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report biwifo Bildung, Wissenschaft und Forschung 01/2013 Zivilklauseln gegen Rüstungsforschung Der Widerstand gegen eine Militarisierung der Bildung wächst Mit Sonderseiten zum Tarifkampf Mit Sonderseiten zum Tarifkampf

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Bi ldung, Wissenschaft und Forschung

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Zivilklauseln gegenRüstungsforschungDer Widerstand gegen eine Militarisierung der Bildung wächst

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E d i t o r i a l b iwi f o repo r t 1 / 2013

I n h a l t

Imp re s s umDer ver.di Report biwifo Nr. 01/2013 · März 2013Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)Fachbereich Bildung, Wissenschaft und ForschungPaula-Thiede-Ufer 10 · 10179 BerlinV. i.S.d.P.: Petra GerstenkornRedaktion: Klaus Böhme, Florian Hillebrand, Maren Kaltschmidt, Hannelore ReinerVerantwortliche Redakteurin: Annette JensenInternet: www.verdi.deLayout: einsatz, Wolfgang WohlersDruck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 64295 DarmstadtTitelbild: Stefan Boness/IPONW-1728-44-0313

Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die Meinung des Bundesfachbereichs vorstandes wider.

S e r v i c eFachbereich Bildung, Wissenschaft und ForschungInternet: www.biwifo.verdi.deAnsprechpartner biwifo-Report:[email protected].: 030/69 56-20 09 · Fax: 030/69 56-35 00

PetraGerstenkornMitglied des ver.di-

Bundes vorstandes

und Leiterin

des Fachbereichs

Bildung,

Wissen schaft und

Forschung

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Fotos v.o.n.u.: p

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Schwerpunkt: Mit Zivilklauseln gegenRüstungsforschung

Militärforschung wächst – Widerstand auch 3

ver.di an vorderster Front 3

Bayern – Eldorado der Rüstungsindustrie 4

Zivilklauseln breiten sich aus 5

Dual Use 6

Staatliche Finanzierung völlig intransparent 7

Gewerkschaften für Friedensforschung 8

Aufruf internationaler Wissenschaftler 8

Interview mit Reiner Braun:„Wir steuern auf einen Konflikt zu“ 9

Tarifkonflikt in den Ländern – Streiks allerorten 10 und 11

Trübe Aussichten in der Weiterbildung 12

Zwischenruf zu Annette Schavans Rücktritt 13

Service 14

Arbeitsgerichtsprozess gewonnen! 15

Zu guter Letzt 16

Tarifverhandlungen im Länder bereich – leere Worte, keine Angebote

Dass es „Fehlentwicklungen“ bei derBefristungs praxis gäbe, räumt die Tarif gemein -schaft der Länder (TdL) ein – sieht jedoch keinetariflichen Lösungsmöglichkeiten.

„Fehlentwicklungen“? Nein, es war politischgewollt, Befristungsmöglichkeiten immer weiterauszudehnen! Sind Instrumente wie Wissen -schaftszeitvertragsgesetz oder Teilzeit- undBefristungsgesetz erst einmal geschaffen, ohnedass es parallel reglementierende Verordnungen,Erlasse und Vereinbarungen der Tarifparteiengibt, darf sich niemand wundern, wenn dieInstrumente „unlimited“ genutzt werden.

Dass Befristungen immer üblicher und immerkürzer werden, hat nicht nur herbe Konsequen -zen für die Beschäftigten: Sie können ihr eigenesLeben nicht planen, weil Arbeitsort, Arbeitszeitund Einkommen kaum berechenbar sind. Die völlig ausgeuferte Befristungspraxis hat auchmassive Folgen für die Einrichtungen und Dienst -stellen. Der enorme administrative Aufwand des Befristungsunwesens belastet die Etats derInstitutionen. Das wird allerdings „bilanziell“nicht abgebildet: Diskontinuitäten in der Stellen -besetzung und Aufgabenwahrneh mung ver -ursachen Transaktionskosten, die in keinemBudget und in keiner Kosten- und Leistungs -rechnung auftauchen.

Wir fordern:

– Ausschluss der sachgrundlosen Befristung,

– drastische Reduzierung und Quotierung derbefristeten Arbeitsverhältnisse,

– deutlichen Ausbau der unbefristeten Stellen. b

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oSchwe rpunk t : M i t Z i v i l k l au se l n gegen Rü s tung s fo r s chung

M I T M A C H E N !

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Die chronische Unterfinanzierung derBildung führt zur Militarisierung derHochschulen. Seit der Föderalismusreform2006 müssen sich die Hochschulen zuneh-mend nach neuen Geldquellen umsehen.Zu einem Viertel finanzieren sie sich inzwi-schen aus Mitteln, die wie die Milliardender Exzellenz-Initiative im Wettbewerb vergeben werden. Geforscht wird, wasGeld und Gewinn bringt. Dazu gehört auchKriegs forschung: In den letzten zehnJahren erhielten mindestens 47 Hoch schu -len Aufträge vom Bundesvertei di gungs - ministerium – Tendenz steigend.

VON RENATE BAYER

Tatsächlich ist das Ausmaß der Militärforschungnoch größer, denn vieles wird nicht als solche

deklariert. Dies gilt beispielsweise für weite Teiledes staatlichen Programms „zivile Sicher heits -forschung“ mit den Schwerpunkten Sen sorik,Robotik und Mustererkennung. Ende 2010 stelltedie Regierung Sicherheitsforschungs programmedann sogar unter Geheimschutz: Von der im Grundgesetz garantierten Freiheit vonForschung und Lehre ist somit nicht mehrviel übrig.

Auch die Rüstungsindustrie selbst nutztFor schungseinrichtungen an Hochschulen. So istdie Freiburger Universität an der Entwicklung desBun deswehr-Transportflugzeuges Airbus A400Mbeteiligt, und die Uni Stuttgart erhält Aufträgevom Unternehmen Eurocopter.

„Niemand sollte glauben, dass ein weitereshalbes Jahrhundert Frieden und Wohlstand inEuropa selbstverständlich ist. Es ist es nicht!“sagte Kanzlerin Angela Merkel am 26. Oktober2011 in einer Regierungserklärung. Wie das zuinterpretieren ist, geht aus den ein halbes Jahrzuvor verabschiedeten verteidigungspolitischenRicht linien hervor: „Deutschland ist bereit, alsAus druck nationalen Selbstbehauptungswillensund staatlicher Souveränität zur Wahrung seinerSicherheit das gesamte Spektrum nationalerHandlungsinstrumente einzusetzen. Dies bein -haltet auch den Einsatz von Streitkräften.“ DieBundeswehr solle weltweit zum Einsatz gebrachtwerden, um den Zugang zu Märkten und Roh -

stof fen zu sichern. Das hatte Ex-BundespräsidentHorst Köhler bereits im Mai 2010 ausgesprochenund war nach öffentlicher Kritik zurückgetreten.

Die Militärforschung an den Hochschulen istsomit ein Spiegel der zunehmenden Militarisie -rung der deutschen Außenpolitik seit 1990 – undzugleich zeigt sich hier ein gesellschaftlichesSpannungsfeld. Schließlich hat die Bundeswehrein erhebliches Akzeptanzproblem, seit sie sich in eine „Armee im Einsatz“ verwandelt hat. Daszu ändern war das Ziel des „Celler Appells“, denVer treterInnen von Wirtschaft, Politik und Bun -deswehr 2008 verabschiedeten. „Darüber hinauswollen wir aktiv darauf hinwirken, dass dersicher heitspolitische Dialog auch in Forschungund Lehre, insbesondere an unseren Hoch schu -len, gestärkt wird, z.B. durch die Einrichtung vonStiftungsprofessuren und durch einen dauerhaf-ten, praxisorientierten und wissenschaftlichenAustausch zwischen Wirtschaft und Bundes -wehr,“ steht dort geschrieben. Das lässt erahnen,welche Eliten an unseren Universitäten wiederherangezüchtet werden sollen und was mit Spit -

zenforschung gemeint ist.

Doch an den Hochschulen regt sichdeutlicher Widerstand. Studierende anDutzenden Universi täten haben Initiativen

ge gründet, um Zivil klau seln in den Grund ord -nun gen ihrer Hochschulen zu verankern. Die sol-len eindeutig festschreiben, dass Forschung,Lehre und Studium keinen militärischen Zweckendienen dürfen.

