Nachhaltigkeit in der Musikbranche

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Nachhaltigkeit kommt raus aus der Schlagwort-Ecke Im Livemusikbereich hat sich das Ökobewusstsein manifestiert. Die Green Music Initiative will künftig sogar mit einem Partner „Green Music Energy“ eine Art Branchenstrom anbieten. ber zu verschaffen, wie es dort um den Um- weltschutz bestellt ist. Sieben Festivals, die den Leitfaden befolgen, dürfen sich mit dem SfN-Gütezeichen schmücken. In puncto Nachhaltigkeit sei die deutsche Festivalland- schaft „auf jeden Fall“ ein Schrittmacher, sagt Schmidt, ohne zu verhehlen, dass zum Bei- spiel auch die Skandinavier „unheimlich weit vorn sind“. Als Projekt- und Produktionsleiter von Green Events Europe hatte er im November in Bonn die dritte Ausgabe von Europas führender Konferenz für Nachhaltigkeit in der Livemu- sik- und Eventbranche mit auf die Beine ge- stellt. Dass die internationalen Teilnehmer ran mitarbeitet, sagt: „Sounds For Nature hat unheimlich viel erreicht – vor allem im Festi- valbereich.“ Ein 2003 entwickelter Leitfaden habe nicht nur dazu beigetragen, dass sich re- nommierte Festivals wie „Taubertal“, „Rhein- kultur“, „Rocco Del Schlacko“ oder „Deich- brand“ nachhaltiger aufstellten. Er sei auch ein „Referenzwerk, dessen Inhalt Einfluss auf internationale Programme wie ,green’n’ clean’ der europäischen Festival Association Yourope hatte oder von vielen nachfolgenden grünen Veranstaltungsratgebern übernom- men wurde.“ Ein Green-Team der SfN Foun- dation besuchte 2012 fast 30 Festivals in Deutschland, um sich einen Eindruck darü- Vor zwölf Jahren startete das Projekt Sounds for Nature (SfN) in Kooperation mit der Volkswagen Soundfoundation als Musik- wettbewerb. Junge Musiker und Bands soll- ten Songs einreichen, die keine Horrorszena- rien einer zerstörten Natur in Liedform pa- cken, sondern positive Gefühle und Assozia- tionen mit dem Ökothema wecken. Von den rund 200 Einsendungen wurden drei Bands prämiert. Ihre Namen sind heute mehr oder weniger vergessen. Dagegen entwickelte sich der Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsge- danke in der Musikszene, nicht zuletzt durch SfN, kontinuierlich weiter. Holger Jan Schmidt, der seit vielen Jahren da- musikmarkt 02|13 live entertainment nachhaltigkeit 36 Fotos:xxx Foto: Fotolia: © ferkelraggae,© jehafo / Montage MM

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Wo steht die deutsche Musikbranche in Sachen Nachhaltigkeit? Bericht über die Green Music Initiative, Sounds for Nature und was sonst noch so los ist... Musikmarkt 2 / 13, Autor Gunnar Leue.

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Nachhaltigkeit kommt raus ausder Schlagwort-Ecke

Im Livemusikbereich hat sich das Ökobewusstsein manifestiert. Die Green Music Initiative willkünftig sogar mit einem Partner „Green Music Energy“ eine Art Branchenstrom anbieten.

ber zu verschaffen, wie es dort um den Um-weltschutz bestellt ist. Sieben Festivals, dieden Leitfaden befolgen, dürfen sich mit demSfN-Gütezeichen schmücken. In punctoNachhaltigkeit sei die deutsche Festivalland-schaft „auf jeden Fall“ ein Schrittmacher, sagtSchmidt, ohne zu verhehlen, dass zum Bei-spiel auch die Skandinavier „unheimlich weitvorn sind“.Als Projekt- und Produktionsleiter von GreenEvents Europe hatte er im November in Bonndie dritte Ausgabe von Europas führenderKonferenz für Nachhaltigkeit in der Livemu-sik- und Eventbranche mit auf die Beine ge-stellt. Dass die internationalen Teilnehmer

ran mitarbeitet, sagt: „Sounds For Nature hatunheimlich viel erreicht – vor allem im Festi-valbereich.“ Ein 2003 entwickelter Leitfadenhabe nicht nur dazu beigetragen, dass sich re-nommierte Festivals wie „Taubertal“, „Rhein-kultur“, „Rocco Del Schlacko“ oder „Deich-brand“ nachhaltiger aufstellten. Er sei auchein „Referenzwerk, dessen Inhalt Einfluss aufinternationale Programme wie ,green’n’clean’ der europäischen Festival AssociationYourope hatte oder von vielen nachfolgendengrünen Veranstaltungsratgebern übernom-men wurde.“ Ein Green-Team der SfN Foun-dation besuchte 2012 fast 30 Festivals inDeutschland, um sich einen Eindruck darü-

