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Newsletter – Ausgabe 04 / 12. 11. 2015 (8. Jahrgang) - 1 - Impressum: Hans-Joachim Schaprian (Vorsitzender des Arbeitskreises) E-Mail: [email protected] Vorwort: Die deutsche Regie- rung und die Europäi- sche Union sind gefor- dert, nachhaltige ge- meinsame zukunfts- taugliche Lösungen zu finden. Angesichts der Millionen Flüchtlinge wird einmal mehr die Notwendigkeit einer glaubwürdigen euro- päischen Sicherheits- und Verteidigungspoli- tik deutlich. (zum Vorwort) Mehr europäische Zusammenarbeit in der Friedenspolitik Über eine Verteidigungsunion zur Euro- päischen Armee Mit dem Ziel, die GSVP ef- fektiver zu gestalten, müssen wir hier Initiativen einleiten, so dass sich ein klarer Mehrwert für die beteiligten Staaten und die EU insgesamt ergibt. (zum Artikel) Die Zukunft der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik Botschafter Dr. Hans-Dieter Lucas Unverkennbar ist unser Land in nur wenigen Jahren in eine wesentlich aktivere, mitgestal- tende außen- und sicherheitspolitische Rolle hineinge- wachsen. Wer eine solche Rolle über- nimmt, muss dies auch kommunizieren. Veranstaltungen wie die Petersberger Ge- spräche tragen entscheidend dazu bei, diese enorm wichtige Debatte fortzuführen und in die Zivilgesellschaft hineinzutragen. (zum Artikel) Friedenspolitische Leitlinien – das Ge- bot der Stunde Dr. Ines-Jacqueline Werkner (For- schungsstätte der evangelischen Stu- diengemeinschaft) Sicherheit ist, will sie friedensver- träglich sein, ge- meinsam und nicht gegenei- nander zu konzi- pieren. Hier kann Deutschland 2016 wichtige Impulse setzen: mit sei- nem neuen Weißbuch, mit seinem Vorsitz in der OSZE sowie in der Debatte um eine neue euro- päische Sicherheitsstrategie. (zum Artikel) Landtag von Nordrhein-Westfalen wür- digt 60 Jahre Bundeswehr MdL Thomas Marquardt (Stv. Vors. des Arbeitskreises) Alle Beteiligten waren sich einig, dass die Gemein- samkeiten des Landes mit "seinen Soldatinnen und Soldaten" in her- vorragender Weise durch diese par- lamentarische Be- gegnung mit der Bundeswehr ge- stärkt und die Arbeit der Menschen in der Themen in dieser Ausgabe

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Newsletter – Ausgabe 04 / 12. 11. 2015 (8. Jahrgang)

- 1 -

Impressum: Hans-Joachim Schaprian (Vorsitzender des Arbeitskreises) E-Mail: [email protected]

Vorwort:

Die deutsche Regie-

rung und die Europäi-

sche Union sind gefor-

dert, nachhaltige ge-

meinsame zukunfts-

taugliche Lösungen zu

finden. Angesichts der

Millionen Flüchtlinge

wird einmal mehr die

Notwendigkeit einer

glaubwürdigen euro-

päischen Sicherheits-

und Verteidigungspoli-

tik deutlich.

(zum Vorwort)

Mehr europäische Zusammenarbeit in

der Friedenspolitik

Über eine Verteidigungsunion zur Euro-

päischen Armee

Mit dem Ziel,

die GSVP ef-

fektiver zu

gestalten,

müssen wir

hier Initiativen

einleiten, so

dass sich ein

klarer Mehrwert für die beteiligten Staaten

und die EU insgesamt ergibt.

(zum Artikel)

Die Zukunft der deutschen Außen- und

Sicherheitspolitik

Botschafter Dr.

Hans-Dieter Lucas

Unverkennbar ist

unser Land in nur

wenigen Jahren in

eine wesentlich

aktivere, mitgestal-

tende außen- und

sicherheitspolitische

Rolle hineinge-

wachsen. Wer eine solche Rolle über-

nimmt, muss dies auch kommunizieren.

Veranstaltungen wie die Petersberger Ge-

spräche tragen entscheidend dazu bei,

diese enorm wichtige Debatte fortzuführen

und in die Zivilgesellschaft hineinzutragen.

(zum Artikel)

Friedenspolitische Leitlinien – das Ge-

bot der Stunde Dr. Ines-Jacqueline Werkner (For-

schungsstätte der evangelischen Stu-

diengemeinschaft)

Sicherheit ist, will

sie friedensver-

träglich sein, ge-

meinsam und

nicht gegenei-

nander zu konzi-

pieren. Hier kann

Deutschland 2016

wichtige Impulse

setzen: mit sei-

nem neuen

Weißbuch, mit seinem Vorsitz in der OSZE

sowie in der Debatte um eine neue euro-

päische Sicherheitsstrategie.

(zum Artikel)

Landtag von Nordrhein-Westfalen wür-

digt 60 Jahre Bundeswehr MdL Thomas Marquardt (Stv. Vors. des

Arbeitskreises)

Alle Beteiligten

waren sich einig,

dass die Gemein-

samkeiten des

Landes mit "seinen

Soldatinnen und

Soldaten" in her-

vorragender Weise

durch diese par-

lamentarische Be-

gegnung mit der

Bundeswehr ge-

stärkt und die Arbeit der Menschen in der

Themen in dieser Ausgabe

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Bundeswehr in einem ansprechenden und

würdigen Rahmen besonders herausge-

stellt worden war.

(zum Artikel)

Die innere und soziale Lage der Bun-

deswehr

OSF Jürgen Görlich (Bundeswehr Ver-

band)

Wichtig für alles wei-

tere ist vor allem der

weitere konstruktive

Austausch mit ande-

ren sicherheitspoliti-

schen Akteuren und

darüber hinaus, um

sich den gemeinsa-

men Zukunftsfragen

zu stellen.

(zum Artikel)

Vorwort

Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Europa steht zurzeit vor

großen Problemen und

Herausforderungen auf

dem Gebiet der Frie-

dens-, der Außen- und

der Sicherheitspolitik.

Das Auswärtige Amt

hat im Februar 2015

einen Review-Prozess

über die deutsche Au-

ßenpolitik abgeschlos-

sen. Außenminister Steinmeier stellte bei

der Abschlussveranstaltung folgendes Ziel

vor: „Gerade die Aspekte vorsorgender

Außenpolitik – Krisenprävention, die Stär-

kung fragiler Staaten, Friedensmediation

und Konfliktnachsorge – will ich stärken.“

Da ist es nur folgerichtig, dass die Bundes-

regierung beschlossen hat, 2016 ein Weiß-

buch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft

der Bundeswehr“ herauszugeben. Die Ent-

wicklung des neuen Weißbuchs findet

nicht hinter verschlossenen Türen statt.

Über Workshops, die die sicherheitspoliti-

schen Grundlagen Deutschlands aus vie-

len Perspektiven beleuchten, wurden Si-

cherheitsexperten aus Politik, Bundeswehr

und der Zivilgesellschaft in den Prozess ein-

gebunden. Im Oktober fand die Serie der

der Expertenworkshops zum Weißbuch

2016 ihren Abschluss, nun beginnt die Aus-

erarbeitung. Basierend auf der sicherheits-

politischen Analyse sollen Leitlinien für das

sicherheits- und verteidigungspolitische

Handeln heraus gearbeitet und Schlussfol-

gerungen für die strategische Ausrichtung

der Bundeswehr gezogen werden.

Zu klären ist nun, welche Fähigkeiten

braucht die Bundeswehr in Zukunft, wo

besteht Nachsteuerungsbedarf im Bereich

der Ausrüstung, wie soll auf die Herausfor-

derungen der Hybrider Kriegsführung und

der Cybersicherheit aus der Sicht der

Streitkräfte reagiert werden, aber auch,

was kann mit den zur Verfügung stehen-

den finanziellen Ressourcen realisiert wer-

den. Auf diese und andere Fragen sind im

Weißbuch im Teil Zukunft der Bundeswehr

Antworten gefragt.

Die Krisen und Instabilitäten, die sich in

unserer Nachbarschaft in den letzten Mo-

naten entwickelt haben, stellen unser ge-

samtes politisches System vor neue Heraus-

forderungen. Dazu zählt auch die hohe

Zahl der Geflüchteten, die täglich zu Tau-

senden in die Bundesrepublik ungeordnet

aus den Bürgerkriegsgebieten einreisen.

Trotz der praktizierten Willkommenskultur

und des großen Engagement vieler Freiwil-

liger, auch mit Hilfe der Bundeswehr, ver-

setzt die unkoordinierte und scheinbar un-

begrenzte Einreise von Flüchtlingen zu-

nehmend die Gesellschaft in Unruhe. Zu-

nehmend wird der Weg, Millionen Neuan-

kömmlinge zu integrieren und sie so schnell

als möglich in Arbeit zu bringen, als großes

gesellschaftliches Problem bewertet. Es

entsteht in der Bevölkerung der fatale Ein-

druck, die Politik hat kein Konzept, wie sie

auf die Flüchtlingskrise reagieren soll. Re-

gierung und die EU sind gefordert, mög-

lichst schnell gemeinsame zukunftstaugli-

che Lösungen zu finden. Angesichts der

Millionen Flüchtlinge wird einmal mehr die

Notwendigkeit einer glaubwürdigen euro-

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päischen Sicherheits- und Verteidigungs-

politik deutlich.

Mit diesem Newsletter stellen wir Ihnen

wieder interessante Beiträge von kompe-

tenten Referenten für die sicherheitspoliti-

schen Diskussion zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Hans-Joachim Schaprian, Oberst a.D.

Vorsitzender des Arbeitskreises Sicherheit

und Bundeswehr der SPDNRW

Mehr europäische Zusammenarbeit in

der Friedenspolitik

(Über eine Verteidigungsunion zur

Europäischen Armee)

Entwurf der

AG Euro-

päisierung

der Sicher-

heitspolitik

des Forums

Sicherheits-

und Verteidigungspolitik beim SPD

Parteivorstand zur Zukunft einer

europäischen Armee

Die Europäische Union ist gegründet auf

dem Grundverständnis gegenseitiger

Solidarität. Leider ist die Union heute

erkennbar in keinem guten Zustand. Statt

wirklicher Solidarität dominieren vielfach

nationale Egoismen, wie sich beim

Umgang mit der Flüchtlingskrise abermals

deutlich zeigt.

Auch in der Außen-, Friedens- und

Sicherheitspolitik steht Europa vor großen

Problemen, die nur gemeinsam lösbar sind.

Dabei lassen Extremismus in der

Nachbarschaft und Radikalisierung zu

Hause die Grenzen zwischen innerer und

äußerer Sicherheit in der EU

verschwimmen. Statt allein „von Freunden

umzingelt“ zu sein, ist die Union umgeben

von einer Vielzahl von Konflikten, die vom

Mahgreb über das Horn von Afrika, den

Nahen und Mittleren Osten, den Kaukasus,

bis hin zu den Konflikten mit Russland um

Krim und Ostukraine reichen. Bei kaum

einem anderen „Global Player“ scheint die

Sicherheit der strategischen Nach-

barschaft auf derart vielfältige Weise

bedroht wie bei der EU.

