Nach- und Hinweise zu Wolf (Canis lupus) und Luchs (Lynx ...

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Nach- und Hinweise zu Wolf (Canis lupus) und Luchs (Lynx lynx) in Thüringen Bericht des Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs im Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz zum Wolfs- und Luchsmonitoring im Freistaat Thüringen Juli 2020 - Dezember 2020

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Nach- und Hinweise zu Wolf (Canis lupus) und Luchs (Lynx lynx) in Thüringen

Bericht des Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs im Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz zum Wolfs- und Luchsmonitoring im Freistaat Thüringen

Juli 2020 - Dezember 2020

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VIELEN DANK an alle Melderinnen und Melder, die mit der Weiterleitung von

Hinweisen und Nachweisen zu Wolf und Luchs in Thüringen zu diesem Bericht beigetragen haben!

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IInhalt

1. Zusammenfassung .............................................................................................................................. 1

2. Einführung ........................................................................................................................................... 2

2.1 Organisation des Monitorings in Thüringen .................................................................................. 2

2.2 Datensammlung ............................................................................................................................ 2

2.3 Datenverarbeitung ........................................................................................................................ 4

2.4 Hinweisarten ................................................................................................................................. 4

2.5 Bewertung von Meldungen zu Wolf und Luchs ............................................................................ 7

3. Situation von Wolf und Luchs in Thüringen ..................................................................................... 10

3.1 Räumliche Verteilung der Meldungen zu Wolf und Luchs .......................................................... 10

3.2 Meldungen zu Wolf und Luchs nach SCALP-Kategorien ............................................................. 11

3.3 Meldungen zu Wolf und Luchs nach Meldungsarten .................................................................. 12

3.4 Meldungen zu Wolf und Luchs nach Meldungsarten sowie SCALP-Kategorien.......................... 13

4. Bestätigte (residente) Wolfs- und Luchsvorkommen ...................................................................... 14

4.1 Wolfsvorkommen ........................................................................................................................ 14

4.2 Luchsvorkommen ........................................................................................................................ 18

5. Herkunft nachgewiesener Wolfsindividuen .................................................................................... 24

6. Nutztierschäden ................................................................................................................................ 26

7. Umgang mit Wolf-Hund-Hybriden ................................................................................................... 30

8. Umgang mit „verhaltensauffälligen“ Wölfen / Luchsen ................................................................. 31

9. Wolfs- / Luchsbegegnung ................................................................................................................. 32

10. Zitierte Literatur.............................................................................................................................. 32

11. Weiterführende Literatur ............................................................................................................... 32

12. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ............................................................................................ 33

12.1 Abbildungen .............................................................................................................................. 33

12.2 Tabellen ..................................................................................................................................... 33

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11. Zusammenfassung Im 2. Halbjahr 2020 (01.07.2020 - 31.12.2020) konnten die vier per Fotofallenaufnahmen im Territorium Ohrdruf (OHR) nachgewiesenen Welpen als Wolfsnachwuchs bestätigt werden. Über die genetische Untersuchung von Kotproben wurden zwei der Nachkommen als weibliche Tiere und Nachwuchs aus der Verpaarung der Ohrdrufer Wolfsfähe GW267f und dem Ohrdrufer Wolfsrüden GW1264m identifiziert.

Der zuletzt Ende Mai 2020 im Territorium OHR per Fotofallenaufnahme nachgewiesene Hybride konnte nicht mehr nachgewiesen werden, weder in Thüringen, noch in einem anderen Bundesland, sodass das Ableben des Tieres wahrscheinlich ist.

In Thüringen konnten im 2. Halbjahr 2020 vier adulte, territoriale Luchsindividuen über Fotofallen-aufnahmen in den Landkreisen Nordhausen und im Eichsfeld bestätigt werden. In zwei Fällen handelt es sich um weibliche Tiere mit Nachwuchs. Die Reproduktion wurde in einem Fall im Landkreis Nordhausen, im zweiten Fall für das Eichsfeld nachgewiesen. Die letzte Fotofallenaufnahme eines Luchses im 2. Halbjahr 2020 datiert auf den 17. Dezember und entstand im Landkreis Nordhausen. Der letzte Luchs-Nachweis liegt in Form einer Sichtbeobachtung inklusive Fotos vom 19. Dezember aus dem Saale-Orla-Kreis vor.

Von den im Jahr 2020 gemeldeten 54 vermeintlichen Nutztierrissen handelt es sich in 24 Fällen (44,4 %) um amtlich bestätigte Wolfsrisse. Bei 17 der gemeldeten Schadensereignisse lag der empfohlene, optimale Schutz der Weidetiere vor, in 16 Fällen ist für die betreffenden Nutztierarten kein optimaler Schutz definiert. In weiteren 21 Fällen war kein optimaler Schutz der Weidetiere gegeben.

Um zu verhindern, dass sich Wölfe auf Nutztiere spezialisieren, ist ein frühzeitiger und konsequenter Schutz vor Übergriffen notwendig. Fachliche Beratung hierzu leisten das Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs am Thüringer Ministerium für Umwelt, Energie und Naturschutz (TMUEN) sowie das Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) als Bewilligungsbehörde für Präventions- und Entschädigungsanträge.

Für das Wolf- und Luchs-Monitoring in Thüringen ist die Unterstützung durch die lokal ansässige Bevölkerung wichtig. Die Meldung von Hin-und Nachweisen – insbesondere über Foto- und Film-aufnahmen sowie Genetikproben (z.B. über Risse und Losungen) hilft dabei, einen Überblick über Wolfs- und Luchsvorkommen im Freistaat zu erhalten. Meldungen können z.B. über die Rufnummer 0361 57 3941-941 abgegeben werden.

Informationen zur Biologie und Lebensweise von Wolf und Luchs, zum Monitoring sowie zur Schadensbegutachtung finden Sie auf den Internetseiten des TMUEN. Hier können auch Formulare und Hinweise zu Prävention und Entschädigung von durch Wolf und Luchs verursachten Schäden eingesehen und heruntergeladen werden:

https://umwelt.thueringen.de/themen/natur-artenschutz/kompetenzzentrum/

Ihre Ansprechpartner für Förderangelegenheiten beim TLUBN erreichen Sie unter der Telefon-nummer 0361 57 3943 - 042. Die Namen und personenbezogenen Kontaktdaten der Ansprechpartner finden Sie auf der Internetseite des TLUBN:

https://tlubn.thueringen.de/naturschutz/zoo-artenschutz/wolf-luchs/foerderantraege-praeventionsmassnahmen-schadensregulierung

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22. Einführung 2.1 Organisation des Monitorings in Thüringen Das Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs im TMUEN ist für die Koordination und Umsetzung des Wolf- und Luchsmonitorings in Thüringen zuständig. Die MitarbeiterInnen nehmen Meldungen zu den Tierarten entgegen, beauftragen und leiten das aktive Monitoring innerhalb einer festgelegten Gebietskulisse (s. 2.2) an und bewerten die eingehenden Meldungen zu Wolf und Luchs nach vorgegebenen, standardisierten Kriterien (s. 2.5, S. 7).

Die rechtliche Verpflichtung zum Monitoring der streng geschützten Tierarten Wolf und Luchs ergibt sich aus Artikel 17 der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union.

Beim Monitoring der beiden Beutegreifer ist die Zusammenarbeit mit der lokal ansässigen Bevölkerung wichtig. Insbesondere FörsterInnen und JägerInnen sind häufig die Personengruppen, die Hinweise auf die Tierarten finden bzw. an die Hinweise herangetragen werden.

Das Melden von Hinweisen zu Wolf und Luchs an die zuständige Behörde ermöglicht es, einen Eindruck von der Situation von Wolf und Luchs in Thüringen zu erhalten und – im Austausch mit den zuständigen Behörden der anderen Bundesländer – auch ein Gesamtbild vom Erhaltungszustand der beiden Tier-arten in Deutschland zu bekommen. Meldungen sind auch von Belang, damit die Bevölkerung vor Ort frühzeitig informiert werden und damit potentiellen Konflikten vorgebeugt werden kann. Zudem ist die Weiterleitung von Hinweisen wichtig, damit die Behörde bei potentiell auffälligem Verhalten einzelner Individuen die Situation einschätzen und bei Bedarf zeitnah agieren kann. 2.2 Datensammlung In Thüringen wird sowohl ein aktives, als auch ein passives Monitoring durchgeführt.

Während im Rahmen des passiven Monitorings Zufalls-Meldungen, z.B. aus der Bevölkerung, entgegengenommen werden, wird im Rahmen des aktiven Monitorings mit Unterstützung von Kooperations-partnern und Dienstleistern nach Hinweisen gesucht – z.B. über den Einsatz von Fotofallen oder die Suche nach Kot.

Derzeit findet in den folgenden neun Untersuchungsgebieten ein aktives Fotofallen-Monitoring statt:

„Standortübungsplatz Ohrdruf und Umgebung“ (Zielart Wolf) „Mittlerer Thüringer Wald“ (Zielart Luchs) „Südharz“ (Zielart Luchs, Wolf) „Eichsfeld“ (Zielart Luchs) „Bad Klosterlausnitz“ (Zielart Wolf) „Gräfenthal“ (Zielart Luchs) „Zechsteingürtel bei Bad Liebenstein und Erdfallgebiet Frauensee“ (Zielart Wolf) „Pleß-Stoffelskuppe-Bernshäuser Kuppe“ (Zielart Wolf) „Uhlstädter Heide“ (Zielart Luchs, Wolf)

Abbildung 1 stellt die Gebietskulisse mit den einzelnen Untersuchungsgebieten für das Monitoring von Wolf und Luchs in Thüringen dar.

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Der Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) setzt, gemeinsam mit der Universität Göttingen, im thüringischen Teil des Harzes (Landkreis Nordhausen) sowie im Eichsfeld ein aktives Fotofallenmonitoring um. Im Rahmen des Projektes „Die Ausbreitung des Luchses in Mitteldeutschland“ wird das Ausbreitungspotential des Luchses untersucht.

