Neutrinoquellen im Kosmos: Supernovaehebbeker/lectures/sem...der der Krebsnebel und Krebspulsar...

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Neutrinoquellen im Kosmos: Supernovae Neutrino-Seminar RWTH Aachen, WS 2003/2004 Martina Davids 227444 24. November 2003 1

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Neutrinoquellen im Kosmos:

Supernovae

Neutrino-SeminarRWTH Aachen, WS 2003/2004

Martina Davids227444

24. November 2003

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Inhaltsverzeichnis

1 Kosmologischer Hintergrund 31.1 Warum Astronomie mit Neutrinos? [6] . . . . . . . . . . . . . 3

2 Neutrinoquellen im Kosmos 42.1 Urknall-, solare und atmospharische Neutrinos [6] . . . . . . . 42.2 Supernovae [1], [2], [10] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.2.1 Typ I: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52.2.2 Typ II: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

3 Nachweis von Neutrinos 113.1 Cherenkov-Detektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3.1.1 Funktionsweise [5] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113.1.2 Wasser-Cherenkov-Detektoren . . . . . . . . . . . . . . 12

4 Detektoren 154.1 IMB [4] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154.2 Kamiokande [8] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164.3 Superkamiokande [11] . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

5 Supernova 1987A [2], [10] 185.1 Erkenntnisse zur Supernovaphysik . . . . . . . . . . . . . . . 215.2 Erkenntnisse zur Neutrinophysik [10] . . . . . . . . . . . . . . 21

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1 Kosmologischer Hintergrund

1.1 Warum Astronomie mit Neutrinos? [6]

In den letzten Jahren hat die Neutrinoastronomie immer mehr an Bedeutunggewonnen, da sie gegenuber klassischen Verfahren einige Vorteile hat.Unter klassischer Astronomie versteht man die Untersuchung astronomi-scher Objekte mit Hilfe von Strahlung im Radio-, Infrarot-, optischen, UV-,Rontgen- und γ-Bereich. Dabei ergeben sich folgende Nachteile:

• Elektromagnetische Strahlung wird in Materie stark absorbiert undkann so nur schwer bis zur Erde gelangen. Außerdem kann damit nurdie Oberflache astronomischer Objekte untersucht werden.

• Energiereiche γ-Quanten von entfernten Objekten werden uber γγ-Wechselwirkung mit den Photonen der Schwarzkorperstrahlung durchBildung von e+e−-Paaren absorbiert.

• Geladene Primarteilchen wie z.B. Protonen mussen eine Energie ha-ben, die großer ist als 1019 eV, um eine Richtungsinformation geben zukonnen. Bei niedrigerer Energie wird ihre Flugbahn durch galaktischeMagnetfelder so stark abgelenkt, dass man die Herkunft nicht mehrbestimmen kann. Allerdings ist das Universum fur Protonen mit einerEnergie großer als 6 · 1019 eV nicht mehr transparent.

Astronomen uberlegten sich einige Anforderungen an eine”gute“ Astrono-

mie:

• Die Teilchen(Strahlung) sollte nicht durch Magnetfelder beeinflusstwerden, damit die Richtungsinformation erhalten bleibt.

• Die Teilchen durfen auf ihrem Weg bis zur Erde nicht zerfallen.

• Teilchen und Antiteilchen sollten unterscheidbar sein, damit man fest-stellen kann, ob die Quelle der Strahlung aus Materie oder Antimateriebesteht.

• Die Teilchen mussen hinreichend durchdringend sein, um Informatio-nen uber das Innere ihrer Quelle zu ermoglichen.

• Es darf keine Absorption durch interstellaren oder intergalaktischenStaub oder durch Infrarot- oder Schwarzkorperphotonen stattfinden.

Diese Forderungen werden von den Neutrinos erfullt. Das Problem der Neu-trinoastronomie war zunachst der schwierige Nachweis von Neutrinos. Die-ser wird heute mit sehr großen Wasser-Cherenkov-Detektoren erbracht. EineBeschreibung des Cherenkov-Effekts und der Detektoren erfolgt in einem ei-genen Kapitel.

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2 Neutrinoquellen im Kosmos

Neben den kunstlichen Quellen fur Neutrinos wie Reaktoren oder Teilchen-beschleunigern, gibt es einige naturliche Quellen: Beim Urknall sind Neutri-nos entstanden, Sonne und Sterne sowie Supernovae senden viele aus, in derErdatmosphare entstehen Neutrinos, und auch beim inversen Beta-Zerfallsind sie ein Endprodukt. Im folgenden werden Neutrinoquellen im Kosmosbetrachtet, speziell Supernovae.

2.1 Urknall-, solare und atmospharische Neutrinos [6]

Etwa eine Sekunde nach dem Urknall haben sich Neutronen und Protonenuber die schwache Wechselwirkung noch umgewandelt, namlich gemaß

p + e− → n + νe

n → p + e− + νe

Die Neutrinos, die bei diesen Reaktionen entstanden sind, haben allerdingseine enorm niedrige Temperatur und sehr kleine Energien, die im meV-Bereich liegen. Daher sind sie kaum zu detektieren. Aber sie stammen auseiner fruheren kosmischen Epoche als die Schwarzkorperstrahlung, da dasUniversum fur Neutrinos fruher schon transparent war. Somit konnten sieDetails uber die Weltentstehung liefern.

Die Sonne ist im Prinzip ein Fusions-Kernreaktor. In ihr wird Wasserstoffzu Helium verbrannt. Die Reaktion

p + p → d + e+ + νe

liefert den großten Teil der solaren Neutrinos (86%). Die restlichen Neutrinosentstehen durch eine Elektroneneinfangreaktion:

7Be + e− → 7Li + νe

Die Sonne ist also eine reine Elektronneutrinoquelle.

