Neue Starterkulturen zum Biologischen Säureabbau ......Starterkulturen korreliert. Es bestätigt...

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D ie Weinbereitung ist charakterisiert durch zwei hochkomplexe Fermentationspro- zesse. Die alkoholische Gärung ist die primä- re und die bedeutendste Fermentation, die durch Hefen, besonders aber durch Saccha- romyces cerevisiae vollzogen wird. Der Biolo- gische Säureabbau (BSA) ist eine sekundäre Fermentation, die in der Regel der alkoho- lischen Gärung nachfolgt. Durch Co-Inokula- tion (Simultanbeimpfung) werden vielfach heute beide Fermentationsprozesse zur glei- chen Zeit induziert (Jussier et al., 2006, Zap- paroli et al., 2009). Durch den BSA wird vor- nehmlich die Äpfelsäure unter Abspaltung von Kohlendioxid in die Milchsäure über- führt. An diesem Prozess sind Milchsäurebak- terien (MSB) aus den Gattungen Leuconostoc, Pediococcus, Lactobacillus, in herausragender Weise ist aber die Spezies Oenococcus oeni daran beteiligt. Biologischer Säureabbau Oenologische Bedeutung des BSA Der BSA ist aus vielerlei Gründen für die Oe- nologie von erheblicher Bedeutung: Mit dem Abbau der Dicarbonsäure Äpfel- säure in die Monocarbonsäure Milchsäu- re wird der Säuregehalt des Weines ver- ringert, der pH-Wert entsprechend erhöht und damit auch die Bekömmlichkeit des Weines verbessert. Mit dem Abbau der Äpfelsäure und wei- terer organischer Kohlenstoffverbin- dungen werden potenzielle Nährstoff- quellen für andere mikrobiologische Prozesse mit möglicherweise negativen Auswirkungen aus dem Wein entfernt und in Folge dessen der mikrobiologische Sta- tus des Weines stabilisiert. Der BSA hat Einfluss auf das Aromaprofil des Weines und kann durch die Stoff- wechselprodukte der MSB die sensorische Wahrnehmung des Weines maßgeblich verändern (Maicas et al., 1999; Swiegers et al., 2005), die Fülle und Komplexität des Neue Starterkulturen zum Biologischen Säureabbau Mehrjährige Erfahrungen Nicht nur aufgrund des säuregeprägten Jahrganges 2010 erfährt der Biologische Säureabbau in der Wein- bereitung eine immer größere Bedeutung. Gerade auch bei Weißweinen wird er zu einem immer bedeut- sameren oenologischen Stilmittel, um die Harmonie, die Komplexität und die Raffinesse der Weine zu optimieren. Im ersten Teil des Artikels berichten Josef Valentin Herrmann, Christine Maier, Erna Schindler und Hans Jürgen Köhler, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim, von einer vergleichenden Untersuchung simultaner und sequentieller Beimpfung kommerzieller, auch citratnegativer Starterkulturen in Bezug auf Verlauf und Dauer des Äpfelsäureabbaus, der Entwicklung der Keimzahlen und des bakteriellen Abbaus der Zitronensäure. Mikrobiologie zu Beginn des BSA. Abgestorbene Hefezellen und stäbchenförmige aneinanderge- reihte Zellen von O. oeni am Ende eines BSA. Abb. 1: Weißburgun- der 2007, Abbau der Äpfelsäure, sequen- zielle Beimpfung. Fotos:Schindler KELLERWIRTSCHAFT das deutsche weinmagazin • 19/24. September 2011 35

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D ie Weinbereitung ist charakterisiert durch zwei hochkomplexe Fermentationspro-

zesse. Die alkoholische Gärung ist die primä-re und die bedeutendste Fermentation, die durch Hefen, besonders aber durch Saccha-romyces cerevisiae vollzogen wird. Der Biolo-gische Säureabbau (BSA) ist eine sekundäre Fermentation, die in der Regel der alkoho-lischen Gärung nachfolgt. Durch Co-Inokula-tion (Simultanbeimpfung) werden vielfach heute beide Fermentationsprozesse zur glei-chen Zeit induziert (Jussier et al., 2006, Zap-paroli et al., 2009). Durch den BSA wird vor-nehmlich die Äpfelsäure unter Abspaltung von Kohlendioxid in die Milchsäure über-führt. An diesem Prozess sind Milchsäurebak-terien (MSB) aus den Gattungen Leuconostoc, Pediococcus, Lactobacillus, in herausragender Weise ist aber die Spezies Oenococcus oeni daran beteiligt.

