Nanomachines. Fundamentals and Applications. Von Joseph Wang.

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Nanomachines Die Steuerung von Be- wegungen auf molekularer Ebene ist fɒr lebende Orga- nismen von fundamentaler Be- deutung und zȨhlt zu den faszinie- rendsten Forschungsgebieten. Die Ent- wicklung kɒnstlicher Nanomaschinen und -motoren mit nɒtzlichen Funktionen ist eine große Herausforderung in der Nanotechnologie. Dazu mɒssen hinsichtlich der Bewegung von Objekten, der Umwandlung anderer Energie- formen in Bewegungsenergie und der Wech- selwirkungen funktionalisierter Nanostrukturen mit ihrer Umgebung grundlegende Probleme, die sich aufgrund der Ȩußerst geringen Di- mensionen ergeben, erforscht und gelçst werden. Auf diesem interdisziplinȨren Forschungsgebiet arbeiten Forscher aus der Chemie, Physik, Biologie, Medizin und den Materialwissen- schaften eng zusammen. Mit Nanomaschinen hat man sich schon seit lȨngerem beschȨftigt. Der Begriff „molecular ma- chine“ tauchte zum ersten Mal vor ɒber zwanzig Jahren im Titel einer Zuschrift auf. Die erste Mo- nographie wurde 2003 verçffentlicht und 2008 grundlegend ɒberarbeitet und erweitert. Die Ver- çffentlichung einiger hundert Artikel, vieler Buchserien, Journale und Ƞbersichtsartikel zu dem Thema beweist das große, immer noch zunehmen- de Interesse. Nanomaschinen und -motoren sind wichtige Themen in Kursen und Vorlesungsreihen ɒber Nanowissenschaften und Nanotechnologie, die heute an den meisten UniversitȨten angeboten werden. Ein Lehrbuch ɒber Nanomaschinen ist deshalb sehr willkommen. In dem vorliegenden Buch werden Grundlagen und die bisherige Entwicklung auf dem Gebiet der nano- und mikroskaligen Ma- schinen behandelt. Nach einem einfɒhrenden Ka- pitel ɒber fundamentale Prinzipien von Bewegun- gen im Nanometerbereich werden verschiedene Klassen natɒrlicher (biologischer) und syntheti- scher Maschinen, eingeteilt nach unterschiedlichen Antriebsmechanismen, vorgestellt. Außerdem werden Strategien zur Steuerung der Bewegungs- richtung und der Geschwindigkeit beschrieben. Die Probleme, die praktische Anwendungen wie die Wirkstofffreisetzung, effiziente Sensoren und die Zielstrukturisolierung bereiten, werden diskutiert. Die beiden letzten Kapitel bieten einen Ausblick auf mçgliche Entwicklungen in der Zukunft. Angesichts der Breite des Themas und des un- terschiedlichen Entwicklungsstands in den Teilbe- reichen ist eine ausgewogene Behandlung auf nur 150 Seiten praktisch unmçglich. Das Buch hat folglich StȨrken und SchwȨchen. Zu den StȨrken zȨhlen die prȨzisen Informationen und die ɒber- sichtliche Zusammenfassung der verschiedensten Formen von Miniaturmaschinen. Systeme aus kleinen organischen Molekɒlen bis hin zu Kon- struktionen aus biomolekularen Motoren und mi- kroskaligen Strukturen werden vorgestellt. Die Diskussionen ɒber realistische Anwendungen sowie technische und gesellschaftliche Effekte sind inspirierend. Dem Autor ist es gelungen, dem Leser den Reiz dieses Forschungsgebiet nahe zu bringen. Ein gravierender Nachteil ist allerdings, dass manche Themen gegenɒber den ɒbrigen zu sehr herausgehoben werden. Es ist verstȨndlich, wenn der Autor seine Forschungsinteressen und sein spezielles Fachwissen in den Vordergrund stellt, aber die Konsequenz ist, dass einige wichtige Themen unzureichend oder gar nicht behandelt werden. In Kapitel 1 werden beispielsweise vor- rangig „Schwimmbewegungen“ erçrtert, obwohl sich die Natur fɒr den Transport von Stoffen in der lebenden Zelle nicht auf die Navigation, sondern auf ein „Bahnnetz“, d. h., auf pfadbasierte Moto- ren, verlȨsst. Deshalb ist es schade, dass Rat- schenmechanismen, die der Funktion von Protein- motoren zugrunde liegen, in der Einfɒhrung nicht erwȨhnt und die außergewçhnlichen Beispiele des Energie- und Informationentransports auf der Basis von Ratschenmechanismen nicht beschrieben werden. Eine Unmenge von Fallstudien wird beschrie- ben, wohingegen Beschreibungen von Mikro- strukturen mit „Blasenantrieb“ fehlen. Diese Sys- teme sind von großem wissenschaftlichem und technischem Interesse. DNA-Nanoelemente werden leider nur sehr kurz am Ende des dritten Kapitels erwȨhnt. Die Konstruktion und Funkti- onsweise von katalytischen Systemen mit Eigen- antrieb werden ausfɒhrlich behandelt, aber die Beschreibungen supramolekularer Maschinen und Motoren sind nur oberflȨchlich. Informationen ɒber kleine molekulare „LȨufer“ oder ɒber einige neuere Fortschritte hinsichtlich der Anwendung von molekularen Maschinen sind nicht zu finden. Außerdem ist die Einteilung der Kapitel meines Erachtens fragwɒrdig: Beispielsweise werden Myosin, Kinesin und ATP-Synthase in der Kate- gorie „Nanoschwimmer“ vorgestellt. Des Weiteren ist die geringe QualitȨt der Ab- bildungen zu bemȨngeln. Gute Abbildungen sind in einem Buch, das Studierenden ein hçchst an- spruchsvolles Forschungsgebiet nahe bringen soll, unerlȨsslich. In dem vorliegenden Buch scheint darauf jedoch wenig Wert gelegt worden zu sein. Die meisten Abbildungen sind lediglich Repro- duktionen der Originale. In einigen FȨllen sind die Abbildungen kaum in den Text integriert, und/oder die Bildunterschrift ist nicht informativ genug. Fazit: Die Erwartungen von Lesern, die ihre Kenntnisse ɒber das Design, die Konstruktion und die Funktionsweise von Nanomaschinen vertiefen Nanomachines Fundamentals and Applica- tions. Von Joseph Wang. Wiley-VCH, Weinheim, 2013. 160 S., Broschur, 39.90 E.— ISBN 978-3527331208 . Angewandte Bücher 4360 # 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 4360 – 4361