Die Bewegung verzeichnet erste Erfolge: Anden Universitäten Tübingen und Rostock wurdenZivilklauseln in die Grundordnungen aufgenom-men. Bremen, TU Berlin, Konstanz, Dortmundund Oldenburg haben bereits seit langer Zeit eineKlausel gegen Kriegsforschung. Die seit 1986 be -stehende Bremer Zivilklausel wurde jüngst gegenden zivilmilitärischen Satellitenhersteller OHB ver-teidigt. In Karlsruhe, Köln, Frank furt a.M., Kasselund der FU Berlin gab es ein klares Votum derStudierendenschaft bei Urabstimmungen für dieZivilklausel. Die Frankfurter Goethe-Uni ver sitäthat Anfang des Jahres 2013 die Zivilklausel inihrer Grundordnung verankert ebenso wie die TUDarmstadt. b

Militärforschung wächst –Widerstand auch

W Hochschulen für denFrieden – ver.di ist dabei!

Der Widerstand gegenKriegs forschung an den Hoch -schulen wächst – und ver.di ist„an vorderster Front“ dabei. Alssich vor zwei Jahren Gewerk -schaften, Forschende, Lehrende,Studierende und Friedens -bewegte zu einer Konferenz überRüstungsforschung an Hoch -schulen trafen, da ahnte keiner,welche Dynamik dieses Netz -werk innerhalb kurzer Zeit ent-wickeln würde.

Das gemeinsame Vorhabenwurde beim ersten Treffen klarformuliert: „Wir wollen Hoch -schulen für den Frieden. Studie -rende und Lehrende entscheidensich für zivile Hochschulen alsOrt für Studien, Lehre undForschung. Wir wollen sinnvolleBeiträge zur friedlichen Lösungder Probleme und Konflikte dieser Welt leisten.“

Die Initiative knüpfte anbereits bestehende Beschlüssevon Hochschulräten und Senatenan, die besagen, dass „jedeBeteiligung von Wissenschaftund Forschung mit militärischerNutzung bzw. Zielsetzung“ ab -gelehnt wird. Diese Zivilklauselnfordern „die Mitglieder derUniversität auf, Forschungs -themen und -mittel abzulehnen,die Rüstungszwecken dienenkönnen.“

Vielerorts engagieren sichinzwischen ver.di-Mitglieder fürZivilklauseln. Verstärkung ist sehrwillkommen. Wer mitmachenwill, wendet sich am bestengleich an die bestehendenInitiativen an den Hochschulen.Weitere Informationen undKontakte gibt es unter www.zivilklausel.org und [email protected]. b

Uwe Wötzel

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aktiven Teilhabers an der Menschenvernichtungs -maschinerie des Naziregimes. Der SS-Obersturm -bannführer hatte die Rakete V2 entwickelt, dieZwangsarbeiter im KZ Mittelbau Dora bauenmussten. Allein bei der Produktion starben 20.000Menschen. Während die TU München diesenrück gratlosen Opportunisten mit einer Veranstal -tung ehrt, kämpfen Eltern und Lehrkräfte im bay-rischen Friedberg dafür, die dortige „Wernher vonBraun“-Schule umzubenennen.

Auch die im März 2012 gegründete „FakultätBavarian International Campus Aerospace undSecurity“ steht in alter Tradition. Die Forschungs -einrichtung soll in Ottobrunn auf dem Geländeentstehen, auf dem die Firma Messerschmitt imAuftrag des Reichsluftfahrtministeriums unterHermann Göring 1939 die Luftfahrtforschungs -anstalt München errichtete. Dafür lieferte eineigens errichtetes Außenlager des KZ Dachau ab1944 bis zu 900 Zwangsarbeiter. Erst 2001 wurdefür sie ein Denkmal errichtet. An dem aktuellenForschungsinstitut beteiligen sich erneut die TUMünchen, die Universität der Bundeswehr, dasDeutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, EADSund der Triebwerkhersteller MTU. b

VON RENATE BAYER

Für die Vereinnahmung der Hochschulen nutztdie Rüstungsindustrie verschiedene Instru -

mente. So hat Eurocopter an der TechnischenUniversität München einen eigenen Lehrstuhl fürHubschraubertechnologie. Im Deutschen Muse -um wurde 2010 die Fakultät Munich Aerospacegegründet. Die Pressemitteilung verkündete eu -phorisch, dass hier mit 55 Professuren die „größ-te nationale Forschungsdichte entsteht“. DieWissenschaftlerInnen sollen sich unter anderemmit Drohnen und Raketenantrieben beschäftigen.Beteiligt sind die Bundeswehr-Universität, die TUMünchen, das Deutsche Zentrum für Luft- undRaumfahrt, EADS, Liebherr Aerospace sowie MTUAero Engines.

Derweil entsteht in Augsburg in der Nähe desCampus ein Rüstungspark, wo sich vor allem dieEADS-Rüstungssparte Cassidian ansiedeln will.Sprecher des dortigen Kompetenzausschusses istManfred Hirt, Professor an der TU München undzugleich Vizepräsident des Förderkreises Deut -sches Heer, eines Interessenverbandes für dieRüstungsindustrie. Auch an der Universität Augs -burg selbst findet militärrelevante und wehrtech-nische Forschung statt – genau wie an den UnisErlangen-Nürnberg, Passau, Regensburg, Würz -burg sowie an der Münchner TU und der Ludwig-Maximilians-Universität. Was dort jeweils ge -forscht wird, unterliegt der Geheimhaltung.

In alter Tradition…Im März 2012 fand innerhalb einer Veranstal -tungsreihe des Forum Munich Aerospace einFestkolloquium an der TU statt. Anlass war der100. Geburtstag Wernher von Brauns, eines

Ein Schwerpunkt der deutschen Rüstungs -

industrie liegt in Bayern. Ihr Umsatz summiert sich

dort auf rund 6,5 MilliardenEuro jährlich und macht

damit ein Drittel der bundesweiten Rüstungs -

produktion aus.Entsprechend groß ist auch

die Einflussnahme aufstaatliche Forschungs -

institute der Universitäten.

Bayern als Eldorado der Rüstungsindustrie

Widerstand in Bayern bündelnLeider ist gerade da, wo die größte nationale Forschungsdichte für die Rüs tungs -industrie entsteht, die Gegenwehr am schwächsten. Zu verlockend sind für vieleBeteiligte die wissenschaftlichen Möglichkeiten und beruflichen Per spektiven.

Zur Vernetzung der fortschrittlichen Kräfte in Bayern planen der Landesbezirkver.di und der Landesbezirk der GEW mit Unter stützung der AG Friedliche Schuleund Hochschule am 29. Juni 2013 eine bayernweite Tagung zu dem Thema:Zivilklausel verankern, Kooperations abkommen kündigen! b

Schwe rpunk t : M i t Z i v i l k l au se l n gegen Rü s tung s fo r s chung

Foto: p

rivat

In der TU München parkt ein

ausrangierter Alpha Jet

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tarisierung von Bildung und Forschung“ behan-delt würde. Aktuellstes Beispiel ist die Strate gie -konferenz der „Kooperation für den Frieden“, dieam 22. und 23. Februar in Stuttgart stattfand undwo sowohl die militärische For schung an Hoch -schu len als auch die Bundeswehr an Schulen aufdem Programm stand.

Auch die Verbindung der Zivilklausel-Bewe -gung mit der Kampagne „Schulfrei für die Bun -deswehr“ wird immer enger. So gibt es wie schonim Oktober 2012 auch in diesem Jahr eine bun-desweite Aktionswoche „Gegen die Militari sie -rung der Bildung“. Außerdem ist eine Unter schrif -tensammlung geplant.

Die in Kongressen des Kasseler Friedens rat -schlags begonnene Vernetzung mit Bestrebun genzur Rüstungskonversion steckt noch in den Kin -derschuhen. Doch in diesem Ansatz liegt einegroße Chance. An der Uni Bremen gibt es bereitsdie Forderung, einen Lehrstuhl für Rüstungs kon -version einzurichten.

Gerade in Deutschland hat es geschichtlicheGründe, auf die Notwendigkeit und Durch set -zungsfähigkeit von Aufklärung und Ver nunft zusetzen. Oder wie es der Holocaust-ÜberlebendeMartin Löwenberg aus München formuliert hat:„Mit den Waffen des Geistes – Gegen den Geistder Waffen.“ b

www.stattweb.de/files/DokuKITcivil.pdf

Zivilklauselstatt Kriegsforschung VON DIETRICH SCHULZE

Begonnen hatte die Entwicklung mit einererfolgreichen Urabstimmung unter den Stu -

dierenden der Universität Karlsruhe. Eine klareMehrheit votierte für die Zivilklausel: „Das KIT ver-folgt nur friedliche Zwecke.“ KIT, das KarlsruherInstitut für Technologie, entstand aus dem Zu -sammenschluss der Universität und des (Kern-)Forschungszentrums Karlsruhe. Das Votum ist in -sofern bemerkenswert, als es sich bei der Karls -ruher Universität um eine Hochschule handelt, dieim Elektrotechnik-Bereich seit Jahr zehnten ver-deckt für militärische Zwecke forscht. Heute führtsie das im Verbund mit dem militarisiertenFraunhofer-Institut IOSB weiter.

