebote manchmal unsicher da-herkommen – das Umfeld von Familien mit Kindern,mit einer Behinderung oder Krankheit, leistet meistgern konkrete Hilfe. Eine erhebliche Entlastung fürEltern ist unkomplizierte, praktische Hilfe, wie etwaein vorgekochtes Nachtessen, das vorbeigebrachtwird, die Einladung des Geschwisterkindes für einenSchwimmbadausflug oder ein vom Nachbarn ge-mähter Rasen. Einigen Eltern fällt es leicht, Personenund Stellen zu finden, die ihnen eine echte Unter-stützung sind. Für andere Eltern ist dieser Schritt mitScham oder Unsicherheit verbunden, und sie lassensich durch Verständigungsschwierigkeiten z.B. mitFachpersonen entmutigen. Ein guter Einstieg kann hier der Austausch mit an-deren betroffenen Eltern sein, die man über Selbst-hilfeorganisationen und Verbände findet (siehe visoparents Elterntreff auf Seite 29, Veranstaltungen)oder auch in einer geschlossenen Social-Media-Gruppe, wo man sich unabhängig von Ort und Ta-geszeit austauschen kann.

Einen guten Umgang mit Stress finden Für Eltern kann es realistischer sein, sich kleine «stress-freie Inseln» im Alltag zu schaffen als auf die «grossePause» zu hoffen. Zum Umgang mit Stress gehörtauch die Pflege von Kontakten und Freundschaften,die von Eltern mit behinderten oder kranken Kindernmanchmal vernachlässigt werden.

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den: Dies können z.B. kleine Rituale mit den Elternsein, Ausflüge, die das Geschwisterkind mit den Elternallein unternimmt, oder einfach immer wieder dieFrage, wie es dem Kind geht, wie es sich fühlt, wases beschäftigt. Die zeitliche Entlastung der Eltern inder Betreuung des Kindes mit einer Behinderung oderKrankheit ist ausschlaggebend dafür, dass diese auchmit dem oder den Geschwisterkindern Zeit verbringenkönnen. Darüber hinaus müssen GeschwisterkindernRäume, Zeiten und Aktivitäten zur Verfügung stehen,in denen die Behinderung oder Krankheit des Ge-schwisters keine Rolle spielt, und sie sollen ermutigtund darin unterstützt werden, Freundschaften zu pfle-gen und ihren Hobbys nachzugehen.

Einbezug, Informationen und Wertschätzung Geschwisterkinder müssen mit ihren Wahrnehmun-gen, Anliegen und Gefühlen einbezogen und in al-tersgerechter Sprache über die Behinderung oder

Krankheit des Geschwisters informiert werden. Immerwieder brauchen sie Ermutigung, Fragen zu stellenund Unsicherheiten zur Sprache zu bringen. Hilfe,Unterstützung und Verzicht, die ein Geschwisterkindleisten will oder muss (was sich nicht immer vermeidenlässt), sollten vom Umfeld beachtet, thematisiert undwertgeschätzt werden.

Sicherheit und Unterstützung Kindern gibt es Sicherheit, wenn der Alltag möglichstgut strukturiert und vorhersehbar ist. Dies kann z.B.mit Notfallplänen und Tages- und Wochenabläufen(Familienkalender oder Wandtafel mit Wochentagenusw.) sichtbar gemacht werden. Wenn Eltern, Lehr-personen und weitere Fachpersonen sich gemeinsamfür das Kind einsetzen und sich austauschen, könnenin schwierigen Situationen gemeinsam Lösungen ge-funden werden.

Es gibt keine «Patentrezepte» dafür, welche Unter-stützung und Hilfe ein Geschwisterkind braucht –dies kann nur für jedes einzelne Kind herausgefundenwerden oder noch besser: gemeinsam mit jedem ein-zelnen Kind! Seitens der Eltern, des Umfelds und derFachpersonen ist hier eine stetige und sensible Auf-merksamkeit gegenüber den Bedürfnissen des Kindesgefragt.

Was geschieht im Erwachsenenalter ?In jeder Lebensphase müssen sich Geschwisterkinderneu mit ihrer Situation auseinandersetzen. WelcheBedeutung die Behinderung oder Krankheit derSchwester oder des Bruders für die eigene Identitätund den Verlauf des eigenen Lebens hat, wird vielenGeschwisterkindern aber erst klar, wenn sie Jugend-liche oder junge Erwachsene sind und es um Fragender Ablösung von der Familie, der Berufs- und Part-nerwahl geht.

Die Erkenntnis, daran gewöhnt zu sein, für andereda zu sein und die eigenen Bedürfnisse in den Hin-tergrund zu stellen, führt zur Frage nach den eigenenWünschen und Interessen. Erwachsene Geschwister-kinder stellen dann vielleicht fest, dass sie diese garnicht genau kennen und ungeübt darin sind, sichselbst in den Vordergrund zu stellen und für sich ein-zustehen. Hinzu kommt häufig auch die Frage nacheiner weiterführenden Verantwortung für das krankeoder behinderte Geschwister. Soll eine Beistandschaftübernommen werden oder nicht? Lassen sich Bezie-hungspflege und Verpflichtungen gegenüber dem er-wachsenen Geschwister mit dem eigenen Familien-und Berufsleben vereinbaren? Dies sind Fragen, diesich erwachsene Geschwisterkinder stellen und aufdie sie Antworten finden müssen.

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Mario ist manchmal traurig, dass seine Schwester Oliviaeine schwere Behinderung hat.

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Selbstzweifel hervorrufen. Es kann hilfreich sein, mitden Eltern zunächst über das Konzept der «genügendguten Eltern» zu reden, das heisst über eine Art derElternschaft, die eine gesunde Entwicklung des Kindesermöglicht, indem die Eltern den Bedürfnissen ihrerKinder im Grossen und Ganzen nachkommen müs-sen, aber nicht immer und nicht perfekt. Manchmalgenügt es auch, die Bemühungen der Eltern, Ge-schwisterkindern gerecht zu werden, wertzuschätzenund sie darin zu bestärken.

Eltern anregen und ermutigen, Hilfe zu suchen Wenn es Fachpersonen oder Bezugspersonen gelingt,zusammen mit den Eltern und anderen Fachleuten,Fachstellen und -organisationen Überlastungen an-zugehen und Schwierigkeiten zu bewältigen, entlastetdies auch Geschwisterkinder. Welche Hilfen ange-messen sind und realisiert werden können, kann nurindividuell bestimmt werden. Für eine Familie kanndies die Vermittlung zu Entlastungsangeboten, Frei-willigeneinsätzen und Selbsthilfeorganisationen sein,eine andere benötigt vielleicht Aus- und Erholungs-zeiten für einzelne Familienmitglieder. Auch kann eshilfreich sein, mit der Familie eine «Ressourcenkarte»zu erstellen, die es ermöglicht, persönliche Ressourcenund Stärken der einzelnen Familienmitglieder, fami-liäre Ressourcen (wie gemeinsame Aktivitäten, dieallen Freude machen), soziale Ressourcen (Personenim Umfeld, die Unterstützung und Hilfe bieten) sowiematerielle Ressourcen sichtbar zu machen. Die Fo-kussierung auf Positives wirkt ermutigend und richtetden Blick auf bereits vorhandene Unterstützung.

Fachliche Einschätzung gebenWenn Fachpersonen darauf aufmerksam werden,dass die Entwicklung eines Geschwisterkindes un-günstig verläuft und es länger dauernde psychischeAuffälligkeiten zeigt (z.B. Symptome einer Anpas-sungs- oder posttraumatischen Belastungsstörung, de-pressive Verstimmungen und Rückzug, körperlicheSymptome wie häufige Bauch- oder Kopfschmerzenund Schlafstörungen), können Fachpersonen dazubeitragen, dass die betroffenen Geschwisterkinderrechtzeitig therapeutische Hilfe erhalten.

Dr. Brigitte Müller, Psychologin FSP, Institut Kinder-und Jugendhilfe, Hochschule für Soziale Arbeit FHNW

Alexa Meyer, Leiterin Projekt Geschwisterkinder

Herzstück des Projekts «Geschwisterkinder» istein 30-minütiger Dokumentarfilm. Er gibt einenemotionalen Einblick in das Leben von vier be-troffenen Kindern in ihrem täglichen Spagat zwi-schen Rücksichtnahme, Geschwisterliebe und ih-ren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen: MarioLyubenov und Liam Buck (beide 7 Jahre alt),Anja Niederberger (16; im Bild oben rechts ne-ben ihrer Schwester Florina) und Oliver Huber(14). Auf eine beeindruckend ehrliche Art er-zählen die Protagonisten über ihr Leben als Ge-schwisterkinder und ihre Eltern über Schwierig-keiten und die eigenen Schuldgefühle.

«Geschwister-Kinder» hat zum Ziel, die psy-chische Gesundheit und die gesunde Entwick-lung der Geschwisterkinder zu fördern. Um mög-lichst breit auf die Situation der Geschwister-kinder und deren Familien aufmerksam zu ma-chen, stehen der Dokumentarfilm wie auch dieInformationsbroschüre allen Interessierten kos-tenlos zur Verfügung. Der Film eignet sich gut als Einstieg an Veran-staltungen, Tagungen, Aus- und Weiterbildungenusw. Die Website gibt einen Überblick zumThema mit weiterführenden Links und Literatur-hinweisen. Ebenfalls findet sich eine umfangrei-che Liste mit Vernetzungs-, Beratungs- und Ent-lastungsangeboten für betroffene Familien.

Film und weitere Informationen aufwww.geschwister-kinder.ch

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Ein Vorbild sein Die Eltern können dem Geschwisterkind durch ihr ei-genes Beispiel zeigen, wie wichtig es ist, eigene Be-dürfnisse nicht komplett zu vernachlässigen, über Ge-fühle – auch Sorgen und Ängste – offen zu reden,sich «Auszeiten» zu nehmen. Zudem können Elternden Geschwisterkindern Strategien vermitteln, wiesie mit Sticheleien, Beleidigungen und Abwertungenvon Drittpersonen umgehen können.

Die Erwartungen überprüfen Eltern müssen sich immer wieder überlegen, ob dieErwartungen an das Geschwisterkind realistisch undangemessen sind. Ist der Anspruch an das Kind, «ver-nünftig» zu sein, nicht eifersüchtig zu sein und keinen«Zoff» zu machen, altersgemäss? Muss das Kind be-sonders gute Leistungen, Erfolge und Fähigkeiten zei-gen – oder darf es im Gegenteil nicht zu gut sein,damit die Diskrepanz zum Geschwister mit einer Be-hinderung oder Krankheit nicht zu deutlich wird? DieFamilie muss auch eine Antwort auf die Frage finden,wie damit umgegangen wird, wenn ein gesundesjüngeres Kind das behinderte oder kranke ältere Ge-schwister überholt. Ebenso muss geklärt werden, obund wie das Kind sich gegen Angriffe und aus seinerSicht «nerviges» Verhalten eines behinderten oderkranken Geschwisters wehren und abgrenzen darfund wie die Eltern dies unterstützen können.

Ermutigen, stärken und schützen Eltern können Geschwisterkinder ermutigen und stär-ken: darin, ihre Meinung oder auch einmal «Nein»

zu sagen sowie eigene Hobbys, Interessen und Freund-schaften zu pflegen. Bei gemeinsamen Unternehmun-gen sollen auch die Bedürfnisse des Geschwisterkindesausreichend berücksichtigt werden. Ältere Geschwistermüssen vor Überlastung und Überforderung als Eltern-vertraute und Helfer geschützt werden.