Die Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) setzt derzeit, beauftragt durch das TMUEN, ein aktives Monitoring im Bereich des Standortübungsplatzes Ohrdruf sowie in den Untersuchungsgebieten „Bad Klosterlausnitz“, „Pleß-Stoffelskuppe-Bernshäuser Kuppe“ und „Gräfenthal“ um und wird zukünftig auch weitere Gebiete abdecken.

Zudem ist Thüringen Forst in das aktive Wolfs- und Luchsmonitoring im Freistaat eingebunden.

Meldungen aus dem passiven Monitoring gehen regelmäßig über den Thüringer Landesverband des Naturschutzbund Deutschland, den Landesjagdverband Thüringen sowie aus der Bevölkerung ein.

Meldungen zu Wolf und Luchs werden an dem hierfür eingerichteten Bürgertelefon unter der Rufnummer 0361 57 3941-941 entgegengenommen, über das auch Fragen zu den Tierarten beantwortet werden. Zudem gehen Meldungen über die Dienstapparate der MitarbeiterInnen, per E-Mail und auf persönlichem Weg ein.

2.3 Datenverarbeitung Alle Monitoringdaten zu Wolf und Luchs werden nach Abschluss eines jeden Monitoringjahres, das sich am biologischen Wolfs- bzw. Luchsjahr orientiert (01. Mai - 31. April des Folgejahres), unter den Vertretern der zuständigen Institutionen aller Bundesländer im Rahmen eines gemeinsamen Treffens vorgestellt und evaluiert. Das Ergebnis dieser jährlichen Treffen sind national abgestimmte Vorkommenskarten der beiden Tierarten sowie eine Einschätzung der Mindestpopulationsgröße, jeweils rückwirkend für das vorausgegangene, abgeschlossene Monitoringjahr. Die Ergebnisse dieser Treffen stellen die Grundlage für den nationalen Bericht des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) an die Europäische Kommission dar, welcher alle sechs Jahre zu erfolgen hat (s. FFH-Richtlinie, Artikel 17).

Um ein vollständiges und damit reales Bild vom Erhaltungszustand von Wolf und Luchs zu erhalten, sind Hinweise zu den Tierarten wichtig.

Die über das Monitoring gewonnenen Daten fließen nicht nur in den erwähnten Bericht ein – Informationen über die Verbreitung der großen Beutegreifer erlauben es, die Bevölkerung vor Ort rechtzeitig informieren und aufklären zu können. Damit ist auch die frühzeitige Information von NutztierhalterInnen und dadurch eine Überprüfung des Weidetierschutzes möglich. Zudem sind Hinweismeldungen wichtig, um potentiell auffälliges Verhalten einzelner Tiere rechtzeitig feststellen und bei Bedarf handeln zu können. Letzten Endes wird mit der Weiterleitung von Hinweisen zu Wolf und Luchs also zum einen zu einer realistischen Einschätzung des Erhaltungszustandes der Tierarten, und zum anderen zu einer Konfliktminimierung beigetragen.

Monitoringdaten werden vertraulich behandelt und Ortsangaben lediglich „unscharf“ veröffentlicht, d.h., dass z.B. Gemeindebezeichnungen, jedoch keine genauen Koordinaten genannt oder anderweitigverfügbar gemacht werden.

2.4 Hinweisarten Da Wölfe und Luchse den direkten Kontakt zu Menschen in der Regel meiden, sind unmittelbare Begegnungen selten. Bei den eingehenden Meldungen handelt es sich daher überwiegend um indirekte Anwesenheitshinweise wie z.B.:

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- Kot - Urin (z.B. bei Schneelage sichtbar) - Haare - Trittsiegel und Spuren - Fotofallenaufnahmen - Wildtier- und Nutztierrisse - Kratzspuren (Luchs) - Lautäußerungen

Bei Totfunden sowie lebenden Tieren (z.B. im Rahmen von Managementmaßnahmen gefangene, verletzte oder kranke Tiere, verwaiste Jungtiere) handelt es sich um direkte Nachweise. Ebenso bei Sichtbeobachtungen, bei denen im Nachgang die Tierart Wolf / Luchs durch eine erfahrene Person auf Grundlage von Foto-/Videoaufnahmen eindeutig identifiziert werden kann.

Kot

Kot kann bei bestimmten Fundumständen, vorgegebener Größe und mit entsprechendem Inhalt (unverdauliche Beutetierreste) als Indiz für die Anwesenheit von Wolf bzw. Luchs gewertet werden. Über die genetische Untersuchung der Darmschleimhaut, die sich auf der Oberseite frisch abgesetzten Kots befindet, kann nicht nur die Tierart, sondern bestenfalls auch das Individuum ermittelt werden. Zudem repräsentieren die Hinterlassenschaften die Beutetierwahl und sind damit für wissen-schaftliche Zwecke in Form von Nahrungsanalysen von Bedeutung.

Urin

Urin stellt nur im Zusammenhang mit einem entsprechenden Spurverlauf ein Indiz auf die Anwesenheit des Wolfes dar, da Hundeurin nicht von Wolfsurin unterschieden werden kann. Luchsurin kann als solcher am Geruch identifiziert werden, wobei Verwechslungsgefahr mit Markierstellen von Haus- und Wildkatze besteht. Im Fall des Wolfes kann die Art der Urinspur Aufschluss darüber geben, ob es sich um einen territorialen Wolf handelt – während Jungwölfe zumeist im Hocken urinieren, markieren adulte Wölfe ihr Territorium seitlich gegen Erhöhungen. Schnee mit vermeintlichem Wolf- oder Luchsurin kann genetisch analysiert werden und sollte bis zur Untersuchung tiefgefroren aufbewahrt werden.

Haare

Luchshaare können z.B. an Markierstellen gefunden werden, wo sich die Katzen gegen markante Landschaftselemente, beispielsweise Felsen oder Pfosten, reiben. Aufgrund der Ähnlichkeit mit Haaren anderer Katzenartiger kann nur durch eine genetische Analyse nachweislich festgestellt werden, ob es sich um Luchshaare handelt. Ebenso verhält es sich mit Wolfshaaren, die beispielsweise nach Nutztierübergriffen an Zäunen, oder auch an Liegestellen gefunden werden können.

Trittsiegel und Spuren

Einzelne, vermeintliche Wolfstrittsiegel können nicht als solche identifiziert werden, da auch große Hunderassen entsprechende Abdrücke hinterlassen. Erst, wenn eine gleichmäßig und gerichtet verlaufende Spur über eine gewisse Länge im geschnürten Trab vorliegt, bei dem die Hinterpfoten in die Abdrücke der Vorderpfoten gesetzt werden, handelt es sich um ein Indiz für die Anwesenheit des Wolfes. Im Gegensatz zu einzelnen Trittsiegeln von Wölfen, sind Luchsabdrücke als solche zu erkennen. Als Katzenartige hinterlassen sie im Vergleich rundlichere Abdrücke, meist ohne den Abdruck von Krallen. Durch die Größe lassen sich einzelne Trittsiegel von denen von Haus- und Wildkatze unterschieden. Da Luchstrittsiegel aber in Abhängigkeit des Untergrundes denen anderer Tierarten ähneln können, müssen mindestens drei Pfotenabdrücke vorliegen, um als Indiz für die

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Anwesenheit der Katzenart gewertet werden zu können. Spuren, deren einzelne Trittsiegel schlecht zu erkennen sind, können aufgrund des Verlaufs einen Rückschluss auf den Verursacher zulassen. So gehen Luchse z.B. gerne über liegende, oder schräg stehende Baumstämme, Felssimse oder Steinmauern. Die Schrittlänge zwischen den einzelnen Abdrücken kann außerdem bei der Bestimmung der Tierart helfen.

Fotofallenaufnahmen

Sind die arttypischen Merkmale gut zu erkennen, stellen Fotofallenaufnahmen (Foto / Video) sichere Nachweise für die Anwesenheit der Tierarten dar. Entsprechende Aufnahmen werden i.d.R. einer Standortverifizierung unterzogen, um sicherzugehen, dass die Aufnahmen auch vor Ort entstanden sind.

Wildtier- und Nutztierrisse

Wildtier- und Nutztierkadaver können ein Indiz für die Anwesenheit von Wolf und Luchs sein. Über typische Rissmerkmale an der Beute kann eine Einschätzung erfolgen, ob es sich um einen Riss handelt und wer als Verursacher infrage kommt. Abstriche mit geeigneten Tupfern an Bissstellen können genetisch untersucht werden – dabei wird die DNA des Speichels analysiert. Ist die Probe frisch genug, kann nicht nur die Tierart, sondern auch das Individuum ermittelt werden.

Eine Entschädigung für durch Wolf oder Luchs erbeutete Wildtiere ist in Thüringen nicht vorgesehen. Wildtiere gelten im Sinne des § 960 Absatz 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch als herrenlos. Sie stellen damit kein Eigentum jagdausübungsberechtigter Personen oder InhaberInnen des Jagdrechtes dar. Durch das Erbeuten von Wildtieren durch Beutegreifer ergibt sich somit kein Schaden – ein Anspruch auf Entschädigung ist nicht gegeben. Wolf und Luchs sind, inklusive der Einflüsse, die sie auf das Wild ausüben, als natürliche Bestandteile des Ökosystems zu verstehen – ebenso wie z.B. Fuchs und Marder.

Kratzspuren (Luchs)

Luchse schärfen ihre Krallen durch das Wetzen an Bäumen. Dieses Verhalten dient möglicherweise auch der Reviermarkierung. Charakteristisch sind lose Rindenstücke an der Stammbasis bzw. dünne, ausgefranste Kratzer an rindenlosen Stämmen. Da eine hohe Verwechslungsgefahr mit anderen Ursachen der Baumschädigung wie z.B. dem Schälen durch Huftiere oder Pilzbefall besteht, stellen Kratzspuren keine eindeutigen Indizien auf die Anwesenheit des Luchses dar.

Lautäußerungen

Luchse rufen während der Ranzzeit (= Paarungszeit) wiederholt und ausdauernd. Da die Rufe denen von Füchsen oder balzenden Eulen ähneln, gelten sie nicht als eindeutige Anwesenheitshinweise. Ähnlich verhält es sich mit vermeintlichem Wolfsheulen, das lediglich als „unbestätigter Hinweis“ gewertet werden kann.

