Neuropsychiatrische Symptome bei Demenz

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4/2007 18 DEMENZ Neuropsychiatrische Symptome bei Demenz In der Diagnostik und Therapie der Demenz ist noch immer die kognitive Kernsymptomatik entscheidend. Famili- enangehörige sehen vor allem in den di- versen Affekt- und Verhaltensstörungen die schwerwiegendste Symptomatik und sind vor allem dadurch belastet. Im Krankheitsverlauf treten bei ca. 80% der an Demenz erkrankten Menschen nicht- kognitive Störungen auf. Dazu gehören psychiatrische Symptome und affektive Störungen und Verhaltensstörungen, die zu den wichtigsten Gründen für die Ver- schreibung von Psychopharmaka und eine vorzeitige Institutionalisierung ge- hören. Angehörige von Demenzpatien- ten weisen in ca. 50% affektive Störun- gen oder Burn-out-Syndrome aufgrund dieser Verhaltensstörungen auf. Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über die typischen BPSD-Symptome. Der Begriff BPSD (Behavioural and psychological symptoms of dementia) wurde 1996 von der IPA (International Psychogeriatric Association) entwickelt um die diversen psychologischen Reak- tionen, psychiatrischen Symptome und Verhaltensstörungen bei Demenzpro- zessen jeglicher Ursache zu beschreiben. Demenzprozesse und BPSD-Symptomatik Für die Differentialdiagnose der De- menzen sind die genaue Beobachtung der Phänomenologie und eine genaue Beschreibung der nichtkognitiven Sym- ptomatik hilfreich. Patienten mit BPSD zeigen im Neuroimaging eine geringere Perfusion und Zerebrometabolismus im frontotemporalen Lappen (Mega MS, 2001; Hirono N, 2000).Vermehrte neuro- fibriläre Degeneration weisen hingegen Patienten mit Psychosen und Agitation auf (Tekin, 2001; Barber R, 1995). Prädis- ponierend für BPSD könnten choli- nerge, serotonerge und dopaminerge Rezeptorpolymorphismen sein (Assal F, 2004; Nacmias, 2001; Holms CJ, 1998). Die folgende Tabelle 2 gibt einen Überblick über die wichtigsten neuro- psychiatrischen Symptome bei den wich- tigsten Demenzformen. Ein Zusammenhang zwischen redu- zierter Alltagskompetenz und dem Auf- treten von nichtkognitiver Symptomatik konnte mehrfach demonstriert werden (Tekins, 2001). Komplexe planerische Vorgänge sind für eine zufriedenstel- lende Alltagskompetenz notwendig, al- lerdings abhängig von intakten fronto- subkortikalen Strukturen, die ihrerseits wieder die exekutiven Funktionen steu- ern. Auch das Auftreten von neuropsy- chiatrischen Symptomen steht in einem Zusammenhang mit dysfunktionalen frontalen Hirnregionen, sodass von ei- ner gemeinsamen regionalen Pathobio- logie ausgegangen werden kann. Depressive Störungen bei Demenz Demenz und Depression sind die zwei häufigsten psychiatrischen Erkrankun- gen im Alter. Obwohl die Demenz tradi- tionellerweise als eine kognitive Stö- rung, und die Depression als eine affektive Störung angesehen werden, wird diese simple Klassifikation in letz- ter Zeit zunehmend diskutiert (Raskind, 1998). Patienten mit Depressionen zei- gen kognitive Defizite, die ihrerseits eine Demenz simulieren und Patienten mit Demenzen zeigen Symptome einer De- pression. Es ist wichtig Depressionen zu diagnostizieren, da sie die Lebensquali- tät von Patienten und Angehörigen ganz wesentlich reduzieren, die Erkrankung beschleunigen können, jedoch gut be- handelbar sind. Wir müssen verschiedene affektive Störungen unterscheiden. Primäre Stim- mungsstörungen, wie Ängstlichkeit, „Major depression“, Manie, emotionale Labilität sowie Dysthymie und sekun- däre Stimmungsbilder oder Reaktionen auf bestimmte Umstände, wie z.B. De- pressionen, Ängstlichkeit, Phobien und Irritabilität. Eine Major Depression ist Priv.-Doz. Dr. Michael Rainer Tabelle 1 Verhaltensstörungen Affekt und psychotische Störungen • Agitation • Paranoia • Aggression • Wahn • Wandern • Halluzinationen • Schlafstörungen • Depression gestörtes Essverhalten • Angst gestörtes sexuelles Verhalten • Missidentifikationen BPSD Foto: intmedcom Anzeige Plus 34

