Neugeborenenscreening: Frühe Diagnose rettet Leben · Informed consent, Einwilligungserklärung 3....

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Cornelia Müller Universitätsmedizin Greifswald Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin Neugeborenenscreeninglabor M-V Neugeborenenscreening: Frühe Diagnose rettet Leben http://www.derwesten.de/img/incoming/crop7611379/83733515-cImg0273_543-w616-h225/dapd-baby.jpg

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Cornelia Müller

Universitätsmedizin Greifswald

Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin

Neugeborenenscreeninglabor M-V

Neugeborenenscreening:Frühe Diagnose rettet Leben

http://www.derwesten.de/img/incoming/crop7611379/83733515-cImg0273_543-w616-h225/dapd-baby.jpg

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1. Was sind Screening-Untersuchungen?

2. Was ist Neugeborenenscreening?

3. Gesetzliche Grundlagen

4. Ablauf des Screenings

5. Beispiele im Screening gesuchter Erkrankungen

6. EU-Projekte PomScreen und RareScreen

7. Qualitätssicherung des Screening-Prozesses

Übersicht:

Cornelia Müller: Neugeborenenscreening30./31.1.2014: Diätetisch-mdizinisches Stoffwechselsymposium

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Was ist eine Screeninguntersuchung ?

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Screening= (engl. filtern) Reihenuntersuchung

definierte Bevölkerungsgruppe

definierte Zielkrankheiten

definierter Zeitpunkt bzw. -raum

Ziel:

Ausbruch dieser Krankheit oder deren Folgen vermeiden oder lindern

Ergebnis:

Keine Diagnose: sondern unauffällig oder auffällig

Kontrollbedürftger Screeningbefund

evtl. Krankheitsverdacht

Weitere Diagnostik erforderlich

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Screeninguntersuchnung

Untersuchung von zumeist gesunden Individuen

• Neugeborenenscreening: 99,9% nicht betroffene Neugeborene

• Neugeborenen-Hörscreening: 99,0% hörende Neugeborene

• Mammographiescreening: 98,8% Frauen ohne Mamma-Ca

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Screeninguntersuchnung

hohe Anforderungen an die Prozessqualität:

• hohe Sensitivität und Spezifität erforderlich

• Test soll die gesuchte Erkrankung mit möglichst großer Sicherheit

nachweisen oder ausschließen können

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Voraussetzungen

für eine hohe Qualität von Screeningprogrammen:

1. Screeningkriterien

Relevanz der Erkrankung, Behandelbarkeit, Risiko-Nutzen etc.

2. Qualifizierte Aufklärung und Befundübermittlung

Informed consent, Einwilligungserklärung

3. Standardisierte Abläufe

Richtlinien, Leitlinien

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Wann ist ein Screening sinnvoll?

Die gesuchte Krankheit soll:

- in der Frühphase ohne charakteristische Symptome sein

- klinisch und biochemisch gut definiert sein

- durch einen spezifischen, sensitiven, ethisch akzeptablen Screeningtest

nachweisbar sein

- in der untersuchten Population ausreichend häufig sein

- schwer und lebensbedrohlich sein

- muss effektiv behandelbar sein

- Kosten-Nutzen-Verhältnis muss positiv sein

7 Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von 1968

Wilson JMG, Jungner G. Principles and Practice of Screening for Disease. WHO Chronicle 1968;22(11):473

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Was ist Neugeborenenscreening?

• Krankheiten führen unbehandelt zu Behinderung oder Tod

• Keine Krankheitssymptome beim Neugeborenen

• Lebensbedrohliche Symptome können bereits in den

ersten Lebenstagen auftreten – kurzes „Zeitfenster“

• Sehr gute Therapieerfolge nur bei frühem Behandlungsbeginn

● weltweit eine der erfolgreichsten

Vorsorgeuntersuchungen

● Früherkennung angeborener

Stoffwechsel- und Hormonstörungen

(in Deutschland: zur Zeit 16 Erkrankungen)

Häufigkeit: ca. 1:1.300

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Neugeborenen-Screening - Geschichte

