Neue Formen von Die Zukunft Verbundenheit · Das Buch zur Serie „23 xBremen“ erscheint...

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Das Buch zur Serie „23 x Bremen“ erscheint vo- raussichtlich Ende No- vember. Es enthält alle Texte und die schönsten Fotos zu den Bremer Stadt- teilen und wird 9,80 Euro kosten. Wer will, kann sich sein Exemplar reservieren lassen: E-Mail mit Namen, Adresse und be- nötigter Stückzahl an reservierung@we- ser-kurier.de genügt. Ihre Exemplare lie- gen dann Ende November im Pressehaus für Sie bereit. Das genaue Erscheinungsda- tum wird rechtzeitig bekannt gegeben. Das Buch zur Serie: Jetzt reservieren! BUCHTIPP Auf einen zentralen Treffpunkt legen sich die Huchtinger nicht fest. Dennoch haben sich zwei größere Zentren im Quartier heraus- kristallisiert: das Roland-Center als wirt- schaftliche und das Bürger- und Sozialzen- trum (BuS) als kulturelle Keimzelle. In dem Einkaufszentrum in Kirchhuchting wurde 1973 das deutschlandweit zweite „Shop-in- Shop“-Konzept verwirklicht. Zwei Jahre da- rauf verstärkten die Stadtteilpolitiker ihre Be- mühungen, am Alten Dorfweg einen Mittel- punkt zu entwickeln, den „Huchtinger Dorf- platz“. Als 1985 der Schulstandort Amersfoor- ter Straße aufgegeben werden musste, woll- ten einige Initiativen und Vereine die leer ste- henden Gebäude und das weitläufige Ge- lände nutzen. So bot sich der Ortsteil Soden- matt für die Bündelung von Kultur- und Wei- terbildungsangeboten an: Mit der Gründung des Vereins „bus e.V.“ war der Startschuss für die Entwicklung eines Bürgerzentrums gefallen, das eine einzigartige Mischung aus kommunalen wie privaten kulturellen, ökolo- gischen, sozialen und integrativen Einrich- tungen und Initiativen aufweist. Das mithin anerkannte Bürgerhaus initiiert kulturelle Programme, Projekte und Feste. Seit Dezember 2009 setzt sich der Jugendbei- rat in Huchting – der erste und bislang ein- zige direkt gewählte in Bremen – für die Be- lange von Gleichaltrigen ein. Die 15 demo- kratisch gewählten Mitglieder verfügen über ein eigenes Budget und arbeiten eng mit dem Stadtteilbeirat zusammen. Zurzeit setzt er Vorschläge aus dem Projekt „Ideen im Kopf“ um. Das erste Konzert für Nachwuchs- bands war ein toller Auftakt, weiterhin ge- plant sind unter anderem eine „Pool“–Party im Hallenbad oder der Wiederaufbau der der- zeit eingelagerten Skateranlage am Soden- mattsee. Er möchte, dass Huchting für Ju- gendliche interessanter wird. Dazu gehören Freizeitangebote im Jugendfreizeitheim. Weitere Anlaufstellen für Jugendliche sind der Mädchentreff, Projekte des Vereins für akzeptierende Jugendarbeit (Vaja) und der Stiftung Alten Eichen, die Stadtteilfarm und die „Boxzeile Huchting“. Die Sportvereine und Kirchen initiieren Projekte, zum Beispiel „Ein Zuhause für Kinder“ der St.-Matthäus- Gemeinde. Mit dem im Bau befindlichen Quartiersbildungszentrum Robinsbalje kommt ein neuer Treff dazu, der Freizeit-, Bil- dungs- und Beratungsangebote bietet. Hohen Naherholungswert hat die fast 300 Hektar große Grünfläche zwischen Grolland und Kirch-/Mittelshuchting: der Park Links der Weser. Die Ochtum windet sich hier in Kurven durch Wiesen, lässt Raum für Tot- arme und Stillgewässer. In den mittleren Be- reichen des Parks wird weiter Weidewirt- schaft mit Kühen und Pferden betrieben. Es ist gelungen, den Park mit Fuß- und Radwe- gen so zu erschließen, dass Menschen die Na- tur erleben können, aber nicht stören. Ein zweiter großer Naturbereich ist das Grünzen- trum Sodenmatt mit dem Sodenmattsee. Der 1962 ausgehobene Baggersee ist im Sommer eine beliebte Badestelle. An der Strandseite liegt die Stadtteilfarm, auf der anderen See- seite das Grünzentrum Sodenmatt mit der „Linse“, die als Veranstaltungsort genutzt wird. Dieses grüne Band wird durch die park- ähnliche Anlage zwischen Bezirkssportan- lage, Kloßkampsweg und Hallenbad weiter- geführt. Sechs Kleingartengebiete weist der Stadtteil auf. An der Kirchhuchtinger Land- straße liegt „Böses Park“ mit Skulpturen. Ge- wässer dienen oft als Quell für Erholung; sol- che sind der Huchtinger See, die Varreler Bäke sowie mehrere Fleete. Bürgerengagement leben viele Huchtinger ganz selbstverständlich. Das Projekt „Nacht- wanderer Huchting“ – Erwachsene, die seit 2006 in Kleingruppen an Wochenenden auf der Straße, in Bussen und Bahnen Jugendli- chen als Ansprechpartner zur Verfügung ste- hen – hat Modellcharakter. Die Gründung ei- nes Fördervereins hat das von der Schlie- ßung bedrohte Hallenbad gerettet. Ein be- merkenswertes Kreativpotenzial und hoher Gemeinsinn treten in Huchting besonders bei Aktionen und Festen zutage. Vorreiter- rolle nimmt Huchting durch das Kinder- und Jugendkulturfestival „Aktionata“ ein. Ohne Beispiel in Bremen ist der Sommerferienka- lender für Kinder und Jugendliche. An Fami- lien richten sich das BuS-Kinderfest und das Stadtteilfest am Sodenmattsee. Kulturinteres- sierte loben das Sommerkonzert unter der Linse oder Konzerte im BuS. Viele Firmen stellen ihre Leistungsfähigkeit bei der Gewer- beschau der Interessengemeinschaft Huch- tinger Unternehmen (IHU) unter Beweis. Das Roland-Center bringt sich unter anderem durch die „Tour de Natur“, die Stadtteilbi- bliothek im zweiten Stock sowie Veranstal- tungen in Kooperation mit Vereinen ein. Architektonisch und historisch weist Huch- ting durchaus markante Gebäude auf. Als ex- travagant gilt die 1971 eingeweihte Dietrich- Bonhoeffer-Kirche an der Heinrich-Plett-Al- lee – ohne Glockenturm und Prunk. Der nackte Betonbau mit dem frei hängenden Dach erinnert an die „Schwangere Auster“ in Berlin. Architekt Carsten Schröck hat darü- ber hinaus die von 1962 bis 1964 gebaute St.