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N°96 - 12.2018

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N°96 ­ 12.2018

A-BIB braucht Raum!Down with kitchen slavery!

Widerstand gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens – November 2018

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Editorial

02 [ ] Gai DàoN°96 - Dezember 2018

Hallo Menschen,

In Brasilien ist ein Faschist an die Macht gewählt worden (einer der

Vorzüge der parlamentarischen Demokratie): Es scheint kein Ende

nehmen zu wollen mit diesen hasserfüllten und von Angst getriebenen

Männern, die alle halbwegs fortschrittlichen gesellschaftlichen Errun-

genschaften rückgängig machen wollen. Als Zeichen der Solidarität

mit den Menschen in Brasilien und unseren dortigen anarchistischen

Genoss*innen findet am Freitag, den 07.12.2018 ein Aktionstag gegen

Bolsonaro und seine Clique vor Brasilianischen Konsulaten statt. Wo

es kein Konsulat gibt, darf gerne eine Kundgebung vor der lokalen Fi-

liale der Deutschen Bank gemacht werden. Diese twitterte im Wahl-

kampf: “#Brasilien: Präsidentschaftswahlen gehen am Sonntag in die

erste Runde – der neoliberale Jair Bolsonaro ist Wunschkandidat der

Märkte.” Diese internationale Unterstützung eines Faschisten war

während des Wahlkampfs im Rohstoffexportland Brasilien ein wichti-

ges Signal. Das sollte nicht so schnell vergessen werden. In der nächs-

ten Gai Dao werden wir vom Aktionstag berichten und hoffentlich

mehr Infos und Einschätzungen zur Lage bringen können.

In letzter Zeit waren viele Augen auf den Hambi gerichtet, aber nicht

nur dort gab es widerständige Waldbesetzungen. Wir freuen uns sehr

über den schönen Bericht von #TreburBleibt und hoffen, dass der Wi-

derstand gegen den Frankfurter Flughafen wieder groß wird.

Neueste Infos zum Verbot und der Zensur von linksunten findet ihr in

einer neu erschienen Broschüre der Roten Hilfe. Dort berichten das

Anwält*innenteam und die Angeklagten vom Stand der Dinge, der

Bespitzelung und der Repression: rote-hilfe.de/images/artikel/linksun-

ten-Broschur.pdf

Am 16.11. hat die tageszeitung eine ziemlich brisante Recherche zu gut

organisierten Nazi-Netzwerken innerhalb der Bundeswehr, einem an-

gegliederten Verein, Bullen und anderen Behörden veröffentlicht. Wir

brauchen gar nicht nach Südamerika zeigen, unsere eigenen Fa-

schist*innen bereiten sich auf den Umsturz (Tag X) vor, planen die Li-

quidierung von linken Aktivistis und Politiker*innen und träumen von

der “Endlösung”, im Grunde das ganze Programm. Und es gibt keinen

bis kaum einen gesellschaftlichen oder medialen Aufschrei. Hier die

Recherche der taz: taz.de/!5548926

Tja, Leute, rücken wir zusammen und bewegen uns trotz aller Widrig-

keiten in Richtung Anarchie! Das hält warm.

nigra für die Gai Dao-Redaktion

ÜBER UNS

Gai Dào ist die monatliche Zeit-

schrift der Föderation deutsch-sprachiger

Anarchist*innen (FdA).

Sie versteht sich trotzdem als autonomes

Projekt, das auch Menschen, Gruppen und

Strukturen offensteht, die kein Mitglied der

FdA sind, sofern sie die Ideen des Anar-

chismus und die Prinzipien der FdA unter-

stützen, gerne auch solidarisch-kritisch.

Die Gai Dào bietet einen monati-

chen Querschnitt von Theorie und Praxis

der anarchistischen und ihr nahestehender

Bewegungen auf lokaler und besonders auf

internationaler Ebene.

Dabei versteht sich Gai Dào als ex-

plizit pluralistisches Medium, das Raum für

verschiedene anarchistische Ström-ungen

bietet, sowie darüber hinaus allen, die sich

für eine Überwindung der bestehenden

Verhältnisse, hin zu einer befreiten Gesell-

schaft einsetzen.

Wir freuen uns immer über Artikel, Rezen-

sionen, Gedichte, Aufrufe, Fotos oder

Zeichnungen. Besonders freuen wir uns

über Menschen, die dauerhaft an der Gai-

dao mitarbeiten wollen, sei es als regelmä-

ßige*r Autor*in, Übersetzer*in oder im

Layout.

Wir behalten uns natürlich vor, zuge-sandte

Beiträge nicht zu veröffentlichen, die unse-

ren Prinzipen im Besonderen und die des

Anarchismus im Allgemeinen entgegenste-

hen oder diese unsolidarisch diffamieren.

Alle Ausgaben unter:

www.fda-ifa.org/gaidao

Impressum:Herausgeber*innen: [ ] Gai Dào - RedaktionskollektivV.i.S.d.P.: Gai Dao

c/o Alarm e.V.Postfach 10 01 6177621 Offenburg

Druck und Verlag: EigenverlagErscheinungsweise: monatlichKontakt: [email protected]

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03[ ] Gai DàoN°96 - Dezember 2018

Inhalt

04 A-BIB braucht Raum!

07 Zur Frage von Plena III

10 Leser*innenbriefzu "Bin ich fürDich(k)ein Mensch?" – Solidarität für dieAntipsychiatriebewegungArtikel in Gai Dao No 93 09/2018

12 Down with kitchen slavery!Das Kollektiv.26 hat neue

feministische Sticker

15 [2/2] DerKonsensfetisch despolitischen AnarchismusZweiter Teil der Neuauflage des Artikels

„Der blinde Flecken des Anarchismus“

19 [1/2] Über die Gewalt hinaus!Georges Sorels Sehnsucht nach dem

Generalstreik als irrationales Mythos

24 Widerstand gegen den Ausbau des

Frankfurter Flughafens

– November 2018

31 FdA hautnahRegelmäßige Termine der FdA-Mitglieder

Eigentumsvorbehalt

Nach diesem Eigentumsvorbehalt ist die Broschüre solange Eigen-tum der/des Absender*in, bis es den Gefangenen ausgehändigtworden ist. „Zur-Habe- Nahme“ ist keine Aushändigung im Sinnedes Vorbehalts. Wird die Broschüre den Gefangenen nicht persön-lich ausgehändigt, ist es der/dem Absender*in mit dem Grund derNichtaushändigung zurückzuschicken.Verteiler*in bzw. Absender*in ist nicht identisch mit den Erstel-ler*innen.

Hinweis zur Sprache:

Das in den Texten verwendete „*innen“ (Gender Gap) soll dieFunk-tion haben, dass nicht nur weiblich oder männlich sozialisierteMenschen beachtet werden, sondern auch Menschen, die sichselbstzwischen bzw. außerhalb der Zweigeschlechtlichkeit verorten.

Bewegung Aufruf

TermineAnalyse & Diskussion

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04 Gai DàoN°96 - Dezember 2018

A­BIB BRAUCHT RAUM!Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung | Wien

Von: A-BIB

Die Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institut fürAnarchismusforschung Wien gibt es seit 1. Mai 2010.Bisher sind wir in der Lerchenfelderstraße 124–126untergebracht. Mit Ende März 2019 läuft allerdingsunser Mietvertrag aus und es gibt keine Option aufVerlängerung. Das Haus wird generalsaniert und andie Stelle der Bibliothek kommen Garagen. Deshalbsind wir auf der Suche nach neuen Räumlichkeiten.Da wir nicht den rasant steigenden Mietpreisen undder Immobilienspekulation in Wien ausgeliefert seinwollen und ein nachhaltiges und langfristiges Projektanstreben, haben wir uns entschieden, Räumlichkeitenfür Bibliothek und Archiv zu kaufen. Dazu benötigenwir Unterstützung.

Wofür brauchen wir Raum?Mehr denn je braucht unsere Gesellschaft Räume, indenen kritisches und freies Denken Platz finden. Wirsind die einzige anarchistischen Bibliothek sowie daszugehörige Archiv in Österreich und stellen dabeieinen solchen Ort dar, an dem gedankliche Freiheitauch ihren nötigen Raum zur Verfügung hat. Auch inZukunft wollen wir an folgenden Projekten weiterar-beiten und diese für alle Menschen begehbar und er-lebbar machen:

Bibliotheks- und Archivbestand: Die Bibliothekverfügt über einen österreichweit einzigartigenBestand an Zeitschriften (ca. 850 Zeitschriftenti-tel) und Büchern (über 2500 Bände) über die be-wegte libertäre Geschichte und die Theorie derlibertären Bewegungen. Auch europaweit gehörtsie zu den gut aufgestellten anarchistischen Fach-bibliotheken.Digitalisierungsprojekt: Historische Zeitschrif-ten, Broschüren und Bücher werden elektronischaufbereitet. Die dafür notwendige Infrastruktursteht in der Bibliothek zur Verfügung. Die Digita-lisate werden auf Anfrage kostenfrei übermitteltbzw. können auch im Internet abgerufen werden.Forschung: Das Institut für Anarchismusfor-schung be- und erforscht die Geschichte(n) deranarchistischen Bewegungen und beschäftigt sichmit den Theorien des Anarchismus wie auch mitallgemeinen Fragen aus anarchistischer Perspekti-

ve. Es geht darum, verschiedene anarchistischeStrömungen, markante Ereignisse und Biogra-phien einzelner Personen sichtbar zu machen.Nicht nur, um die anarchistische Geschichte demVergessen zu entreißen, sondern auch, um unse-ren Blick auf die Gegenwart zu schärfen.Ausstellungen: In den Räumlichkeiten werdentemporäre Ausstellungen organisiert, die öffent-lich und kostenfrei zugänglich sind. Es gab bereitszwei Ausstellungen zum Spanischen Bürgerkrieg(1936–39), eine Ausstellung zu den Mujeres Libresund eine zu B. Traven.Digitaler Stadtplan: Es wird an einem anarchis-tischen Stadtplan für Wien und Graz gearbeitet,der wichtige Stationen der libertären Geschichteund somit auch einen wichtigen Teil der Ge-schichte Wiens und Graz‘ erinnerbar und erlebbarmachen soll.Internationale Zusammenarbeit: Die Bibliothek istTeil des Internationalen Verbands libertärer For-schungs- und Dokumentationszentren (FICEDL).Nicht nur deshalb gibt es zahlreiche Kooperatio-nen mit Bibliotheken, Archiven und Vortragendenaus verschiedensten Ländern.Neben Büchern und Zeitschriften speziell anar-chistischer Ausrichtung findet man auch zahlrei-che Titel zu anderen emanzipatorischenBewegungen, seien es Feminismus, Ökologie so-wie progressive Kunst.Die Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institutfür Anarchismusforschung ist ein Treffpunkt füralle, die über den ideologischen Tellerrand hin-ausschauen und Interesse an libertären und alter-nativen Lebensentwürfen in ihrer Vielfalt haben.Neben der Bibliothek gibt es zahlreiche Infoma-terialien zu emanzipatorischen Veranstaltungenund Projekten.Die Anarchistische Bibliothek | Archiv | Institutfür Anarchismusforschung ist ein unabhängigerVeranstaltungsort, der weder profitorientiertnoch instrumentalisiert ist. Dies gibt die nötigeUnabhängigkeit für Veranstaltungen mit ‚unbe-quemen‘ Inhalten und für Diskussionen, in denenman kein Blatt vor den Mund nehmen muss.Solidarische Lebensweisen sind nicht nur Inhalt

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05Gai DàoN°96 - Dezember 2018

der Bücher, sondern auch gelebte Praxis in der Bi-bliothek. So gibt es bei Veranstaltungen Volxkü-chen und Getränke auf Basis freiwilliger Spenden.Die Menschen, die die Bibliothek und das Archivbesuchen, bilden gleichzeitig ein Netzwerk, inwelchem man einander hilft und unterstützt.Es gibt keinen Chef und keine Angestellten. DieBibliothek wird auf freiwilliger Basis betrieben,Entscheidungen werden basisdemokratisch ge-fällt. Die Bibliothek ist somit auch ein Beispiel da-für, wie Strukturen ohne Hierarchien undökonomische Anreize organisiert werden können.

Was für einen Raum stellen wir uns vor?Wir suchen zur Zeit intensiv nach geeigneten Räum-lichkeiten. Es ist uns wichtig, das Projekt so zu struk-turieren, dass es gegenmissbräuchliche Verwendungabgesichert ist, d.h. nicht priva-tisiert werden kann. Bibliothekund Archiv sollen für immer einöffentlich zugänglicher Raumsein, ein Raum, der dem Ge-meinwohl dient und allen In-teressierten zur Verfügung steht.Betrieben wird die Bibliothekvon einem Kollektiv auf Basisfreiwilliger Arbeit. Alle Ent-scheidungen werden gemeinsamgetroffen. Mitmachen kann da-bei jede und jeder, solange mandem Grundgedanken offen ge-genübersteht, die libertäreTheorie und Praxis der Vergan-genheit im kollektiven Ge-dächtnis zu bewahren, um fürdie Zukunft an libertären Uto-pien für eine bessere Welt zuarbeiten.

Struktur: Auf der Basis eines bereits bestehendengemeinnützigen Vereins soll die Gemeineigen-tumsstruktur abgesichert werden. Das Hauptau-genmerk liegt auf der Absicherung gegen eine(Re-)Privatisierung von Bestand und Räumlich-keiten.Größe: Die Anarchistische Bibliothek ist in denletzten Jahren stark gewachsen – sowohl was denBestand an Büchern und Zeitschriften als auchwas die Anzahl der Nutzer*innen betrifft. Des-halb braucht es ca. 140 m2 Grundfläche.Lage: Die Räumlichkeiten sollen v. a. mit öffentli-chen Verkehrsmitteln gut erreichbar sein, um ein

breites Publikum anzusprechen.Feuchtigkeit: Die Räumlichkeiten müssen selbst-verständlich trocken sein.Ausstattung: Die Möbel und Innenausstattungder jetzigen Räumlichkeiten wurden alle selbstgebaut bzw. angeschafft. Wir können sie also indie neuen Räumlichkeiten mitnehmen, womit einGroßteil der Kosten für die Raumausstattungwegfällt.Um die Kosten nicht weiter zu heben, sollen et-waige Umbauarbeiten so weit wie möglich in Ei-genregie geleistet werden.

Wie wollen wir den Raum finanzieren?Einen geeigneten Raum zu kaufen, ist ein ziemlichgroßes, aber auch einzigartiges Projekt – nicht nur ös-

terreichweit. Der Vorteil dabeiwäre, dass damit ein Raum ge-schaffen wird, welcher auchfür zukünftige Anarchist*innenals Ort der Bildung und Ver-netzung gesichert ist. Die Her-ausforderung ist die einmaligeAufbringung einer ziemlichhohen Summe: Wir brauchen150.000 €. Einen Teil davonhaben wir schon zusammenge-spart (rund 40.000 €). Für denRest brauchen wir noch Unter-stützer*innen.

Da wir den Raum innerhalb ei-nes Jahres kaufen wollen, freu-en wir uns auch, wenn unsjemand einen Direktkredit gibt,den wir in Raten zurückzahlenwerden. Dies gibt uns Zeit füreine längere Kampagne.

Nach dem Ankauf soll sich dieBibliothek weitgehend selbst tragen bzw. sollen dielaufenden Betriebskosten durch Mitgliedsbeiträge fi-nanziert werden. Das Projekt soll nachhaltig und nichtabhängig von Einzelpersonen oder staatlichen oderprivaten Organisationen sein.Wir sind überzeugt, dass wir dieses Projekt umsetzenkönnen, wenn Menschen, welche dieses Projekt wich-tig finden, einen für sich entbehrlichen Teil dafür her-geben. Noch ist es eine Utopie. Aber zusammenkönnen wir den Raum für die Anarchistische Biblio-thek | Archiv | Institut für Anarchismusforschung Wi-enWirklichkeit werden lassen.