Biologischer Säureabbau

Oenologische Bedeutung des BSADer BSA ist aus vielerlei Gründen für die Oe-nologie von erheblicher Bedeutung:

→ Mit dem Abbau der Dicarbonsäure Äpfel-säure in die Monocarbonsäure Milchsäu-re wird der Säuregehalt des Weines ver-ringert, der pH-Wert entsprechend erhöht und damit auch die Bekömmlichkeit des Weines verbessert.

→ Mit dem Abbau der Äpfelsäure und wei-terer organischer Kohlenstoffverbin-dungen werden potenzielle Nährstoff-quellen für andere mikrobiologische

Prozesse mit möglicherweise negativen Auswirkungen aus dem Wein entfernt und in Folge dessen der mikrobiologische Sta-tus des Weines stabilisiert.

→ Der BSA hat Einfluss auf das Aromaprofil des Weines und kann durch die Stoff-wechselprodukte der MSB die sensorische Wahrnehmung des Weines maßgeblich verändern (Maicas et al., 1999; Swiegers et al., 2005), die Fülle und Komplexität des

Neue Starterkulturen zum Biologischen Säureabbau

Mehrjährige Erfahrungen

Nicht nur aufgrund des säuregeprägten Jahrganges 2010 erfährt der Biologische Säureabbau in der Wein-bereitung eine immer größere Bedeutung. Gerade auch bei Weißweinen wird er zu einem immer bedeut-sameren oenologischen Stilmittel, um die Harmonie, die Komplexität und die Raffinesse der Weine zu optimieren. Im ersten Teil des Artikels berichten Josef Valentin Herrmann, Christine Maier, Erna Schindler und Hans Jürgen Köhler, Bayerische Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, Veitshöchheim, von einer vergleichenden Untersuchung simultaner und sequentieller Beimpfung kommerzieller, auch citratnegativer Starterkulturen in Bezug auf Verlauf und Dauer des Äpfelsäureabbaus, der Entwicklung der Keimzahlen und des bakteriellen Abbaus der Zitronensäure.

Mikrobiologie zu Beginn des BSA. Abgestorbene Hefezellen und stäbchenförmige aneinanderge-reihte Zellen von O. oeni am Ende eines BSA.

Abb. 1: Weißburgun-der 2007, Abbau der Äpfelsäure, sequen-

zielle Beimpfung.

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könnte (Pozo-Bayón et al., 2005; Matthews et al., 2006; Mtshali et al., 2009), so werden, letzt-endlich auch aus den chemisch-physika-lischen Bedingungen in Most und Wein (im weiteren Textverlauf beschrieben), in der Praxis weitestgehend Starterkulturen auf der Basis von selektierten O. oeni-Stämmen ein-gesetzt (Köhler et al., 2010).

Präferenz für Oeococcus oeniSo vielfältig das natürliche genetische und biochemische Potenzial in den MSB auch ausgeprägt ist, so eng begrenzt ist letztendlich doch die für die oenologische Praxis zur Ver-fügung stehende Auswahl der für den BSA tatsächlich geeigneten MSB-Stämme. Starter-kulturen müssen hohe Alkohol- und SO2-Konzentrationen sowie niedrige pH-Werte tolerieren und unter den praktischen keller-wirtschaftlichen Bedingungen, auch unter Nährstoffkonkurrenz und Nährstoffverknap-pung, ein ausreichendes Vermehrungs- und Aktivitätspotenzial zeigen. Sie müssen dabei zu den Trockenreinzuchthefen kompatibel sein, keine Stoffwechselprodukte erzeugen, die den Geruch und den Geschmack des Weines negativ beeinflussen oder gar den Wein durch die Bildung von biogenen Aminen verderben. Unter diesen, für Bakterien sehr unwirtlichen Umweltbedingungen im Wein, gerade auch bei den dort üblichen pH-Werten unter 3,5, ist O. oeni am besten adaptiert be-ziehungsweise adaptierbar und daher die MSB-Art, aus der vornehmlich Starterkulturen selektiert werden (du Toit et al., 2010).