Die atmospharischen Neutrinos sind fur die meisten Untersuchungen derNeutrinoastronomie storender Untergrund. Fur die Elementarteilchenphy-sik hingegen sind sie ein interessanter Forschungsgegenstand.Wenn kosmische Strahlung mit den Atomkernen der Luft reagiert, entstehen(neben einigen anderen Teilchen) geladene Pionen. Diese zerfallen wieder-um in Myonen und Myon-Neutrinos. Aufgrund der kurzen Lebensdauer derMyonen, zerfallen auch diese auf ihrem Weg zur Erdoberflache. Damit erge-ben sich folgende Reaktionen:

π+ → µ+ + νµ, µ+ → e+ + νe + νµ

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π− → µ− + νµ, µ− → e− + νe + νµ

In der Atmosphare entstehen also doppelt so viele Myonneutrinos wie Elek-tronneutrinos, wie man durch Abzahlen aus den Gleichungen entnehmenkann.

Diese Neutrinoquellen werden im folgenden nicht weiter beachtet.

2.2 Supernovae [1], [2], [10]

Supernovae lassen sich anhand verschiedener Kriterien in Klassen einteilen.Dabei unterscheidet man grob zwei Typen:

2.2.1 Typ I:

Bei Sternen, deren Masse kleiner als die kritische Masse Mc ≈ 8M� ist, istdie Photonenluminositat großer als die Neutrinoluminositat. Am Ende sei-nes Lebens wird ein solcher Stern in der Regel zu einem sogenannten WeißenZwerg, der in einem nichtsichtbaren Objekt endet. Eine andere Moglichkeitgibt es, wenn der Stern Partner in einem Doppelsternsystem ist. Dann kanner Masse von seinem Partner aufnehmen, und es kommt zu einer Superno-vaexplosion vom Typ I, wenn diese Masse großer wird als die Chandrasek-harmasse MCh = (1, 4 ± 0, 2)M�.Fur die Neutrinophysik sind Supernovae vom Typ I weniger interessant.Die Einteilung der Supernovae in die Typen erfolgt auch aufgrund ihrerLichtkurven. Ein Vergleich dieser Kurven ist in Abb. 1 zu sehen.

Abbildung 1: Lichtkurven zur Unterscheidung der Supernova-Typen

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2.2.2 Typ II:

Zu einer Supernova vom Typ II, auch Core-Kollaps-Supernova genannt,kommt es bei Sternen, deren Masse großer als die kritische Masse ist. DieEnergie wird dabei hauptsachlich durch Neutrinos abgegeben, was diesesEreignis sehr interessant fur die Neutrinophysik macht.Kennzeichen einer solchen Supernova sind:• plotzlicher Gravitationskollaps (Implosion)• Neutrinoausbruch• Stoßwelle (shock wave), die die außeren Schichten wegsprengt (SN-Explosion)

Eine Typ II Supernova strahlt kurzfristig heller als alle Sterne zusammen.Als Uberrest entsteht eine sich ausbreitende Gaswolke und ein Neutronens-tern oder Schwarzes Loch.Nach groben Abschatzungen kommt es etwa alle 40 Jahre zu einer Supernovain unserer Galaxie. Optisch beobachtet wurden allerdings deutlich weniger,da das Licht in den meisten Fallen von Staub in der galaktischen Scheibeverdeckt wird: Im Jahr 1054 wurde in China eine Supernova entdeckt, ausder der Krebsnebel und Krebspulsar entstanden (s. Titelbild). Diese Super-nova war so hell, dass sie sogar tagsuber sichtbar war.Brahe beobachtete im Jahr 1572 eine weitere Supernova-Explosion.Die letzte Supernova (bis 1987) wurde von Kepler im Jahr 1604 gesehen.Des weiteren gab es noch zahlreiche (extragalaktische) Supernovae, derenEntdeckung und Beobachtung aber nicht genauer dokumentiert sind.In Zukunft soll die Rate der beobachteten Supernovae deutlich steigen, dasie heutzutage uber die ausgesendeten Neutrinos gut nachgewiesen werdenkonnen.

Im folgenden betrachten wir das Leben eines Sterns mit M ≈ 20 M�.Dieses wird bestimmt durch ein Quasigleichgewicht zwischen der Gravitationund dem thermischen Druck. Wahrend des ganzen Lebens wird fortlaufendEnergie in Form von (Teilchen)Strahlung abgegeben.Ein Stern entsteht, wenn sich eine Wolke aus Wasserstoff aufgrund derSchwerkraft verdichtet. Durch die Gravitationsenergie wachst die Tempe-ratur, und es kommt zunachst zur Fusion von Wasserstoff zu Helium. Dabeiwird Energie freigesetzt, wodurch sich die Temperatur weiter erhoht. Da-mit wird auch der Gegendruck zur Gravitation großer, der Stern blaht sichauf. Die Schale des Wasserstoff-Brennens ruckt weiter nach außen, wahrenddas Helium im Innern zuruckbleibt. Durch die Gravitation wird auch dasHelium verdichtet, es kommt zu einer weiteren Fusion: Aus dem Heliumwird Kohlenstoff und Sauerstoff. Der gesamte Prozess lauft ganz analog zumWasserstoff-Brennen ab. Uber Fusionen zu Silizium, Phosphor und Schwefelgelangt der Stern zuletzt zur Fusion zu Eisen, Kobalt und Nickel. Da Ei-sen eine maximale Bindungsenergie hat, wird durch weitere Fusionen keine

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Energie mehr freigesetzt, es bleibt ein Eisen-Core bestehen.In diesem Stadium lasst sich der Stern uber ein Zwiebelschalenmodell be-schreiben (Abb. 2). Die einzelnen Phasen laufen immer schneller ab. So dau-ert das Wasserstoff-Brennen etwa 106 Jahre, das Helium-Brennen 104 Jah-re, das Kohlenstoff-Brennen immerhin noch 600 Jahre. Das folgende Neon-Brennen hat eine Dauer von etwa einem Jahr, das Sauerstoff-Brennen sogarnur noch ein halbes Jahr. Nun dauert das Silizium-Brennen nur noch einenTag, der Kollaps geschieht letztendlich in einigen Millisekunden.