Umso beklagenswerter, dass die

Gemeinsame Sicherheits- und

Verteidigungspolitik (GSVP) der EU bereits

seit der Finanz- und Schuldenkrise auf

niedrigem Niveau stagniert. Ein Umstand,

den die EU-Mitgliedstaaten – auch vor

dem Hintergrund teurer Doppelstrukturen

ihrer jeweiligen Armeen und

Veranstaltungshinweise:

28. 11. 2015 Informationsver-

anstaltung des Arbeitskreises

in Köln im Geißbockheim mit

(u.A.) o MdB Wolfgang Hellmich zu

Herausforderungen an die

Sicherheitspolitik,

o MdL Willi Körfgen zu sicher-

heitspolitischen Aspekten

in der Flüchtlingspolitik, o Präsident BBK Christoph

Unger zu Flüchtlingshilfe

und Bevölkerungsschutz

und

o Stv. Vors. BwVerband West

Rudolf Schmelzer zu

Staatsbürgern in Uniform in

einer europäischen Armee

16. 02. 2016 FES: Fachge-

spräch zur Sicherheitspolitik

15. / 16. 04. 2016 GSI: Sicher-

heitspolitische Tagung

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Verteidigungsprogramme sowie sinkender

nationaler Verteidigungshaushalte – nur

noch mühsam kaschieren können.

Doch wenn Europa außenpolitisch auch in

Zukunft eine wichtige Stimme für den

Frieden in der Welt sein möchte,

insbesondere in Zeiten, wo sich die

globalen Kräfteverhältnisse deutlich

verschieben und die Krise der Normalfall ist

– muss die GSVP weiterentwickelt und

gestärkt werden. Denn ohne einen starken

sicherheits- und verteidigungspolitischen

Arm wird die EU ihrem Anspruch nicht

gerecht werden können, im Rahmen eines

umfassenden Ansatzes (Comprehensive

Approach), Friedensmacht zu sein und zu

Konfliktprävention, Krisenbewältigung und

Friedensförderung wirkungsvoll beizu-

tragen.

Aufbauend auf der bisher in weiten Teilen

nationalen Ausrichtung der Sicherheits-

und Verteidigungspolitiken der EU-

Mitgliedstaaten muss die innereuropäische

Zusammenarbeit dringend ausgebaut

werden. Über eine weitergehende

Integration im Bereich der gemeinsamen

Sicherheits- und Verteidigungspolitik sollte

dieser Prozess dann zur Gründung einer

Europäischen Verteidigungsunion führen.

Die Realisierung einer Europäischen

Armee, so wie es auch im Hamburger

Programm der SPD festgeschrieben ist,

bleibt dabei das langfristige Ziel. Jedoch

können und wollen wir, bereits vor dem

Erreichen dieser „konkreten Utopie“ mehr

leisten für die Vertiefung der sicherheits-

und verteidigungspolitischen Zusammen-

arbeit in der EU.

Anknüpfungspunkte dafür bieten jene

Beispiele einer engen Zusammenarbeit, die

in Teilbereichen bereits heute zwischen

den EU-Partnern, zum Teil auch innerhalb

der NATO, bestehen. Zu nennen sind

hierbei die Luftraumüberwachung der

baltischen Staaten, das gemeinsame

Lufttransportkommando, die AWACS-

Flotte, die deutsch-französische Brigade,

das deutsch-niederländische Korps oder

das multinationale Korps in Stettin.

Insgesamt gibt es schon heute 113 solcher

multinationaler Kooperationen im

gemeinsamen Verteidigungsbereich.

Dennoch ist die europäische Außen-,

Friedens- und Sicherheitspolitik noch immer

vielstimmig. Eine Bündelung der Kräfte ist

nötig. Europa braucht einen intensiven

strategischen Dialog über Interessen, Ziele

und Mittel mit dem Anspruch, eine neue

europäische Sicherheitsstrategie, ein

europäisches Weißbuch und gemeinsame

verteidigungspolitische Richtlinien zu

erarbeiten.

Für die Aufwertung und als neue Impulse

für die GSVP sind auch institutionelle

Änderungen erforderlich. Dazu zählt

insbesondere die Schaffung eines

eigenständigen Verteidigungsausschusses

im Europäischen Parlament, eines EU-

Verteidigungskommissars, eines genuinen

Ministerrates für Verteidigungsfragen, eines

zivil-militärischen EU-Hauptquartiers sowie

einer europäischen Führungsakademie.

Wenn wir den Aufbau gemeinsamer

europäischer Streitkräfte betrachten, so gilt

es natürlich auch, die Unterschiede zu

berücksichtigen, die in den nationalen

Führungskulturen oder den sozialen

Strukturen der heutigen Armeen der EU-

Mitgliedstaaten bestehen. Zudem gibt es

Tabubereiche, die als unantastbare

nationale Souveränität zurzeit nicht

verhandelbar sind. Das ist z.B., im Falle

Frankreichs und Englands, die Politik der

nuklearen Abschreckung. Außerdem ist für

Deutschland klar festzuhalten, dass

Wesensmerkmale der Bundeswehr wie das

Prinzip der Inneren Führung sowie der

Parlamentsvorbehalt des Deutschen

Bundestags auch in Zukunft zum

Kernbestand der Bundeswehr zählen.

Diskussionen über eine Stärkung des

Europäischen Parlaments in der

Sicherheits- und Verteidigungspolitik,

eventuell über die zusätzliche Schaffung

eines Europäischen Wehrbeauftragten bis

hin zu einer Europäisierung des

Parlamentsvorbehalts, müssten dann zu

gegebener Zeit intensiv diskutiert werden.

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Daneben gibt es jedoch bereits heute

viele Aufgaben, wo eine verstärkte

Zusammenarbeit bis hin zur Integration

möglich ist. So sind die Möglichkeiten zu

sehen, die zur Weiterentwicklung der

Zusammenarbeit bei der Ausbildung, bei

der Ausrüstung, bei der Logistik, bei der

Nutzung von Waffensystemen und

Geräten, aber auch bei der Durchführung

von Übungen und der Schaffung

gemeinsamer Fähigkeitselemente wie z.B.

bei der Mobilität, Aufklärung und der

Raketenabwehr bestehen. In diesem

Zusammenhang geht es auch darum,

Prioritäten hinsichtlich der zukünftigen

militärischen Fähigkeiten zu setzen, sich auf

Verfahren für „Pooling and Sharing“ zu

einigen und die dazu notwendige

Harmonisierung in der europäischen

wehrtechnischen Industrie voranzutreiben.

Dieser Prozess kann und sollte schließlich in

der Gründung einer Europäischen

Verteidigungsunion münden, die nicht mit

der NATO konkurriert, sondern

komplementär zu ihr agiert und sie ggf.

auch bei der territorialen Verteidigung

unterstützt. Perspektivisch besteht das Ziel

dann darin, diese Zusammenarbeit

beständig weiter auszubauen und eine

Integrationstiefe zu erreichen, die die

Verwirklichung einer Europäischen Armee

ermöglicht.

Diesen Weg werden nicht alle Partner in

der EU unmittelbar beschreiten können

oder wollen. Falls nötig, sollte Deutschland

daher die Zusammenarbeit in der

Sicherheits- und Verteidigungspolitik

vorrangig mit denjenigen Partnern

forcieren, welche die Vision einer

Europäischen Armee bereits heute teilen.

Mit dem Ziel, die GSVP effektiver zu

gestalten, müssen wir hier Initiativen

einleiten, so dass sich bei geringerer

Mittelausstattung ein klarer Mehrwert für

die beteiligten Staaten und die EU

insgesamt ergibt. Die Chancen, die der

Vertrag von Lissabon mit der „Ständigen

Strukturierten Zusammenarbeit“ bereits

heute bietet, müssen wir zur Vertiefung der

verteidigungspolitischen Zusammenarbeit

in der EU nutzen. Der Dreiklang

„Gemeinsam Ausbilden – Gemeinsam

Üben – Gemeinsam Ausrüsten“ kann dabei

für die weitere Wegstrecke ein guter

Leitsatz sein, um „mehr Europa“ zu

erreichen.

Die Zukunft der deutschen Außen- und

Sicherheitspolitik“ Botschafters Dr. Hans-Dieter Lucas,

Ständiger Vertreter der Bundesrepublik

Deutschland im Nordatlantikrat, Brüssel

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Zunächst einmal vielen Dank für die Einla-

dung, hier heute zu

Ihnen im Rahmen

der 11. Petersber-

ger Gespräche aus

der Sicht des AA

über die aktuellen

außen- und sicher-

heitspolitischen

Herausforderungen

sprechen zu dürfen.

Es tut immer wieder

einmal gut, das Brüsseler Biotop zu verlas-

sen. Besonders dann, wenn es auf den

Petersberg geht: einem wahrlich ge-

schichtsträchtigen Ort für deutsche Politik,

vor allem aber für deutsche Außenpolitik.

Die zahlreichen internationalen Konferen-

zen, die hier allein in den vergangenen

Jahren stattgefunden haben, - zu globalen

Klimafragen oder zu sicherheitspolitischen

Themen wie Afghanistan –, diese Konfe-

renzen stehen exemplarisch für die Bemü-

hungen von Diplomatie, sich in Verhand-

lung und im Dialog auf die Suche nach

tragfähigen Kompromissen und gemein-

samen Lösungen zu begeben. -

Angesichts der dramatischen außen- und

sicherheitspolitischen Herausforderungen,

vor denen wir stehen, erscheint dies dring-

licher denn je. Ich kann mich in meinem

langen Berufsleben an keine Zeit erinnern,

in der so viele, so unterschiedliche, so

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komplexe Krisen und Herausforderungen

zeitgleich zusammentrafen wie heute. An-

gesichts des Krisenbogens, der sich vom

nördlichen Afrika, über den wiederauf-

flammenden Nahost-Konflikt, Syrien, Irak bis

zum Ukraine-Russland-Konflikt zieht, ist es

nicht übertrieben, von einem „ring of fire“

zu sprechen, der sich im Süden und Osten

um Europa legt. Die Flüchtlingskrise ist der

sichtbarste Ausdruck und auch Folge die-

ser Entwicklung. Hinzu kommen Konflikte in

der weiteren Nachbarschaft, in der Sahel-

Zone - Stichwort: Mali -, am Horn von Afrika

und im Jemen. Dazu gehört auch Afgha-

nistan mit seinen immer noch ungelösten

Problemen - nicht zu sprechen von globa-

len transnationalen Bedrohungen für unse-

re Sicherheit: Klimawandel, Cybersicher-

heit, hybride Kriegsführung, internationaler

Terrorismus.

Es handelt sich hierbei keinesfalls um eine

Momentaufnahme vorübergehender Kri-

senphänomene. Hier entladen sich Kräfte

und Spannungen einer Welt, in der Ord-

nungsstrukturen an Prägekraft verlieren.

Einer Welt, die zwar im Zeichen der Globa-

lisierung immer enger zusammenwächst,

deren Gegensätze aber zugleich immer

heftiger aufeinanderprallen. Einer Welt, die

sich auch 25 Jahre nach Ende des Kalten

Krieges noch immer auf der Suche nach

einer neuen Ordnungsstruktur befindet.