Milchsäurebakterien und der ZitronensäureabbauAus energetischer Sicht ist der Abbau des Zu-ckers des Mostes und des Weines für die MSB weitaus effektiver als der Abbau der Säuren. Unter den besonderen physikalisch-che-mischen und anaeroben Bedingungen im Wein sind zudem aber auch Äpfel- und Zitro-nensäure energieliefernde Substrate. O. oeni ist heterofermentativ und metabolisiert Glu-kose zu Milchsäure, Alkohol und Kohlendio-xid und prinzipiell auch noch zu anderen, gegebenenfalls sensorisch negativen Verbin-dungen. Dieser Aspekt muss bei der Selektion von Starterkulturen in besonderer Weise be-rücksichtigt werden. Auch die Metabolisie-rung der Zitronensäure durch O. oeni liefert Verbindungen, die in besonderer Weise für das sensorische Bild eines BSA positiv wie aber auch negativ sein können (Teil 2).

Für die zeitliche Abfolge des Zitronensäu-reabbaus in Bezug auf alkoholische Gärung und Äpfelsäureabbau gibt es in der Literatur unterschiedliche Angaben. Nach Ramos und Santos (1996) erfolgt der Zitronensäureabbau parallel zur alkoholischen Gärung, während die Kofermentation mit Äpfelsäure stamm- und pH-abhängig ist (Miranda et al., 1997).

Weines erhöhen und zur Harmonisierung des Weines beitragen.

→ In Folge des BSA wird die Konzentration SO2-bindender Stoffe wie Acetaldehyd, α-Ketoglutarat und Pyruvat erheblich ver-ringert (Mayer et al., 1976).

Einfluss des BSA auf Sensorik und Qualität des WeinesMSB können sowohl positiv wie aber auch negativ die Sensorik und die Qualität des Weines verändern, wobei dies nicht nur durch die Bakterienart, sondern maßgeblich auch durch den jeweiligen Bakterienstamm be-stimmt wird. MSB sind in der Lage, Inhalts-stoffe des Mostes wie auch des Weines zu metabolisieren, sekundäre Stoffwechselpro-dukte der Traube und der Hefen zu modifi-zieren und geschmacksrelevante Stoffe an den Zellwänden zu absorbieren (Bartowsky und Henschke, 1995). Zu den positiven Aroma-komponenten zählen Diacetyl, 2,3-Butandiol,

Ester (Liu, 2002) und höhere Alkohole, mit einer letztendlich aber oftmals konzentrati-onsabhängigen ambivalenten sensorischen Bewertung (Teil 2). Die negativen Aromakom-ponenten umfassen flüchtige schwefelhaltige Verbindungen, flüchtige Säure (Essigsäure) und flüchtige Phenole (Swiegers et al., 2005). Neben diesen „off-flavours“ kann die Bildung von gesundheitsschädigenden Verbindungen wie Ethylcarbamat und biogenen Aminen zum Weinverderb beitragen. Der Einsatz von kommerziellen Starterkulturen kann diese Risiken, die mit einem spontanen BSA einher-gehen können zwar reduzieren, jedoch, wie am Beispiel des stammspezifischen unter-schiedlichen Bildungsvermögens von spezi-fischen biogenen Aminen (Guerrini et al., 2002) selbst durch O. oeni nicht völlig aus-schließen.

Auch wenn Lactobacillus plantarum auf- grund des komplexeren enzymatischen Profils eine vielversprechende Starterkultur sein

Abb. 2: Weißburgun-der 2007, Keimzahl-entwicklung, sequentielle Beimp-fung.

Abb. 4: Weißburgun-der 2007, Keimzahl-entwicklung, simultane Beimpfung.

Abb. 3: Weißburgun-der 2007, Abbau der Äpfelsäure, simultane Beimpfung.

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Nach Wirth et al., 2010 beginnt der Zitronen-säureabbau wahrscheinlich erst, wenn etwa die Hälfte der Äpfelsäure abgebaut wurde. Nach Nielsen und Richelieu (1999) erfolgt der Zitronensäureabbau erst im Anschluss an den Äpfelsäureabbau. Nach Martineau und Henick-Kling (1996) wird in Anwesenheit von Äpfelsäure der Zitronensäuretransport ge-hemmt und Lonvaud-Funel et al. (1984) be-richten, dass die Citrat-Lyase, das Schlüssel-enzym für den Zitronensäureabbau, erst nach dem Abbau der Äpfelsäure ihre maximale Aktivität erreicht.