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Familienangehörigesehen vor allem in den diversenAffekt- und Verhaltensstörungendie schwerwiegendste Symptomatik undsind vor allem dadurch belastet.

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DEMENZ

Neuropsychiatrische Symptome bei Demenz

In der Diagnostik und Therapie derDemenz ist noch immer die kognitiveKernsymptomatik entscheidend. Famili-enangehörige sehen vor allem in den di-versen Affekt- und Verhaltensstörungendie schwerwiegendste Symptomatik undsind vor allem dadurch belastet. ImKrankheitsverlauf treten bei ca.80% deran Demenz erkrankten Menschen nicht-kognitive Störungen auf. Dazu gehörenpsychiatrische Symptome und affektiveStörungen und Verhaltensstörungen, diezu den wichtigsten Gründen für die Ver-schreibung von Psychopharmaka undeine vorzeitige Institutionalisierung ge-hören. Angehörige von Demenzpatien-ten weisen in ca. 50% affektive Störun-gen oder Burn-out-Syndrome aufgrunddieser Verhaltensstörungen auf.

Die Tabelle 1 gibt einen Überblick überdie typischen BPSD-Symptome.

Der Begriff BPSD (Behavioural andpsychological symptoms of dementia)wurde 1996 von der IPA (InternationalPsychogeriatric Association) entwickeltum die diversen psychologischen Reak-tionen, psychiatrischen Symptome undVerhaltensstörungen bei Demenzpro-zessen jeglicher Ursache zu beschreiben.

Demenzprozesse und BPSD-Symptomatik

Für die Differentialdiagnose der De-menzen sind die genaue Beobachtungder Phänomenologie und eine genaueBeschreibung der nichtkognitiven Sym-ptomatik hilfreich. Patienten mit BPSDzeigen im Neuroimaging eine geringerePerfusion und Zerebrometabolismus imfrontotemporalen Lappen (Mega MS,2001; Hirono N, 2000).Vermehrte neuro-fibriläre Degeneration weisen hingegenPatienten mit Psychosen und Agitationauf (Tekin,2001;Barber R,1995).Prädis-ponierend für BPSD könnten choli-nerge, serotonerge und dopaminergeRezeptorpolymorphismen sein (Assal F,2004; Nacmias, 2001; Holms CJ, 1998).

Die folgende Tabelle 2 gibt einenÜberblick über die wichtigsten neuro-psychiatrischen Symptome bei den wich-tigsten Demenzformen.

Ein Zusammenhang zwischen redu-zierter Alltagskompetenz und dem Auf-treten von nichtkognitiver Symptomatikkonnte mehrfach demonstriert werden(Tekins, 2001). Komplexe planerischeVorgänge sind für eine zufriedenstel-

lende Alltagskompetenz notwendig, al-lerdings abhängig von intakten fronto-subkortikalen Strukturen, die ihrerseitswieder die exekutiven Funktionen steu-ern. Auch das Auftreten von neuropsy-chiatrischen Symptomen steht in einemZusammenhang mit dysfunktionalenfrontalen Hirnregionen, sodass von ei-ner gemeinsamen regionalen Pathobio-logie ausgegangen werden kann.