Elternzeit schaffen Auch wenn die Zeit im Alltag knapp ist, sind für Ge-schwisterkinder gemeinsame Aktivitäten mit den El-tern, bei denen das behinderte oder kranke Kindnicht dabei ist, wichtig. Wenn der Alltag schlechtplanbar ist, können auch spontane, kleinere Unter-nehmungen realisiert werden: Picknicken im Park,Zvieri beim Bäcker, ein gemeinsamer Bibliotheksbe-such, ein Spaziergang mit «Sternegucken» usw. JedesZusammensein mit dem Geschwisterkind erlaubt auchGespräche darüber, wie es ihm geht, was in derSchule läuft und was das Kind sonst noch beschäftigt.

Was können Fachpersonen tun?

Geschwisterkinder einbeziehen und informieren Auch wenn der Fokus und der Auftrag der meistenFachpersonen auf dem Kind mit einer Behinderungoder Krankheit liegt, sollten sie sich bewusst machen,dass Geschwisterkinder da sind und die Situation ih-ren Alltag beeinflusst. Wenn Geschwisterkinder dasAngebot, dass sie Fragen stellen können, nicht an-nehmen, heisst das meist nicht, dass sie keine Fragenhaben, sondern dass sie sich eventuell nicht getrauen,diese zu stellen. Fachpersonen können Geschwister-kindern anbieten, einmal bei einem Termin, einer Un-tersuchung oder in einer Therapiestunde dabei zusein. Dies bietet auch die Möglichkeit, Informationenund Wissen «nebenher» zu vermitteln. Auch Veran-staltungen wie Geschwisternachmittage in Institutio-nen können dazu beitragen, den Geschwisterkindernzu vermitteln, dass auch ihre Rolle und Sichtweisewichtig sind und anerkannt werden.

Eltern auf das Geschwisterkind ansprechen Es tut Geschwisterkindern gut, wenn sie merken, dassauch aussenstehende Personen sich für sie interessie-ren. Gespräche mit Eltern über die Bedürfnisse vonGeschwisterkindern benötigen Fingerspitzengefühl,denn sie sollen bei Eltern keine Schuldgefühle und

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Liam begleitet seine Schwester Elina oft ins Spital.«Geschwister-Kinder»: der Film

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Binden wir sie ein in die täglichePflege von Max? Nein. Ich denkees ist nicht ihre Aufgabe, ihn zufüttern oder anzuziehen. Manch-mal bitte ich sie, ihn an den Ess-tisch zu rufen oder kurz auf ihnacht zu geben, weil ich in den Kel-ler gehe. Ich glaube, es ist wichtig,dass sie Kinder sind und auch einekindliche Beziehung zu ihrem Bru-der haben. Da darf gestritten wer-den, aber es ist auch ok, wennMax mit auf dem Sofa sitzt undauch in ein Buch reinschauen will.Im Moment interessieren sie sichnicht für medizinische Belange, istja alles gut. Max geht genau sozum Augenarzt wie sie, findet Au-gentropfen genauso doof. Kom-men sie heim und erzählen, dassjemand auf dem Pausenplatz Maxals ‹behindert› bezeichnet habe,reden wir darüber, überlegen, obes ein besseres Wort gäbe, ob eseinfach darum ging, etwas zukommentieren oder ob die Aus-sage wertend, verletzend war.

Eine Portion mehr Verständnisund AkzeptanzOb sie, wenn sie älter sind, mehrVerantwortung wollen? Keine Ah-nung. Wir haben ihnen auchschon erklärt, dass Max immer aufHilfe in irgendeiner Form angewie-sen sein wird, aber dass das nichtheisst, dass er alsErwachsener bei ihnen wohnt und sie unsere heutigeRolle übernehmen.Natürlich freue ichmich, wenn sie sichum Max kümmern,Anteil nehmen anseinem Leben, undhoffe, dass sie dies

auch später tun werden, in irgend-einer Form, weil sie eben Brüdersind. Aber erzwingen kann mandas nicht.

Sicher ist es prägend, mit einembehinderten Geschwister aufzu-wachsen. Ich glaube, dass sie ir-gendwo in ihren Rucksäcken einePortion mehr Verständnis und Ak-zeptanz mittragen, dass es für sienormal ist, anders zu sein. Sie ha-ben auf jeden Fall keine Berüh-rungsängste, und eine integrie-rende Gesellschaft wird für sieselbstverständlich sein. Ich hoffe,dass sie sich in ihrem Leben diesenUmgang mit Normalität und An-dersartigkeit bewahren und dassdas Aufwachsen mit Max aucheine Chance ist.

Marianne Wüthrich

Nachdem wir das erste Jahr mitMax irgendwie überstanden hat-ten, kam die Frage auf, ob wirweitere Kinder wollen. Wir hattenkeine genauen Vorstellungen, aberbei mir festigte sich der Wunschnach einem Geschwister für Max.Allerdings stellte uns das vor ver-schiedene Überlegungen: Würden

wir das mit einem zweiten Kindnebst Max überhaupt schaffen?Wie weit würden wir pränatale Diagnostik in Anspruch nehmen?Was, wenn dieses zweite Kindnicht gesund wäre? Wie würdenwir mit einem solchen Befund um-gehen?

Tausend Fragen Tausend Fragen, die wir uns beider ersten Schwangerschaft nie in

diesem Umfang gestellt hatten. Eswar nicht einfach, auf der einenSeite immer noch weitere Diagno-sen zu Max anzunehmen und aufder anderen Seite zu überlegen,ob wir mutig genug sein würden,uns noch einmal auf das AbenteuerSchwangerschaft einzulassen. Vondiversen Seiten hörte ich, dass das

für Max sicher eine gute Sache sei,Geschwister helfen automatisch,behinderte Kinder lernen von ih-nen. Mich liess dabei ein Gedankenie ganz los: Wo würde dieses Ge-schwister neben Max Platz finden?Hätten wir wirklich genug Zeit undEnergie? Es sollte nicht untergehenund um jedes Krümel Aufmerksam-keit kämpfen müssen. Irgendwo,im Universum, hörte wohl jemandmeine Gedanken und schickte mir

Zwillinge. Was anfangs zu Sprach-losigkeit führte und die Schwan-gerschaft, auch wenn sie unauf-geregt verlief, nicht entspanntermachte, erwies sich schnell als Se-gen. Die zwei haben sich, natürlichwollen sie auch uns, aber wenn’seng wird, wenn keiner Zeit hat,dann können sie aufeinander ver-trauen. Viele Dinge sind zu zweiteinfacher.

Einfach der Max-BruderOft werde ich darauf angespro-chen, wie die beiden mit Max um-gehen, was er für sie bedeutet, obsie Zeit mit ihm verbringen, mitihm spielen. Meistens antworte ichdarauf «Normal halt, wie Ge-schwister so sind, mal mehr, malweniger». Für sie ist Max einfachMax. Sie sind sich bewusst, dasser einen anderen Bauplan hat,dass die Dinge anders funktionie-ren. Anfangs war das Interesse gegenseitig klein. Dann kam diePhase, in der er unbestritten dergrosse Bruder war, wenn’s kritischwar, wurde er vorgeschickt. Kamer gut unten an der Rutsche an,wagten sie es auch. Fragte mansie in dieser Zeit, ob sie Zwillingeseien, kam zur Antwort «Nein, wirsind Brüder und haben noch denMax-Bruder».

Pflege ist nicht die Aufgabe von GeschwisternNatürlich haben sie Max zwi-schenzeitlich in vielen Dingenüberholt, und das wissen sie auch.

Die AutorinMarianne Wüthrich ist Vize-präsidentin von visoparentsschweiz. Im «imago» schreibtsie über ihren Alltag mit Max und den Zwillingen Tomund Leo. Max ist infolge desCharge-Syndroms mehrfachbehindert und Autist.

Drei durch dick und dünnMama bloggt Voll das wilde Leben

Für die Zwillinge gehört Max ganz selbstverständlich dazu.

Bis jetzt weist alles darauf hin, dass das Aufwachsen mit Max für Tom und Leo auch eine Chance ist – und umgekehrt. Mama hofft, dass das so bleibt.

Mehr zum Thema«…und um mich kümmert sich keiner»Ilse Achilles gehört im deutschsprachigenRaum zu den ersten,die das Thema «Ge-schwister behinderter Kinder» fürein breites Publikum aufgearbeitethaben. Inzwischen liegt ihr Buchbereits in der 6. Auflage vor. DieMutter zweier Töchter und einesgeistig behinderten Sohnes be-schreibt darin fundiert und alltags-nah, welche Chancen und Risikenmit der besonderen Familienkonstel-lation verbunden sind. Und sie zeigtan vielen Beispielen, wie Eltern undsoziales Umfeld die Entwicklung derGeschwister unterstützen und Ge-fährdungen vermeiden oder verrin-gern können. – 192 Seiten, auchals eBook, ca. Fr. 22.–, Ernst Rein-hardt, München 2018

Materialien für Geschwister und ElternManchmal ist es wichtig, für sichallein nachzudenken, was einemfehlt, um eine besondere Heraus-forderung annehmen und erfolg-reich bewältigen zu können. Undauch darüber, wie es grundsätz-lich um die eigene Lebenssituationbestellt ist. Das Institut für Fami-lienforschung an der UniversitätBamberg hat für Familien mit ei-nem behinderten Kind verschie-dene Materialien entwickeln las-sen, darunter einen Elternbrief,eine Bildergeschichte für Kinderab 6 Jahren und einen Check-up,der 13- bis17-jährige gesunde Ge-schwister anregt, sich mit ihrer Si-tuation auseinanderzusetzen.www.ifb.bayern.de/projekte

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offen, wenn wir über herausfor-dernde Situationen sprechen. Ichdurfte immer ehrlich sein, auch inder erweiterten Familie und in mei-nem Umfeld, das schätze ich sehr.Später besuchte ich Workshops mitweiteren Geschwistern, zum Bei-spiel bei Marlies Winkelheide.Dort vertiefte ich die kritische Be-trachtung meiner Situation und re-flektierte weiter. Sie ermutigte unsGeschwisterkinder zur Abgren-zung und zur Benennung der ne-gativen Seiten einer Geschwister-beziehung.An Veranstaltungen für Familien tra-fen wir ebenfalls andere Geschwis-terkinder. Im Kindesalter war derAustausch jedoch nicht das erste Be-dürfnis, viel eher das unbeschwerteErlebnis, das an solchen Veranstal-tungen geboten wurde. Die Behin-derung war da kaum Thema.

Für Geschwister in deiner Situationkam in den 90er Jahren die Be-zeichnung «Schattenkinder» auf.Was löst dieser Begriff bei dir aus? Ich hörte erst im Erwachsenenaltervon dieser Begrifflichkeit und kannsie gut verstehen. In unserem Fallbemühten sich die Eltern um einegleichwertige Aufmerksamkeit füruns vier Kinder. Die Behinderungmeines Bruders erforderte zwarein höheres Zeitmass, die Bean-spruchung nahm aber nicht über-hand. In Familien, deren Alltagvon Pflege geprägt ist, ist es füralle Familienmitglieder eine grosseHerausforderung, Zeit für sichselbst oder Lücken für die gesun-den Kinder zu finden. Meist wol-len die Geschwisterkinder auf kei-nen Fall Zeit beanspruchen, da siedie Not der Eltern erkennen, auchwenn diese nicht ausgesprochenwird. Kinder sind sehr feinfühlig.

Wenn du zurückdenkst: Wie wür-dest du die Beziehung zu deinemBruder beschreiben?