Abbildung 2: Zwiebelschalenmodell eines Sterns

Bei einem Stern, der einen Eisen-Core hat, kann im Innern keine Fusion mehrstattfinden. Durch weitere Reaktionen in den außeren Schichten nimmt derCore also immer weiter an Masse zu. Erreicht diese Masse den Wert derChandrasekharmasse MCh = (1, 4 ± 0, 2) M�, so kommt es auch bei einerTyp II Supernova zum Core-Kollaps. Kurz zuvor hat der Core typischerwei-se eine Dichte von 1010 g

cm3 , eine Temperatur von etwa 5 ·109 K(≈ 0, 5 MeVk

)und einen Radius von ∼ 103 km bei einem Sternradius von 107 −109 km. Erbesteht aus schweren Kernen, Nukleonen, relativistischen Elektronen undPositronen sowie Photonen. Die Gravitation ist nun so groß, dass der Ent-artungsdruck der Elektronen ihr nicht mehr standhalten kann. Der Corekollabiert innerhalb von ∼ 100 ms. In Abbildung 3 ist der Ablauf einer Su-pernova schematisch veranschaulicht.

Durch die sogenannte Neutronisation oder auch Deleptonisation werdenElektronen beseitigt und damit der Druck reduziert:

e− + p → n + νe (1)

Die Elektronen der Eisenatome werden in die Kerne gepresst, wobei Neutro-nen und Elektronneutrinos entstehen. Insgesamt werden so 1057 Protonenumgewandelt, und damit ebenso viele Neutrinos erzeugt. Ubrig bleibt ein

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Abbildung 3: Ablauf einer Supernova

Neutronenstern.Bei dem Kollaps erhoht sich die Dichte des Cores auf die Dichte der Kernma-terie von 2, 5 · 1014 g

cm3 , die Temperatur steigt auf etwa 1011 K(∼ 10 MeVk

),der Radius schrumpft auf 102 km. Durch die Heftigkeit des Kollaps wird dieDichte kurzzeitig auf ∼ 5 ·1014 g

cm3 erhoht, sie wird also großer als die Dich-te der Kernmaterie. Dadurch prallt die innere Core-Materie zuruck gegendie einfallende außere Core-Materie. Es kommt zu einer Stoßwelle, die dieaußerhalb des Cores gelegenen Materieschichten zur Explosion bringt. Dasist die eigentliche Supernova-Explosion. Aus der abgesprengten Sternhullewird eine sich immer weiter ausbreitende Gaswolke.Hat der Vorlauferstern eine Masse M ≥ 16 M�, so kann es zu einem Still-stand der Stoßwelle vor den außeren Schichten kommen. Durch Neutrinosaus dem Core wird sie allerdings wieder in Gang gesetzt, indem diese Ener-gie uber νν → e+e− abgeben.Die Photonen, die in der Stoßwelle entstehen, haben in der extrem dichtenSternmaterie nur eine kurze freie Weglange. Es dauert somit einige Stundenbis zu ihrer Emission. Daher entsteht erst ein Neutrinosignal, bevor eineSupernova optisch zu beobachten ist. Allerdings strahlt sie im optischenBereich noch einige Monate, wahrend der Neutrinoausbruch nach einigenSekunden beendet ist.

Fur die Neutrinophysik interessant ist nur der kollabierende Core.Insgesamt wird eine Energie von ∼ (2 − 3) · 1046 J freigesetzt. Davon gehennur etwa 1042 J in elektromagnetische Strahlung, 1044 J in die Explosion der

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Hulle. Die restlichen 99% werden durch Neutrinos uber einen Zeitraum von10 − 20 s abgefuhrt.Die Neutrino-Erzeugung erfolgt dabei durch zwei Prozesse:

Neutronisation:Uber den bereits oben beschriebenen Prozess werden Neutrinos beim Elek-troneneinfang erzeugt. Allerdings werden diese Neutrinos teilweise uber dieumgekehrte Reaktion auch wieder im Core absorbiert. Insgesamt entstehenaus diesem Prozess damit nur etwa 10% aller erzeugten Neutrinos.

Thermische Neutrinopaarerzeugung:Der weitaus großere Teil, etwa 90% aller Neutrinos, entsteht uber

e+ + e− → να + να (2)

Das α steht dabei fur die verschiedenen Neutrinoarten (µ, τ, e). Durch die-se Reaktion wird der Core abgekuhlt. Die Energie wird dabei gleichmaßigauf alle Neutrinoarten verteilt. Die Verteilung einer einzelnen Art folgtder Fermi-Dirac-Verteilung (〈Eν〉 = 3, 5 · kT ). Die Temperaturen betragenTνe

≈ 3 MeVk

, Tνe≈ 4, 5 MeV

k, Tνµ,τ

≈ 6 MeVk

. Eine Erklarung fur die unter-schiedlichen Temperaturen erfolgt spater. Im Durchschnitt ist die Energiedamit fur µ- und τ - Neutrinos und -Antineutrinos großer als fur die Elektron-Neutrinos/-Antineutrinos.Der Core ist fur die Neutrinos trotz ihres kleinen Wirkungsquerschnittesnicht transparent. Es kommt zu Reaktionen der Neutrinos mit der Core-Materie:

να + A → να + A να + A → να + A (3)

Dieser Prozess beschreibt die koharente Streuung der Neutrinos an einemAtomkern A. Man spricht von einer Neutral-Current-Reaktion (NC), derenWirkungsquerschnitt proportional zum Quadrat der Neutrinoenergie E2

ν ist.Es kann auch eine elastische Streuung der Neutrinos an freien Protonenoder Neutronen stattfinden. Das ist ebenfalls eine NC-Reaktion mit E2

ν -Abhangigkeit.