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06 Gai DàoN°96 - Dezember 2018

★★★

Kleine Auswahl aus dem Bestand des Archivs:

Originale vor 1945:Autonomie (London, Einzelstücke)Revolution (Wien, Einzelstücke)Erkenntnis und Befreiung (einige Jahrgänge)Die Freie Generation (Einzelstück)CNTCNT-MarineDer Sozialist (Berlin/Zürich, Gustav Landauer)Der Syndikalist (Berlin)Neues Leben (Berlin 1897–1903)Der freie Arbeiter (1904–1933)

Originale nach 1945:Ca. 900 Zeitschriftentitel aus allen Kontinenten:u.a. aus Frankreich: Le monde Libertaire (fastdurchgängig), aus Deutschland: Graswurzelrevo-lution (komplett). Viele Zeitschrifttitel sind indem vorhandenen Ausmaß einzigartig in Öster-reich.

Digitalisate:Eines unserer Projekte ist das Digitalisieren von anar-chistischen Zeitschriften mit dem Schwerpunkt Öster-reich. Wir haben digitalisiert:

Die Zukunft (Wien, 1879–1884; 1884 verboten),die vermutlich erste anarchistische Zeitschriftüberhaupt, die man sonst in keiner andern Biblio-thek in Europa findet.Die Autonomie (in London erschienen, dann ein-geschmuggelt, 1886–1893, komplett), die in keinerösterreichischen Bibliothek vorhanden ist. Einerder Herausgeber war der aus Böhmen stammendeJosef Peukert.Die anarchistische Bewegung von 1892–1918(Staatspolizei-Berichte, komplett als einzige Bi-bliothek inWien)Die Zukunft (Wien, 1893–1896, komplett), vonmanchen als erste anarchistische Zeitschrift ausWien bezeichnet.Ohne Staat (Budapest 1897–1899)Die Freie Generation (1906–1908, komplett, durch-suchbar), herausgegeben u. a. von Pierre Ramus.Wohlstand für Alle (1908–1914, komplett, durch-suchbar), herausgegeben von Pierre Ramus.Die Revolution (Wien 1919, komplett), herausge-geben von Karl F. Kocmata.Ver! (Wien 1917–1921, komplett), herausgegebenvon Karl F. Kocmata (komplett auch als einzige

Bibliothek inWien).Der Anarchist (Wien 1919), herausgegeben vonHeinrich Holz-Reyter.Erkenntnis und Befreiung (Wien und Graz,1918–1933, teilweise)Besinnung und Aufbruch (Berlin 1929–1932, teil-weise)Die soziale Revolution (Barcelona 1936–1937,komplett)

Weitere 180.000 Seiten verschiedenster Zeitschriftenund Broschüren, und auch Plakate und Fotos wartenauf ihre Aufarbeitung!

Spendenkonto:Verein zur Förderung libertärer Bibliotheks- und

Archivkultur

IBAN: AT78 1400 0108 1000 0703

BIC: BAWAATWW

a-bibliothek.org

[email protected]

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07Gai DàoN°96 - Dezember 2018

Plena III – Von Plenen, Bewusstsein undanderen Problemen

Von: ignoramus

Es hat bis heute immer Leute gegeben, die sich berufenfühlten, ‚die Ordnung zu handhaben‘. Die Geschichtehat uns jedoch gelehrt, dass alle jene Leute, welche im-mer Ordnung machen wollen, im Grunde stets diegrößte Unordnung verursacht haben!!!

―Anonymus individualo, 1892

Ich muss gestehen, dass ich mich auf diesem anarchis-tischen Sommercamp gar nicht erst habe blicken las-sen und dass dabei, abgesehen von Reisekosten,mitunter ausschlaggebend war, dass mir die Berichtedes letztjährigen Treffens, welche ich hörte, die Lustgenommen haben. Effektiv ist es mir als Mensch, dergerne nackig badet, sehr schwer gefallen, dass Leuteeffektiv verlangt haben, fürs Nackigbaden quasi umBewilligung fragen zu müssen. So was mach ich auchan einem Strand voll Normalbürger*innen nicht, wie-so ausgerechnet da…

Diese Gerüchte sowie die Erfahrung, dass in Öster-reich eben eine solche Theorie unter Anarchist*innengrassiert, die sich vor allem durch strenge Verhaltens-und Sprachregeln auszeichnet sowie durch rigide Aus-schlussverfahren, mir oftmals unverständliche Codesund einem studentischen Gehabe äußert.. . nun, dieseSachverhalte (ich weiß, dass ich sie hier tendenziösdefiniere) nahmen mir die Lust daran. Auch war esmir zu anstrengend, mich dorthin zu begeben, um diesanzusprechen und verstehe ebenso, dass Leute dieserDiskussion ausweichen, vor allem wenn sie „männlichgelesen“ werden, was heißt: von vornherein in solchenDingen nicht ernst genommen werden bzw. bald malals Sexisten abgestempelt sich mit den ach so anar-chistischen Ausschlussverfahren rumschlagen kön-nen...

Nun, so denkt ein Teil der anarchistischen Bewegungaller Geschlechter und Farben und das auch schonlänger. Das sind Gründe, weshalb sich Leute teilsschwer tun mit einer „gewissen Denkweise“. Die dieSzene, welche sich zumindest anarchistisch nennt, ei-gentlich lieber meiden, weil sie sich Anarchie und An-archismus anders vorstellen.

Nun aber zur plenarischen Frage. Auch hier sieht man,

dass es zwei (natürlich viel mehr, aber der Vereinfa-chung halber) ganz verschiedene Denkweisen gibt in-nerhalb der anarchistischen Bewegung mit und ohneAnführungszeichen. Die eine hält es für ein Argumentfür das Plenum, dass es „basisdemokratische Konsens-findung“ ermöglicht, während anderen die Demokra-tie auch in ihrer basischen Form schwer verdaulicherscheint. Dass sich Großplena mittels Moderationmöglicherweise besser strukturieren lassen, mag sein,zumindest theoretisch. Praktisch lassen sich aber ebenviele Anarchist*innen nicht gerne strukturieren. Wiesoauch?

Die Behauptung aber, dass das Fehlen einer Moderati-on die „frustrierenden Kleingruppengespräche“ zurFolge habe und nicht vielmehr, dass man sich in dergroßen Gruppe vielleicht einfach nichts zu sagen hatbzw. gar nicht einig ist, wieso zusammen diskutiertwird, ist gewagt. Meiner Erfahrung nach ist es meis-tens so, dass, wenn eine Basis vorhanden ist (wozu,wieso, und was zusammen diskutiert werden muss),die Leute überhaupt keine Probleme haben, ohne jeg-liche Moderation und Listen, je nach Erfahrung mehroder weniger schnell, aber zumindest zielbewusst einegemeinsame Diskussion zu führen, welche zur ge-wünschten Handlung befähigt. Aber das ist selten undviele Plena werden gemacht, bevor diese notwendigeGemeinsamkeit im Ansatz vorhanden ist und dannöffnet sie nur Tür und Tor für Politikante jeder Sorte.

Für mich, wie für viele andere anarchistische Indivi-duen, ist es zumindest nicht Sache einer Plenumsmo-deration, den Leuten den Mut, sich zu äußern,

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08 Gai DàoN°96 - Dezember 2018

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beizubringen. Das ist in meinen Augen einfach absurdund der falsche Zeitpunkt. Jeden Tag und jede Stundekönnten sich die anarchistischen Individuen gegensei-tig helfen, ermutigen und bemühen, sich auf ein Ni-veau der Äußerungsfähigkeit zu heben, welches nötigist, um die eigene Ansicht zu vertreten. Das ist ein jah-relanger Prozess, kulturell ganz vielfältig und durchRegelungen sicherlich nicht zu lösen. Die bedrückendeSchulatmosphäre, welche an vielen Diskussionen inder autonomen Szene vorherrscht, trägt zumindest zurBefreiung wenig bei. Sie sollte auch von ernsthaft an-archistisch eingestellten Leuten nicht übernommenwerden – so natürlich meine ach so wenige Ansicht.Vielmehr würde es Sinn machen, eine Kultur zu ent-wickeln, welche uns auch ermöglicht, in der ganzenGesellschaft unsere Ideen zu verbreiten, stolz unddreist, ohne Blatt vor dem Mund.

Aber nein, im Namen von irgendwelchen Identitäts-konstrukten wird das Blatt vor den Mund geschmie-det, hämmert sich die „anarchistische Bewegung“ ihreigenes Gebälk vor die Augen...

Und dazu gehört eben auch, dass etwa „Bewusstsein“an eine spezifische Gruppe delegiert werden soll. Ichmeine, die Frage: Brauchen wir eine Awareness-Grup-pe? ist doch eben eine Frage, die immer nur ein Teil

der „anarchistischen Bewegung“ besprechen wollenwird. Vor allem: Wieso braucht es dazu ein Plenum?Das ist die Frage. Eine Awareness-Gruppe könnte sichja auch ohne Nachfragen gründen, einfach von jenen,welche diese für notwendig halten... ganz nach demuralten anarchistischen Prinzip der freien Gruppie-rung, schon hundertfach erprobt.. . aber halt, das wäreja eben nicht das Konzept einer Awareness-Gruppe,welche ja darauf basiert, repräsentativ zu sein. Odernicht? Zumindest scheint es mir so, als würden gewis-se Leute verlangen, dass im Plenum quasi der Awa-reness-Gruppe eine Art Anerkennung als ausführendeoder ideologische Organe gegeben wird. Und dazubraucht es das Plenum, welches eben dann bedeutet:Es wurde entschieden, basisdemokratisch, und somuss es auch anerkannt werden. Man komme nichtdamit, dass die Bewusstseinstruppe keine polizeilicheFunktion habe. Vielleicht nicht, ja, besser wäre sie miteiner Art Pfaffenvereinigung zu vergleichen, welcheseelsorgerische und Predigeraufgaben übernimmt. Sozumindest, wenn denn wirklich eine ganze Gruppevon Anarchist*innen sich darauf einigt, dass jede*rEinzelne unfähig sei, selbstverantwortlich und selbst-bewusst – self aware wenns noch in Englisch sein soll– zu leben.

Die Rolle des Plenums also, wie sie im Artikel Zur

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09Gai DàoN°96 - Dezember 2018

Frage von Plena II (Gai Dao No 95 11/2018) dargestelltwird, ist eben diese, Kollektiventscheidungen zu tref-fen, nicht zu gemeinsamer Aktion oder zur Aufstel-lung von Kochgruppen, sondern zum Aufbau einerrepräsentativen Struktur. Zur ideologischen Arbeit.Zur Delegation gar des eigenen Bewusstseins?

Wenn zumindest die Frage „Wozu brauchen wir Ple-na...?!“ mit: „um Awareness-Gruppen etc. aufzubau-en“, beantwortet werden muss, dann wollen eben vielegerade deshalb keine Plena. Und das scheint auch dieeinzige wirkliche Begründung in Zur Frage von PlenaII.

Es kann Sinn machen, eine gemeinsame Sitzung, einallabendliches Treffen etc. je nach Bedarf zu machen,um die praktischen Aufgaben anzugehen und wenndies mit Plenum gemeint ist, so soll es sein. Aber dasist auch nicht a priori und ist nicht per se erhabenüber Absprachen, welche kein klares Gefäß haben.Der Hund liegt aber auch nicht hier begraben, sondernan dem, was die Einzelnen wollen.

Wenn z. B. es für einzelne „die sich u. a. mit dem The-ma Awareness auseinandersetzen wollten, extremfrustrierend“ war, dass dies von anderen Leuten nichtgetan wurde. So war es für andere möglicherweise„extrem frustrierend“, dass deren Kritik an Awarenessfür nicht vorhanden vorausgesetzt wurde, bzw. dassdas Konzept der Awareness ohnehin kritiklos bleibenmuss (und vor allem noch ein sexistischer Kommentarrein muss, von wegen „grösstenteils cis-männlich ge-lesene Gruppe“). Ebenso nervig ist es, dass von diesenLeuten die Ideologie, welche mit „Awareness“ um-schrieben wird, zum x-ten Mal durchgekaut wird. Etc,etc. Dies hier nur, um etwas die paternalistische Argu-mentationsweise von Zur Frage von Plena II zu para-phrasieren, was durchgehend möglich wäre.

Möglichkeiten, Konflikten zu begegnen etc. gibt esauch jenseits von „Zustimmungsprinzip, Transformati-ve Justice/Community Accountability, kritischeMännlichkeits*runden, und Awareness-Konzepte“(oder auch Defma). Dass von den Vertreter*innen die-ser Ideen immer so getan wird, als würden alle ande-ren nur deshalb diese Ideen nicht übernehmen, weilsie diese nicht kennen würden, ist eine vielgeseheneAnmaßung. Die Awareness-Ideologie (oder Theorie,wie auch immer) ist zumindest etwas, das ein Teil der„anarchistischen Bewegung“ auch nach ausführlicherBeschäftigung immer noch ablehnt.

Und so kann man getrost den Vorwurf zurückwerfen,

um die Komödie zu vollenden: „Die von ‚euch‘ geäu-ßerte Meinung, dass alles, was nicht ‚eurer‘ Denklinieentspricht, autoritäre Machtausübung ist, empfindenwir dabei als problematisch.“Beim Verfassen dieser polemischen Intervention istmir einiges klar geworden. Wir alle sind geprägt voneiner christlichen Moral, einer Verfangenheit in Wor-ten und einer Kultur, welche vor allem auf dem Opferbasiert. Überall muss immer Kompromiss sein, an-sonsten lauert das Risiko, zur Sünder*in gestempelt zuwerden. Überall schleichen sich jene ein, die glauben,mit Argumenten von der Verteidigung der Organisati-on oder sogar im Namen der Selbstorganisation jedeSelbstorganisation jenseits ihrer Selbstorganisation alsnicht vorhanden darzustellen, jedes Bewusstsein,Awareness, als inexistent zu erklären, wenn es nichtdas ihre Bewusstsein ist und damit Selbstbewusstseineigentlich negieren.

Die Debatte, ob Organisation mit oder ohne Plena, istunspannend und eine Formfrage. Es ist Schade, dasssich ein Teil der anarchistischen Bewegung anschei-nend noch „nicht ausreichend“ mit der Kritik an Re-präsentation, Delegation, formeller Organisation,Basisdemokratie, an der (Identitäts-)Politik etc. aus-einandergesetzt hat. „Das ist natürlich okay, aber eineschlechte Ausgangsposition“, sich „so breit und so po-larisierend über dieses Thema auszulassen.“

So könnte ich den Text beenden. Aber natürlich ist esmir klar, dass da die Geister sich einfach scheiden.Grundlage für ein friedliches Nebeneinander ist derRespekt und das Bewusstsein, dass eben die Ansichtenkomplett verschieden bleiben werden. Und die Unter-schiede nicht einfach daran liegen, dass die anderenungebildet und dumm sind und die jeweiligen Ideen„nicht ausreichend“ kennen, denn das ist doch die un-tergründige Tendenzaussage des Textes zur Frage vonPlena II. Was in ellenlangen Plena, welche in die Hosegehen und zur Zermürbung führen, zum Ausdruckkommt, sind zumindest Konflikte, welche nicht erstseit gestern bestehen.

Für viele gilt eben auch:Demokratie oder Anarchie – Es gibt keinen Mittelweg!und ebenso:Ideologie oder Selbstbewusstsein – auch da kein Mit-telweg!

Mit herzlichen GrüßenEin weiterer Mensch mit dem ach so unverständlichen„Bedürfnis nach absoluter individueller Freiheit“

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10 Gai DàoN°96 - Dezember 2018

Leser*innenbrief zu „Bin ich für dich (k)einMensch?“ – Solidarität für die Antipsychia­triebewegungUrsprünglicher Artikel in Gai Dao No 93 09/2018

Von: doc holiday

Ein wirklich wichtiger und notwendiger Artikel vonmerlin, den ich gerne noch um ein paar einzelne An-merkungen und Hintergrundwissen „aus dem Bauchder Bestie“ ergänzen möchte: Tatsächlich ist die Hilflo-sigkeit im Umgang mit sog. „psychisch Kranken“ so-wohl innerhalb als auch außerhalb der Psychiatriebeeindruckend. Psychische Störungen werden aus un-terschiedlichen Gründen wieder mythologisiert undtabuisiert, das Wissen darüber ist spärlich und vonVorurteilen und Abwertungen geprägt. Denn Anti-psychiatriebewegungen stellten eine immense Gefahrfür das Funktionieren von Herrschaftsmechanismendar, und es wurde viel Energie darauf verwendet, dieseBewegungen zu beenden, ihnen ihre politische Wirk-samkeit zu entziehen. Dazu gehörte nicht nur, Psych-iatrieerfahrene auszugrenzen und abzuwerten, siehandlungsunfähig zu machen, sondern auch, bei jederEinzelnen und jedem Einzelnen Ängste zu schüren,damit Solidarisierung nicht mehr statt findet und sichselbst schon im Vorfeld zensiert.