1961: Robert Guthrie

• Auftropfen von Blut auf einer Filterpapierkarte,

trocknen und analysieren Guthriekarte

• Bakterienhemmtest zur Früherkennung der Phenylketonurie (PKU)

(Robert Guthrie 1916-1995)

Ab 1969: • Neugeborenenscreening für die gesamte DDR in Greifswald:

Institut für Humangenetik

2 Erkrankungen: • Phenylketonurie (ab 1969) • Hypothyreose (ab 1979)

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https://www.kispi-

wiki.ch/padiatrie/neoips/

abklarungen/guthrie-test

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Neugeborenenscreening in Greifswald

Ab 1990: • Neugeborenenscreening für Mecklenburg-Vorpommern

• 5 Erkrankungen: Galaktosämie u. Biotinidase-Mangel (ab 1991)Adrenogenitales Syndrom (AGS) (ab 1998)

Ab 2005:

• Bundesweite Regelung:

Kinder-Richtlinien zur Einführung des

Erweiterten Neugeborenenscreenings

Screening auf 14 angeborene Erkrankungen

2009:Umzug in das Institut für Klinische Chemieund Laboratoriumsmedizin

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Neugeborenenscreening in MV

Hagenow

Crivitz

Anklam

Teilnahme:

• rund 13.500 Untersuchungen/Jahr

• ca. 99.9% aller Neugeborenen

Cornelia Müller: NeugeborenenscreeningUniversitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 13.6.16 Cornelia Müller: NeugeborenenscreeningUniversitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2019

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Gesetzliche Rahmenbedingungen

§ §§• Gesetz über genetische Untersuchungen bei Menschen

(Gendiagnostik-Gesetz (Gen-DG))

Verantwortlichkeit für Aufklärung und Einholen der Unterschrift

• Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriums-medizinischer Untersuchungen (RiliBÄK) Qualitätssicherung der Laboruntersuchungen

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• Kinder-Richtlinien

Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Früherkennung

von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6.Lebensjahres zur Einführung des

Erweiterten Neugeborenenscreenings

Jedes Neugeborene hat ein Recht auf ein Screening!

Verantwortlichkeit für die Blutabnahme,

Zeitvorgaben für Blutabnahme und Laboruntersuchung

Liste der zu screenenden Erkrankungen

Art der Laboruntersuchung, Anforderungen an die Labore: Akkreditierung: Deutsche Akkreditierungsstelle (DIN ISO)

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Ablauf Neugeborenscreening (1)

Blutab-nahme

Transport ins Labor

Labor-analyse der Trocken-blutkarten

Befund-erstel-lung und über-mittlung

Eltern-infor-mation und Einver-ständnis

Proben-registrie-rung

Cornelia Müller: Neugeborenenscreening

http://www.bio-rad.com/en-bg/category/products/newborn-screening

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Quali-täts-siche-rung

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Eltern-information und Aufklärung

Ablauf Neugeborenscreening (2)

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Eltern-Ein-verständnis

Ablauf Neugeborenscreening (3)

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• Fersenblut

• direkte Betropfung auf Trockenblutkarte

• Zeitraum: 36.-72. Lebensstunde

Blutent-nahme

Ablauf Neugeborenscreening (4)

Cornelia Müller: NeugeborenenscreeningCornelia Müller: NeugeborenenscreeningUniversitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2019

X

https://de.wikipedia.org/wiki/Neugeborenen

screening#/media/File:Phenylketonuria_tes

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Ablauf Neugeborenscreening (5)

Transport ins Labor

Luftgetrocknete Trockenblutkarten können mit der Post verschickt werden

Adresse des Screeninglabors:

Neugeborenen-Screeninglabor M-V

PF 5152

17476 Greifswald

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https://pixabay

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s/briefkasten-

post-

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2295693/

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Proben-identifi-zierung

Ablauf Neugeborenscreening (6)

Eingabe der Daten in das Labor-Informationssystem

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Ablauf Neugeborenscreening (7)

Laboranalyse

1. Ausstanzen des Materials in Mikrotiterplatten:

Größe des Stanzlings: 3,2 mm

2. Extraktion der Proben/ Pipettieren und Inkubation des Ansatzes

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Ablauf Neugeborenscreening (8)