να + (p, n) → να + (p, n) να + (p, n) → να + (p, n) (4)

Eine weitere Moglichkeit ist der νe-Einfang, der eine Charged-Current-Re-aktion (CC) darstellt. Er entspricht dem inversen Prozess zum Elektronen-einfang, der bereits bei der Neutronisation beschrieben wurde:

νe + n → p + e− νe + p → n + e+ (5)

Kurz nach dem Kollaps ist dieser Prozess mit der Neutronisation im ther-mischen Gleichgewicht. Auch hier ist der Wirkungsquerschnitt proportionalzum Energiequadrat.

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Auch elastische Streuung der Neutrinos an Elektronen oder Positronen kannstattfinden:

να + e± → να + e± να + e± → να + e± (6)

In diesem Fall ist der Wirkungsquerschnitt proportional zur Energie derNeutrinos Eν .Eine letzte Reaktion ist diese:

να + να ↔ e+ + e− (7)

Allerdings stehen die beiden Reaktionen im thermischen Gleichgewicht. DerWirkungsquerschnitt ist proportional zur Energie.

Alle diese Reaktionen fuhren dazu, dass die Neutrinos im Core nicht frei be-weglich sind, sondern in die außeren Schichten diffundieren. Von dort werdensie dann abgestrahlt. Die Trennschicht zwischen transparenten und opaken(d. h. nichttransparenten) Schichten wird als Neutrinosphare bezeichnet. Dadie Reaktion 5 nur fur Elektronneutrinos gilt, ist die Opazitat fur diesegroßer als fur µ- und τ - Neutrinos. Fur letztere liegt die Neutrinosphare alsotiefer und damit in einer heißeren Core-Schicht. So erklaren sich auch dieoben genannten unterschiedlichen Temperaturen fur die einzelnen Neutrino-arten.Die Dauer des Neutrinoausbruchs bei einer Supernova ist also von der ν-Diffusion und der ν-Opazitat des Cores bestimmt.

Abbildung 4: Schichten einer Supernova-Explosion (aus: [7])

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3 Nachweis von Neutrinos

Da die Neutrinos nur einen sehr geringen Wirkungsquerschnitt besitzen, istes nicht leicht, sie nachzuweisen. Man braucht eine sehr große Targetmasseund lange Messzeiten. Fur hohe Energien wachst der Wirkungsquerschnittallerdings an. Fur Neutrinos mit einer Energie großer als 5 MeV sind Wasser-Cherenkov-Zahler mit großem Volumen eine gute Detektions-Moglichkeit.

3.1 Cherenkov-Detektoren

3.1.1 Funktionsweise [5]

Ein geladenes Teilchen, das sich durch ein Medium bewegt, polarisiert dieAtome um seine Bahn. Ist die Teilchengeschwindigkeit v nun kleiner alsdie Lichtgeschwindigkeit c′ = c

nim Medium mit dem Brechungsindex n, so

heben sich die Polarisationsanteile vor und hinter dem Teilchen auf. Dasresultierende Dipolfeld verschwindet, da die Dipole symmetrisch angeordnetsind. Ist die Geschwindigkeit großer als c′, so besteht keine symmetrischeAnordnung der Dipole mehr, da nur die Atome hinter dem Teilchen polari-siert werden. Daraus ergibt sich ein nicht verschwindendes Dipolfeld. Dieseverschiedenen Polarisationen der Atome sind in Abbildung 5 zu sehen.

Abbildung 5: Polarisation der Atome in einem Medium bei Durchlauf einesTeilchens mit der Geschwindigkeit v

Beim Abklingen der Polarisation werden Lichtwellen erzeugt. Die Anzahlder emittierten Cherenkov-Photonen pro Wegstrecke betragt dabei:

dN

dx= 2παz2 sin2(θC)

λ2 − λ1

λ1λ2

= 490z2 sin2(θC)1

cmfur λ1 = 400 nm, λ2 = 700 nm

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Dabei bezeichnet θC den Cherenkov-Winkel. Fur diesen Winkel zwischenTeilchenrichtung und Ausbreitungsrichtung des Cherenkov-Lichts gilt (ana-log zum Machschen Kegel):

cos(θC) =1

βn

Abbildung 6: Cherenkovwinkel θ

Der Cherenkov-Detektor kann in Kombination mit anderen Detektoren auchzur Identifikation von Teilchen benutzt werden:Bei gleicher Energie haben Teilchen mit unterschiedlicher Masse unterschied-liche Geschwindigkeiten. Aus der Bedingung β > 1

nfolgt, dass nur bestimmte

Teilchen Strahlung erzeugen. Durch geeignete Wahl des Radiators, kann ei-ne Schwellenenergie festgelegt werden, aus der man auf die Masse schließenkann.Erreichbare Brechungsindizes liegen dabei zwischen n − 1 = 3, 3 · 10−5 bisn − 1 = 3, 22. Die große Lucke, die zwischen Flussigkeiten (z.B. Wasser,n=1,33) und Gasen (n ≈ 1, 002 fur Pentan) lag, wird heutzutage von Aero-gelen geschlossen.

3.1.2 Wasser-Cherenkov-Detektoren

Um Neutrinos aus kosmischen Quellen nachzuweisen benutzt man meistWasser-Cherenkov-Zahler. Dabei handelt es sich um einen sehr großen Was-sertank, der einige hundert Meter unter der Erdoberflache liegt. An seinenWanden sind Photomultiplier angebracht, die dazu dienen, Cherenkov-Lichtzu detektieren. Dieses entsteht, wenn die Neutrinos auf Nukleone im Wassertreffen und mit diesen reagieren. Die dabei erzeugten geladenen Teilchenwerden uber ihr Cherenkov-Licht nachgewiesen. Eine Reaktion, die die Aus-sendung von Cherenkov-Licht bewirkt, ist der inverse β-Zerfall, uber den

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sich νe nachweisen lassen:

νe + p → n + e+ (8)

Eine weitere Moglichkeit ist die elastische νe-Streuung. Allerdings ist derenWirkungsquerschnitt nur etwa 1

100des Wirkungsquerschnitts des inversen

β-Zerfalls. Letzterer betragt

σ(νep → ne+) = 9, 75 · 10−44

(

MeV

)2

cm2.