Die Beziehung zu meinem Bruderhat sich stark verändert. Von einerfast romantischen Kindheit hin zurRealität, dass ein Erwachsener mitBehinderung wenig Chancen aufechte Teilhabe an der Gesellschafthat. Als Kind interessierten sich

weit mehr Leute für meinen Bruder,weil es niedlich ist, sich mit Kin-dern mit besonderen Bedürfnissenabzugeben. Heute sind wir, seineFamilie, sein Arbeitgeber und dieInstitutionen, sein soziales Umfeld.

Du sagst, das Aufwachsen mit dei-nem Bruder habe dich geprägt –inwiefern?Es fällt mir leicht, empathisch zudenken. Ich bin es gewohnt, fürandere zu sorgen.

Gibt es etwas, das du im Rückblickanders machen würdest? Nein, denn alles ergab sich aufnatürliche Weise und zum richti-

Im Teenageralter stellte ich fest,dass mein Bruder hin und wiedervon Fremden angestarrt wurdeoder wir erstaunte Blicke ernteten,weil wir «auf Augenhöhe» kom-munizierten. In dieser Zeit begannich wohl, mich zu emanzipierenund ihn auf meine Art zu verteidi-gen oder zu schützen. Erst im Er-wachsenenalter wurde mir be-wusst, dass ich mich bereits frühin diese fürsorgerische Rolle bege-ben hatte. Ich hatte bis dahin keinenegativen Gedanken zu unsererSituation zugelassen, obschon un-sere Eltern uns ermutigten, unsnicht zu stark in die Rolle der Ge-schwisterkinder zu begeben.Als ich negative Reaktionen vonaussen wahrnahm, weckte diesgrosse Lust in mir, meinen Bruderzu verteidigen und dieKritiker zu belehren.Wohl aus diesem Grundstellte ich das Aufwach-sen mit einem Bruder mitBehinderung immer sehrpositiv dar. Heute seheich es kritischer. StändigVerantwortung für ein Fa-milienmitglied zu empfin-den, kann belastend sein.Pause von der Verantwor-tung einzulegen, mussteich zuerst üben. Empa-thie zu empfinden, warin meinem Fall hin undwieder schmerzhaft.

Was hat dich im Zusammenhangmit deinem Bruder am meisten beschäftigt?Die Frage, womit ich meinen Bru-der gut unterstützen kann, ohnemich dabei zu belasten, beschäf-tigt mich fortlaufend. Unterstützeich ihn zu stark, wird er träge undfordernd. Da sein und sich gleich-zeitig abgrenzen können, brauchtviel Training. Dieses ist jedoch aufdas gesamte Leben betrachtetwichtig und gut. Ein Resilienztrai-ning halt.

Wer hat dir Antworten gegeben?Meine Schwester war schon immereine wichtige Austauschperson,weil sie in einer ähnlichen Rollesteckt. Sie ist ebenfalls ältereSchwester. Meine Eltern sind sehr

«Warum GeschwisterRaum für sich brauchen»

Fokus Fokus

imago: Welche Bedeutung hat dasThema Geschwisterkinder für dich?Martina Dumelin: Ich bin selbst be-troffen und bemerkte im Erwach-senenalter, dass die Situation, miteinem behinderten Geschwisteraufzuwachsen, prägend war. Mirist es ein Anliegen, dass Fachper-sonen sich dieser Herausforderungbewusst sind und Kindern in der-selben Situation Beachtung schen-ken bzw. früh aufmerksam sind,wenn diese besondere Bedürfnisseäussern. Wenn GeschwisterkinderAufmerksamkeit erhalten, ist dieshilfreich für die Stärkung ihrerSchutzfaktoren und die Minderungihrer Risikofaktoren.

Wann hast du realisiert, dass deinBruder anders ist?Natürlich habe ich ab Geburt mei-nes Bruders gewusst, dass er sichmit dem Down Syndrom ein weniganders entwickelt, als ich es vonandern Kindern kannte. Wir sindvier Geschwister, ich bin die Äl-teste, mein Bruder der Dritte. Erwar ein sehr süsses Kind, meineFreunde wollten ihn zum Spielenausleihen, was mich natürlich Stolzempfinden liess. Unsere Elternkommunizierten auf eine sehr of-fene Art und bemühten sich über-durchschnittlich für eine Gleichbe-rechtigung von uns vier Kindern,sodass wir kaum negative Erfah-rungen machten.

Martina Dumelin

Martina Dumelin

Martina Dumelin mit ihrem Bruder Johannes, ihrer Schwester Ursina und ihrem kleinen Neffen am Charity Run von Special Olympics 2018 in Winterthur.

Martina Dumelin (33) ist mit einem Bruder mit Down Syndrom aufgewachsen. Heute befasst sichdie selbstständige Projektfachfrau auch beruflich mit der Situation von Geschwisterkindern.

«Meist wollen die Geschwister-kinder auf keinen Fall Zeit bean-spruchen, weil sie die Not der

Eltern erkennen, auch wenn diesenicht ausgesprochen wird.»

(Bild

: zVg

)

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gen Zeitpunkt. Ich lernte viel ausder Situation mit meinem Bruder.Das tue ich auch heute noch.

Was möchtest du neu betroffenenEltern besonders ans Herz legen?Ich erhalte selten Einblick in Fami-lien, da wir mit dem Verein Raumfür Geschwister eher auf überge-ordneter Ebene Wegbereiter sind,die auf das Thema hinweisen. Wirhören jedoch oft von Fachperso-nen, dass die Kinder ihre Situation

kaum als negativ bezeichnen, dasie sich nicht trauen, so zu denken.Uns ist es ein Anliegen, dass Ge-schwister dann Zeit erhalten mitden Eltern oder Unterstützung vonFachpersonen, wenn sie das Be-dürfnis danach verspüren. Es istuns wichtig, mit dem Fokus aufdiese Geschwisterthematik beiden Eltern kein «schlechtes Ge-wissen» zu wecken, denn wirsind uns deren Aufgabe bewusst,die enorm umfangreich und kräfte-zehrend ist.

Was fehlt betroffenen Geschwis-tern deiner Einschätzung nach ammeisten? Oder anders gefragt:Wer muss was tun, damit es dieseKinder und Jugendlichen leichterhaben?Den Kindern fehlt die Möglichkeit,die Eltern in gewissen Zeitfensternfür sich zu haben. Sie sollen zu-dem Gelegenheit haben, Kind zusein – unvernünftig und wild. Essollte Zeiten geben, die frei von

Angepasstheit sind. Fachpersonensollen unterstützend wirken, damitdiese beiden Dinge möglich sind –finanziell und emotional.

Die Plattform «du bist dran» gibtes seit 2014. Welche Erfahrungenhabt ihr damit gemacht?Wir haben festgestellt, dass es we-nig Sinn macht, Angebote für Kin-der zusammenzutragen, da dasBedürfnis, sich auszutauschen,meist erst im Erwachsenenalter auf-tritt. Es wurde zudem klar, dasstrotz der überschaubaren Flächeder Schweiz die Anfahrtswege fürdie Familien rasch zu viel Zeit be-anspruchen. Entsprechend legtenwir unseren Fokus um auf dreiwichtige Ziele:1. Fachpersonen sensibilisieren,2. Wissen zusammentragen und Argumente bereit stellen,3. Betroffenen Geschwistern Zeit mit ihren Eltern ermöglichen.

Welche Pläne oder Wünsche habtihr für die Zukunft?Wir wünschen uns, dass Ge-schwisterkinder gesund aufwach-sen können. Eltern und Fachper-sonen sollen sich ihrer Situationbewusst sein und die Kinder dabeiunterstützen. Für die Schweiz wün-schen wir uns, dass die Geschwis-terthematik stärker in den Fokusrückt. Und für die Geschwister imErwachsenenalter, dass sie sichtrauen, ihre Situation kritisch zubetrachten und ihren Bedürfnissennachzugehen. Zu all diesen Zielenmöchten wir mit unserer Plattformbeitragen.

Interview: Angie Hagmann

Mehr zu Martina Dumelin:www.dumelin.com

Fokus

Der Verein Raum für Ge-schwister publiziert Wissen,Angebote und Aktualitäten zurGeschwisterthematik. Das Zielist, Geschwisterkinder in ihrerspeziellen Kindheit in ihrenRessourcen und Potentialen zustärken und ihnen Raum zugeben.

Eltern, Fachpersonen und wei-tere Interessierte finden aufder Plattform Hinweise auf Li-teratur, Anbieter und Informa-tionen zum Thema. Die Betrei-ber vernetzen Fachpersonenund Interessierte aus derSchweiz und dem grenzna-hen Ausland, um Geschwis-tern aller Altersgruppen Auf-merksamkeit zu widmen undsie in ihrer besonderen Situa-tion zu unterstützen.

Verein Raum für Geschwister VRG Schweiz Martina Dumelin, GeschäftsführungLeberngasse 19, 4600 Olten www.dubistdran.ch

du bist dran: Die Thematik der Geschwisterkinder im Fokus

«Als Kind interessierten sichweit mehr Leute für meinen

Bruder, weil es herzig ist, sichmit Kindern mit besonderen Bedürfnissen abzugeben»

Die Betreuung eines Kindes mit Be-hinderung und das Organisierenvon Therapien, Arztbesuchen undvielem anderen kann viel Zeit undEnergie beanspruchen. Bei den El-tern tauchen dann Fragen auf wie«Bin ich für alle Kinder oft genugda?» – «Wann und wo kann ichmir Zeit für das Geschwisterkindnehmen?» – «Wird unsere Tochteruns später einmal Vorwürfe ma-chen, dass wir uns zu wenig umsie gekümmert haben?» Wie dieeinzelnen Familien den Spagat zwi-schen den unterschiedlichen Bedürf-nissen meistern und wie sehr sie be-müht sind, den Wünschen undAnliegen aller Familienmitgliedergerecht zu werden, ist eine beein-druckende Leistung.

In den Gesprächen liegt der Fokusoft auf Entlastungsangeboten, dieZeit und Gelegenheit schaffen, ummit den Geschwisterkindern etwaszu unternehmen oder um die Paar-beziehung zu pflegen. Das bedingtallerdings, dass die Eltern ihr Kindmit Behinderung vorübergehend los-lassen können. Dies fällt nicht allenleicht. Das Vernetzen von Eltern un-tereinander kann hier sehr unterstüt-zend wirken. Solche Treffen undKontakte bieten die Möglichkeit,dass sich Eltern über den Umgangmit eigenen Gefühlen und möglicheGewissensbisse austauschen kön-nen und so von den Erfahrungenund Nöten der anderen Eltern pro-

fitieren. Es zeigt ihnen, dass sienicht allein sind mit ihren Gedankenund Herausforderungen. Dies kannihre Sorgen möglicherweise etwasrelativieren.

Manchmal sorgen sich die Elternauch, dass ein herausforderndes,aggressives Verhalten von den Ge-schwistern kopiert werden könnte.Dann besprechen wir, welche Mög-lichkeiten und alltagstauglichenWerkzeuge es gibt, um die Situa-tion zu Hause zu entspannen. ImZentrum steht die Frage, was das Geschwisterkind möglicherweisebenötigt, damit es das «störende»Verhalten nicht mehr nachahmenmuss. Denn jedes Verhalten hat seinen ganz persönlichen «gutenGrund», den man finden und be-seitigen oder verändern muss.

Wieder andere Erziehende sind aufder Suche nach barrierefreien Aus-flugstipps, um ihren Kindern ein gemeinsames Erlebnis zu ermög-lichen. Gemeinsame positive Erleb-nisse stärken das «Wir-Gefühl».