Laboranalyse

3. Messung

• am Photometer (Fluoreszenz)

• Tandem-Massenspektrometer

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Ablauf Neugeborenscreening (9)

Befund-übermitt-lung

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Qualitätssicherung: Laboranalytik

• Akkreditierung: Deutsche Akkreditierungsstelle

• Internationale Vergleichsuntersuchungen

(Ringversuche)

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Ablauf Neugeborenscreening (10)

Tracking

Geburtenbuch-Tracking

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Qualitätssicherung

Totgeburt

Ziel: Teilnahme aller Neugeborenen (Chancengleichheit)

Abgleich der geborenen mit den gescreenten Kindern:

Kind 1

Kind 2

Kind 3

Kind 4

Kind 5

Kind 6

Kind 7

Kind 8

Kind 9

Kind 10

Kind 1

Kind 2

Kind 3

Kind 4

Kind 5

Kind 6

Kind 7

Kind 8

Kind 9

Kind 10

Kind 11

Kind 12

Kind 13

Kind 15

Kind 16

Kind 17

Kind 18

Kind 19

Kind 20

Kind 21

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Erkrankung Häufigkeit

1 Hypothyreose 1: 3.700

2 Adrenogenitales Syndrom 1: 14.300

3 Galaktosämie 1: 78.000

4 Biotinidase-Mangel 1: 25.000

567

AminoazidopathienPhenylketonurie (PKU) Ahornsirup-Krankheit (MSUD)Tyrosinämie I

1: 5.5001: 154.0001: 135.000

8910

Fettsäureoxidations-DefekteMedium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD)Long-Chain-3-OH-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (LCHAD)Very-Long-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (VLCAD)

1: 10.0001: 191.0001: 78.000

11, 1213

Carnitinzyklus-DefekteCarnitin-Palmitoyl-Transferase-I- und II- Mangel (CPT I, II)Carnitin-Acylcarnitin-Translocase- Mangel (CAT)

1: 287.000

1415

OrganoazidurienGlutarazidurie Typ 1 (GA 1),Isovalerianazidämie (IVA)

1: 136.0001: 99.000

16 Mukoviszidose 1: 3.800

17 Schwere kombinierte Immundefekte (SCID) (ab August 2019) 1: 32.500

17 Zielkrankheiten laut Kinder-Richtlinien 2019

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Konnatale (angeborene) Hypothyreose

= Unterfunktion der Schilddrüse

Klinik ohne Frühtherapie:Schwere irreversible Störung der geistigen und körperlichen Entwicklung

Ursachen:

• Unterentwicklung der Schilddrüse

• Fehlerhafte Anlage

Kind mit schwerer kongenitaler Hypothyreose,ohne Therapie im Alter von ca. 4 Monaten (historische Aufnahme, Liebl B, Muntau AC, et al:

Screening-Handbuch 2002, S. 28)

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Fallbeispiel Hypothyreose

Neugeborenes : Geburtsgewicht 3840g, 38. SSW

Erstscreening

Probenabnahme: 40. Lebensstunde

Screeningergebnis:

TSH: 384 mU/l

Referenzbereich: < 15 mU/l

fT3, fT4

TSH

Schilddrüsenhormone

Schilddrüse

Hypophyse

Hypothalamus

TRH

↑ ↑

↓ ↓

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Bestätigungsdiagnostik: Am 4. Lebenstag:

Diagnostik

Analyt (Plasma) Wert Einheit Referenzbereich

TSH 601 mU/l 0,7 - 18,1

Schilddrüsenhormone:fT3 fT4

1,3 4,2

pmol/l pmol/l

2,3 - 6,314,0 - 38,0

Diagnose: konnatale Hypothyreose

Therapie: lebenslange Gabe von Schilddrüsenhormonen (ab 4. Lebenstag)