Wie genau wird dabei Entsolidarisierung herge-stellt?Die Idee, dass sog. psychisch Kranke selbstbestimmtleben können, soll sich aus verschiedenen Gründennicht durchsetzen: Eine riesige, gewinnorientierteGruppe (offensichtlich Kliniken, Pharmaindustrie,Krankenkassen, Ärzte- und Therapeutenkammern,Ausbildungsinstitute, Universitäten etc.) lebt von derAngst jedes einzelnen Menschen, „nicht normal“ zusein, und sich deshalb in Behandlung begibt. DieseAngst wird ebenfalls sehr erfolgreich in der Werbungeingesetzt, um Produkte zu vermarkten. In Krimiswerden Verhaltensweisen bizarr verzerrt zu „Psycho“,psychische Abweichungen von einer (fiktiven) Normsollen Angst machen, staatliche Reglementierungenund polizeiliche Gewalt rechtfertigen. Viele Serien, Fil-me oder Shows leben parallel dazu von der sog. „Ko-mik“, die darin besteht, Menschen mit (angeblichenDefiziten und) Normabweichungen vor der Kamerabloßzustellen. Das Lachen ist erlernt und versucht ver-

zweifelt, eine Grenze zwischen dem Lachenden undder dargestellten Figur zu ziehen. „Seht ihr, ich binnicht ver-rückt, ich erkenne, dass der andere verrücktist, und zeige dies, indem ich ihn abwerte oder ausla-che: Durch dieses Verhalten gehöre ich zu den Norma-len!“. Damit wird, wie im Artikel treffend dargestellt,ein ‚Drinnen‘ und ein ‚Draußen‘ hergestellt. Das Drin-nen und das Draußen sind per se fiktiv, werden aberdurch soziale Konstrukte Teil der Lebenswirklichkeitaller Menschen. Die Angst, sich durch Solidarität mitden Ausgegrenzten zu identifizieren, setzt ein Wissenüber die eigene Identität voraus, die im Themenbe-reich der Psychiatrierung stärker als überall sonst ver-hindert wird.

Viele Menschen würden sich solidarisch mit den Fol-gen der Psychiatrierung auseinandersetzen, wenn dieAngst nicht wäre, sich dafür notwendigerweise mit ei-genen psychischen Befindlichkeiten und Selbstzwei-feln auseinander setzen zu müssen.Es steckt häufig der Wunsch dahinter: „Solange ich sotu' als ob, wird keiner merken, wie es um mich steht,dass ich genau diese Angst habe, eine psychische Stö-rung zu haben, und deshalb nicht dazu zu gehören,ausgegrenzt zu werden, mich der Tatsache stellen zumüssen, anders zu sein als die anderen.“Vielleicht erklärt dies die Stille, dieses Wegsehen. Ent-solidarisierung wird auf verschiedenen Ebenen herge-stellt, und mit hohem Aufwand aufrechterhalten. Unddas funktioniert – macht uns manipulierbar, machtängstlich und abhängig.

Zu 2. Für mehr Unwissenschaftlichkeit!Es gibt bisher kein wissenschaftliches Grundlagenwis-sen für psychiatrische Erkrankungen:

„Krankheit wird oft im Gegensatz zu Gesundheitdefiniert. Die Weltgesundheitsorganisation(WHO) hat allerdings Gesundheit auch schon1946 als idealen Zustand optimalen Wohlbefin-dens definiert.. . Die Übergänge zwischen ‚Ge-sundheit‘ und ‚Krankheit‘ sind fließend. Vieles

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mag letztlich einfach eine Frage der Sichtweisesein, zumal der Ausdruck Krankheit keine biologi-sche Konstante, sondern ein kulturelles wertbezo-genes Konstrukt darstellt.“1

Psychiatrische Diagnosen entstehennicht auf wissenschaftlichen Grundla-gen, sondern durch eine normierendeGruppe von Ärzt*innen, die einen Kata-log von Symptomen einer diagnosti-schen Bezeichnung (mehr oder wenigerüberlegt) zuweist. So werden seit 1948im ICD (damals die 6., heute die 10. Ver-sion) von Patient*innen beschriebeneoder von Behandler*innen und Angehö-rigen berichtete Symptome als spezifi-sche Diagnosen systematischzusammengefaßt. Wissenschaftlichkeitwird erst durch nachträgliche Forschungbegründend und rechtfertigend zugefügt(z.B. in der grünen Ausgabe des ICD).Diagnosen geben den Behandler*Innendie Möglichkeit, unter den Leitlinien2 nachzuschlagen,wie diese oder jene Störung behandelt werden könnte.Auch diese Leitlinien sind aus Entscheidungen einesGremiums am ‚Runden Tisch‘ entstanden und werdenerst nachträglich wissenschaftlich belegt, z. B. durchKlaus Grawe, der die fünf Wirkfaktoren der Psycho-therapie (knapp 100 Jahre nach ihrer „Erfindung“durch Sigmund Freud) herausgearbeitet hat. Medizi-ner*innen können seitenlang über Wirkmechanismenverordneter Medikamente nachlesen, auf welcheTransmitter, Gehirnregionen und hormonellen Syste-me ein Medikament wirkt. Tatsächlich weiß aber nie-mand so genau, was wie wirkt und warum.Nebenwirkungen sind kaum erforscht, Wechselwir-kungen werden ignoriert, in einem riesigen Feldver-such werden ständig Informationen gesammelt undWissen erweitert. Medikamente und Behandlungsme-thoden erscheinen auf dem Markt, werden ein paarJahre oder Jahrzehnte angewandt und verschwindendann wieder3. Mittlerweile behandle ich meine Kli-ent*innen auch wegen iatrogen zugefügter Störungen(iatrogen = durch Ärzt*innen zugefügtes Leiden).

„Die wollen Menschen da ja eigentlich nur hel-fen!“―Helfende gehören zum Drinnen, sie gelten nichtals psychisch krank. Sie haben quasi einen Freifahr-schein, der sie außerhalb einer Bewertung stellt, dennsie sind es, die bewerten und kategorisieren dürfen.

Vielleicht ist dies nicht der einzige Grund, in Psychia-trien zu arbeiten, aber er spielt doch eine bedeutendeRolle.

Statistisch gesehen4 zeigt mindestens jeder zweiteMensch (mehr als 50% der Bevölkerung) in Deutsch-land im Laufe ihres oder seines Lebens Symptome, dieeine psychiatrische Diagnose rechtfertigen können. Zujedem beliebigen Zeitpunkt, z.B. jetzt gerade, bestehtbei mindestens 8 % der Bevölkerung in Deutschlandeine behandlungsbedürftige psychiatrische Erkran-kung. Jedes Jahr töten sich mehr als 10.000 Menschenselbst, mehr als 100.000 Menschen versuchen, sichumzubringen. Rund 1,4 Millionen Menschen sind ak-tuell in ambulanter psychotherapeutischer Behand-lung. 813.738 Erwachsene und 61.400 Menschen unter18 Jahren wurden im Jahr 2017 stationär psychiatrischbehandelt5. Es ist also statistisch gesehen zehn Malwahrscheinlicher, in der Psychiatrie zu landen als imGefängnis.

Eine erneute Antipsychiatriebewegung setzt die Aus-einandersetzung mit eigenen Ängsten voraus. Dukannst in der Umgebung, die dich krank gemacht hat,nicht gesund werden, solange Du Dich selbst belügst.Solidarität mit psychisch Kranken – sie nennen sichnicht ohne Grund „psychisch Erfahrene“ – wäre einnotwendiger Bestandteil der Auseinandersetzung mitHerrschaftsstrukturen, die unsere Ängste benutzen.

[1]Wikipedia, Stichwort „Krankheit“[2] https://www.awmf.org/leitlinien/aktuelle-leitlinien.html[3] Peter Lehmann, der chemische Knebel, ISBN3-925931-00-7[4] Statistiken der Krankenkassen der BRD und www.ptk-nrw.de[5] www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Krankenhaeuser/Tabellen/KrankenhaeuserFA.html

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In der Debatte über Feminismus ist genug Tinte geflos-sen. Jetzt ist sie nahezu abgeschlossen: reden wir nichtmehr darüber. Es wird aber doch weiter darüber gere-det, und es sieht nicht so aus, als hätte die in den letz-ten hundert Jahren produzierte Flut von Sottisen[Dummheiten, Anm. d. Red.] das Problem geklärt.Gibt es überhaupt ein Problem?Und worin besteht es?1

―Simone de Beauvoir

Tatsächlich gibt es ein Problem und einen Ausschnittdessen greift der Sticker an.Das Geschlechterklischee über die Weiblichkeit ist,dass sich diese unter anderem in Form von Schwäche,Emotionalität und Irrationalismus ausdrücke. Dagegenseien Männer genau das Gegenteil: rational, stark und

mutig. Zudem wird Naturbeherrschung als Fortschrittund Verwirklichung des Menschen, Gestalten, alsmännliches Feld angesehen, während die Frau stets„das Ursprüngliche“ verkörpert: „Mutter Natur“. Dasführt zu einer Abwertung der Reproduktionsarbeit.

★★★

Exkurs zu Intersektionalismus:Wir sind der Meinung, dass es Frauen als einheit-liche und natürliche Kategorie mit einer einheitli-chen Erfahrungswelt und vor allem mit einereinheitlichen Form der Sexistischen Unter-drückung nicht gibt. Die Behauptung einer Exis-tenz von 'der Frau' ist lediglich "einUmkehr-Diskurs, der unkritisch die Strategie desUnterdrückers nachahmt, statt eine andere Be-grifflichkeit bereitzustellen." Dabei gibt es eineReihe weiterer Unterdrückungsmechanismen, wiedie Rassen-, Klassen- und heterosexistische Un-terdrückung, um nur einige zu nennen.

Diese Aufzählung lässt aber die falsche Annahmeentstehen, dass diese Unterdrückungsmechanis-men nebeneinanderstehen, ohne sich zu über-schneiden. Das ist allerdings genauso falsch, wiedie Annahme, dass sich diese verschiedenen For-men entlang einer vertikalen Achse anordnen las-sen, "weil sich die verschiedenen Formen derUnterdrückung nicht kurzerhand hierarchisch an-ordnen, kausal verknüpfen oder auf verschiedeneEbenen des >>Ursprünglichen<< und des >>Abge-leiteten<< aufteilen lassen." Vielmehr besteht zwi-schen den verschiedenen Formen der MachtWechselbeziehungen, Arten der Aneignung undAusnutzung, sowie ein gegenseitiges Stützen undverstärken. So können Kapitalisten im Bereich desGesundheitswesens Frauen* (also Personen, dieals solche von der Gesellschaft wahrgenommenund markiert werden) wesentlich weniger Lohnbezahlen, da zum Beispiel die Pflege als weiblicheAufgabe, bloß als Reproduktion angesehen wird.2

Down with kitchen slavery!Endlich haben wir neue Sticker, denn unsere alten haben sich dem Ende zugeneigt. Wir

haben uns entschieden, einen feministischen Sticker zu machen.

Von: Kollektiv.26 – Autonome Gruppe Ulm

[1] Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht; Einleitung[2] Vgl. Judith Butler: Das Unbehagen der Geschlechter; Die Subjekte von Geschlecht/Geschlechtsidentität/Begehren

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Exkurs überNatürlichkeit:Trotzdem reden wir von Sexismus als einer Un-terdrückungsform, welche als weiblich identifi-zierten Individuen eine schlechtere Position in derGesellschaft zuschreibt. Diese verschiedenen Indi-viduen bezeichnen wir als Frauen* (mit diesemschönen Sternchen), um auf zweierlei aufmerk-sam zu machen: Es gibt nicht "die Frau", sonderneine Reihe verschiedener Merkmale, die einerPerson zugeschrieben werden, welche zu ver-schiedenen Diskriminierungen führen und eineunterschiedliche Wahrnehmungswelt dieser Per-sonen prägen.

Außerdem wird behauptet, es gebe ganz natürlichzweierlei Geschlechter, Mann und Frau, die durchein Begehren verbunden sind, welches das Hete-rosexuelle ist. Diese Argumentation klammert je-doch Homo-, Bi-, Trans-, Inter-, Asexualität,sowie Personen, die sich nicht fest einem Ge-schlecht zuordnen wollen oder können, ihr Ge-schlecht wechseln oder sich zwischen oderaußerhalb von den Kategorien männlich undweiblich sehen aus oder stempelt diese Erschei-nungen als krankhafte Abweichung ab. Abwei-chungen von der Norm sind es allemal, jedochkeine krankhaften. Da sie die Norm, den Phallo-gozentrismus [Formulierung gesellschaftlicherNormen und Begriffe aus männlicher Perspektive,Anm. d. Red.] erschüttern werden sie diskrimi-niert, ausgeschlossen und zum Teil verfolgt. Undnur daraus entsteht der Leidensdruck, sowie einehöhere Suizidrate, nicht daraus, dass diese Er-

scheinungen eine "Entartung" seien. Das zeigt je-doch, dass der Rahmen des "Natürlichen" dehnbarund erschütterbar ist und sich schließlich die Be-hauptung es gäbe (nur) Mann und Frau als natür-liches Geschlecht nicht mehr halten lässt.

Darauf wollen wir hinaus, dass es eben nicht die-se natürliche Frau gibt; „[m]an ist nicht als Fraugeboren, man wird es.“3 Man wird dazu gemacht,durch Erziehung und Kultur, es wird einem einGeschlecht zugeschrieben und durch die Sprachevermittelt gibt es bloß eine gesellschaftliche Er-fahrung von diesen zwei Geschlechtern. DerZweite Zusammenhang, auf welchen wir mit demStern verweisen ist also, dass wir all jene meinen,die als Frauen gelesen werden und/oder sich alssolche wahrnehmen.

★★★

Im Kapitalismus ist entsprechend der Zweiteilung derGeschlechter die Arbeit Zweigeteilt: In produktiv undreproduktiv, in öffentlich und privat. Die produktivenBereiche, in denen das "rationale und starke Wesen"vonnöten ist, um die Technik zu verstehen und zu or-ganisieren, grenzt sich vom reproduktiven Bereich ab.Die Arbeitskraft, unsere Fähigkeit zur Lohnarbeit istnicht einfach gegeben. Da sie tagtäglich verausgabtwird, bedarf sie der beständigen (Re-)Produktion. Fürdiese sind – für die Kindererziehung und die Pflegeder Alten – die als weiblich bezeichneten AttributeEmpathie und Emotionalität erforderlich. Für die Re-produktion der Arbeitskraft bleibt die unbezahlteHausarbeit von Frauen* unentbehrlich: Essen kochen,Wäsche waschen und Sex. Die Frau* hat für den

[3] Simone de Beauvoir: Das andere Geschlecht

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Mann* da zu sein, hat einen Raum zu schaffen, in demempfunden und ausgelebt werden kann, was dem ent-sinnlichten Gesellschaftswesen in der Öffentlichkeitverwehrt bleibt: Gefühle und liebevolle Zuwendung inder bürgerlichen Kleinfamilie. Sie hat dafür zu sorgen,dass der Mann am nächsten Tag und in der nächstenWoche wieder gut erholt arbeiten gehen kann. DieseForm der Arbeit ist allerdings nicht bezahlt, (weil sieaußerhalb der unmittelbaren Produktionssphäre liegtbeziehungsweise lag). Sie entspricht also nicht derLohnarbeit, welche sich schließlich durch – so dieAuffassung – ihren produktiven Charakter und dieProduktion von Mehrwert auszeichnet, während dieweibliche* Arbeit nur indirekt zur Schaffung desMehrwerts beiträgt.

