Nachruf auf Prof. Dr. Christoph Heiden/Nachruf auf Gustav Richter/Otto-Klung-Preis/Karl-Scheel-Preis

4

Click here to load reader

Transcript of Nachruf auf Prof. Dr. Christoph Heiden/Nachruf auf Gustav Richter/Otto-Klung-Preis/Karl-Scheel-Preis

Page 1: Nachruf auf Prof. Dr. Christoph Heiden/Nachruf auf Gustav Richter/Otto-Klung-Preis/Karl-Scheel-Preis

Prof. Dr. Alex I. Bra-ginski, Prof. Dr. Joa-chim Treusch undProf. Dr. Knut Ur-ban, Forschungszen-trum Jülich; Prof. Dr.Eckhardt Hoenig,Inst. für Physikali-sche Hochtechnolo-gie, Jena; Prof. Dr.Dieter Kohl undProf. Dr. ArthurScharmann, Univer-sität Gießen

Menschen

Nachruf auf Prof. Dr. Christoph HeidenAm 28. März dieses Jahres verlordie internationale Tieftemperatur-physik eines ihrer herausragendenMitglieder, Prof. Dr. rer. nat. Chri-stoph Heiden, Direktor des Insti-tuts für Angewandte Physik derUniversität Gießen. Heiden wurdeam 27. April 1935 in Kirchen/Sieggeboren. Er studierte Physik an derUniversität Münster, wo er 1961sein Diplom erhielt. Drei Jahre spä-ter wurde er dort mit einer Arbeit„Untersuchungen über Kopplungenzwischen irreversiblen Magnetisie-rungsprozessen“ promoviert. SeinDoktorvater Prof. H. Bittel war ei-ner der beiden Menschen, die ihmentscheidende Impulse für seine be-rufliche Karriere gegeben haben.1966 ging er für zwei Jahre als Post-doc nach Kalifornien, wo er an derUniversität Berkeley bei Prof. ArtKip, seinem zweiten wichtigen Im-pulsgeber, arbeitete. Nach seinerRückkehr aus den USA baute Hei-den eine aktive Arbeitsgruppe ander Universität Münster auf, dieden Flusstransport in Typ-II-Supra-leitern untersuchte, auch mittels su-praleitender Quanteninterferenzde-tektoren (SQUID), die er als einerder Ersten in Deutschland einge-führt hat. 1971 habilitierte er sichan der Universität Münster undwurde dort bald danach C3-Profes-sor, bis er 1975 als Nachfolger vonProf. E. Saur auf einen C4-Lehr-stuhl an der Universität Gießen be-rufen wurde. Seit 1976 war er Di-rektor des Instituts für AngewandtePhysik. Dem Institut blieb er trotzmehrerer Rufe treu, mit nur einerlangen Beurlaubung von 1988 bis1993. In diesem Zeitraum war erMitbegründer und erfolgreicher Lei-ter des Instituts für Schicht- undIonentechnik des Forschungszen-trums Jülich.

Heidens Interessen umfasstensowohl die Grundlagen- als auchdie angewandte Forschung, aber eswar der letztere Bereich, in demseine Kreativität und sein leiden-schaftliches Basteln viele bedeuten-de Früchte trugen. Gekennzeichnetwurde seine Arbeit durch eineglückliche Kombination der grund-legenden Erkenntnisse eines Physi-kers mit dem angeborenen Talenteines hervorragenden Ingenieurs.