Damit lassen sich auch die niedrigen gemessenen Ereignisraten wahrend desNeutrinoausbruchs der Supernova 1987 erklaren, die im folgenden Kapitelgenauer behandelt werden.Solche Wasser-Cherenkov-Detektoren ermoglichen auch eine Unterscheidungzwischen Elektron- und Myon-Neutrinos. Diese erzeugen unterschiedlichegeladene Teilchen (Elektronen oder Myonen), die charakteristische Spurenhinterlassen:Myonen strahlen auf einem Kegelmantel mit scharfen Kanten Licht aus, beiden Elektronen dagegen sind die Rander des Kegelmantels verwischt, da dieElektronen im Wassertank wesentlich mehr gestreut werden als die Myonen.Aufnahmen des Superkamiokande-Detektors sind in Abb. 7 zu sehen.

Abbildung 7: links: Cherenkov-Ring eines Elektrons mit verwischten Kantenrechts: Cherenkov-Ring eines Myons mit scharfen Kanten

Vorteile dieser Detektoren sind die Moglichkeit, Ereignisse in Echtzeit auf-zunehmen und Richtungsbeobachtungen zu machen.

Beispiele fur solche Wasser-Cherenkov-Detektoren sind IMB, Kamiokandeund Superkamiokande. Genaueres uber diese Einrichtungen und ihre Ergeb-nisse sind im folgenden Kapitel beschrieben.

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Abbildung 8: Wassertank mit Photomultipliern an den Wanden

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4 Detektoren

Die Detektoren, die vor einigen Jahren Neutrinos aus einer Supernova detek-tierten, waren ursprunglich zu anderen Zwecken gebaut worden. Sowohl dasIrvine Michigan Brookhaven Experiment (IMB) also auch der Kamiokande-Detektor sollten dazu dienen, den Protonzerfall zu untersuchen. Beide, sowieauch der Kamiokande-Nachfolger Superkamiokande, sind Wasser-Cherenkov-Detektoren, die einige Meter unter der Erdoberflache liegen (Abb. 9). Da-durch wird der Hintergrund durch kosmische Teilchen verringert.

Abbildung 9: Lage eines Detektors (hier: Superkamiokande)

4.1 IMB [4]

Der IMB-Detektor besteht aus einem etwa 5000 t Wasser fassenden Tank,der 600 m tief in einer Salzmine liegt und eine Große von 18x17x23 m3 hat.In den fruhen 80er Jahren wurde er in Betrieb genommen, um den Pro-tonzerfall zu untersuchen. Zu diesem Zweck lief er etwa 10 Jahre, konnteaber keinen einzigen Protonzerfall beobachten. Allerdings ergab sich etwaeine Neutrinoreaktion pro Tag, was aber zum storenden Hintergrund gezahltwurde.Mit der Supernova im Jahr 1987 wurde aus dem ehemals storenden Unter-grund ein interessantes Signal. Der Auswertung dieses Signal kam nun zugu-te, dass die Neutrinoereignisse auch zuvor schon genau untersucht wordenwaren. Das lag daran, dass sie recht schwer vom Protonzerfall zu unterschei-den sind, da beide ein im Detektor erzeugtes Signal ergeben. Das macht es

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schwierig, von außen einfallende Neutrinos zu identifizieren, im Gegensatzz.B. zu Myonen, die sich durch ihre Einfallsrichtung kennzeichnen.Die Reaktion, die IMB zum Nachweis von Neutrinos dient, ist der inverseβ-Zerfall. Dabei ist zu beachten, dass der Detektor so getriggert ist, dass ernur ein Signal registriert, wenn 20 PMT in ca. 50 ns ein Photon anzeigen,was einer Schwellenenergie von etwa 20 MeV entspricht. Wahrend der Su-pernova 1987 arbeiteten leider rund 25% der PMT nicht. Dennoch konntedas Signal zusammen mit anderen Daten einige Informationen geben.

4.2 Kamiokande [8]

In einer alten Mine in Japan, etwa 1000 m tief, ist ein weiterer Neutrinode-tektor jahrelang in Betrieb gewesen. Der sogenannte Kamiokande-Detektor(bzw. Kamiokande-II und -III) enthalt uber 2000 t Wasser. Der Tank hateinen Durchmesser von 15,6 m und ist 16 m hoch. Seine Wande sind zu et-wa 20% mit insgesamt 948 Photomultipliern von je ca. 50 cm Durchmesserbedeckt. Auch dieser Detekor war ursprunglich gebaut, um den Protonzer-fall zu untersuchen. Zuletzt wurde er aber auch als Sonnenneutrinodetektorbenutzt. 1987 lieferte dieser Detektor zusammen mit IMB wichtige Datenvon Neutrinos einer Supernova.Die Nachweisreaktionen in diesem Detektor sind die νe-Streuung und derinverse β-Zerfall. Uber die Streuung von Neutrinos an Elektronen kann dieEinfallsrichtung des Neutrinos bestimmt werden. Die Photomultiplier re-gistrieren das Cherenkov-Licht der Elektronen. Es mussen mindestens 20Photomultiplier innerhalb von etwa 100 ns ansprechen, damit ein Ereignisals solches detektiert wird. Das entspricht einer Schwellenenergie von etwa7,5 MeV. Uber die gemessene Intensitat dieses Lichtes kann die Energie desNeutrinos abgeschatzt werden. Aus Form und Zeit des detektieren Musterserhalt man Informationen uber Richtung und Position des Elektrons unddamit des Neutrinos.Der Kamiokande-Detektor nahm im Jahr 1983 die Datennahme auf, 1996wurde er von seinem Nachfolger Superkamiokande abgelost.