Sichtbeobachtungen

Sichtbeobachtungen stellen eindeutige und damit direkte Nachweise dar, wenn Foto- oder Film-aufnahmen vorliegen, auf denen eine erfahrene Person Wolf bzw. Luchs eindeutig identifizieren kann.

Totfunde

Totfunde stellen direkte Nachweise dar. Kadaver der besonders geschützten Arten Wolf und Luchs werden vor Ort dokumentiert, beprobt und zur Untersuchung an das Institut für Zoologie und Wildtierforschung (IZW) in Berlin oder eine andere geeignete veterinärpathologische Einrichtung

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übermittelt. Im Gegensatz zum Wolf unterliegt der Luchs nicht ausschließlich dem Naturschutzrecht. Er stellt eine jagdbare Tierart mit ganzjähriger Schonzeit dar. Jagdausübungsberechtigte Personen sind nach § 40 Absatz 3 Satz 2 Thüringer Jagdgesetz dazu verpflichtet, verendete, dem Jagdrecht unterliegende Wildtiere der streng geschützten Tierarten unverzüglich der Unteren Jagdbehörde anzuzeigen. Sie haben das Recht, entsprechende Kadaver aus der Natur zu entnehmen und bei einer behördlich bestimmten Stelle abzugeben (§ 40 Absatz 3 Satz 3 Thüringer Jagdgesetz). Ein Aneignungsrecht besteht grundsätzlich nicht. Ausnahmen für pädagogische Zwecke sind jedoch möglich.

Lebende Tiere

Bei lebenden Tieren kann es sich um im Rahmen von Forschungsprojekten gefangene und besenderte, verletzte oder kranke Tiere oder um verwaiste Jungtiere handeln, die ggf. vorübergehend oder dauerhaft in menschliche Obhut genommen werden. Sie gelten als eindeutiger Nachweis, wenn sie von einer erfahrenen Person oder genetisch identifiziert wurden.

Meldungen zu den aufgeführten Hinweisarten werden anhand standardisierter Protokolle schriftlich aufgenommen und anschließend auf Grundlage der vorliegenden Informationen nach standardisierten Kriterien bewertet (s. 2.5).

2.5 Bewertung von Meldungen zu Wolf und Luchs Eingehende Meldungen zu Wolf und Luchs werden durch MitarbeiterInnen des Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs, die im Erkennen und Bewerten von Anwesenheitshinweisen geübt sind, nach bundeseinheitlichen Standards bewertet. Die fachliche Grundlage hierfür stellt das BfN-Skript „Monitoring von Wolf, Luchs und Bär in Deutschland“ (REINHARDT et al. 2015) dar.

Meldungen werden entsprechend ihrer Überprüfbarkeit verschiedenen Kategorien zugeordnet. Diese Zuordnung erfolgt in Anlehnung an die Kriterien, die im Rahmen des Projektes „Status and Conservation of the Alpine Lynx Population“ (SCALP) – ursprünglich für das länderübergreifende Luchsmonitoring in den Alpen – entwickelt und um die Tierarten Bär und Wolf ergänzt wurden.

Die Bewertungskategorien sind nachfolgend aufgeführt. Der Buchstabe C steht für den englischen Begriff „category“ (dt.: Kategorie). Die Ziffern 1, 2 und 3 stellen keine Bewertung der fachlichen Qualifikation des Melders bzw. der Melderin dar, sondern spiegeln die Überprüfbarkeit der Meldung und die entsprechende Zuordnung in die jeweilige Kategorie wieder:

„C1“ – eindeutiger Nachweis

sicherer Beleg für die Anwesenheit von Wolf bzw. Luchs (z.B. Foto mit eindeutigen Merkmalen oder Risse mit DNA-Ergebnissen)

„C2“ – bestätigter Hinweis

alle Meldungen, die ausreichend dokumentiert sind, bestimmte Kriterien erfüllen und von erfahrenen Personen bestätigt werden (z.B. Risse und Losungen ohne Genetikergebnisse oder Spuren)

„C3“ – unbestätigter Hinweis

Meldungen, die mangels Dokumentation und damit Aussagekraft nicht als Nachweis (C1) bzw. bestätigter Hinweis (C2) für Wolf bzw. Luchs dienen können, jedoch als Hinweise auf mögliche

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Vorkommen ebenfalls ein wichtiger Bestandteil des Monitorings sind (z.B. Sichtbeobachtungen ohne Fotos oder Videos und einzelne Trittsiegel)

„f“ – Falschmeldung:

Meldungen, bei denen Wolf bzw. Luchs als Verursacher mit Sicherheit ausgeschlossen werden können (z.B. Losung, die über die genetische Analyse der Tierart Hund zugeordnet werden kann)

„k.B.“ – keine Bewertung möglich:

Meldungen, die aufgrund fehlender Daten nicht bewertet werden können (z.B. Wildtierkadaver, die so stark genutzt bzw. alt sind, dass Aussagen zur Verursacherschaft aufgrund fehlender bzw. nicht mehr vorhandener Merkmale nicht möglich sind)

Die Anwendung dieser standardisierten Bewertung ermöglicht eine deutschlandweite Vergleich-barkeit der Daten, die im Rahmen des Monitorings erhoben werden. Dadurch ist es möglich, einen Eindruck von der Gesamtsituation der Beutegreifer in Deutschland zu erhalten.

Fotofallenaufnahmen, die im Rahmen des Monitorings eingehen, werden vor ihrer Bewertung einer Standortverifizierung unterzogen. Hierbei wird das Kompetenzzentrum hauptsächlich von den für Wolf bzw. Luchs zuständigen Mitarbeitern / Mitarbeiterinnen der Unteren Naturschutzbehörden unter-stützt, die sich mit den Meldern / Melderinnen in Kontakt setzen. Ebenso verhält es sich mit Sichtbeobachtungen, zu denen Foto- oder Videoaufnahmen vorliegen.

Tabelle 1 auf Seite 9 gibt einen Überblick darüber, wie die unterschiedlichen Meldungsarten für Wolf und Luchs auf Grundlage der erwähnten, nationalen Bewertungsgrundlage bewertet werden können. Berücksichtigt werden die Kategorien C1 (Nachweis), C2 (bestätigter Hinweis) und C3 (unbestätigter Hinweis). Aufgeführt sind zudem die jeweiligen Voraussetzungen für die entsprechende Bewertung. Da für die einzelnen Meldungsarten teilweise nicht alle Bewertungsmöglichkeiten vorgesehen sind, sind einzelne Zellen grau eingefärbt (= keine Bewertung mit der entsprechenden Bewertungskategorie möglich).

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33. Situation von Wolf und Luchs in Thüringen3.1 Räumliche Verteilung der Meldungen zu Wolf und Luchs Entsprechend der nachgewiesenen Luchsterritorien (s. 4.1, S. 14 und 4.2, S. 18) und des Fotofallen-monitorings im nördlichen Thüringen gingen Meldungen zum Luchs im zweiten Halbjahr 2020 insbesondere aus den Landkreisen Nordhausen und Eichsfeld ein, während Meldungen zum Wolf insbesondere aus den Landkreisen Gotha und Ilm-Kreis eingingen, wo das Ohrdrufer Wolfsrudel lebt. Ein einzelner Nachweis (SCALP: C1) zum Luchs liegt aus dem Landkreis Schmalkalden-Meiningen vor, einzelne Nachweise zu Wölfen aus den Landkreisen Eichsfeld, Wartburgkreis und Saale-Orla-Kreis. Abbildung 2 zeigt die räumliche Verteilung der Nach- und Hinweise zu Wolf und Luchs (C1 = Nachweis; C2 = bestätigter Hinweis; C3 = unbestätigter Hinweis) – nicht dargestellt sind Falschmeldungen sowie Meldungen, die aufgrund fehlender Informationen nicht bewertet werden konnten.

Abb. 2: Räumliche Verteilung der Nach- und Hinweise zu Wolf und Luchs in Thüringen im 2. Halbjahr 2020.

Das Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs hat das aktive Monitoring im Jahr 2020 ausgeweitet, um über eine systematische Datenaufnahme ein präziseres Bild von der Verbreitung von Wolf und Luchs in Thüringen zu erhalten. Im laufenden Jahr 2021 ist eine weitere Intensivierung des aktiven Fotofallenmonitorings erfolgt.

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3.2 Meldungen zu Wolf und Luchs nach SCALP-Kategorien Im zweiten Halbjahr 2020 gingen 337 Meldungen zum Wolf sowie 65 Meldungen zum Luchs ein (Stand: 31.01.2021).

Bei den Wolfsmeldungen handelt es sich überwiegend um Nachweise (SCALP: C1) (n = 281). Unbestätigte Hinweise (SCALP: C3) stellen die zweithäufigste Bewertungskategorie dar, der die eingegangenen Meldungen zugeordnet wurden (n = 45). Die Kategorie „Falschmeldung“ (SCALP: f) wurde neun Mal vergeben. Im Fall einer Fotofallenaufnahme war aufgrund unzureichender Bildqualität keine Bewertung möglich (SCALP: k.B.), eine Losung wurde als bestätigter Hinweis (SCALP: C2) bewertet.

Abbildung 3 gibt eine Übersicht über die Bewertungen der Wolfsmeldungen, die dem Kompetenz-zentrum im Zeitraum 01.07.2020 bis 31.12.2020 gemeldet wurden. Nicht enthalten sind Schadens-ereignisse mit Nutztieren, die in Teil 5 des Monitoring-Berichtes ab Seite 27 separat dargestellt sind.

Meldungen zu Luchsen gingen im Vergleich weniger häufiger ein. Am häufigsten ist auch hier die Bewertungskategorie „Nachweis“ (SCALP: C1) vertreten (n = 55). Darauf folgen unbestätigte Hinweise (n = 9). Zudem wurde eine Meldung als bestätigter Hinweis (SCALP: C2) bewertet. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Anzahl an Luchsmeldungen nach deren Bewertung.

Damit stellt die Bewertungskategorie „Nachweis“ (SCALP: C1) sowohl unter den Meldungen zum Wolf, als auch unter den Meldungen zum Luchs die häufigste Bewertungskategorie dar.