Daher überrascht es nicht, dass vie-le erfolgreiche Patente in der Fest-körperelektronik, Kryoelektronik,Dünnschichttechnik und Rasterson-denmikroskopie seinen Ideen ent-sprungen sind. In den Gießenerund Jülicher Jahren beschäftigte ersich mit einem breiten Spektrumvon Problemen. Seine wohl wich-tigsten Beiträge betrafen jedochSQUID-Sensoren, SQUID-Anwen-dungen und neuartige miniaturisier-te Kryokühler für Elektronikanwen-dungen. Als Beispiel sollte diegroßartige Idee eines planaren Mi-krowellen-SQUID erwähnt werden,wo er den Vorschlag machte, einenHochfrequenz-SQUID mit einerplanaren Flussaufnehmerstrukturzu integrieren, die gleichzeitig alsplanarer Mikrowellentankkreis die-nen sollte. Solche Bauelemente be-finden sich seitdem im praktischenGebrauch. Ein weiteres Beispiel istein kleiner, lediglich zweistufigerPulsrohrkryokühler, der eine Re-kordtieftemperatur von ca. 2,1 K er-reichte, und der bei ihm zu einemkompakten Gerät entwickelt wurde.Dieser Kühler wird inzwischen inDeutschland und in den USA kom-merziell hergestellt. Um seine inno-vativen Ideen rascher einer indu-striellen Nutzung zuzuführen, grün-dete Heiden 1998 in Gießen dasTransMIT-Zentrum für AdaptiveKryotechnik und Sensorik, das erbis zu seinem Tode leitete.

Heiden hat sich um die deutscheTieftemperaturphysik verdient ge-macht, unter anderem als Vorsit-zender der Tieftemperaturphysik-Fachgruppe der DPG und insbeson-dere als Gründer und Organisatorvon zwei wichtigen Tagungen. Einedavon ist die heute jährlich stattfin-dende Deutsche Kryoelektronik-Ar-beitstagung, die er in den frühenachtziger Jahren als das Kryoelek-tronik-Treffen in Rauischolzhausen,an einem Schloss der GießenerUniversität, ins Leben rief. Bei deranderen handelt es sich um die re-gelmäßig stattfindenden internatio-nalen Kryokühler-Arbeitstagungen.Als Lehrer brachte er viele heraus-ragende Absolventen hervor, vondenen einige Lehrstuhlinhaber so-wie Preisträger in ihren jeweiligenArbeitsgebieten wurden.

Unmittelbar nach der deutschenVereinigung spielte Heiden einewichtige Rolle bei der Gründung

des Instituts für PhysikalischeHochtechnologie (IPHT) in Jena.Auf internationaler Ebene arbeiteteer eng mit Berkeley zusammen, ins-besondere mit der weltweit führen-den SQUID-Schule von Prof. JohnClarke, seinem Postdoc-Kollegenund guten Freund. Darüber hinauspflegte er enge Beziehungen zuUniversitäten in China und denLändern der ehemaligen UdSSR.Nach dem Zusammenbruch desKommunismus trug er wesentlichzur Rettung und Unterstützung vonTieftemperaturinstituten in Russ-land und der Ukraine bei, indem erviele von Deutschland geförderteWissenschaftsprojekte befürwortetebzw. bei deren Initiierung mitarbei-tete. Bereits erkrankt nahm er nochmit Freude an vielen internationa-len Aktivitäten teil. Bei der CEC-Tagung im vorigen Sommer inMontreal wurde ihm der von derZeitschrift „Cryogenics“ gestiftetePreis für die beste Veröffentlichungdes Jahres 1998 verliehen.

Heiden war ein passionierterWeltenbummler, leidenschaftlicherMusikfreund und ein geistreicherTeilnehmer am allgemeinen kultu-rellen Leben. Seinen tapferenKampf gegen den Krebs hat erschließlich verloren, war jedoch imBeruf bis kurz vor seinem Tod nochaktiv. Er wird nicht nur von seinerFamilie, sondern von seinen zahl-reichen Freunden und Kollegen inder ganzen Welt schmerzlich ver-misst.

Alex I. Braginski, Eckhardt

Hoenig, Dieter Kohl, Arthur

Scharmann, Joachim Treusch,

Knut Urban

Nachruf auf Gustav Richter

Am 9. Dezember 1999 verstarbProf. Dr.-Ing. Gustav Richter kurzvor Vollendung seines 89. Lebens-jahres. Damit fand ein reiches For-scherleben seine Erfüllung. Es wardie Physik, und daneben die Astro-nomie, die ihn von Jugend an fes-selte und ein ganzes Leben nichtmehr losließ.