Prognose: normale körperliche und geistige Entwicklung

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Erkrankung Häufigkeit

1 Hypothyreose 1: 3.700

2 Adrenogenitales Syndrom 1: 14.300

3 Galaktosämie 1: 78.000

4 Biotinidase-Mangel 1: 25.000

567

AminoazidopathienPhenylketonurie (PKU) Ahornsirup-Krankheit (MSUD)Tyrosinämie I

1: 5.5001: 154.0001: 135.000

8910

Fettsäureoxidations-DefekteMedium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD)Long-Chain-3-OH-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (LCHAD)Very-Long-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (VLCAD)

1: 10.0001: 191.0001: 78.000

11, 1213

Carnitinzyklus-DefekteCarnitin-Palmitoyl-Transferase-I- und II- Mangel (CPT I, II)Carnitin-Acylcarnitin-Translocase- Mangel (CAT)

1: 287.000

1415

OrganoazidurienGlutarazidurie Typ 1 (GA 1),Isovalerianazidämie (IVA)

1: 136.0001: 99.000

16 Mukoviszidose 1: 3.800

17 Schwere kombinierte Immundefekte (SCID) (ab August 2019) 1: 32.500

17 Zielkrankheiten laut Kinder-Richtlinien 2019

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Adrenogenitales Syndrom – AGS (1)

AGS ohne Salzverlust :• Vermehrt gebildete Androgene

führen zu Virilisierungserscheinungen

(Vermännlichung).

AGS mit Salzverlust:• Störung der Cortisol – und Aldosteron

– Biosynthese, ca. 75% sind davon betroffen.

• Möglicher tödlicher Verlauf bei Salzverlustkrisen (ab Tag 8)

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Fallbeispiel: Adrenogenitales Syndrom

Neugeborenes (091310074): : Geburtsgewicht: 4160g

Erstscreening

Probenabnahme: 3. Lebenstag

Screeningergebnis:

17-OH-Progesteron : 369nmol/l !!

Referenzbereich: < 30nmol/l

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Kind mit kompliziertem klass. AGS; ohne Therapie im Alter von

2 ½ Monaten (Salzverlustsyndrom); historische Aufnahme;

Liebl B, Muntau AC, et al: Screening-Handbuch 2002, S. 32

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Diagnostik: Adrenogenitales Syndrom

Konfirmationsdiagnostik: am 6. Lebenstag

Analyt Referenzbereich (ng/ml) Wert (ng/ml)

17-OH-Progesteron 0,22-1,89 133

Aldosteron 0,03-0,82 0,2

Androstendion 11,4-93,5 1269

Molekulargenet. Diagnostik Homozygot für g.656A/C>G; (Intron 2 splice Mutation)

Enddiagnose:

Adrenogenitales Syndrom

(21-Hydroxylasemangel mit Salzverlust)

Therapie:

Hormonersatztherapie,

bei Salzverlust auch Mineralocorticoide

(Hydrocortison, Fludrocortison)

Gleiches

Kind mit klass.

AGS; nach

10-monatiger

Hormon-

Ersatz-

Therapie

Liebl B,

Muntau AC:

Screening-

Handbuch

2002, S. 32

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Erkrankung Häufigkeit

1 Hypothyreose 1: 3.700

2 Adrenogenitales Syndrom 1: 14.300

3 Galaktosämie 1: 78.000

4 Biotinidase-Mangel 1: 25.000

567

AminoazidopathienPhenylketonurie (PKU) Ahornsirup-Krankheit (MSUD)Tyrosinämie I

1: 5.5001: 154.0001: 135.000

8910

Fettsäureoxidations-DefekteMedium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD)Long-Chain-3-OH-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (LCHAD)Very-Long-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (VLCAD)

1: 10.0001: 191.0001: 78.000

11, 1213

Carnitinzyklus-DefekteCarnitin-Palmitoyl-Transferase-I- und II- Mangel (CPT I, II)Carnitin-Acylcarnitin-Translocase- Mangel (CAT)

1: 287.000

1415

OrganoazidurienGlutarazidurie Typ 1 (GA 1),Isovalerianazidämie (IVA)

1: 136.0001: 99.000

16 Mukoviszidose 1: 3.800

17 Schwere kombinierte Immundefekte (SCID) (ab August 2019) 1: 32.500

17 Zielkrankheiten laut Kinder-Richtlinien 2019

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Phenylketonurie

Klinik ohne Frühtherapie bei klassischer PKU:

● in den ersten 6 Lebensmonaten kaum auffällig

Ursache: Defekt im Abbau der Aminosäure Phenylalanin

● fortschreitende Entwicklung: geistige und motorische Retardierung, Unruhe, Krämpfe

irreversibel!!