Vor zwölf Jahren startete das Projekt Soundsfor Nature (SfN) in Kooperation mit derVolkswagen Soundfoundation als Musik-wettbewerb. Junge Musiker und Bands soll-ten Songs einreichen, die keine Horrorszena-rien einer zerstörten Natur in Liedform pa-cken, sondern positive Gefühle und Assozia-tionen mit dem Ökothema wecken. Von denrund 200 Einsendungen wurden drei Bandsprämiert. Ihre Namen sind heute mehr oderweniger vergessen. Dagegen entwickelte sichder Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsge-danke in der Musikszene, nicht zuletzt durchSfN, kontinuierlich weiter.Holger Jan Schmidt, der seit vielen Jahren da-

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dort teilweise sehr kontrovers diskutierten,zum Beispiel „ob man überhaupt mit Sponso-ren zusammenarbeiten darf“, wertet Schmidtnicht als negativ, sondern als positiven Beleg,wie sehr das Thema Nachhaltigkeit vomHype- in den Realbereich gekommen ist.Auch Jacob Bilabel, der mit seiner Green Mu-sic Initiative (GMI) ein vergleichbar engagier-ter Mitstreiter ist, sieht das Thema aus demreinen Schlagwortgerede herausgekommen.Allerdings macht er eine wesentliche Aus-nahme: „Am Musikvertrieb, wo ich ur-sprünglich herkomme, läuft das Thema kom-plett vorbei. Das ist wie bei der Digitalisie-rung, als die meisten ebenfalls dachten, daswird schon vorbei gehen. Sehr ähnlich rea-giert der Musikvertrieb auf die Herausforde-rung Klimawandel. Im Livebereich, im Tou-ring und im Management der Künstler ist dasThema dagegen real angekommen.“ – Wobeies natürlich Künstler gebe, denen es – andersals beispielsweise Radiohead, Seeed, Jan De-lay, Stillers, Fanta Vier, Die Ärzte oder Clueso– völlig egal sei, woher der Strom komme undwas mit dem Müll passiere. Doch die Dingeänderten sich, genauso im Veranstalterbe-reich. „Bei den Marktführern ist grünes Be-wusstsein Businessstandard geworden.“

„Branchenstrom“ für Festivalsund ClubsTrotzdem ist der Glaube weit verbreitet, dassgrün gleich teurer ist. Die GMI schickt sichnun an, mit dieser Legende nicht nur theore-tisch, sondern auch praktisch aufzuräumen.Es ist vielleicht ein kleiner Meilenstein bei derVerknüpfung von Ökonomie und Ökologieim Livemusikgeschäft, was Jacob Bilabel imGespräch mit „Musikmarkt“ ankündigt: „DieGMI wird Stromversorger für Festivals undClubs. Wir haben ja bereits viele Veranstalterberaten und dabei festgestellt, dass Energieimmer das größte Thema ist. Deshalb war esfür uns ein logischer Schritt, ein eigenes Ener-gieprodukt aufzulegen.“ In diesem Jahr wirddie GMI Festivals und Clubs unter dem Label„Green Music Energy“ regional produziertenStrom anbieten. Es sei ein „speziell auf die Be-dürfnisse der Livebranche zugeschnittenesProdukt“. Als Partner hat sich die GMI einennamentlich noch nicht genannten großenGrünstromanbieter gesucht, der „nach unse-ren Spezifikationen Strommengen einkauft“.Stolz erklärt Bilabel: „Erstmals gibt es danneine Art Branchenstrom.“ Dass das möglichist, erklärt sich aus einer relativ simplen Tat-sache. Da Grünstrom an der Börse gehandeltwird, ist er am billigsten, wenn wenig Nach-frage herrscht. Das wiederum harmoniertbestens mit dem Fakt, dass Festivals undClubs den meisten Strom nachts verbrau-

chen, wenn die Privatverbräuche gering sind.Wenn das klappt, ist das in der Tat ein großerSchritt nach vorn.