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Nanomachines

Die Steuerung von Be-wegungen auf molekularer

Ebene ist f�r lebende Orga-nismen von fundamentaler Be-

deutung und z�hlt zu den faszinie-rendsten Forschungsgebieten. Die Ent-

wicklung k�nstlicher Nanomaschinen und-motoren mit n�tzlichen Funktionen ist eine

große Herausforderung in der Nanotechnologie.Dazu m�ssen hinsichtlich der Bewegung vonObjekten, der Umwandlung anderer Energie-formen in Bewegungsenergie und der Wech-selwirkungen funktionalisierter Nanostrukturenmit ihrer Umgebung grundlegende Probleme,die sich aufgrund der �ußerst geringen Di-mensionen ergeben, erforscht und gelçst werden.Auf diesem interdisziplin�ren Forschungsgebietarbeiten Forscher aus der Chemie, Physik,Biologie, Medizin und den Materialwissen-schaften eng zusammen.

Mit Nanomaschinen hat man sich schon seitl�ngerem besch�ftigt. Der Begriff „molecular ma-chine“ tauchte zum ersten Mal vor �ber zwanzigJahren im Titel einer Zuschrift auf. Die erste Mo-nographie wurde 2003 verçffentlicht und 2008grundlegend �berarbeitet und erweitert. Die Ver-çffentlichung einiger hundert Artikel, vielerBuchserien, Journale und �bersichtsartikel zu demThema beweist das große, immer noch zunehmen-de Interesse. Nanomaschinen und -motoren sindwichtige Themen in Kursen und Vorlesungsreihen�ber Nanowissenschaften und Nanotechnologie,die heute an den meisten Universit�ten angebotenwerden.

Ein Lehrbuch �ber Nanomaschinen ist deshalbsehr willkommen. In dem vorliegenden Buchwerden Grundlagen und die bisherige Entwicklungauf dem Gebiet der nano- und mikroskaligen Ma-schinen behandelt. Nach einem einf�hrenden Ka-pitel �ber fundamentale Prinzipien von Bewegun-gen im Nanometerbereich werden verschiedeneKlassen nat�rlicher (biologischer) und syntheti-scher Maschinen, eingeteilt nach unterschiedlichenAntriebsmechanismen, vorgestellt. Außerdemwerden Strategien zur Steuerung der Bewegungs-richtung und der Geschwindigkeit beschrieben. DieProbleme, die praktische Anwendungen wie dieWirkstofffreisetzung, effiziente Sensoren und dieZielstrukturisolierung bereiten, werden diskutiert.Die beiden letzten Kapitel bieten einen Ausblickauf mçgliche Entwicklungen in der Zukunft.