Mit großen Erwartungen war deram 10. März 1911 in Yokohama (Ja-pan) Geborene 1926 nach Deutsch-land gekommen. Auf das Abitur1931 in Hirschberg folgten Studiumder Physik und Dissertation an derTechnischen Hochschule Berlin-Charlottenburg. Zu seinen Hoch-schullehrern gehörten so hervorra-gende Wissenschaftler wie Gustav

Menschen

Physikalische Blätter56 (2000) Nr. 7/8 109

Christoph Heiden

Page 2: Nachruf auf Prof. Dr. Christoph Heiden/Nachruf auf Gustav Richter/Otto-Klung-Preis/Karl-Scheel-Preis

Prof. emer. WitlofBrunner, Max-Born-Institut, Berlin; Prof.Dr. Harry Paul,Humboldt-Univer-sität Berlin

XXX

Gustav Richter

Physikalische Blätter56 (2000) Nr. x110

Menschen

Hertz, Richard Becker und MaxVolmer. Nach Abschluss seines Stu-diums arbeitete er als Forschungs-assistent an der Universität Göttin-gen bei Richard Becker auf demGebiet des Magnetismus – eineThematik, die schon Gegenstandvon Diplom- und Doktorarbeit ge-wesen war. Kurz vor dem Kriegwechselte er unter Vermittlung vonBecker und Walter Gerlach in dasvon Gustav Hertz geleitete For-schungslabor II der Berliner Sie-menswerke. Dort nahm er als Mit-arbeiter von Werner Schütze an derZyklotronentwicklung teil. Eineweitere Arbeitsaufgabe war dieHerstellung von Generatorröhrenhoher HF-Leistung im Gigahertz-bereich. Eineinhalb Jahre vorKriegsende wurde er noch stärkerin die waffentechnische Entwick-lung einbezogen und nach Boulo-gne zum Entmagnetisieren von U-Booten „abkommandiert“.

Nach dem Zusammenbruch desdritten Reiches schloss er sich der„Gruppe Hertz“ an, deren Mitglie-der sich dazu verpflichteten, einenBeitrag zur weiteren wissenschaft-lich-technischen Entwicklung derSowjetunion zu leisten. Der neueAufenthaltsort war Suchumi. Ende1945 ließ sich Max Volmer, derebenfalls der Gruppe angehörte, anein Moskauer Institut versetzen,wohin ihm Gustav Richter zusam-men mit Viktor Baierl folgte. Vol-mer und seine Mitarbeiter konzen-trierten sich dort auf die Deuteri-umgewinnung auf der Grundlageder destillativen Isotopentrennungvon Ammoniak im industriellenMaßstab. Die Überprüfung dergroßtechnischen Herstellung mach-te es erforderlich, dass GustavRichter mehrmals die Strapazen eines Sibirienaufenthalts auf sichnahm.

Nach der Rückkehr im Jahre1955 war sein neuer Wirkungskreisdas Kernphysikalische Institut derDeutschen Akademie der Wissen-schaften (DAW) in Miersdorf b.Berlin, dessen Direktor er 1956wurde. In dieser Zeit fiel eine Viel-zahl von organisatorischen und ad-ministrativen Aufgaben an, die vorallem der Aufholung des enormengerätetechnischen Rückstandes amInstitut galten. Mit der aus unter-schiedlichen Gründen erfolgtenEinstellung der Arbeiten zur nieder-energetischen Kernphysik amMiersdorfer Institut begann für ihnim Juli 1962 eine neue Phase wis-senschaftlichen Wirkens als Direk-