Deutschland ist von diesen Entwicklungen

unmittelbar betroffen. Mehr noch: die

Flüchtlingskrise zeigt, dass diese Konflikte in

dramatischer Weise in unsere Gesellschaft

hineinwirken. Die Unterscheidung zwischen

innerer und äußerer Sicherheit ver-

schwimmt zusehends. In einer globalisier-

ten Welt gibt es keine entfernten Orte

mehr.

Wir Deutsche spüren dies vielleicht mehr

noch als andere Nationen. Unser Land ist

so vernetzt in und mit der Welt wie kaum

ein zweites Land. Wir sind existenziell auf

eine stabile, regelbasierte, verlässliche in-

ternationale Ordnung angewiesen. Unser

Wohlstand und unsere Sicherheit hängen

entscheidend von einer stabilen Nachbar-

schaft ab, im Osten wie im Süden.

Außen- und sicherheitspolitische Verant-

wortung wahr zu nehmen, ist angesichts

dessen für unser Land keine Frage der

Wahl. Es ist eine schlichte Notwendigkeit,

um die internationale Ordnung zu schützen

und zu stützen, um mit unseren Partnern

Krisen zu verhüten und sie, wenn dies nicht

möglich ist, zu bewältigen. Wenn der Satz

stimmt, wonach die Krise zum Normalfall

geworden ist, dann wird Krisenprävention

und Krisenmanagement, v.a. in unserer

Nachbarschaft, auf lange Sicht einen

Schwerpunkt unserer Außen- und Sicher-

heitspolitik bilden. Dabei sollten wir auch in

Zukunft jene Grundsätze beherzigen, de-

nen wir auch bislang gefolgt sind, und die

zu unserem Bild als ehrlichem Akteur ohne

versteckte Agenda beigetragen haben:

Schwerpunktsetzung auf Dialog auf Au-

genhöhe, auf Kooperation und Kompro-

missfindung, Vorrang von zivilen Maßnah-

men zur Konfliktlösung.

Dieser Ansatz hat sich nicht zuletzt auch im

Ukraine-Russland-Konflikt bewährt. Hier hat

die deutsche Diplomatie entscheidende

Beiträge zum Krisenmanagement geleistet.

Gemeinsam mit Frankreich haben wir

durch die Vereinbarung von Minsk vom

Februar unter schwierigsten Bedingungen

einen diplomatisch-politischen Rahmen

gezimmert, der bis heute die Basis für die

Lösung dieses gefährlichen Konfliktes bie-

tet.

Ich gehörte in jener langen Nacht von

Minsk zur deutschen Verhandlungsdelega-

tion. Uns allen, die wir in Minsk waren, war

damals klar: die Minsker Vereinbarung ist

keineswegs perfekt. Dennoch: ich glaube,

es ist uns damals durch engagierte Diplo-

matie gelungen, eine militärische Eskalati-

on bis hin zu einem veritablen Krieg zu ver-

hindern.

Mehr noch: die Zeichen der Stabilisierung

mehren sich, auch wenn der Prozess stör-

anfällig bleibt. Es ist ermutigend, dass der

Waffenstillstand seit Anfang September

hält und Waffen von der Kontaktlinie ab-

gezogen werden. Jetzt gilt es, möglichst

schnell den Abzug leichter Waffen zu ab-

zuschließen, einen Verifikationsmechanis-

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mus auch für den Abzug der schweren

Waffen zu vereinbaren und die schwieri-

gen politischen Fragen in Angriff zu neh-

men. Der Verzicht der Separatisten auf die

Abhaltung unabgestimmter Kommunal-

wahlen in Donbas ist ein erstes, aber nicht

ausreichendes positives Signal. Wir brau-

chen jetzt eine Vereinbarung über die

Modalitäten für Lokalwahlen in der Ostuk-

raine auf der Grundlage ukrainischen

Rechts und unter Einhaltung der einschlä-

gigen OSZE-Standards. Fortschritte sind

auch in den Bereichen Humanitäres und

Wirtschaft nötig, aber auch möglich. Von

einer dauerhaften Lösung für die Ost-

Ukraine sind wir aber, fürchte ich, noch ein

gutes Stück weit entfernt. Aber gerade

weil so viel auf dem Spiel steht, werden wir

auch in Zukunft mit aller Kraft an der voll-

ständigen Umsetzung der Minsker Verein-

barungen arbeiten. Auch bei der Unter-

stützung dringend notwendiger Reformen

kann die Ukraine auf uns zählen.

In der Ukraine-Krise wurde und wird deut-

lich, dass die europäische Sicherheitsord-

nung durch das Verhalten Russlands in

existenzieller Weise gefährdet ist. Das ist

der größere Kontext, in dem unser Land ab

01.01.2016 den Vorsitz in der OSZE über-

nimmt. Die Entscheidung zur Übernahme

dieser Verantwortung war nicht selbstver-

ständlich. Die OSZE ist eine komplexe Or-

ganisation – und nie zuvor seit Ende des

kalten Krieges gingen die Meinungen über

die Grundlagen europäischer Sicherheit so

weit auseinander. Gleichwohl oder gerade

deswegen haben wir uns für diesen Vorsitz

entschieden – aus Verantwortung für Si-

cherheit und Zusammenarbeit in Europa in

schwieriger Zeit.

Bestimmend bleibt für uns die Vision der

Charta von Paris, die Vision einer gerech-

ten Friedensordnung für ganz Europa, die

auf Zusammenarbeit, Vertrauen und glei-

che Sicherheit, auf der Achtung von De-

mokratie, Rechtsstaat und Menschenrech-

ten beruht. Es ist dies der Gegenentwurf zu

einem Europa der Einflusszonen und der

Rivalitätspolitik. Die Wirklichkeit sieht heute,

25 Jahre nach Unterzeichnung der Charta,

leider anders aus. Russland hat mit seinem

Verhalten die Prinzipien europäischer Si-

cherheit in Frage gestellt, v.a. die territoria-

le Integrität und die Unverletzlichkeit der

Grenzen. Und es hat Vertrauen auf lange

Sicht hin zerstört. Lange wird es dauern,

dieses Vertrauen wieder herzustellen.

Dennoch bleibt die Einsicht richtig, dass

dauerhafte Sicherheit und Stabilität in Eu-

ropa nicht ohne oder gegen Russland zu

haben sind. Deshalb ist die OSZE als einzige

euro-atlantische Organisation, in der Russ-

land gleichberechtigt am Tisch sitzt, so

bedeutsam. Wir sollten sie nutzen und ver-

hindern, dass neue und tiefe Gräben in

Europa entstehen. Ob das gelingt, wird

wesentlich vom weiten Verlauf der Ukrai-

ne-Krise abhängen. Wir müssen sicherstel-

len, dass die OSZE hier weiter eine stabilisie-

rende Wirkung entfalten kann. Die OSZE zu

stärken, heißt auch sie als Plattform für Dia-

log über unterschiedliche Wahrnehmun-

gen und widerstreitende Interessen zu nut-

zen. Das verlangt den regelmäßigen Aus-

tausch von militärischen und politischen

Fachleuten, aber auch zwischen den Zivil-

gesellschaften. Dazu gehört der Versuch,

konventionelle Rüstungskontrolle und mili-

tärische Vertrauensbildung durch mehr

Transparenz wieder zu beleben, so schwie-

rig dies sein mag. Wir sollten ferner versu-

chen, gemeinsame Interessen in grenz-

überschreitenden Bereichen wie Umwelt

und Wirtschaft nutzbar zu machen.

„Konnektivität“ im großen OSZE-Raum ist

eines der zukunftsweisenden Stichworte.

Dabei geht es darum, die Länder im Raum

vom Atlantik bis zum Pazifik durch prakti-

sche Zusammenarbeit stärker miteinander

zu vernetzen und so Stabilität zu fördern.

Die Perspektive einer gesamteuropäischen

Infrastruktur, Ausbau der Transportwege,

bessere Grenz- und Zollverfahren – all dies

sind Bereiche, die für Investitionen, Wachs-

tum und Arbeitsplätze im Raum vom Atlan-

tik bis zum Pazifik entscheidend sind. Aber

eben auch für ein besseres Verständnis

gemeinsamer Interessen und gemeinsamer

Sicherheit. Hier liegt ein weites, nicht einfa-

ches Feld für den deutschen OSZE-Vorsitz.

Dies gilt auch für den wichtigen Bereich

der sogenannten menschlichen Dimension

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der OSZE mit den Kernthemen Menschen-

reche und Grundfreiheiten.

Meine Damen und Herren,

Manchmal muss man das tun: eine Aufga-

be übernehmen entgegen aller verbreite-

ten Skepsis gegenüber internationalen

Verhandlungsprozessen. Selten genug ge-

lingt es aber eben doch, den Gegenbe-

weis anzutreten. Dass Beharrlichkeit in der

Diplomatie nicht nur ein Feigenblatt für

Ohnmacht ist, haben zuletzt die Verhand-

lungen über ein tragfähiges Übereinkom-

men über das iranische Nuklearprogramm

gezeigt.

Nach 12-jährigen Verhandlungen ist es

gelungen, eine politische Lösung für einen

Konflikt zu finden, der die Welt mehrfach

hart an den Rand einer militärischen Aus-

einandersetzung gebracht hat. Entgegen

mancher Skepsis wird die Vereinbarung ein

Mehr an Sicherheit für die Region bringen.

Sie schließt einen Griff Teherans nach der

Atombombe langfristig und nachprüfbar

aus. Und nicht nur das. Die Einigung hat

auch bewiesen, dass selbst in tief sitzen-

den, komplexen Konflikten, die von Miss-

trauen und Feindschaft überlagert werden,

eine Lösung möglich ist. Für mich als deut-

schen Verhandlungsführer auf Beamten-

ebene ist die Lehre aus diesen vieljährigen

Verhandlungen klar: gute Diplomatie ist

weit mehr als nur Worte; man kann durch

kluges, geduldiges Verhandeln schließlich

auch scheinbar unlösbare Fragen lösen,

wenn es einen entsprechenden politischen

Willen gibt und die Rahmenbedingungen

stimmen.

Natürlich hat das Nuklearabkommen die

Politik des Iran nicht über Nacht geändert.

Wir machen uns keine Illusionen über die

Rolle des Iran in Syrien, bei der Unterstüt-

zung der Hisbollah im Libanon oder konfes-

sioneller Milizen im Irak – und wir nehmen

die Sorgen Israels und die Sorgen der

Golfstaaten sehr ernst. Diese Probleme sind

durch ein Atom-Abkommen nicht über

Nacht zu lösen. Aber es kann vielleicht der

Diplomatie Wege öffnen, die über Jahre

nicht gangbar waren.

Meine Damen und Herren,

In Syrien, nach 5 Jahren Bürgerkrieg, mehr

als 250.000 Toten, mehr als 12 Millionen

Vertriebenen, stehen wir in der Pflicht die-

sen blutigen Konflikt wenigstens zu ent-

schärfen und die humanitäre Lage erträg-

licher zu machen. Wir setzen uns für eine

politische Lösung des Konflikts ein. Das

schulden wir den leidenden Menschen in

Syrien, - und nur durch einen politischen

Prozess werden wir letztlich auch die Ursa-

chen der Fluchtbewegungen in den Griff

bekommen können. Die Suche nach einer

Lösung ist mit dem militärischen Eingreifen

Russlands allerdings nicht einfacher ge-

worden. Im Gegenteil: es steht zu befürch-

ten, dass die Fluchtbewegungen als Folge

der russischen Militäraktionen noch zu-

nehmen. Und angesichts der Unterstützung

durch Russland dürfte sich das Interesse

Assads an einem politischen Prozess, an

Gesprächen mit der moderaten Oppositi-

on kaum erhöhen.