Um von vorneherein die durch den Abbau der Zitronensäure möglichen sensorisch negativen Stoffwechselprodukte auszuschlie-ßen, wurden in den letzten Jahren sogenann-te „citrat-negative“ MSB entwickelt. Bei die-sen wurde durch mutagene Selektionspro-zesse die Citrat-Lyase inaktiviert. Die Meta-bolisierung der Zitronensäure ist dadurch blockiert.

Einflussfaktoren auf den BSA

pH-Wert in Most und WeinÄpfelsäure hat auch bei niedrigen pH-Werten einen stimulierenden Effekt auf die Entwick-lung von O. oeni, der allerdings bei Vorliegen von Zitronensäure stark gehemmt wird (Auga-gneur et al., 2007). Hierfür ist weniger die Zi-tronensäure selbst, als vielmehr eines ihrer Abbauprodukte, möglicherweise die Essig-säure, die eigentliche Ursache. Bei niedrigen pH-Werten (unter 3,5) wird durch die Vermin-derung der Membranpotenziale die Energie-gewinnung aus dem Abbau der Säuren dras-tisch eingeschränkt und somit die Vitalität der Bakterien massiv vermindert und in Folge dessen das Vermehrungspoten-zial stark eingeschränkt und der BSA verzögert.

Phenolische SäurenEs ist seit längerem bekannt, dass phenolische Säuren in Most und Wein den BSA negativ beeinflussen können, wobei die Vitalität der MSB stärker durch Hydroxyzimtsäuren als durch Hydroxybenzoesäuren beein-trächtigt wird. Entsprechend ihrer spezifischen Struktur und ihres lipophilen Charakters er-höhen sie die Membranperme-abilität und verringern damit die Effizienz der membrangebun-denen energieliefernden Stoff-wechselprozesse (Campos et al., 2009). Einige MSB-Stämme rea-gieren hierauf, ähnlich wie auch bei höheren Alkoholkonzentra-tionen, mit der Erhöhung des Gehaltes an ungesättigten Fett-

erhebliche Stresssituation und resultiert in einem langen Zeitraum, in dem der Jungwein auch den Einflüssen der spontanen Bakteri-enflora mit möglichen negativen sensorischen Auswirkungen ausgesetzt ist.

Durch die gleichzeitige Beimpfung des Mostes mit Hefen und MSB (simultane Beim-pfung) kann nicht nur die Gesamtdauer der Gärungsprozesse erheblich reduziert, son-dern auch die Stresssituation für die MSB erheblich gemildert werden. Einschlägige Untersuchungen belegen den vollständigen und nahezu parallel verlaufenden Abbau von Zucker und Äpfelsäure innerhalb eines zirka einwöchigen Zeitraumes. Der geringere Ge-halt an Acetaldehyd reduzierte den Schwefel-bedarf. Die leicht erhöhten Essigsäuregehalte hatten keine sensorischen Auswirkungen. Im sensorischen Vergleich waren die Weine der simultanen und sequenziellen Beimpfung gleichwertig, wenn nicht sogar durch eine höhere Fruchtigkeit geprägt (Christen und de Orduña, 2010).

VersucheUm den Einfluss der simultanen und sequen-ziellen Beimpfung kommerzieller, auch citrat-negativer Starterkulturen in Bezug auf Verlauf

säuren in den Membranen (Rozès und Peres, 1998).

Inhibition der MSB durch HefenHefen haben entweder neutrale oder aber positive beziehungsweise negative Auswir-kungen auf die Vitalität und Aktivität von MSB. Die Inhibition der MSB durch Hefen beruht auf proteinartigen Faktoren, die von den He-fen in das Medium abgegeben werden und alleine oder aber in Kombination mit anderen weitgehend unbekannten Verbindungen kon-zentrationsabhängig bakteriostatisch oder bakterizid auf die MSB einwirken (Comitini et al., 2005). Diese Interaktionen zwischen Hefen und MSB sind hochgradig stammspe-zifisch. Bei der Auswahl der Hefe- und MSB-Präparate sind daher die Empfehlungen zur „Verträglichkeit“ der entsprechenden Kombi-nationen unbedingt zu beachten.

