Neuropsychotherapie in der Suchtbehandlung - BrelsSecond Messenger - Kaskade Anstieg von cAMP...

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Neuropsychotherapie in der Suchtbehandlung Deutscher Reha-Tag: Neue Wege aus der Sucht Daniel Regli, Universität Bern (mit Unterstützung von Dr. Yvonne Egenolf) 2 „...wir und vor allem die von uns betreuten und behandelten Menschen ständig gegen eine stark im Gehirn verankerte schnell wirkende Bedürfnisbefriedigung, mit leider langfristig schädigender, aber kurzfristig helfender Bahnung ankämpfen.“ Karin Harries-Hedder, 2006 11. Deutscher Reha-Tag Bremen

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Neuropsychotherapie in der Suchtbehandlung"

Deutscher Reha-Tag: Neue Wege aus der Sucht!!!!!!Daniel Regli, Universität Bern (mit Unterstützung von Dr. Yvonne Egenolf)!

2!

„...wir und vor allem die von uns betreuten und behandelten Menschen ständig gegen eine stark im Gehirn verankerte schnell wirkende Bedürfnisbefriedigung, mit leider langfristig schädigender, aber kurzfristig helfender Bahnung ankämpfen.“!!

Karin Harries-Hedder, 2006!

11. Deutscher Reha-Tag Bremen!

11. Deutscher Reha-Tag Bremen!

Inhalt"

>  Darstellung der Grundlagen der Neuropsychotherapie.!>  Geschichte der Zusammenarbeit von Therapiehilfe und Uni Bern!>  Anwendung der Konzepte der Neuropsychotherapie im

therapeutischen Alltag!—  Erfahrungen aus der Supervision!

Neuropsychotherapie "

Erweitertes Verständnis…

1.  der Wirkweise von Psychotherapie 2.  der Entstehung psychischer Störungen 3.  der Wirkweise spezifischer Interventionen 4.  Entwicklung neuer/verbesserter

therapeutische Interventionen

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Brückenschlag zwischen Neurowissenschaften und klinischer Psychologie

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Theoretische Grundlagen!•  Was ist Neuropsychotherapie?!•  Was ist moderne (Verhaltens-)therapie?!

Psychotherapie"

Veränderungen in Erleben und Verhalten!

Funktionelle und strukturelle Veränderungen des Gehirns

Pharmakotherapie"""

übernommen von Yvonne Egenolf!

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Aufgabe der Psychotherapie"

!>  Psychotherapie soll dem Patienten diejenigen Lernerfahrungen

vermitteln, die die neuronalen Strukturen verändern, welche den Problemen des Patienten zugrunde liegen.!""„Psychotherapy is fundamentally a learning process for its patients, and as such it is a way to rewire the brain. !In this sense, psychotherapy ultimatley uses biological mechanisms to treat mental illness.“ (LeDoux, 2002)!

"�  Erfolgreiche Psychotherapie verändert das Gehirn!!

"" ! übernommen von Yvonne Egenolf!

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die einzelnen Schritte......"

Aktivierung der cAMP-abhängigen Proteinkinase A (PKA)

PKA phosphoriliert CREB (cAMP- response - binding Protein)

CREB aktivierte Transkriptionsfaktoren (z.B. BDNF)

Erhöhter Ca2+-Einstrom aktiviert Second Messenger - Kaskade

Anstieg von cAMP

(Cyklisches Adenosinmonophosphat)

Transkriptionsfaktoren aktivieren Gentranskription im Zellkern

=> Proteinbiosynthese

Strukturelle Veränderungen => Wachstum neuer Synapsen

LeDoux, 1998!

Annäherungs-priming, Aktivie-

rung des Annähe-rungsmodus!

Abnahme von Inkongruenz!

Ressourcenaktivierung und massgeschneiderte

Beziehungsgestaltung!

Positive Erfahrungen für das Bindungs-, Kontroll-

Selbstwert- und Lustbedürfnis!

Verbessertes Wohlbefinden! Grawe, 2004!

Verringerung der Symptome und Probleme!

Störungs- und problemspezifische

Interventionen!

Bahnung neuer neuronaler Erregungsmuster, hemmen

oder ersetzen das Problemverhalten !

Problembewältigung!Motivationale Klärung!