4.3 Superkamiokande [11]

Dieser neueste der betrachteten Detektoren ist, wie der Name schon sagt,eine großere Variante von Kamiokande. Er entspricht einer Vergoßerung umden Faktor 2,5 (in Bezug auf Hohe und Durchmesser des Tanks). Der 2700m tief liegende Wassertank fasst 50.000 t ultrareines Wasser (also 25 malsoviel wie sein Vorganger) und hat einen Durchmesser von 40 m sowie eineHohe von ebenfalls 40 m. Außerdem wurde die Dichte der Photomultiplierverdoppelt: Hier bedecken insgesamt 13.000 Photomultiplier mit einem Ka-

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Abbildung 10: Schematische Darstellung des Superkamiokande-Detektors

thodendurchmesser von ebenfalls je ca. 50 cm Wande, Decke und Boden.Dabei beobachten etwa 11.200 Photomultiplier die inneren 32.000 t Wasser.Der Rest ist in einer außeren Schicht angebracht. Auch dieser Detektor liegtin der Kamioka-Mine und nahm am 1.4.1996 den Betrieb auf.Ebenso wie die anderen Detektoren soll Superkamiokande dazu dienen, denProtonzerfall nachzuweisen. Auch kosmische Neutrinos gehoren zu den be-obachteten Objekten. Des Weiteren ist es damit bereits gelungen, Informa-tionen uber die Oszillation von Neutrinos zu erlangen.Die Neutrinos werden hier ebenfalls uber Streuung an Elektronen oder in-versen β-Zerfall nachgewiesen. Seine Schwellenenergie liegt deutlich tieferals die seiner Vorganger bei 5 MeV. Aufgrund seiner Große und Empfind-lichkeit geht man davon aus, dass bei einer Supernova in unserer Galaxie,die optisch dunkel ist, etwa 4000 Neutrino-Ereignisse detektiert wurden.

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5 Supernova 1987A [2], [10]

Am 23.2.1987 konnte eine Supernova in etwa 50 kpc (≈ 1, 5 ·105 Lichtjahre)Entfernung in unserer Nachbargalaxie der Großen Magellanschen Wolke be-obachtet werden. Optisch wurde dieses Ereignis am 24.2.1987 entdeckt, wasdazu fuhrte, dass (dann erst) die Daten der beiden großen Neutrinodetekto-ren Kamiokande und IMB auf Neutrinoereignisse untersucht wurden. NachAbklingen des Leuchtens der Supernova im sichtbaren Bereich konnte veri-fiziert werden, dass der vorher dort beobachtete Stern verschwunden war.Es handelte sich demnach um den blauen Uberriesen Sanduleak (SK-69°202) mit einer Masse von etwa 20M� [7]. Die Supernova bekam den NamenSN1987A.

Abbildung 11: SN1987A: vorher - nachher

Einige Jahre spater machte das Hubble Space Teleskop eine Aufnahme derSN1987A, auf der 3 Ringe aus Gas zu sehen sind, das im Ultravioletten leuch-tet (Abbildung 12). Der kleine Ring liegt dabei in der Ebene des SN1987A,die anderen beiden in Ebenen davor und dahinter. Die Ringe mussen auf-grund dieser Lage etwas mit der Supernova zu tun haben, konnen aber nichtaus ihr hervorgegangen sein, da sich das Gas viel zu langsam ausbreitet (wieAstronomen festgestellt haben). Das Gas muss also schon vorher da gewe-sen sein, und ist von der Supernova lediglich zum Leuchten angeregt worden.Dieses System aus drei Ringe ist auch heute noch ein Ratsel der SN1987A.

Aus den gemessenen Ereignissen konnten aber auch einige interessante Er-

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Abbildung 12: Ringe um die SN1987A im Jahr 1994

kenntnisse gewonnen werden. Dabei werden im folgenden nur solche be-schrieben, die aus dem Neutrinoausbruch stammen.

Der Neutrinoausbruch wurde zeitgleich von Kamiokande und IMB detek-tiert.Dabei registrierte Kamiokande aufgrund seiner niedrigeren Schwellenener-gie 11 Neutrinos innerhalb von 12,4 s. Die ersten 8 Ereignisse lagen sogar ineinem Zeitfenster von nur 2 s. Die Energien der nachgewiesenen Elektronenlagen zwischen 7,5 MeV und 36 MeV. Die isotrope Winkelverteilung derElektronen lasst darauf schließen, dass fast alle aus einem inversen β-Zerfallstammen. Das erklart auch die Beobachtung, dass alle registrierten Neutri-nos vom Typ νe sind. Nur das erste Ereignis, das unter einem kleinen Winkelzur Supernova detektiert wurde, konnte aus einer νe-Streuung stammen.IMB detektierte innerhalb von 5,6 s 8 Neutrinos, davon 5 in den ersten 2 s.Die Elektronenergie reicht hier von 19 MeV bis 40 MeV. Wie oben bereitserwahnt, ist die Schwellenenergie bei diesem Detektor großer, was diese Ver-teilung erklart. Auch hier sieht man nur νe.

Aber nicht nur diese beiden Detektoren registrierten am 23.2.1987 Neutrinos.

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Bezieht man andere Detektoren mit ein, so sind zwei Pulse erkennbar. Dererste Puls im Mont-Blanc-Detektor enthielt 5 Ereignisse in 7 s (5,8-7,8 MeV),lag aber fast 5 Stunden vor dem zweiten Puls in Kamiokande und IMB.Nachdem man in der ersten Zeit nach der Supernova noch versucht hatte,beide Pulse in die Supernova-Theorie einzubeziehen (naheres dazu z.B. in[3]), ist man heute der Ansicht, dass der erste Puls kein Signal aus derSupernova sondern lediglich Rauschen ist. Alle detektieren Ereignisse sindin Tabelle 13 aufgelistet.