Abb. 3: Wolfsmeldungen aus dem Zeitraum 01.07.2020 – 31.12.2020 nach Meldungsarten (ohne Schadens-ereignisse mit Nutztieren).

Tab. 2: Anzahl von Luchsmeldungen aus dem Zeitraum 01.07.2020 - 31.12.2020 nach Bewertung (ohne Schadensereignisse mit Nutztieren).

C1 C2 C3 55 1 9

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3.3 Meldungen zu Wolf und Luchs nach Meldungsarten Bei den Meldungen zu Wolf und Luchs handelt es sich um unterschiedliche Meldungsarten. Im Folgenden nicht dargestellt sind Schadensereignisse mit Nutztieren, die in Teil 5 des Monitoring-berichtes ab Seite 27 separat aufgeführt sind.

Von den 337 Wolfsmeldungen handelt es sich zu einem überwiegenden Teil um Fotofallenaufnahmen aus dem aktiven Fotofallenmonitoring im Territorium Ohrdruf (n = 312). Drei weitere Fotofallen-aufnahmen entstanden außerhalb des Territoriums, im Landkreis Eichsfeld. Am zweithäufigsten wurden Losungen gemeldet (n = 12), gefolgt von Sichtbeobachtungen (n = 9) und Wildtierkadavern (n =1). Abbildung 4 stellt die Wolfsmeldungen nach Meldungsarten dar.

Abb. 4: Wolfsmeldungen aus dem Zeitraum 01.07.2020 – 31.12.2020 nach Meldungsarten (ohne Schadens-ereignisse mit Nutztieren).

Auch beim Luchs stellen Fotofallenaufnahmen die häufigste Meldungsart dar (n = 47). An zweiter Stelle folgen Sichtungen (n = 14). Zudem wurden im zweiten Halbjahr 2020 ein Wildtierriss, ein Totfund (s. S. 19), eine Losung und eine Spur in das Monitoring aufgenommen. Tabelle 3 gibt einen Überblick über die Anzahl an gemeldeten Meldungsarten beim Luchs im zweiten Halbjahr 2020.

Tab. 3: Anzahl an Luchsmeldungen nach Meldungsart (01.07.2020 - 31.12.2020).

Meldungsart Anzahl Meldungen Fotofallenaufnahme 47 Sichtung 14 Wildtierriss 1 Totfund 1 Losung 1 Spur 1

Wolfsmeldungen (01.01.2020 – 30.06.2020) nach Meldungsarten Wolfsmeldungen (01.01.2020 – 30.06.2020) nach Meldungsarten

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Die häufigste Meldungsart im 2. Halbjahr 2020, sowohl unter den Meldungen zum Wolf, als auch unter den Meldungen zum Luchs, stellen Fotofallenaufnahmen dar. 3.4 Meldungen zu Wolf und Luchs nach Meldungsarten sowie SCALP-Kategorien Fast alle Nachweise (C1) zu Wölfen wurden über Fotofallenaufnahmen erbracht (n=314). Im Fall dreier Nachweise handelt es sich um Losungen, die genetisch der Tierart Wolf zugeordnet werden konnten. Über diese drei Losungen, die im Territorium Ohrdruf gesammelt wurden, konnten die Ohrdrufer Wolfsfähe sowie zwei ihrer Nachkommen bestätigt werden (s. 4.1, S. 14).

Bei dem einzigen bestätigten Hinweis handelt es sich um eine Losung, die nicht genetisch beprobt wurde, die aber aufgrund ihrer Größe, der Fundumstände und des Inhalts mit der Kategorie C2 bewertet wurde. Bei den unbestätigten Hinweisen handelt es sich um eine Losung sowie einen Wildtierkadaver und sieben Sichtungen ohne Foto- bzw. Videobelege. Eine Fotofallenaufnahme konnte aufgrund unzureichender Bildschärfe nicht bewertet werden. Bei sieben Losungen handelt es sich durch die genetische Analyse nachweislich um Losungen anderer Tierarten und damit um Falschmeldungen, bei zwei Sichtungen mit Foto- / Videobeleg konnten eindeutig andere Tierarten identifiziert werden. Die entsprechenden Meldungen wurden daher als Falschmeldungen in das Monitoring aufgenommen. Tabelle 4 gibt einen Überblick über die Wolfsmeldungen nach Meldungsarten sowie Bewertungs-kategorien.

Tab. 4: Wolfsmeldungen nach Meldungsarten und Bewertungskategorien (01.07.2020 - 31.12.2020).

Meldungsart C1 C2 C3 k.B. f Fotofallenaufnahme 314 0 0 1 0 Losung 3 1 1 0 7 Wildtierkadaver 0 0 1 0 0 Sichtung 0 0 7 0 2 317 1 9 1 9

Alle 47 eingegangenen Luchs-Fotofallenaufnahmen wurden als Nachweise (SCALP: C1) bewertet. Von den 14 Sichtbeobachtungen konnten fünf aufgrund vorliegender, eindeutiger Foto- / Videonachweise ebenfalls als Nachweise bewertet werden. Die übrigen Aufnahmen gingen als unbestätigte Hinweise (SCALP: C3) in das Monitoring ein. Der gemeldete Wildtierkadaver konnte über einen Rissabstrich als Luchsriss bestätigt werden und wurde daher als Nachweis bewertet. Auch als Nachweis bewertet wurden ein Totfund sowie eine Losung, die über die genetische Analyse als Luchskot identifiziert werden konnte. Tabelle 5 stellt die Anzahl an Luchsmeldungen nach Meldungsarten und Bewertung dar. Abbildung 5 stellt denselben Inhalt als gruppiertes Balkendiagramm dar.

Da Luchse im Vergleich zu Wölfen weniger Nutztiere reißen, ist die Meldung von tot aufgefundenen Wildtieren mit Verdacht auf einen Luchsriss umso wichtiger. Vom Luchs gerissene, größere Beutetiere wie z.B. Rehe, weisen einen Kehlbiss auf der Unterseite des Trägers auf, wobei der Zahnabstand etwa 3,0 - 3,5 cm beträgt. Der Kadaver wird klassischerweise von hinten angeschnitten, ohne dass der Bauchraum geöffnet wird. Häufig weist der Körper des erbeuteten Tieres scharfrandige Kratzer auf. Die Beute wird oft, wenn sie auf Offenflächen erlegt wird, in Richtung bzw. in den Bestand gezogen, wobei Schleifspuren entstehen. Luchstypisch ist auch, dass der Kadaver mit z.B. Stöcken, Zweigen, Laub usw. „verblendet“ (abgedeckt) wird.

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Tab. 5: Anzahl an Luchsmeldungen nach Meldungsarten und Bewertung (01.07.2020 - 31.12.2020).

Meldungsart C1 C2 C3 Fotofallenaufnahme 47 0 0 Sichtung 5 0 9 Wildtierkadaver 1 0 0 Totfund 1 0 0 Losung 1 0 0 Spur 0 1 0

Abb. 5: Luchsmeldungen nach Meldungsarten und Bewertung (01.07.2020 - 31.12.2020).

Die meisten Nachweise (SCALP: C1), sowohl beim Wolf, als auch beim Luchs, konnten im 2. Halbjahr 2020 über Fotofallenaufnahmen generiert werden.

44. Bestätigte (residente) Wolfs- und Luchsvorkommen 4.1 Wolfsvorkommen Ein einzelner Wolf bzw. Luchs gilt dann als sesshaft, wenn sich das Tier über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten in einem bestimmten Gebiet aufhält. Vermeintlich residente Tiere müssen mit mindestens 6 Monaten Abstand wiederholt durch Nachweise (SCALP: C1) oder mindestens drei voneinander unabhängigen bestätigten Hinweisen (SCALP: C2) nachgewiesen werden. In Thüringen ist ein residentes Wolfsvorkommen in Form eines Rudels im Raum Ohrdruf bestätigt (Stand: 31.12.2020)*. Das Territorium lautet entsprechend „Ohrdruf“ und wird mit dem Kürzel „OHR“ benannt. Es liegt zwischen den Orten Schwabhausen, Ohrdruf, Crawinkel, Plaue, Arnstadt, Amt Wachsenburg und Drei Gleichen. Die Abbildungen 6 und 7 (S. 17, 18) stellen die ungefähre geographische Lage des Territoriums dar. Tabelle 6 auf Seite 16 gibt einen Überblick über die in Thüringen sesshaften Wolfsvorkommen, Tabelle 7 führt zusätzlich den Reproduktionsstatus und die Welpenanzahl auf. *mittlerweile (Stand: 04.02.2021) gilt eine weitere Wolfsfähe mit der Bezeichnung „GW1422f“ im Wartburgkreis bei Zella/Rhön als standorrtreu.

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Die Ohrdrufer Wolfsfähe mit der Bezeichnung „GW267f“ hatte sich im Jahr 2017 mit einem Haushund verpaart und sechs Wolf-Hund-Hybriden geboren. Bis Ende März 2018 wurden drei dieser Tiere letal entnommen. Im April 2019 erfolgte der Abschuss des letzten auf dem Standortübungsplatz Ohrdruf verbliebenen, männlichen Wolf-Hund-Hybriden. Über den Verbleib der zwei weiteren Tiere ist nichts bekannt – seit Mitte 2018 konnten diese jedoch weder genetisch noch anhand von Fotofallen-aufnahmen nachgewiesen werden. Anfang 2019 verpaarte sich die Wolfsfähe mit dem sich zu diesem Zeitpunkt noch im Gebiet befindenden Nachkommen aus dem Jahr 2017. Aus der Verpaarung ergaben sich wiederholt Hybrid-Welpen. Mittlerweile ist davon auszugehen, dass sich der zuletzt Ende Mai 2020 im Territorium OHR nachgewiesene Hybrid aus dem Wurf im Jahr 2019 nicht mehr im Territorium aufhält.