Steigt nun die Frau* in das Berufsleben ein, ergebensich mehrere Probleme:

Sie sei bloß Dazuverdienerin*, möchte das Ein-kommen aufstocken und bekommt in der Folgeweniger Lohn.Sie sei schwächer und weniger rational. Deswe-gen gibt es weniger Lohn. Zudem stehen ihr nichtdieselben Bereiche zu, wie den Männern*. Dazuzählen die Naturwissenschaften und Ingenieurbe-rufe, wie generell Führungspositionen – auch inder Politik. Das wird auch dadurch begünstigt,dass diese Aufgaben oft nicht dem Selbstbild ent-sprechen, welches von der Gesellschaft übernom-menen oder aufgeprägtenGeschlechtermerkmalen abhängt.Die Hausarbeit wird trotz Berufstätigkeit meis-tens weiterhin von der Frau* erledigt, wodurchsich eine Doppelbelastung ergibt. Teilweise wirddas Übernehmen der Häuslichen Arbeit durchFrauen* verschleiert, indem behauptet wird sie*mache es gerne oder nebenbei, wobei Arbeitendes Mannes* betont werden.4Zusätzlich zu den Arbeiten, die von weiblichen*Personen verrichtet werden, wird von diesen inder Regel noch abverlangt, dass sie am Arbeits-platz die emotionale Arbeit übernehmen, immergute Laune haben, sich in alle hineinversetzenkönnen und auch hin und wieder einen Streitschlichten. Diese emotionale Belastung ist eineForm von Arbeit, die nicht als solche anerkanntund entlohnt wird.5Frauen*, die in den Arbeitsmarkt einsteigen, wer-den als Konkurrentinnen* angesehen, wodurchSexismus verschärft zunimmt. Auch infolge ihrer

geringeren Löhne und dem höheren Angebot anArbeitskräften, sinken in manchen Bereichen dieEntgelte. Die Reaktion darauf ist reaktionär: Se-xismus.Es erschließen sich neue Bereiche, in denen dieursprüngliche Akkumulation nun beginnt. Da-durch, dass eine große Zahl an Frauen* nun nichtmehr selbst die komplette Pflege und Betreuungübernehmen können (weil sie berufstätig sind)werden diese zu Ware, mit welcher man Geldverdienen kann. Diese neuen Bereiche erfordernauch Arbeitsplätze. Doch da diese Arbeiten wei-terhin als weiblich und reproduktiv wahrgenom-men werden, sind es vor allem weibliche*Beschäftigte, die dort tätig sind und sehr schlech-te Arbeitsbedingungen hinnehmen müssen. Daeine "echte Frau" auch nicht "meckert" und in der"Hingebung zur Umsorgen von Kindern, Altenund Kranken aufgeht", wird durch gesellschaftli-chen Druck und (erzwungene) Anpassung an dieRollenbilder ein politischer oder gewerkschaftli-cher Kampf unterbunden oder zumindest er-schwert.

Frauen* müssen sich also nicht nur mit der schlechtenBezahlung beschäftigen, wie sie auch in männlich ge-prägten Berufsbildern in Erscheinung treten kann,sondern auch mit den sexistischen Mechanismen, diezu den Ursachen gehören, wie die oben beschriebeneAbwertung von Reproduktionsarbeit. Während Män-ner* also ihren Arbeitskampf schon führen können, istihnen die Bürde auferlegt, sich mit weiteren Diskrimi-nierungsformen auseinanderzusetzen.

Die Arbeit die unentlohnt verrichtet wird, bezeichnenwir in unserem Sticker – wenn vielleicht nicht unbe-dingt analytisch richtig, so doch treffend überspitzt –als „kitchen slavery“, als Sklaverei. Diese ist durch denStaat institutionalisiert. In diesem Zusammenhang istdie Ehe als Gewaltverhältnis zu sehen: Materielle Si-cherheit gegen Liebe und Sex und ewiger Kampf umSelbstbestimmung über die Familienplanung. DieMehrwertbildung wird außerdem ermöglicht durchindividuelle Ausbeutung der individuellen Frau*durch den individuellen Mann.

Wir wollen diese Tätigkeiten sichtbar machen und aufdie ungleiche Bezahlung6 hinweisen, welche nichthinnehmbar ist. Doch wollen wir nicht bloß einen Teiloder eine Folge der Geschlechterzuschreibung be-

[4] http://kollektiv26.blogsport.de/2018/03/14/unterschiedliche-sauberkeitsstandards/[5] https://www.zeit.de/arbeit/2017-12/sexismus-emotional-labour-freundlichkeit-frauen[6] https://faktenfinder.tagesschau.de/inland/genderpaygap-103.html

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kämpfen und beseitigen, sondern Geschlecht und Ge-schlechtsidentität ausdifferenzieren und die Ausdiffe-renzierung bis zur Auflösung weitertreiben. Für unsist Geschlecht nicht natürlich und natürlich nicht bi-när. Sexismus ist nicht natürlich und auch nicht un-überwindbar. Down with kitchen slavery! Allerdingsist dies im Kapitalismus nicht ohne weiteres möglich,da dieser zur Reproduktion der Geschlechter beiträgt.Die Keimzelle der bürgerlichenGesellschaft ist die bürgerlicheKleinfamilie, in welcher dasKind herangezogen und erzo-gen, und die Arbeitskraft (desMannes*) reproduziert wird.

Deswegen sind wir der Mei-nung, dass sich der feministi-sche Kampf auch mit anderenKämpfen vereinen muss, da esnicht den reinen Sexismus gibt,wie wir unten versuchen wer-den darzulegen. So schaffte esder Kapitalismus beispielsweisebisher, sich Umsetzungen ein-zelner feministischer Forderun-gen einzuverleiben und nutzbarzu machen. Dazu gehört auchdie Möglichkeit, an der Lohn-arbeit teilzunehmen, welche dieLage der Frauen* nicht nurverbesserte. Auf der einen Seitegibt es nun eine Doppelbelas-tung, auf der anderen Seite hatsie* aber auch die Möglichkeitfinanziell unabhängig zu seinund ihr* eigenes Geld zu verwalten. Zudem ermög-licht nur eine Betrachtung verschiedenster Unter-drückungsformen, dass sich dieses Geflecht entwirrenund beseitigen lässt. Eine Hierarchisierung würde da-bei die Erfahrungen der Betroffenen unberücksichtigtlassen, auf unterschiedliche Art undWeise an den ver-schiedenen Formen leiden.

Zuletzt möchten wir auf die „linke Szene“ zu sprechenkommen. In links-alternativen Räumen findet Sexis-mus statt und wird dabei unsichtbar gemacht. In Be-zug auf den Sticker wird hier das Kochen für die KüFa(Küche für alle), das Korrigieren von Texten undSchlichten von Streitereien nicht als „wertvolle politi-sche Arbeit“ betrachtet und bleibt oftmals wie selbst-verständlich an Frauen* hängen. Darüber hinaus sind

sie durch gesellschaftliche Machtverhältnisse gezwun-gen, sich theoretisch und praktisch mit Sexismus aus-einanderzusetzen, während dies für Männer optionalist und sie sich in der selben Zeit der „ernsten Theorie“hingeben oder gar ohne das zu tun der „wirklichenPraxis“ zuwenden können. Auch müssen sich weibli-che* Personen erst einmal Gehör verschaffen, ihre Fä-higkeiten unter Beweis stellen und eine Beschäftigung

mit dem Thema Sexismus unddie Reflexion der Verhaltens-weisen in ihrer Gruppe er-zwingen. Dabei sind sie dannhäufig die überempfindlichen,nervigen Feministinnen, wäh-rend männliche Feministenhäufig ein Schulterklopfenvon allen Seiten erhalten. Dasmag vielleicht auch daran lie-gen, dass die erstgenanntendie Machtverhältnisse (derGruppe) angreifen und ver-schieben, während das bei denzweitgenannten nicht immerder Fall ist.

Darüber hinaus müssen sichFrauen* auch mit Übergriffenin linken Räumen beschäfti-gen, da sie diese erleben odereher mitbekommen. Sie sinddann gezwungen, sich einenrichtigen Umgang und die De-finitionsmacht zu erkämpfen,da ihnen diese häufig abge-sprochen wird. Zudem müssen

sie befürchten Repression aus der Gruppe zu erfahren,wenn Täter gedeckt werden, eine Offenlegung verhin-dert oder die Vorfälle relativiert werden.7

Um all diese Nachteile zu beseitigen ist es unabding-bar, dass sich Männer (all jene, die als solche gelesenwerden und sozialisiert wurden) mit FeministischerTheorie auseinandersetzen und ihr Verhalten reflek-tieren. Sie müssen mehr Sensibilität gegenüber sexisti-schen Praktiken erlernen und sich offen gegen diesestellen. Vor allem ist es wichtig, dass sie den Frauen*den Rücken stärken, die sich gegen Sexismus stellen.Wie in der Einleitung behauptet, gibt es also ein Pro-blem; lasst uns dagegen angehen!8

[7] Zum Thema Definitionsmacht undUmgangmitÜbergriffen: „Antisexismus_reloaded“vom Unrast Verlag[8] Vertiefend dazu möchten wir den Text „Sexismus und ‚linke Szene‘“ vom Autonomen Frauenreferat Uni Köln empfehlen:http://frauenreferatkoeln.blogsport.de/images/sexismusundlinkeszene.pdf

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[Teil 2 von 2, Teil 1 in Gai Dao No 95 11/2018]

Der Konsensfetisch des politischen AnarchismusDieser Artikel ist eine Neuauflage des bereits 2017 in der Gai Dao erschienen zwei-teiligenArtikels "Der blinde Flecken des Anarchismus". Hier habe ich seinen zweiten Teil aus in-haltlichen und stilistischen Gründen überarbeitet. Des Weiteren habe ich hier das Konzeptder "Anti-Macht" eingeführt.

Von: Martin von Loeffelholz

Die Fixierung auf den Konsens als Organisationsprin-zip einer herrschaftsfreien Gesellschaft ist zu einemFetisch verkommen. In weiten Teilen lässt sich eineRealitätsverweigerung konstatieren. Zwar erübrigtsich die Konsensfrage im Emanzipationsprozess ohne-hin, beispielsweise in der Widerstandspraxis. Doch wiesieht es mit Zwang in der emanzipierten Gesellschaftselbst aus?

Zum Umgang mit „Kriminalität“Der Anarchismus behauptet, dass die gesellschaftlichePrägung durch die inhumanen Verhältnisse der realexistierenden Gesellschaft die wesentliche Ursachevon Verbrechen sei. Und dass „nur ein geringerer Teilder ‚Kriminellen‘ sich aus psychischen oder somati-schen Gründen abnorm verhält. Sein Ideal besagt, daß‚in der Anarchie‘ Kriminalität faktisch ausstirbt, unddaß Menschen, die sich trotzdem gegen die Gesell-schaft vergehen, Hilfe statt Strafe zuteil wird“1. DiesesParadigma findet sich bei nahezu jede*r Anarchist*in.Sehr gerne wird diese Position unterstrichen mit derKritik an Psychiatrien, der Zwangsmedikamentierungusw. Es wird aber (zumindest noch für sehr langeZeit) ein Restmaß an Gewalt und antisozialem Verhal-ten geben. An der Stelle der Strafe sollen Wiedergut-machung, einvernehmendes Zureden,Ursachenergründung usw. treten. Was ist aber mit be-sonders renitenten oder aggressiven Menschen, dieimmer wieder andere Menschen angreifen und einedauerhafte Gefahr darstellen? Was ist beispielsweisemit Menschen, die an pädophilen Tendenzen erkranktsind? Die Antworten darauf lauten dann häufig so:„Auch wir können die herrschaftsfreie Gesellschaftnicht in all ihren Details ersinnen“, aber „Gemein-schaften werden Wege finden, um mit solchen Proble-men umzugehen“2. Diese idealistischeAusweichargumentation weigert sich einer konkretenAntwort. Anarchist*innen schlagen als langfristige Lö-

sung den „Ausschluss aus der Gemeinschaft“3 vor, wasverkennt, dass eine Gesellschaft kein Schiff ist, das imMeer herumtreibt. Bei unmittelbarer Gefahr muss dieLösung aber Psychiatrie oder Freiheitsentzug bedeu-ten, wobei das klassische Verständnis von Rache undStrafe abzulehnen und der Fokus auf Freiraum, Würdeund Rehabilitation zu setzen ist. Wäre dieseMachtausübung denn nicht auch als ein legitimer Wi-derstand gegen eine Macht zu verstehen?

Anti-MachtEin Gedankenspiel sei angeführt. In der Wirtschafts-wissenschaft wird der Terminus „Gegen-Macht“ zurBeschreibung von Marktakteuren angewandt: Ge-werkschaften etwa könnten Kapitalfraktionen durchgezielten Druckaufbau Lohnzugeständnisse abringen.Nun versteht die Soziologie Macht oft im Sinne einer„power to x“, also als Fähigkeit. Die Konzeption vonGegen-Macht im Sinne einer „power to x“ ergäbe aberkeinen Sinn: ein Lehrer beispielsweise, der qua seinerMacht über eine Fremdsprache diese einem Schülerlehrt, baut dabei zugleich seinen Wissensvorsprung ab.Jedes Moment von Macht wäre dann zugleich Gegen-Macht: der Begriff würde also universal und überflüs-sig.

Das Konzept der Gegen-Macht basiert also auf demVerständnis von Macht als „power over x“. Davon aus-gehend wird der ökonomische Terminus Gegen-Machterst schlüssig. Das könnte auch auf soziale Praktikenim Allgemeinen ausgeweitet werden, wie etwa Not-wehr. Daraus folgend, kann Gegen-Macht auch alsAnti-Macht verstanden, ja sie kann synonym gesetztwerden: denn eine Notwehr weitet Macht nicht aus,sondern ersetzt sie, indem sie sie auf anderer Seite re-duziert. (Damit geht der Begriff über das Konzept desPhilosophen John Holloways hinaus4).

[1]Horst Stowasser: Freiheit pur. Die Idee der Anarchie, Geschichte und Zukunft. Frankfurt am Main 1995, S. 195.[2] Ebd., S. 210.[3] Exemplarisch: o.A.: Anarchie, 30.10.2011, URL. http://aos.blogsport.de/2011/10/30/anarchie/ (3.11.2018).[4] Auch John Holloway sprach von „Anti-Macht“, definiert sie aber mit einer gänzlich anderen Bedeutung: für ihn nimmt deraußerparlamentarische, emanzipatorische Kampf die Form einer asymmetrischen „Anti-Macht“ ein, die dem Parlamentarismus, dersymmetrischen Macht, gegenüberstünde.

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17Gai DàoN°96 - Dezember 2018

Das Gedankenspiel weiterführend, können, um einBeispiel zu nennen, gefährliche Gewalttäter notfallsauch eingesperrt werden, bei gleichzeitiger Bewah-rung des Resozialisationsgedankens und würdigerHaftbedingungen. Der Herrschaft des Angreifendenwird eine Anti-Herrschaft, oder allgemein Anti-Macht, entgegengesetzt. Eine Gefangenschaft einer ge-fährlichen Person ist folglich kein Widerspruch zu an-archistischer Theorie und Praxis. Dieser Denkweisestimmten auch die Anarchist*innen zu, die im Spani-schen Bürgerkrieg richtigerweise die Gefängnisse be-wachten5. Während dieser Gedanke unter vielenAnarchist*innen Abwehr hervorrufen wird, merkensie nicht, welchem Trugschluss sie unterliegen: jedergeworfene Stein basiert auf dem Konzept der Anti-Macht.

Da aber Anti-Macht auch immer Macht zugleich ist,enthüllt der Begriff soziale Prozesse nicht nur, sondernverschleiert sie zugleich. Sei es Militanz, Tyrannen-mord oder Parteiengagement: Anti-Macht ist undbleibt immer noch Macht. Für politische Debatten istder Begriff daher kaum erkenntnisfördernd. Um dieBorniertheit des libertären Konsensdogmas aufzude-cken, soll der Begriff deshalb für diesen Text nur aus-nahmsweise als theoretisches Modell dienen.