Klar ist: Russland ist Teil der Probleme, - es

ist aber auch Teil der Lösung in Syrien. Des-

halb brauchen wir Moskaus Engagement

an einem Verhandlungstisch, an dem alle

wesentlichen Spieler sitzen, die USA, Russ-

land, Europa, vor allem die regionalen

Akteure: die Nachbarstaaten Syriens in der

Region, namentlich die Türkei, Saudi-

Arabien und den Iran.

Einen solchen Prozess gemeinsam mit un-

seren Partnern wie den USA zu fördern, ist

ein Hauptanliegen der deutschen Außen-

politik. Dialogfäden zu knüpfen, war das

Ziel der Reise von Außenminister Steinmeier

am vergangenen Wochenende in den

Iran und nach Saudi-Arabien; zeitgleich

war die Bundeskanzlerin in der Türkei, ei-

nem Schlüsselland für die Bewältigung der

Syrien- und der Flüchtlingskrise. Es ging und

geht darum, gemeinsame Interessen als

Ausgangspunkt für einen politischen Pro-

zess zu identifizieren, wie etwa das gemein-

same Interesse dieser Staaten und Euro-

pas, die territoriale Integrität Syriens zu er-

halten oder die Bekämpfung des IS. Und

konkret müssen wir – auch um weiterer

Massenflucht entgegenzuwirken - weiter

daran arbeiten, dass zumindest der Einsatz

von Fassbomben gestoppt und sichere

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Zugänge zur humanitären Versorgung der

Bevölkerung gewährleistet werden. Das

möglich zu machen, ist auch die besonde-

re Verantwortung Moskaus und Teherans

mit ihren Zugängen zur syrischen Führung.

Der Weg zu einer Lösung der Syrien-Krise ist

weit und beschwerlich. Das hat auch das

Wiener AM-Treffen leider deutlich ge-

macht. Hier zeigt sich erneut, was Willy

Brandt einmal ohne jedes Pathos als eine

Kern-Aufgabe von Außenpolitik beschrie-

ben hat: „das illusionsfreie Bemühen, zur

Lösung von Konflikten beizutragen“.

Meine Damen und Herren,

Die genannten Beispiele zeigen: ange-

sichts der Herausforderungen, vor denen

wir stehen, kann Deutschland eine gestal-

tende Rolle nur gemeinsam mit seinen

Partnern und im Rahmen der EU, der

NATO, den Vereinen Nationen und der

OSZE - übernehmen, um Krisen in unserer

Nachbarschaft zu bewältigen und globale

Ordnung zu festigen.

Unser zentraler Bezugspunkt ist dabei Euro-

pa – nur „in und durch Europa“ können wir

etwas erreichen: Es kann keine wirksame

deutsche Außenpolitik ohne wirksame eu-

ropäische Außenpolitik geben. In der Ukra-

ine-Krise hat die EU zu Einheit gefunden.

Dennoch: Europa braucht eine klarere

Vision seiner außen- und sicherheitspoliti-

schen Ziele und der Instrumente, um diese

Ziele zu erreichen. Das gilt umso mehr in

einer Zeit, in der angesichts Euro- und

Flüchtlingskrise die zentrifugalen und euro-

pakritischen Kräfte in der EU immer stärker

werden.

Im kommenden Jahr wird die Hohe Beauf-

tragte der EU für Außen- und Sicherheitspo-

litik, Mogherini, eine neue globale Sicher-

heitsstrategie für die EU vorlegen. Wir un-

terstützen dieses wichtige Vorhaben

nachdrücklich; eine solche Strategie muss

einen konzeptionellen Rahmen für die ge-

meinsame Außen- und Sicherheitspolitik

der EU entwickeln und sie muss die Prioritä-

ten und Ziele für die EU klar und realistisch

benennen. Zugleich müssen wir die ge-

meinsame Sicherheits- und Verteidigungs-

politik der EU weiter konkret stärken, damit

die EU ihrer wachsenden Verantwortung

für Sicherheit und Stabilität v.a. in ihrer

Nachbarschaft gerecht werden kann –

zumal in einer Phase, in der die Bereitschaft

der USA zu großangelegten Krisenma-

nagement–Operationen an der europäi-

schen Peripherie nachlassen dürfte. GSVP

stärken heißt deshalb zunächst, die not-

wendigen Kräfte für zivile und militärische

Krisenmanagement-Missionen der EU be-

reit zu stellen. Deutschland leistet zu fast all

diesen Missionen substanzielle Beiträge –

auch in Afrika, etwa in Mali, das bis vor

kurzem in dieser Hinsicht für uns terra in-

cognito war. Beteiligt ist Deutschland auch

an der maritimen Operation der EU zur

Bekämpfung der Schleuser im Mittelmeer.

GSVP stärken heißt schließlich auch, unsere

Partner – etwa die Afrikanische Union - zu

einer besseren und eigenständigen Krisen-

prävention und -bewältigung zu befähi-

gen. Schließlich: die Flüchtlingskrise zeigt,

dass wir auch beim Schutz der Außengren-

zen der EU bereit sein müssen, neue Wege

zu gehen.

Meine Damen und Herren,

Viele von Ihnen kennen sicherlich die Zent-

rale des Auswärtigen Amtes am Werder-

schen Markt in Berlin – und vielleicht auch

den Seiltänzer, der dort als Skulptur und

Kunst-am-Bau zwischen zwei Gebäudetei-

len balanciert. Er versinnbildlicht den Ba-

lance-Akt, den auch Außen- und Sicher-

heitspolitik immer wieder zu vollziehen hat:

die ständige Suche nach Gleichgewicht

zwischen kurz- und langfristigen Zielen, zwi-

schen konkurrierenden Interessen, manch-

mal auch zwischen innen- und außenpoliti-

schen Perspektiven.

Wie sehr es darauf ankommt, habe ich

während der schwierigen Verhandlungen

über das iranische Nuklearprogramm und

während der Ukraine-Krise erlebt. Auch auf

meinem neuen Posten als Botschafter bei

der NATO wird es auf diese Balance an-

kommen. Die Allianz steht vor enormen

Herausforderungen. Bei ihrem nächsten

Gipfeltreffen in Warschau im Juli nächsten

Jahres wird sie, 2 Jahre nach dem Gipfel in

Wales, schwierige Fragen beantworten

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müssen: reichen ihre Fähigkeiten zur Ab-

schreckung aus; wie steht es mit ihrem

Verhältnis zu Russland; welchen Beitrag

kann sie leisten, um die Herausforderungen

an der südlichen Peripherie zu bewältigen?

Die Diskussion in der Allianz um die Antwor-

ten auf diese Fragen wird nicht einfach

sein. Umso wichtiger wird es sein, die Ge-

schlossenheit der Allianz als wichtigste Vo-

raussetzung und Stärke zu bewahren. An-

gesichts der Infragestellung der europäi-

schen Sicherheitsordnung durch Russland

sind die Besorgnisse gerade unserer östli-

chen Partner verständlicherweise beson-

ders groß. Und unsere südlichen Partner

fordern, dass die Allianz auch die Bedro-

hungen aus dem Süden in den Blick nimmt.

Wir müssen diese Sorgen ernst nehmen –

und tun dies auch. Wie sich die Bundesre-

publik Deutschland im Kalten Krieg des

Beistands ihrer Alliierten sicher sein konnte,

so sagen wir heute unseren östlichen und

südlichen Alliierten: Eure Sorgen sind auch

unsere Sorgen, Eure Sicherheit ist auch

unsere Sicherheit. Auf diesem Fundament

gegenseitiger Solidarität, „28 für 28“, mit

einer 360°Grad-Perspektive, ruht das

Nordatlantische Bündnis und auch die

deutsche Sicherheitspolitik. Wir sind nicht

nur ein Partner mit gleichen Rechten, son-

dern auch mit gleichen Pflichten!

Dass wir es mit diesem Bekenntnis ernst

meinen, zeigen wir auf vielfältige Weise:

durch unsere gemeinsam mit den Nieder-

landen und Norwegen übernommene

„Pionierrolle“ bei der Aufstellung der neuen

Schnellen Eingreiftruppe im Rahmen des

auf dem Gipfel in Wales beschlossenen

„Readiness Action Plans“, durch unsere

rotierenden Beiträge und Präsenzen zu

Wasser, zu Land und zu Luft im östlichen

Bündnisgebiet, oder auch durch die Auf-

wertung des Multinationalen Korps-

Hauptquartiers Nordost in Stettin zur Dreh-

scheibe für alle Artikel 5-bezogenen Aktivi-

täten des Bündnisses im Baltikum und in

Polen – um nur ein paar Beispiele zu nen-

nen. Diese deutschen Beiträge werden

von unseren Bündnispartnern hoch ge-

schätzt.

Sie zeigen: Die Kollektive Verteidigung

rückt wieder in den Fokus der Allianz, und

zwar nicht nur im östlichen Bündnisgebiet,

sondern auch mit Blick auf den südlichen

Krisenbogen. Wir haben allerdings auch

deutlich gemacht, dass wir ungeachtet

der neuen Schwerpunktsetzung auf kollek-

tive Verteidigung unsere Verantwortung

auch in Afghanistan weiter wahrnehmen

werden. Weder Afghanistan noch der Re-

gion noch der Glaubwürdigkeit des Bünd-

nisses wäre gedient, wenn wir hier „unfinis-

hed“ business zurücklassen und dieses

Land vorzeitig sich selbst überlassen wür-

den.

Meine Damen und Herren,

Kollektive Verteidigung und internationales

Krisenmanagement allein können nicht die

erschöpfende Antwort des Bündnisses auf

die Bedrohungen unserer Sicherheit sein.

Deshalb ist und bleibt die Kooperative Si-

cherheit eine dritte Kernaufgabe der

NATO! Das gilt auch mit Blick auf Russland

– auch wenn kurzfristige Erfolge hier nicht

wahrscheinlich sind.

Denn: so sehr wir uns eine Rückkehr zu ei-

nem partnerschaftlichen Verhältnis mit

Russland wünschen – wie wir es in der

NATO-Russland Grundakte von 1997 ange-

legt haben –, so realistisch sollten wir sein:

Die Wiederherstellung partnerschaftlicher

Beziehungen wird nach Lage der Dinge

kein Hundertmeter-Sprint, sondern eher ein

Marathon – umso klüger müssen wir daher

für diese Strecke planen. Dazu gehört

nach unserer Einschätzung auch, den

NATO-Russland-Rat auf Botschafterebene

für den Dialog mit Russland zu nutzen. Ko-

operative Sicherheit heißt schließlich auch,

dass sich das Bündnis zu konventioneller

Abrüstung und Rüstungskontrolle, sowie

zum langfristigen Ziel einer nuklearfreien

Welt und zu nuklearer Abrüstung bekennt –

auch wenn hier kurzfristige Erfolge nicht

möglich sein werden.