- Lukas-Kirche in Grolland geplant – und das moderne Gotteshaus optisch an der Berliner Kongresshalle orientiert. Eine Stahlnetzkon- struktion statt konventioneller Wände trägt und verbindet die Dachbügel aus Leimholz- bindern. Noch eine dritte Kirche stammt von Schröck: die St.-Matthäus-Kirche an der Her- mannsburg. Im Kirchhuchtinger Ortskern steht die von 1877/79 von Eduard Gildemeis- ter und Heinrich Deetjen geplante neugoti- sche St.-Georg-Kirche. Huchtings älteste Kir- che wurde an Stelle einer mittelalterlichen, 1201 urkundlich erwähnten Kirche errichtet. Ferner haften Besucherblicke am Warturm an der Ochtumbrücke, an der „Papageien- siedlung“ am Roggenkampsfleet und am Vida-Gartencenter mit Privatzoo nahe des Dorfkrugs, dem früheren Kutschenausspann. Die Straßenbahn passiert die weite Wie- senlandschaft des Parks Links der Weser und endet am größten Einkaufszentrum Huchtings, dem Roland-Center. „Das kennen die meisten“, bestätigt Annette Yildirim, stellvertretende Ortsamtsleite- rin beim Streifzug durch die vier Orts- teile der ehemaligen Landgemeinde Huchting: Kirchhuchting, Mittelshuch- ting, Sodenmatt und Grolland. VON ULRIKE TROUE R und 100 Fachgeschäfte unter ei- nem Dach und die Bike & Ride- Anlage am alten Dorfweg markie- ren unverkennbar städtische Strukturen. Die als Hochstraße durch Huchting geführte B 75 und bis zu achtgeschossige Hochhäuser, zum Bei- spiel im Belgischen Viertel in Mittelshuch- ting, dem Ortsteil mit den meisten Ein- wohnern, untermauern dies. Tatsächlich prägt Wohnen das Gesicht des Stadtteils. Einzelhandelsgeschäfte ziehen sich verstreut an der Kirchhuchtin- ger Landstraße entlang, mittelständische und größere Produktionsbetriebe, unter anderem der Lenksystementwickler Na- cam und der Stahl- und Werkstoffhändler ThyssenKrupp Schulte als zwei der größ- ten Arbeitgeber, sind in mehreren kleine- ren Gewerbegebieten angesiedelt. Im Stadtteil leben, nicht unbedingt vor Ort arbeiten – mit diesem veränderten Grundgepräge können die Huchtinger of- fenbar gut leben. „Die meisten Bewohner fühlen sich als Huchtinger, sie bleiben im Stadtteil wohnen oder ziehen nach einem kurzen Abstecher in andere Stadtteile ir- gendwann wieder hierher zurück“, stellt Annette Yildirim heraus. Den Eindruck dörflicher Prägung manifestiert die histo- rische Mitte in Kirchhuchting: das Ensem- ble St.-Georgs-Kirche, Dorfkrug und Grundschule. Fast überall auf den Straßen sind an die- sem Wochentag Menschen unterwegs – unterschiedlichster Herkunft. Mit rund 34,5 Prozent ist der Anteil an Migranten an der Gesamtbevölkerung Huchtings mit rund 30 000 Einwohnern hoch. „In Huchting gibt es fast alles für den tägli- chen Bedarf, sodass die Huchtinger gar nicht raus müssen“, betont die beflissene Tourleiterin und hebt auf die kurzen Wege ab – zum Einkaufen, zur Schule oder zu Sport- und Freizeitstätten wie dem „einmaligen Netzwerk“, dem Bür- ger- und Sozialzentrum. „Huchtinger fah- ren Fahrrad, daran sind sie zu erkennen.“ Hohe Identifikation Die Verkehrsinfrastruktur bietet sich zum Radeln an. Fahrradwege säumen die Hauptstraßen, Randstreifen mit viel Be- gleitgrün die reinen Wohngebietsstra- ßen. Einfamilien- und Reihenhäuser mit zum Teil penibelst gepflegten Vorgärten spiegeln die Identifikation der Bewohner mit ihrem Quartier wider, zum Beispiel in den Straßenzügen Brakkämpe, Tom Dyk, Luxemburger Straße oder in der Grollan- der Straße mit dem Kulturhof der Familie Borchelt. Zum Teil grenzen Einfamilien- häuser mit riesigen Gärten direkt an kleine Siedlungshäuschen, an Reihen- oder dreigeschossige Wohnhäuser. Diese Identifikation und das soziale Ge- misch von Normalverdienenden und Hartz V-Empfängern in einigen Vierteln, die Vielfalt der Bevölkerung lässt sich an mehreren, der durch sozialen Wohnungs- bau Anfang der 1960er-Jahre aus dem Bo- den geschossenen Mehrgeschosshäusern ablesen: üppig berankte Blumenkästen neben Teppich verhangenen Balkonen, liebevoll gestaltete Beete neben verwil- dert wirkendem Rasen in den Vorgärten. In den vergleichsweise günstigen ge- nossenschaftlich verwalteten Wohnun- gen haben sich viele Migranten ein neues Zuhause eingerichtet. „Auch sie fühlen sich hier wohl“, leitet Yildirim im Vorbei- fahren an kleinen Grüppchen ab, die sich bei so schönem Wetter wie heute zum Bei- spiel im sogenannten Holländerviertel in Vorgärten, auf Spielplätzen und anderen öffentlichen Grünflächen treffen. Sie ho- cken auf Zäunen oder mitgebrachten Stühlen und plauschen angeregt mitei- nander. Die Mieterinitiative Den Haager Straße organisiert sogar Umzugshilfen, weiß Annette Yildirim. Dieses tolerante Miteinander, das zuge- gebenermaßen nicht allerorts im Stadtteil vorherrscht, legt die stellvertretende Orts- amtsleiterin als Form von Verbundenheit aus. „Dörfliche Strukturen sind da, diese Menschen leben sie nur anders“, findet sie. „Ohne die Gewoba in Huchting, das wäre schlimm“, stellt sie fest und zeigt damit bewusst wie überzeugt eine offene Flanke. So bringe sich der Bremer Immobiliendienstleister und Sanierungsträger unter anderem durch ein aktives Stadtteilenga- gement, Teilnahme an Stadt- teilnetzwerken und Mieteraktionen wie der „School-is-out-Party“ kontinuierlich im Quartier ein, beschäftige Hausmeister und „Müllscouts“, gestalte Grün- und Spielflächen und arbeite ein Sanierungs- konzept ab. Im krassen Kontrast dazu stehen die tristen und ungepflegten Wohnblöcke im hinteren Bereich der Robinsbalje, die Pri- vatvermieter verwahrlosen lassen: ausge- brannte Müllcontainer, demolierte Brief- schlitze, ins Grau verblassende Fronten oder die mit „259 Ghetto“-Graffiti be- schmierte Fassade, kaputte Fenster und fehlende Türfüllungen, durch die Schim- mel Einzug hält. „Hier befindet sich das Quartier, das uns in Huchting die meisten Sorgen bereitet“, bekennt Annette Yildi- rim ganz offen. „Wer irgendwie kann, zieht weg. Viele sind jedoch froh, über- haupt eine Wohnung zu bekommen.