tor des neu gegründeten Institutsfür spezielle Probleme der theoreti-schen Physik der DAW. Nahezu freivon administrativen Verpflichtun-gen konnte er sich nun wieder ganzder physikalischen Forschung wid-men. Es zeugt von seinem Weit-blick, dass er als Forschungsgegen-stand die damals noch in den Kin-derschuhen steckende Laser-Physikwählte. Unter seiner Leitung undtatkräftigen Mitarbeit entstand eineReihe international beachtetertheoretischer Arbeiten zur Wechsel-wirkung zwischen Atomen undStrahlungsfeld sowie zum Laser. ImZuge der Akademiereform wurdedas Institut 1969 zur „selbständigenAbteilung Theorie“ des Zentralinsti-tuts für Optik und Spektroskopie(ZOS), die Gustav Richter bis zuseiner Pensionierung im Jahre 1976als Direktor am Institut leitete.Große Verdienste erwarb er sich alsHerausgeber der traditionsreichen„Annalen der Physik“ (gemeinsammit Kopfermann und später mitWalcher). Aus einer Flut eingehen-der Manuskripte wählte er sehrstreng nach Qualität aus. Für dieseverantwortungsvolle Tätigkeit opferte er viel Zeit, und mancherAutor verdankt ihm wertvolle Hin-weise.

Seine ehemaligen Mitarbeiterund viele Kollegen schätzten anGustav Richter neben seinen pro-funden physikalischen Kenntnissenvor allem seinen Scharfsinn, derihn rasch die Kernpunkte – undnicht selten auch die Schwachstel-len – einer Darlegung erkennenließ. Nie ließ er sich vom Formalis-mus „blenden“, er versuchte viel-mehr stets, Klarheit über die dahin-ter steckende Physik zu gewinnen.Das führte oft zu nicht enden wol-lenden Diskussionen. Sie warenhäufig Lektionen im „physikali-schen Denken“, die unser eigenesVerhältnis zur Physik in starkemMaße mitgeprägt haben. Die schöneZeit, die wir mit ihm, sowohl imInstitut wie auch im gastfreundli-chen Hause Richter, in einer At-mosphäre geistiger Unabhängigkeitverbringen durften, wird uns unver-gesslich bleiben.

Witlof Brunner, Harry Paul

Otto-Klung-Preis

Die Otto-Klung-Stiftung verliehihren Preis an den theoretischenPhysiker Priv. Doz. Dr. RolandKetzmerick vom Max-Planck-Insti-tut für Strömungsforschung undvom Institut für Nichtlineare Dyna-mik der Universität Göttingen. Ererhielt den Otto-Klung-Preis 1999für seine wegweisenden Arbeitenzur nichtlinearen Dynamik in nied-rigdimensionalen elektronischenSystemen.

Der Lebenslauf des 34-jährigenPreisträgers zeigt eine hohe Mobi-lität bereits in jungen Jahren mitzahlreichen Stationen im In- undAusland. Er studierte Physik an derTechnischen Universität Darmstadt,der Universität Freiburg und derPurdue University (USA), gefördertdurch die Studienstiftung des Deut-schen Volkes und die FulbrightKommission. Seine Diplomarbeitführte er bei Prof. Josef Honerkampan der Universität Freiburg durch,er promovierte 1992 im Alter von27 Jahren an der Universität Frank-furt bei Prof. Theo Geisel undarbeitete mit Prof. Walter Kohn,dem späteren Nobelpreisträger, ander University of California SantaBarbara, unterstützt durch ein For-schungsstipendium der DeutschenForschungsgemeinschaft. Er betei-ligte sich am Sonderforschungsbe-reich Nichtlineare Dynamik der

UniversitätFrankfurt, ver-brachte einenhalbjährigenForschungsauf-enthalt am Insti-tute for Theore-tical Physics inSanta Barbaraund habilitiertesich 1998 im Al-

ter von 33 Jahren an der UniversitätGöttingen.