Abbildung 13: Alle detektierten Ereignisse aus der SN 1987A (aus: [7])

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5.1 Erkenntnisse zur Supernovaphysik

Durch die Detektion der Neutrinos aus der SN1987A konnten erstmals ex-perimentelle Bestatigungen der wesentlichen Aussagen des heutigen Typ-II-Supernova-Modells gewonnen werden.Aus der Fermi-Dirac-Verteilung der Energie der registrierten νe lasst sichihre Temperatur zu T (νe) = (4, 0± 1, 0) MeV bestimmen. Damit ergibt sicheine mittlere Energie von 〈Eνe

〉 = 3, 15 · kTνe= (12, 5 ± 3) MeV fur ein

Antielektronneutrino.Betrachtet man die Anzahl der registrierten Neutrinoereignisse, die Detek-torgroße und den Wirkungsquerschnitt fur die Nachweisreaktion, so kannman die zeitintegrierte νe-Flussdichte F auf der Erde bestimmen. Man erhaltF = (5, 0 ± 2, 5) · 109cm−2. Daraus lasst sich die Gesamtzahl der von derSN1987A emittierten Neutrinos berechnen. Dazu muss man den Abstandzwischen Supernova und Erde berucksichtigen sowie die Tatsache, dass nureine von sechs Neutrinoarten detektiert wurde. So ergibt sich mit dem Faktor6 und dem Abstand L = 1, 5 · 1018 km:

Ntotal = 6 · F · 4πL2 ≈ 8 · 1057.

Da die mittlere Energie eines Neutrinos bereits berechnet ist, lasst sich dar-aus eine Abschatzung fur die insgesamt bei der Supernova freigewordeneEnergie vornehmen:

Etotal ≈ Ntotal〈Eνe〉 ≈ (2 ± 1) · 1046 J

Dieses Ergebnis passt gut zu den theoretischen Berechnungen der Bindungs-energie, die bei der Bildung eines Neutronensterns abgestrahlt werden muss.Die Gesamtdauer des Pulses von etwa 10 s stimmt ebenfalls gut mit derSupernova-Theorie uberein.Der Core-Radius bzw. der Radius des entstehenden Neutronensterns ließsich abschatzen auf (30 ± 20) km, die Core-Masse zu etwa 1,4 M�, was denWerten aus der Theorie recht gut entspricht.

Insgesamt lasst sich also feststellen, dass die Messungen der SN1987A gutmit den Modellen aus der Supernova-Theorie ubereinstimmen.

5.2 Erkenntnisse zur Neutrinophysik [10]

Es lassen sich nicht nur Aussagen uber Supernovae aus den Beobachtungengewinnen, sondern es konnten auch Informationen uber verschiedene Neu-trinoeigenschaften erzielt werden. Damit war die SN1987A nicht nur fur dieAstronomie sondern auch fur die Neutrinophysik ein Jahrhundertereignis.Im folgenden werden Grenzen fur einige Neutrinogroßen aus den gemessenenDaten abgeleitet:

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• Masse:Die Masse der Neutrinos lasst sich nicht direkt messen, aus der Messung derAnkunftszeit kann jedoch eine Obergrenze abgeschatzt werden.Die Flugzeit eines Neutrinos mit der Masse mν und der Energie Eν � mν

fur die Strecke L betragt:

T =L

v=

L

c

pν=

L

c

Eν√

E2ν − m2

ν

Mit einer Naherung durch Taylorentwicklung ergibt sich daraus:

T ≈L

c

(

1 +m2

ν

2E2ν

)

Daraus kann man sehen, dass fur eine nicht verschwindende Masse die Flug-zeit kleiner wird, je großer die Energie des Neutrinos ist. Es ergibt sich alsoein Zeitunterschied in der Ankunft, der nicht nur dem Unterschied in derZeit der Aussendung entspricht. Fur zwei Neutrinos mit den Energien E1

und E2, die zeitgleich ausgesendet werden, erhalt man eine Zeitdifferenz ∆t

in der Ankunft im Detektor, die von der Neutrino-Masse und den Energiender beiden Teilchen abhangt. Aus dieser lasst sich die Masse nach folgenderFormel bestimmen:

m2ν =

2c∆t

L

(

1

E22

−1

E21

)−1

Wahlt man zwei geeignete Ereignisse aus den Kamiokande-Daten aus undnimmt an, dass die Neutrinoenergie etwa der gemessenen Energie entspricht,so ergibt sich mit eingeschlossenen Fehlerintervallen eine Obergrenze fur dieMasse von

m(νe) < 31 eV.

Betrachtet man nur die ersten 8 Ereignisse aus Kamiokande, so kommt mansogar auf eine Grenze von m < 11 eV. Je nach SN-Modell und Wahl derEreignisse lassen sich auch andere Obergrenzen erreichen. Alle liegen jedochin einem Bereich von einigen eV.Allerdings sind die Daten von Kamiokande und IMB auch vertraglich miteiner Neutrinomasse von mν = 0. Die unterschiedliche Detektionszeit ent-spricht dann dem Unterschied in der Zeit der Aussendung, der durch dieDiffusion der Neutrinos im Core entsteht.

Die Energien der einzelnen Neutrinos sind in Abbildung 14 gegen ihre Detek-tionszeit aufgetragen. Dabei wurde jeweils das erste Ereignis auf t=0 gesetzt.

Es gibt auch die Moglichkeit, eine Obergrenze der Masse von µ- und τ -Neutrinos zu bestimmen. Dazu betrachtet man Helizitat und Chiralitat dererzeugten Neutrinos.