“ Die Förderung aus dem Programm „Wohnen in Nachbarschaften“ ist in die- ser von Stagnation gebrandmarkten Ge- bäudeballung und von Tristesse ge- schwängerten Atmosphäre enorm wich- tig. „Auch hier wird’s bald besser, daran wird das in diesem Herbst fertig wer- dende Quartiersbildungszentrum Robins- balje einen großen Anteil haben“, versi- chert die Verwaltungsvertreterin. Und sie spricht außerdem Bemühungen des Bei- rats zur Aufwertung des Quartiers Robins- balje an, zum Beispiel bei der Unterstüt- zung eines Kunstprojekts der Wilhelm Wagenfeld Schule. Erste Verschönerungsmaßnahmen sind schon zu sehen. Annette Yildirims Finger zeigt auf die bunten Mosaike vorm Eingang der Kita Robinsbalje, die Sitz- schlange und den Hahn. „In der Kita sind Eltern sehr aktiv, auch die, welche sonst schwer zu erreichen sind, “ sagt Yildirim in der Überzeugung, dass sich ein ange- nehmes Umfeld positiv auf die Einstel- lung und damit auf das friedliche Mitei- nander verschiedener Kulturen auswirkt. Die Szene auf dem Schulhof nebenan be- kräftigt diesen Eindruck: Auf dem Mini- Fußballfeld jagen sechs Kids unterschied- licher Herkunft dem Ball nach. „Das wird so gut angenommen“, beobachtet An- nette Yildirim, „die Bewohner sehnen sich nach schönen Aufenthaltsorten.“ Ebenso wie nach wärmenden Sonnen- strahlen. Dicht an dicht liegen Alt und Jung am Sodenmattsee-Strand. Vier Jun- gen schubsen sich quietschvergnügt ge- genseitig von der Badeinsel ins Wasser. Einer spritzt fast die Beachvolleyballer nass. In dieser grünen Lunge im Ortsteil Sodenmatt atmen die Huchtinger durch. Die als Beschäftigungsträger fungie- rende Stadtteilfarm mit Kleingetier und of- fenen Angeboten für Kinder und Jugend- liche sowie die schmale Schotter-Zufahrt- straße mit Imker und Wirtshäuschen sug- gerieren ländliche Idylle und versprühen entsprechenden Charme. Ursprüngliche Natur lässt sich im Natur- schutzgebiet entlang der Brokhuchtinger Landstraße erleben. Leicht von der Teer- straße zurückversetzt liegen linkerhand traditionelle Bauernhöfe, rechts erstreckt sich weite Marschlandschaft. „Übers Frei- land ist der Dom zu sehen“, bemerkt die stellvertretende Ortsamtsleiterin und fragt sich, wie lange diese ursprüngliche Landschaft noch unberührt bleibt. Im vorderen Abschnitt wurde als Lü- ckenschluss zur „Papageiensiedlung“ am Roggenkampsweg, wo die moderne Lesart des Bremer Hauses in Blassblau oder Orange leuchtet, eine hellgelbe Rei- henhaus-Neubausiedlung erschlossen. Am anderen Ende der Brokhuchtinger Landstraße ist ein weiteres Neubaugebiet mit 400 Wohneinheiten geplant. Eine Be- bauung sieht die Neustädterin mit Herz für Huchting aber in naher Zukunft nicht. Wie ein fehlendes Puzzleteil fügt sich indes das Neubaugebiet Achterkamps- weg an der Hermannsburg in die vorhan- dene Siedlungsstruktur ein. Schmuck se- hen die neuen Einfamilienhäuser in Fried- hofsnähe aus, deren Bauherrennamen nicht unbedingt deutsch klingen. „Wenn Menschen mit ausländischen Wurzeln in Eigentum investieren, spricht das dafür, dass sie sich wohlfühlen und bleiben“ , lei- tet Annette Yildirim daraus ab. „Huchting ist ein Stadtteil, der noch wächst“, bemüht sie die Statistik. Umso mehr Bedeutung misst sie den Kontakt- polizisten (Kops) bei, „die im Alltag prä- sent sind und Dorfpolizistencharakter ha- ben, weil sie ihre Pappenheimer von kleinauf kennen.“ Außer dem Sicherheits- gefühl ist die Bildungslandschaft für Yildirim ein wichtiger Standortfak- tor. „Wir sind glücklich, dass wir sehr aktive Schulen haben, so können alle Schüler im Stadtteil bleiben.“ Vorbildlich findet sie den Kindergartenneubau der St.-Pius-Gemeinde: helle Räume und Platz zum Toben. Größtes Sorgenkind ist ak- tuell die geplante Verlän- gerung der Straßenbahn- linien 1 und 8. Dagegen wächst der Widerstand. EINEN BESUCH WERT Auftanken in grünen Oasen FLÄCHE Stadtteil gesamt: 13,73 km² Ortsteil Mittelshuchting: 6,70 km² Ortsteil Sodenmatt: 1,80 km² Ortsteil Kirchhuchting: 3,43 km² Ortsteil Grolland: 1,80 km² EINWOHNER Stadtteil gesamt: 29 259 Mittelshuchting: 10 867 Sodenmatt: 6898 Kirchhuchting: 8174 Grolland: 3320 BEVÖLKERUNGSBEWEGUNG 2009 Stadtteil gesamt 2017 Zugezogene 1845 Fortgezogene Mittelshuchting 1032 Zugezogene 958 Fortgezogene Sodenmatt 591 Zugezogene 564 Fortgezogene Kirchhuchting 730 Zugezogene 670 Fortgezogene Grolland 211 Zugezogene 200 Fortgezogene DURCHSCHNITTSALTER 44,7 Jahre HAUSHALTE Stadtteil gesamt: 14 373 Mittelshuchting: 5274 Sodenmatt: 3441 Kirchhuchting: 4006 Grolland: 1652 BEVÖLKERUNGSANTEIL MIT MIGRATIONSHINTERGRUND Stadtteil insgesamt: 10105 Mittelshuchting: 4055 Sodenmatt: 2774 Kirchhuchting: 2969 Grolland: 307 ARBEITSMARKT am 30. Juni 2009 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (am Wohnort): Stadtteil insgesamt: 8039 Mittelshuchting: 2959 Sodenmatt: 1895 Kirchhuchting: 2204 Grolland: 981 Arbeitslose (am Wohnort): Stadtteil insgesamt: 1745 Mittelshuchting: 702 Sodenmatt: 480 Kirchhuchting: 508 Grolland: 55 QUELLE: STATISTISCHES LANDESAMT, 2009 Der Stadtteil Huchting hat seinen Ursprung in der 1871 aus den Ortsteilen