Im Kern wird es also in den kommenden

Jahren darauf ankommen, ausreichende

Verteidigungsfähigkeit einerseits mit Dialog

und Engagement mit Russland andererseits

zu verbinden. Sicherheit ist eben die Sum-

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me aus beidem: Verteidigungsfähigkeit

und politischem Dialog.

Meine Damen und Herren,

Unverkennbar ist unser Land in nur weni-

gen Jahren in eine wesentlich aktivere,

mitgestaltende außen- und sicherheitspoli-

tische Rolle hineingewachsen. Wer eine

solche Rolle übernimmt, muss dies auch

kommunizieren.

Deshalb müssen wir gegenüber unseren

Partnern für unsere auf Dialog und Ver-

handlungen ausgerichteten Ansatz wer-

ben. Und wir dürfen auch weiterhin nicht

der Versuchung erliegen, nur weil Washing-

ton, Moskau und Peking sich direkt an Ber-

lin wenden, uns zu überschätzen, in Allein-

gänge zu verfallen und unseren europäi-

schen Reflex zu vernachlässigen. Das wäre

vermessen und auch wenig erfolgverspre-

chend.

In Deutschland müssen wir zeigen, dass wir

diesen Balance-Akt bewältigen, dass Dip-

lomatie sich lohnt – wie etwa im Fall Iran –,

ohne dabei unsere Möglichkeiten zu über-

schätzen und ohne falsche Erwartungen zu

schüren. Wir müssen auch erklären, dass

Außen- und Sicherheitspolitik sich nicht in

einem Schwarz-Weiß-Schema bewegt,

dass es einfache Antworten nicht gibt – oft

stehen wir nicht vor einer richtigen und

einer falschen Entscheidung, sondern müs-

sen uns zwischen einer schlechten und

einer weniger schlechten Alternative ent-

scheiden.

Wir müssen versuchen, diese schwierigen

Entscheidungen, wie zum Beispiel im ver-

gangenen Jahr die Frage der Waffenliefe-

rungen und die Ausbildungshilfe für die

Kurden im Nordirak im Rahmen der inter-

nationalen Koalition gegen den Islami-

schen Staat, so transparent und offen wie

möglich, zu kommunizieren. Und wir müs-

sen zeigen, dass wir uns diese komplexen

Abwägungsprozesse nicht einfach ma-

chen. Ich habe nur über einen Ausschnitt

der gegenwärtigen außen- und sicher-

heitspolitischen Herausforderung gespro-

chen. Die Liste an Problemen ist – leider –

noch länger. Außen- und Sicherheitspolitik

hat also Konjunktur. Das heißt: wir müssen

bereit sein, hierfür die nötigen Ressourcen,

materiell wie finanziell bereit zu stellen und

mehr in Außen- und Sicherheitspolitik inves-

tieren. Lösungen wird es nur multilateral,

europäisch oder gar nicht geben. Schließ-

lich: bei all dem, was wir außen- und si-

cherheitspolitisch tun, gilt es immer wieder

die Prinzipien im Blick zu haben, denen wir

uns im GG, in der EU, OSZE und der UNO

verpflichtet wissen: Menschenrechte,

Rechtsstaat, Demokratie. Das deutlich zu

machen, ist gerade angesichts jener Kräf-

te, die diese Prinzipien in unterschiedlicher

Weise in Frage stellen, erforderlich.

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer der

Petersberger Gespräche,

Außenminister Steinmeier hat im vergan-

genen Jahr mit Review 2014 – Außenpolitik

weiterdenken - einen Prozess gestartet, mit

dem Ziel außenpolitische Themen in

Deutschland stärker zu diskutieren und das

Bewusstsein für unsere globale Vernetzung

und Rolle zu schärfen. Wir haben on- und

offline, in vielen Veranstaltungen mit Exper-

ten, Journalisten, Vertretern der organisier-

ten Zivilgesellschaft, mit Bürgerinnen und

Bürgern spannende und zum Teil auch sehr

kontroverse Debatten geführt über die

Schwerpunkte, Perspektiven und Instru-

mente der deutschen Außenpolitik. Solch

ein Prozess war dringend notwendig, ge-

rade vor dem Hintergrund der krisenhaften

Entwicklungen in unserer direkten Nach-

barschaft.

Das Auswärtige Amt wird diesen Prozess

deshalb fortsetzen.

Und ich begrüße es sehr, dass der aktuelle

Weißbuchprozess ebenfalls öffentliche

Konsultationen beinhaltet; auch zur Euro-

päischen Sicherheitsstrategie hat die Hohe

Vertreterin Bürgerdialoge angekündigt.

Diese Prozesse sind wichtig zur außen- und

sicherheitspolitischen Selbstvergewisserung

Deutschlands und Europas.

Lassen Sie mich daher zum Abschluss be-

tonen: Veranstaltungen wie die Petersber-

ger Gespräche tragen entscheidend dazu

bei, diese enorm wichtige Debatte fortzu-

führen – und in die Zivilgesellschaft hinein-

zutragen. Heute ist so deutlich spürbar wie

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lange nicht mehr: Außen- und Sicherheits-

politik betrifft alle und geht alle an. Des-

halb ist ein möglichst breiter gesellschaftli-

cher Austausch über Schlüsselfragen unse-

rer Außen-, Sicherheits- und Verteidigungs-

politik eine Grundvoraussetzung dafür,

dass unser Land auch in

Zukunft gestaltungs- und handlungsfähig

bleibt, um Verantwortung für Frieden und

Sicherheit zu übernehmen. In diesem Sinne

wünsche ich dieser Runde der Petersber-

ger Gespräche spannende und fruchtbare

Debatten.

Vielen Dank!

Friedenspolitische Leitlinien – das Ge-

bot der Stunde

Ines-Jacqueline Werkner

Beginnen möchte

ich mit einem Zi-

tat, das sehr tref-

fend die Grund-

problematik be-

schreibt, wenn um

die Ausrichtung

der deutschen

Außen- und Si-

cherheitspolitik

debattiert wird:

„Sicherheit ist der zentrale Wertbegriff un-

serer Gesellschaft. Das war nicht immer so.

Noch vor wenigen Jahren konkurrierten die

Begriffe „Sicherheit“ und „Frieden“ um den

Vorrang in Strategiedebatten und Partei-

programmen. Heute ist „Sicherheit“ der

Goldstandard nationaler und internationa-

ler Politik, und vom Frieden wird fast nur

noch in politischen Sonntagsreden ge-

sprochen.“1

Der Sicherheitsbegriff wird immer weiter

gefasst:

von seinem Referenzrahmen her: von der

nationalen zur menschlichen Sicherheit;

inhaltlich: von der militärischen zur wirt-

schaftlichen und ökologischen, mittlerweile

auch zur humanitären Sicherheit;

bzgl. der Gefahrendimension: von der

Bedrohungsabwehr zur Risikovorsorge,

womit Unsicherheiten auf Ungewissheiten

ausgeweitet werden, und

geografisch: von der territorialen zur

globalen Sicherheit.2

Sicherheit ist berechtigt, auch notwendig,

aber noch kein Frieden. Frieden umfasst

mehr, insbesondere beinhaltet er eine an-

dere Perspektive. Eine deutsche Außen-

und Sicherheitspolitik mit dem Ziel, dem

Frieden in der Welt zu dienen, wird sich

daran messen lassen müssen, inwieweit es

ihr gelingt, ressortübergreifend und nach-

haltig Prozesse zu befördern, die Men-

schen vor Gewalt schützen, Freiheit för-

dern, Not abbauen und kulturelle Vielfalt

anerkennen.3

Was bedeutet dies für den Weißbuchpro-

zess? – Dies möchte ich entlang von sechs

Thesen4 kurz und auch nur stichpunktartig

vorstellen:

1 Daase, Christopher (2010): Wandel der Sicher-

heitskultur, in: Aus Politik und Zeitgeschichte,

50/2010, S. 9. 2 Vgl. ebd.

3 Diese vier Dimensionen des Friedens sind ausge-

führt bei Senghaas, Dieter und Eva (1992): Si vis

pacem para pacem. Überlegungen zu einem zeitge-

mäßen Friedenskonzept, in: Leviathan, 20/2, S.

230-251, und in die Friedensdenkschrift der EKD

(2007) übernommen worden. 4 Zu den Thesen vgl. Kursawe, Janet/Johannsen,

Margret/Baumgart-Ochse, Claudia/von Boemcken,

Marc/Werkner, Ines-Jacqueline (2015): Stellung-

nahme der Herausgeber und Herausgeberinnen:

Aktuelle Entwicklungen und Empfehlungen, in:

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1. Ein Weißbuch allein aus einer Sicherheitslo-

gik heraus zu formulieren greift zu kurz. Ziel-

perspektive und Referenzrahmen muss der

Frieden sein.

Benötigt werden friedenspolitische Leitli-

nien für das gesamte Regierungshandeln.

Ein Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur

Zukunft der Bundeswehr kann nicht der Ort

dafür sein und wäre mit dieser Aufgabe

auch überfordert. Aber der Referenzrah-

men, innerhalb dessen die Zukunft der

Bundeswehr bestimmt wird, muss bekannt

sein. Was sind unsere friedenspolitischen

Ziele? Welche friedenspolitischen Strate-

gien verfolgen wir? Wie buchstabieren wir

diese aus? All das hat die Politik bislang

versäumt, näher zu bestimmen.

2. Der Stellenwert militärischer Mittel in der

deutschen Außenpolitik ist grundsätzlich zu

debattieren.

Die Beurteilung von Militärausgaben und

Beschaffungsvorhaben allein nach Effi-

zienzgesichtspunkten – wie beispielsweise

bei der Debatte um das Sturmgewehr G36

– stellt eine verkürzte Perspektive dar. Viel

wichtiger ist die Frage, inwieweit eine Ver-

besserung der Einsatzbereitschaft der Bun-

deswehr eine sinnvolle Antwort auf die

aktuellen Krisen und Konflikte darstellt. D.h.

ressortübergreifend gedacht: Wo ist wel-

cher Akteur für welche Zielsetzung geeig-

net? Und für welche Aufgabe ist die Bun-

deswehr das geeignete Instrument?

Dabei darf das Militär auch nicht in die

Verfügbarkeitsfalle laufen. Mit militärischer

Dies. (Hrsg.): Friedensgutachten 2015. Münster:

LIT, S. 1-30; EKD (2015): Am gerechten Frieden

orientieren. Evangelische Perspektiven auf die

deutsche Außen- und Sicherheitspolitik. Eckpunkte

zum Weißbuch 2916. Hannover; sowie Hauswedell,

Corinna (2014): Comprehensive Approach – ein

Auslaufmodell? Die fragwürdige Geschichte erwei-

terter Sicherheit, in: Die Friedens-Warte, 3-4/2014.

Gewalt lässt sich kein Frieden erreichen. Im

besten Fall kann ein militärischer Einsatz der

Politik die notwendige Zeit und den Raum

dafür schaffen, friedensschaffende bzw. -

fördernde Maßnahmen auf den Weg zu

bringen. Wenn das Militär häufig das äu-

ßerste Mittel zu sein scheint, dann vielleicht

auch deshalb, weil es versäumt wurde,

zivile und gewaltfreie Methoden und In-

strumente der Konfliktbearbeitung zu ent-

wickeln. Hier besteht durchaus Potenzial,

die ultima ratio zu verschieben.