Über genetische Untersuchungen konnte belegt werden, dass die Ohrdrufer Wolfsfähe aus dem Spremberger Rudel in Sachsen stammt. Die Herkunft des Wolfsrüden „GW1264m“, der sich seit Anfang 2019 im Territorium OHR aufhält, ist nicht bekannt. Die Individuenbezeichnungen für Wölfe setzen sich aus der Buchstabenkombination „GW“ für „Genetic Wolf“ sowie einer individuenspezifischen Zahlenkombination zusammen. Darauf folgt das Kürzel „f“ für „female“ (weibliche Tiere) bzw. „m“ für „male“ (männliche Tiere). Tabelle 6 auf Seite 16 gibt einen Überblick über die in Thüringen bestätigten Wolfsvorkommen, Tabelle 7 führt die bestätigten Wolfsterritorien inkl. Angaben zu Reproduktions-status und Welpenanzahl auf, in Tabelle 8 sind die in Thüringen nachgewiesenen Individuen gelistet (Stand: 31.12.2020).

Nachdem die Ohrdrufer Fähe GW267f Mitte Mai 2020 auf einer Fotofallenaufnahme mit laktierendem Gesäuge nachgewiesen wurde, war der Reproduktionsnachweis für das Territorium für das aktuelle Monitoringjahr 2020/2021 (01.05.2020 - 30.04.2021) erbracht. Im weiteren Verlauf des Jahres 2020 konnten vier Welpen per Fotofallen abgelichtet werden. Im Oktober 2020 gelang schließlich der genetische Artnachweis. Zuvor war im Kerngebiet des Ohrdrufer Territoriums intensiv nach Wolfskot für genetische Analysen gesucht worden. Über die Untersuchung zweier Kotproben konnten zwei Wolfsfähen identifiziert werden, bei denen es sich um Nachwuchs aus der Verpaarung der Ohrdrufer Wolfsfähe sowie des Ohrdrufer Wolfsrüden handelt. Die nachgewiesenen Jungtiere erhielten die Bezeichnungen „GW1845f“ und „GW1846f“ und stellen den ersten Wolfsnachwuchs in Thüringen, nach der mehr als 100-jährigen Abwesenheit der Tierart im Freistaat dar.

Im November 2020 ließen Fotofallenaufnahmen vermuten, dass möglicherweise nicht wie bis dato angenommen, nur vier, sondern insgesamt fünf Wolfswelpen im Rudel Ohrdruf leben. Diese Vermutung basierte auf drei verschiedenen Aufnahmeereignissen: am 25. Oktober entstanden um 19:24 Aufnahmen von vier Welpen, die nacheinander abgelichtet wurden. Nur vier Minuten später wurde ein einzelner Welpe, ca. 1,2 km entfernt, ebenfalls von einer Fotofalle erfasst. Dieser einzelne Wolf scheint dieselbe Strecke zurückgelegt zu haben, wie seine Geschwister, da er 23 Minuten später ebenfalls an dem Standort vorbeikommt, an dem zuvor die Aufnahmen der vier Welpen entstanden. Aufgrund der Distanz zwischen den Standorten und der kurzen Zeitspanne zwischen den Aufnahmen ist es möglich, dass es sich beim dem einzeln fotografierten Wolf um ein fünftes Jungtier handelt. Um der genauen Anzahl an Jungtieren nachzugehen, werden das aktive Fotofallenmonitoring sowie die intensive Suche nach Kot im Territorium Ohrdruf fortgeführt.

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Tab. 6: Übersicht über Wolfsvorkommen in Thüringen (Stand: 31.12.2020). Hinweis: Das Wolfsvorkommen OHR wird für das Monitoringjahr 2020/2021 bereits als Rudel geführt, da Reproduktion nachgewiesen wurde.

Monitoringjahr Rudel Paar Territoriales Einzeltier

Territorien

2014/2015 0 0 1 1 2015/2016 0 0 1 1 2016/2017 0 0 1 1 2017/2018 0 0 1 1 2018/2019 0 0 1 1 2019/2020 0 1 0 1 2020/2021 1 0 0 1

Tab. 7: Wolfsterritorien in Thüringen mit Angaben zu Reproduktionsstatus und Welpenanzahl (Stand: 31.12.2020).

Territorium Status Reproduktion (ja / nein) Mindestanzahl Welpen

Bemerkung

Ohrdruf Rudel ja 4(-5) Erster Reproduktions-nachweis: Fähe mit laktierendem Gesäuge; Nachweis von mind. 4 (möglicherweise 5) Welpen über Fotofallenaufnahmen; genetische Identifizierung von zwei weiblichen Nachkommen

Tab. 8: Residente Wolfsindividuen in Thüringen (Stand: 31.12.2020). Individuum Zugehörigkeit Herkunft

GW267f Rudel Ohrdruf (OHR) Rudel Spremberg (Sachsen) GW1264m Rudel Ohrdruf (OHR) Herkunftsrudel unbekannt GW1845f Rudel Ohrdruf (OHR) Rudel Ohrdruf (Thüringen) GW1846f Rudel Ohrdruf (OHR) Rudel Ohrdruf (Thüringen)

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Abb. 6: Räumliche Lage der bestätigten Wolfsterritorien in Thüringen (Stand 31.12.2021).

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Abb. 7: Ungefähre Lage des Territoriums „Ohrdruf“ zwischen den Orten Schwabhausen, Arnstadt und Crawinkel.

Im Rahmen des Intensivmonitorings auf und um den Standortübungsplatz Ohrdruf konnten interessante Erkenntnisse über das Raum-Zeit-Verhalten der Ohrdrufer Wolfswelpen gewonnen werden. So entstanden z.B. im Oktober 2020 weniger Tagaufnahmen, als in den Monaten zuvor, da die Jungtiere im Vergleich häufiger nachts unterwegs waren und sich damit dem Verhalten der Elterntiere anpassten. Außerdem wurden die Welpen zum Ende des Jahres hin regelmäßig zusammen mit mindestens einem Elterntier fotografiert – möglicherweise zum Zweck der Jagd – und waren darüber hinaus im Vergleich großräumiger unterwegs, als in den Monaten zuvor. Bereits ab September 2020 zeichnete sich ab, dass die Jungtiere ihre Streifzüge von ihrem zentralen Aufenthaltsschwerpunkt aus leicht vergrößerten. 4.2 Luchsvorkommen Die in Thüringen nachgewiesenen Luchse gehören der Harzer Population an. Diese geht auf die Wiederansiedlung von 24 Gehegenachzuchten (15 Katzen, 9 Kuder) zurück, die zwischen den Jahren 2000 und 2006 im Nationalpark Harz ausgewildert wurden.

Neben der Harzer Luchspopulation existieren in Deutschland noch zwei weitere Teilpopulationen: Die Population in Bayern, als Teil der bayerisch-böhmisch-österreichischen Luchspopulation, sowie die Population im Pfälzer Wald in Rheinland-Pfalz. Beide gehen, wie die Population im Harz, auf die Auswilderung von Luchsen zurück. Des Weiteren liegen einzelne Nachweise von Luchsen aus den Bundesländern Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen vor.

Im Mai 2015 erfolgte in Thüringen der erste Reproduktionsnachweis beim Luchs nach der Ausrottung der Tierart: Im nördlichen Teil des Landkreises Eichsfeld konnte eine Luchsin mit fünf Nachkommen per Fotofalle abgelichtet werden. Da die Katze jedoch im darauffolgenden Dezember skelettiert

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aufgefunden wurde, ist es sehr wahrscheinlich, dass der Nachwuchs nicht überlebt hat, da die Jungtiere zu diesem Zeitpunkt noch von ihrer Mutter abhängig sind.

Im Rahmen des Monitoringprojektes „Verbreitung und Abundanz des Luchses in Nordwest-Thüringen“ des BUND Landesverband Thüringen und der Universität Göttingen konnten im Jahr 2019 über ein intensiviertes Fotofallenmonitoring in den Landkreisen Nordhausen und im Eichsfeld vier adulte, territoriale Luchse in Thüringen nachgewiesen werden. In einem Fall handelte es sich um eine Luchsfamilie (Katze mit drei Jungtieren). Die Identifikation der Tiere erfolgte anhand von Fotofallenbildern über das Fellmuster, das eine Individualisierung beim Luchs ermöglicht. Zwei der nachgewiesenen Tiere, ein Kuder und eine Katze, wurden im thüringischen Teil des Harzes (Südharz) nachgewiesen. Zwei weitere Tiere, ebenfalls ein männliches und ein weibliches Tier, wurden im nördlichen Teil des Landkreises Eichsfeld erfasst. Im Rahmen des Projektes wurden außerdem drei weitere adulte Einzeltiere erfasst – ob es sich dabei um territoriale Tiere handelt, ist nicht bekannt. In den vergangenen Jahren gab es einzelne Nachweise zu Luchsen im Mittleren Thüringer Wald, im Thüringer Schiefergebirge, dem thüringischen Teil der Rhön sowie dem Hainich. Bei den vorliegenden Daten handelt es sich um „Mindestzahlen“, da im Rahmen des Monitorings möglicherweise nicht alle Individuen in einem bestimmten Gebiet erfasst werden konnten. Tabelle 9 gibt einen Überblick über die in Thüringen nachgewiesenen, territorialen Luchsvorkommen.

Tab. 9: Übersicht über Luchsvorkommen in Thüringen*.