Simultane – Sequenzielle BeimpfungDie Einleitung des BSA im Anschluss an die alkoholische Gärung (sequenzielle Beimp-fung) bedingt für die MSB durch die hohe Alkoholkonzentration, gegebenenfalls hefe-stammspezifisch hohe SO2-Konzentrationen, Nährstoffverknappung und Inhibitoren eine

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Abb. 5: Silvaner 2007, Abbau der Äpfelsäu-

re, sequenzielle Beimpfung.

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und Dauer des Äpfelsäureabbaus, der Ent-wicklung der Keimzahlen und des bakteriel-len Abbaus der Zitronensäure zu erfassen, wurden im Jahrgang 2007 entsprechende Versuche und Untersuchungen an Mosten und Jungweinen der Rebsorten Weißburgun-der und Silvaner durchgeführt.

VersuchsdurchführungDie Versuche wurden bei 20 °C in 50 l Glas-ballons (Silvaner, Weißburgunder sequenziell) beziehungsweise in 100 l Edeltanks (Weißbur-gunder simultan) durchgeführt. Die Moste des Weißburgunder wurden mit der TRZH „SIHA 8“, die des Silvaner mit der TRZH „Lalvin W“ vergoren. Die relevanten analytischen Para-meter sind in den Tabellen 1 und 2 dargestellt. Die BSA-Starterkulturen Viniflora CH11, VP41, Litto Malique Blanc (citratnegativ), Vini Bac-ti 111 (citratnegativ) sowie zusätzlich Vini Bacti 111 mit dem hierfür empfohlenen Nähr-stoff-Präparat Optimalo wurden entspre-chend den Herstellerangaben eingesetzt.

Ergebnisse: Abbau der ÄpfelsäureDer Abbau der Äpfelsäure erfolgte beim Sil-vaner in allen Varianten sehr rasch und zügig (Abb. 5, 7) und erfolgte bei der sequenziellen Beimpfung in der Hälfte, bei der simultanen Beimpfung gar nur in einem Viertel der ent-sprechenden Zeitdauer des Äpfelsäureabbaus beim Weißburgunder (Abb. 1, 3). In der Vari-ante Simultanbeimpfung setzte der Äpfelsäu-reabbau bereits mit Beginn der Inokulation ein (Abb. 7), beim Weißburgunder begann er dagegen erst deutlich nach Abschluss der al-koholischen Gärung (Abb. 3). Eine Verzöge-rung der Gärung durch die Starterkulturen ist nicht erkennbar. In allen Varianten hatten die

Präparate Viniflora CH11 und VP41 die höchs-ten Abbauraten und konnten den Äpfelsäure-abbau deutlich vor den anderen Präparaten beenden.

Ergebnisse: KeimzahlentwicklungDie Intensität und der Abbau der Äpfelsäure in den jeweiligen Varianten sind deutlich mit den Keimzahlentwicklungen der spezifischen Starterkulturen korreliert. Es bestätigt sich, dass ab einer Keimzahl von 105 KbE/ml der Äpfelsäureabbau beginnt und die Starterkul-turen in der Regel auch dementsprechend eingestellt sind. Es ist bemerkenswert, dass, ganz im Gegensatz zum Silvaner (Abb. 6, 8), beim Weißburgunder und hier besonders bei der simultanen Beimpfung (Abb. 2, 4), die Keimzahlen einiger Starterkulturen nach der Inokulation sich zunächst erheblich vermin-dern und sich erst über einen längeren Zeit-raum wieder eine effektive Keimzahl von über 105 KbE/ml aufbaut. Die Präparate Viniflora

CH11 und VP41 waren von dieser anfäng-lichen Keimzahldepression kaum betroffen, dementsprechend zügig verlief der Abbau der Äpfelsäure.

Ergebnisse: Zusätzliche Nährstoffversorgung der StarterkulturenSowohl die Keimzahlentwicklung wie auch der Abbau der Äpfelsäure verliefen bei Vini Bacti 111 und Vini Bacti 111 + Optimalo par-allel oder waren häufig sogar deckungsgleich, auch während der offensichtlichen kritischen Adaptionsphase bei der Simultanbeimpfung beim Weißburgunder (Abb. 3). Demzufolge hatte bei diesem Präparat die zusätzliche Ver-sorgung mit spezifischen Nährstoffen keine Verbesserung der Vitalität und Aktivität der Bakterien zur Folge.