Subjektlose ZwängeFoucault meinte einst: „Man muß aufhören, die Wir-kungen der Macht immer negativ zu beschreiben, alsob sie nur ‚ausschließen‘, ‚unterdrücken‘, ‚verdrängen‘,‚zensieren‘, ‚abstrahieren‘, ‚maskieren‘, ‚verschleiern‘würde. In Wirklichkeit ist die Macht produktiv“6. Da-mit öffnete er einen wichtigen Verständniszugang. Amklarsten zeigt sich das im Neoliberalismus, in der dieproduktive „Freiheit“ des „Individuums“ zum Motorkapitalförmiger Herrschaft geworden ist. Erst so kannMacht als „subjektlos“ begriffen werden. Herrschaftund Macht können sich somit „strukturell“ äußern.Daran angelehnt kann Herrschaft auch in Form einessubjektlosen Sachzwangs auftreten: die Entschei-dungsgewalt über ein Kleinkind ist zwar herrschafts-förmig, aber zugleich eine Maßnahme gegen dieSachzwänge einer eingeschränkten Entscheidungsver-nunft, die durch die biologischen Grenzen des neuro-logischen Entwicklungsprozesses hervorgerufen wird.Die maßvolle Entscheidungsgewalt von Eltern überihre Kinder ist eine Anti-Macht. (Freilich haben den-noch auch hier als Prinzip Vorrang: Eigenverantwor-tung statt Autorität oder das Grenzen-austesten-lassenstatt pädagogischer Bevormundung.) Zuletzt wären

vielleicht noch Sonderfälle wie geminderte Unzurech-nungsfähigkeit aufgrund von affektiven Überreaktio-nen, Drogeneinfluss, oder Altersbedingheit zu nennen.All das verlangt machtförmige Interventionen – siestellen aber keinen Widerspruch zum Anarchismusdar, sondern sind auch hier Ausdruck von Anti-Macht.Ein*e Anarchist*in, der sich all diesen Tatsachen nichtstellen möchte, ist gezwungen, in einer verkürztenGedankenwelt befangen zu bleiben.

Zum Umgang mit Abstimmungs-PattsWie ist mit Abstimmungspatts umzugehen, mit Ab-stimmungsversuchen, in denen kein Konsens möglichist? Wenn sich die Beteiligten trotz unzähliger zäherVersuche nicht einigen wollen? Zum Beispiel wenn esin postrevolutionären Zeiten um Fragen der bewaffne-ten Verteidigung geht, dem Bilden von Volksmilizenusw., spielen auch emotionale Faktoren eine großeRolle, die eine Entscheidungsfindung ggf. verunmögli-chen. „Sollen wir den Angriffen der islamistischenMilizen bis zum bitteren Ende trotzen? Oder ergeben

[5] Siehe etwa Martin Baxmeyer: Der Anarchist Melchor Rodríguez García, in: Graswurzelrevolution. Monatszeitung für eine gewaltfreie,herrschaftslose Gesellschaft 345 (2010).[6] Michel Foucault, Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt a. M. 1977, S. 250.

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wir uns?“ Das wäre ein möglicher Streitpunkt. Wierealistisch dieses Szenario ist, zeigt das Beispiel Kôba-ne in Rojava. Doch auch banale Alltagsangelegenhei-ten können selbstverständlich zum Problem werden.Was wäre in so einem Fall zu tun?

Sehen wir uns als Beispiel an, welche Antworten unsHorst Stowasser gibt. Er ist Autor eines akribisch re-cherchierten, 396-seitigen Werkes über die Geschichteund Theorie des Anarchismus. Stowasser formuliertedrei mögliche Antworten auf das Konsensproblem. Dieerste: „das Problem bleibt ungelöst“7. Diese Antwort isteine Scheinantwort, denn wenn das Problem ungelöstbliebe, dann wäre das ja auch eine gemeinsam getrof-fene Entscheidung, ohne dass eine Mehrheit ihrenWil-len mit Macht durchsetzen würde. Mit anderenWorten ein Konsens! Auch die zweite Antwort ist nureine Scheinantwort „die Gruppe teilt sich“8. Oftmals istes in der Praxis gar nicht möglich eine Gruppe, diesich zu einem spezifischen Zweck gebildet hat, zu tei-len, ohne dass sich ihre Interessen überschneiden (eineGesellschaft ist kein Schiff!). Und wenn es hinsichtlichder thematischen Interessen der Gruppe möglich seinsollte, dann ist dies doch wieder nichts anderes, als ei-ne gemeinsam aus freien Stücken getroffene Entschei-dung, der nur eine längere Diskussion vorausging. Mitanderen Worten: ein Konsens! Ebenso widersprüchlichverhält es sich mit Stowassers drittem Vorschlag: „eswird am Ende doch abgestimmt“9. Er folgert daraus le-diglich die nichts-aussagende These: „Keines der dreiErgebnisse wäre eine Katastrophe“10. Das Konsenspro-blem stellt für Anarchist*innen eine theoretischeLücke dar, wie anhand von Stowasser exemplarischgezeigt wurde. Es gibt keinen dritten Weg zwischenKonsens und Zwang.

Wenn eine Meinung bis auf das Äußerste verneintwird, wird es Widerstand geben, als klassisches Bei-spiel seien Sabotageaktionen an einer geplanten Bau-stelle genannt. Übrigens kein prinzipiell illegitimesUnterfangen, verstehen sich Anarchist*innen doch si-cher nicht als Rechtspositivist*innen. Stowasser undgroße Teile der Anarchist*innen verwechseln hierWunsch und Notwendigkeit. Es ist absurd zu glauben,dass eine mehrere Milliarden Individuen umfassendeMenschheit in einhundert Prozent der Fälle konsensual

entscheiden würde. Die Existenz von Zwang ist nichterwünscht, sondern eine logische Notwendigkeit. Inso-fern wird das Konsensdogma der Anarchist*innenzum Konsensfetisch: denn der Konsens wird als Prin-zip idealisiert und damit die Möglichkeit einer Univer-salexistenz imaginiert, für Situationen, in denen er garnicht realisiert werden kann.

Doch auch ethisch-normativ, sollte der Einsatz vonZwang stellenweise geboten sein. Sollte beispielsweisedie Weltgesellschaft sich ernsthaft dem Veto einer ver-schwörungstheoretischen Minderheit unterwerfen,wenn diese überlebensnotwendige Maßnahmen gegenden Klimawandel ablehnt? Das ist absurd! Das Kon-sensdogma offenbart sich als nichts anderes als dieDiktatur der Minderheit. Mit diesem Prinzip zu bre-chen, das ist praktische Anti-Macht.

Abschluss: eine terminologische AnmerkungWer das Konzept Anti-Macht trotzdem nicht verste-hen will, kann sich an der Soziologie orientieren. EineVielzahl von Soziologen vertritt die Auffassung, dassZwang nicht mit Herrschaft gleichzusetzen sei. Exem-plarisch soll das an MaxWeber erklärt werden.

Laut Max Weber sind Macht und Herrschaft für ihnzwei verschiedene Bedeutungen, wobei Macht der„allgemeine Begriff“11 und Herrschaft ein „Sonderfallvon Macht“12 sei. Macht bedeutet für ihn, „jede Chan-ce, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenenWillen auch gegen Widerstreben durchzusetzen,gleichviel, worauf diese Chance beruht“13. In der So-ziologie wird von Machtbasen gesprochen. Die emo-tionale Identifikation mit einem charismatischenFührer kann eine solche Machtbasis sein, ebenso wiedas Androhen von Sanktionen oder auch körperlicheGewalt. Weiter schreibt er: Der spezielle Fall vonHerrschaft „soll heißen die Chance, für einen Befehlbestimmten Inhalts bei einer angebbaren Gruppe vonMenschen Gehorsam zu finden“14. Das bedeutet zu-nächst ein Über- und Unterordnungsverhältnis, aufge-teilt in Herrschende und Beherrschte. Nach Weberexistiert aber erst dann ein „echtes Herrschaftsverhält-nis“, wenn „ein bestimmtes Minimum an Gehorchen-wollen, also: Interesse am Gehorchen“15 gegeben sei.Das Über- und Unterordnungsverhältnis muss also aus

[7] Stowasser, a.a.O., S. 128.[8] Ebd.[9] Ebd.[10] Ebd.[11] MaxWeber: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, Ausgabe v. 1980, S. 541.[12] Ebd.[13] MaxWeber: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen, Ausgabe v. 1972, S. 28.[14] Ebd.[15] A.a.O., S. 122

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anerkannt werden, aus traditionellen, theokratischenoder auch zweckrationalen Gründen. Demzufolge istdas bereitwillige Zahlen von Steuern ein Ausdruckvon Herrschaft, nicht aber die Waffe, die ein Räuberder Bankangestellten an den Kopf hält. Beides aber istAusdruck von Macht.

Der Zwang, also die Waffe des Bankräubers, wäre indem Fall zeitlich begrenzte Macht, punktuelle Macht,aber keine Herrschaft, die, wie Max Weber es fordert,„legitimiert, [.. .] dauerhaft anerkannt und institutiona-

lisiert ist“16. Der Unterschied zwischen Zwang undHerrschaft liegt also in der zeitlichen Dimension. AufGrundlage der Herrschaftsdefinition von Max Weberwären also in einer herrschaftsfreien Gesellschaftpunktuelle Zwänge keinWiderspruch.

★★★

Über Kommentare würde ich mich freuen und michgerne austauschen: [email protected].

[16] HildgardMogge-Grotjahn: Soziologie. Eine Einführung für soziale Berufe. Freiburg i. Br., 1996, S. 82.

[Teil 1 von 2, Teil 2 in Gai Dao No 97 01/2019]

Über die Gewalt hinaus!Georges Sorels Sehnsucht nach dem proletarischen Generalstreik als irrationaler Mythos

des revolutionären Anarcho-Syndikalismus.

Von: Jens Störfried

Anmerkung des Autors: Da meine früheren Artikelteilweise kontroverse Diskussionen auslösten, stelle ichdiesem hier eine Vorrede voran (die gerne übersprun-gen werden kann). Dann gebe ich einige Kerngedan-ken von Über die Gewalt und ihren Kontext wider undformuliere schließlich eine Kritik an ihnen. Damit willich verstehen, warum Sorel zu seinen Positionen ge-langte, inwiefern dies etwas über die anarcho-syndika-listische Bewegung seiner Zeit aussagt und was wirdavon lernen können. Einige Zitate des Buches habeich an das Ende gepackt, um einen knappen Leseein-druck zu geben.

Vorrede zur Erläuterung meiner Herangehens-weiseDie Vielfalt anarchistischer Strömungen ist ein Wertfür sich, da sie die kontinuierliche selbstkritische In-fragestellung, kontroverse Diskussion und somit auchinhaltlich-strategische Weiterentwicklung radikaleremanzipatorischer Handlungsformen ermöglicht. Mei-nes Erachtens bedeutet dies umgekehrt keineswegs,beliebig in den eigenen Positionen zu werden und al-les Mögliche gelten zu lassen. Vielmehr muss es Anar-chist*innen darum gehen, aus der praktischen undtheoretischen Kenntnis vieler Ansätze und Perspekti-ven, die besten Gedanken auszuwählen und sie unterden sich stets verändernden vorgefundenen historisch-

gesellschaftlichen Bedingungen und sozialen Kontex-ten zu einer bewegungsorientierten Anschauung zusynthetisieren.Eine problematische Herangehensweise vieler Perso-nen, die sich mit Theorien beschäftigen, besteht darin,dass sie auf scholastische Weise geschriebene Wortefür bare Münze nehmen. Der Text scheint ihnen fürsich zu sprechen und zu selten zeigen sie sich in derLage, ihn im größeren Zusammenhang zu sehen, sichauf andere Blickwinkel einzulassen und Aussagen alsDiskussionsbeitrag, als Anstoß, Anregung oder Vor-schlag zu verstehen. Ironischerweise bewerten sie Ge-schriebenes derart über, dass die Scholastiker*innenselbst die Vorurteile ausleben, welche sie oftmals ge-gen sogenannte „postmoderne“ Theorien anbringen:Dass der Text direkt Wirklichkeit erzeugen würde.Doch das tut er nicht. Er bildet lediglich einen winzi-gen Auszug von ihr in einer ganz bestimmten Inter-pretation ab. Ich möchte die Wirklichkeit, die ichvorfinde, verändern anstatt sie nur zu darzustellen, zukritisieren oder über sie zu jammern. Dies scheint oftunverstanden zu sein.

Entgegen ihren eigenen Ansprüchen spiegeln sichdemgemäß die weitverbreiteten Kommunikationsdefi-zite in linksradikalen und anarchistischen Kreisen wi-der. Das Scheitern von verbaler Verständigung zur

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Suche nach Gemeinsamkeiten in unseren anarcho-kommunistischen Kämpfen um eine lebenswerte Zu-kunft der wirklich Gleichen und Freien manifestiertsich somit im Text. Und dieser schließlich gibt ge-schichtliches Zeugnis von unserer eigenen Verstri-ckung in die gesellschaftlichen Bedingungen, welchewir bekämpfen. Jene führen zu vereinzelndem Indivi-dualismus, Bindungsängsten, Infantilismus, Konkur-renzverhalten, der Jagd nach dem individuellen Glück,hierarchischem und gewaltsamem Gebaren, falscherKompromisslosigkeit, Zynismus, Fatalismus etc. Dochnicht primär unser Verhalten ist das Problem, sondernunser Verhaftet-sein in den Herrschaftsverhältnissen,die es hervorbringen. Wir handeln unter vorgefunde-nen Bedingungen, doch wir können auch anders han-deln, um diese zu verändern. Ohne erfahrbaresolidarische Alternativen, die Sehnsucht nach ihnenund die Notwendigkeit für viele Menschen, sie umfas-send zu verwirklichen, würden wir nicht das tun, waswir tun. Weil es sie gibt, lohnen sich unsere Kämpfe.

In diesem Sinne wollte ich mit einigen Beiträgen – vorallem in der Gai Dao – Diskussionen und Nachdenkenbei jenen anregen, die daran Interesse haben und Lustfinden. Teilweise ist mir das gelungen. KontroversePersonen und Positionen können dabei insbesondereinspirierend wirken – vor allem, wenn sie selbstkri-

tisch betrachtet und dahingehend weitergedacht wer-den, was sie uns heute tatsächlich sagen können. Soschrieb ich beispielsweise über Max Stirner (#67), Ru-dolf Rocker (#84) und Pierre-Joseph Proudhon (#86) –meine Kritiker*innen erinnern sich... Zu unterscheidenist dieses Anliegen, von bloßer Wissensvermittlung,romantischer Schwärmerei oder dogmatischer Phra-sendrescherei, wie ich sie auch in unseren Kreisen lei-der häufig antreffe. Dem Autoren ( ja, wieder ein Typ),dem ich mich an dieser Stelle widmen möchte, stimmeich keineswegs in vielen Punkten zu, sondern sehe ihneher als Anlass, um mich an ihm abzuarbeiten: Geor-ges Sorel.

Anknüpfungspunkte für die Relevanz von Über dieGewaltGeorges Sorel (1847-1922) war ein französischer Be-amter, der ein unauffälliges Leben führte, bis er sichmit 45 Jahren zur Ruhe setzte, um sich einer schrift-stellerischen Karriere zu widmen. Er ist bekannt für

seine Verachtung des republi-kanischen, liberalen und de-mokratischenHerrschaftssystems, wie es inFrankreich nach der Niederla-ge gegen das neue deutscheKaiserreich und der Nieder-schlagung der Pariser Kom-mune ab 1871 etabliert wurde.Weil es zu dieser Zeit einestarke sozialistische Bewegunggab, deren antiautoritärer Flü-gel mit dem neu entwickeltenAnarcho-Syndikalismus sichäußerst kämpferisch gab, un-terstützt Sorel in seinen Schrif-ten oft anarchistische undsyndikalistische Positionenund wirkte für eine Weile inihnen als Inspirationsquelle.Wie Philippe Kellermann an-schaulich herausarbeitet, be-hauptet er dabei die Theorie

des Syndikalismus' mit jener von Marx zu verschmel-zen, wobei „die zentralen Positionen, die Sorel vertre-ten und als marxistisch ausgegeben hat, alsanarchistisch zu klassifizieren und keineswegs mit denPositionen von Marx und Engels kongruent, vielmehrdiesen (z.T. völlig) entgegengesetzt“1 sind. Die einzigeeindeutige Position, die er bezog, war allerdings jene

Georges Sorel

[1] Philippe Kellermann, Georges Sorel: (Anarcho-)Syndikalismus als wahrer Marxismus, in: Ders. (Hrsg.), Begegnungen feindlicherBrüder. Zum Verhältnis von Anarchismus und Marxismus in der Geschichte der sozialistischen Bewegung, Bd. 1, Münster 2011, S. 68-85,hier: S. 83.