Die wissenschaftlichen Arbeitenvon Roland Ketzmerick widmensich der Nichtlinearen Dynamik innanostrukturierten Halbleitersyste-men. Die Nichtlineare Dynamik,die durch die Arbeiten von Poin-caré zur Stabilität des Sonnensy-stems vor gut 100 Jahren begründetwurde und populär als „Chaos-Theorie“ bezeichnet wird, fasziniertdurch die enorme Komplexität derDynamik selbst in einfachen Syste-men. Die Untersuchung von Halb-leitersystemen, die sich heutzutageauf der Nanometer-Skala maß-schneidern lassen, wird durch

Physikalische Blätter56 (2000) Nr. 7/8

Roland Ketzmerick

Page 3: Nachruf auf Prof. Dr. Christoph Heiden/Nachruf auf Gustav Richter/Otto-Klung-Preis/Karl-Scheel-Preis

Menschen

Andreas Wacker

Physikalische Blätter56 (2000) Nr. 7/8 111

grundlagenorientiertes und techno-logisches Interesse vorangetrieben.

Roland Ketzmerick konnte be-reits in seiner Doktorarbeit Kon-zepte der Nichtlinearen Dynamikzur Erklärung von mehreren Trans-portphänomenen in nanostruktu-rierten zweidimensionalen Halblei-tersystemen anwenden, in denensich Elektronen wie Billardkugelnauf Billardtischen mit Hindernissenbewegen. Diese Ideen übertrug erauf die Dynamik von so genanntenComposite Fermions im Bereich desgebrochenzahligen Quanten-Hall-Effektes und sie führten in Kombi-nation numerischer und experimen-teller Arbeiten zu einer anschauli-chen Bestätigung des CompositeFermion Bildes. Leitwertfluktuatio-nen in typischen chaotischen Syste-men in Gegenwart quantenmecha-nischer Interferenz sollten nacheiner Vorhersage von Roland Ketz-merick ein fraktales Verhalten zei-gen. Dieses überraschende Phäno-men konnte er zusammen mit einerexperimentellen Gruppe an Nano-Billards beobachten. Der grundsätz-lichen Frage nach dem Zerfließenquantenmechanischer Wellenpaketehat Roland Ketzmerick entschei-dende Impulse gegeben. Er erklärtedie asymptotische Form und Breiteeines Wellenpaketes mit fraktalenDimensionen von Spektrum undEigenfunktionen. Seine Untersu-chungen zum Einfluss von Chaosauf ausgedehnte Quantensystemebegründeten einen neuen Mecha-nismus für Metall-Isolator-Über-gänge aufgrund vermiedener Band-kreuzungen.� Der 1972 gestiftete Otto-Klung-Preis wird an herausragende jünge-re deutsche Wissenschaftler imjährlichen Wechsel zwischen Physikund Chemie für besondere Verdien-ste um die Wissenschaft vergeben.Das Vorschlagsrecht liegt bei denjeweiligen Fachbereichen der FUBerlin. Der Preis ist mit 30 000 DMdotiert.

Karl-Scheel-Preis

Die Physikalische Gesellschaft zuBerlin verleiht den Karl-Scheel-Preis 2000 zu gleichen Teilen anHerrn Dr. Andreas Wacker, Techni-sche Universität Berlin, in Aner-kennung seiner grundlegendentheoretischen Arbeiten zum Quan-tentransport in Halbleiter-Über-gittern und an Herrn Dr. EugenWeschke, Freie Universität Berlin,

in Anerkennung seiner richtungs-weisenden experimentellen Arbeitenüber Struktur, elektronische Eigen-schaften und Magnetismus von Na-nofilmen der Lanthanid-Metalle.