Hier einige Möglichkeiten: www.baumwipfelpfad.ch

www.visitsealife.com/de/konstanz/

www.schweizmobil.ch/de/wander-land/routen/hindernisfreiewege.html

www.visoparents.ch/aktuelles/ver-anstaltungen/

Eltern im DauerspagatAus der Eltern- und Fachberatung

Gut zu wissen

visoparents schweiz bietet El-tern eine ganzheitliche Bera-tung und Be-gleitung inallen Fragenzu Kindernmit Seh- undMehrfachbe-hinderung.Themen:• Umgang mit Behörden• Finanzierungsmöglichkeiten • Invalidenversicherung• Übergänge, Anschluss- lösungen (z.B. Wechsel ins Schul- oder Wohnheim, Eintritt ins Erwerbsleben)• Kontakte zu Selbsthilfe- gruppen• Individuelle Entlastung• Allgemeine Erziehungsfragen• Erziehungsfragen blinde/ seh- und mehrfach behin- derte Kinder, Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten

Alle Kinder und ihre Familienhaben das Recht auf Förderungund optimale Unterstützung.Die Beratungskosten werdenvon visoparents schweiz über-nommen oder von den Elternoder Institutionen bezahlt, jenach Situation der Familie.Nehmen Sie Kontakt auf.Yala Mona ist gerne für Sie da.

Telefon 043 355 10 85 [email protected]

Yala Mona

Angebot für ElternDas Thema Geschwister wird in vielen Beratungs-gesprächen aufgegriffen. Im Zentrum stehen Möglichkeiten der Entlastung sowie Erziehungsfragen.

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bestraft haben, alles andere alsentspannt und glücklich. Doch siekennen keine anderen Mittel.

Erschreckende ErgebnisseDas zeigt die erwähnte repräsenta-tiven Studie zu den Erziehungsme-thoden von Eltern in der Schweiz inbedrückender Deutlichkeit. Nebensehr häufig vorkommenden Mass-nahmen wie «Schimpfen» oder «Ver-bot elektronischer Medien» wurdenauch Erziehungsmittel abgefragt,die von den Wissenschaftlern alsGewalt kategorisiert werden. Physi-sche Gewalt (z.B. Haareziehen,Ohrfeigen, Schläge auf den Po, kal-tes Abduschen) wird von 44,4% derbefragten Eltern angewendet. DieHäufigkeit und die Form variierenstark: Jeder 20. Elternteil (5,79%)wendet körperliche Gewalt häufigan, jede dritte befragte Person inselteneren Fällen. Von den über 1,2 Millionen 1- bis 15-jährigen Kin-dern in der Schweiz haben somitmehr als 550 000 schon körperli-che Strafen erleben müssen.Psychische Gewalt (z.B. Einsperren,Drohen, Liebesentzug, Ignorieren,Anschreien) wird weitaus häufigerals Erziehungsmassnahme ange-wendet: 68,6% der befragten Elternhaben schon darauf zurückgegrif-fen, wobei 25,15% angeben, ihreKinder regelmässig bis sehr häufigpsychisch zu strafen. Man muss deshalb davon ausgehen, dass 310 000 Schweizer Kinder regel-mässig durch psychische Gewalt er-zogen werden.

Hohe DunkelzifferDie Experten sind sich einig, dasssowohl bei psychischer als auchbei physischer Gewalt die Dunkel-ziffern weitaus höher sind. Alle

Formen von Gewalt in der Erzie-hung haben weitreichende nega-tive Auswirkungen und beeinträch-tigen die körperliche und seelischeGesundheit sowie die Entwicklungder betroffenen Kinder. Kurzfristigmögen Bestrafungen zwar funktio-nieren, doch langfristig richten siegrossen Schaden an, darin ist sichdie Wissenschaft einig. Denn allenFormen von Gewalt in der Erzie-hung ist gemein, dass sie dieGrenzen des Kindes verletzen unddas Kind so lernt, keine Grenzenhaben zu dürfen. In der Folge kön-nen Kinder auch kein Gespür da-für entwickeln, was Grenzen über-haupt sind – weder bei sich selbstnoch bei anderen.

Erziehen ohne Strafen bedeutet je-doch nicht, dass Kinder sich selbstüberlassen werden oder alles dür-fen. Starke Kinder brauchen starkeEltern. Eltern, die bereit sind, demKind liebevoll und seiner Entwick-lung entsprechend Grenzen zu set-zen. Im Alltag mit Kindern brauchtes dazu viel Rückgrat und Haltung.

Xenia Schlegel, Kinderschutz Schweiz

Mehr wissen

Videofilm und weitere Infoszur Kampa-gne «Ideen von starkenKindern für starke Eltern»: www.kinderschutz.ch

Studie zum Bestrafungsverhaltenvon Eltern in der Schweiz:www.unifr.ch/webnews/content/20/attach/9686.pdf

Nicht immer will der Nachwuchsso, wie man selber, es wird ge-trotzt, diskutiert und manchmal geschrien – oder mehr. Psychischund physisch verletzende Bestra-fungen als Erziehungsmittel sind invielen Schweizer Familien Alltags-realität und gehören für viele leiderimmer noch zur Erziehung. DieStiftung Kinderschutz Schweiz führtdaher eine mehrjährige schweiz-weite Sensibilisierungskampagnezum Thema gewaltfreie Erziehungdurch. «Ideen von starken Kindernfür starke Eltern», so der Titel, willdie öffentliche Diskussion zumThema anstossen und zum Umden-ken und Handeln anregen. DieKampagne basiert auf der neues-ten Studie der Universität Freiburgzum Bestrafungsverhalten von El-tern und den Grundsätzen der an-leitenden Erziehung.

Die Sicht der KinderIn der kurzen Filmdokumentationzur Kampagne erzählen Kinder,wie ihre Eltern reagieren, wenn sienicht gehorchen oder etwas ange-stellt haben. Es wird schnell klar,dass auch heute noch viele Elternin stressigen Situationen regelmäs-sig auf schmerzhafte oder erniedri-gende Bestrafungen als Erziehungs-mittel zurückgreifen. Der Film machtdeutlich spürbar, wie sehr Kinderunter diesen Massnahmen und derdamit verbundenen Gewalt leiden.Der Perspektivenwechsel schafftRaum für Selbsterkenntnis und

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Ideen. Mamis und Papis werdensich in den Schilderungen der Kin-der wiedererkennen. Denn hiergeht es um ganz alltägliche Stress-situationen im Umgang mit demNachwuchs, die sie an ihre Gren-zen bringen.

Handlungsalternativen für ElternDoch wie kann man sich in sol-chen Situationen besser verhalten?Auch diese Frage beantworten dieKinder selbst. So einfach sich ihreIdeen auf den ersten Blick anhö-ren, so wirkungsvoll sind sie: «Lie-bes Mami, zähl doch bis zehn»oder «Lieber Papi, iss einfach einStück Schokolade» sind kreative

Handlungsalternativen aus der Per-spektive der Kinder, die den Elternzeigen, dass ein kurzes Innehaltenhilft, um anschliessend überlegtund ruhig zu reagieren. Ziel ist ein gesellschaftlicher Perspektiven-wechsel, der das Bewusstsein fürdas Empfinden des Kindes schärftund Erziehungsberechtigten inschwierigen Situationen hilft, sichselbst zu entlasten.Die Kampagne will die aktuell inder Schweiz noch vorherrschendesoziale Norm von «Es muss haltmanchmal sein» ansprechen, ohnesie zu verurteilen oder zu krimina-lisieren. Die meisten Erwachsenenfühlen sich, nachdem sie ihr Kind

Es gibt immer eine Alternative! Gewalt in der Erziehung

Gewalt als Erziehungsmittel ist weit verbreitet. Mit einer Kampagne macht KinderschutzSchweiz auf das Problem aufmerksam und zeigt Handlungsalternativen auf.

Gut zu wissen

Jedes zweite Kind in der Schweiz erlebt Gewalt in der Erziehung.

Gewaltfreie Erziehung und Behinderung

Das Recht aller Kinder auf einegewaltfreie Erziehung leitet sichunter anderem aus der Kinder-rechtskonvention ab. Diese um-fasst universell gültige Rechtevon Kindern von 0 bis 18 Jah-ren. Diese Rechte braucht es,weil Kinder besonders verletz-lich sind. Eine Behinderung er-höht die Verletzlichkeit zusätz-lich: Zum einen können sichbetroffene Kinder selbst nochweniger wehren als Kinderohne Beeinträchtigung. Zum an-dern sind ihre Eltern oft beson-ders starken und langandauern-den Belastungen ausgesetzt.Das zeigen die Beiträge zumThema Geschwisterkinder indiesem «imago», das zeigenauch Berichte von betroffenenEltern (meistens melden sich dieMütter). Je nach Art der Beeinträchti-gung des Kindes brauchen be-troffene Eltern deshalb nebenallgemeinen Verhaltensempfeh-lungen manchmal auch behin-derungsspezifische Hilfe. Diesekann durch den Beizug einerheilpädagogischen Früherziehe-rin (HFE) erfolgen oder durcheine andere Form der Bera-tung und Begleitung. Wichtigist, dass Eltern diese Unterstüt-zung frühzeitig anfordern undnicht erst dann, wenn sie mitden Nerven und der Kraft amEnde sind. Die Eltern- und Fachberatung von visoparentsschweiz hilft gerne bei der Su-che nach geeigneter Unterstüt-zung. (Infos und Kontakt aufSeite 15.)

Gut zu wissen

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Gut zu wissenGut zu wissen

Was ist Psychomotorik?Der Berufsverband der Psychomotoriktherapie defi-niert das Berufsbild folgendermassen: «Die Psycho-motoriktherapie eignet sich für Kinder, Jugendlicheund Erwachsene, die motorische oder emotionaleProbleme, Verhaltensauffälligkeiten oder Schwierig-keiten in ihren Beziehungen zu anderen haben. Siebeschäftigt sich mit der Wechselbeziehung von Wahr-nehmung, Fühlen, Denken, Bewegung und Verhalten.(…) Im Zentrum der Psychomotorik steht daher derbewegte Körper. (…) Die Psychomotoriktherapie be-rücksichtigt auch die seelischen, sozialen und kultu-rellen Einflüsse, die eine Person prägen.»

Zurzeit ist die Psychomotoriktherapie im Bildungswe-sen verankert, und die Tätigkeiten sind spezialisiertauf Kindergarten- und Schulkinder, die zu Einzel-oder Gruppentherapien gehen. Zum Tätigkeitsbereicheiner Psychomotoriktherapeutin oder eines Psycho-motoriktherapeuten gehören neben den Therapie-lektionen mit den Kindern auch Elternberatung, Aus-

tausch mit Lehrpersonen und anderen Fachkräften,Prävention im Klassensetting und Diagnostik.

Psychomotorische Entwicklung fördernDie psychomotorische Entwicklung beginnt lange vordem Kita-Eintritt. So sind zum Beispiel die Übergängevom Sitzen zum Kriechen oder das Vorwärtsrutschenauf dem Gesäss Brücken zu neuen Erfahrungen.Durch die Bewegung kann das Kind die Welt erkun-den und lernt, sie nach und nach zu begreifen.

Jedes Kind macht diese Entwicklung in seinem eige-nen Tempo und sollte deshalb auf seinem Entwick-lungsstand abgeholt und in diesem Prozess begleitetwerden. Die Aufgabe einer Erziehungsperson ist da-bei das Beobachten und Reflektieren des kindlichenBewegungsverhaltens im interaktiven Spiel. Förderlichsind Materialien, die von den Kindern verändert werden dürfen, Zeit, um sich frei entfalten zu kön-nen, und die nötige Sicherheit, damit Explorationstattfinden kann. Die Begleitung durch die Erziehungs-person erfolgt dabei stets aufgrund folgender Über-legung: Wie kommt mein Handeln dem Entwicklungs-prozess des Kindes zu Gute? Lassen Sie uns diesanhand eines Beispiels erläutern:

Sie beobachten ein Kleinkind, das dabei ist, dasKriechen zu erlernen. Das Kind ist im Vierfüsslerund richtet den Blick auf einen Gegenstand. Es ver-sucht in Richtung des Gegenstands nach vorne zukriechen, was für das Kind schwierig ist, da es dieersten Kriechversuche sind.