Depressive Störungen bei Demenz

Demenz und Depression sind die zweihäufigsten psychiatrischen Erkrankun-gen im Alter. Obwohl die Demenz tradi-tionellerweise als eine kognitive Stö-rung, und die Depression als eineaffektive Störung angesehen werden,wird diese simple Klassifikation in letz-ter Zeit zunehmend diskutiert (Raskind,1998). Patienten mit Depressionen zei-gen kognitive Defizite,die ihrerseits eineDemenz simulieren und Patienten mitDemenzen zeigen Symptome einer De-pression. Es ist wichtig Depressionen zudiagnostizieren, da sie die Lebensquali-tät von Patienten und Angehörigen ganzwesentlich reduzieren, die Erkrankungbeschleunigen können, jedoch gut be-handelbar sind.

Wir müssen verschiedene affektiveStörungen unterscheiden. Primäre Stim-mungsstörungen, wie Ängstlichkeit,„Major depression“, Manie, emotionaleLabilität sowie Dysthymie und sekun-däre Stimmungsbilder oder Reaktionenauf bestimmte Umstände, wie z.B. De-pressionen, Ängstlichkeit, Phobien undIrritabilität. Eine Major Depression ist

Priv.-Doz. Dr. Michael Rainer

Tabelle 1

Verhaltensstörungen Affekt und psychotische Störungen• Agitation • Paranoia• Aggression • Wahn• Wandern • Halluzinationen• Schlafstörungen • Depression• gestörtes Essverhalten • Angst• gestörtes sexuelles Verhalten • Missidentifikationen

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durch eine dauerhaft reduzierte Stim-mung,Wertlosigkeitsgefühle, Hoffnungs-losigkeit, Schuldgefühle und Pessimis-mus gekennzeichnet. Zusätzlich tretenein reduzierter Appetit, Schlafstörungenund Antriebsstörungen auf. Derartigeschwere Depressionen sieht man bei 15–20% der Alzheimerpatienten. Eine reak-tive Dysphorie oder Dysthymie kannsich durch die kognitiven Störungen undden damit einhergehenden Kompetenz-verlust im Alltag entwickeln.

Im Durchschnitt weisen 40% aller Alz-heimerpatienten depressive Symptomeauf (Haupt, 1994). Die einzigevalidierte Skala zur Erfassungder Depression bei Demenz-patienten ist die „Cornell-Scale of Depression“ (CSDD)von Alexopoulos. Auf die ver-änderte Phänomenologie derDepression bei Dementen istmit besonderer Art und Weisezu achten. Nur dadurch wirdes gelingen, Depressionenhäufiger zu erkennen und mitmodernen Antidepressiva zubehandeln.

Angst bei Demenzen

Die Ängstlichkeit bei De-menzprozessen kann als Aus-druck der erhöhten Belastungund Überforderung bei De-menzprozessen angesehenwerden. Jedoch kann in späte-ren Stadien, wenn die Einsichtverloren geht, die Angststö-rung nicht mehr als einfacheReaktion auf Stress angese-hen werden. Obwohl Angst-störungen häufig auftreten,gibt es keine allgemein gültigeDefinition der generalisiertenAngststörung bei Demenzen.

Ängstlichkeit, Irritabilitätund psychomotorische Un-ruhe treten erst später im Ver-lauf der Erkrankung auf. Jeschwerer die kognitive Stö-rung, umso eher werden der-artige Symptome entstehen.

In Doppelblindstudien zeig-ten sowohl Risperidon 1–2 mg,als auch Olanzapin 5 mg eineReduktion der Angstsympto-matik. Außerdem konnte mitdem serotonergen Antide-pressivum Citalopram 10–30

AD VAD LBD FTD PDApathie Apathie Opt. Halluzinationen Apathie Opt. HalluzinationenAgitation Depression Wahn Enthemmung WahnDepression Wahn Depression Hochstimmung DepressionAngst REM-Schlaf Stereotypien REM-Schlaf

Verhaltenstörung VerhaltenstörungIrritabilität Appetit-EssstörungWahn

modifiziert nach Mc Keith und Cummings, Lancet 2005

Tabelle 2Neuropsychiatrische Symtome bei Demenzen

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* hellgelbe Box (die genauen Voraussetzungen für die Verordnung von Acetylcholinesterasehemmern entnehmen Sie bitte dem aktuellen Erstattungskodex)