Auf regionale Partner bei derOrganisation setzenWie weit man mit vielen kleinen Schrittenkommen kann, beweist zudem Timo Kumpf,der vor zwei Jahren das „Maifeld Derby Festi-val“ in Mannheim aus der Taufe hob. Der 31-Jährige, der an der Popakademie Musikbusi-ness studierte und sich seinen Traum eines ei-genen Festivals erfüllte, sagt: „Wir haben unsja keine Utopie ausgemalt, mit unserer Ein-stellungen die Welt zu retten, sondern wirwollten von Anfang an kleine Möglichkeitenaufzeigen und ein gewisses Selbstverständnisentwickeln.“ Die Rahmenbedingungen sindgut, denn das Festival liegt fast mitten in derStadt, die Besucher können mit Bahn undFahrrad anreisen. Kumpf achtete auch da-rauf, dass lokale Partner im Boot waren, dieDorfbrauerei und der Technikanbieter um dieEcke. Vor allem hat er eine Kooperation mitder Popakademie und GMI, „der perfektePartner“, gesucht. Eine Projektgruppe voninsgesamt acht Studenten hat ein Jahr lang al-les Mögliche erfasst (vom Co2-Fußabdruckbis zum Strombrauch) und eine Menge De-tailarbeit geleistet, die Kumpf selbst nie ge-schafft hätte. „Unser Areal ist Teil eines gro-ßen Messegeländes, auf dem auch Deutsch-lands größte Haushaltsmesse stattfindet. Wirmüssen keine Pampa mit Strom erschließen.Ich hatte schon im ersten Jahr versucht, dasGelände auf Ökostrom umzustellen, aber dasgelang erst der Studentenprojektgruppe, diesich einfach mehr kümmern konnte.“ Eineschwarze Null konnte Kumpf mit seinen 4000Festivalbesuchern noch nicht erzielen – dasMinus hat er selbst ausgeglichen. Aber einenLohn für die Mühen gibt es trotzdem: Es läuftgut für 2013. Statt zwei wird das Festival miteinem auch musikalisch nachhaltigen Pro-gramm („kein Wegwerfpop“) drei Tage dau-ern. Und in einem Punkt steht man schonjetzt in einer Reihe mit den großen europäi-schen Festivals. Das „Maifeld Derby“ wurdefür den EFA Green Operations Award 2012bei den European Festival Awards in Gronin-gen nominiert.

Durch Nachhaltigkeit Vorteile imWettbewerb sichernAls Motivations- und Werbefaktor sindAwards keine zu unterschätzende Sache. Daswissen auch die Spielstätten- und Kongress-hallenbetreiber, die mit dem Green-Globe-Zertifikat des Europäischen Verbandes derVeranstaltungs-Centren (EVVC) ausgezeich-net wurden, darunter die Volkswagenhalle

Braunschweig, das Hallenstadion Zürich, dasHannover Congress Centrum und das Con-gress Centrum Düsseldorf. Bereits zum wei-ten Mal über die Zertifizierung durften sichim vergangenen November die Betreiber derMax-Schmeling-Halle in Berlin freuen – alseinzige Multifunktionsarena Deutschlands inder Größe. Sicher, so Anette Weller, Ge-schäftsführerin der Velomax Berlin Hallenbe-triebs GmbH, zum „Musikmarkt“, biete sichdie Max-Schmeling-Halle durch ihre optima-len baulichen Voraussetzungen für einennachhaltigen Betrieb an. Aber das ThemaNachhaltigkeit werde von der Hallenleitungund dem Team der Velomax in erster Linie alsEinstellungsfrage verstanden. Zumal zumschonenden Umgang mit jeglichen Ressour-cen „im besten Fall die Schonung der eigenenfinanziellen Ressourcen“ komme. Und ja,man verspreche sich dadurch Vorteile imWettbewerb mit anderen Hallen, „aktuell ins-besondere im Corporate Markt“. Ob sich dieInvestitionen in Nachhaltigkeit schon jetztrechneten? „Einerseits haben wir Maßnah-men umgesetzt, die die Mitarbeiter sensibili-siert haben, einen bewussteren, ressourcen-sparenden Umgang mit Energie zu pflegen.Dies bringt, wenn auch in nur geringemMaße, sofortige Einspareffekte. Andererseitshaben wir auch Investitionen (z.B. Lichtzeit-schalter, LED-Lampen) vorgenommen. DieAmortisationszeit ist dabei sehr unterschied-lich.“ Auf jeden Fall würden einige Veranstal-ter und Bands sehr positiv auf das nachhal-tige Engagement der Max-Schmeling-Hallereagieren, wenn man ihnen die Aktivitätenvorstelle, so Anette Weller. Sie lobt auch dieseit 2012 bestehende Partnerschaft mit derGMI, weil man so in den Dialog mit anderenBetreibern von großen und kleinen Veranstal-tungslocations gekommen sei und Anregun-gen von anderen Branchenmitgliedern im Be-reich des nachhaltigen Veranstaltungsstätten-betriebs gewinnen konnte.Wie sehr das Wirken der Green Music Initia-tive auch außerhalb der Musikbranche aner-kannt wird, beweist im Übrigen ihre Nomi-nierung für den „Zeitwissen“-Preis für gro-ßen Mut zur Nachhaltigkeit. Das Jahr könntefür Jacob Bilabel und seine Mitstreiter sowiealle Nachhaltigkeitsaktivisten in der Musik-wirtschaft nicht besser beginnen. | Gunnar Leue

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Mehr Informationen:www.soundsfornature.euwww.green-events-germany.euwww.greenmusicinitiative.dewww.evvc.org