Wir deuten die Situation folgendermassen: Das Kindversucht den Gegenstand zu erreichen. Am einfachstenwäre es nun, dem Kind diesen zu reichen. Um die Ent-wicklungsprozesse des Kindes zu unterstützen, wäre

Die Psychomotoriktherapie ist heute vor allem im Arbeitsfeld Kindergarten und Primarschule zu finden. Ihre vielseitigen Möglichkeiten eröffnen aber auch Chancen für den Einsatz im Frühbereich.

Psychomotorik – eine Förder–möglichkeit für die Kita

Kita-Kinder im Schwungtuch, das von Erzieherinnen über die Wiese gezogen wird.

Foto: Daniel Jucker

es aber förderlicher, Hilfestellungen zu bieten, damitdas Kind den Gegenstand selber erreichen kann. Dazukann eine Hand gegen die Füsse des Kindes gehaltenwerden, wodurch sich für das Kind ein Abstosspunktergibt, der die Fortbewegung erleichtert.

Psychomotorik als ganzheitliche FörderungNeben dem Bewegungslernen umfasst die psycho-motorische Entwicklung weitere Bereiche. Sie bein-haltet die Verknüpfung von Bewegung, Wahrneh-mung und Kognition sowie die damit zusammen-hängenden Emotionen, die Bildung des Selbstkon-zepts und die Sozialkompetenz des Kindes.

Alle diese Bereiche entwickeln sich im kindlichenSpiel. Wer Kinder professionell begleitet, gibt ihnendie Möglichkeiten und Anregungen, ihre eigenenThemen im Spiel zu aktivieren. Dies geschieht vor allem durch die Auswahl bestimmter Spielmittel, diefür das Kind frei zugänglich sein müssen. Darüberhinaus ist die Erziehungsperson eine Spielpartnerindes Kindes, die eine assistierende Funktion einnimmtund die Spielidee des Kindes aufnimmt, ohne sieselbst vorzugeben oder abzuändern. Merkt die Er-ziehungsperson, dass es Schwierigkeiten gibt, diedas Kind in seiner freien Entwicklung beeinträchtigenkönnten, so darf sie durch die Änderung der Spiel-situation eingreifen. Dazu ebenfalls ein Beispiel:

Lisa malt wie jeden Morgen an ihrem vertrautenPlatz in der Malecke. Diese Tätigkeit scheint sie zulangweilen. Immer wieder unterbricht sie das Malenund verfolgt stattdessen mit grossem Interesse dasSpiel der anderen Kinder in der Puppenecke.

Einer Erzieherin wird bewusst, dass Lisa gerne andiesem Spiel teilnehmen würde, sich aber nicht traut,auf die Kinder zuzugehen oder nicht weiss, wie siesich einbringen kann. Lisa braucht aufgrund ihrerängstlichen Art Unterstützung dabei, in eine Gruppeeinzutreten. Die Erzieherin kann dazu eine Klein-gruppe formen, kann selbst als Spielpartnerin dabeisein und ins Spiel eingreifen, indem Lisa dazugeholtund unterstützt wird. Eine weitere Möglichkeit wäre,mit einer Puppe zu Lisa an den Maltisch zu gehen,an dem sie sich wohl fühlt. Auf diese Art kann ver-sucht werden, mit ihr ein Spiel zu beginnen. Wichtig

Psychomotoriktherapeut/in:Ausbildung und Voraussetzungen

Bildungsangebote: HfH Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik, Zürichhets, Haute école de travail social, Genf

Dauer: Vollzeit: 3 Jahre, Teilzeit: 4 bis 5 Jahre

Ausbildungskonzept/-inhalte: Die Ausbildungumfasst Praktika in verschiedenen Tätigkeits-feldern und vermittelt zentrale Kenntnisse ausden Bezugswissenschaften Heilpädagogik undPädagogik, Entwicklungspsychologie, Lernpsy-chologie, Medizin, Soziologie sowie relevanteKenntnisse aus der Forschung.

Abschluss: Eidg. anerkannte Titel «dipl. Psycho-motoriktherapeut/in (EDK)» und «Bachelor ofArts in Psychomotor Therapy»

Voraussetzungen: Vorbildung: In der RegelEDK-anerkanntes Lehrdiplom oder gymnasialeMaturität oder Berufsmaturität mit Ergänzungs-prüfung Passerelle Eignungs- bzw. Aufnahmeprüfung (Abklärungder Interessen, Motivation, Bewegungserfah-rung); für Personen ohne Lehrdiplom: mindes-tens 3-monatiges VorpraktikumAnforderungen: Interesse an der kindlichen Ent-wicklung, Bereitschaft zur Selbstreflexion, Freudean Bewegung.www.hfh.ch (Ausbildung)

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Frühkindliche Bildung, Betreuungund Erziehung (FBBE), auch «FrüheFörderung» genannt, reicht von dergesundheitlichen Versorgung in derSchwangerschaft über Elternbildungund -beratung bis zu Spielgruppenund Kitas. Mit der integrativen KitaKinderhaus Imago und der Eltern-und Fachberatung engagiert sichauch der Elternverein visoparentsschweiz in diesem Bereich.

Frühe Kindheit als PrivatsacheViele Studien zeigen, dass Investi-tionen in die frühe Förderung sichauszahlen. Denn Kinder, die inden ersten Jahren gut betreut, er-zogen und gebildet werden, sindspäter gesünder, zufriedener underfolgreicher. Die Bedingungen,unter denen die Kleinsten aufwach-sen, sind in der Schweiz allerdingssehr ungleich: Während die einenKinder intensiv gefördert (undmanchmal auch überfordert) wer-den, erhalten andere wenig bisgar keine gezielte Förderung. DieBetreuung von Babys und Klein-kindern gilt bei uns als Privatsache.Doch längst nicht alle Familien ha-ben genügend Mittel und Möglich-keiten, um die Entwicklung ihrerKinder optimal zu unterstützen.

Frühe Förderung nachhaltig stärkenErfahrungen zeigen, dass solche Unterschiede in der frühen Kindheit

später nur selten kompensiert wer-den können. Die SchweizerischeUNESCO-Kommission will die früheFörderung deshalb nachhaltig alsöffentliche Bildungsaufgabe positio-nieren: Mit einer nationalen «Politikder frühen Kindheit» sollen die Rah-menbedingungen geschaffen wer-den, damit möglichst vielfältige undhochwertige Angebote für Vorschul-kinder und ihre Familien entstehen.Die Forderung ist eingebettet in dieglobalen Bildungsziele der UNO,wie sie in der «Agenda 2030» zumAusdruck kommen. In einem Grund-lagenpapier zum Thema nennt dieKommission vier Handlungsfelder,die sie für die Erreichung der Zieleals zentral ansieht:

Angebote für alle gewährleisten:Kantone und Gemeinden sind ge-fordert, bedarfsgerechte Angebotefür Vorschulkinder und deren Fa-milien zur Verfügung zu stellen.Wichtig ist, dass diese auch vonsozial benachteiligten Familien ge-nutzt werden. Das gelingt, wennsich die Angebote an alle Bevöl-kerungsschichten richten, die Tarifeangemessen sind, die Eltern ein-bezogen und gezielt zu passen-den Angeboten vermittelt werden.

Koordinieren und vernetzen: DiePolitik der frühen Kindheit liegt ander Schnittstelle von Bildungs-, So-zial-, Gesundheits- und Integra-

tionspolitik. Die unterschiedlichenpolitischen Zuständigkeiten unddie vielfältigen Akteure und Ange-bote machen eine gute Steuerungund Koordination auf allen föde-ralen Ebenen erforderlich.

Qualität sichern und verbessern:Um die Lern- und Entwicklungspro-zesse von Kindern wirksam zu un-terstützen, ist eine hohe Qualitätder Angebote zentral. Dabei kommtder Qualifikation des Personals eineSchlüsselrolle zu. Zudem braucht esgute Arbeitsbedingungen für dieFBBE-Fachkräfte und klare Stan-dards bezüglich struktureller Fakto-ren wie auch für die pädagogischeArbeit mit den Kindern.

Finanzieren: Ein qualitativ hoch-wertiges FBBE-Angebot bringt einenvolkswirtschaftlichen Nutzen, istaber auch mit beträchtlichen Inves-titionen verbunden. Gemeinden undKantone sind gefordert, mehr finan-zielle Mittel für den Frühbereich zurVerfügung zu stellen und damit dieFamilien spürbar zu entlasten.

(Quelle:Schweizerische UNESCO-Kommission)

Mehr erfahrenDie Dokumentation «Für eine Politikder frühen Kindheit» und weiterfüh-rende Informationen zum Themasind auf der Webseite erhältlich: www.unesco.ch (Bildung)

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ist in jedem Fall, dass die Erziehungsperson sichauch wieder aus dem Spiel herausnimmt, sobald Lisaeine gewisse Sicherheit gewonnen hat.

Wünschenswerte ZusammenarbeitJedes Kind durchläuft die Entwicklungsstadien in sei-nem eigenen Tempo und auf individuellen Wegen.Dabei bietet das freie Spiel eine grosse Chance fürdiese selbstständige Entwicklung. Die schwierigeAufgabe des Erziehers/der Erzieherin ist es, zu er-kennen, wann es sich tatsächlich um eine relevanteEntwicklungsverzögerung handelt und das Kind eineindividuelle Unterstützung, zum Beispiel in Form ei-ner Psychomotoriktherapie, benötigt. Dabei kannein regelmässiger Austausch zwischen Psychomoto-riktherapeuten/innen und Erzieher/innen hilfreichsein.

Jasmine Hinder, Eliane Vögtli, Vanessa Sutter Studierende der Interkantonalen Hochschule

für Heilpädagogik (HfH) in Zürich

LiteraturempfehlungenSabine Herm: Psychomotorische Spiele für Kinder inKrippen und Kindergärten, 12. Auflage, 2006 Wein-heim und Basel: Beltz VerlagVanessa Solioz de Pourtalès: Psychomotorik für dieKleinsten. Entwicklungsbegleitung von Kindern zwi-schen 3 und 18 Monaten. 2018. Bern: StiftungSchweizer Zentrum für Heil- und Sonderpädagogik Ulrich Heimlich: Einführung in die Spielpädagogik2015. Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt

ProjekteStartklar! Präventionsprojekt der Schule Schwerzen-bach für Kinder kurz vor dem Kindergarteneintritt:www.schule-schwerzenbach.ch

Bewegungsräume für Kinder. Caecilia Gartenmannund Daniel Jucker (2016). Winterthur: www.psychomotorik.ch (Prävention)

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Gut zu wissen

Gerechte Chancen für die KleinstenPolitik der frühen Kindheit

Frühe Förderung soll in der Schweiz nachhaltig als öffentliche Bildungsaufgabe positioniert werden. Dies fordert die Schweizerische UNESCO-Kommission. Sie will damit Lücken in der frühen Förderung schliessen und die Chancengleichheit fördern.

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Am Samstag, 15. Juni, findet er wie-der statt: der Children’s Ride für Kinder mit Behinderung und ihreGeschwister. Unter der Obhut vonMarkus Holzer und dem Motorrad-club Wallisellen nehmen rund 90Töff-, Trike- und Seitenwagenfahrer-Innen Kinder mit auf eine sensatio-nelle Ausfahrt durchs Zürcher Ober-land. Es ist ein Tag voller neuerEindrücke und Erlebnisse. Eltern ha-ben Zeit zum Entspannen und Ge-niessen und können sich in der Fest-wirtschaft miteinander austauschen.