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gegen das etablierte System. Aus diesem Grund suchteer nach 1908 auch Kontakte zu rechtsradikalen Kreisenund brachte sich in deren Diskussion ein. Aufgrundihrer nationalistischen Kriegspropaganda verließ er sie1914 wieder. Über einige Fan-Gruppen in Italien ge-wannen seine Gedanken dort Verbreitung und inspi-rierten Benito Mussolini, damals nochAnarcho-Syndikalist, welcher bekanntermaßen ab1919 den ursprünglichen Faschismus mitgründete.2,3

Sorels bekanntestes Werk mit dem Titel Über die Ge-walt erschien erstmals vor 110 Jahren, also 1908. Sorelist nicht so einzuordnen, dass er den Faschismus mit-begründet oder maßgeblich beeinflusst hätte. DieseDarstellung wurde eher durch die spätere Wiederauf-lage seiner Bücher durch die italienischen Faschist*in-nen genährt, während Sorel selbst bei einerWiederauflage von Über die Gewalt in Frankreich einNachwort „für Lenin“4 schrieb – wohlgemerkt in völli-ger Unkenntnis der Situation in Russland. Weiterhinschrieb der schweizerisch-deutsche faschistische Intel-lektuelle Armin Mohler später ein Buch über Sorel.5

Da die „Intellektuellen“ der Neuen Rechten6 bekann-termaßen auch andere „linke“ Theoretiker*innen fürsich vereinnahmen, wie beispielsweise die Hegemo-nietheorie des Marxisten Antonio Gramsci, halte ichdies nicht für ein ausschlaggebendes Kriterium, Sorelselbst faschistisches Denken zu stellen. Dennoch istäußerst kritisch zu prüfen, wo die Schnittstellen seinesDenkens mit dem des Faschismus liegen, um sichgrundsätzlich von diesem abzugrenzen und ihn an derWurzel zu bekämpfen...

Daran anknüpfend war eine weitere Motivation fürmich, Über die Gewalt zu lesen und zu besprechen, dieaktuelle Feststellung, dass der neue faschistische Präsi-dent Brasiliens Bolsonaro von einigen seiner militaris-tischen Anhänger*innen und Schlägertrupps miteinem Begriff bezeichnet wird, den wiederum sehrwahrscheinlich Sorel maßgeblich geprägt hat, bevor ervon den Faschisten aufgegriffen wurde: Die Verehrerdieses menschenverachtenden Möchtegern-Diktatorsnennen ihn wohl nur „Mythos“.7

Der politische und theoretische Kontext des Wer-kesTatsächlich zielt Sorel in Über die Gewalt darauf ab,einen Mythos in der Arbeiter*innenbewegung zu legi-timieren und zu stärken: Dabei handelt es sich nichtum ein ziemliches leckeres griechisches Bier, sondern

um den Mythos des Generalstreiks. Nach SorelsWahrnehmung stellt sich die politische Situation sei-ner Zeit so dar, dass das republikanische/liberale/de-mokratische Bürgertum inzwischen viel zu lasch undmoralisch völlig verkommen ist, während die Konser-vativen nach wie vor desorganisiert, delegitimiert unduntereinander zerstritten sind. Den starken parlamen-

[2] Vgl. George Lichtheim, Nachwort, in: George Sorel, Über die Gewalt, Frankfurt a.M. 1969, S. 355- 393.[3] Derartige Schnittpunkte bei Querfrontstrategen, die immer stärker von Rechtsradikalen ausgingen, gab es jedoch auch bei derStrömung der sogenannten „Nationalbolschewisten“ am Rand der KPD. Heute steht insbesondere das verschwörungstheoretische Magazin„Compact“von Jürgen Elsässer für die rechte Querfront.[4] George Sorel, Für Lenin, in: George Sorel, Über die Gewalt, Frankfurt a.M. 1969, S. 342-354.[5] Armin Mohler, Georges Sorel. Erzvater der Konservativen Revolution. Eine Einführung, Bad Vilbel 2000.[6] Siehe auch ein Artikel über Sorel in der Zeitschrift der (faschistischen) Neuen Rechten:https://sezession.de/59579/georges-sorel-sozialer-mythos-und-gewalt[7] Siehe u.a.: https://www.taz.de/!5546223/;http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/brasilien-bolsonaro-bekommt-unterstuetzung-der-sportstars-15860777.html.

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November‐RRüücckkbblliicckk22001188

News aus aller WeltBerlin: Syndikat bleibt! Ein UpdateBerlin: Liebig34 – dem anarchafeministischen Hausprojekt droht das EndeSachsen: Interview zu den neuen PolizeigesetzenFemStreik 2019: erste Eindrücke zum geplanten FrauenstreikWo herrscht Anarchie

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tarischen Sozialist*innen wiederum gelingt es, die re-publikanische Regierung dazu zu drängen, soziale Re-formen zu machen und ihnen mehr politische Machtund Einfluss zuzugestehen. Denn sie können dem bür-gerlichen und konservativen Lager mit der Entfesse-lung unkontrollierter militanter Streiks drohen, welchees in dieser Zeit einer schlagkräftigen anarcho-syndi-kalistischen Bewegung sehr häufig gibt. Für ihren Teilam politischen Kuchen bieten die parlamentarischenSozialisten unter der Führung von Jean Jaurés den an-deren Politiker*innen an, die selbstorganisierte Arbei-ter*innenbewegungen mit ihren revolutionärenGewerkschaftsorganisationen einzuhegen, zu kontrol-lieren und demokratischer Disziplin zu unterwerfen.8

Sorel bezieht klare Position gegen die parlamentari-schen Sozialist*innen, welche die Arbeiter*innenbewe-gung verraten und für ihren eigenen Profit undEinfluss instrumentalisieren. Statt verwässerter Sozial-politik und der einen oder anderen – von utopischenEntwürfen inspirierten – sozialen Reform will er denunbedingten Klassenkampf.9 Marx hatte 1848 im Kom-munistischen Manifest davon geschrieben, dass sichdie Klassenwidersprüche aufgrund der ökonomischenEntwicklung der Produktivkräfte immer weiter zuspit-zen werden, weswegen es zwangsläufig zur sozialisti-schen Revolution kommen müsste. Diese stellte er sichallerdings – so Sorel – aufgrund unzureichenden Ma-

terials für seine Studien, vor allem als eine politischeRevolution im Sinne einer 'Diktatur des Proletariats'vor.10 (Eine Idee, die wiederum von bürgerlichen,Staats-zentrierten Revolutionären wie Auguste Blan-qui entwickelt wurde.) 60 Jahre später hatte sich dieseprophetische Vorhersage, die ihrerseits im Zuge einerrevolutionären Situation in ganz Europa gemachtworden war, zweifellos nicht erfüllt. Stattdessen kames zu nationalen Kriegen, sozialpolitischer Vermittlungund einer immer weiteren Ausdehnung und Rationali-sierung des bürgerlichen Staates. Zudem gab es aucheine relative Anhebung des Lebensstandards von Ar-beiter*innen, nicht zuletzt, weil mit dem imperialisti-schen System verstärkt Kolonien ausgebeutetwurden11 und durch bessere Maschinen der Kaufpreisvon Produkten sank. Die politische Umgangsweise mitder Arbeiter*innenbewegung durch die Regierungenschwankte dabei stark zwischen massiver Repression,Tolerierung und Versuchen der Integration.

Unabhängig davon, dass Marx seine einfache, politischmotivierte, Theorie der Zuspitzung später in anderenSchriften relativiert hatte, kommt Sorel mit dieser Si-tuation der Verwässerung und Vermittlung nicht zu-recht. Obwohl er um die gesellschaftlichen undpolitischen Entwicklungen weiß, die diese Situationbedingen, will er sich damit nicht abfinden, sondernsehnt sich danach, dass das Proletariat sich gewaltsam

[8]George Sorel, Über die Gewalt, Frankfurt a.M. 1969, S. 82-96, S. 151-154. Soweit nicht anders angegeben, beziehen sich Quellenangabenim Folgenden aufdieses Werk.[9] S. 60-81.[10] S. 198-202.[11] Dass Sorel diesen Zusammenhang aufdem Schirm hat, zeigt sich aufS. 121f.

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erhebt. Erst wenn die Fronten eindeutig geklärt sind,können die Klassen aufeinandertreffen. Um dies mög-lich zu machen, braucht es für Sorel den Mythos desGeneralstreiks, die Vorstellung einer letzten großen

Schlacht.12 In dieser darf es seiner Ansicht nach nichtum materielle Gewinne, nicht um die Bedürfnisse derKämpfenden und nicht einmal um ihren Ruhm ge-hen.13 Wichtig ist ihm einzig und allein der Kampf,welcher zur Etablierung einer sozialistischen Gesell-schaft führen würde, ganz ohne, dass man sich utopi-sche Vorstellung von dieser ausmalen müsste.14,15

Mit den parlamentarischen Sozialist*innen, den „Poli-tikern“, hält er dabei keinerlei Zusammenarbeit fürmöglich. Sie wären vollends in der verlogenen bürger-lichen Politik aufgegangen und ihre Pläne davon, bei-

spielsweise das Proletariat zu„erziehen“, seien demnach auchnichts als bürgerliche Vorstel-lungen und Versuche der Ein-hegung. Dabei weist Soreleinen deutlichen Widerspruchzwischen der radikalen Rheto-rik der Sozialdemokrat*innenbei ihrer gleichzeitig reformis-tischen Politik nach. Den deut-schen Reformisten EduardBernstein, welcher das Pro-gramm der SPD nach derWirklichkeit ihrer politischenPraxis ausrichten und sich vonradikalen Phrasen trennen will,respektiert er deswegen, im Ge-gensatz zum „Ideologen“ KarlKautsky, der stattdessen wei-

terhin die Anhänger*innen und Wähler*innen mit ei-nem Schleier vermeintlich revolutionärer Zieleverblenden will.16 Diese Argumentation Sorels halteich für plausibel und weitsichtig, da sich der darge-stellte Widerspruch auch heute oft bei sozialdemokra-tischer Politik, das heißt in der Linkspartei oder beisolid findet.

[12] S. 134, S. 152-157.[13] S. 276.[14] S. 93f., S. 116, S. 158f., S. 188, S. 266.[15] Diese Beschreibung lässt die Interpretation zu, dass Sorel – obwohl bzw. gerade weil er sich von ihnen so distanziert und sie angreift – imGrunde genommen eigentlich ein enttäuschter Republikaner ist, der sich in einer „post-revolutionären Depression“ befindet, Bini Adamczakin ihrem Buch Beziehungsweise Revolution (2017) für die siegreichen bolschewistischen Kommunist*innen beschreibt. Gerade dieEnttäuschung ist es aber, die die Kämpfe vorantreiben und kritisch über die historischen Entwicklungen reflektieren lassen, z.B.dahingehend, dass jede Revolution lediglich die Staatsmacht ausgebaut hat. (Sorel, Über die Gewalt, S. 121)[16] S. 60, S. 163, S. 199, S. 259.

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Eduard Bernstein Karl Kautsky

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Wieder wird es kalt und windig im Wald umden Flughafen Frankfurt am Main

Wie hat es vor etwas mehr als 80 Jahren auf dem jetzi-gen Flughafengelände ausgesehen?Damals war noch alles voller Wald mit dicht stehen-den, gesunden Bäumen, vielfältigen Biotopen und un-gestörten Lebewesen. Jetzt ist alles voll mit Flughafen,kapitalistischer Infrastruktur, Autobahnen, Zugstre-cken, Flugzeugen. Die Luft ist schlecht und Lärm istallgegenwärtig, auch im Wald. Durch die heiße Luft,die sich über dem Flughafen ballt, regnet es in den an-grenzenden Ortschaften und Waldstücken sehr selten.Der Wald, der noch nicht dem Ausbau des Flughafenszum Opfer gefallen ist, leidet stark unter der Belastungdurch den Flughafen. Ebenso viele Anwohnende, dievon Fluglärm und Abgasen betroffen sind.

Im Jahr 1936 wurde der Flughafen Frankfurt am Mainerstmals eingeweiht, bis 1945 gab es einen verstärktenAusbau, bei dem Kriegsgefangene und KZ-Inhaftiertein den Tod getrieben wurden. In den folgenden Jahrenwuchs der Flughafen stetig und ungestört weiter, bises 1978 zu den ersten Demonstrationen mit einigen

1000 Menschen kam; diese richteten sich gegen dengeplanten Bau der Startbahn West. Die bestehendenBürgerinitiativen bekamen mehr Zulauf und aus derZusammenarbeit zwischen bürgerlichen und linksra-dikalen Menschen entstand 1980/81 das erste Hütten-dorf in dem Waldgebiet, welches heute Asphalt,Startbahn und Gestank ist. Bis zum Baubeginn derStartbahn im Jahr 1984 wurden mehrere 10.000 Men-schen im und für das Hüttendorf aktiv. Die Polizeiging sehr gewalttätig gegen die Besetzenden vor; inReaktion darauf kam es vonseiten der Aktivist*innenimmer wieder zu militanten Aktionen, welche von ei-ner großen Masse getragen wurden. Bereits damalswurde von Politik und Flughafengesellschaft zugesi-chert, dass in Zukunft für den Flughafen „kein Baum

(…) mehr fallen“ würde (so Börner). Wie sich in derweiteren Geschichte des Ausbaus zeigt und auch ander jetzigen Situation, ist dies wohl lediglich als eineironische Aussage zur Ruhigstellung der Masse zu be-trachten.

Von: TreburBleibt

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1994/95 gab es Auseinandersetzungen um den Bau derCargo City Süd, in deren Folge bis zu 60 neue Bürger-initiativen gegründet wurden. 2001 wurde durch dasGrenzcamp Kelsterbach auch erstmals geballte Kritikan der Abschiebepraxis des Flughafens formuliert.

Im Mai 2008, zwei Jahre nach dem Baubeschluss derLandebahn Nordwest im Kelsterbacher Wald, wurdeein Teil des betroffenen Waldes besetzt; errichtet wur-den Holzhütten und erstmals auch Baumhäuser. Dieersten Flutlichter und Bauzäune zur Eingrenzung desGeländes installierte die Polizei im Januar 2009 zumBeginn der Räumung. Immer wieder wurden brutalePolizeirazzien durchgeführt, aber es gab weiterhin biszur endgültigen Rodung im September viel Wider-stand durch Aktivist*innen in Form von Direkten Ak-tionen, Sabotage und Demonstrationen gegen dieRodungs- und Bauarbeiten.

Das ist jetzt, im Jahr 2018, etwa neun Jahre her; in derZwischenzeit wurde fleißig an vielen Ecken und ehe-maligen Enden des viertgrößten europäischen Flugha-fens weitergebaut. Das neueste Großprojekt derBetreibergesellschaft Fraport AG, die größtenteils inStaatsbesitz ist, nennt sich „Terminal 3“ und die Bau-arbeiten sind schon in vollem Gange.

Es ist Samstag Nacht, der 6. Januar 2018, eine Handvoll Autos, beladen mit Klettermaterial und Aktivistisfährt in den verregneten Treburer Wald, etwa 500 möstlich des Frankfurter Flughafens. Sie wollen die dortvon Fraport geplante Rodung des Waldes zwecks desBaus einer Autobahnanbindung für das neue Terminalverhindern.

Es ist nicht viel Wald, aber er steht für den erneutenAusbau des Frankfurter Flughafens, für die Eröffnungeines weiteren Terminals, an dessen Flugsteigen Flug-gesellschaften wie Ryanair, Germanwings und AirBerlin die Passagiermassen auf ihre Billigflüge vertei-len. Fluggesellschaften, deren Mitarbeiter*innen pre-kären Arbeitsverhältnissen ohne gewerkschaftlicheUnterstützung ausgesetzt sind.