Kirchhuch- ting, Mittelshuchting, Sodenmatt und Grol- land gebildeten Landgemeinde. Die einst selbstständigen Kommunen, die durch die bereits ab 1867 zwischen Bremen und Ol- denburg verkehrende Eisenbahn und der Kleinbahn bis 1967 an das städtische Bre- men angebunden waren, wurden 1945 in die Stadt Bremen eingemeindet. In Grolland dominieren nach wie vor Kleinsiedlungsstrukturen. Den Grundstein dafür hat 1935 ein Gartenstadtprojekt ge- legt. In dem Arbeiterstadtteil wurden 1950 rund 4600 Einwohner aus sozial mittelstän- digen Schichten in Einfamilien- und Rei- henhäusern gezählt – soviel wie seinerzeit in den drei anderen Ortsteilen zusammen. In Kirchhuchting, Mittelshuchting und Sodenmatt indes veränderte vor allem der soziale Wohnungsbau der 1960er Jahre die dörflichen Strukturen. In rasantem Tempo entstanden ab 1953 neue Wohneinheiten für 43 000 Einwohner und somit großstädti- sche Quartiere mit all ihren Problemen. Der Name Huchting bezieht sich vermut- lich auf einen hochgelegenen Thingplatz (Gerichtsplatz) oder eine hochgelegene Heimstatt der Chauken, die hier ab 300 bis 200 vor Christus siedelten. BEWUNDERNSWERT Jugendliche gestalten mit 23 x BREMEN: DIE WICHTIGSTEN FAKTEN, TIPPS UND SCHÖNSTEN BILDER AUS ALLEN STADTTEILEN IN EINER GROSSEN SERIE. TEIL 6: HUCHTING. LESEN SIE AM SONNABEND ALLES ÜBER SEEHAUSEN Die Huchtinger Kops, hier Herbert Hülß bei der Verkehrserziehung, suchen den Kontakt von kleinauf. Sie versuchen, Vertrauen aufzubauen und erhöhen durch ihre Präsenz das Sicherheitsgefühl. FOTOS: MARIO WEZEL Der Sodenmattsee dient als Quelle zur Erholung. BEMERKENSWERT Zwei Zentren prägen Struktur ERZÄHLENSWERT Drei markante Gotteshäuser Die Kinder lieben die Stadtteilfarm, vor allem deren Tiere. Hochhausquartiere wie hier die Robinsbalje werden sukzessive verschönert. Wo kann die Stadt noch wachsen und wie soll sie sich ab 2020 präsentieren? Um Fra- gen wie diese geht es bei der Neuaufstel- lung des Flächennutzungsplanes. Das neue Zukunftsmodell soll ein Gemein- schaftswerk der Stadtteile und ihrer Bewoh- ner werden. Deswegen haben die Beiräte der Stadtteile ihre Sicht auf Bremens Zu- kunft zusammengetragen. Herausgekom- men ist bisher die Dokumentation „Bremen plant“, die in das Leitbild für die Stadtent- wicklung bis 2020 einfließen sollen. Der Stadtteil liegt im Grünen und von Grünflächen durchzogen, entsprechend gibt es Flächen für Naturschutz, Freizeit- und Erholungsbereiche. Der Stadtteil hat an einigen Stellen eine eher dörfliche und an anderen Stellen eher eine großstädti- sche Struktur. Und das wirkt sich auch auch die Wünsche des Quartiers aus. Ganz oben auf der Wunschliste steht eine Anpassung der Infrastruktur an den Al- tersaufbau der Stadtteilbewohner. Außer- dem will Huchting einen erreichbaren und flexiblen ÖPNV, da damit zu rechnen ist, dass es eine steigende Zahl von Stadtteilbe- wohnern mit individuellen Mobilitätsein- schränkungen gibt. Huchting erwartet von der Stadt, dass den Menschen in den Stadtrandbezirken mehr Kompetenzen bei der Entwicklung ih- rer Quartiere zugebilligt werden. An die Wirtschaftsförderung appelliert der Stadt- teil, ihn besser im Auge zu haben, insbeson- dere bei der Entwicklung kleiner Flächen. Aus den Ideen, Wünschen und Anregun- gen aus den Stadtteilen wird derzeit im Bau- ressort ein neuer Flächennutzungsplan ge- schmiedet. Ein erster Entwurf wird vermut- lich Anfang 2011 vorliegen. Ortsamtsvertreterin Annette Yildirim. Die Geschichte Gartenbausiedlung in Grolland war in 1930er Jahren ein Pilotprojekt Kultur(elle)-Keimzelle: das BuS. WERTVOLL Kreativ und einsatzfreudig Die Autorin: Ulrike Troue verstärkt seit drei Jahren das Redaktionsteam des STADTTEIL- KURIER, hat auch ein Jahr lang die Huchting- Ausgabe betreut. Zuvor war die Redakteurin über 15 Jahre für verschiedene Regionalre- daktionen des WESER-KURIER tätig. Das Roland-Center, die Einkaufsadresse. Neue Formen von Verbundenheit Die Zukunft Leitbild 2020: Huchting erwartet mehr Entwicklungskompetenzen Weitblick über die idyllische Brokhuchtinger Wiesenlandschaft – hinten am Horizont sind bei gutem Wetter sogar die Türme des Doms zu sehen. Grollander Gartensiedlungsstruktur. Weitere Bilder, Informationen und Videos über die 23 Stadtteile Bremens finden Sie im Internet unter www.weser-kurier.de. Beton im Blick: Dietrich-Bonhoeffer-Kirche. Bisher erschienen: Walle, Hemelingen, Horn- Lehe, Blockland, Schwachhausen. Die nächs- ten Folgen: Seehausen, Gröpelingen, Östliche Vorstadt, Neustadt, Borgfeld, Woltmershausen, Burglesum, Findorff, Mitte, Oberneuland, Obervieland, Vahr,Osterholz, Vegesack, Häfen, Blumenthal, Strom. HUCHTING IN ZAHLEN ANZEIGE Über 100 Fachgeschäfte Mo bis Sa von 10 – 20 Uhr 1.700 kostenlose Parkplätze www.roland-center.de Im Herbst im Trend! Erleben Sie die neue Herbst- und Winter-Mode. Vom 23.09. bis 02.10. Große Vorher/Nachher-Aktion mit Monica Ivancan am 02.10. Jetzt bewerben: www.roland-center.de ANZEIGE Riesenauswahl festlicher Damen Bekleidung Neu eingetroffen! Marken Bekleidung zu sensationellen Preisen -Outletverkauf Aufwendig verarbeitet, verschiedene Modelle und Farben Damen und Herren Winterjacken jetzt ab 29,– Damen Pullover und Strickjacken jetzt ab 20,– Festliche Damen Blazer z. B. statt 139,– jetzt 41,70 Festliche Röcke & Hosen z. 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Das Buch zur Serie „23x Bremen“ erscheint vo-raussichtlich Ende No-vember. Es enthält alleTexte und die schönstenFotos zu den Bremer Stadt-teilen und wird 9,80 Eurokosten. Wer will, kann sichsein Exemplar reservieren