Schätzungsweise an vierzig Hochschulen gibtes inzwischen Zivilklausel-Arbeitskreise und ande-re Aktivitäten gegen Forschung und Lehre fürmilitärische Zwecke. In mehreren Bundesländernsteht die Forderung im Raum, Zivilklauseln in dieLandeshochschulgesetze aufzunehmen.

Einen ersten bundesweiten Zivilklausel-Kon -gress gab es im Mai 2011 an der TU Braun -schweig. Dort wurde mit Unterstützung derGewerkschaften ver.di und GEW die bundesweiteInitiative „Hochschulen für den Frieden – JA zurZivilklausel“ gegründet. Die trifft sich seitherregelmäßig, um Erfahrungen auszutauschen undgemeinsame Perspektiven zu diskutieren.

Um der fortgesetzten Rüstungsforschung amKIT weiter etwas entgegenzusetzen, veranstaltetedie „Initiative gegen Militärforschung an Uni -versitäten“ dort im Juni 2012 einen bundesweitbeachteten Zivilklausel-Kongress. Davor hatte esim Oktober 2011 bereits einen von der Infor ma -tionsstelle Militarisierung (IMI e.V.) getragenenregionalen Kongress an der Universität Tübingengegeben. Dort stand die Unterwanderung dervon den Studierenden im Bildungsstreik durch -gesetzten Zivilklausel auf der Tagesordnung. Kon -kret ging und geht es darum, die Honorar -professur von Wolfgang Ischinger, Chef derMünchener „Sicherheitskonferenz“ und Kriegs -befür worter, rückgängig zu machen.

Kaum eine größere Friedenskonferenz findetheute noch statt, ohne dass das Thema „Mili -

Jetzt entrüsten!Hochschulen: Zukunftswerkstätten oderKriegs»Dienstleister«?48-seitige Streitschrift über den Karlsruher Kongressgegen Kriegsforschung im Juni 2012 am KIT.

Verlag Peter Grohmann, 4,50 Euro. Bei Abnahme von 10 Exemplaren jeweils 2,50 Euro

Volltext online unter http://www.stattweb.de/files/civil/Doku20121230.pdf

Ein erstaunlichesPhänomenDie Politik treibt die Militarisie -rung der Innen- und Außen -politik immer ungehemmtervoran, lügt Kriegseinsätze derBundeswehr für geostrategischeund Rohstoffinteressen in„Friedensmissionen“ um undbegründet diese mit einerangeblichen „Schutzverant -wortung“. Ethische Argumentewerden für die Bewaffnung mitDrohnen ins Feld geführt undPanzer und Kriegsschiffe an dasmenschenrechtsverachtendeRegime in Saudi-Arabien gelie-fert. Dabei benutzt die Politikdie Wissenschaft als Kriegs-„Dienstleister“ für Bundeswehrund Rüstungswirtschaft. Orwellhatte dieses Doppeldenk „Kriegist Frieden“ 1949 als bedrü -ckende Vision veröffentlicht.

Der Verschulung desStudiums mit der Bologna-Reform und der unternehmeri-schen Umgestaltung derHochschulen zum Trotz hat sichausgerechnet in diesem Klimaeine seit vier Jahren wachsendeBewegung gegen Kriegs for -schung und für Zivilklauseln beiden Studierenden gebildet. b

Dietrich Schulze

Schwe rpunk t : M i t Z i v i l k l au se l n gegen Rü s tung s fo r s chung

BUCHTIPPBUCHTIPP

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Schwe rpunk t : M i t Z i v i l k l au se l n gegen Rü s tung s fo r s chung

VON PETER FÖRSTER

Dual Use ist ein Konzept, um zivile For schungmilitärisch nutzbar zu machen und bereits im

Forschungsprozess Möglichkeiten militärischerAnwendungen zu berücksichtigen. Schon 1989forderte die Bundesregierung im „Zu kunfts -konzept Informationstechnik“: „In Zu kunft wirdauch verstärkt darauf hinzuwirken sein, so ge -nannte Dual-Use-Technologien inten siver zu nut-zen, d.h. zu versuchen, militärische Forderungenbei zivilen Entwicklungen frühzeitig mitberück-sichtigen zu lassen, beziehungsweise auf derarti-ge Dual-Use-Technologien in Form von Add-On-Programmen aufzusetzen, um den militärischenBedarf zu decken.“ Entsprechend rief die CDU/CSU in einer Pressemitteilung von 1993 dazu auf,„die faktische Trennung zwischen ziviler und mili-tärischer Forschung zu überdenken (Stich wortDual Use).“

Diese Militarisierung von Forschung und Ge -sellschaft geht einher mit der Tendenz, Krieg zur„Normalität“ zu erklären und die Grenzen zwi-schen zivil und militärisch in Frage zu stellen. ZuEnde gedacht hat diese Logik der aktuelleVerteidigungsminister Thomas de Maizière. Aufder von Rüstungsindustrie und Öl-Multis mit -finan zierten „Sicherheitskonferenz“ in Münchenerklärte er die Bundeswehr zum „Teil der Frie -dens bewegung“.

Aktuell versuchen GegnerInnen der Zivil -klauselbewegung, Dual Use als immanentesMerkmal jeder Wissenschaft darzustellen und denForschungsprozess so zu entpolitisieren. Damitwird dem Laissez-faire und der Verant wor tungs -losigkeit das Wort geredet: Da sich die Ver wen -dung(smöglichkeiten) von Wissenschaft angeb-lich nicht beeinflussen lassen, erübrige sich auchdie Reflektion über Ziele und Ausrichtung vonWissenschaft.

Zwar stimmt es, dass zivile Forschungs ergeb -nisse – solange es Rüstungsindustrie, Bundeswehrund Kriege gibt – auch militärisch genutzt wer-den. Verschleiert wird jedoch mit der ideologi-schen Umkehrung des Dual Use, dass zunehmendwirtschaftliche und politische Interessen dieFragestellung und Zielsetzung von Forschungs -prozessen bestimmen und lenken. Drittmittel derIndustrie sind dabei ein wichtiger Faktor.

Der Unterschied zwischen ziviler und militäri-scher Forschung besteht in der Zielsetzung. Ohneeine gezielte Berücksichtigung militärischer Frage -stellungen und spezieller Bedarfe der Rüstungs -industrie wären weder Rüstungs produktion nochKriegslegitimation oder Kriegsführung möglich.Umgekehrt gilt: Nur zivil kann für eine humaneund friedliche Entwicklung der Gesellschaftgeforscht und gearbeitet werden. In der Er klä -rung zum Braunschweiger Zivilklausel-Kon gressvom Juni 2011 heißt es daher: „Dual Use kanndurch Kriterien wie Finanzie rungs fest stellung,Öffentlichkeit und demokratische Trans parenzerkannt und damit Rüstungs forschung vermiedenwerden.“ Und: Gerade in Fällen, wo Zerstörungs -potenzial und möglicher ziviler Nutzen neuerTechnologien ungeklärt sind, steht die Wissen -schaft in der Verantwortung, Risiken ab zuwägenund für eine humane Gestaltung des wissen-schaftlich-technologischen Fortschritts zu wirken.

Wissenschaft hat die Aufgabe, für eine friedli-che und humane Entwicklung einzutreten. Darinliegt die Bedeutung der Zivilklausel bewegung. b

Immer wieder wird behauptet, dass vieleForschungsergebnisse

prinzipiell friedlich oder militärisch genutzt werden können.

VertreterInnen dieserPosition führen das Dual-Use-Argument gegen Zivilklauseln

ins Feld. Eine strikt zivileAusrichtung der Wissen -schaft sei aufgrund der

unterschiedlichenVerwendbarkeit von

Forschungsergebnissenunmöglich. Was stecktdahinter – und ist die Dual-Use-Problematik

tatsächlich ein Argumentgegen Zivilklauseln?

Dual Use – eine politisch gewollte Verquickung

„Es gäbe genug Geld, genug Arbeit, wenn wir die

Reichtümer der Welt richtig verteilen würden, statt

uns zu Sklaven starrerWirtschaftsdoktrinen und

-tradition zu machen. Vor allem aber dürfen wir

nicht zulassen, dass unsere Gedanken und

Bemühungen von konstruktiverArbeit abgehalten und für die

Vorbereitung eines neuen Kriegs missbraucht

werden.“

(Albert Einstein)

Foto: W

olfgan

g Steche

/VISUMDrohnen sind vielfältig einsetzbar –

auf jeden Fall auch fürs Militär

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Schwe rpunk t : M i t Z i v i l k l au se l n gegen Rü s tung s fo r s chung

Gezielte IntransparenzRüstungsforschung an öffentlichen Hoch -schulen nimmt zu. Die Uni Freiburg betei-ligt sich an der Entwicklung des Bundes -wehr-Transportflugzeugs Airbus A400M, an der Universität Bremen wird an derDatenübertragung von Tornado-Kampfjetsgeforscht –, um nur zwei Fälle zu nennen.Solche Aufträge kommen auf unterschied -lichen Wegen an die Hochschulen.