Wege der Veränderung und Besserung in der Psychotherapie"

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Ressourcen als Doping"

Estimated Marginal Means of PASAF

ZEIT

21

Esti

mat

ed M

argi

nal M

ean s

3 .1

3.0

2.9

2.8

RA oder PR

pr

ra

IA***!

Estimated Marginal Means of NEGAF

ZEIT

21

Esti

mat

ed M

argi

nal M

ean s

1 .40

1.30

1.20

1.10

RA oder PR

pr

ra

IA*!

Estimated Marginal Means of POSAF

ZEIT

21

Esti

mat

ed M

argi

nal M

eans

3 .0

3.0

2.9

2.8

RA oder PR

pr

ra

Estimated Marginal Means of NEGAF

ZEIT

21

Esti

mat

ed M

argi

nal M

eans

1 .4

1.3

1.1

1.0

.9

RA oder PR

pr

ra

IA***!

Problem!!Ressource!

IA***!

Flückiger & Berking, 2004!

Positiver Affekt! Positiver Affekt!

Negativer Affekt! Negativer Affekt!

Therapeut! Patient!

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-1

-0.5

0

0.5

1

Sitzung 1-5 Sitzung 6-10 Sitzung 11-20

z-Wert

schwierig/wenig erfolgreich einfach/wenig erfolgreich

schwierig/erfolgreich einfach/erfolgreich

Ressourcenaktivierung des Therapeuten

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Im Laufe seines Lebens und Heranwachsens... !!

....entwickelt jeder Mensch für seine Grundbedürfnisse individuelle Ziele und Mittel, um diese zu „befriedigen“....!

!

Menschliches Funktionieren

"

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Annäherungsschemata" Vermeidungsschemata"

positive, bedürfnisbefriedigende

Erfahrungen...!

negative, verletzende, bedürfnisverletzende

Erfahrungen...!

2 relativ unabhängige Subsysteme der Selbstregulation, jedoch nicht das Gegenteil;!unser Verhalten ist zumeist von beidem bestimmt, z.B. Buffet am Bankett!

Der Einfluss von Erfahrung"

Erleben und Verhalten"

Aktivierung motivationaler Attraktoren!

Rückmeldung über Realisierung!

Motivationale Attraktoren"

Annäherungs-attraktoren!

Vermeidungs-attraktoren!

Rückmeldung über Bedürfnisbefriedigung!

Systemebene!

Streben nach Konsistenz! Rückmeldung über Inkonsistenz!

Streben nach Bedürfnisbefriedigung!

Kontroll-bedürfnis"

Selbstwert-erhöhung"

Lustgewinn/Unlustvermeidung"

Bindungs-bedürfnis"

Grundbedürfnisse"

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Expliziter Modus" Impliziter Modus"

NEM im expliziten Gedächtnis!!„Top-down“ Aktivierung!!Bewusst!!Willentliche Kontrolle!!!Begrenzte Kapazität!!!Geringe Inkonsistenztoleranz!

NEM im impliziten Gedächtnis !!„Bottom-up“ Aktivierung!!Unbewusst/präattentativ!!Reaktionen automatisch ausgelöst durch Situationen!!Massive parallele Infoverarbeitung!!!Höhere Inkonsistenztoleranz!

Zwei Funktionsweisen des Gedächtnis "

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!Wirksame Psychotherapie reduziert die individuellen Quellen von Inkongruenz/Diskordanz und erreicht damit ein höheres Mass von Konsistenz im psychischen Geschehen des Patienten. Damit einhergehend erreicht sie eine verbesserte Bedürfnisbefriedigung und höheres Wohlbefinden.!

Wirksame Psychotherapie"

Motivationale Perspektive!

Kompetenz-perspektive!

Ressourcenaktivierung!

Problemaktualisierung!

Intrapsychisch!

Interpersonal!

nach Grawe, 1998, 2004 !11. Deutscher Reha-Tag Bremen!

Das Berner Modell – Versuch einer Definition"

…  ist ein integratives Therapiemodell,!… das sich auf die aktuellen Ergebnisse der empirischen

Psychotherapieforschung stützt und!… verschiedene Therapieformen und –methoden nutzt,!… um allgemeine Wirkfaktoren im Therapieprozess zu realisieren,!… wobei ein Schwerpunkt auf die Beziehungsgestaltung und

Ressourcenaktivierung gelegt wird!… und Pläne und Schemata des Patienten berücksichtigt werden.!

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11. Deutscher Reha-Tag Bremen!