lassen: E-Mail mit Namen, Adresse und be-nötigter Stückzahl an [email protected] genügt. Ihre Exemplare lie-gen dann Ende November im Pressehausfür Sie bereit. Das genaue Erscheinungsda-tum wird rechtzeitig bekannt gegeben.

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BUCHTIPP

Auf einen zentralen Treffpunkt legen sichdie Huchtinger nicht fest. Dennoch habensich zwei größere Zentren im Quartier heraus-kristallisiert: das Roland-Center als wirt-schaftliche und das Bürger- und Sozialzen-trum (BuS) als kulturelle Keimzelle. In demEinkaufszentrum in Kirchhuchting wurde1973 das deutschlandweit zweite „Shop-in-Shop“-Konzept verwirklicht. Zwei Jahre da-rauf verstärkten die Stadtteilpolitiker ihre Be-mühungen, am Alten Dorfweg einen Mittel-punkt zu entwickeln, den „Huchtinger Dorf-platz“. Als 1985 der Schulstandort Amersfoor-ter Straße aufgegeben werden musste, woll-ten einige Initiativen und Vereine die leer ste-henden Gebäude und das weitläufige Ge-lände nutzen. So bot sich der Ortsteil Soden-matt für die Bündelung von Kultur- und Wei-terbildungsangeboten an: Mit der Gründungdes Vereins „bus e.V.“ war der Startschussfür die Entwicklung eines Bürgerzentrumsgefallen, das eine einzigartige Mischung auskommunalen wie privaten kulturellen, ökolo-gischen, sozialen und integrativen Einrich-tungen und Initiativen aufweist. Das mithinanerkannte Bürgerhaus initiiert kulturelleProgramme, Projekte und Feste.

Seit Dezember 2009 setzt sich der Jugendbei-rat in Huchting – der erste und bislang ein-zige direkt gewählte in Bremen – für die Be-lange von Gleichaltrigen ein. Die 15 demo-kratisch gewählten Mitglieder verfügen überein eigenes Budget und arbeiten eng mitdem Stadtteilbeirat zusammen. Zurzeit setzter Vorschläge aus dem Projekt „Ideen imKopf“ um. Das erste Konzert für Nachwuchs-bands war ein toller Auftakt, weiterhin ge-plant sind unter anderem eine „Pool“–Partyim Hallenbad oder der Wiederaufbau der der-zeit eingelagerten Skateranlage am Soden-mattsee. Er möchte, dass Huchting für Ju-gendliche interessanter wird. Dazu gehörenFreizeitangebote im Jugendfreizeitheim.Weitere Anlaufstellen für Jugendliche sindder Mädchentreff, Projekte des Vereins fürakzeptierende Jugendarbeit (Vaja) und derStiftung Alten Eichen, die Stadtteilfarm unddie „Boxzeile Huchting“. Die Sportvereineund Kirchen initiieren Projekte, zum Beispiel„Ein Zuhause für Kinder“ der St.-Matthäus-Gemeinde. Mit dem im Bau befindlichenQuartiersbildungszentrum Robinsbaljekommt ein neuer Treff dazu, der Freizeit-, Bil-dungs- und Beratungsangebote bietet.

Hohen Naherholungswert hat die fast 300Hektar große Grünfläche zwischen Grollandund Kirch-/Mittelshuchting: der Park Linksder Weser. Die Ochtum windet sich hier inKurven durch Wiesen, lässt Raum für Tot-arme und Stillgewässer. In den mittleren Be-reichen des Parks wird weiter Weidewirt-schaft mit Kühen und Pferden betrieben. Esist gelungen, den Park mit Fuß- und Radwe-gen so zu erschließen, dass Menschen die Na-tur erleben können, aber nicht stören. Einzweiter großer Naturbereich ist das Grünzen-trum Sodenmatt mit dem Sodenmattsee. Der1962 ausgehobene Baggersee ist im Sommereine beliebte Badestelle. An der Strandseiteliegt die Stadtteilfarm, auf der anderen See-seite das Grünzentrum Sodenmatt mit der„Linse“, die als Veranstaltungsort genutztwird. Dieses grüne Band wird durch die park-ähnliche Anlage zwischen Bezirkssportan-lage, Kloßkampsweg und Hallenbad weiter-geführt. Sechs Kleingartengebiete weist derStadtteil auf. An der Kirchhuchtinger Land-straße liegt „Böses Park“ mit Skulpturen. Ge-wässer dienen oft als Quell für Erholung; sol-che sind der Huchtinger See, die VarrelerBäke sowie mehrere Fleete.

Bürgerengagement leben viele Huchtingerganz selbstverständlich. Das Projekt „Nacht-wanderer Huchting“ – Erwachsene, die seit2006 in Kleingruppen an Wochenenden aufder Straße, in Bussen und Bahnen Jugendli-chen als Ansprechpartner zur Verfügung ste-hen – hat Modellcharakter. Die Gründung ei-nes Fördervereins hat das von der Schlie-ßung bedrohte Hallenbad gerettet. Ein be-merkenswertes Kreativpotenzial und hoherGemeinsinn treten in Huchting besondersbei Aktionen und Festen zutage. Vorreiter-rolle nimmt Huchting durch das Kinder- undJugendkulturfestival „Aktionata“ ein. OhneBeispiel in Bremen ist der Sommerferienka-lender für Kinder und Jugendliche. An Fami-lien richten sich das BuS-Kinderfest und dasStadtteilfest am Sodenmattsee. Kulturinteres-sierte loben das Sommerkonzert unter derLinse oder Konzerte im BuS. Viele Firmenstellen ihre Leistungsfähigkeit bei der Gewer-beschau der Interessengemeinschaft Huch-tinger Unternehmen (IHU) unter Beweis. DasRoland-Center bringt sich unter anderemdurch die „Tour de Natur“, die Stadtteilbi-bliothek im zweiten Stock sowie Veranstal-tungen in Kooperation mit Vereinen ein.