Kinder-Food-ParcoursAm Kinder-Food-Festival sind guteSpürnasen und Gourmands gefragt:Auf einem Parcours erfahren Kinderviel Spannendes und Lehrreichesüber unser Essen. Dabei dürfen sienach Herzenslust experimentieren,probieren, befühlen und tasten.

Yoga für Kinder mit und ohne BehinderungYoga fördert die Bewegung undGeschicklichkeit von Kindern. Aberkönnen sich Kinder denn auf so et-was Ruhiges wie Yoga einlassen?Ja, sagen unsere Fachbetreuerin-nen aus dem Kinderhaus Imagound Yoga-Fans. Kindern muss man eine Übung an-ders beibringen als Erwachsenen.Aber wenn sie sich dann in dieHöhe wachsen lassen wie ein knor-riger Baum oder den herabschau-enden Hund machen, ist das auchfür Kinder ein grosser Spass.

MärlistubeGuten Geschichten lauschen wiralle gerne: vom schnäderfräsigenSuppenkasper bis hin zur RaupeNimmersatt. In unserer Freiluft-Märlistube, sofern das Wetter mit-spielt, erwartet die kleinen Zuhörerein einmaliges Erzählerlebnis.

Programm12 – 17 Uhr: Festwirtschaft durchKiwanis Dübelstein und Kinder-Food-Festival: Crêpes selber machen –Müesli für Naschkatzen selber kre-ieren – fliegenden Schokoküssen hin-terherspringen – im Snoezelenzeltden Lichtspielen nachträumen – sichals freches Früchtchen schminken las-sen – beim Yoga tiefenentspannen –sich in der Märlistube in fremde Welten entführen lassen.13 Uhr: Start Motorradausfahrt

Motorradfahrerinnen und Motorradfahrer gesuchtMöchten Sie einem Kind mit Be-hinderung ein einmaliges Erlebnisschenken und haben Sie auch einMotorrad, ein Trike oder einen Sei-tenwagen in der Garage stehen?Dann freuen wir uns, Sie am Chil-dren’s Ride zu begrüssen!

Bitte melden Sie sich bei: Helen Streule, Tel. 043 355 10 [email protected]

Verein Verein

Herzliche Einladung zumChildren’s Ride 2019

Wenn fast einhundert Motoren gleichzeitig aufheulen und Dutzende Kinderaugen leuchten, ist es wieder soweit: Engagierte Töfffahrerinnen und Töfffahrer nehmen behinderte Kinder mit auf den Children’s Ride. Als Rahmenprogramm findet ein weiteres Mal ein Kinder-Food-Festival statt.

Melden Sie Ihr Kind jetzt an:

Name der Eltern ______________________________________________________________________

Adresse __________________________________________________________________________________

Telefon tagsüber ______________________ Natel ________________________________

Unser Kind möchte an der Ausfahrt teilnehmen! auf einem Motorrad ! in einem Gespann/Trike

! Helm vorhanden ! kein Helm vorhanden

Kopfumfang ____________________ Jahrgang ____________________________________

Name des Kindes ____________________________________________________________________

Behinderung(en) ______________________________________________________________________

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Informationen/Bedingungen für die Ausfahrt• Teilnehmen können körper-, sinnes- und mehrfach behinderte Kinder und ihre Geschwister. Eine Mitgliedschaft bei visoparents schweiz ist nicht nötig.• Der Anlass findet bei jedem Wetter statt. Bei schlechtem Wetter entfällt die Ausfahrt,

das Kinder-Food-Festival findet trotzdem statt.• Die Eltern sind dafür besorgt, dass die mitfahrenden Kinder mit einer warmen Jacke,

dicken Hand schuhen und einer Sonnenbrille ausgerüstet sind. Der Veranstalter stellt Kindern, die keinen Helm haben, einen solchen zur Verfügung.

• Die Versicherung ist Sache der Teilnehmer. Der Veranstalter verpflichtet sich, alle nötigen Sicherheits massnahmen zu treffen.

• Foto- und Filmmaterial kann durch visoparents schweiz für interne Zwecke und Werbung verwendet werden.

! Wir sind bereits Mitglied von visoparents schweiz.! Wir sind nicht Mitglied von visoparents schweiz.! Bitte schicken Sie uns Informationen über visoparents schweiz.! Mein Kind besucht folgende Schule: _________________________________________________________________________________________

Wir melden unser Kind zur Motorradausfahrt am Children’s Ride 2019 an und sind mit obenstehenden Bedingungen einverstanden.

Ort, Datum __________________________________________________________ Unterschrift ____________________________________________________

Bitte einsenden an: visoparents schweiz, Stettbachstr. 10, 8600 Dübendorf Mail: [email protected]

Kinder-

Food-Festival

15. Juni 2019

ab 12 Uhr

Altrüti Gossau ZH

mit

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Aktuell Aktuell

gibt. Weiter hilft das Buch Elternzu verstehen, wie ihr Kind die Weltwahrnimmt. – Dr. Brita Schirmer;256 Seiten, ca. Fr. 42.–. Trias /Thieme, Stuttgart 2018

Kinder mit Hörgerät und Cochlea Implan-tat in der Kita Der Ratgeber wen-det sich an alle,die in Krippe undKindergarten mithörbehinder tenKindern arbeiten.

Doch auch für Eltern und Fach-kräfte der Frühförderung ist diesesBuch eine wertvolle Hilfe. Wis-senswertes über Mittel- und Innen-ohrstörungen, Diagnostik und tech-nische Hörhilfen wird anschaulichvermittelt. Der Hauptteil des Bu-ches bietet praktische Tipps fürden Gruppenalltag: Wie klapptdie Kommunikation mit dem Kindam besten? Was ist im Umgangmit den Hörgeräten und CochleaImplantaten zu beachten? Wiekann die Zusammenarbeit mit denanderen Fachleuten gut laufen?Gisela Batliner: «Kinder mit CI inder Kita»;; 133 Seiten, Fr. 28.90,Ernst Reinhardt, München 2018

Auffälliges Verhalten im Unterricht LehrerInnen an einer Grundschule,die SchülerInnen mit auffälligemVerhalten im Rahmen der Inklusionunterrichten, stellen sich viele Fra-gen: Was mache ich, wenn Schü-lerInnen sich selbst oder anderenschaden? Wenn SchülerInnen Ar-beitsaufträge verweigern, sich inSzene setzen oder zu viel Nähesuchen? Der Autor beantwortet in

Das besondere Buch

Michelle Zimmermann: Über den Schmerzen …

Michelle Zimmermann wurde alsInitiantin und Organisatorin derMiss und Mister Handicap-Wahlin der ganzen Schweiz bekannt.Sie selbst lebt mit einer schwe-ren Form der Hautkrankheit Epi-dermolysis bullosa (EB), auchSchmetterlingskrankheit genannt.Menschen mit EB fehlt der Stoff,der die verschiedenen Haut-schichten miteinander verbindet.Dadurch ist die Haut nicht elas-tisch und extrem verletzlich.Schmerzhafte Wunden am gan-zen Körper begleiten MichelleZimmermann seit ihrer Geburtund machten sie zur Schmerz-expertin in eigener Sache. Inden bald vier Jahrzehnten ihresLebens hat sie eine Vielzahl vonStrategien zur Schmerzbewälti-gung entwickelt. Diese hat sienun in einem überaus lesenswer-ten Buch zusammengefasst. Vonder Lektüre profitieren nicht nurSchmerzbetroffene jeden Alters,sondern auch Angehörige undPflegepersonen. Michelle Zimmermann: «Überden Schmerzen… Hautnah aus dem Leben». 155 Seiten,Fr. 22.80. Lokwort, Bernwww.lokwort.ch

seinem Buch zahlreiche Fragen.Neben wesentlichen Grundlagenwidmet er sich einer Vielzahl typi-scher Unterrichtssituationen, in de-nen SchülerInnen auffälliges Ver-halten zeigen und sich dadurchnicht am Unterricht beteiligen kön-nen. Alle Situationen werden ana-lysiert und aus erzieherischer undunterrichtlicher Perspektive be-leuchtet sowie mögliche Gefahrenund vermeidbare Fehler aufge-zeigt. – Thomas Müller: «Kindermit auffälligem Verhalten unterrich-ten»; 143 Seiten, Fr. 35.90. ErnstReinhardt, München 2018

Materialien

Sehbehinderung als Thema im SchulunterrichtDer Schweizerische Blinden- undSehbehindertenverband SBV bietetzum Thema Blindheit/Sehbehinde-rung Infoboxen in zwei verschiede-nen Grössen an. Sie enthalten Ma-terialien zum Experimentieren wieDunkelbrillen, Klingelball und Braille-Alphabete sowie Hintergrundinfor-mationen. Lehrpersonen verschiede-ner Schulstufen steht damit einegeeignete Unterstützung für den Un-terricht zur Verfügung. Die Infoboxeignet sich auch zur Schulung vonFachpersonal, das mit sehbehinder-ten und blinden Menschen Kontakthat. – Auskunft und Bestellung:SBV, Kathrin Engelhart [email protected] / www.sbv-fsa.ch

Webseiten

Besondere Kinder: Produkte und mehr Eigene Erfahrungen haben StefanieSteiner bewogen, die Webseite«Besondere Kinder» aufzubauen:«Als unser Sohn geboren wurde –schwer herzkrank und mit einergeistigen Behinderung – musstenKleider plötzlich nicht mehr einfachnur herzig sein, sondern funktionell.Anfänglich waren da Kabel, Sen-soren und Sauerstoffschläuche,die trotz kuscheligem Pyjama zu-gänglich sein sollten. Später warenes Jeans, die auch über die Or-thesen passen. Badehosen brau-chen auch im Kindergartenaltereine eingearbeitete Windel, Trink-becher sollen auslaufsicher sein.Oft haben wir improvisiert, selberangepasst, lange nach Möglich-keiten gesucht, die nicht nur funk-tionell, sondern auch schön sind.»Das in den Jahren gesammelte Er-fahrungswissen fliesst nun in die

Webseite ein. Betroffene Elternkönnen sich dadurch Zeit für dieSuche nach passenden Produktensparen. Das Sortiment wird laufenderweitert. Anregungen sind will-kommen. Neben allerlei prakti-schen Produkten bietet die Web-seite auch Tipps für Freizeitaktivi-täten und einen Blog. besonderekinder.ch

Elternsofa Eltern eines Kindes mit geistiger Be-hinderung sehen sich immer wiedermit nicht ganz alltäglichen Situatio-nen und Fragen konfrontiert. Wiegehe ich die Integration meines Kin-des in den Kindergarten am bestenan? Was bringt die Reittherapie?Elternsofa.ch vernetzt ratsuchendeEltern mit Eltern, die bereit sind, ihrWissen und ihre Erfahrungen zuteilen. So können situationsgerechteund alltagserprobte Informationenauf Augenhöhe weitergegeben wer-den. Der Erstkontakt geschieht überdie Website, danach entscheidendie Eltern, wie sie sich unterhaltenmöchten – per Mail, WhatsApp,Telefon oder bei einer Tasse Teeoder Kaffee. Elternsofa ist ein An-gebot von insieme Schweiz undversteht sich als Ergänzung zuFach- und Beratungsstellen.elternsofa.ch

Medien

Der Nachteilsausgleich in der Schulpraxis

Der Nachteils-ausgleich (NAG)ermöglicht es,für Kinder mit Be-hinderung Rah-menbedingun-gen anzupassenund sie so beim