Monitoring-Jahr Familie Territoriales Einzeltier

Territorien Bemerkung

2015/2016 1 0 1 Luchsin mit 3 Jungtieren; Vorkommen erloschen

2019/2020 1 3(-4) 3(-4) 2 ad. Tiere im Südharz (1 x ?, 1 x w) & 2 ad. Tiere im Eichsfeld (1 x m, 1 x w)

2020/2021 2 2 4 2 Luchsinnen mit 2 bzw. 1 Jungtier(en) (NDH und EIC)

* Für die Jahre 2016 - 2019 liegen keine Daten aus einem aktiven Monitoring vor. Luchsen werden grundsätzlich verschiedene Bezeichnungen zugeteilt: Werden die Tiere anhand ihrer individuellen Fellzeichnung beidseitig per Fotofallenaufnahmen identifiziert, lautet die Bezeichnung z.B. „B1019m“, wobei die Nummer hinter dem Buchstabe „B“ individuenspezifisch ist und das „m“ für das Geschlecht des Tieres steht (m = männlich, w = weiblich). Werden Luchse nur einseitig per Fotofallenaufnahmen identifiziert, lautet die Bezeichnung z.B. „L1019m (nur linke Seite bekannt) oder „R1019m“ (nur rechte Seite bekannt). Die L- und R-Bezeichnungen können zu B-Bezeichnungen zusammengefasst werden, wenn Aufnahmen beider Körperseiten des Tieres vorliegen. Unabhängig von Fotofallenaufnahmen werden Bezeichnungen vergeben, wenn Luchse über genetische Untersuchungen nachgewiesen wurden. Die entsprechende Bezeichnung lautet z.B. „LL1042w“, wobei es sich bei den Buchstaben um die Anfangsbuchstaben des lateinischen Artnamens (Lynx lynx) handelt. Die Nummer ist wie bei der Fotofallenbezeichnung individuenspezifisch, das Kürzel am Ende gibt das Geschlecht wider. Neben den Foto- / Video- und Genetikbezeichnungen existieren Bezeichnungen für besenderte Tiere, die z.B. „M17“ (M = male - männlich) oder „F5“ (F = female - weiblich) lauten.

Bei der in Tabelle 9 für das Monitoringjahr 2019/2020 aufgeführten Luchsfamilie handelt es sich um die Luchsin B1042w, die im August 2019 mit mindestens zwei Jungtieren von einer selbstauslösenden Wildkamera im Thüringer Teil des Harzes abgelichtet wurde. Ebenfalls im Südharz nachgewiesen wurde das Tier L1001x. Die entsprechende Fotofallenaufnahme zeigt nur die linke Körperseite des

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Tieres und lässt keinen Rückschluss auf das Geschlecht zu, daher schließt die Individuenbezeichnung mit einem „x“ ab. Es handelt sich um ein adultes Tier, dessen Territorialität nicht bekannt ist. Der Luchskuder B1019m wurde bis Oktober 2019 regelmäßig auf Fotofallen im Eichsfeld nachgewiesen. Das Tier konnte zwar auch in Niedersachsen bestätigt werden, es hat seinen Aufenthaltsschwerpunkt aber sehr wahrscheinlich in Thüringen und kommt nur sporadisch, z.B. zur Ranzzeit, nach Niedersachsen. Die Luchsin B1073w wurde ebenfalls im Eichsfeld nachgewiesen. Im 2. Halbjahr 2020 konnte sie mit einem Jungtier abgelichtet werden. Damit liegen sowohl für den Landkreis Nordhausen (1 Luchsin, mind. 2 Jungtiere), als auch für den Landkreis Eichsfeld (1 Luchsin, mind. 1 Jungtier) Reproduktionsnachweise vor. Sowohl das Individuum B1073w, als auch L1001x wurden bisher weder in Niedersachsen, noch in Sachsen-Anhalt, sondern ausschließlich im thüringischen Teil des Harzes bestätigt. Innerhalb des letzten Monitoringjahres wurden weitere Luchse in Thüringen nachgewiesen, die ihren Aufenthaltsschwerpunkt jedoch in den Nachbarbundesländern Niedersachsen oder Sachsen-Anhalt haben und daher dort „geführt“ werden. Im zweiten Halbjahr 2020 konnte neben dem Luchskuder B1066m und der Luchsin B1042w (beide im Südharz im Landkreis Nordhausen) auch ein besenderter Luchs mit der Bezeichnung „M17“ mehrfach über Fotofallenaufnahmen im Eichsfeld nachgewiesen werden (s. S. 20). Darüber hinaus handelt es sich bei der im Eichsfeld nachgewiesenen Luchsin mit Nachwuchs sehr wahrscheinlich um die Luchsin B1073w, die dort bereits im Monitoringjahr 2019/2020 nachgewiesen wurde. Tabelle 10 gibt einen Überblick über die in Thüringen im Jahr 2020 über Fotofallenaufnahmen und Senderdaten nachgewiesenen Luchsindividuen. Da Sichtbeobachtungen inkl. Fotos zu einer adulten Luchsin mit drei Jungtieren aus dem Landkreis Nordhausen vorliegen, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Luchsin B1042w nicht nur ein, sondern drei Jungtiere führt, obgleich eine eindeutige Identifizierung der Luchsin anhand der Fotos nicht möglich ist.

Tab. 10: Übersicht über die in Thüringen nachgewiesenen Luchsindividuen (Stand: 31.12.2020).

Individuum Landkreis Datum letzter Nachweis (Nachweisart) in 2020

Bemerkung

B1019m Eichsfeld 19.05.2020 (Fotofallenaufnahme) M17 Eichsfeld 23.09.2020 (Fotofallenaufnahme) verstorben

B1042w Nordhausen 20.09.2020 (Fotofallenaufnahme) mit einem Jungtier B1066m Nordhausen 23.09.2020 (Fotofallenaufnahme) B1073w Eichsfeld 23.10.2020 (Fotofallenaufnahme) mit einem Jungtier

Über das Monitoringprojekt des BUND und der Universität Göttingen gingen im Laufe des Jahres 2020 10 Fotofallenaufnahmen eines männlichen Luchses ein, der im Rahmen des Luchsprojektes im Harz besendert worden war. Bei der Besenderung des Tieres waren routinemäßig Blutproben genommen worden, deren Untersuchung im Nachgang die Erkenntnis erbrachte, dass das Tier an dem Felinen Leukämie-Virus (FeLV) erkrankt war. Es handelt sich dabei um eine für den Menschen ungefährliche Erkrankung, die bei Katzen tödlich verlaufen kann. Der Kuder mit der Bezeichnung „M17“ hielt sich hauptsächlich bei Hundeshagen auf. Dort wurde er am 12.10.2020 tot aufgefunden, nachdem die Senderdaten am Wochenende zuvor auf ein Ableben des Tieres hingedeutet hatten. Im Rahmen der Todfunduntersuchung bestätigte sich der Verdacht, dass das Tier aufgrund der Virusinfektion verstarb. Abbildung 8 auf Seite 21 zeigt den Kuder vor seinem Ableben.

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Abb. 8: Luchskuder M17 (Foto: BUND Landesverband Thüringen).

Über das Monitoringprojekt des BUND und der Universität Göttingen konnten im Laufe des aktuellen Monitoringjahres 2020/2021 (01.05.2020 – 30.04.2021), im gesamten Jahr 2020, neun unterschiedliche (sub)adulte Luchsindividuen über Fotofallenaufnahmen in den Landkreisen Nordhausen und Eichsfeld nachgewiesen werden. Fünf davon sind bekannte Individuen (s. Tab. 10, S. 20), vier Individuen sind bisher nicht bekannt – die entsprechenden Tiere verfügen (noch) nicht über Fotofallenbezeichnungen. Auch die Territorialität der Tiere ist noch nicht geklärt.

In Thüringen konnten im Zeitraum 2014 - 2020 insgesamt acht verschiedene Luchsindividuen genetisch nachgewiesen werden. Dabei handelt es sich um eine Minimalangabe – weitere Individuen könnten sich in dem Zeitraum in Thüringen aufgehalten haben, ohne dabei genetisch nachgewiesen worden zu sein. Abbildung 18 auf Seite 22 zeigt die Fundpunkte der jeweiligen Genetikproben, über die die Individuen nachgewiesen wurden. Den Individuenbezeichnungen in der Legende in Klammern nach-gestellt ist das jeweilige Datum des letzten Nachweises des Individuums.

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Abb.

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55. Herkunft nachgewiesener WolfsindividuenIm Zeitraum 2005 - 2021 konnten in Thüringen insgesamt 16 verschiedene Wolfsindividuen genetisch nachgewiesen werden. In vier Fällen handelt es sich um vier der im Territorium Ohrdruf residenten Wölfe (beide Elterntiere sowie zwei der Nachkommen).

Abbildung 15 auf Seite 24 gibt einen Überblick über die Herkunft der Individuen. Die Herkunft der Tiere, deren Bezeichnungen in schwarzer Schriftfarbe gehalten sind, ist unbekannt. Die Wolfs-individuen, die in Thüringen geboren wurden (GW1845f und GW1846f = Nachkommen Ohrdruf) sind in der Karte nicht dargestellt. Die Pfeile stellen NICHT die exakten Wanderrouten der Tiere dar.

Die Abbildung zeigt, dass der meiste „Zulauf“ mit insgesamt vier Individuen aus Brandenburg erfolgte. Zwei Wölfe wanderten aus Sachsen ein, ein Individuum aus Bayern. Im Jahr 2020 konnte erstmalig eine Wolfsfähe aus einem anderen Land in Thüringen nachgewiesen werden: Das Tier GW1723f stammt aus dem Rudel „Vysluní“ in Tschechien, das im Grenzbereich zu Sachsen liegt. Zwischen dem Herkunfts-rudel und dem Nachweispunkt in Thüringen liegen ca. 160 km Luftlinie.

Die Zuwanderung der genetisch nachgewiesenen Individuen erfolgte überwiegend aus nordöstlicher Richtung. Eine Ausnahme stellt der Wolfsrüde GW942m dar, welcher aus Bayern in Richtung Norden wanderte. Alle in Thüringen genetisch nachgewiesenen Individuen stammen aus unterschiedlichen Wolfsrudeln.

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Abb.

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66. NutztierschädenIm Zeitraum 01. Juli bis 31. Dezember 2020 wurden insgesamt 54 Schadensereignisse mit Nutztieren gemeldet. Dabei wurde die Tierart Wolf in 24 Fällen amtlich festgestellt. Die Tierart Luchs wurde in keinem Fall als Verursacher festgestellt.

Im Jahr 2019 wurde die Tierart Wolf bei 89 Schadensereignissen amtlich festgestellt. Im Jahr 2020 gab es mit 24 amtlich festgestellten Wolfsrissen 66 weniger Rissvorfälle mit Wolfsbeteiligung, als im Jahr zuvor. Einen Beitrag zur Reduzierung von Rissen konnte durch den Einsatz von Herdenschutzhunden im Raum Ohrdruf erreicht werden. Die Anzahl an Rissereignissen sank im Vergleich zum Vorjahr deutlich ab. Abbildung 11 zeigt die Schadensstatistik für Thüringen für die vergangenen Jahre. Grundlage sind die Meldungen zu Schadensereignissen mit Nutztieren (Schafe, Ziegen, Rinder, Pferde, Gatterwild). Für die Jahre 2019 und 2020 sind Zahlenwerte angegeben.