Seit Jahrzehnten wird der finale Ausbaustand desFlughafens Frankfurt proklamiert, aber es wird immerwieder von Neuem ausgebaut. Wald als komplexesÖkosystem wird ständig unwiederbringlich vernichtetund die Klimaerwärmung und Belastung durch Fein-staub, Aerosole und Lärm durch die endlose Wachs-tumsspirale eines globalen Kapitalismus verstärkt. DieFolgen der Zerstörung scheinen lokal, betreffen aberdas Klima global und somit den ganzen Planeten

durch Klimakatastrophen wie extreme Dürren oderÜberschwemmungen. 90 % der Menschheit steigt nie-mals in einen Flieger, aber Flugverkehr gehört zu denKlimakillern Nummer eins. Viele denken hier in Euro-pa beim ThemaWaldschutz an den Schutz von Regen-wald in weit entfernten Ländern, wie beispielsweise inBrasilien. Den Kampf dort solidarisch zu unterstützenund die Beteiligung europäischer Regierungen undKonzerne an (Umwelt-)Verbrechen auch außerhalbEuropas aufzuzeigen, ist sehr wichtig. Aber es darfdabei nicht vergessen werden, dass auch hier vor OrtÖkosysteme vernichtet werden, der Schutz dieser zumErhalt der Welt beitragen kann und demnach sozusa-gen direkt vor der Tür Möglichkeiten bestehen, um fürKlimagerechtigkeit zu kämpfen. Hier schon kannmensch Sand im Getriebe des kapitalistischen Systemssein, das Vernichtung weltweit vorantreibt.

Zu Beginn sind es im Treburer Wald noch lediglich ei-nige Hängematten und eine einfache Plattform, darauserwachsen im Laufe des Jahres Baumhäuser, Towerund Walkways zu einem Netz lebendigen Wider-stands. Menschen und Wesen leben dauerhaft an die-sem Ort oder wandern weiter, neue kommen dazu undes entwickelt sich eine lebendige Besetzung. Selbst einBrandanschlag, der die Küche sowie andere Boden-strukturen vernichtet, wird erfolgreich überstanden.

Es wird hier nach und nach ein Freiraum geschaffen,ein Ort, an dem Utopie gelebt, gedacht und weiterent-wickelt werden kann.Das Leben im Wald als Form des Widerstandes istnicht nur eine Aktionsform gegen ein Projekt der Zer-störung und Ausbeutung, sondern auch eine Lebens-form; eine ungewöhnliche Möglichkeit zu leben undeinen Erfahrungsraum zusammen mit anderen Men-schen zu schaffen, in welchem mensch sich mit demgesellschaftlichen System kritisch auseinandersetzenkann und verschiedene Utopien eines Gegenentwurfszusammenkommen.

Die Frage, ob die Rodung letztendlich verhindert wer-den könnte, war stets eine zentrale, aber nicht die ein-zig wichtige.Aller Anfang ist schwer und so ist auch der Vergleichbezüglich des Nutzen oder Erfolges der Treburer Be-setzung mit einer 6 Jahre alten Besetzung, wie es sieim Hambacher Forst mittlerweile gibt, unangebracht.

Es ist besonders herausfordernd, eine Besetzung überdie ersten Wochen und Monate am Leben zu erhalten.Das Gefühl, allein dazustehen, nur wenig Unterstüt-zung und Öffentlichkeit zu haben, zwischenmenschli-

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che Schwierigkeiten innerhalb der Besetzung, einselbstorganisierter, teilweise sehr anstrengender Alltagohne viele Bequemlichkeiten.

Ein Leben im Wald geht mit dem Verzicht auf vielealltägliche Dinge einher: vermeintlich unbegrenzt flie-ßendes Wasser, Strom aus der Steckdose, Essen ausdem Supermarkt, Heizung, warmes Wasser, und im-mer mit dem Internet verbunden zu sein. Diese Dingesind alle Bestandteile einer kapitalistischen Konsum-gesellschaft, die vieles auf Masse produziert, was stän-dig verfügbar sein muss und dabei nicht nur Menschund Natur ausbeutet, sondern auch viele ihrer eigenenProdukte wieder achtlos vernichtet. Dass ein Menscheigentlich nur sehr wenig braucht, um gesund lebenzu können, zeigt sich unter anderem, wenn noch gutesEssen aus den Abfall-Containern der Supermärkte und

Baumaterial vom Sperrmüll alles Notwendige herge-ben; wenn der Strom erneuerbar von der Sonnekommt, ein gehackter Internetzugang Möglichkeit zurfreien Kommunikation ermöglicht, Wasser in Kanis-tern vom Friedhof kommt und wenn Baden im Bachdas Duschen ersetzt.

Im Treburer Wald ist es trotz vieler Schwierigkeiten,wie auch der „ungünstigen“ Lage - schon allein durchden Lärm der 300 m entfernten A5, der ICE Trasse unddes Flughafens war der Treburer Wald kein leichterOrt, um dort dauerhaft zu leben- gelungen, eine dau-erhafte Besetzung aufzubauen.

Möglich war dies dank der Solidarität von anderenwiderständigen Orten wie dem Hambi und von Men-schen, die teilweise seit 40 Jahren gegen den Ausbaudes Frankfurter Flughafens und für ihre Utopie kämp-fen. Sie unterstützten von Anfang an die Besetzung imTreburer Wald mit Kuchen, Gesellschaft und Kaffee anden Sonntagen, mit Solidaritätsbekundungen auf De-mos, mit Geld- und Sachspenden, mit Mut und Hoff-nung und einem großen, wertvollen Erfahrungsschatz.Menschen, die von Protesten mit 120.000 Teilneh-mer*innen, den Kämpfen um die Hüttendörfer, vonAutobahnblockaden, Rückschlägen und Neubeginnberichteten. Und natürlich wäre nichts möglich gewe-sen ohne alle weiteren Menschen, die sich entschiedenhaben, immer wieder auf vielfältige Weise den Waldzu unterstützen oder darin zu leben.

Es gibt viele verschiedene Motivationen, Interessen,Ideale, Visionen, Träume, welche Menschen dazu an-treiben, sich für etwas einzusetzen. Jeder Mensch hateigene Ideen, wie es Morgen weitergehen kann unddavon, was gut ist, frei, lebendig, sinnvoll und schön.Das gilt auch für die Menschen, die seit Beginn derBesetzung im Januar für den Treburer Wald aktivwurden und es noch immer sind.

Die Motivation zu Widerstand beschränkte sich beivielen Menschen, die den Treburer Wald am Leben er-halten haben, nicht allein auf den Kampf gegen denFlughafenausbau, sondern zielte auch auf die konkreteUmsetzung eines anarchistischen Freiraums ohne

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Hierarchien, heteronormative Gesellschaftsmodelle,Zwang und Gewalt mit dem Ziel der Freiheit jedes*rEinzelnen durch die Freiheit aller.

Der Weg zur Verwirklichung dieser Utopien und Ideenerscheint noch lang und ziemlich steinig. Das zeigtsich besonders dort, wo Menschen aus politischenund/oder idealistischen Gründen beschließen, für län-gere Zeit zusammen zu leben und zu kämpfen. Es istnicht einfach, sich selbst und einander in extremen Si-tuationen auszuhalten, Verhaltensmuster zu ändern,zu überdenken, immer wieder neu anzufangen undZeiten von Hoffnungslosigkeit durchzustehen. Aberumso wertvoller, intensiver und lehrreicher könnendiese Erfahrungen sein.

★★★

Etwa eine Woche vor der Räumung kam noch einmalein lieber Mensch zu Besuch imWald vorbei. Hier einBericht seiner letzten Eindrücke:

„Es ist Herbst geworden, windig und kalt. Endlichregnet es auch mal etwas. Das sind nicht die opti-malen Bedingungen für einen Besuch im TreburerWald. Aber um Antworten auf die Frage zu be-kommen, was sich tut und was die Besetzer*innenbei dem Wetter so machen, lohnt sich der Weg indenWald.

Ich komme vom Zeppelinheimer Bahnhof. Umzum Camp zu gelangen, muss ich die Landess-trasse überqueren, die hier nahe der Cargo CitySüd einen Verteilerknoten hat. Das Rüberkommenist gar nicht so einfach, ein Auto reiht sich an dasandere. Ein freundlicher Autofahrer bremst, sodas ich wieder in denWald eintauchen kann.

Der Boden saugt die Feuchtigkeit willig auf. Diemeisten Bäume links und rechts des Weges habenTrockenschäden. Aber manche sind noch so grün,als wollten sie die Phase bis zum ersten Frost vollausnutzen. Dort, wo das Knie der Hurenschneise[Name einer Straße zwischen Zeppelinheim undder A5; Anm. d. Red.] auf die Autobahn stösst, istseit einigen Monaten ein Info-Punkt eingerichtet.Dort gibt es Flugblätter. Und die Anregung, docheinmal in den Wald abzubiegen und im Campvorbei zu schauen.

Geht mensch die Widderschneise hinein, fällt so-fort ein Tripod (Dreibein) mit Hochsitz ins Auge.Er ist während dem letzten Skill Sharing Camp

aufgestellt worden. Wenn er besetzt ist, könnenHebebühnen und andere Fahrzeuge erst nach sei-ner Räumung einfahren.

Dann geht es seitlich durch ein neu gebautes Rei-sigtor in den Wald. Nach etwa 50 Metern beginntdas Camp. Dort fällt der neue dreistöckige„Tower“ ins Auge, der den Platz dominiert. Er istnoch nicht fertig und einiges an Baumaterial stehtbereit. Vor dem Turm ist der Dorfplatz mit Tischund Feuertonne – der Mittelpunkt des Camps. Ei-nige Sofas sind mit Planen ob des Regens abge-deckt. Sie sollen später in das Gebäude umziehen.

Im Erdgeschoss des Towers wird gearbeitet. Heuteist das Flicken zahlreicher Fahrradschläuche ander Reihe. Der Fahrradanhänger muss wiederflott gemacht werden. Er wird gebraucht, umcontainerte Lebensmittel und Trinkwasser insCamp zu bringen. Hier steht auch ein Schalenkof-fer, der im ganzen Umfeld etwas deplaziert wirkt.Nun, er könnte jemandem gehören, der aufDurchreise ist. Immer wieder machen Menschenaus der Umweltbewegung hier Station, tauschen

Neuigkeiten und Persönliches aus. Das ist danndoch ein kleiner Vorteil gut erreichbar zu sein,wenn mensch auf einer Luft-, Strassen- undSchienendrehscheibe wohnt. Aber Hochge-schwindigkeitsverkehr und Wald, das verträgtsich nicht. Eisenbahn, Flughafen und Autobahnschnüren uns regelrecht ein.

Die Arbeiten an den Baumhäusern sind abge-

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schlossen. Sie warten auf den „Tag X“ und solleneine Räumung erschweren und verzögern. Undsie sollen deutlich machen, dass hier weiter kon-sequent gegen ein Terminal 3 gekämpft wird.

Auf der Hurenschneise fährt langsam ein Polizei-wagen vorbei. Er hält nicht an. Manchmal gibt esauch Besuch aus der Luft. Der Polizeihubschrau-ber späht mögliche Veränderungen im Geländeaus. Vielleicht hat er auch eine Wärmebildkamera,um abzuchecken wie viele Leute da sind.

Die Besetzung hat sich nach einigen Höhen undTiefen mit einer Kerngruppe stabilisiert. Sie freutsich über Leute, die für kurz, länger oder aufDauer vorbeikommen. Sonntagmittag sind jetztwieder regelmäßig Unterstützer*innen aus der al-ten Startbahnszene und der neuen Klimabewe-gung imWald.

Auf die abschließende Frage was gebraucht wird,kommt die Antwort: „Mehr Menschen!“.Also aufWiedersehen, und aufWiederbesuch.“1

★★★

Ein klares Nein gegen den Ausbau des Flughafens unddie Vernichtung des Waldes aufgezeigt zu haben undfür Klimagerechtigkeit zu demonstrieren; Geschichtenund Erfahrungen, Gedanken und Ideen zu teilen undweiter zu entwickeln; das war die Saat, die unserekleine Besetzung in der kurzen Zeit ihres Bestehensbis zum 6. November 2018 geschaffen hat.

Sieben Hundertschaften aus ganz Deutschland, SEKund Räumpanzer wurden sicherlich nicht nur gegendie eilig mobilisierten 20 Aktivist*innen, sondern viel-mehr als Zeichen gegen den Gedanken des Widerstan-des Anfang November in denWald beordert.

Damit wurde selbstverständlich bis kurz nach der hes-sischen Landtagswahl gewartet; die Stimmergebnissewaren kaum ausgezählt.

Es ging hier wieder einmal um eine Machtdemonstra-tion des Konstruktes aus Staat, Nation und Kapital,welches erneut zeigen musste, wie stark es sich fühlt.

Aber Stärke ist auch jedem der Orte zu eigen, an demWiderstand entsteht; wo sich Menschen und Ideenvernetzen und weiterbilden. Der Polizeistaat konnte

zwar bislang viele dieser Orte mit einer Übermachtüberrennen, aber das Gelernte und Gelebte bleibt.

★★★

Bericht zur Räumung Tag X – 06.11.2018 von PeterIllert:2

„Seit 7 Uhr 15 wird das Camp im Treburer Waldvon der Polizei und Fraport geräumt.

Auf den Bäumen wird weiter Widerstand geleis-tet, etwa 20 Menschen sind bereits geräumt wor-den. Gerade hat Fraport begonnen, das Areal vonihrer Security Firma einzäunen zu lassen, Ro-dungsmaschinen sind aufgefahren.

Bereits am späten Montagnachmittag gab es In-formationen, dass heute ein „größerer Polizeiein-satz“ bevorstehen könnte.

Als Einsatzbeginn war „Punkt sieben Uhr“ ange-geben. In der Nacht haben wir uns auf eine mög-liche Räumung vorbereitet. Als es dann umsieben dämmerte und sich nichts tat, keimteschon die Hoffnung auf, dass es ein Fehlalarm sei.

Doch dann kam die Meldung, dass sich die Polizeiim Norden Walldorfs zusammenzöge. Und um7.15 kamen dann die Wannen auf demWeg paral-lel zur Bahnlinie. Kurz darauf rückten Einsatz-kräfte auch von der Autobahnseite vor, sieumstellten das Camp und hinderten Supporterdaran, noch hinein zu kommen.

Etwa 10 Leute befanden sich am Boden, sie wur-den festgenommen wegen des „Verdachts aufStraftaten wie Sachbeschädigung“. Außerdemwäre der Aufenthalt ordnungswidrig.

Nachdem wir Bodenleute schon festgesetzt wa-ren, kam eine Lautsprecherdurchsage mit einerAllgemeinverfügung, wonach unsere Versamm-lung für aufgelöst erklärt wurde. Eine hinreichen-de Begründung gab es allerdings nicht.

Einige Menschen waren angekettet, so unter demTower und in einem Lock-on im alten Bombent-richter – direkt auf dem aus Holz ausgelegtemPeace-Zeichen, desweiteren im Baumhaus “Askia”im Herzen des Camps.

[1] Quelle: http://waldbesetzung.blogsport.de/2018/10/31/ein-besuch-im-waldcamp/[2] Auch nachzulesen aufseinem übrigens sehr informativen Blog: http://waldbesetzung.blogsport.de/2018/11/06/waldcamp-wird-gerade-geraeumt/

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Die Polizei hatte ihr genehme Presseleute schonim Vorfeld unterrichtet.

Wir wurden zur Autobahnbrücke nahe Walldorfgebracht und nach einer Personenüberprü-fung/Durchsuchung entlassen. Es gab einenmündlichen eintägigen Platzverweis „für dasCamp“, aber präzisiert wurde das nicht.

An der Autobahn stand eine Polizeieinheit ausNRW. In einem Auto lag vorne ein Protestplakat„I love Hambi“. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ei-ne Trophäe.

Nach etwa vier Stunden hatten die technischenEinheiten die Person mit dem Lock-on in dem be-tongefüllten Fass ausgegraben und befreit. (Noch)mehr Probleme machte die angekettete Person imTower.

Auf die Räumung der Person, welche sich derStürmung des Baumhauses „Napf“ entzog, ver-zichtete die Polizei vorerst aus Sicherheitsgrün-den.

Die privaten Sachen der Besetzis sollten im Laufdes Tages an die Autobahnbrücke gebracht wer-den.