3. Der Vorrang des Zivilen muss klar benannt

werden.

… und zwar über die Betonung des Ansat-

zes der vernetzten Sicherheit hinaus. Dazu

gehört auch eine Absage an militarisierte

Formen der Konfliktbearbeitung. Die De-

batte um die internationale Schutzverant-

wortung darf nicht auf ihre militärische

Komponente verkürzt werden und als Ar-

gument dienen, ausländische Autokraten

zu ertüchtigen oder nichtstaatliche Akteu-

re zu bewaffnen. Denn Schutzverantwor-

tung ist vorrangig präventiv und zivil zu

denken.

4. Eine neue Ausrichtung der Sicherheitspolitik

und der Bundeswehr setzt Evaluationen

der bisherigen Strategien und Einsätze vo-

raus.

Das Konzept der vernetzten Sicherheit –

des Comprehensive Approach – scheint

unumstritten. Aber inwieweit führt dieser

Ansatz, der in der Praxis in der Regel durch

eine Dominanz des Militärischen gegen-

über den zivilen Komponenten bestimmt

ist, im Hinblick auf eine nachhaltige Frie-

densförderung und Konflikttransformation

ggf. nicht auch zu kontraproduktiven Re-

sultaten? Dabei geht es nicht nur um die

Frage, inwieweit bei Missionen überhaupt

militärische Mittel das geeignete Instru-

ment darstellen, sondern vor allem auch,

ob diese in Verbindung mit Elementen zivi-

ler Krisenintervention zielführend sind. Denn

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„die Delegitimierung von Gewalt bleibt die

elementare Norm jeglicher zivilen Konflikt-

arbeit“5, mit der sich häufig erst die not-

wendige Akzeptanz schaffen lasse. Nötig

sind hier vor allem ressortübergreifende

Evaluationen. Diese gibt es bislang nicht,

auch nicht für den Afghanistaneinsatz.

5. Frieden beinhaltet nachhaltige Entwick-

lung.

Mit der Zustimmung zur neuen globalen

Entwicklungsagenda der Vereinten Natio-

nen, den Sustainable Development Goals

(SDGs), und den dort aufgenommenen

Friedenszielen stellt sich Deutschland der

Verantwortung, einen umfassenden Rah-

men für eine nachhaltige Entwicklung zu

schaffen. Frieden, Gerechtigkeit und

nachhaltige Entwicklung finden sich dort in

einem unauflösbaren Zusammenhang. Das

justiert Diskurse neu und stellt eine ressort-

übergreifende Aufgabe und Herausforde-

rung dar. Die sicherheitspolitische Konzep-

tion im Weißbuch ist diesem Politikziel ent-

sprechend anzupassen.

6. Das Weißbuch muss auch Ordnungsfragen

thematisieren.

Was ist eine dem Friedenskonzept förderli-

che Ordnung? Gerade angesichts des

angespannten Verhältnisses zu Russland –

sei es aufgrund des Ukrainekonfliktes oder

der gegenwärtigen Russlandpolitik in Syrien

– stellt sich diese Frage wieder neu. Not-

wendig ist ein Umdenken. Sicherheit ist, will

sie friedensverträglich sein, gemeinsam

und nicht gegeneinander zu konzipieren.

Hier kann Deutschland 2016 wichtige Im-

pulse setzen: mit seinem neuen Weißbuch,

mit seinem Vorsitz in der OSZE sowie in der

Debatte um eine neue europäische Si-

cherheitsstrategie.

5 Hauswedell, Corinna (2013): Frieden ohne Primat.

Der Irrweg deutscher Außenpolitik, in: Blätter für

deutsche und internationale Politik, 7/2013, S. 80.

Landtag von Nordrhein-Westfalen wür-

digt 60 Jahre Bundeswehr MdL Thomas Marquardt

Auch wenn der

Landtag von Nord-

rhein-Westfalen

keine sicherheits-

und außenpoliti-

schen Entscheidun-

gen zu treffen hat,

gibt es doch zahl-

reiche Anknüp-

fungspunkte zwi-

schen dem Land

und der Bundeswehr: So gibt es landesweit

zahlreiche Konversionsprojekte ehemaliger

militärischer Liegenschaften, die unmittel-

baren Einfluss auf landes- und kommunal

politische Aufgaben haben. Jüngste Her-

ausforderung auf diesem Gebiet stellt der

Abzug der britischen Streitkräfte aus zahl-

reichen Garnisonen dar. Frei gezogene

Kasernen werden von Stadt und Land im

Zuge der Flüchtlingsaufnahme wegen der

meist sehr gut geeigneten Infrastruktur mit

Vorrang belegt. Das ist richtig und wichtig

für unser Land!

Vor einigen Monaten hat das Land nach

einer vorangegangenen Debatte im Land-

tag die Patenschaft zur "Fregatte Nord-

rhein Westfalen" übernommen. Ministerprä-

sidentin Hannelore Kraft vollzog die Taufe

vor zahlreichen geladenen Gästen in einer

feierlichen Zeremonie auf der Werft von

"Blohm&Voss" im Hamburger Hafen. Im

Landtag hat sich hierzu ein überparteili-

cher parlamentarischer Freundeskreis ge-

gründet, der die Patenschaft zu den Besat-

zungen der Fregatte mit Leben füllen wird.

Neue Mitglieder sind jederzeit herzlich will-

kommen.

Ca. 25.000 Bundeswehrangehörige verse-

hen ihren Dienst im größten Bundesland.

Der vorbildliche Einsatz und die unermüdli-

che Arbeit der Soldatinnen und Soldaten,

der zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

und der Reservistinnen und Reservisten

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wurde am 30.September anlässlich des 60

jährigen Bestehens der Bundeswehr mit

einer "Parlamentarischen Begegnung mit

der Bundeswehr" im Düsseldorfer Landtag

feierlich gewürdigt. Die Idee zu dieser Ver-

anstaltung wurde vor mehr als einem Jahr

bei einem Gespräch zwischen dem Lan-

desvorsitzenden des Deutschen Bundes-

wehrverbandes, Herrn OTL Thomas Sohst

und seinem Stellvertreter, Herrn OSFw Ru-

dolf Schmelzer sowie den SPD Landtags-

abgeordneten Thomas Marquardt und

Falk Heinrichs ins Leben gerufen. Bei zahl-

reichen nachfolgenden Besprechungen

wurden zunächst das Landeskommando

NRW und Mitarbeiter der Landtagsverwal-

tung NRW und der Staatskanzlei in die Ge-

spräche miteinbezogen und ein gemein-

sames Konzept beraten. Schließlich wur-

den auch die Bundeswehrbeauftragten

der im Landtag vertretenen Fraktionen von

Bündnis 90/ Die Grünen, von CDU und FDP

mit eingebunden. Leider verweigerte die

Piratenfraktion die Zusammenarbeit. Man

verständigte sich schließlich auf einen ge-

meinsamen Antrag der vier Fraktionen, der

am 30.09.15 im Parlament eingebracht,

beraten und direkt im Beisein zahlreicher

Bundeswehrangehöriger auf den Tribünen

des Landtages verabschiedet wurde. Die

Debatte verlief unerwartet emotional. So

konnte der Abgeordnete Martin Sebastian

Abel, der Redner von Bündnis 90 /Die Grü-

nen auf seine Übersiedlung aus den neuen

Bundesländern zusammen mit seiner allein

erziehenden Mutter Anfang der 90er Jahre

verweisen und erinnerte am Rednerpult

des Landtages an die vorbildliche Unter-

stützung durch die Bundeswehr. Seine Mut-

ter und ein Stabsfeldwebel der aufneh-

menden Einheit saßen nebeneinander auf

der Zuschauertribüne. Hauptmann und

Abgeordneter Jens Peter Nettekoven

(CDU) verwies in einer sehr emotionalen

und anrührenden Rede auf seine Erfah-

rungen im Afghanistan Einsatz und an die

Belastungen der Familienangehörigen in

der Heimat. Insgesamt war dies eine De-

batte, die beeindruckend geschlossen und

von großer Gemeinsamkeit geprägt war.

Innenminister Ralf Jäger konnte als Vertre-

ter der Landesregierung abschließend die

Gemeinsamkeiten noch einmal unterstrei-

chen.

Im Anschluss an die Debatte erfolgte im

Landtagsrestaurant eine formale Würdi-

gung des 60 jährigen Bundeswehrbeste-

hens vor zahlreichen geladenen Ehrengäs-

ten und Vertretern der Bundeswehr aus

fast allen Bundeswehrstandorten in NRW.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und

Landtagspräsidentin Carina Gödecke be-

tonten in ihren Ansprachen die besondere

Bedeutung der Bundeswehr für NRW. Sie

bedankten sich für den Einsatz und die 6o

jährige Zusammenarbeit zum Wohle der

Menschen in unserem Bundesland. Für die

Bundeswehr unterstrich der Kommandeur

des Landeskommandos NRW, Brigadege-

neral Peter Gorgels die Anbindung zum

Bundesland und erinnerte dabei auch an

die Unterstützung bei zahlreichen Scha-

densereignissen.

Anschließend wurde im Foyer des Landta-

ges zu einem Umtrunk geladen, bei dem

sich die vielen Hundert Gäste austauschen

und miteinander ins Gespräch kommen

konnten. Dabei bestand die Möglichkeit,

sich in einer Ausstellung im Foyer mit den

Garnisonen und Truppenteilen des Landes

vertraut zu machen. Abgerundet und be-

endet wurde die gelungene Veranstaltung

mit einem Platzkonzert des Ausbildungsmu-

sikkorps vor dem Landtagsgebäude. Es

wurden Märsche aus allen Regionen des

Landes gespielt. Alle Beteiligten waren sich

einig, dass die Gemeinsamkeiten des Lan-

des mit "seinen Soldatinnen und Soldaten"

in hervorragender Weise durch diese par-

lamentarische Begegnung mit der Bun-

deswehr gestärkt und die Arbeit der Men-

schen in der Bundeswehr in einem anspre-

chenden und würdigen Rahmen beson-

ders herausgestellt worden war.

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Impressum: Hans-Joachim Schaprian (Vorsitzender des Arbeitskreises) E-Mail: [email protected]

Die innere und soziale Lage der Bun-

deswehr OSF Jürgen Görlich

I. Einleitung

Sehr geehrter Herr Schaprian, verehrte

Kameradinnen und Kameraden, verehrtes

Publikum,

als ich um einen

Diskussionsimpuls

zum Thema inne-

re uns soziale La-

ge der Bundes-

wehr gebeten

wurde, habe ich

ganz bewusst das

Bild Bundeswehr

vor meinem inne-

ren Auge ablaufen lassen. Dabei bin ich zu

dem Ergebnis gekommen, dass es DIE

innere und soziale Lage DER Bundeswehr

so nicht gibt.

Die Unterschiede in den Verwendungen,

Erfahrungen, Auslandseinsätzen und den

beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten

sind einfach zu groß. Auch das Führungs-

verhalten und der kameradschaftlicher

Umgang miteinander sind zu unterschied-

lich, um von einer übergreifenden inneren

und sozialen Lage zu sprechen.