Abb. 11: In Thüringen gemeldete sowie wolfsverursachte Schadensfälle im Zeitraum 2014 - 2020 (mit Zahlen-angaben zu den Jahren 2019 und 2020).

Im August 2020 gelang Mitarbeiterinnen des TMUEN in Kooperation mit einem Schäfer über ein Intensivmonitoring auf einer Weidefläche bei Ohrdruf der fotografische Nachweis, dass die Ohrdrufer Wolfsfähe GW267f in der Lage ist, den optimalen technischen Herdenschutz durch Springen zu überwinden. Die Fähe konnte in den betreffenden Nächten nicht nur über Fotofallenaufnahmen, sondern darüber hinaus auch genetisch, über Rissabstriche, auf den Weideflächen nachgewiesen werden. Der Einsatz von Herdenschutzhunden wurde daher, im Rahmen des vom TMUEN unterstützten Modellprojektes „Fachstelle Herdenschutzhunde Thüringen“, vorangetrieben.

Dass Wölfe nachweislich die von den Bundesländern als optimal empfohlenen Herdenschutz-maßnahmen überwinden, kommt äußerst selten vor. Die Tiere sind aber aufgrund ihrer körperlichen Statur und Intelligenz in der Lage, Schutzmaßnahmen zu umgehen und z.B. Zäune zu überspringen – wenn es ihnen mehrfach gelungen ist unzureichend geschützte Weidetiere zu erbeuten und sie diese im Zuge dessen als einfach zugängliche Nahrungsquelle erkannt haben. Es ist daher wichtig, Weidetiere optimal vor Wolfsübergriffen zu schützen, um zu verhindern, dass einzelne Wölfe lernen, Schutzmaßnahmen zu umgehen und Weidetiere zu erbeuten. Letztendlich wird durch die frühzeitige und konsequente Umsetzung von empfohlenen, optimalen Herdenschutzmaßnahmen größerer Schaden verhindert.

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Bei den im Jahr 2020 bei bestätigten Wolfsübergriffen betroffenen toten und verletzten Nutztieren handelt es sich in 21 Fällen um Schafe und in vier Fällen um Ziegen. Weitere tote Schafe sowie Ziegen wurden gemeldet und begutachtet, der Wolf konnte in den entsprechenden Fällen jedoch als Verursacher nicht bestätigt werden. Ebenso verhält es sich mit 15 gemeldeten, neu geborenen oder noch sehr jungen Rinderkälbern sowie einem neu geborenen Pferdefohlen. Abbildung 12 stellt die betroffenen Nutztierarten bei Schadensereignissen im Jahr 2020 dar.

Abb. 12: Betroffene Nutztierarten bei bestätigten Wolfsübergriffen in Thüringen im Jahr 2020.

In 17 der gemeldeten 54 Schadensereignisse war der empfohlene, optimale Schutz der Weidetiere gegeben. In 21 Fällen lag der optimale Schutz nicht vor, für die 16 Fälle mit Rinder-Kälbern sowie für das Schadensereignis mit dem Pferdefohlen ist der optimale Schutz nicht definiert.

Abb. 13: Stand der Umsetzung des optimalen Herdenschutzes bei Schadensereignissen mit Nutztieren in Thüringen.

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Die Wolfsverursachten Nutztierschäden konzentrierten sich im Jahr 2020 im Wesentlichen auf die Region um Ohrdruf, wobei die Übergriffe größtenteils vor dem Einsatz von Herdenschutzhunden, zwischen Beginn und Mitte des Jahres 2020, stattfanden. Abbildung 14 auf Seite 28 stellt die räumliche Verteilung der wolfsverursachten Nutztierschäden dar.

Um langfristig Schäden an Nutztieren effizient zu reduzieren, ist ein optimaler Schutz der Tiere notwendig. Dieser wird durch den Freistaat Thüringen im gesamten Bundesland zu 100 % gefördert. Informationen hierzu finden Sie auf der Internetseite des TMUEN zu finden:

https://umwelt.thueringen.de/themen/natur-artenschutz/kompetenzzentrum/foerderantraege-praeventionsmassnahmen-schadensregulierung

Eine Übersicht über Schäden an Nutztieren für das aktuelle Jahr 2021, sowie für alle vorhergehenden Jahre kann auf der Internetseite des TMUEN eingesehen werden:

https://umwelt.thueringen.de/themen/natur-artenschutz/kompetenzzentrum/ schadensbegutachtung

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77. Umgang mit Wolf-Hund-HybridenObwohl die Entwicklung der Wolfspopulation in Deutschland einen deutlich positiven Trend zeigt, ist es nicht ausgeschlossen, dass der Bestand in Einzelfällen durch das Auftreten von Hybridisierungen beeinträchtigt werden kann. Im Jahr 2003 gab es den ersten in Deutschland nachgewiesenen Fall einer Verpaarung einer Wolfsfähe mit einem Haushund bei Neustadt a. d. Spree im Nordosten Sachsens. 14 Jahre später, im Oktober 2017, wurde ein weiterer Fall einer Verpaarung zwischen einer Wölfin und einem Haushund bekannt. Die in Thüringen seit Mai 2014 im Bereich des Truppenübungsplatz Ohrdruf ansässige Wölfin verpaarte sich im Frühjahr 2017 in Ermangelung eines Wolfsrüden mit einem Haushund und brachte Wolf-Hund-Hybriden zur Welt. Die Nachkommen wurden entnommen bzw. konnten nicht mehr nachgewiesen werden. Anfang 2019 verpaarte sich die Fähe mit einem ihrer Nachkommen – dem letzten im Territorium Ohrdruf noch verbliebenen Wolf-Hund-Mischling, bevor dieser letal entnommen werden konnte.

Aus Sicht des internationalen Artenschutzes sind Hybridisierungen zwischen Wildtierarten und ihren domestizierten Formen unerwünscht und zu vermeiden, da das Eindringen von Hundegenen in den Genpool der Wolfspopulation nachteilige Auswirkungen auf die Population haben kann. Hybriden sind deshalb aus Gründen des Artenschutzes aus der Natur zu entnehmen (REINHARDT et al. 2015). Diese fachliche Einschätzung ist auch gesetzlich verankert: Paragraph 45a des Bundesnaturschutzgesetzes regelt den Umgang mit dem Wolf – unter Absatz 3 heißt es, dass Vorkommen von Wolfshybriden in der freien Natur durch die für Naturschutz und Landschaftspflege zuständige Behörde zu entnehmen sind. Die Mischlinge können unter Umständen weniger gut an ein Leben in freier Natur angepasst und die wolfstypische Vorsicht geringer ausgeprägt sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass Hybriden häufiger in Konflikt mit dem Menschen geraten, wird daher als höher, als bei Wölfen eingeschätzt. Hinweise darauf, dass wildlebende Hybriden für den Menschen tatsächlich gefährlicher sind als wildlebende Wölfe, gibt es jedoch nicht (L. BOITANI, pers. Mittl. an die DBBW) – dies gilt auch für die Hybriden in Thüringen.

Eine notwendige Entnahme kann sowohl nicht-letal (Fang und Verbringung in ein Gehege) als auch letal (Tod durch Beschuss) erfolgen. Die Entscheidung welche Maßnahme angewendet wird, ist u.a. vom Zeitpunkt der geplanten Entnahme abhängig.

Hybridisierungen mit Haushunden inklusiver aller damit verbundener Kosten, personeller Aufwendungen und negativer Folgen für die Tiere können verhindert werden, indem Hundebesitzer verantwortungsvoll mit ihren Vierbeinern umgehen. Dazu gehört, dass Hunde im Freien an der Leine geführt bzw. beaufsichtigt werden.

Von den ursprünglich im Territorium Ohrdruf nachgewiesenen fünf Hybrid-Welpen aus dem Jahr 2019 wurden drei Tiere im Rahmen von Managementmaßnahmen erlegt. Einer der Hybriden wurde zuletzt im Mai 2020 per Fotofallenaufnahmen nachgewiesen. Über den Verbleib des Tieres ist nichts bekannt. Aufgrund der ausbleibenden Nachweise ist mittlerweile stark davon auszugehen, dass das Tier abgewandert oder verstorben ist, sich jedenfalls nicht mehr im Territorium Ohrdruf aufhält. Sollte das Tier abgewandert sein, würde es vermutlich über Sichtungen, Fotofallenaufnahmen und / oder genetische Nachweise in Thüringen oder in einem anderen Bundesland in Erscheinung treten. Bis dato erfolgten keine weiteren Nachweise des Tieres. Ein schwarz gefärbter Hybrid aus 2019 konnte erstmalig und gleichzeitig zuletzt per Fotofalle im Juli 2019 nachgewiesen werden. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass das Tier nicht mehr lebt, da es zum Zeitpunkt des letzten Nachweises deutlich zu früh für eine Abwanderung des Jungtieres war. Damit ist davon auszugehen, dass alle Hybriden aus dem Wurf im Jahr 2019 nicht mehr leben.

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Mittlerweile konnte genetisch bestätigt werden, dass sich die Ohrdrufer Wolfsfähe Anfang 2020 mit dem Wolfsrüden GW1264m verpaarte, der sich bereits seit ca. einem Jahr im Territorium Ohrdruf aufhielt.

88. Umgang mit „verhaltensauffälligen“ Wölfen / LuchsenDem Kompetenzzentrum Wolf, Biber, Luchs wurde im 2. Halbjahr 2020 ein vermeintlich verhaltens-auffälliger Luchs gemeldet. Es handelte sich dabei um einen Jungluchs, der sich vor der Eingangstüre eines Forsthauses aufhielt, scheinbar unbeeindruckt von Hund und Herrchen im Inneren des Gebäudes. Nach Rücksprache mit den Luchsexperten des Nationalpark Harz stand schnell fest, dass das beobachteten Verhalten des Jungluchses nicht als problematisch einzustufen war. Junge Luchse verhalten sich in der Regel neugierig und naiv und zeigen noch nicht die Vorsicht, die für adulte Luchse typisch ist. Welcher Umstand in dem betreffenden Fall ursächlich für das Verhalten des Tieres war kann nur vermutet werden – das junge und noch unerfahrene Tier war womöglich neugierig und an dem durch die Glastür zu sehenden Hund oder an seinem Spiegelbild interessiert.