Implikationen für die Psychotherapie"

>  Therapeutische Gespräche in den gewohnten Bahnen des Patienten führen nicht zu langfristigen Veränderungen neuronaler Prozesse.!

!>  Analyse von Problemen ist nur insoweit produktiv wie sie der Vorbereitung

verändernder Interventionen dient (also diagnostisch).!

>  Veränderungen werden möglich bei gleichzeitiger Bearbeitung von Problemen und Aktivierung von Annäherungszielen.!

>  Das verfolgte Ziel muss eine positive Bedeutung für ein wichtiges motivationales Ziel des Patienten haben, damit die neuronale Bahnung durch Neuromodulatoren (z.B. Dopamin) verstärkt wird.!

>  Das annähernde Verhalten muss am Erleben des Patienten anknüpfen und systematisch, anhaltend und wiederholt aktiviert werden, wenn das neu zu etablierende neuronale Erregungsmuster später leicht aktivierbar sein soll.!

!

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Wie entstehen psychische Störungen?!

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!  Inkongruenz (innen – aussen)!"  Unter Inkongruenz versteht man das Ausmass, in dem es einem Menschen nicht gelingt, sein

Leben gemäss seiner wichtigsten Ziele zu gestalten. Das heisst, die realen Erfahrungen und Wahrnehmungen die eine Person macht, stimmen nicht mit ihren Bedürfnissen und Motiven (Zielen) überein. Inkongruenz geht einher mit schlechtem Wohlbefinden, Stress und Psychopathologie!

!  Diskordanz (innen – innen)!"  Unter Diskordanz versteht man die Nicht-Vereinbarkeit von aktivierten motivationalen Tendenzen!

Inkonsistenz!

+!Inkongruenz! Diskordanz!

innen-aussen! innen-innen!

Inkongruenz und Diskordanz

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Realisierung von motivationalen Zielen als Doping für Veränderungen"

Bahnung neuen Erlebens und Verhaltens!

Aktivierung emotionaler Zentren (Belohnungszentrum)!

+!

Motivationale Ziele/ Schemata

Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle!

Lustgewinn/ Unlust-

vermeidung!Bindungs- bedürfnis!

Selbstwert- erhöhung!

Grundbedürfnisse

übernommen von Yvonne Egenolf!

durch Erfahrungen, die für die motivationalen Ziele der

Person relevant sind

Mesokor'kolimbisches.Dopaminsystem.

Verhaltens!Inhibition!

Motivation !Anreizlernen!

NAc:.Nucleus.Accumbens.VTA:.Ventrales.Tegmentales.Areal.PfC:.Präfrontaler.Kortex.

Mesokor'kolimbische.Dopaminsystem.=...zentrale.Schaltstelle.für.

Mo'va'on,.Anreizlernen.und.Antrieb.von.Verhalten..

!Ak'vität.in.VTA.führt.zur.AusschüIung.von.Dopamin.

im.NAc....NAc.Ak'vität.wirkt.verstärkend.auf.Verhalten=>.

Kondi'onierung..

Der,Präfrontale,Kortex,kann,inhibierend,auf,den,NAc,einwirken,,um,Verhaltens?weisen,zu,unterbinden.,

Rolle dopaminerger Aktivierung im Belohnungssystem !nicht gleichzusetzen mit hedonistischem !Wohlgefühl (teilweise vermittelt durch Opioide & Cannabinoide)!

Wirkweise.verschiedener.SuchtmiIel.

11. Deutscher Reha-Tag Bremen!

übernommen von Yvonne Egenolf!

11. Deutscher Reha-Tag Bremen!

Erwartung eines positiven Substanzeffekt!

Ständiges !Verlangen!

>  Erwartung eines positiven Substanzeffekt!

Erwartung eines positivenSubstanzeffekts

Ständiges Verlangen («wanting»)

Konsum grösserer Mengen als beabsichtigt

Toleranz / Entzug

Sucht

Soziale, berufliche und/oder Freizeit-aktivitäten werden eingeschränkt,

angepasst (Verstärkerverlust)

Fortgesetzter Konsum trotz anhaltender körperlicher, psychischer Probleme («wanting») Vermeidung negativer

affektiver Zustände (negative Verstärkung- Inkongruenzreduktion)!

Spiralprozess der Abhängigkeitsentwicklung: Bsp.: Alkohol

Belohnungseffekt der Droge («liking»)

modifiziert nach Koob & LeMoal, 2001!