Architektonisch und historisch weist Huch-ting durchaus markante Gebäude auf. Als ex-travagant gilt die 1971 eingeweihte Dietrich-Bonhoeffer-Kirche an der Heinrich-Plett-Al-lee – ohne Glockenturm und Prunk. Dernackte Betonbau mit dem frei hängendenDach erinnert an die „Schwangere Auster“in Berlin. Architekt Carsten Schröck hat darü-ber hinaus die von 1962 bis 1964 gebaute St.-Lukas-Kirche in Grolland geplant – und dasmoderne Gotteshaus optisch an der BerlinerKongresshalle orientiert. Eine Stahlnetzkon-struktion statt konventioneller Wände trägtund verbindet die Dachbügel aus Leimholz-bindern. Noch eine dritte Kirche stammt vonSchröck: die St.-Matthäus-Kirche an der Her-mannsburg. Im Kirchhuchtinger Ortskernsteht die von 1877/79 von Eduard Gildemeis-ter und Heinrich Deetjen geplante neugoti-sche St.-Georg-Kirche. Huchtings älteste Kir-che wurde an Stelle einer mittelalterlichen,1201 urkundlich erwähnten Kirche errichtet.Ferner haften Besucherblicke am Warturman der Ochtumbrücke, an der „Papageien-siedlung“ am Roggenkampsfleet und amVida-Gartencenter mit Privatzoo nahe desDorfkrugs, dem früheren Kutschenausspann.

Die Straßenbahn passiert die weite Wie-senlandschaft des Parks Links der Weserund endet am größten EinkaufszentrumHuchtings, dem Roland-Center. „Daskennen die meisten“, bestätigt AnnetteYildirim, stellvertretende Ortsamtsleite-rin beim Streifzug durch die vier Orts-teile der ehemaligen LandgemeindeHuchting: Kirchhuchting, Mittelshuch-ting, Sodenmatt und Grolland.

VON ULRIKE TROUE

Rund 100 Fachgeschäfte unter ei-nem Dach und die Bike&Ride-Anlage am alten Dorfweg markie-ren unverkennbar städtischeStrukturen. Die als Hochstraße

durch Huchting geführte B 75 und bis zuachtgeschossige Hochhäuser, zum Bei-spiel im Belgischen Viertel in Mittelshuch-ting, dem Ortsteil mit den meisten Ein-wohnern, untermauern dies.

Tatsächlich prägt Wohnen das Gesichtdes Stadtteils. Einzelhandelsgeschäfteziehen sich verstreut an der Kirchhuchtin-ger Landstraße entlang, mittelständischeund größere Produktionsbetriebe, unteranderem der Lenksystementwickler Na-cam und der Stahl- und WerkstoffhändlerThyssenKrupp Schulte als zwei der größ-ten Arbeitgeber, sind in mehreren kleine-ren Gewerbegebieten angesiedelt.

Im Stadtteil leben, nicht unbedingt vorOrt arbeiten – mit diesem verändertenGrundgepräge können die Huchtinger of-fenbar gut leben. „Die meisten Bewohnerfühlen sich als Huchtinger, sie bleiben imStadtteil wohnen oder ziehen nach einemkurzen Abstecher in andere Stadtteile ir-gendwann wieder hierher zurück“, stelltAnnette Yildirim heraus. Den Eindruckdörflicher Prägung manifestiert die histo-rische Mitte in Kirchhuchting: das Ensem-ble St.-Georgs-Kirche, Dorfkrug undGrundschule.

Fast überall auf den Straßen sind an die-sem Wochentag Menschen unterwegs –unterschiedlichster Herkunft. Mit rund34,5 Prozent ist der Anteil an Migrantenan der Gesamtbevölkerung Huchtingsmit rund 30000 Einwohnern hoch. „InHuchting gibt es fast alles für den tägli-chen Bedarf, sodass die Huchtinger garnicht raus müssen“, betont die beflisseneTourleiterin und hebt auf die kurzenWege ab – zum Einkaufen, zur Schuleoder zu Sport- und Freizeitstätten wiedem „einmaligen Netzwerk“, dem Bür-ger- und Sozialzentrum. „Huchtinger fah-ren Fahrrad, daran sind sie zu erkennen.“

Hohe IdentifikationDie Verkehrsinfrastruktur bietet sich zumRadeln an. Fahrradwege säumen dieHauptstraßen, Randstreifen mit viel Be-gleitgrün die reinen Wohngebietsstra-ßen. Einfamilien- und Reihenhäuser mitzum Teil penibelst gepflegten Vorgärtenspiegeln die Identifikation der Bewohnermit ihrem Quartier wider, zum Beispiel inden Straßenzügen Brakkämpe, Tom Dyk,Luxemburger Straße oder in der Grollan-der Straße mit dem Kulturhof der FamilieBorchelt. Zum Teil grenzen Einfamilien-häuser mit riesigen Gärten direkt ankleine Siedlungshäuschen, an Reihen-oder dreigeschossige Wohnhäuser.

Diese Identifikation und das soziale Ge-misch von Normalverdienenden undHartz V-Empfängern in einigen Vierteln,die Vielfalt der Bevölkerung lässt sich anmehreren, der durch sozialen Wohnungs-bau Anfang der 1960er-Jahre aus dem Bo-den geschossenen Mehrgeschosshäusernablesen: üppig berankte Blumenkästenneben Teppich verhangenen Balkonen,liebevoll gestaltete Beete neben verwil-dert wirkendem Rasen in den Vorgärten.

In den vergleichsweise günstigen ge-nossenschaftlich verwalteten Wohnun-gen haben sich viele Migranten ein neuesZuhause eingerichtet. „Auch sie fühlensich hier wohl“, leitet Yildirim im Vorbei-fahren an kleinen Grüppchen ab, die sichbei so schönem Wetter wie heute zum Bei-spiel im sogenannten Holländerviertel inVorgärten, auf Spielplätzen und anderenöffentlichen Grünflächen treffen. Sie ho-cken auf Zäunen oder mitgebrachtenStühlen und plauschen angeregt mitei-nander. Die Mieterinitiative Den HaagerStraße organisiert sogar Umzugshilfen,weiß Annette Yildirim.

Dieses tolerante Miteinander, das zuge-gebenermaßen nicht allerorts im Stadtteilvorherrscht, legt die stellvertretende Orts-amtsleiterin als Form von Verbundenheitaus. „Dörfliche Strukturen sind da, dieseMenschen leben sie nur anders“, findetsie. „Ohne die Gewoba in Huchting,das wäre schlimm“, stellt sie fest undzeigt damit bewusst wie überzeugteine offene Flanke. So bringe sich derBremer Immobiliendienstleister undSanierungsträger unter anderemdurch ein aktives Stadtteilenga-gement, Teilnahme an Stadt-

teilnetzwerken und Mieteraktionen wieder „School-is-out-Party“ kontinuierlichim Quartier ein, beschäftige Hausmeisterund „Müllscouts“, gestalte Grün- undSpielflächen und arbeite ein Sanierungs-konzept ab.