In der dicht besiedelten Kulturlandschaft kommt es zwangsläufig zu Nahbegegnungen mit Wildtieren. Solange dabei keine Gefahr für den Menschen besteht, ist kein Handeln seitens der Behörden erforderlich. Ein Einschreiten wäre notwendig, wenn ein Tier über einen längeren Zeitraum hinweg regelmäßig in der Nähe von Ortschaften und Häusern auftaucht.

Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf hat hinsichtlich des Umgangs mit Wölfen, die bestimmte Verhaltensmuster an den Tag legen, Empfehlungen verfasst, die in einer entsprechenden Broschüre des Bundesamtes für Naturschutz (BfN) nachgelesen werden können (s. Literaturverzeichnis). Entsprechende verschriftliche Empfehlungen für Luchse existieren bisher nicht.

Demnach als grundsätzlich ungefährlich einzustufen sind Situationen, in denen Wölfe

sich bei Dunkelheit an Ortschaften entlang oder durch Siedlungen hindurchbewegensich im Hellen in Sichtweite von Ortschaften / Einzelgehöften bewegennicht sofort beim Anblick von Menschen und Autos flüchten, sondern stehen bleiben undbeobachten.

Um zu vermeiden, dass sich Wölfe bzw. Luchse aufgrund positiver Erfahrungen in Verbindung mit dem Menschen stark an diesen gewöhnen, dürfen die Beutegreifer nicht angelockt oder gefüttert werden. Aus diesem Grund sind insbesondere in Gebieten mit bestätigten Wolfs- und / oder Luchsvorkommen Abfälle, Speisereste und Haustierfutter für Wildtiere unzugänglich aufzubewahren.

Sollte es in Einzelfällen zu ungewöhnlichen Situationen kommen, die ein Handeln seitens der Behörden erfordern, werden – entsprechend der nationalen Empfehlungen – das Monitoring vor Ort intensiviert und die lokale Bevölkerung über die Situation und notwendigen Maßnahmen informiert.

Auch die Besenderung von Tieren ist eine Möglichkeit, einem auffälligen Verhalten auf den Grund zu gehen. Da eine solche Maßnahme jedoch aufwendig ist und nicht immer gelingt, ist die Mitarbeit der Bevölkerung vor Ort, in Form des Weiterleitens von Hin- und Nachweisen, wichtig.

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99. Wolfs- / LuchsbegegnungIn den meisten Fällen, in denen Menschen auf Wölfe bzw. Luchse treffen, bleiben die Tiere kurz stehen, um die Situation einzuschätzen und ziehen sich dann ruhig und meist unbeeindruckt zurück. Bei Begegnungen in Begleitung von Hunden kann es vorkommen, dass die Beutegreifer mehr Interesse zeigen. Wenn Wölfe bzw. Luchse den Menschen erst spät wahrnehmen, z.B. aufgrund der Wind-verhältnisse, flüchten die Tiere häufig regelrecht.

Wildtiere wie Wölfe und Luchse meiden zwar in der Regel den direkten Kontakt zu Menschen, sie sind jedoch an menschliche Strukturen wie z.B. Straßen und Häuser gewöhnt. Daher kann die Fluchtdistanz zu einer Person, die sich in einem Fahrzeug befindet, deutlich geringer ausfallen, als die Fluchtdistanz, die ein Wolf bzw. Luchs bei der Begegnung mit einem Menschen zu Fuß an den Tag legt.

Generell sollte vermieden werden, sich Wildtieren anzunähern. Das gilt auch für Wolf und Luchs. Versuchen Sie bei einer Begegnung Ruhe zu bewahren und beobachten Sie, wie sich das Tier verhält. Im Idealfall gelingt es Ihnen, die Situation per Handy oder Kamera aufzunehmen. Sollte Ihnen die Situation unangenehm sein, können Sie sich durch Lärm (Rufe, Klatschen,…) bemerkbar machen. Sie sollten vermeiden, panikartig zu flüchten – besser ist ein langsamer Rückzug, bei dem Sie das Tier im Auge haben. Sollten Sie in Begleitung eines Hundes sein, nehmen Sie diesen an die Leine oder halten sie ihn ggf. am Halsband fest, um eine Begegnung zwischen Hund und Beutegreifer zu vermeiden. Begegnungen zwischen Hund und großem Beutegreifer müssen nicht zu einem Schaden führen, im Zweifel sind Wolf bzw. Luchs aber überlegen und verteidigen sich erfolgreich.

10. Zitierte LiteraturDBBW (DOKUMENTATIONS- UND BERATUNGSSTELLE DES BUNDES ZUM THEMA WOLF): Wolfsmanagement. Umgang mit Hybriden <https://dbb-wolf.de/Wolfsmanagement/Bundesländer/umgang-mit-hybriden>. Stand: 04.08.2020. Zugriff: 04.08.2020.

REINHARDT, I., KACZENSKY, P., KNAUER, F., RAUER, G., KLUTH, G., WÖLFL, S., HUCKSCHLAG, D. & U. WOTSCHIKOWSKY (2015): Monitoring von Wolf, Luchs und Bär in Deutschland. BfN-Skripten 413. In: BfN-Skripten.

REINHARDT, I., KACZENSKY, P., FRANK, J., KNAUER, F. & G. KLUTH (2018): Konzept im Umgang mit Wölfen, die sich Menschen gegenüber auffällig verhalten. BfN-Skripten 502. In: BfN-Skripten.

11. Weiterführende LiteraturMonitoring & Forschung

STIFTUNG KORA: <https://www.kora.ch/index.php?id=32&L=0>.

Herdenschutz

AGRIDEA: Herdenschutz in der Schweiz. < http://www.herdenschutzschweiz.ch/>. Zugriff: 01.07.2020. AGRIDEA: Newsletter-Reihe „Carnivore Damage Prevention News“ (CDPNews). <http://www.protectiondestroupeaux.ch/cdpnews/>. Zugriff: 01.07.2020.

BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (BFN) (2019): Empfehlungen zum Schutz von Weidetieren und Gehegewild vor dem Wolf. Konkrete Anforderungen an die empfohlenen Präventionsmaßnahmen. <https://www.bfn.de/fileadmin/BfN/service/Dokumente/skripten/Skript530.pdf>. Zugriff: 01.07.2020.

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112. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis12.1 Abbildungen Abb. 1 Gebietskulisse für das Monitoring von Wolf und Luchs in Thüringen 3 Abb. 2 Räumliche Verteilung der Nach- und Hinweise zu Wolf und Luchs in Thüringen 10 Abb. 3 Wolfsmeldungen aus dem Zeitraum 01.07.2020 – 31.12.2020 nach Meldungsarten (ohne Schadens-ereignisse mit Nutztieren) 11 Abb. 4 Wolfsmeldungen aus dem Zeitraum 01.07.2020 – 31.12.2020 nach Meldungsarten (ohne Schadens-ereignisse mit Nutztieren) 12 Abb. 5 Luchsmeldungen nach Meldungsarten und Bewertung (01.07.2020 – 31.12.2020) 14 Abb. 6 Räumliche Lage der bestätigten Wolfsterritorien in Thüringen (Stand 31.12.2021) 16 Abb. 7 Ungefähre Lage des Territoriums „Ohrdruf“ zwischen Schwabhausen, Arnstadt und Crawinkel 17 Abb. 8 Luchskuder M17 20 Abb. 9 Landkreise mit territorialen Luchsen in Thüringen (Stand: 31.12.2020) 21 Abb. 10 In Thüringen genetisch identifizierte Luchsindividuen (Stand: 31.12.2020) 22 Abb. 11 In Thüringen gemeldete sowie wolfsverursachte Schadensfälle in den Jahren 2019 und 2020 23 Abb. 12 Betroffene Nutztierarten bei bestätigten Wolfsübergriffen in Thüringen im Jahr 2020 24 Abb. 13 Stand der Umsetzung des optimalen Herdenschutzes bei Schadensereignissen mit Nutztieren in Thüringen 24 Abb. 14 Räumliche Verteilung der Wolfsverursachten Nutztierschäden in Thüringen im Jahr 2020 26 Abb. 15 Herkunft der in Thüringen genetisch nachgewiesenen Wolfsindividuen (Stand: 02.02.2021) 28

12.2 Tabellen Tab. 1 Meldungsarten und mögliche Bewertungskategorien 9 Tab. 2 Anzahl von Luchsmeldungen aus dem Zeitraum 01.07.2020 - 31.12.2020 nach Bewertung (ohne Schadensereignisse mit Nutztieren) 11 Tab. 3 Anzahl an Luchsmeldungen nach Meldungsart (01.07.2020 – 31.12.2020) 12 Tab. 4 Wolfsmeldungen nach Meldungsarten und Bewertungskategorien 13 Tab. 5 Anzahl an Luchsmeldungen nach Meldungsarten und Bewertung (01.07.2020 – 31.12.2020) 14 Tab. 6 Übersicht über Wolfsvorkommen in Thüringen (Stand: 31.12.2020) 15

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Tab. 7 Wolfsterritorien in Thüringen mit Angaben zu Reproduktionsstatus und Welpenanzahl (Stand: 31.12.2020) 16 Tab. 8 Residente Wolfsindividuen in Thüringen (Stand: 31.12.2020) 16 Tab. 9 Übersicht über Luchsvorkommen in Thüringen 18 Tab. 10 Übersicht über die in Thüringen nachgewiesenen Luchsindividuen (Stand: 31.12.2020)

Foto: Jungluchs im Südharz (Quelle: BUND Landesverband Thüringen)

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Titelbild: Luchsin mit Jungtier im Landkreis Eichsfeld (BUND Landesverband Thüringen e.V.)

Stand: 08.02.2021