II. Herausforderungen aus Verbandssicht

Aber: Es gibt wesentliche Faktoren, die

Auswirkung auf die innere und soziale Lage

haben und zwar für alle Angehörigen der

Bundeswehr.

1. Wahrnehmung in der Gesellschaft

Als erstes wäre die Wahrnehmung der

Bundeswehr in der Gesellschaft zu nennen.

Ein Blick auf die letzten drei Minister zeigt,

dass diese sich diametral in ihrem Umgang

mit den Medien und auch mit ihrem Amt

selbst unterscheiden. Dies führt dazu, dass

auch den Menschen in diesem Land unter-

schiedliche Bilder von der Bundeswehr

vermittelt wurden.

2. Neuausrichtung der Bundeswehr

Ein weiterer bedeutender Faktor ist in der

Neuausrichtung der Bundeswehr zu sehen.

In der Zeit von 2002 – 2009 begleitete uns

die Transformation als ständiger Reform-

prozess. Aktuell befinden wir uns in der

Neuausrichtung der Bundeswehr – und die

Bundeswehr wird bis 2017 vom Kopf begin-

nend auf links gedreht.

Nach dem Bericht des Wehrbeauftragten

sind 520 der 600 Dienststellen betroffen. Die

Truppe kommt nicht zur Ruhe, was unmit-

telbar zu Auswirkungen bei den Betroffe-

nen führt:

Es herrscht keine Zufriedenheit über das

erfolgreiche Erreichen des Ergebnisses.

Es gibt keine Erfahrungen im Betrieb ohne

Veränderungen.

Es besteht die Unsicherheit für die Zukunft,

Soldatinnen und Soldaten haben keine

Verwendung- oder Standortsicherheit.

Und in der Politik wird schon von einer

Neuausrichtung der Neuausrichtung ge-

sprochen.

3. Ausrüstung

Ein weiteres großes Thema ist der Bereich

Ausrüstung.

Unbestritten muss auf dem Gebiet der Aus-

rüstung viel getan werden, da aktuell

selbst der Grundbetrieb mit der vorhan-

denen Ausrüstung nicht aufrecht zu halten

ist.

Leidtragende dieser Mangelsituation sind

die Soldaten: Übungsausfall und höhere

Belastung der Soldaten sind an der Tages-

ordnung.

Im Februar hat sich die Ministerin vom Mot-

to Breite vor Tiefe ihres Vorgängers verab-

schiedet. Schlüsselfähigkeiten sollen nun

eine Durchhaltetiefe besitzen. Dies ist auch

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darauf zurückzuführen, dass NATO und EU

von den Ländern fordern, sich auf be-

stimmte Fähigkeiten zu konzentrieren und

im Bedarfsfall zur Verfügung zu stellen.

Insgesamt ist der Komplex Ausrüstung der-

zeit negativ zu werten: Die Motivation wird

durch fehlendes Gerät immer wieder be-

schädigt und das Ansehen in der Bevölke-

rung und bei unseren NATO/EU – Partnern

sinkt.

4. Auslandseinsätze

Auslandseinsätze haben ebenfalls Auswir-

kungen auf die innere und soziale Lage.

Hierbei ist hervorzuheben, dass die beson-

ders hohe Belastung bestimmter speziali-

sierter Truppenteile immer größere Ausma-

ße annimmt, Erschwerend kommt die im-

mer dünner werdende Personaldecke bei

den Spezialisten hinzu.

Näher möchte ich auf dieses Thema nicht

eingehen, aber jeder kann sich die Situati-

on ausmalen.

III. Welche Antworten und Forderungen hat

dazu der Deutsche Bundeswehr Verband?

Motivation und Berufszufriedenheit sind

wesentliche Faktoren für die innere Lage

der Bundeswehr. Hierfür müssen subjektive

und objektive Rahmenbedingungen stim-

men.

1. Sinnhaftigkeit des Berufes

Eine Motivation ist Sinn und Zweck des Sol-

datenberufes zu erkennen.

Hier stellt sich also die Frage: Wozu Bun-

deswehr?

Dazu hat der Deutsche Bundeswehr Ver-

band die Kampagne „Ich gestalte Sicher-

heitspolitik“ in der Pipeline. Zweck ist, dar-

über aufzuklären, dass Sicherheitspolitik

alle angeht, das Ergebnis eines gesamtge-

sellschaftlichen Prozesses ist und es des-

halb ständiger Auseinandersetzung mit

dem Thema bedarf.

Anlass ist der Prozess zur Erstellung des

Weißbuchs 2016, der zum Jahresende von

der Diskussions- in die Erstellungsphase

übergeht.

Ziel ist, dass sich möglichst alle bei diesen

essentiellen Zukunftsfragen angesprochen

fühlen, nicht nur Experten.

2. Die Verankerung in der Gesellschaft

Diese Verankerung ist das Fundament der

zukunftsfähigen Bundeswehr, für die innere

Lage (Akzeptanz, Anerkennung und Wert-

schätzung) sowie auch nach außen (si-

cherheitspolitisches Verständnis, Sinn und

Zweck von Einsätzen der Bundeswehr).

Der DBwV beteiligt sich doppelt: als eigen-

ständiger, handelnder Akteur und als „An-

trieb“ für andere Akteure, sich an der De-

batte zu beteiligen

3. Objektive Rahmenbedingungen:

Hier ist als großer Erfolg die Umsetzung des

Artikelgesetzes Attraktivität und Agenda

Attraktivität als untergesetzliche Maßnah-

men hervorzuheben. Damit wurden Per-

spektiven und Rahmenbedingungen we-

sentlich verbessert. Langjährige Verbands-

forderungen sind damit größtenteils ab-

gedeckt. Hier gilt es, der Politik einen gro-

ßen Dank auszusprechen.

Dennoch sind noch weitere Rahmenbe-

dingungen anzugehen. Hierbei ist die Infra-

struktur insbesondere die Wohninfrastruktur

zu nennen. Sie darf nicht unterschätzt wer-

den. Eine gute Infrastruktur macht die all-

tägliche Attraktivität des Dienstes genauso

aus wie sozialen Rahmenbedingungen. Als

Reaktion ist ein Programm zu Verbesserung

angelaufen, aber der Investitionsstau ist

riesig und es wird noch einige Zeit dauern,

bis hier spürbare Verbesserungen eintre-

ten.

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IV. Fazit

Die vergangenen beiden Jahre haben

einige sehr erfreuliche Entwicklungen für

den inneren und sozialen Zustand der Bun-

deswehr mit sich gebracht. Es gab die

größte Initiative für Attraktivität des Diens-

tes in der Bundeswehr, vor wenigen Jahren

war ein solcher Schritt in diesem Umfang

kaum denkbar.

Natürlich gibt es auch beim inneren Zu-

stand der Bundeswehr weiteren Hand-

lungsbedarf, wie die Ausführungen gezeigt

haben, aber die notwendigen Vorausset-

zungen werden geschaffen.

Wichtig für alles weitere ist vor allem der

weitere konstruktive Austausch mit ande-

ren sicherheitspolitischen Akteuren und

darüber hinaus, um sich den gemeinsa-

men Zukunftsfragen zu stellen

Die Innere und soziale Lage der Bun-

deswehr Reformprozesse sind als stete Anpassung

an die sich verändernden Rahmenbedin-

gungen unabdingbar. Dies gilt umso mehr

für Streitkräfte, deren Einsatz zwangsläufig

unter einem hohen Maß an Ungewisshei-

ten gedacht, vorbereitet und umgesetzt

wird.

Auch Asymmetrien und Spätfolgen (z.B.

der Invasion im Irak 2003 waren nichtvor-

hersagbar). Flexibilität und Anpassungsfä-

higkeit werden mehr und mehr zu Schlüs-

selqualifikationen für strategische Ent-

scheidungsträger und die Institutionen,

derer sie sich bei der Erreichung ihrer Ziele

bedienen. Diese Anpassungsfähigkeit, die

konstante kritische Reflektion und

Selbstüberarbeitung gehört untrennbar zu

modernen Streitkräften.

Die Frage ist nicht, ob aktuell eine "Reform

der Reform" notwendig ist, sondern ob die

innere Struktur, das "innere Gefüge", der

Bundeswehr so ist, dass sie den notwendi-

gen konstanten Anpassungsvorgang an

die sich stetig entwickelnden strategischen

Möglichkeiten, Herausforderungen und

Bedrohungen leisten kann.

Daher bot das am 25. August in Bonn ge-

führte Fachgespräch Friedens- und Sicher-

heitspolitik, "Die Innere und Soziale Lage

der Bundeswehr", wertvolle Einblicke in die

Reform- und damit Handlungsfähigkeit der

Bundeswehr.

Auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung

Bonn, organisiert durch Martin Weinert

(FES) und Joachim Schaprian (Vorsitzender

AK Sicherheit und Bundeswehr), stellten

Kapitän zur See Hermann Strasser (Leiter

Bereich Innere und Soziale Lage, Zentrum

Innere Führung der Bundeswehr), Thorsten

Schmidt (stellv. Vorsitzender des Hauptper-

sonalrats beim Bundesministerium der Ver-

teidigung) und Oberstabsfeldwebel Jürgen

Görlich (1. Stellvertreter des Bundesvorsit-

zenden des Deutschen Bundeswehrver-

bands) aus ihren jeweiligen Blickwinkeln

die innere und soziale Lage unserer Streit-

kräfte vor.

Drei Blickwinkel auf die innere und soziale

Lage der Bundeswehr

Kapitän zur See Strasser einem noch recht

jungen Verantwortungsbereich in der Bun-

deswehr vor, der eine kontinuierliche insti-

tutionalisierte Analyse der inneren und so-

zialen Lage durchführt. Neben den be-

währten Instrumenten der Einflussnahme

der Betroffenen (Bundeswehrverband) und

Beschwerdeführung (Beschwerdeordnung,

Veranstaltungsberichte: Datum, Veranstaltung

Autor

25. 08. 2015 FES: Innere und

soziale Lage der Bundeswehr

08. 09. 2015 FES: Europäische

Armee

24. 10. 2015 Petersberg:

11. Gespräche zur Sicher-

heits- und Verteidigungspoli-

tik

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Wehrbeauftragter), steht mit einer kontinu-

ierlichen Analyse von Daten und Vorfällen

eine weitere Möglichkeit zur Fehlerkorrektur

für die Führung der Bundeswehr zur Verfü-

gung.

Zu beachten ist, dass der Bereich isoLa

keine wissenschaftlichen Erhebungen

durchführt. Das passiert nach wie vor an

anderer Stelle (Zentrum für Militärgeschich-

te und Sozialwissenschaften der Bundes-

wehr - ZMSBw). Zwischen der ad-hoc Reak-

tion auf Beschwerden und den zeitauf-

wändigen wissenschaftlichen Erhebungen

des ZMSBw (durchschnittlich ca. 2,5 Jahre

pro Studie), bietet der Bereich isoLa einen

nützlichen Kompromiss: Durch schnell ver-

fügbare Ergebnisse von Stichproben oder

kleinen Datenmengen, kann rasch auf

Ereignisse reagiert werden. Trends können

schon weit im Vorfeld erkannt werden.