Phenylalanin aus der Nahrung

Phenylalanin-Hydroxylase

Tyrosin

Phenylpyruvat

X X

[email protected] Müller: NeugeborenenscreeningUniversitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2019

Melanin,

Dopamin

….

Histor.

Aufnahme

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Phenylketonurie

Therapie: Beginn möglichst < 3 Lebenswochen

Phenylalanin-arme Spezialdiät

Verzicht auf eiweißreiche Kost

zusätzliche Gabe von Aminosäuren (Tyrosin!) notwendig

Prognose:

Bei Frühtherapie und Einhalten der Diät:

normale Entwicklung

Universitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2017

Universitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2017 Cornelia Müller: NeugeborenenscreeningUniversitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2019

Historische

Aufnahme

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Erkrankung Häufigkeit

1 Hypothyreose 1: 3.700

2 Adrenogenitales Syndrom 1: 14.300

3 Galaktosämie 1: 78.000

4 Biotinidase-Mangel 1: 25.000

567

AminoazidopathienPhenylketonurie (PKU) Ahornsirup-Krankheit (MSUD)Tyrosinämie I

1: 5.5001: 154.0001: 135.000

8910

Fettsäureoxidations-DefekteMedium-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (MCAD)Long-Chain-3-OH-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (LCHAD)Very-Long-Chain-Acyl-CoA-Dehydrogenase-Mangel (VLCAD)

1: 10.0001: 191.0001: 78.000

11, 1213

Carnitinzyklus-DefekteCarnitin-Palmitoyl-Transferase-I- und II- Mangel (CPT I, II)Carnitin-Acylcarnitin-Translocase- Mangel (CAT)

1: 287.000

1415

OrganoazidurienGlutarazidurie Typ 1 (GA 1),Isovalerianazidämie (IVA)

1: 136.0001: 99.000

16 Mukoviszidose 1: 3.800

17 Schwere kombinierte Immundefekte (SCID) (ab August 2019) 1: 32.500

17 Zielkrankheiten laut Kinder-Richtlinien 2019

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Ursache: Störungen der Energiegewinnung aus Fettsäuren

(Beispiel: MCAD)

Klinik:Bei katabole Stoffwechsellage(Fastenperioden, Nahrungsverweigerung, Fieber, Infektionen, chirurg. Eingriff):

Akute Stoffwechselkrisen: schwere Hypoglykämien, Koma, Krampfanfälle und schließlich schwere Hirnschädigungen,

Patienten können versterben innerhalb kurzer Zeit!

Fettsäurenoxidations- und Carnitinzyklusdefekte

Therapie: Aufklärung der Eltern, Nüchternperioden vermeiden! Akute Krise: Hochdosierte Glucoseinfusionen, mittelkettige Triglyceride.

Prognose:Bei konsequenter Vermeidung von kataboler Stoffwechsellagen: normale Entwicklung

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EU Projekte der Screeningzentren

Jahre 2017-2020 Raresscreen:„Innovatives polnisch-deutsches grenzüberschreitendes Programm für frühe Diagnose und Behandlung seltener Erkrankungen von Neugeborenen“Budget: 2,9Mill€

INTERREG –Projekte

Jahre 2012-2016: PomScreen „Modellregion ,Pomerania‘ für ein grenzüberschreitendes Neugeborenscreening“Budget: 1,8 Mill €

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• gemeinsame Planung, Finanzierung, Organisation und