Im krassen Kontrast dazu stehen dietristen und ungepflegten Wohnblöcke imhinteren Bereich der Robinsbalje, die Pri-vatvermieter verwahrlosen lassen: ausge-brannte Müllcontainer, demolierte Brief-schlitze, ins Grau verblassende Frontenoder die mit „259 Ghetto“-Graffiti be-schmierte Fassade, kaputte Fenster undfehlende Türfüllungen, durch die Schim-mel Einzug hält. „Hier befindet sich dasQuartier, das uns in Huchting die meistenSorgen bereitet“, bekennt Annette Yildi-rim ganz offen. „Wer irgendwie kann,zieht weg. Viele sind jedoch froh, über-haupt eine Wohnung zu bekommen.“

Die Förderung aus dem Programm„Wohnen in Nachbarschaften“ ist in die-ser von Stagnation gebrandmarkten Ge-bäudeballung und von Tristesse ge-schwängerten Atmosphäre enorm wich-tig. „Auch hier wird’s bald besser, daranwird das in diesem Herbst fertig wer-dende Quartiersbildungszentrum Robins-balje einen großen Anteil haben“, versi-chert die Verwaltungsvertreterin. Und siespricht außerdem Bemühungen des Bei-rats zur Aufwertung des Quartiers Robins-balje an, zum Beispiel bei der Unterstüt-zung eines Kunstprojekts der WilhelmWagenfeld Schule.

Erste Verschönerungsmaßnahmensind schon zu sehen. Annette YildirimsFinger zeigt auf die bunten Mosaike vormEingang der Kita Robinsbalje, die Sitz-schlange und den Hahn. „In der Kita sindEltern sehr aktiv, auch die, welche sonstschwer zu erreichen sind, “ sagt Yildirimin der Überzeugung, dass sich ein ange-nehmes Umfeld positiv auf die Einstel-lung und damit auf das friedliche Mitei-nander verschiedener Kulturen auswirkt.Die Szene auf dem Schulhof nebenan be-kräftigt diesen Eindruck: Auf dem Mini-Fußballfeld jagen sechs Kids unterschied-licher Herkunft dem Ball nach. „Das wirdso gut angenommen“, beobachtet An-nette Yildirim, „die Bewohner sehnensich nach schönen Aufenthaltsorten.“

Ebenso wie nach wärmenden Sonnen-strahlen. Dicht an dicht liegen Alt undJung am Sodenmattsee-Strand. Vier Jun-gen schubsen sich quietschvergnügt ge-genseitig von der Badeinsel ins Wasser.Einer spritzt fast die Beachvolleyballernass. In dieser grünen Lunge im OrtsteilSodenmatt atmen die Huchtinger durch.Die als Beschäftigungsträger fungie-rende Stadtteilfarm mit Kleingetier und of-fenen Angeboten für Kinder und Jugend-liche sowie die schmale Schotter-Zufahrt-straße mit Imker und Wirtshäuschen sug-gerieren ländliche Idylle und versprühenentsprechenden Charme.

Ursprüngliche Natur lässt sich im Natur-schutzgebiet entlang der BrokhuchtingerLandstraße erleben. Leicht von der Teer-straße zurückversetzt liegen linkerhandtraditionelle Bauernhöfe, rechts erstrecktsich weite Marschlandschaft. „Übers Frei-land ist der Dom zu sehen“, bemerkt diestellvertretende Ortsamtsleiterin undfragt sich, wie lange diese ursprünglicheLandschaft noch unberührt bleibt.

Im vorderen Abschnitt wurde als Lü-ckenschluss zur „Papageiensiedlung“am Roggenkampsweg, wo die moderneLesart des Bremer Hauses in Blassblauoder Orange leuchtet, eine hellgelbe Rei-henhaus-Neubausiedlung erschlossen.Am anderen Ende der BrokhuchtingerLandstraße ist ein weiteres Neubaugebietmit 400 Wohneinheiten geplant. Eine Be-bauung sieht die Neustädterin mit Herzfür Huchting aber in naher Zukunft nicht.

Wie ein fehlendes Puzzleteil fügt sichindes das Neubaugebiet Achterkamps-weg an der Hermannsburg in die vorhan-dene Siedlungsstruktur ein. Schmuck se-hen die neuen Einfamilienhäuser in Fried-hofsnähe aus, deren Bauherrennamennicht unbedingt deutsch klingen. „WennMenschen mit ausländischen Wurzeln inEigentum investieren, spricht das dafür,dass sie sich wohlfühlen und bleiben“ , lei-tet Annette Yildirim daraus ab.

„Huchting ist ein Stadtteil, der nochwächst“, bemüht sie die Statistik. Umsomehr Bedeutung misst sie den Kontakt-polizisten (Kops) bei, „die im Alltag prä-sent sind und Dorfpolizistencharakter ha-ben, weil sie ihre Pappenheimer vonkleinauf kennen.“ Außer dem Sicherheits-

gefühl ist die Bildungslandschaft fürYildirim ein wichtiger Standortfak-

tor. „Wir sind glücklich, dass wirsehr aktive Schulen haben, sokönnen alle Schüler im Stadtteilbleiben.“ Vorbildlich findet sieden Kindergartenneubau derSt.-Pius-Gemeinde:helle

Räume und Platz zum Toben.Größtes Sorgenkind ist ak-

tuell die geplante Verlän-gerung der Straßenbahn-linien 1 und 8. Dagegen

wächst der Widerstand.

EINEN BESUCH WERT

Auftanken in grünen Oasen

FLÄCHEStadtteil gesamt: 13,73 km²Ortsteil Mittelshuchting: 6,70 km²Ortsteil Sodenmatt: 1,80 km²Ortsteil Kirchhuchting: 3,43 km²Ortsteil Grolland: 1,80 km²

EINWOHNERStadtteil gesamt: 29 259Mittelshuchting: 10 867Sodenmatt: 6898Kirchhuchting: 8174Grolland: 3320

BEVÖLKERUNGSBEWEGUNG 2009Stadtteil gesamt

2017 Zugezogene1845 Fortgezogene

Mittelshuchting1032 Zugezogene958 Fortgezogene

Sodenmatt591 Zugezogene564 Fortgezogene

Kirchhuchting730 Zugezogene670 Fortgezogene

Grolland211 Zugezogene200 Fortgezogene

DURCHSCHNITTSALTER44,7 Jahre

HAUSHALTEStadtteil gesamt: 14 373Mittelshuchting: 5274Sodenmatt: 3441Kirchhuchting: 4006Grolland: 1652