Erreichen der regulären Lernzielezu unterstützen. Im vorliegendenBuch werden anhand von Theo-rien, rechtlichen Grundlagen so-wie Ergebnissen qualitativer Inter-views fördernde und hemmendeFaktoren für die erfolgreiche Um-setzung des NAG präsentiert. DieSchulleitung spielt hierbei eine zen-trale Rolle, indem sie das Schul-team umfassend informiert und dieerforderlichen Strukturen etabliert.Aber auch das Fachwissen undeine geregelte Zusammenarbeitzwischen den Lehrpersonen sowietransparente und verständliche In-formationen für Erziehungsberech-tigte sind wichtige Faktoren.Jolanda Blaser, Karin Farago-Brülisauer, Caroline Sahli Lozano; 109 Seiten, Fr. 24.90. Edition SZH, Luzern 2018

ElternleitfadenAutismus Viele Eltern mit ei-nem Kind im Autis-mus-Spektrum sindnach der Diagno-se hilflos und su-chen nach fundier-ten Informationen.Sie wollen nichtnur wissen, was sich dahinter ver-birgt, sondern auch, wie sie ihremKind wirklich weiterhelfen und ge-meinsam den Alltag bewältigenkönnen. Die Autorin verfügt überjahrelange Erfahrung in der Eltern-beratung und bietet mit dem Bucheine kompetente Orientierungshilfean, um die individuell beste För-derung zu finden. Berichte ausSelbsthilfegruppen, Fallbeispieleund Erfahrungsberichte zeigen,was anderen geholfen hat undwelch vielfältige Möglichkeiten es

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KinderKinderKinder

Beutel 2 füllen wir mit einerTube Haargel und geben Glit-

zer und Pailleten bei.Beutel 3 füllen wir mit Acrylfarbeund Rasierschaum.Beutel 4 füllen wir mit gefärbtemWasser und Öl.

Füllmaterial in den Beutel geben,überschüssige Luft herausdrückenund den Beutel verschliessen. Umdie Sensorik-Beutel auslaufsicherzu machen, solltet ihr die Rändermit durchsichtigen Klebeband ab-sichern, indem ihr das Klebebandjeweils um die Ränder drumschlagt. Und schon kanns losge-hen. Am besten lässt sich der In-halt bewegen, wenn man den Beu-tel auf den Tisch legt.

Fadrina Putzi, Kinderhaus Imago

Für Kinder, aber auch für Erwach-sene mit körperlichen und kogniti-ven Behinderungen ist die Anre-gung ihrer Sinne zentral, um Fähigkeiten, Persönlichkeit undDenkvermögen zu entwickeln undsoziale Teilhabe zu ermöglichen.Ideen zur Stimulation von Tast-,Geschmacks-, Geruchs- und Seh-sinn sind daher gefragt. Um zumBeispiel den Tastsinn anzuregen,eignen sich mit unterschiedlichenMaterialien gefüllte Beutel. Je nach Alter und Möglichkeitenhelfen die Kinder gerne bei derHerstellung mit, was gleichzeitigihre Motorik fördert. Am Erkundender fertigen Beutel mit ihrem be-weglichen Inhalt freuen sich alle.

Das braucht es• Gut verschliessbare Gefrier-

beutel, ich habe 1 Liter-Beutelgenommen

• Nagellackentferner• Durchsichtiges breites Klebe-

band

Füllmaterial:• Rasierschaum• Verschiedene Acrylfarben• Reis• Kleine Gegenstände* (Knöpfe, Kugeln, Auffädelper-

len, Muscheln usw.)• Wasser• Lebensmittelfarbe• Öl (Olivenöl, Rapsöl oder Babyöl)• Durchsichtiges Haar-Gel • Glitzerstaub• Pailletten** Ohne Zacken und scharfe

Kanten, da sonst beim Drücken Löcher im Beutel entstehen können.

So geht esEtwas Nagellackentferner auf ei-nen Wattepausch geben und da-mit den weissen Schriftzug aufdem Beutel entfernen. Dann dieBeutel füllen:Beutel 1 füllen wir mit Reis und ei-nigen Gegenständen.

Vier verschiedeneSensorik-BeutelUnter «Sensorik» versteht man das Wissen rund um die Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen von innerhalb und von ausserhalb des Körpers. Aus diesem Bereich stammtunser heutiger Basteltipp.

Babybauch und Windelwunder (2-4 Jahre) In Mamas Bauch wächstein Baby. Noch ist es klein undschwimmt dort herum, aber es dau-ert nicht mehr lange, dann kommtes heraus. Das Pappbilderbuch er-zählt davon, wie das grössere Ge-schwisterkind die Schwangerschaftder Mutter und die Ankunft des Babys erlebt. Dabei gibt es wederStreit, noch Eifersucht noch sonstigeKomplikationen. Im Zentrum stehtdie Vorfreude auf das neue Men-schenkind. – Sarah Michaela Or-lovský. 24 Seiten, ca. Fr. 15.–. Ty-rolia, Innsbruck 2018

Ich will auchGeschwisterhaben(4-6 Jahre)Peter möchteauch gerneGeschwisterhaben wiesein Freund

Jan, der immer den Kinderwagenschieben darf. Doch als Peter danntatsächlich eine kleine Schwesterbekommt, ist er sich gar nicht mehrsicher, ob er sich nicht lieber einDreirad hätte wünschen sollen. DieGeschwister-Geschichte von AstridLindgren ist zeitlos aktuell.32 Seiten, ca. Fr. 23.–. Oetinger,Wien 1979

Geschwister und Gefühle

Hallo, Herr Eisbär! (7-9 Jahre) Der kleine Arthurstaunt nicht schlecht,als ein riesiger Eis-bär mit stinkigemFischatem und ei-nem kleinen Köffer-chen in den Pfotenvor der Haustür seiner Familie steht.Herr Eisbär taucht genau im richti-gen Moment auf, denn Arthur hatso einige Probleme mit seinem jün-geren Bruder Liam und fühlt sichvöllig unverstanden von seinen El-tern. Wer könnte da besser helfenals ein Eisbär? Eine witzig illus-trierte Geschichte für die ganze Fa-milie – zum Selbst- und Vorlesen.Maria Farrer. 220 Seiten, ca. Fr. 19.–. Beltz Weinheim, 2019

Was WÜRDEst du tun?(Ab 7 Jahren) Autorin und Illustra-tor zeigen, dass schon in kleinenAlltagssituationen die Würde derMenschen nicht unantastbar ist.Wie verletzbar wir sind, sei esdurch Unachtsamkeit, Rücksichts-losigkeit oder Vorurteile, machendie ausgewählten Beispiele deut-lich. Auch Geschwister behinder-ter Kinder werden einige dieserSituationen wiedererkennen. DasBüchlein regt zum Überlegen anund hilft Kindern,über Gefühle und Reaktionsweisen aufschwierige Situatio-nen zu sprechen. Karin Gruss, TobiasKrejtschi. 32 Seiten,ca. Fr. 18.–. Neuge-bauer, Richtenberg2016

Füllung Beutel 1

Füllung Beutel 3

Füllung Beutel 4

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Füllung Beutel 2

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Veranstaltungen

visoparents schweiz

Ausflüge für FamilienDie Ausflüge vonvisoparents schweizsind eine ideale Ge-legenheit, um Abwechslung und Farbe in den Alltag zubringen, sich auszutauschen und andere Familien miteinem behinderten Kind kennenzulernen. NächsteDaten: 31. März, Verkehrshaus; 11. Mai, Sauriermu-seum Aathal; 26. Mai, Blindenführhundeschule All-schwil; 22. Juni, Kinderzoo Rapperswil (Foto); 6. Juli,Ponyreiten. – Auskunft und Anmeldung: Tel. 043 355 10 20, [email protected]

visoparents Eltern-TreffAn den Treffen tauschen sich Eltern untereinander undmit einer Fachperson aus. Jeweils 19 – 21 Uhr. NächsteDaten zum Reservieren: Sehen Plus: 9. Mai, 13. Juni,11. Juli (Dübendorf) – Autismus im Vorschulalter:21. Juni (Baar), 5. Juli (Dübendorf) Auskunft: [email protected]

Children’s Ride 2019 Samstag, 15. Juni, Gossau ZH. Siehe Seite 22.

Weiterbildung / andere Veranstalter

Leben und Beziehung gestalten mit einem Kind mit BeeinträchtigungSamstag, 6. April, 10 – 16 Uhr, Zürich. Elterntag vonEpi-Suisse in Zusammenarbeit mit der VereinigungDravet-Syndrom Schweiz und dem Angelman VereinSchweiz. Am Morgen gibt es einen Fachinput, amNachmittag stehen die Erfahrungen und Fragen derTeilnehmenden im Vordergrund. – Informationen undAnmeldung: www.epi-suisse.ch/elterntag

Sexualität und geistige BehinderungDonnerstag, 23. Mai, Kulturhaus Helferei, 8001

Zürich. – Menschen mit einer geistigen Behinderunghaben ein Recht auf eine selbstbestimmte, lebendigeund gelebte Sexualität. Welche Voraussetzungenbraucht es, damit sie möglichst selbstbestimmt unddoch «geschützt» ihre Sexualität leben können? Wosind die Grenzen? Wie kann überhaupt über Liebe,Freundschaft und Sexualität angemessen gesprochenwerden? – Organisation und Anmeldung:www.paulusakademie.ch

Wenn bei Menschen mit einer Mehrfach-behinderung auch das Sehen beeinträchtigt istSamstag, 25. Mai, Heilpädagogisches Schul- undBeratungszentrum Sonnenberg, Baar. – Kommt zueiner komplexen Mehrfachbehinderung eine Sehbe-einträchtigung hinzu, hat dies grosse Auswirkungenauf das Leben der betroffenen Person. Wie lässt sicheine Sehbeeinträchtigung feststellen? Wie äussertsich diese im Alltag? Welche Massnahmen und Anpassungen unterstützen Menschen mit Mehrfach-behinderung und Sehbeeinträchtigung in ihrer Lern-umgebung, Beschäftigung oder Alltagsbewältigung?Dieser Workshop richtet sich an Fachpersonen undAngehörige, die Kinder oder Erwachsene mit einerMehrfachbehinderung betreuen. www.hfh.ch (Kurse)

Die digitale Transformation – Fluch oderSegen für die Sonderpädagogik?Dienstag 27. / Mittwoch, 28. August, Bern.Digitale Elemente, wie Internet, soziale Medien,assistierende Technologien oder Roboter be-einflussen zunehmend unseren Alltag und diezwischenmenschlichen Beziehungen. Was be-deutet diese Transformation für die Arbeitsfelderder Heil- und Sonderpädagogik? Was bewirktsie für Menschen, die mit einer Beeinträchtigungleben? Der 11. Schweizer Heilpädagogik-Kongress setzt sich mit den Chancen und Risi-ken von digitalisierten Lern-, Arbeits- und Le-benswelten auseinander.www.szh.ch (Veranstaltungen)