VON NICOLE GOHLKE

Nach Angaben der Bundesregierung finanzier-te das Bundesministerium für Verteidigung

(BMVg) in den letzten zehn Jahren Forschungenan mindestens 47 Hochschulen. Von 2006 bis2009 wurden jährlich offiziell etwa 8 MillionenEuro an Drittmitteln für wehrtechnisch relevanteoder militärische Forschung vergeben. Doch mehrist nicht zu erfahren: Geheim gehalten werdenDetails zu Orten, Finanzvolumina, Verwendungs -zwecken sowie zur Zusammenarbeit wehrwissen-schaftlicher Dienststellen mit Hochschulen. DasArgument: Die „nationale Sicherheit“ lasse keineweitergehenden Informationen gegenüber derÖffentlichkeit zu.

Noch undurchsichtiger sind die Aufträge, dieunter den Begriff Dual Use fallen und vielfachmili tärisch relevante Forschung durch die Hin ter -tür etablieren. Mit etwa 49 Millionen Euro jährlichfinanziert das Ministerium für Bildung undForschung (BMBF) seit 2007 die so genannteSicher heitsforschung. In der Antwort auf die kürz-lich gestellte Kleine Anfrage der Linksfraktionmusste die Regierung zugeben, dass sie nicht aus-schließen kann, damit im Kern militärische Pro -jekte zu bezahlen. Obwohl eine zivile Nutzungnach Aussage des BMBF geprüft wird, stehe eineanderweitige Nutzung der Ergebnisse „neben derursprünglichen Verwendungsabsicht“ frei. Undtatsächlich beinhaltet die Liste der beteiligtenUnter nehmen Rüstungsfirmen.

Von Transparenz und einer informierten(Hoch schul-)Öffentlichkeit ist bei diesen Koopera -tionen von Hochschulen mit Unternehmen erstrecht keine Spur: Diese Verträge unterliegen fastimmer der Geheimhaltung. Zur Rechtfertigungwerden drohende „Wettbewerbsnachteile“ gel-tend gemacht. Angeblich verfügt auch die Bun -

des regierung über keinerlei Informationen, wasdie Gesamtsumme der Aufträge von privaten Rüs -tungsunternehmen an öffentlichen Hoch schu lenangeht, wie aus der Antwort der Bundes regie -rung auf die Anfrage der Linken hervorgeht.

Der Grund für die wachsende Rüstungs for -schung an Hochschulen ist indessen klar: Derneoliberale Umbau der Hochschulen hat zu derenchronischer Unterfinanzierung geführt. Dasmacht sie zunehmend ökonomisch abhängig vonprivaten Geldgebern. Die nutzen die staatlichenHochschulen für jede Form von industrieller Auf -tragsforschung – und eben auch für wehrtechni-sche Fragen. Was dabei entsteht ist eine direkteinhaltliche Abhängigkeit der Forschung und Lehrevon den Geldgebern und ihren Inte ressen.

Sieht so die im Grundgesetz verankerte Wis -senschaftsfreiheit aus? Um wirkliche Wissen -schafts freiheit zu gewährleisten, müssen Hoch -schulen ausfinanziert werden. Nur so kann derDruck reduziert werden, Drittmittel jeglicher Arteinzuwerben.

Im Sommer 2012 forderte die Linksfraktionvon der Bundesregierung, sich gegen Rüstungs -forschung an öffentlichen Hochschulen einzuset-zen, indem sie auf Zivilklauseln in den Hoch -schulstatuten und Landeshochschulgesetzen hin-wirkt. Außerdem soll die Regierung ihre eigeneVergabepraxis nach zivilen Kriterien ausrichten,ihre Geheimhaltungspraxis bei der Vergabe be -enden und sich für die Offenlegung von Koope -rationsverträgen zwischen Hochschulen undPrivat unternehmen aussprechen. Nur eine Aus -finanzierung der Hochschulen kann deren wissen-schaftliche Unabhängigkeit gewährleisten. b

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Schwe rpunk t : M i t Z i v i l k l au se l n gegen Rü s tung s fo r s chung

VON HEINZ LEHMANN

Zwar haben sich Gewerkschaften in der Ge -schichte mehrheitlich gegen Kriegs for schung

und militärische Interventionen positioniert. Doches darf nicht verschwiegen werden, dass derErhalt oder die Schaffung von Arbeits plätzen inder Rüstungsindustrie auch von Ge werkschaf -terInnen immer wieder zur Recht fertigung insFeld geführt werden. Auch manche wissenschaft-liche MitarbeiterInnen argumentieren mit derFreiheit von Forschung und Lehre und betonenden zivilen Nutzen, der bei Forschungen imRüstungssektor abfällt. Darüber hinaus verweisensie häufig auf die Finanznot, die zur Ein werbungvon Drittmitteln zwingt.

Außerdem mangelt es leider zahlreichenHoch schulen noch immer an einer kritischen Auf -arbeitung der eigenen Geschichte. Die Rolle von

deutschen Universitäten in den Jahren 1933 bis1945 in Bezug auf Militärforschung ist weder voll-ständig aufgearbeitet noch sind daraus Konse -quenzen für die heutige Forschungs stra te gieabgeleitet worden. Doch es geht auch anders: Die TU Darmstadt, die sich im Dritten Reich sehropportunistisch zu den Macht habenden in Staat,Militär und Wirtschaft verhalten hat, hat vor kur-zem eine Zivilklausel in ihre Grundordnung ge -schrieben.

Dass mit dem Umbau der Bundeswehr zurBerufsarmee der Etat zur Nachwuchswerbungauf über 10 Millionen Euro pro Jahr erhöhtwurde, sieht ver.di ebenfalls äußerst kritisch.Damit werden an Hochschulen Lehr veranstal tun -gen von Jung offizieren der Bundeswehr ausge-richtet. Au ßerdem werben Bundeswehran ge höri -ge an Schu len massiv für eine Karriere bei ihremArbeit geber. b

Der DeutscheGewerkschaftsbund und

zahlreiche Einzel -gewerkschaften sind sicheinig, dass Forschung und

Lehre an Hochschulen ausschließlich friedlichen

Zwecken dienen darf.ver.di ist selbstverständlich

mit dabei. Entsprechenddieser Grundhaltung hat

unser Fachbereich imSeptember 2011 beschlos-

sen, dass Hochschulen,Forschungs einrichtungenund Schulen dem Frieden, der Verständigung unter

den Völkern und derErhaltung der natürlichen

Lebensgrundlagen zu dienen haben.

Gewerkschaftsmitgliederund Personalräte an denHochschulen können und

sollten Studierende,Lehrende und Beschäftigte

motivieren, sich gemeinsam für die

Verankerung einer Zivil -klausel zu engagieren.Darüber hinaus ist auch

an die Courage der einzelnen Beschäftigten

zu appellieren, nicht an militärischen oder Dual-Use-Forschungs -

projekten mitzuwirken.

Gewerkschaften fürFriedensforschung

An die Universitätsleitungenund die verantwortlichen akademischen Institutionen

Verpflichtet alle Universitäten dem Friedenund weist Militärforschung zurück –

es ist Zeit zu handeln!

Die Freiheit des Denkens und der Forschung für eine friedliche, nachhaltige und gerechte Welt sindglobale Menschenrechte. Heute werden sie vielerorts verletzt – auch an vielen Universitäten welt-weit. Die wachsende Militarisierung der akademischen Forschung betrifft nicht allein Ingenieurs-und Naturwissenschaften, sondern auch Geistes- und Sozialwissenschaften und trägt dazu bei, dassdie Menschenrechte auf Freiheit des Denkens und der Forschung erodieren. Sofortige Schritte sindnotwendig, um diesen Prozess zu stoppen.

Die UnterzeichnerInnen sind der Überzeugung, dass Universitäten ihren Fokus auf die Sicherungdes Friedens und die Völkerverständigung lenken und deshalb militärische Forschung und Lehreablehnen müssen.

Wir rufen dazu auf, militärische Forschung und Lehre abzubrechen. Die Universitätsleitungenund die für die akademischen Institutionen Verantwortlichen sollen gedrängt werden, verbindlicheRegelungen in den Statuten der Hochschulen zu verankern – ähnlich den Zivilklauseln, die es in eini-gen Ländern bereits gibt.