Dopamin als Booster für Konsolidierung der

„Lernerfahrung“

Reduktion von Inkongruenz (Lustgewinn, Zugehörigkeit)

Suchtentwicklung und -aufrechterhaltung"

>  Suchtassoziierte.Cues.und.suchtassoziiertes.Verhalten.ak'viert.das.Belohnungssystem..Dieses.Verhalten.wird.damit.zunehmend.dominant,.das.restliche.Verhaltenrepertoire.engt.sich.ein.(Familie,.Beruf,.soziale.Kontakte)..

>  Präfrontale.Kontrollmechanismen.sind.nicht.mehr.in.der.Lage,.das.durch.den.Belohnungspfad.ak'vierte.Verhalten.zu.hemmen...

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PFC,

VTA.NAc.

Ausgangspunkt,der,Therapie,

Balance,zwischen,Kontroll?,und,Belohungssystem"

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PFC,

VTA.NAc.

PFC, VTA.NAc.

Ziel,der,Therapie,Ablehnungstraining!

Kogni've.Interven'onen!Training.exeku'ver.

.Funk'onen!

Bewäl'gung..Risikositua'onen!

Cue.Exposi'on.=Lösung!Natürliche.Verstärker!

Bewäl'gung..Risikositua'onen!

Ressourcenaktivierung als motivationales Priming"

problems!

state of health!

microgoal!approach priming!

intentional attractor!approachsystem!positive affect!

inhibitionsystem!negative affect!

Cacioppo & Brentson, 1994!

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11. Deutscher Reha-Tag Bremen!

Die Therapiebeziehung im Verlauf der Therapie "

therapeutic bond (patient)

1

1.5

2

2.5

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

sessions

liker

t-sc

ale

(-3

to

3)

priming

kg

priming HLM

kg HLM

Flückiger, 2004!

11. Deutscher Reha-Tag Bremen!

Problembewältigung "

mastery (patient)

-0.5

0

0.5

1

1.5

2

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

sessions

likert

-sca

le (

-3 t

o +

3)

priming

kg

priming HLM

kg HLM

Flückiger, 2004!

31!

Kontakt"

Daniel Regli Psychotherapeutische Praxisstelle!Universität Bern Gesellschaftsstrasse 49, CH-3012 Bern!

Tel: !++41 31 631 40 12 !!e-mail: [email protected]!Internet: !www.ptp.unibe.ch!

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Literatur"

>  Caspar, F. (2008). Motivorientierte Beziehungsgestaltung. Konzept, Voraussetzungen bei den Patienten und Auswirkungen auf Prozess und Ergebnisse. In M. Hermer & B. Röhrle (Eds.), Handbuch der therapeutischen Beziehung. Tübingen: DGVT.!

>  Caspar, F. (2007). Beziehungen und Probleme verstehen. Eine Einführung in die Psychotherapeutische Plananalyse. (3. erneuerte und überarbeitete Auflage.) Bern: Huber.!

>  Gilbert, P., & Leahy, R. L. (2007). The Therapeutic Relationship in the Cognitive Behavioral Psychotherapies. London, New York: Routledge.!

>  Grawe, K. (2004). Neuropsychotherapie. Göttingen, Bern, Hogrefe. !!>  Grawe, K. (2005). Allgemeine Psychotherapie. In W. Senf and M. Broda: Praxis der

Psychotherapie. Ein integratives Lehrbuch. Stuttgart, Thieme Verlag: 120-132.!>  Grawe, K. (1999). Allgemeine Psychotherapie: Leitbild für eine empiriegeleitete Psychologische

Therapie. In R. F. Wagner & P. Becker (Hrsg.), Allgemeine Psychotherapie (S. 117-167). Göttingen: Hogrefe. !!

>  Grawe, K. and M. Grawe-Gerber (1999). "Ressourcenaktivierung. Ein primäres Wirkprinzip der Psychotherapie." Psychotherapeut 44(2): 63 - 73!!

>  Grawe, K., M. Grawe-Gerber, et al. (1996). Schematheoretische Fallkonzeption und Therapieplanung. Eine Anleitung für Therapeuten. In F. Caspar (Hg.): Psychotherapeutische Problemanalyse. Tübingen, dgvt-Verlag: 189 - 224. !!

>  Norcross, J. C., Ed. (2002). Psychotherapy relationships that work: therapist contributions and responsiveness to patients. Oxford, New York, Oxford University Press.!