Ergebnisse: Abbau der ZitronensäureDie Zitronensäuregehalte nach Abschluss des BSA sind in der Tabelle 3 dargestellt.

Der fast vollständige Abbau der Zitronen-säure nach der sequenziellen Beimpfung und die Erhaltung der Zitronensäure bei der si-multanen Beimpfung sind bei beiden Weinen in nahezu identischer Weise ausgeprägt. In Bezug auf die sequenziellen Beimpfungen und die hier eingesetzten Präparate VP41 und Viniflora CH11 entspricht dies den Erwar-tungen und könnte im Weiteren darauf hin- deuten, dass die als citratnegativ ausgelobten Präparate Litto Malique Blanc und Vini Bacti 111 entweder nicht citratnegativ sind, oder aber eine spontane MSB-Flora die Zitronen-säure metabolisierte. In den mikrobiolo-gischen Untersuchungen ergaben sich zwar hierauf Hinweise, die tatsächliche Ursache für den Abbau der Zitronensäure in den Varian-ten mit citratnegativen Starterkulturen blieb jedoch unbekannt. Weitere Erfahrungen mit citratnegativen Starterkulturen sind im fol-genden zweiten Teil des Artikels dargestellt.

Der weitgehende Erhalt der Zitronensäure bei der Simultanbeimpfung bestätigt die An-gaben von Nielsen und Richelieu (1999), Mar-tineau und Henick-Kling (1996) und Lonvaud-

Tab. 1: Analytische Parameter des Mostes und des Jungweines des Weißburgunders

Analysenwerte

Most Jungwein

°Oechsle 95

Zucker (g/l) 231 0

pH-Wert 3,42 3,48

Gesamtsäure (g/l) 7,6 6,5

Äpfelsäure (g/l) 4,5 3,5

Weinsäure (g/l) 6,1 2,8

Zitronensäure (g/l) 0,33 0,30

NOPA (mg/l) 246 100

freies NH4 (mg/l) 167 < 2

Tab. 2: Analytische Parameter des Mostes und des Jungweines des Silvaners

Analysenwerte

Most JungweinoOechsle 84

Zucker (g/l) 197 0,3

pH-Wert 3,43 3,27

Gesamtsäure (g/l) 7,0 6,8

Äpfelsäure (g/l) 4,5 3,5

Weinsäure (g/l) 4,6 3,0

Zitronensäure (g/l) 0,24 0,26

NOPA (mg/l) 260 89

freies NH4 (mg/l) 123 < 3

Tab. 3: Zitronensäuregehalte in den Weinen nach Abschluss des BSA

Weißburgunder Silvaner

sequentiell simultan sequentiell simultan

Litto Malique Blanc 0,04 0,29 0,00 0,26

ViniBacti 111 0,03 0,28 0,07 0,25

VP41 0,11 0,15 0,09 0,21

Viniflora CH11 0,06 0,11 0,01 0,27

ViniBacti 111 + Optimalo 0,01 0,29 0,10 0,25

Abb. 6: Silvaner 2007, Keimzahlentwicklung, sequenzielle Beimp-fung.

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Funel et al. (1984), denen zu Folge erst nach dem Abbau der Äpfelsäure der Abbau der Zitronensäure sein Maximum erreicht. Erfolgt die Schwefelung des Jungweines unmittelbar am Ende des BSA, wie hier in der Versuchs-anstellung geschehen, so kann der Zitronen-säureabbau gestoppt oder ganz vermieden werden.

Schlussfolgernd aus den vorliegenden Be-funden ergibt sich Klärungsbedarf bezüglich des unterschiedlichen Verhaltens der einzel-nen Starterkulturen und inwieweit bei der simultanen Beimpfung möglicherweise unter Schonung der Zitronensäure die Glucose von den Starterkulturen metabolisiert wird und gegebenenfalls auch die Matrix der Moste in unterschiedlicher Weise hierauf Einfluss nimmt.

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Abb. 7: Silvaner 2007, Abbau der Äpfelsäu-

re, simultane Beimpfung.

Abb. 8: Silvaner 2007, Keimzahlentwicklung, simultane Beimpfung.

K e l l e rw i r t s c h a f t

39 das deutsche weinmagazin • 13/24. Juni 2006das deutsche weinmagazin • 19/24. September 2011