Internationaler Aufruf

Der Aufruf wurde im Januar 2011 erstmals veröffentlicht und ist inzwischen von vielen inter nationalbedeutenden WissenschaftlerInnen unterschrieben wie Noam Chomsky vom Massa chusetts Instituteof Technology (MIT) in den USA oder dem deutschen Klimaforscher Hartmut Graßl, der früher dasMax-Planck-Institut für Meteorologie geleitet hat.

Schwe rpunk t : M i t Z i v i l k l au se l n gegen Rü s tung s fo r s chung

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einer Universität gibt und dort trotzdem Rüstungsforschung lau-fen sollte: Dann ist die juristische Ausgangsbasis viel günstiger.

Kennen Sie Leute, die sich geweigert haben, bei solcherForschung mitzuwirken?

In Deutschland noch nicht. Aber international gibt es Men -schen, die ausgestiegen sind. Subrata Ghoshroy ist so jemand.Der war jahrzehntelang in der Raketenforschung und arbeitetheute mit uns in der internationalen Zivilklauselbewegung zusam-men. Er ist nach wie vor am MIT, aber in einer anderen Abteilung.

Warum gibt es in Deutschland keine Whistleblower?

Es gibt bei uns durchaus Whistleblower, zum Beispiel imNuklearbereich. In der Rüstungsforschung sind sie wohl deshalbnoch nicht aufgetaucht, weil der ganze Bereich noch sehr kleinist. Außerdem stellen die entsprechenden Institute Leute ein, diemit einer positiven Haltung an Rüstungsforschung herangehen.

Was haben die Hochschulen von der Forschung?

An erster Stelle Geld – und das ist für unterfinanzierte Hoch -schulen sehr wichtig. Natürlich geht es auch um interes santeAufträge in der Spitzenforschung, die auch relativ spitzen mäßigbezahlt werden. Für die Industrie ist es dagegen billiger, in Stiftungs lehrstühle zu investieren als entsprechende Forschungs -abteilungen selbst aufzubauen.

Halten sie es für möglich, dass Zivilklauseln den Trend stop-pen oder sogar umkehren können?

Wir steuern erst einmal auf einen Konflikt zu, der in derDynamik und Dimension noch gar nicht erkannt ist. Wir habeneine Ausweitung von Zivilklauseln an den Universitäten – undwir haben die klare Ansage von Verteidigungsminister deMaizière, dass er die Zivilklauseln für verfassungswidrig hält. Erverweist dabei auf die Freiheit von Wissenschaft und Forschung.Dieser Konflikt wird zum einen auf juristischer Ebene stattfinden:Irgendwann wird irgendwer klagen. Zum anderen wird er sichaber auch politisch zuspitzen. Wie das ausgeht, ist für mich zurZeit eine völlig offene Frage. Das hängt sehr stark davon ab, ob es den gesellschaftlichen Kräften gelingt, der zunehmendenKriegsorientierung in diesem Land massiv entgegenzutreten. b

Interview: Annette Jensen

biwifo: Wie wichtig ist Rüstungsforschung an deutschenHochschulen im Vergleich zu anderen Ländern?

Reiner Braun: Welchen Umfang das Ganze in Deutschlandschon hat, ist aufgrund des Dual-Use-Charakters vieler Projekteschwer zu sagen. Wir gehen von etwa 3 bis 4 Milliarden Eurojährlich aus. Angesichts von 80 bis 100 Milliarden Euro für die Gesamtforschung an deutschen Universitäten ist das noch relativ wenig, aber es gibt eine deutliche Steigerung in den letzten Jahren. Die großen US-Universitäten wie Harvard, MIToder Stanford finanzieren sich zu mindestens 50 Prozent durchGelder aus der Rüstungsindusrie oder aus dem Verteidigungs -ministerium. Dort gibt es eine totale Abhängigkeit; bei uns kann man noch sagen: Wehret den Anfängen.

Wie kommt es zu den Kooperationen und von wem geht die Initiative aus?

Das ist vielfältig. Zum einen gibt es natürlich personelle Verflech tungen. Manche Hochschullehrer waren vorher bei der Bundeswehr oder bei einer Bundeswehrhochschule, anderehaben im Verteidigungsministerium gearbeitet oder auch in der Rüstungsindustrie – und umgekehrt. Außerdem vergibt dasBMVG Aufträge zum Beispiel zu Themen wie Material- oderDrohnenentwicklung, Laserforschung und ähnlichem. DieIndustrie vergibt Aufträge, es gibt aber auch umgekehrt An -fragen von Seiten der Universitäten.

Was können Beschäftigte tun, wenn sie in so einem Projektmitarbeiten sollen?

Es ist oft nicht so einfach zu erkennen, dass ein Forschungs -auftrag aus dem Verteidigungsbereich kommt. Die Alarm -glocken sollten schrillen, wenn der Auftraggeber nicht bekanntist und wenn die Forschungsergebnisse einer Geheimhaltungunterliegen. Bei Dual-Use-Techniken ist das schwieriger rauszufinden: Da sollte man mit Kollegen diskutieren, ob dieForschungsergebnisse auch militärisch nutzbar sind.

Welche Chancen haben Beschäftigte, ihre Mitarbeit zu ver-weigern?

Man kann sich nicht wehren, bestimmte Arbeitsaufträge zuübernehmen. Wenn ich das tue, wird mein Vertrag auslaufenoder ich werde gekündigt. Das muss dann jeder mit sich selbstabmachen. Anders ist die Situation, wenn es eine Zivilklausel an

Reiner Braun ist Geschäftsführer bei der

Vereinigung DeutscherWissenschaftler und setzt sich seit

Jahren für Zivilklauseln anHochschulen ein

„Wir steuern aufeinen Konflikt zu“

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Ta r i f k ampf

Die dritte Verhandlungsrunde mitden Arbeitgebern der Länder war aufzwei Tage angesetzt. Sie begann zähund so dauerte es mal wieder bis tief in die Nacht. Dann stand fest: Wirhaben ein gutes Gesamtergebnis erzielt– mit ein paar Schattenseiten.

VON NORBERT KONKOL

Für dieses Jahr werden die Entgelte um 2,65Prozent angehoben, im nächsten Jahr steigen

sie erneut um 2,95 Prozent. Wenn die fürs laufen-de Jahr prognostizierte Inflationsrate von 1,8 Pro -zent eintrifft, bedeutet das eine Reallohn erhö -hung. Außerdem wird der Urlaubsanspruch allerVollzeitbeschäftigten auf 30 Arbeitstage erhöht;das ist mehr, als den KollegInnen beim Bund zu -steht. Dass sich die Länder damit als eigenständi-ger und im Vergleich zum Bund fortschrittlicher

Arbeitgeber profiliert haben,darf allerdings be zweifelt wer-den. Dazu würden auch eineentsprechende Entgelt ordnungge hö ren, eine Regelung für Lehr -kräfte und die Begren zung vonBefristungen.

Auszubildende erhaltenfür 2013 einen Festbetragvon 50 Euro und im nächstenJahr eine Lohnerhöhung von2,9 Prozent, dazu einheitlich27 Urlaubstage. Außerdem

haben wir erreicht, dass sie – unter bestimmtenBedingungen – nach der Ausbildung in ein unbe-fristetes Beschäftigungsverhältnis übernommenwerden. Die Beschäftigten in den Zentren fürPsychiatrie in Baden-Württemberg erhalten einenzusätzlichen freien Tag. Die Laufzeit des Tarif -abschlusses beträgt zwei Jahre.

Unser Ziel, das Thema Befristung und seineFolgen auf die Tagesordnung zu setzen, habenwir erreicht – auch wenn konkrete Regelungenzur Begrenzung noch fehlen. Selbst die Arbeit -geber der Länder mussten einräumen, dass Zeit -verträge in vielen Dienststellen und Betriebenmiss bräuchlich angewandt werden. Obwohl dieSPD, die Bündnisgrünen und die Linken darüberdiskutieren, wie sich Befristungsauswüchse korri-gieren lassen, war die Tarifgemeinschaft derLänder (TdL) nicht zu konkreten Vereinbarungenbereit wie etwa den Ausschluss sachgrundloserBefristungen. Wir haben aber eine schriftliche Zu -sage, die Gespräche darüber mit den Ländernfortzusetzen. Darauf werden wir bestehen. Au -ßer dem haben wir das Thema in die Gesprächemit den Parteien eingebracht und werden es inder Bundestagswahl weiter verfolgen.