Die Rodung wird wohl in aller Eile und auch un-ter Flutlicht durchgezogen werden. Wir werdenauch in den nächsten Tagen im und amWald Prä-senz zeigen, eventuell mit einer Mahnwache.

Der Kampf für Klimagerechtigkeit hat gerade erstbegonnen !

Szene am Rande: Mensch sitzt auf dem Tripod,unten steht ein Polizist, guckt hoch: „Ich geb Direinen KitKat und ein Getränk ,wenn Du runter-kommst.“Antwort von oben: „Zwei KitKat?“Polizist „Ähem.“Besetzi: „Nö, ist nicht,und eigentlich auch beizwei nicht.“

Nachtrag: Eine Person, die sich angekettet hatte,wurde nach knapp drei Stunden aus der Vorrich-tung gelöst. Sie wurde wegen Unterkühlung undum den Arm zu checken mit der Ambulanz insKrankenhaus gefahren. Nach der Untersuchung

hat sie sich via Twitter über den Support und diegutenWünsche bedankt.

Nachtrag: “Schlag-Zeilen“3: „die Finger und alleKnochen im Körper zu brechen“) machte ein älte-

rer Polizist aus NRW, der an der Walldorfer Auto-bahnunterführung eingesetzt war. Er fiel zweimaldurch eine ungewöhnliche verbale und körperli-che Aggressivität auf. Der Eindruck entstand,dass er komplett mit den Nerven runter war. Soetwas geht überhaupt nicht, aber wünschen wirihm, dass er die Kurve wieder kriegt

Nachtrag: Im Nordend, Westend und Bockenheimleben viele bürgerliche Ökos und lesen auch wei-terhin die „gute alte Tante Rundschau“. Sie wur-den jetzt von der FR-Journalistin JuttaRippegather in ihrem Kommentar „Gefühl derMachtlosigkeit“4 ein wenig verprellt oder zumin-dest hoffentlich aus dem Wohlfühlmodus gerüt-telt.

Sie schrieb, das Gefühl der Machtlosigkeit wärebei den Besetzer*innen deutlich zu spüren gewe-sen. Die meisten hätten „kampflos aufgeben“(Was nicht so stimmt, finde ich…).

[3] Quelle: https://www.fnp.de/frankfurt/fast-1000-polizisten-loesen-protestcamp-treburer-wald-10520619.html[4] Quelle: http://waldbesetzung.blogsport.de/2018/11/06/waldcamp-wird-gerade-geraeumt/

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30 Gai Dào

N°96 - Dezember 2018

Das sei aber auch darauf zurückzuführen, dasssich die Solidarität der bürgerlichen Szene inGrenzen hielte. Kaum jemand hätte es für nötiggehalten, die jungen Leute in den Bäumen durchAnwesenheit zu unterstützen. “Man kann nichtnur auf Montagsdemos gehen, sondern muss auchmal in den kalten Wald, wenn es erforderlich ist.“(Ach, es wäre schon mal was, wenn sie auf dieMontagsdemos gehen würden…).“

★★★

Für die Menschen und Wesen, welche die Besetzungaufgebaut und mit Leben gefüllt haben, war die Räu-mung zuallererst ein riesiger Verlust; ein Verlust undAbschied von Zuhause und einem lieb gewonnenen,lebendigen Ort sowie von dem Ziel und der Aufgabe,diesen zu schützen.

Solidarität kann helfen, den Verlust zu überwinden,neue Wege und Orte zu finden, um am Ende unsereUtopien ein Stück weiter zu verwirklichen.

Und auch das Wissen, dass dieser Ort für viele, egal obkurz oder über längere Zeit, ein wichtiger Erfahrungs-raum in ihrem Leben war. Viele wurden an diesem Ortsensibilisiert für die Einzigartigkeit der Erde mit ihrerkomplexen Schönheit; und das, was Menschen, diehier waren, mitgenommen haben an Erfahrungen, Fä-higkeiten und Beziehungen mit Menschen und Naturkann ihnen niemensch mehr nehmen!

Die immer weiter voranschreitende Zerstörung vonLebensgrundlagen und der große Wille, dem gemein-sam entgegen zu stehen, verbindet den Widerstandund gelebte Utopien eines sozialökologischen Zusam-menlebens weltweit -ob nun gegen Kohle bei StopA-dani in Australien, im Hambi und im PontValleyCampin England, in Rojava gegen Daesh und Türkei sowiegegen Flughafenausbau bei GrowHeatrow, London, laZ.A.D. bei Notre-Dame-des-Landes, in Wien, Mün-chen oder in Porto Alegre5 hier in TreburBleibt.

Wir, die ehemaligen Bewohner*innen und Unterstüt-zer*innen des Treburer Waldes vermissen um unsereFreund*innen, unsere Bäume, unsere Häuser und un-seren Ort des Widerstandes.

Wir sind traurig und wütend.

Daraus kann und wird uns neuer Mut erwachsen, umunsere Ideen und Erfahrungen weiter zu tragen undnicht aufzugeben.

Keep loving and fighting!1314!

[3] Quelle: https://www.fnp.de/frankfurt/fast-1000-polizisten-loesen-protestcamp-treburer-wald-10520619.html[4] Quelle: http://waldbesetzung.blogsport.de/2018/11/06/waldcamp-wird-gerade-geraeumt/

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FdA hautnahRegelmäßige Termine von Gruppen der Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen

BERLIN

Anarchistisches Kaffeekränzchen: Offener Stammtisch

4. Dienstag im Monat ab 19 Uhr im Café Morgenrot, Kastanienallee 85, Prenzlauer

Berg (U2 Eberswalder Str.)

Libertärer Podcast des Anarchistischen Radios Berlin

Jeden 1. des Monats mit einem ernsten und satirischen Rückblick des Vormonats.

Daneben verschiedene Sendungen und Hinweise im Laufe des Monats.

aradio.blogsport.de

BIELEFELD

Das ANARCHISTISCHE FORUM OWL trifft sich jeden Mittwoch ab 18 Uhr

im FAU-LOKAL in der Metzer Str. 20 (Ecke Mühlenstr.) in Bielefeld. Hier

diskutieren wir, planen gemeinsame Aktionen, führen Veranstaltungen

durch+bereiten die Revolution vor.

ANARCHISTISCHE KLASSIKER*INNNEN: Jeden 2. Mittwoch im Monat stellen

wir ab 19.30 Uhr im FAU-Lokal anarchistische Klassiker*innen und ihr Leben und

Werk vor.

SCHWARZER FREITAG: Am letzten Freitag im Monat zeigen wir Filme, stellen

Bücher vor oder präsentieren alternative Projekte aus Bielefeld und OWL

LIBERTÄRER LESEKREIS: Alle zwei Wochen lesen wir gemeinsam in Horst

Stowassers Einführung in den Anarchismus, ab 19 Uhr im FAU-Lokal

KÜCHE FÜR ALLE: An jedem 1. Mittwoch im Monat ab 19.30 Uhr im FAU-Lokal

BONN

Offenes Treffen der ASJ Bonn

Jeden 1. Donnerstag im Monat um 19 Uhr im Oscar Romero Haus, Heerstraße 205

DORTMUND

Anarchistisches Buch- und Kulturzentrum – Black Pigeon

Scharnhorststraße 50, 44147 Dortmund

regelmäßige Öffnungszeiten Dienstag bis Freitag 13-19 Uhr

DRESDEN

Wanderungen der Schwarz-Roten Bergsteiger*innen

AufAnfrage mit mind. 3 Wochen Vorlauf an: [email protected]

Wanderungen, Übernachtungen, politisch-historische Führungen gegen Spende

für lokale Projekte im Raum Dresden und Sächsische Schweiz

Gewerkschaftliche Beratung der FAU und BNG

jeden zweiten Dienstag (gerade Wochen) von 18:00 bis 20:00 Uhr

im FAU-Büro: Hausprojekt Mangelwirtschaft, Overbeckstraße 26

mehr Infos unter: dresden.fau.org

FRANKFURT am Main

BR(A)NCH – Veganer Brunch mit wechselndem Programm

ab 12 Uhr Brunch, 14 Uhr Programm (Vortrag o.ä., aktuelle Infos: lila.noblogs.org)

Jeden letzten Sonntag im Monat im Cafe ExZess, Leipziger Straße 91

FREIBURG

„Zum Kuckuck“ – offenes anarchistisches Treffen

Jeden 4. Donnerstag im Monat ab 19:00 Uhr

im Interym/Kyosk, Adlerstr. 2, 79098 Freiburg

GÖTTINGEN

Anarcho-syndikalistische Jugend Göttingen

Halboffene Gruppe mit verschiedenen Schwerpunkten (aktuell: Arbeitskampf an

Hochschulen, anarchistische Agitation und Freiräume)

Kennenlernen jeden letzten Sonntag im Monat, ab 15 Uhr im JuZI (Bürgerstr. 41 -

Göttingen) beim anarchistischen Café Mailadresse: [email protected]

KARLSRUHE

Anarchistisches Radio

Jeden 2. Sonntag 18-20 Uhr, Querfunk 104,8 MHz oder querfunk.de

KASSEL

Anarchistisches Radio Kassel

Jeden vierten Samstag um 20 Uhr im Freien Radio Kassel

auf 105,8 Mhz oder im Livestream, Sendetermine unter a-o-ks.org/tag/radio/

KÖLN

Offenes Anarchistisches Forum

Jeden 1. Freitag im Monat ab 19 Uhr

im Infoladen des Autonomen Zentrums (Luxemburger Str. 93, U18: Eifelwall)

LEIPZIG

Offenes Plenum der Anarchosyndikalistischen Jugend (ASJL)

Jeden 1. und 3. Dienstag im Monat ab 19:30 Uhr in der Gleiserei

Kontakt über [email protected]

ASJ VEKÜ (Vegane Küche)

Jeden letzten Montag im Monat ab 20 Uhr im Atari (Kippenbergstr. 20, 04317

Leipzig)

TheorieAG der ASJL

Kontakt über Plenum, Vekü oder E-Mail

LUDWIGSBURG

Anka L – das monatliche Antifa-Café

des Libertären Bündnis Ludwigsburg (LB)2 (mit Vokü)

Jeden 4. Mittwoch im Monat ab 19:30 Uhr im DemoZ, Wilhelmstr. 45/1,

Ludwigsburg

NÜRNBERG

Vefa (veganes Essen für Alle) von Auf der Suche – Anarchistische Gruppe

Nürnberg

jeden zweiten Dienstag im Monat ab 19:00 Uhr

im Projekt 31 (An den Rampen 31, 90443 Nürnberg)

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Unser Ziel ist eine herrschaftsfreie Gesellschaft ohne Grenzen und Staaten, ohne Klassen und Patriarchat, auf Grundlage der freienVereinbarung, der gegenseitigen Hilfe und des anarchistischen Föderalismus, der durch gebundene Mandate seitens der Basisgekennzeichnet ist. Diese Gesellschaft soll pluralistisch sein, damit unterschiedliche Lebensentwürfe und kollektive Grundordnungengleichberechtigt – verbunden durch den Föderalismus – erprobt, gelebt und umgesetzt werden können. Da wir jede Herrschaft überund Ausbeutung von Menschen ablehnen, setzen wir uns ein für die Abschaffung aller Formen von Herrschaft und Ausbeutung inkultureller, politischer, sexueller, sozialer, wirtschaftlicher oder sonstiger Hinsicht.

Die FdA will auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens an die föderalistischen Ideen anknüpfen und sie den Erfordernissen derheutigen Zeit anpassen. Im anarchistischen Föderalismus sehen wir die Grundlage einer wirklichen und dauerhaftenSelbstverwirklichung, die allein die Gewähr für Freiheit, Gleichheit und Solidarität gibt. Wir streben keine Übernahme, sondern dieAbschaffung der politischen Herrschaft an.

Erst Gemeinschaften ermöglichen die gegenseitige Hilfe und bilden die Grundlage, auf der eine anarchistische Gesellschaft wachsenkann. Informelle, unverbindliche Zufallsbegegnungen sind für diese Gemeinschaft nicht ausreichend. Deshalb organisieren wir uns, umSolidarität zu leben, Mut zum Handeln zu geben und die Wirksamkeit unseres Handelns zu steigern.

KONTAKTE

Föderation deutschsprachiger Anarchist*innen

Kontakt: [email protected]

fda-ifa.org

Internationale der Anarchistischen Föderationen

Kontakt: [email protected]

i-f-a.org

Berlin

Anarchistisches Radio Berlin

Kontakt: [email protected]

aradio.blogsport.de

Anarchistisches Kaffeekränzchen

Anarchistisches Kollektiv Glitzerkatapult

Kontakt: [email protected]

glitzerkatapult.noblogs.org

Dresden

AK Freizeit

Kontakt: [email protected]

dresden.fau.org/freizeit-und-soziales

IK Dokumentation

dresden.fau.org/freizeit-und-soziales

Libertäre Aktion Frankfurt Oder

Kontakt: [email protected]

laffo.blogsport.eu

Schwarz Lila Antifa (Thüsterberg)

Kontakt: [email protected]

schwarzesbrettleineweserbergland.wordpress.com

Karakök Autonome Türkei/Schweiz

Kontakt: [email protected]

karakok.org

Anarchistische Föderation Rhein/Ruhr

Kontakt: [email protected]

afrheinruhr.blogsport.de

Anarchistische Gruppe Dortmund

Kontakt: [email protected]

agdo.blogsport.eu

Anarchistische Gruppe Krefeld

Kontakt: [email protected]

agkrefeld.blogsport.de

Anarchistische Gruppe östliche Ruhrgebiet

Kontakt: [email protected]

afrheinruhr.blogsport.de

Anarchistisches Kollektiv Köln

Kontakt: [email protected]

apjkoeln.blogsport.de

LilaLautstark - queerfeministische Gruppe

Dortmund

Kontakt: [email protected]

lilalautstark.noblogs.org

fabzi – feministische und anarchistische

Broschüren und Zines

Kontakt: mail [email protected]

li(e)berationWuppertal

Kontakt: [email protected]

lieberation.wordpress.com

Anarchistisches Forum Ostwestfalen-Lippe

Kontakt: [email protected]

afowl.noblogs.org

Aktion & Organisierung Kassel

Kontakt: [email protected]

a-o-ks.org

Anarchistisches Netzwerk Südwest*

Kontakt: [email protected]

a-netz.org

Anarchistische Gruppe Freiburg

Kontakt: [email protected]

ag-freiburg.org/cms

Anarchistische Gruppe Mannheim

Kontakt: [email protected]

anarchie-mannheim.de

Anarchistische Initiative Kaiserslautern

Kontakt: [email protected]

aikl.blogsport.eu

Anarchistische Initiative Ortenau

Kontakt: [email protected]

aiog.noblogs.org

Libertäres Bündnis Ludwigsburg

Kontakt: [email protected]

lbquadrat.org

Libertäre Gruppe Karlsruhe

Kontakt: [email protected]

lka.tumblr.com

Auf der Suche (Nürnberg)

Kontakt: aufdersuche@riseup. net

aufdersuche.blogsport.de

Lava Muc - Anarchistische Assoziation (München)

Kontakt: [email protected]

lavamuc.noblogs.org

about:fem – anarcha-feministische Gruppe aus Köln

Kontakt: [email protected]

aboutfem.blogsport.de

ASJ Bonn

Kontakt: [email protected]

asjbonn.blogsport.de

ASJ Göttingen

Kontakt: [email protected]

asjgoe.blogsport.de

ASJ Leipzig

Kontakt: [email protected]

asjl.blogsport.de

LiLa [F] (anarchistische Gruppe Frankfurt)

Kontakt: [email protected]

A4 Unplugged (Zürich)

Kontakt: [email protected] Ort: Koch Areal

Assoziierte Projekte

Allgemeines Syndikat Dresden

Kontakt: [email protected]

fau.org/ortsgruppen/dresden

Anarchistisches Forum Köln

Kontakt: [email protected]

anarchistischesforumkoeln.blogsport.de

IT-Kollektiv

Kontakt: [email protected]

it-kollektiv.com

Black Pigeon (Dortmund)

Kontakt: [email protected]

blackpigeon.blogsport.eu

Schwarze Ruhr Uni Bochum

Kontakt: [email protected]

schwarzerub.blogsport.de

F54-Siebdruckkollektiv

Kontakt: kiezladenf54bleibt@riseup