Kapitän Strasser nannte hier als Beispiel die

angestiegenen Selbstmordraten bei Solda-

ten 2014. Durch frühzeitige Auswertungen

des isoLa konnte das Thema bereits 2014

intern in den Fokus genommen werden,

bevor im Januar 2015 Medien und Wehr-

beauftragter darauf eingingen.

Jürgen Görlich nahm demgegenüber die

Perspektive der Soldatinnen und Soldaten

ein (siehe hierzu den Vortrag auf Seite ).

Diesen Fokus auf die persönlichen Auswir-

kungen des anhaltenden Reformprozesses

setzte auch Thorsten Schmidt fort. Er be-

klagte, dass nicht strategische Überlegun-

gen, sondern lediglich die Reduzierung des

Budgets ausschlaggebend seien für die

Umstrukturierungen. Das ging jedoch ein-

her mit gestiegenen Anforderungen an

das Einsatzspektrum der Bundeswehr. Es

galt also immer: Mehr erreichen mit immer

weniger an Mitteln. Dienstposten würden

nun verstärkt nach Standort und nicht

mehr nach Fachkompetenz besetzt.

Schließlich forderte Schmidt eine konse-

quente Umsetzung längst überfälliger Re-

formen bei gleichzeitiger Erhöhung der

Ressourcen.

Insgesamt allerdings kristallisierte sich die

Motivation von Soldaten, insbesondere

Führungskräften als Schwerpunkt heraus.

Nicht nur durch öffentliche Äußerungen,

sondern auch durch Stimmungsbilder aus

der Truppe wird immer wieder deutlich,

dass die Sinnhaftigkeit des Auftrages und

der Aufgabe als Soldat in Frage gestellt

wird. Während man sich einerseits - so wie

auch Jürgen Görlich - eine verlässliche

politische Führung wünscht, die klare Auf-

gaben definiert und diese möglichst nach-

vollziehbar erklären kann, kommen uch

Stimmen zu Wort, die die Führungsverant-

wortung unmittelbar vor Ort zuallererst in

die Pflicht nehmen. Thorsten Schmidt

sprach von einer "mangelhaften Identifika-

tion mit den Zielen der Bundeswehr" und

einer "fehlenden Verbindlichkeit" von Vor-

gesetzten vor Ort. Demnach macht man

es sich bei der institutionellen Fehlersuche

offenbar zu leicht, das Problem grundsätz-

lich an der Spitze zu suchen. Denn ohne

das Primat der Politik in Frage zu stellen,

liegt die Verantwortung zu vorbildlichem

Verhalten und einem Führungsstil, der die

jeweiligen Aufgaben den anvertrauten

Angestellten und Soldaten verständlich

nahebringt, zuallererst bei den Vorgesetz-

ten vor Ort. Es ist vor diesem Hintergrund

erstaunlich, dass offenbar ausgerechnet

der Wesenskern der Bundeswehr, das

Selbstverständnis der Inneren Führung, der

(selbst-)kritische Staatsbürger in Uniform, zu

den aktuellen Problemfeldern gezählt

werden muss.

Staatsbürger in Uniform in der Krise?

Es stimmt nachdenklich, wenn auch die

aktuelle "Agenda Attraktivität" die Not-

wendigkeit sieht, dass die "Grundsätze

moderner Führung [...] in der gesamten

Bundeswehr zu betonen. Möglichkeiten

der modernen, am Menschen orientierten

Führung werden bisher nicht im erforderli-

chen Maße umgesetzt

Das schwerwiegendste Problem allerdings

ist die Sorge um das Selbstverständnis der

Soldatinnen und Soldaten. Jenseits der

Herausforderungen des täglichen Dienstes

muss die Sinnfrage des Soldatenberufes

durch jede einzelne Soldatin und jeden

Soldaten selbst beantwortet werden. Tat-

sächlich sogar durch ihr jeweiliges soziales

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Umfeld; denn die Auswirkungen des Solda-

tenberufes auf das Privatleben sind so groß

- mit und ohne Attraktivitätsagenda - dass

die damit verbunden Opfer auch und vor

allem von Familien getragen werden müs-

sen. Das fällt leichter, wenn das Selbstver-

ständnis des dienenden Partners von der

Familie akzeptiert oder sogar geteilt wird.

Eine Demokratie lebt jedoch davon, dass

sich möglichst viele ihrer Bürger aktiv mit

ihrem Gemeinwesen identifizieren. Und

"Staatsbürger in Uniform" müssen zwingend

eine Antwort finden auf die oft schwierige

Frage: Was ist es genau, das unsere Werte

und die dadurch bestimmte Gesellschafts-

form verteidigenswert macht?

Perspektive der inneren und sozialen Lage

Noch kann sich die Bundeswehr - zumin-

dest bei Führungskräften - den Nachwuchs

aussuchen. Dennoch ist die Attraktivität

des Dienstes - und das Gefühl von dessen

Sinnhaftigkeit - essentiell wichtig, damit

auch zukünftig genügend geeignete Be-

werber antreten und die bereits aktiven

Soldaten motiviert ihren Dienst versehen.

Auch aus diesem Grund ist es wichtig, dass

Problemfelder grade im Bereich der Inne-

ren Führung auf allen Ebenen frühzeitig

angegangen werden. Dabei wird auch

viel zu wenig beachtet, wie von allen drei

Referenten bestätigt, dass die Integration

von Soldatinnen und Soldaten mit Migrati-

onshintergrund in der Bundeswehr eine

regelrechte Erfolgsgeschichte darstellt.

Probleme gibt es zwar vereinzelt, aber die

Erfahrungen insgesamt sind überwältigend

positiv. Letztlich darf die begrüßenswerte

Grundtendenz einer "Agenda Attraktivität"

nicht darüber hinwegtäuschen, dass wei-

terhin große Probleme bestehen und neue

"unerwünschte Nebeneffekte" eintreten. Es

liegt dabei auf der Hand, dass das Kon-

zept des "Staatsbürgers in Uniform" nicht

Teil des Problems, sondern im Gegenteil,

die hoch anpassungsfähige Grundstruktur

ist, auf der Sich die erfolgreiche Weiter-

entwicklung der Bundeswehr auch in Zu-

kunft gestalten lässt.

(Gekürzte Fassung eines Beitrages von

Moritz Brake)

Europäische Armee

Zwischen europäischer Integration und

nationaler Autonomie

FES 08.09.2015

Die Forderung nach der Schaffung einer

Europäischen Armee auch von hochran-

gigen Politikern in jüngster Vergangenheit

immer wieder formuliert. Ist aber eine wei-

tergehende militärische Integration mit

einer Autonomie der Nationalstaaten bei

der Entscheidung über den Einsatz von

Armeen überhaupt vereinbar? Welche

Voraussetzungen müssten auf europäi-

scher Ebene für die Bündnisfähigkeit über-

haupt geschaffen werden?

Sts a.D. Kolbow fordert zunächst einen eu-

ropäischen Verteidigungskommissar. Der

Aufbau einer europäischen Armee dürfe

nicht separat gesehen werden, sondern im

Dreiklang zwischen Kommunikation, Orga-

nisationen Strategie. Ziel ist das Schaffen

einer europäischen Werte-gemeinschaft

für eine gemeinsame Linie in der Verteidi-

gungspolitik.

FA Ehle : stellt heraus, dass für einen Kon-

sens der 28 Mitgliedstaaten in sicherheits-

politischen Fragen insbesondere viele struk-

turelle Hürden zu überwinden sind; dabei

könne sich Deutschland nicht auf die Rolle

des Top Bestellers zurück-ziehen sondern

müsse sich in Führungs-bereichen stärker

engagieren. Die Erwartungshaltung der EU

an Deutschland ist hierbei sehr hoch. Wir

brauchen einen größeren europäischen

Zusammenhalt

Dr. Kempin (SWP): Die Schaffung einer eu-

ropäischen Armee und einer europäischen

Ausstattung bietet sich schon aus Effizienz-

gründen an. Die Vielzahl noch bestehen-

der unterschiedlicher Ansichten kann nur

über den politischen Willen gelöst werden,

dieser ist im Moment nur teilweise erkenn-

bar. Das Überwinden der bestehenden

Insellösungen, Entwicklung gemeinsamer

Ziele und Strategieprozessen ist dringend

erforderlich.

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In der Summe benötigen wir eine gemein-

same europäische Verteidigungspolitik

(gekürzte Fassung eines Textes der FES (Le-

onie Kutz / Martin Weinert))

11. Petersberger Gespräche zur Si-

cherheitspolitik

Am 24.10.2015 wurden die elften Peters-

berger Gespräche zur Sicherheitspolitik in

der Rotunde des Steigenberger Hotels Pe-

tersberg durchgeführt; unterstützt wurde

die Durchführung von der KTMS und der

GSP. Der Vorsitzende des Verteidigungs-

ausschusses des Bundestags, MdB Wolf-

gang Hellmich, begrüßte und wies in die-

sem Zusammenhang insbesondere darauf

hin, dass bilaterale Bemühungen gegen-

über bisher vorherrschenden die staatli-

chen Bemühungen einen höheren Stel-

lenwert erreichten. Das viel beachtete

Leitreferat zur diesjährigen Tagung gab Dr.

Hans-Dieter Lucas (Nato-Botschafter

Deutschlands). Siehe Seite 5.

In der folgenden Diskussionsrunde unter

Leitung von MdB Hartmann beleuchteten

Ulrike Merten (Vorsitzende der GSP), Wolf-

gang Hellmich und der Vorsitzende des

Bundeswehrverbandes André Wüstner un-

terschiedlicher Aspekten Ansichten zu die-

sem Themenkreis.

Im weiteren Verlauf wurde eine Standort-

bestimmung zum Weißbuch-prozess vor-

genommen, hierzu gaben Generalleut-

nant Bühler (Abteilungsleiter Planung), Vi-

zeadmiral Rühle, Frau Professor Doktor

Werkner (Forschungsstätte der evangeli-

schen Studiengemeinschaft) und O i.G.

Ellermann Diskussionsbeiträge und stellte

sich in einer Diskussion den zahlreichen,

differenzierten und präzisen Fragen aus

dem Publikum. Die lebhafte Diskussion hier-

zu dokumentierte ein weiter gestiegenes

Interesse an Fragen der Sicherheit und ihrer

Verbindung zu anderen Politikbereichen.

In seiner Zusammenfassung wies MdB Hell-

mich unter anderem auf die Not-

wendigkeit parlamentarischer Reformen

hin, um dem notwendigen Tempo sicher-

heitspolitischer Entscheidungen gerecht

werden zu können. (K.S.)

Zum Schluss aber nicht zuletzt ein Hinweis: Informationen zum Arbeitskreis können Sie / könnt

Ihr auch abrufen unter

http://www.nrwspd.de/gremien/6/1356/Arbeitskreis-Sicherheitspolitik-und-Bundeswehr.html

Anmerkung:

Wir gehen davon aus, dass Sie / dass Ihr auch weiterhin an unserem Newsletter interessiert

sind /seid. Wenn dies nicht mehr der Fall sein sollte, dann lassen Sie / lasst Ihr uns das bitte wis-

sen