Eine Vereinbarung zur Eingruppierung derLehrkräfte war mit den Arbeitgebern dagegennicht durchzusetzen. Sie waren in diesem Punktdesolat vorbereitet und haben blockiert. Die GEWwird die Auseinandersetzungen weiterführen –und wir werden sie dabei unterstützen. b

Überraschendgutes Tarifergebnis

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Ta r i f k ampf

Die Streiks warenerfolgreichSeit Mitte Februar rollte eine Warnstreik -welle durchs Land: Den Arbeitgebern sollteklar gemacht werden, dass endlich ein verhandlungsfähige Angebot auf den Tischmusste: Die Landesbeschäftigten wollennicht schlechter gestellt werden als die Kol -le ginnen und Kollegen in Bund und Kom -munen. Beschäftigte aus 130 Dienst stellenund Betrieben unseres Fachbereichs warenbeteiligt. Die Aktionen waren vielfältig undbunt und gaben einen Vorge schmack aufdas, was richtiger Streik bedeutet hätte.

In Hamburg machten KollegInnenen von allensechs Hochschulen mit, und auch Beschäftigte

der Staats- und Universitätsbibliothek ließendie Bücher liegen. ver.di gewann dort unmittelbarvor dem Warnstreik sechs neue Mitglieder – vorallem bei den Azubis. Weil die Technik an derHoch schule für Musik und Theater fest in derHand von ver.dianerInnen ist, blieben die Schein -werfer aus: Keine Proben, keine Probeauf füh run -gen, kein Büh nenbetrieb.

In Braunschweig hielten Schnee und Regen350 Leute aus den Studentenwerken und derTU nicht davon ab, am 19. Februar auf die Straßezu gehen; in der Mensa gab es nur wenig zuessen. Auch Studierende waren trotz Klausu -renphase mit dabei. Unterstützung kam von derTU Clausthal.

„Hände weg vom Urlaub“ – mit dieser For -derung zogen Streikende der Uni Bonn zumMünsterplatz und hatten zur Illustration einePlastikinsel dabei. An der RWTH Aachen gin-gen die Beschäftigten der Bibliotheken,Verwaltung und Sicherheit frühmorgens aufdie Straße, schenkten den Passanten Bröt -chen und Kuchen – und fanden viel Zu -stimmung für die Tarif for de rungen.

Auch in fast allen anderen Bundes -ländern gab es Aktionen und Warnstreiks.Die Hochschulen und Unis in Erfurt, Jena,Ilmenau wurden ebenso bewarnstreikt wie dasInstitut für Gemüse- und Zierpflanzenbau inGroßbeeren. Auch die Stu dentenwerkeund Unis in Mainz, Tü bingen undRegensburg beteiligten sich, genau wiedie Uni Hohenheim und die Hoch schuleAalen, die Uni und Fach hoch schule inFlens burg und zwei Hoch schulen in Gel -sen kirchen. In Rostock fand ein ganz -tägiges Streik frühstück statt mit zwischenzeit-licher Ver dau ungs kund gebung und auch inMünchen und Augsburg wurde die Bevöl -kerung durch Warn streiks an Hochschulen undStuden ten werken informiert. b

Braunschweig

München

Gelsenkirchen

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Fotos: ver.di Nds./Bremen

+ + + Pressemeldung + + + Freiburg, 20. Februar 2013 + + + ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft – Bezirk SüdbadenProtestkundgebung mit Aktionstheater „Nur im Märchen fallen die Taler vom Himmel“ In Freiburg waren heute an der Universität Freiburg insgesamt 170 Beschäftigte zur Protestkundgebung gekommen. Sie wehrten sich mit vielfältigen Aktionen gegen dieMissachtung ihrer Arbeitsleistung seitens der Arbeitgeber in der Tarifrunde der Länder. So fand u.a. das Aktionstheater „Nur im Märchen fallen die Taler vom Himmel“Universität statt. Dies war jedoch nur die erste Welle. Dieser Aktion werden ganztägige Warnstreiks der Landesbediensteten direkt vor der dritten Verhandlungsrunde, welche am 7. und 8. März 2013 stattfindet, folgen.

Wei t e rb i l dung

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M E L D U N G E N

W Weiterbildungsträgerverlieren erste Prozesse

Die Bildungsträger, die den staatlich vorgeschriebenenMindest lohn in der Brancheablehnen und die Verordnungaussetzen lassen wollten, sindbeim Prozess vorm Ober verwal -tungs gericht Berlin-Brandenburggescheitert. Damit wurde daserstinstanzliche Urteil bestätigt.Die Antragsteller hätten nichtglaubhaft gemacht, dass ihnendurch die Einführung von Min -destlöhnen derart schwerwiegen-de Nachteile drohten, die einevorläufige Außer kraftsetzung derVerordnung rechtfertigten, urteil-ten die Richter. Das Verfahren inder Hauptsache steht allerdingsnoch aus. Darin sollen alleEinzel fragen geklärt und über dieRechtmäßigkeit der Verordnungentschieden werden. Wann einUrteil zu erwarten ist, ist unklar.

W Für ein umfassendesStreikrecht

Von den 27 Staaten derEuropäischen Union ist der politi-sche Streik nur in England, Öster-reich und Deutschland illegali-siert. „Diese Illegalisierungen,Einengungen, Einschränkungenund Verbote stehen im krassenWiderspruch zu dem Art. 23 derallgemeinen Erklärung derMenschenrechte der VereintenNationen“, heißt es im Wies -badener Appell. Die Arbeitgeber -verbände, einzelne Arbeitgeberund wesentliche Teile der Politikversuchen ständig, die wenigenStreikrechte immer weiter einzu-schränken. „(Streik-)Recht istimmer Ausdruck von wirtschaft -licher und politischer Macht.Streikrechte sind elementare undsoziale Menschenrechte, dieerkämpft werden müssen.“

Wer den Wiesbadener Appellfür ein besseres Streikrechtunterschreiben will: www.politischer-streik.de

Arbeitsagenturen und Jobcenter haben2013 mal wieder weniger Geld zurVerfügung als im Vorjahr. Dafür gibt es verschiedene Gründe.

VON ROLAND KOHSIEK

Im Bereich der Arbeitsförderung des SGB III sinktdas Volumen für aktive Arbeitsmarktpolitik pa -

rallel zu den offiziell abnehmenden Arbeits losen -zahlen. Problematischer ist die Situation für denBereich des SGB II, für den die Jobcenter zustän-dig sind. Hier wirkt unverändert der Spar-Be -schluss der Bundesregierung vom Juni 2010.Infolgedessen stehen 2013 nur ungefähr 51 Pro -zent der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik zurVerfügung, die es im Jahr 2010 dafür gab.

Dabei bedient sich die Politik eines ausgespro-chen ärgerlichen Tricks in der Darstellung: Ver -glichen werden immer nur die Planzahlen deskünftigen Jahres mit den Ist-Zahlen des gegen-wärtigen. Weil in den Vorjahren bereits über Sollgekürzt wurde, sieht der Sprung nach unten vielkleiner aus als er in Wirklichkeit ist.

Die Wirkung dieser Kürzungen auf die Struk turder Branche ist gravierend: Die Konkurrenz ver-schärft sich abermals, die Zahl der Träger sinkt.Manche melden Insolvenz an, häufiger aber zie-hen sich Unternehmen vom Markt zurück oderstellen ihre Geschäftstätigkeit sogar ganz ein.

Parallel werden die Arbeitsbedingungen im mermieser. Der Dokumentationsaufwand ist hoch undsteigt nicht selten sogar an, zugleich werden dieTeilnehmerInnengruppen immer heterogener. Ver -langt werden neue Qualifizierungskonzepte – diesich real zwar häufig gar nicht stark vom Bis heri -gen unterscheiden, aber immer neu formuliertund vorgelegt werden müssen.

Die Durchschnittsgehälter bei Neueinstel lun -gen verharren weiter auf einem Niveau, das um30 bis 50 Prozent unter dem liegt, was vor demgroßen Einbruch 2003 bis 2006 gezahlt wurde.Solche skandalös niedrigen Gehälter greifen in -zwischen über auf Bereiche jenseits der von SGB IIund III geförderten Weiterbildung.

Die Ursache für die Situation ist zum einen inder allgemeinen Tendenz zur Vermarktlichung desBil dungsbereiches zu suchen, zum anderen in denVergabemechanismen der Bundesagentur fürArbeit. Zwar gab es schon seit den 1990er JahrenAusschreibungsverfahren. Doch erst mit denHartz-Gesetzen 2002/03 wurden sie verallgemei-nert und systematisch durchgesetzt. Nicht nur dasVolumen der Kurse und Maßnahmen sank da -durch dramatisch. Auch die Qualität bleibt auf derStrecke. Das immerhin dämmert mittlerweileoffenbar auch einigen auf der Leitungsebene derBundesagentur für Arbeit. Doch konkrete Kon se -quenzen fehlen bisher.