Durchführung

Verbesserte Qualität des Neugeborenenscreenings

Erweiterung des Spektrums erfasster Erkrankungen

Verbesserte Betreuung betroffener Kinder

• Verbesserung der Kommunikation betroffener Kinder und Eltern

beidseits

der

Grenze

Das gemeinsame Screeningzentrum Greifswald-Szczecin

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• eine der häufigsten vererbten Stoffwechselerkrankungen in Mitteleuropa

• Häufigkeit: ca. 1:3.700

• Klinik:

• vermehrte Bildung von zähen Sekreten

• chronische Entzündung der Lunge

• schwere Verdauungs- und

Wachstumsstörungen

EU-Projekt Pomscreen - Mukoviszidosescreening

Ursache

• Fehlfunktion von Chloridkanälen in

Körperzellen,

Veränderung der Zusammensetzung

aller Sekrete exokriner Drüsen

Cornelia Müller: NeugeborenenscreeningUniversitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2019

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Warum Mukoviszidose-Screening?

Ohne Neugeborenenscreening:

Alter bei Diagnosestellung:

• rund 4,8 Jahre

• im ersten Lebensjahr: 59%

• verbesserter Lungenfunktion

• besserer Hirnentwicklung

• weniger Erkrankungen bzw. Kliniksaufenthalte

• längerem Überleben

• geringeren Behandlungskosten

• verbessertem Wachstum

Frühzeitige Diagnose und Behandlung durch Neugeborenenscreening führt zu:

Cornelia Müller: NeugeborenenscreeningUniversitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2019

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- Ethik-Kommission: positives Votum

Mukoviszidose-Screening in M-V: Realisierung

- Aufklärung: zusätzlicher Flyer

- Einwilligung der Eltern ist erforderlich

- gemeinsam mit dem Neugeborenenscreening als Studie

(gleiche Screeningkarte)

[email protected]. 2017: Pädiatrie zum Anfassen

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Teilnahme am Mukoviszidose-Screening

Jahr/Monat

Zeitlicher Verlauf: Anteil der CF-Screenings am Neugeborenenscreening

2013 2014 20152012

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Septe

mb

er

Okto

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No

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Janu

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2016

10 erkrankte

Kinder

gefunden

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Mukoviszidose-Screening in Deutschland ab 2017

Diskussion der bundesweiten Einführung:

• 2008: Antrag im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA)

• 2015: Beschluss zur Einführung

• 2016: Neue Kinder-Richtlinien: Einführung des Mukoviszidosescreenings

aber: Vergütung zunächst nicht geklärt

Start im Jahr 2017 für alle Neugeborenen

Cornelia Müller: NeugeborenenscreeningUniversitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2019

= höchstes Beschlussgremium der

gemeinsamen Selbstverwaltung im

deutschen Gesundheitswesen

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Neugeborenenscreening: Ein komplexer Prozess

Geburtshelfer:

Aufklärung,Unterschrift

Probenabnahme

Prozessqualität: Outcome, Kosten,

Epidemiologie

Evaluation: Zeit,

Qualität,Vollstän-

digkeit

Konfirmation:

Spezialisierte

Klinik/Labor

Behandlung:

Stoffwechselspezialisten,

Kinderärzte,

Diätassistenten

Screeninglabor: Laboranalyse

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Erfassung der Prozessqualität

Datenerhebung der Deutschen Gesellschaft für das Neugeborenenscreening

- für Gesundheitsberichterstattung, Kassenärztliche Bundesvereinigung,

Krankenkassen, Sozialministerium, Bundesgesundheitsministerium,

- Vollständigkeit der Untersuchungen auf Populationsbasis

- Tracking aller kontroll- und wiederholungsbedürftigen Befunde bis zum endgültigen Ausschluss der Zielkrankheiten bzw. der definitiven Diagnosestellung und Therapieeinleitung

- Einhaltung der Abnahmezeiten, Postversandzeiten, Laborzeiten

- Berechnung der Recall-Rate, PPV usw.