Andreas Wacker hat an derRWTH Aachen Physik studiert undin seiner Diplomarbeit bei Prof.Dohm den Einfluss von Randbedin-gungen auf kritische Phänomene inendlichen Systemen untersucht.Seine Dissertation über die „Nicht-lineare Dynamik bei senkrechtemLadungstransport in einer Halblei-ter-Heterostruktur“ schloss er 1993mit Auszeichnung bei Prof. Schöllan der Technischen Universität Ber-lin ab. Von April bis Juni 1995 warer als Gastwissenschaftler am De-partamento de Matematicas derUniversidad Carlos III in Madridbei Prof. Bonilla und beschäftigtesich mit der nichtlinearen Dynamikvon Felddomänen in Halbleiter-Übergittern im Rahmen einfacherModelle. Danach arbeitete er zweiJahre lang im Rahmen eines Post-doktorandenstipendiums der DFGam Mikroelektronik Centret derTechnischen Universität von Däne-mark in Lyngby bei Prof. Jauhoüber Quantentransport in Übergit-tern. Dazwischen war er für jeweilseinige Monate als Gastprofessor ander Universidad Carlos III de Mad-rid (Spanien) und als Gastwissen-schaftler am Center for THz Scien-ce and Technology der University ofCalifornia in Santa Barbara (USA).Im Oktober 1997 kehrte er in dieArbeitsgruppe von Prof. Schöll ansInstitut für Theoretische Physik derTU Berlin zurück, wo sein Habilita-tionsverfahren Anfang 2000 eröff-net wurde. Seine Arbeiten zu nicht-linearen Transporteigenschaftenvon Halbleiter-Quantenstrukturensind in den Sfb 296 „Wachstums-korrelierte Eigenschaften nieder-dimensionaler Halbleiterstruktu-ren“ eingebettet.

Übergitter sind wegen ihrer in-teressanten physikalischen Eigen-schaften und ihrer möglichen An-wendung in optoelektronischenBauelementen gegenwärtig im Zen-trum des wissenschaftlichen Inter-esses. Im Gegensatz zu gewöhn-lichen Kristallen können in Über-gittern die Energieskalen der Mini-bandbreite, der Streuverbreiterungund des Potentialabfalles pro Peri-ode in der gleichen Größenordnungvon einigen meV liegen. In der Ver-gangenheit wurden unterschied-liche Ansätze zur Modellierung deselektrischen Transportes vorge-

schlagen, deren Zusammenhangallerding unklar blieb. AndreasWacker ist es erstmals gelungen, imRahmen einer Quantentransport-formulierung mit Nichtgleichge-wichts-Greenfunktionen dieverschiedenen Regime von Mini-bandleitung und Wannier-Stark-Lokalisierung bis hin zu sequenziel-lem Tunneln bei hohen Feldern ein-heitlich zu beschreiben und damiteine Reihe von verschiedenen Ex-perimenten quantitativ zu erklären.Entscheidend ist dabei die Relationzwischen den unterschiedlichen En-ergieskalen; dominiert eine von die-sen, so lässt sich eine einfacheStörungstheorie bezüglich der an-deren Faktoren durchführen.

Für schwach gekoppelte Übergit-ter mit einer geringen Miniband-breite konnte Herr Wacker in demTransportmodell des sequentiellenTunnelns verschiedene experimen-tell untersuchte Übergitter imHochfeldbereich, wo absolute oderdifferentielle negative Leitfähigkeit,Felddomänen und selbstgeneriertenichtlineare Oszillationen auftre-ten, erfolgreich modellieren. Wei-terhin gelang es Herrn Wacker,durch Quantentransportrechnungenunter Einbeziehung von Phononen-streuung die Güte von semiklassi-schen Rechnungen quantitativ zuüberprüfen und ferner zu zeigen,dass die Transmission durch Über-gitter ganz erheblich durch Streu-prozesse, insbesondere an Grenz-flächenrauigkeit, beeinflusst wird.Damit ließ sich die Asymmetrie imTransmissionsverhalten quantitativerklären.

Darüber hinaus hat AndreasWacker eine Reihe von hervorra-genden Beiträgen zur nichtlinearenund chaotischen Dynamik undStrukturbildung in verschiedenenHalbleiterheterostrukturen gelei-stet. Insgesamt weisen diese Arbei-ten, in denen Andreas Wacker je-weils den führenden theoretischenAnteil hatte, eine herausragendeQualität und erstaunliche Breiteauf.