So vergibt die Bundesagentur nach wie voreine große Anzahl ihrer Bildungsmaßnahmen alsso genannte arbeitsmarktpolitische Dienstleistun -gen über ein Vergabeverfahren, das äußerst um -stritten ist. Zugleich untergräbt sie das sozialeSicherungssystem, auf dem sie selbst fußt unddas auf Beiträge sozialversicherungspflichtig Be -schäf tigter angewiesen ist. Ein Großteil derDozentInnen, die die Kurse leiten, arbeiten inzwi-schen notgedrungen auf Honorarbasis.

Im Handbuch Arbeitsmarkt 2013, herausge-geben von Institut für Arbeitsmarkt und Berufs -forschung der Bundesagentur für Arbeit, findetsich eine Übersicht über so genannte atypischeBeschäftigungsverhältnisse, worunter auch befri-stet Beschäftigte fallen. Danach ist der Bereich„Erziehung und Unterricht“ der Spitzen reiter imnegativen Sinne. Die Bundes agentur hat unbe-streitbar einen erheblichen Anteil an dieser Ent -wicklung. b

Trübe Aussichtenfür 2013

Bei Weiterbildungsträgern wird es für Arbeitslose

und dort Beschäftigte immer enger

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Zw i s chen ru f zum Rück t r i t t von Anne t t e S chavan

M E L D U N G E N

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Ja, sie musste gehen, weil Abschreiben beiDoktorarbeiten auch nach 33 Jahren nichtverjährt ist. Das haben wir zur Genügegehört. Nun ist Annette Schavans Nach -folgerin und Studiengebühr-Befür worterinJohanna Wanka noch sieben MonateBundesministerin für Bildung und For -schung. In dieser Legislaturperiode wirdhöchstwahrscheinlich nicht viel mehr passieren als Wahlkampf. Aber vielleichtlohnt ja ein Blick auf Schavans Amtszeit,um sich über ihre Absichten und die ihrerHinter männer und -frauen im Klaren zuwerden – über die langen Linien also.

VON ANDREAS SCHLOSSAREK

Was bei fast allen Rücktritts- und Amtszeit-Analysen fehlt: Annette Schavan hat zu

Zeiten von Rot-Grün gemeinsam mit den Hoch -schulrektoren die Föderalismusreform gegen ihreAmtsvorgängerin Edelgard Bulmahn (SPD) los -getreten. Damals saß die CDU-Frau noch inStuttgart und machte Bildungs- und Wis sen -schafts politik für Baden-Württemberg. Das Ko -operationsverbot in Artikel 91b Grundgesetzwurde gestärkt, eine „strikte“ Haushaltstrennungzwischen Bund und Ländern bei Bildung undForschung festgeschrieben. Das alles gilt bisheute – zum Schaden einer europäischen Bundes -forschungspolitik. Gestärkt wurden damals dieLän derposition und die Autonomie der Hoch -schulen.

Nun wird der Ex-Ministerin (neben all der Lob -hudelei) vorgeworfen, sie habe es als Bundes -ministerin versäumt, den Bund im Forschungs -bereich zu stärken. Ja – wollte sie das denn über-haupt?! Es könnte ja auch sein, dass sie mitRückenwind von Landesfürsten und Industrie-Granden zum Bund gesegelt ist, um dort Beute zumachen, indem sie Bundeseigentum in privatisier-tes Landeseigentum mit eingebautem Industrie -zugriff verwandelte. Wenn diese Lesart zutrifft,wäre sie sehr erfolgreich gewesen zum Beispielbei der Fusion der Uni Karlsruhe mit dem For -schungszentrum Karlsruhe zum KIT. Dieser Coupverschafft der Industrie im milliardenschweren Zu -kunftsmarkt Nanotechnologie sowie bei derEnergietechnik einen einfachen Zugang zu Hoch -schulforschung.

Wäre eine solche Entwicklung ohne AnnetteSchavans Handlungsmacht als Ministerin imBMBF möglich gewesen? Viele Insider verneinendas vehement. Schließlich fügt sich die Öffnungder Aufsichtsgremien von Forschungsein rich tun -gen für Vertreter der Finanz- und Industrie ge -nau so ins Bild wie die gleichzeitige Ent machtungdes Ministeriums, dem Annette Schavan vor-stand. Jetzt sitzen im KIT-Aufsichts rat Personenwie der Vorstandsvorsitzende der Daimler AGDieter Zetsche, der auch Mitglied im RWE-Aufsichtsrat ist, oder der BASF-Vor stands mannAndreas Kreimeyer. Auch der BMW-Erbe StefanQuandt durfte dort Platz nehmen, was dessen inder Nano-Branche tätigen Schwestern SusanneKlatten und Silvia Quandt gewiss Recht war.Solche Menschen bestimmen nun über dieGeschicke und das leitende Personal der steuer -finanzierten und dem Gemeinwohl verpflichtetenForschung. Zugleich wurden Betriebs- bzw. Per -sonalräte ausgebootet: Sie sind in den Aufsichts -gremien nicht vertreten. Und welchen interessier-ten Kreisen wurde mit der Privatisierung im Ge -sundheitsbereich und dem dortigen Neuzu -schnitt der Forschungskapazitäten Tür und Torgeöffnet?

Gleicht das alles nicht dem Konzept der verlän-gerten Werkbank, so wie es die Arbeits ge mein -schaft der Betriebs- und Personalräte der außer -univer sitären Forschungseinrichtungen (Fraun -hofer, Helmholtz, Leibniz, Max Planck) schon 1994in ihrem Thesenpapier „Forschung in gesellschaft-licher Verantwortung“ kritisiert hatte? Hier gegen-zusteuern wäre ein überaus lohnendes Thema fürdie bevorstehenden Wahlkämpfe auf Bundes- undLandesebene. b

Titel weg, Amt weg –was bleibt?

W Hochschulsekretärin -nen fühlen sich ignoriert

Über 50 Prozent derHochschulsekretärinnen inBraunschweig haben an einerBefragung teilgenommen. 64Prozent von ihnen haben denEindruck, dass ihre Arbeit allge-mein unterschätzt wird, 43 Pro -zent fühlen sich sogar als„Tippse“ oder „Mädchen füralles“ wahrgenommen. Weiter -quali fizierung wird kaum unter-stützt – und wo sie stattfindet,wird auch das kaum registriert.75 Prozent sind mit ihrer Ein -gruppierung unzufrieden.Immerhin ist es durch die Um -frage gelungen, auch dieAufmerksamkeit der Personal -abteilung zu erregen.

Die Hochschulsekretärinnentreffen sich nun regelmäßig, umVerbesserungen zu erreichen.

W Gute Arbeitsverträgein der Forschung

Im Rahmen des Europäi -schen Sozialdialogs wurden 12„Benchmarks“ für gute Arbeits -verträge in der Forschung unterBeteiligung von Gewerk schaftenund Wissenschafts organisatio -nen entwickelt. Dabei darf manden Begriff „Forschende“ ruhigweit fassen, er ist auf dengesamten Wissenschaftsbereichanwendbar. http://www.eurocadres.eu/spip.php?page=sommaire&lang=de

W So viele Studierendewie nie

Laut Statistischem Bundes -amt hat die Zahl der Studieren -den mit 2,4 Millionen im Jahr2011 ein neues Rekordniveauerreicht. Innerhalb von zehnJahren ist somit eine Zunahmevon 27 Prozent zu verzeichnen.Mit 528.000 hat sich die Zahlder Studienan fängerInnen sogarum 50 Prozent erhöht. Die Be -treu ungs situation hat sich trotzPersonalaufstockung verschlech-tert: Von 15,9 auf 15,2 Studie -rende pro „Lehrkraft“.

Schon damals hatte sie ein unbrauchbares Steuer

in der Hand – Annette Schavan mit jungen

Gewerkschafterinnen

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Se r v i c e

14

Zwei Themen standen ganz oben auf derAgenda bei der letzten Sitzung des Bundes -

fachbereichsvorstands: Die Tarifrunde für dieBeschäftigten der Länder und die Bundes tags -wahl im Spätsommer.

Es wird in diesem Jahr vordringlich darumgehen, dass alle Arbeitsgruppen des Fachbereichsihre politischen Kontakte aktivieren und vertiefen.Insbesondere die ausufernde Befristungspraxissoll dabei in den Fokus rücken. Die geschieht zumeinen über das Wissenschaftszeitvertragsgesetz,zum anderen über das Teilzeit- und Befris tungs -gesetz, das auch ohne sachlichen Grund ermög-licht, Zeitverträge abzuschließen.

Hier wollen wir auf politischer Ebene gegen-steuern. Sowohl Tarifpartner als auch Gesetz -geber müssen mit den Folgen dieser Politik kon-frontiert werden, die zu einer zunehmendenPrekarisierung der Beschäftigung in den Einrich -tungen des Bildungssektors führt.