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Qualitätssicherung- Jahresbericht

Mecklenburg-Vorpommern: Jahr 2018

Untersuchte Neugeborene: 13.042 (Teilnahmerate rund: 99.98%)

Screening verweigert: 24

Karte nicht korrekt betropft: 6 (Kontrollkarte eingegangen: 6)

Vollständigkeitskontrolle: mit Geburtenbuch-Nummer

Erkannte Neugeborene: 9

Hypothyreose 3

Adrenogenitales Syndrom 3

Galaktosämie 1

Aminosäurenstoffwechseldefekte 1

Fettsäurenoxidationsdefekte 1

Mukoviszidose 2

Veröffentlichung: Home Page der Deutschen Gesellschaft für

Neugeborenenscreening: auf http://www.screening-dgns.de/reports.php

Cornelia Müller: NeugeborenenscreeningUniversitätsmedizin Greifswald Ringvorlesung 2018

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Kumulierte Häufigkeit gesuchter Erkrankungen

Bezogen auf 100.000 Einwohner

Mecklenburg-Vorpommern Deutschland

Quelle: DGNS-Reporte der Jahre 1996 - 2016 http://www.screening-dgns.de/

Jahre 1996-2018 Jahre 1996-2016

Cornelia Müller: NeugeborenenscreeningNeugeborenenscreening Mecklenburg-Vorpommern

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Falsch negative und falsch positive Ergebnisse

Falsch negative Ergebnisse: d.h. erkranktes Kind nicht gefundenUrsachensuche in jedem Fall!

Bei einigen bekannt: • Sonderformen und leichte Formen der Erkrankungen • Frühgeborene < 32. SSW• Frühabnahme bei Reifgeborenen < 36 Stunden Lebensalter

Falsch positive Ergebnisse:RecallrateVergleich mit anderen ScreeningzentrenPPV (positiver prädiktiver Wert)

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Zweituntersuchung

vorgeschrieben

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Quelle: Screeningreport 2014, Deutsche Gesellschaft für Neugeborenenscreening

http://fachservice.mammo-programm.de/download/MAMMO_Eval_Jahresbericht_2012.pdf

= Positiver Vorhersagewert = Wahrscheinlichkeit, bei einem positiven Testergebnis wirklich erkrankt zu sein, abhängig von der Prävalenz der Zielkrankheit und der Spezifität

Erkrankung PPV (%)

Hypothyreose 21

AGS 3

Phenylketonurie 58

MCAD 51

Mammographiescreening 13

Positiver prädiktiver Wert - PPV

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PPV bezogen auf die gesamte Zahl der Erstscreening-Untersuchungen unabhängig vom Lebens- und Gestationsalter (Deutschland: 2014)

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Erkrankung(Häufigkeit)

Screening-Kosten/1 gefundenes Kind

Kosten für Behandlung, wenn im Screening nicht erkannt

Literatur

Hypothyreose:(1: 3.250)

59.340 US$ 1,9 Mill US$ /Leben Geelhoed et al 2005

PKU, MCAD:Tandem-Massen-spektrometrie(1: 4.100)

30.750 US$ 0,5-1,5Mill.$ /Leben Schulze et al Pediatrics2003

Mukoviszidose(1:3.500)

15.400€ Einsparung bei Behandlungs- und Diagnosekosten: 1,1 Mill.€

Rasch et alClin pediatr. 2011

4.9. 2012 Pasewalk

Kosten und Nutzen

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https://nextbio.co.za/case-newborn-screening-south-africa

Neugeborenenscreening – weltweit?

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Zusammenfassung

Neugeborenenscreening

Ist eine weltweit erfolgreiche Vorsorgeuntersuchung

In Deutschland hat jedes Neugeborene ein Recht auf Neugeborenenscreening

Ziel:

- Früherkennung von angeborenen Stoffwechseldefekten und

hormonellen Störungen, die man den Kindern bei der Geburt nicht ansieht

- Erkrankungen schon in den ersten Lebenstagen finden

Frühzeitiger Behandlungsbeginn

Vermeidung von schweren Behinderungen und Todesfällen

Probenabnahme (Vollblut ohne Zusätze) am 3. Lebenstag auf Filterpapier

Anzahl der gesuchten Erkrankungen in Deutschland: zurzeit 16 Erkrankungen

Häufigkeit in Deutschland: ca. 1:1.300

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Fragen?

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