Bezeichnung des Arzneimittels: REMINYL™ RETARD 8mg, 16mg und 24mg Kapseln, REMINYL™ 4 mg/ml orale Lösung. Qualitative und quantitative Zusammensetzung:Jede Reminyl™ retard 8mg/16mg/24mg Kapsel enthält Galantamin Hydrobromid, entsprechend 8mg/16mg/24mg Galantamin. 1 ml Reminyl™ Lösung zum Einnehmen enthält Galantamin Hydrobromid, entsprechend 4 mg Galantamin. Anwendungsgebiete: Zur symptomatischen Behandlung der leichten bis mittelschweren Demenz vom Alzheimer Typ. Gegenanzeigen: Galantamin darf nicht bei Patienten mit bekannter Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff Galantaminhydrobromid oder einem der sonstigen Bestandteile angewendet werden. Nachdem keine Daten über die Anwendung von Galantamin bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen (Child-Pugh-Score > 9) und schweren Nierenfunktionsstörungen (Kreatinin-Clearance < 9 ml/min) vorliegen, ist Galantamin bei diesen Personen kontraindiziert. Bei Patienten, bei denen sowohl signifikante Nieren- als auch Leberfunktionsstörungen vorliegen, ist Galantamin kontraindiziert. Pharmakotherapeutische Gruppe: Antidementiva; ATC-Code: N06DA04. Sonstige Bestandteile: Reminyl™ retard: Pellets, retardiert: Diethylphthalat, Ethylcellulose, Hypromellose, Macrogol, Maisstärke, Saccharose. Kapseln: Gelantine, Titandioxid (E171). Zusätzlich: 16mg Kapseln: rotes Eisenoxid (E172); 24mg Kapseln: rotes Eisenoxid (E172), gelbes Eisenoxid (E172). Drucktinte: Benzoesäure (E210), schwarzes Eisenoxid (E172), Dimeticon, Mono-und Diglyceride von Nahrungsfettsäuren, Pflanzenlecithin (E322), Methylcellulose, Macrogol, Macrogol-200-stearat, Schellak, Sorbinsäure, Xanthangummi. Reminyl™ orale Lösung: Methyl-4-hydroxybenzoat, Propyl-4-hydroxybenzoat, Saccharin-Natrium, Natriumhydroxid, gereinigtes Wasser. Name und Anschrift des pharmazeutischen Unternehmers: JANSSEN-CILAG Pharma GmbH., 1232 Wien. Verschreibungspflicht/Apothekenpflicht:Rezept- und apothekenpflichtig. Die Informationen zu Warnhinweisen und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung, Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sowie sonstigen Wechselwirkungen und Nebenwirkungen (sowie Gewöhnungseffekten) entnehmen Sie bitte der veröffentlichten Fachinformation. Stand: 12.09.2007

1x Bei leichter bis mittelschwererAlzheimer-Demenz

täglich

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mg pro Tag eine signifikante Angst-reduktion demonstriert werden. Es gibtHinweise, dass die Behandlung durchCholinesterasehemmer ebenso die Angst-symptomatik reduzieren könnte. Angst-symptome im Allgemeinen und die gene-ralisierte Angststörung im Speziellendürften beim Alzheimerpatienten unter-schiedliche Entitäten sein, und dement-sprechend auch unterschiedlich auf Be-handlungsstrategien ansprechen.

Wahn – Verkennung – Missidentifikation

Wahn ist ein häufiges sekundäres psy-chopathologisches Symptom, das bei al-len Formen der Demenz, inklusive vas-kulärer Demenz, Lewy-Body-Demenzund Parkinsondemenz auftreten kann.Er besteht aus unwirklichen Ideen, dienicht korrigierbar sind und das Verhal-ten des Patienten wesentlich beeinflus-sen. Ca. 40% der Alzheimerpatientenentwickeln im Verlauf ihrer ErkrankungWahnideen.