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Abbildung 14: Neutrinoereignisse: offene Kreise - IMB; schwarze Kreise -Kamiokande [8]

Bei der Streuung eines ν an einem Kern N sowie bei der νe-Streuung ist einSpinflip in die

”falsche“ Helizitat moglich, wenn die Masse endlich ist:

ν−N → ν+N bzw. ν+N → ν−N

Durch Wechselwirkungen im Core ist es moglich, die Helizitat umzukeh-ren. Das kommt daher, dass im Chiralitatszustand (z.B. νL) der (V-A)-Wechselwirkung schon der

”falsche“ Helizitatszustand (ν+) mit einer Am-

plitude ∼ mν

2Eνenthalten ist. Die Wahrscheinlichkeit ist also proportional

zum Quadrat der Neutrinomasse: ∼ ( mν

2Eν)2. Ein so erzeugtes steriles Neu-

trino kann den Core ungehindert verlassen, da sein Wirkungsquerschnittextrem klein ist (selbst im Vergleich zu anderen Neutrinos).Je großer nun die Neutrinomasse ist, desto mehr sterile Neutrinos werdenerzeugt, und desto kurzer ist der Neutrinoausbruch.Aus der beobachteten Dauer dieses Ausbruchs kann man die Masse der Neu-trinos abschatzen zu: mν < 30 keV.

• Lebensdauer:Aus der Tatsache, dass die Neutrinos auf der Erde angekommen sind, ergibtsich bereits eine grobe Abschatzung ihrer Lebensdauer, namlich:

γτ(νe) > 1, 5 · 105Jahre

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Dabei ist γ = Eν

mν, es ergibt sich also fur eine Neutrinoenergie von Eν ≈ 12, 5 MeV

eine Lebensdauer τ , die abhangig ist von der Neutrinomasse:

τ(νe) > 4 · 105 mνe

eVs

Aus anderen Methoden und unter Berucksichtigung weiterer Faktoren (wieFlavour-Mischung) ergeben sich wesentlich scharfere Grenzen, worauf hieraber nicht eingegangen wird.

• Ladung:Geht man davon aus, dass Neutrinos Ladung tragen, so muss man beach-ten, dass ihre Bahn von der Quelle (also hier der Supernova) zur Erde durchMagentfelder abgelenkt wird. Die Bahnlange und Ankunftszeit waren dannabhangig von der Neutrinoenergie. Nimmt man ein intergalaktisches Ma-gnetfeld von 10−9G an, so ergibt sich eine Obergrenze von

Qν < 2 · 10−15e,

damit das beobachtete Zeitfenster von etwa 10s nicht uberschritten wird.

• Magnetisches Moment:Wenn Neutrinos ein magnetisches Moment besitzen, konnen sie in großerZahl im starken Magnetfeld des kollabierenden Cores in sterile Neutrinosumgedreht werden. Das fuhrt, wie bereits oben beschrieben, zu einem kurze-ren Neutrinoausbruch. Energiereiche Neutrinos konnten außerdem auf ihremWeg zur Erde wieder in nachweisbare Neutrinos zuruckgedreht werden. Ausder Tatsache, dass weder ein verkurzter Neutrinopuls noch eine erhohte An-zahl energiereicher Neutrinos detektiert wurde, ergibt sich eine Obergrenzefur das magnetische Moment von

µνe< 10−12µB .

• Mischung:Nach den gangigen Modellen werden alle Neutrinoarten mit gleicher Haufig-keit, aber unterschiedlicher Energie erzeugt. Mit den wenigen gemessenenNeutrinos aus der SN1987A ist es kaum moglich, einen Effekt wie die Mi-schung nachzuweisen.

• Zahl der Neutrinoarten:Die Zahl der Neutrinoarten ergibt sich aus den Abschatzungen fur die Neu-trinoenergie und einem Vergleich mit der bei der Supernova freigesetztenBindungsenergie. Die beobachteten Ereignisse sind dabei gut vertraglich mitNν = 3. Eine wesentlich genauere Bestimmtung von Nν ist mittlerweile ausden LEP-Experimenten bekannt.

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Wie man sieht wurden aus den wenigen gemessenen Ereignissen der SN1987Aeinige interessante Schlusse gezogen. Sollte in Zukunft eine Supernova in ei-ner Entfernung von bis zu 10 kpc stattfinden, so geht man davon aus, dasswesentlich mehr Neutrinos mit heutigen Detektoren registriert werden. Essollte sogar moglich sein, eine Supernova uber ihre Neutrinos nachzuwei-sen, bevor sie optisch sichtbar ist. Die heutigen, großeren und empfindli-cheren Detektoren ermoglichen es dann hoffentlich, einige noch nicht ganzverstandene Mechanismen einer Supernova sowie weitere Eigenschaften derNeutrinos zu erklaren.

Literatur

[1] J. N.Bahcall (1999): Neutrino Astrophysics, Cambridge Univ. Press,Cambridge

[2] A.Burrows (1988): 10 Seconds that shook the world, aus: 13th Intern.Conference on Neutrinophysics and Astrophysics, Boston (Medford)

[3] A.Burrows (1990): Neutrinos from Supernovae, aus: A.G. Petschek: Su-pernovae, Springer, New York, Kapitel 7

[4] R.Clark (2000): Irvine Michigan Brookhaven Experiment (IMB)[WWW Document] URL: http://www.phys.cmu.edu/ clark/imb.html

[5] C.Grupen (1993): Teilchendetektoren, BI-Wiss. Verlag, Kapitel 6.4

[6] C.Grupen (2000): Astroteilchenphysik (Das Universum im Licht derkosmischen Strahlung), Vieweg, Braunschweig

[7] W. Hillebrandt (1988): Neutrino Physics and Supernovae: What havewe learned from SN 1987A?, aus: H. V.Klapdor: Neutrinos

[8] M. Koshiba (1988): Toward observational neutrino astrophysics, aus:M. Kafatos, A. G.Michalitsianos: Supernova 1987A in the Large Magel-lanic Cloud, Cambridge Univ. Press, Cambridge

[9] P.&L. Murdin (1985): Supernovae, Cambridge Univ. Press, Cambridge

[10] N. Schmitz (1997): Neutrinophysik, Teubner, Stuttgart Kapitel 7.3

[11] http://www.ps.uci.edu/ superk/sk-info.html

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