Agenda

Noah herausgekommen ist. Mitdem Bruder kann man viele Sachenmachen, sich umarmen und so.Wann umarmt ihr euch?Nayan: Der Noah wollte das. Wirhaben Spiele gemacht, und er hatgeweint. Dann hast du ihn getröstet, das istschön. Tröstet dich Noah manchmalauch, Nayan?Noah: Ja, ich gebe ihm den Nuggi.Nayan: Noah, ich habe keinenNuggi mehr! Den brauche ich nichtmehr. Zuhause tröstet mich Papa.Noah: Und mich Mama mit demNuggi.Das finde ich schön, wie ihr für ei-nander da seid. Toll, wenn man ei-nen grossen Bruder hat. Nayan: Ich hätte auch gerne maleinen grossen Bruder.Teilt ihr euch zu Hause ein Zimmer? Nayan: Ja, wir haben ein Kajüten-bett. Ich schlafe oben und Noahunten. Weisst du, ich bin ebennachtaktiv.Aha. Und was bedeutet das?Nayan: Ich bin beim Schlafenwach. Noah: Ich auch. Und manchmalmach ich die Augen zu. Nayan: Ich habe auch mal am Taggeschlafen.Wie die Fledermaus. Aber dieschläft mit dem Kopf nach unten. Nayan: Das mach ich aber nicht.Also bin ich keine Fledermaus.Noah: Weisst du, ich bin auchschon gross.Nayan: Nein, ich bin vier und dubist zwei. Ich komme nächsten Som-

mer schon in den Kindergarten.Streitet ihr manchmal auch?Nayan: Nein, also manchmalschon, aber eigentlich fast nie.Und wenn ihr mal streitet, wiesostreitet ihr dann?Nayan: Das weiss ich auch nicht.Noah: Wegen nichts.Und was sind das für Gefühle?Nayan: Ich bin dann wütend. Nichttraurig. Noah: Ja, nur wütend. Grrrrrr!(Schlägt mit der Faust auf den Tischund lacht.)Nayan: Heimätposcht (lacht), dannschimpf ich.Was mögt ihr aneinander?Noah: Alles!Nayan: Ich kann etwas besser alser, aber ich weiss nicht mehr, was. Noah: Ich kann besser aufräumen.Nayan: Nein, ich nehme immer dasletzte Auto.Noah: Aber ich bin schneller. Nayan: Wir spielen am liebstenAuto und Lego.Noah: Ja und tanzen zum Dschun-gelbusch. (Singt: «…mit Ruhe undGemütlichkeit…»)Wisst ihr schon, was ihr einmal wer-den wollt, wenn ihr gross seid?Nayan: Ich habe einmal gesagtPolizist. Aber jetzt weiss ich es nichtmehr. Ich möchte einfach Papa sein. Noah: Aber Nayan, die Polizei hatviel schnellere Autos!Nayan: Ja, und mir ist es egal.Und du Noah, was möchtest duwerden?Noah: Ich möchte einfach auch inden Kindergarten gehen.

Selina: Wisst ihr, was Geschwistersind? Nayan: Ich habe keine Geschwis-ter. Nur einen Bruder, den Noah.Noah: Und mein Bruder heisstNayan.Genau, ihr zwei seid Geschwisterund Brüder. Wer von euch ist älter?Nayan: Ich bin älter und Noah istkleiner als ich.Kannst du dich noch erinnern, alsNoah auf die Welt kam?Nayan: Nein.Noah: Ich auch nicht. Aber ich warja ein kleines Baby. Sehr klein!Nayan: Ich war auch klein! Selina,was macht man im Bauch vonMama?Was stellst du dir vor?Nayan: Hm… spielen, essen ? Oderdoch nicht? Oder herumhüpfen? Ichweiss, wie ich auf die Welt gekom-men bin, aber ich weiss nicht, wie

Kinderinterview

«Man kann sich umarmen und so»Nayan und Noah sind Brüder. Beide besuchen das Kinderhaus Imago. Mit Gruppenleiterin Selina Perrig haben sie über das Thema Geschwister gesprochen.

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Pinnwand

Gerne können Sie unsere integrativen Kinderhäuser Imago auch mit einer Sachspende unterstützen. Aktuell brauchen wir

• alte Bilderrahmen und Leinwände

• einen gut erhaltenen Babypuppenwagen

• Kindergarten-HolzstühleSonja Kiechl, Leiterin, freut sich über Ihre Kontaktnahme: Telefon 043 355 10 [email protected]

Das Kinderhaus Imago braucht

Computer-Camp 2019

Im Frühling herrscht in den Gewässern der Auenwälder

Hochbetrieb. Auf dem Erlebnispfad des Naturzentrums

Thurauen können Kinder einen geführten Ausflug

machen zu den verschiedenen Tümpeln und ihren

Bewohnern. Dabei lernen sie diese faszinierenden

Tiere näher kennen und erfahren, was Frosch und

Libelle gemeinsam haben. Die Führung für Kinder

findet am 24. April von 13.30-16.00 Uhr statt.

Wer lebt im Teich?

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Postkontovisoparents schweiz8600 DübendorfPC 80-229-7

80-229-7CH87 0900 0000 8000 0229 7Credit Suisse, ZürichCH05 0483 5062 2904 0100 1

Finanzielle Unterstützung durch Private wird für Organisationender Behindertenhilfe immer wichtiger. visoparents schweiz ist esein Anliegen, dass Gönnerinnen und Gönner wissen, wofür ihreSpenden verwendet werden. Im «imago» stellen wir Beispiele vor.

Aufmerksam beobachtet Fran-cesco, wie seine Betreuerin Sei-fenblasen erzeugt. Verträumtschaut er den schillernden Bla-sen nach, die durch die Luftschweben. Ein Lächeln huschtüber sein Gesicht. Der kleineJunge mag es, wenn um ihn he-rum etwas läuft. Aber es istauch wichtig, dass er genü-gend Ruhepausen einlegt.

Alles an einem OrtFrancesco kann nicht laufen undauch nicht selbstständig essenund trinken. Grund ist eine an-geborene cerebrale Fehlbildung.Diese kann trotz Medikamentenjederzeit einen epileptischen Anfall auslösen. Der Dreijährigemuss deshalb eng begleitet wer-den. Im integrativen KinderhausImago erhält er eine auf seineEinschränkungen zugeschnitteneFörderung. Auch verschiedeneTherapien sind in den Kita-All-tag integriert. Dies und die Si-cherheit, dass ihr Junge jeder-zeit von Fachleuten gut betreutwird, ist für die Eltern einegrosse Entlastung.

Kind sein wie alleIn seiner Gruppe ist Francescogut integriert. Wo nötig, wer-den Spiele oder Materialienseinen Möglichkeiten ange-passt. So kann er bei allen Ak-tivitäten mitmachen. Die ande-ren Kinder sind ihm gegenübersehr aufmerksam und achtendarauf, dass es ihm gut geht.Für Francesco bedeutet das,dass er sich als Kind unter vie-len erfahren darf und Freundegewinnen kann.

Bitte helfen Sie mit!Trotz Integrationsbemühungenvon verschiedenen Seiten gibtes in der Schweiz kaum Kin-

dertagesstätten, die Kinder mitschweren Behinderungen auf-nehmen. Die integrativen Kin-derhäuser Imago in Dübendorfund in Baar bieten Kindern mitund ohne Behinderung einenPlatz, wo sie gemeinsam opti-mal betreut und gefördert wer-den. Helfen Sie bitte mit einerSpende mit, dass dieses An-gebot auch in Zukunft beste-hen kann.

Susanne Fisch, VerantwortlicheFundraising, erteilt gerne nä-here Auskunft:

Telefon 043 355 10 28 [email protected]

Wissenswertes

für Gönner

Kind sein dürfen unter Kindern

Anmeldung: https://naturzentrum-thurauen.ch/events/wer-lebt-im-teich/

(Auf der Webseite finden sich weitere spannende Angebote für die ganze Familie.)

Kinder mit Handicap: Melden Sie sich beim Naturzentrum; eventuell kann die Führung den Bedürfnissen

des Kindes angepasst werden: Tel. 052 355 15 55

Jeden Sommer treffen sich blinde und sehbehinderte jungeLeute von 16 bis 21 Jahren im Internationalen Computer-Camp (ICC). Dieses Jahr findet das Camp von 22. – 31.Juli in Hereford (UK / Westengland) statt. Die Teilnehmerkönnen ihr Informatik-Wissen auf den neuesten Stand brin-gen und Gleichbetroffene aus ganz Europa kennenlernen.Ein vielfältiges Freizeitprogramm sorgt für Abwechslungund Abenteuer. Gute Englischkenntnisse sind Bedingung.www.icc-camp.info

Anlaufstelle für Interessierte aus der Schweiz ist derSchweiz. Blinden- und Sehbehindertenverband:[email protected] (für Fragen) [email protected] (Anmeldungen)

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IMPRESSUM

Herausgebervisoparents schweizEltern blinder, seh- und mehrfach behinderter KinderStettbachstrasse 108600 DübendorfTel. 043 355 10 [email protected]

imago ist das offizielle Publikationsorganfür Mitglieder des Vereins visoparentsschweiz. Der Abonnementspreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen.

RedaktionAngie Hagmann (AH) [email protected]

RedaktionsgruppeCarmelina CastellinoRuth HaslerSonja KiechlYala MonaDavid OberholzerHelen Streule

Gestaltung/RealisationROSSI COMMUNICATIONSSeestrasse 157, 8704 Herrlibergwww.rossi-communications.ch

DruckDruckzentrum AG, 8143 Stallikon

Auflage3000 Exemplare / vierteljährlich

RedaktionsschlussNr. 1.2019 31. Januar 2019Nr. 2.2019 30. April 2019Nr. 3.2019 31. Juli 2019Nr. 4.2019 31. Oktober 2019

ErscheinungsdatenNr. 1.2019 26. März 2019Nr. 2.2019 25. Juni 2019Nr. 3.2019 25. September 2019Nr. 4.2019 20. Dezember 2019

VISOPARENTS SCHWEIZ

Geschäftsstellevisoparents schweizEltern blinder, seh- und mehrfach behinderter KinderStettbachstrasse 10, 8600 DübendorfTel. 043 355 10 [email protected] 80-229-7

GeschäftsleitungCarmelina Castellino (Direktorin)[email protected] Kiechl (Gesamtleitung Kinderhäuser Imago)[email protected] Baumgartner (Leiterin Tagesschule)[email protected]

VorstandStefan Zappa, Zürich (Präsident)Marianne Wüthrich, Zürich (Vizepräsidentin)Stefanie Eichenberger, DübendorfJohannes Piessnegger, Riedt-NeerachChristophe Raimondi, BaarPatrik Strebel, Zürich

Kinderhaus Imago DübendorfStettbachstrasse 10, 8600 DübendorfTel. 043 355 10 [email protected]

Kinderhaus Imago BaarLandhausstrasse 20, 6340 BaarTel. 041 525 20 [email protected]

Eltern- und FachberatungStettbachstrasse 10, 8600 DübendorfTel. 043 355 10 [email protected]

TagesschuleRegensbergstrasse 121, 8050 ZürichTel. 044 315 60 70, Fax 044 315 60 [email protected]

Spenden-Kontovisoparents schweiz, 8600 DübendorfPC 80-229-7IBAN CH87 0900 0000 8000 0229 7

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Region NordwestschweizVerena WindischHinterdorfstrasse 37, 4334 SisselnTel. 062 873 14 [email protected]

Region BernAnja EltschingerBrugerastrasse 44, 3186 DüdingenTel. 026 492 01 56

Region GraubündenHerbert und Ida CaduffCasa Herbjda, 7156 RueunTel. 081 925 42 70

Region OstschweizTrudi ScherrerSchlatt, 9652 Neu St. JohannTel. 071 994 19 84

Louis KruythofSonnmattstr. 8, 9032 EngelburgTel. 071 278 32 49

Region ThurgauMarcel und Jasmin RüeggWidenackerstrasse 178372 Wiezikon b. Sirnach071 570 08 [email protected]

Region ZürichPeter HageAusserdorfstrasse 7, 8052 ZürichTel. 043 300 17 [email protected]

RomandiePrésident: Henri Kornmannch. des Graviers 2A, 1290 VersoixTél. 022 340 40 [email protected] www.arpa-romand.ch

ISSN 1663-4527