Die häufigste Wahnidee ist die Vor-stellung, dass dem Patienten etwas ge-stohlen worden sei oder Missidentifika-tionen (z.B. Ehepartner sei Mutter,Kinder seien Fremde). Weitere häufigeWahnideen sind, zu glauben, nicht mehrim eigenen Haus zu wohnen, an seinefrühere Adresse zurückkehren zu müs-sen, dass fremde Menschen im eigenenHaus wohnen („Phantomboarder“),dassder Ehepartner betrügt, dass Fernseh-darsteller wirklich anwesend sind („TV-Sign“), dass das eigene Spiegelbild nichtmehr erkannt wird („Mirror-Sign“), dassder Ehepartner eine andere Person ist(„Capgras-Syndrom“), oder dass das ei-gene Haus eine fremde Wohnung ist(Verkennung/Missidentifikation).

In welcher Beziehung neuropatholo-gische Veränderungen bei Alzheimerde-menten mit dem Auftreten psychoti-scher Symptome stehen, ist bis jetzt nochnicht ausreichend geklärt. Beim Demen-ten kommt es zu einer immer größerwerdenden Verzerrung der nicht mehrauflösbaren Vielfalt der Wahrnehmung,was ein querschnitthaftes, nur noch aufwenige Augenblicke bezogenes Erlebenund Empfinden bedeutet. Dadurch kön-nen die Gesamtheit des Wahrgenomme-nen sowie die Bedeutungszusammen-hänge nicht mehr beurteilt werden.Durch diesen Erklärungsversuch kön-nen Wahnideen,Verkennungen und Hal-luzinationen besser verstanden werden.

Ein Zusammenhang zwischen psycho-tischen Symptomen und cholinergemSystem ist nachgewiesen. Acetylcholin-defizite führen zu deliranter Symptoma-tik, weshalb eine Behandlung mit einemCholinesterasehemmer (wie z.B. Done-zepil, Galantamin, Rivastigmin), Wahn-ideen und Halluzinationen verbessernkann.

Halluzinationen und Demenz

Halluzinationen sind falsche Wahr-nehmungen. Patienten sehen, hören, rie-chen oder fühlen Dinge, die nicht realsind. Die Prävalenzrate beträgt ca. 25%,wobei die Varianz zwischen 12–53%liegt. Visuelle Halluzinationen sind häu-figer als akustische Halluzinationen. Ol-faktorische Halluzinationen werden nurselten berichtet. Taktile und gustatori-sche Halluzinationen bei Alzheimerpa-tienten weisen auf eine Komorbiditäthin,und sollten weiter abgeklärt werden.Auch Halluzinationen treten zumeist inleichten bis mittleren Demenzstadienauf und praktisch nie in schweren De-menzstadien.

Angehörige sollten direkt nach Hallu-zinationen gefragt werden. Zumeist sinddie Halluzinationen nicht so differen-ziert und ausgestaltet wie bei schizo-phrenen Patienten. Viele Demente lei-den jedoch an Halluzinationen und sindauf Grund der Aphasie und der amnesti-schen Störungen nicht mehr in der Lage,darüber zu berichten.

Zusammengefasst lässt sich sagen,dass unterschiedliche psychotische Phä-nomene auch eine unterschiedlicheNeuropathologie reflektieren. Alle psy-chotischen Symptome resultieren schließ-lich aus einer Läsion der neuronalenNetzwerke, spezieller Gehirnareale. Die-se Netzwerkläsionen sind sowohl korti-kal, als auch subkortikal zu finden. Erstdurch diese neuronale Dysfunktion kön-nen psychotische Symptome entstehen,die bis dahin in ausreichendem Maßesupprimiert wurden. Die sensorischeDeprivation spielt sowohl bei Halluzina-tionen, als auch bei Wahnphänomeneneine entscheidende Rolle.

Therapie

Bevor psychopharmakologische Be-handlungsmethoden initiiert werden,sollten alle nichtpharmakologischen Be-handlungsmethoden zur Anwendungkommen. Da viele somatische oder um-weltbezogene Gründe zur Entwicklungvon Verhaltensstörungen führen kön-nen, sollte vermehrtes Augenmerk aufderen Verbesserung gelegt werden.