BEVÖLKERUNGSANTEIL MITMIGRATIONSHINTERGRUND

Stadtteil insgesamt: 10105Mittelshuchting: 4055Sodenmatt: 2774Kirchhuchting: 2969Grolland: 307

ARBEITSMARKTam 30. Juni 2009sozialversicherungspflichtigBeschäftigte (am Wohnort):Stadtteil insgesamt: 8039Mittelshuchting: 2959Sodenmatt: 1895Kirchhuchting: 2204Grolland: 981

Arbeitslose (am Wohnort):Stadtteil insgesamt: 1745Mittelshuchting: 702Sodenmatt: 480Kirchhuchting: 508Grolland: 55

QUELLE: STATISTISCHES LANDESAMT, 2009

Der Stadtteil Huchting hat seinen Ursprungin der 1871 aus den Ortsteilen Kirchhuch-ting, Mittelshuchting, Sodenmatt und Grol-land gebildeten Landgemeinde. Die einstselbstständigen Kommunen, die durch diebereits ab 1867 zwischen Bremen und Ol-denburg verkehrende Eisenbahn und derKleinbahn bis 1967 an das städtische Bre-men angebunden waren, wurden 1945 indie Stadt Bremen eingemeindet.

In Grolland dominieren nach wie vorKleinsiedlungsstrukturen. Den Grundsteindafür hat 1935 ein Gartenstadtprojekt ge-legt. In dem Arbeiterstadtteil wurden 1950rund 4600 Einwohner aus sozial mittelstän-

digen Schichten in Einfamilien- und Rei-henhäusern gezählt – soviel wie seinerzeitin den drei anderen Ortsteilen zusammen.

In Kirchhuchting, Mittelshuchting undSodenmatt indes veränderte vor allem dersoziale Wohnungsbau der 1960er Jahre diedörflichen Strukturen. In rasantem Tempoentstanden ab 1953 neue Wohneinheitenfür 43000 Einwohner und somit großstädti-sche Quartiere mit all ihren Problemen.

Der Name Huchting bezieht sich vermut-lich auf einen hochgelegenen Thingplatz(Gerichtsplatz) oder eine hochgelegeneHeimstatt der Chauken, die hier ab 300 bis200 vor Christus siedelten.

BEWUNDERNSWERT

Jugendliche gestalten mit

23 x BREMEN: DIE WICHTIGSTEN FAKTEN, TIPPS UND SCHÖNSTEN BILDER AUS ALLEN STADTTEILEN IN EINER GROSSEN SERIE. TEIL 6: HUCHTING. LESEN SIE AM SONNABEND ALLES ÜBER SEEHAUSEN

Die Huchtinger Kops, hier Herbert Hülß bei der Verkehrserziehung, suchen den Kontakt von kleinauf. Sie versuchen, Vertrauen aufzubauen und erhöhen durch ihre Präsenz das Sicherheitsgefühl. FOTOS: MARIO WEZEL

Der Sodenmattsee dient als Quelle zur Erholung.

BEMERKENSWERT

Zwei Zentren prägen StrukturERZÄHLENSWERT

Drei markante Gotteshäuser

Die Kinder lieben die Stadtteilfarm, vor allem deren Tiere. Hochhausquartiere wie hier die Robinsbalje werden sukzessive verschönert.

Wo kann die Stadt noch wachsen und wiesoll sie sich ab 2020 präsentieren? Um Fra-gen wie diese geht es bei der Neuaufstel-lung des Flächennutzungsplanes. Dasneue Zukunftsmodell soll ein Gemein-schaftswerk der Stadtteile und ihrer Bewoh-ner werden. Deswegen haben die Beiräteder Stadtteile ihre Sicht auf Bremens Zu-kunft zusammengetragen. Herausgekom-men ist bisher die Dokumentation „Bremenplant“, die in das Leitbild für die Stadtent-wicklung bis 2020 einfließen sollen.

Der Stadtteil liegt im Grünen und vonGrünflächen durchzogen, entsprechendgibt es Flächen für Naturschutz, Freizeit-und Erholungsbereiche. Der Stadtteil hatan einigen Stellen eine eher dörfliche undan anderen Stellen eher eine großstädti-sche Struktur. Und das wirkt sich auchauch die Wünsche des Quartiers aus.

Ganz oben auf der Wunschliste stehteine Anpassung der Infrastruktur an den Al-tersaufbau der Stadtteilbewohner. Außer-dem will Huchting einen erreichbaren undflexiblen ÖPNV, da damit zu rechnen ist,dass es eine steigende Zahl von Stadtteilbe-wohnern mit individuellen Mobilitätsein-schränkungen gibt.

Huchting erwartet von der Stadt, dassden Menschen in den Stadtrandbezirkenmehr Kompetenzen bei der Entwicklung ih-rer Quartiere zugebilligt werden. An dieWirtschaftsförderung appelliert der Stadt-teil, ihn besser im Auge zu haben, insbeson-dere bei der Entwicklung kleiner Flächen.

Aus den Ideen, Wünschen und Anregun-gen aus den Stadtteilen wird derzeit im Bau-ressort ein neuer Flächennutzungsplan ge-schmiedet. Ein erster Entwurf wird vermut-lich Anfang 2011 vorliegen.

OrtsamtsvertreterinAnnette Yildirim.

Die GeschichteGartenbausiedlung in Grolland war in 1930er Jahren ein Pilotprojekt

Kultur(elle)-Keimzelle: das BuS.

WERTVOLL

Kreativ und einsatzfreudig

Die Autorin: Ulrike Troue verstärkt seit dreiJahren das Redaktionsteam des STADTTEIL-KURIER, hat auch ein Jahr lang die Huchting-Ausgabe betreut. Zuvor war die Redakteurinüber 15 Jahre für verschiedene Regionalre-daktionen des WESER-KURIER tätig.

Das Roland-Center, die Einkaufsadresse.

Neue Formen vonVerbundenheit

Die ZukunftLeitbild 2020: Huchting erwartet mehr Entwicklungskompetenzen

Weitblick über die idyllische Brokhuchtinger Wiesenlandschaft – hinten am Horizont sind bei gutem Wetter sogar die Türme des Doms zu sehen.

Grollander Gartensiedlungsstruktur.

Weitere Bilder, Informationen und Videos überdie 23 Stadtteile Bremens finden Sie im Internet unterwww.weser-kurier.de.

Beton im Blick: Dietrich-Bonhoeffer-Kirche.

Bisher erschienen: Walle, Hemelingen, Horn-Lehe, Blockland, Schwachhausen. Die nächs-ten Folgen: Seehausen, Gröpelingen, ÖstlicheVorstadt, Neustadt, Borgfeld, Woltmershausen,Burglesum, Findorff, Mitte, Oberneuland,Obervieland, Vahr,Osterholz, Vegesack, Häfen,Blumenthal, Strom.

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