Angesichts der Breite des Themas und des un-terschiedlichen Entwicklungsstands in den Teilbe-reichen ist eine ausgewogene Behandlung auf nur150 Seiten praktisch unmçglich. Das Buch hatfolglich St�rken und Schw�chen. Zu den St�rkenz�hlen die pr�zisen Informationen und die �ber-

sichtliche Zusammenfassung der verschiedenstenFormen von Miniaturmaschinen. Systeme auskleinen organischen Molek�len bis hin zu Kon-struktionen aus biomolekularen Motoren und mi-kroskaligen Strukturen werden vorgestellt. DieDiskussionen �ber realistische Anwendungensowie technische und gesellschaftliche Effekte sindinspirierend. Dem Autor ist es gelungen, dem Leserden Reiz dieses Forschungsgebiet nahe zu bringen.

Ein gravierender Nachteil ist allerdings, dassmanche Themen gegen�ber den �brigen zu sehrherausgehoben werden. Es ist verst�ndlich, wennder Autor seine Forschungsinteressen und seinspezielles Fachwissen in den Vordergrund stellt,aber die Konsequenz ist, dass einige wichtigeThemen unzureichend oder gar nicht behandeltwerden. In Kapitel 1 werden beispielsweise vor-rangig „Schwimmbewegungen“ erçrtert, obwohlsich die Natur f�r den Transport von Stoffen in derlebenden Zelle nicht auf die Navigation, sondernauf ein „Bahnnetz“, d.h., auf pfadbasierte Moto-ren, verl�sst. Deshalb ist es schade, dass Rat-schenmechanismen, die der Funktion von Protein-motoren zugrunde liegen, in der Einf�hrung nichterw�hnt und die außergewçhnlichen Beispiele desEnergie- und Informationentransports auf derBasis von Ratschenmechanismen nicht beschriebenwerden.

Eine Unmenge von Fallstudien wird beschrie-ben, wohingegen Beschreibungen von Mikro-strukturen mit „Blasenantrieb“ fehlen. Diese Sys-teme sind von großem wissenschaftlichem undtechnischem Interesse. DNA-Nanoelementewerden leider nur sehr kurz am Ende des drittenKapitels erw�hnt. Die Konstruktion und Funkti-onsweise von katalytischen Systemen mit Eigen-antrieb werden ausf�hrlich behandelt, aber dieBeschreibungen supramolekularer Maschinen undMotoren sind nur oberfl�chlich. Informationen�ber kleine molekulare „L�ufer“ oder �ber einigeneuere Fortschritte hinsichtlich der Anwendungvon molekularen Maschinen sind nicht zu finden.Außerdem ist die Einteilung der Kapitel meinesErachtens fragw�rdig: Beispielsweise werdenMyosin, Kinesin und ATP-Synthase in der Kate-gorie „Nanoschwimmer“ vorgestellt.

Des Weiteren ist die geringe Qualit�t der Ab-bildungen zu bem�ngeln. Gute Abbildungen sindin einem Buch, das Studierenden ein hçchst an-spruchsvolles Forschungsgebiet nahe bringen soll,unerl�sslich. In dem vorliegenden Buch scheintdarauf jedoch wenig Wert gelegt worden zu sein.Die meisten Abbildungen sind lediglich Repro-duktionen der Originale. In einigen F�llen sind dieAbbildungen kaum in den Text integriert, und/oderdie Bildunterschrift ist nicht informativ genug.

Fazit: Die Erwartungen von Lesern, die ihreKenntnisse �ber das Design, die Konstruktion unddie Funktionsweise von Nanomaschinen vertiefen

NanomachinesFundamentals and Applica-tions. Von Joseph Wang.Wiley-VCH, Weinheim, 2013.160 S., Broschur, 39.90 E.—ISBN 978-3527331208

.AngewandteB�cher

4360 � 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2014, 126, 4360 – 4361

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wollen, werden wahrscheinlich entt�uscht. Wer al-lerdings neu in das faszinierende Gebiet der nano-und mikroskaligen Systeme einsteigt und ein gutesLehrbuch sucht, das auch einen Einblick in dieaktuelle Forschung bietet, sollte zu diesem Buchgreifen. Obwohl es ein etwas verzerrtes Bild desForschungsgebiets liefert, wird es die Neugier

wecken, zumal zahlreiche Hinweise auf weiterf�h-rende Literatur vorhanden sind.

Alberto CrediDipartimento di Chimica „G. Ciamician“Universit� di Bologna (Italien)

DOI: 10.1002/ange.201311274

AngewandteChemie

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