Allgemeine Therapievorschläge

• Angehörige als Kotherapeuten gewin-nen,

• Unterstützung durch Selbsthilfegrup-pen,

• Problematisches Verhalten identifizie-ren und behandeln,

Initial-Dosierung Dauer-Dosierungin mg/dl in mg/dl

Atypische NL Risperidon 0,25–0,5 0,5–2Olanzapin 2,5–5 5–10Quetiapin 25–50 50–300Zotepin 25–50 50–150Ziprasidon 20–40 40–180Aripiprazol 2–5 5–15

Konvent.NL. Haloperidol 0,25–0,5 1,0–2,0Antidepressiva Citalopram 10–20 20

Escitalopram 5–10 10Sertralin 25–50 50Milnaccipran 15–30 30Venlafaxin 25–50 150Trazodon 25–50 50–150

Anxiolytika Lorazepam 0,5–1 1,5–2Oxazepam 5–10 10–30Buspiron 10 30

Mood Stabilizer Carbamazepin 100–200 400–600Valproinsäure 125–250 500–750

Tabelle 3Psychopharmaka bei BPSD

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• Potentielle Gründe identifizieren undverändern (Krankheit, Umwelt, Be-treuer, Medikamente),

• Trial and Error: Fehlschläge einkalku-lieren,

• Aktivierungsprogramme,• Medizinische Versorgung erhöhen.

Nichtpharmakologische Strategien

• Angehörigeninformation und -schu-lung,

• Soziale/familiäre Aktivitäten,• Auslöser für BPSD identifizieren und

reduzieren,• Sensorischen Input erhöhen,• Rhythmus, Konstanz und emotionale

Wärme,• Regelmäßige physische Aktivität,• Tagesroutine aufrechterhalten• Uhren und Kalender zur Verbesserung

der Orientierung.

Die wichtigsten psychopharmakologischenStrategien bei BPSD (Tabellen 3 + 4)

In der Psychopharmakotherapie derBPSD-Symptomatik kommen sowohlAntipsychotika, Antidepressiva, Tran-quilizer, als auch Stimmungsstabilisato-ren zum Einsatz. Ein jüngst durchge-führtes Review über die wichtigstenpharmakologischen Behandlungsme-thoden zeigt jedoch, dass die Effizienzder meisten Substanzen nur unzurei-chend in plazebokontrollierten Studiendokumentiert ist (Sink KM, 2005). Vonden zumeist zum Einsatz kommendenatypischen Antipsychotika ist nur Rispe-ridon in Europa und Kanada für die Be-handlung der Agitation und Psychose inklinischen Studien ausreichend getestetund registriert. Von der FDA ist bisherkein atypisches Antipsychotikum für dieBehandlung der BPSD-Symptomatikzugelassen. Trotzdem werden weltweitzunehmend mehr atypische Antipsycho-

tika für die Behandlung der BPSD-Sym-ptomatik eingesetzt – zumeist „off la-bel“.

Typische Antipsychotika, wie Halope-ridol, konnten vor allem die Agitationbei Alzheimerdemenzpatienten reduzie-ren (Devanand DP, 1998; Sultzer D1997). Risperidon war wirksam gegenPsychose (Brodaty H, 2003; Katz ER,1999) und Agitation (De Deyn, 1999)und zeigte vor allem keine Reduktionder intellektuellen Leistungsfähigkeit(Rainer, 2001). Olanzapin konnte so-wohl Agitation, als auch psychotischeSymptomatik reduzieren (Street J,2000), und Quetiapin war sowohl fürPsychose, als auch Agitation erfolgreich(Zhong K, 2005).

Da die meisten Antipsychotika auchnegative Begleiterscheinungen, wie z.B.Harnverhaltung, delirante Symptomatik,erhöhte extrapyramidal motorische Sym-ptomatik und tardive Dyskinesien zeigen,war deren Einsatz bisher immer nur nachAusschöpfung aller nichtpharamakologi-scher Behandlungsmethoden indiziert.