Eugen Weschke ist geborenerBerliner und studierte Physik ander Freien Universität Berlin, wo erim Jahre 1988 auch diplomierte,nachdem er in seiner Diplomarbeitbei Prof. Kaindl das Wachstum vonYtterbium auf amorphem Kohlen-stoff untersucht hatte. Die an-schließende Dissertation über dieelektronische Struktur a-artigerCer-Syteme wurde in derselbenArbeitsgruppe im Jahre 1992 mit

Page 4: Nachruf auf Prof. Dr. Christoph Heiden/Nachruf auf Gustav Richter/Otto-Klung-Preis/Karl-Scheel-Preis

Menschen

„summa cum laude“ abgeschlossen,und im Jahr darauf erhielt Weschkedafür den Carl-Ramsauer-Preis. Seitdieser Zeit forscht Dr. Weschke,zunächst als WissenschaftlicherMitarbeiter und seit 1997 als Wis-senschaftlicher Assistent in der Ar-beitsgruppe Kaindl an hochkorre-lierten Materialien, deren elektro-nische Struktur und Magnetismuser insbesondere mittels hochauflö-sender Photoemission und reso-nanter magnetischer Röntgenbeu-gung studiert. Experimente an denSynchrotronstrahlungsquellenBESSY, BESSY II, ESRF und HA-SYLAB spielen eine wesentlicheRolle bei seinen Untersuchungen,die vom Sfb-190 „Metallische dün-ne Filme: Struktur, Wachstum undmagnetische Eigenschaften“ sowievom BMBF im Rahmen der Ver-bundforschung gefördert werden.Im Sommersemester 2000 plant Dr.Weschke einen Antrag auf Habilita-tion am Fachbereich Physik der FUBerlin zu stellen.

Eugen Weschke erhält die Aus-zeichnung für seine richtungswei-senden Forschungsarbeiten überStruktur, elektronische Eigenschaf-ten und Magnetismus von Nanofil-men der Lanthanid-Metalle, diedurch epitaktisches Wachstum imUltrahochvakuum präpariert unduntersucht werden. Durch Kombi-nation hochauflösender Photoelek-tronenspektroskopie mit Methodender in-situ-Röntgenstreuung unterVerwendung von Synchrotronstrah-lung gelang es Weschke und Mitar-beitern, den Einfluss des Magnetis-mus auf die elektronische Strukturvon magnetisch geordneten Lantha-nid-Metallen zu untersuchen undauch Änderungen der magnetischenSpinstruktur bei nur wenige Atom-lagen dicken Nanofilmen nach-zuweisen. Dazu nutzte Weschkeerstmals resonante magnetischeRöntgenbeugung an den M5-Ab-sorptionskanten der Lanthanidenaus, wodurch er eine 106-fache Ver-stärkung des magnetischen Beu-

gungssignals erzielen konnte. Darü-ber hinaus fand Weschke eine neuekristallographische Tieftemperatur-phase von Ytterbiummetall undzeigte in einem schönen Experi-ment das erhebliche Potenzial vonRöntgenstreumessungen für dieAnalyse des Wachstums vonheteroepitaktischen Filmen auf. � Die Physikalische Gesellschaftzu Berlin vergibt jährlich den Karl-Scheel-Preis an jüngere BerlinerPhysiker. Er besteht aus einer Bron-zeplakette und einem Preisgeld.Der Preis erinnert an den bei derPhysikalisch Technischen Reichsan-stalt tätigen Physiker und langjähri-gen Geschäftsführer der DeutschenPhysikalischen Gesellschaft, Ge-heimrat Dr. Karl Scheel. Der Preiswurde erstmals 1958 verliehen.

Eugen Weschke

Physikalische Blätter56 (2000) Nr. 7/8112