Große Vorsicht ist beim Einsatz vonAntipsychotika geboten, da deren Ein-nahme mit einem erhöhten Risiko für ze-rebrovaskuläre Ereignisse (CAVE-Ri-siko) einhergeht. Die Erstverschreibungsollte nur vom Facharzt für Psychiatrieoder Neurologie durchgeführt werden.Es sollten regelmäßige Dosisreduktionenoder Absetzversuche gemacht und be-gleitend verhaltens-, psycho- oder sozio-therapeutische Maßnahmen ausge-schöpft werden. Zur besonderen Vorsichtmuss bei der zweitgrößten Demenz-gruppe, den Lewy-Body-Demenzpatien-ten aufgerufen werden, da es hier sehrhäufig zu Antipsychotika-Übersensibili-tätsreaktionen mit erhöhten EPS, Sedie-rung und einer erhöhten Mortalitätsratekommt (Mc Keith, 1992).

Antidepressiva konnten ihre Wirksam-keit in der Behandlung depressiver Sym-ptomatik bei Alzheimerdemenz bereitsnachweisen. So zeigte eine jüngst veröf-fentlichte doppelblinde placebokontrol-lierte Studie mit Sertralin bei Alzheimer-bedingten Depressionen Effizienz(Lyketsos CG, 2003). Ältere Studien zei-gen auch die Wirksamkeit von Citalo-pram bei depressiver Symptomatik, alsauch die Wirksamkeit von Nortriptylin –eines trizyklischen Antidepressivums mitrelativ geringen anticholinergen Neben-wirkungen (Lyketsos CG, 2004). Die

Kombination von SSRI und Noradrena-lin-Wiederaufnahmehemmern ist bishernoch unzureichend klinisch dokumen-tiert. Beobachtungen sprechen aber da-für, dass Venlafaxin oder Milnacipranwirksam sein könnte. Ältere trizyklini-sche Antidepressiva sollten wegen deranticholinergen Potenz auf jeden Fall ver-mieden werden.

Tranquilizer sollten nur in Notfällenund auch nur kurzzeitig zum Einsatzkommen, da die Nebenwirkungsrate zu-meist die positiven entängstigenden undsedierenden Effekte überwiegt. Emp-fohlen werden können die linear meta-bolisierten Substanzen Lorazepam undOxazepam. Interessant ist eine jüngstpublizierte Studie mit Clonazepam beiREM-Schlafverhaltensstörungen beiParkinsonerkrankung und Lewy-Body-Demenz (Boeve PF, 2004).

Abschließend sollte noch vermerktwerden, dass alle Cholinesterasehem-mer wie Donepezil, Galantamin undRivastigmin als auch Memantin das Auf-treten von BPSD-Symptomen reduzie-ren, und dass diverse Verhaltensstörun-gen durch rechtzeitige antidementiveTherapie minimiert werden können. Je-doch sind die meisten Studien retrospek-tive Auswertungen der affektiven, psy-chotischen und Verhaltensstörungen mitrelativ geringen Ausprägungsgradenund nicht vergleichbar mit den speziel-len atypischen Antipsychotikastudien,die bei Demenzen mit BPSD durchge-führt wurden.

Priv.-Doz. Dr. Michael RainerDonauspital im SMZ-Ost d. Stadt WienPsychiatrische Abteilung,Memory ClinicLangobardenstraße 122, A-1220 WienTel.: 01/28 802-30 00, Fax-Dw: -30 [email protected]

Tabelle 4Richtige Wahl bei

Delir Risperidon, Amisulpirid,Quetiapin, Olanzapin

Anticholinerge NW Risperidon, Quetiapin,Ziprasidon, Amisulpirid

Interaktionen Amisulpirid

Kardiale NW Olanzapin

Tagesmüdigkeit Risperidon, Ziprasidon,Amisulpirid

sex. Fkt. (Prolaktin) Quetiapin, Olanzapin

Niereninsuffizienz Olanzapin

Leberinsuffizienz Amisulpirid