„Prekäre Arbeit – Prekäres Leben – Prekäre Zu -kunft“ ist deshalb auch der Titel der gemeinsa-men Arbeitstagung der Fachbereiche 5 und 13.

Sie soll am 13. und 14. Juni in Berlin stattfinden.Geplant ist, dass dort die arbeitsmarktpolitischenSprecherInnen der Bundstagsfraktionen zusam-men mit dem ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirskeauf dem Podium sitzen und diese Fragen diskutie-ren. So werden wir die Positionen der einzelnenParteien zu diesem Thema vor der Bundestags -wahl erfahren.

Trotz aller Probleme gibt es auch eine äußersterfreuliche Entwicklung zu vermelden: Bereits dasvierte Jahr in Folge hat der Fachbereich mit einemMitgliederzuwachs abgeschlossen. Somit scheintdie Trendwende stabil zu sein. Damit das so bleibtund die in den Bildungseinrichtungen vorhande-nen Potenziale noch besser erschlossen werdenkönnen, hat der Bundesfachbereichsvorstandeinen Diskussionsprozess in Gang gesetzt. Der hatzum Ziel herauszufinden, wie neben dem alltäg -lichen Geschäft und den Tarifauseinander set zun -gen zukünftig auch politische Kampagnen ge -nutzt werden können, um neue Mitglieder zugewinnen. Auch sonst soll auf allen Ebenen stetsmitgedacht werden, wie neue ver.dianerInnen ge -funden werden können. b

Klaus Böhme

Fachbereichsvorstand willBundestagswahlkampf nutzen

S e m i n a r e 2 0 1 3S e m i n a r e 2 0 1 322. bis 24.

Mai 2013

17. bis 20.

September 2013

23. bis 25.

September 2013

23. bis 25.

September 2013

ver.di-Bildungsstätte

Bielefeld

ver.di-Bildungsstätte

Lage-Hörste (IMK)

ver.di-Bildungsstätte

Walsrode

ver.di-Bildungszentrum

Gladenbach

Eingruppierungsrecht im TV-L und TVöD

Seminar für Betriebs- und Personalräte in Forschungseinrichtungen und

Hochschulen

Eingruppierungsrecht im TV-L und TVöD

Seminar für Betriebs- und Personalräte in Forschungseinrichtungen und

Hochschulen

Gute Arbeit = Gesunde Arbeit

Gestaltungsmöglichkeiten für Personalräte, Betriebsräte und Vertrauensleute

im stark veränderten Bibliotheksumfeld

Arbeiten ohne (gutes) Ende für die Wissenschaft?

Seminar für Betriebs- und Personalräte in Wissenschaftseinrichtungen,

Vertrauensleute, aktive Mitglieder und andere Interessierte

biwifoRep01_2013_RZ_2013-03-11 11.03.2013 16:52 Seite 14

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P O R T R Ä T

B l i c k von außen und nach i nnen

Endlich! Endlich halte ich das Urteil in Händenund habe Gewissheit: Meine Tätigkeit an der

Uni des Saarlandes ist nicht die eines „Hiwis“, son -dern die eines richtigen Beschäftigten. Selt sameUnterscheidung, finde ich, aber es gibt sie nunmal. Und jetzt habe ich Anspruch auf Tarif lohn.

Zur Vorgeschichte: Ende 2011 sollten meineVerträge an der Universität des Saarlandes nichtmehr verlängert werden. Vier Jahre lang hatte ichbei der Zentralen Studienberatung gearbeitet undKommilitonInnen bezüglich BAföG, Stipendien,Studienkrediten und anderen finanziellen Fragenberaten. Außerdem war ich Mentor für Erst -semes ter, habe ihnen gezeigt, wie die Bibliothekfunktioniert und welche Kneipen und Clubs inSaarbrücken cool sind. Vergeblich stellte ich einenAntrag an das Präsidium auf erneute Verlänge -rung und redete mit dem Leiter der Personal ab -teilung – doch die Universitätsleitung stellte sichstur. So blieben mir zwei Möglichkeiten: Michmeinem Schicksal zu ergeben oder den Finger ineine Wunde zu legen, auf die ich die Universitäts -verwaltung schon als AStA-Mitglied diverse Maleaufmerksam gemacht hatte: Dass viele Studie -rende als studentische Hilfskräfte eingestellt wer-den, obwohl sie überwiegend Verwaltungstätig -keiten verrichten und damit unter den Tarifvertragder Länder fallen müssten.

Ich entschied mich für den Gang vors Arbeits -gericht. Schließlich hat das Bundesarbeitsgerichtbereits 2005 die Kriterien für Hiwi-Tätigkeitensehr eng gesetzt. Wie erwartet, versuchte derUni-Vertreter die Richter davon zu überzeugen,dass meine Aufgaben rein wissenschaftlich seien– und da ich die in Saarbrücken maximal erlaub-ten vier Jahre als studentische Hilfskraft erreichthabe, könne ich keine Vertragsverlängerungmehr be kommen. Den Nachweis der überwie-gend wissenschaftlichen Aufgaben blieb dieRechtsabtei lung der Uni dann aber trotz wochen-langer Frist schuldig. Und im Prozess musste derUni-Vertreter so gar zugeben, dass meine Beur -teilungen offenbarten, dass ich gute Arbeit leiste.

So entschieden die drei Richter in diesem Januarnach fast einem Jahr zermürbender Wartezeitzu meinen Gunsten.

Dank des Urteils kann ich jetzt nicht nur wei-terarbeiten, sondern habe Anspruch aufTarifbezahlung: Statt bisher 8,40 Euro proStunde stehen mir jetzt 14 Euro zu, hat diever.di-Rechtsberatung ausgerechnet. Außerdemhabe ich die Grenzen des Teilzeit- und Be -fristungsgesetzes überschritten und muss jetzt11,25 Stunden pro Woche fest angestellt wer-den. Damit ist ein beträchtlicher Teil meiner Stu -dienfinanzierung gesichert und ich kann beru-higter schlafen. Einzig die Höhe der Be zahlungdürfte umstritten sein. Ich gehe davon aus, dassich deshalb erneut klagen muss.

Ich bin wahrlich kein Einzelfall. Viele Hoch -schulen beschäftigen Studierende in Ket ten ver -trägen – mein längster lief ein Jahr, der kürzesteein paar Wochen. Und jedes Mal die bangeFrage, ob der Vertrag verlängert wird. VieleStudierende fordern ihren Urlaub nicht ein, mel-den sich nicht krank, arbeiten Überstunden,ohne dafür bezahlt zu werden. Und so werdendie Studierenden zur Konkurrenz derjenigen,die an den Hochschulen arbeiten. Wären dieStudierenden nicht aus dem Tarifvertrag ausge-nommen, wäre allen geholfen: Den Beschäf -tigten und den Studierenden.

Und was tun die Personalräte? Häufig nichts.Es mag sein, dass ich manchen LeserInnen mitmeinen folgenden Wünschen auf die Füßetrete. Aber es wäre schön, wenn Personalräteaktiv nachforschten, ob Studierende überwie-gend Verwaltungstätigkeiten erbringen. Außer -dem sollten die Personalvertretungs gesetzedahingehend geändert werden, dass Personal -räte auch die Interessen von „Hiwis“ zu vertre-ten haben. Und schließlich müssen Tarifverträgefür alle gelten, die an Hochschulen arbeiten.Glück auf! b

Daniel Koster

Ulrich Hempe

W Auch wenn er Ostwestfaleist: Zum Lachen geht der lebens-frohe Ulrich Hempe nicht in denKeller. Seit 1986 leitet der ge -lernte Hotelkaufmann den Ein -kauf beim StudierendenwerkMainz, und dort trat er vollerÜberzeugtheit und ohne Wer -bung durch Dritte in die Gewerk -schaft ÖTV ein. Heute ist Uli 51Jahre alt und nach wie vor eingewerkschaftlicher „Überzeu-gungstäter“, für den Solidaritätein sehr hohes Gut darstellt.

1996 wurde er zum Per so nal -ratsvorsitzenden des Studen -tenwerks Mainz gewählt undblieb das fast ein Jahrzehnt lang.Jetzt ist Uli Hempe schon in derzweiten Amtsperiode stellvertre-tender Vorsitzender im Landes -fachbereichsvorstand vonRheinland-Pfalz. Ein besonderesAnliegen sind ihm gute Arbeits -bedingungen für jungeMenschen.

Im Jahre 2000 gründete erzusammen mit anderen ver.di-Mitgliedern die Bundes-ARGE derStudentenwerks personalräte.Freundlich, verbindlich, höflichtritt er dort auf – doch wenn esum die Durch setzung der Inte res -sen der KollegInnen in denStudenten werken geht, ist Ulisehr bestimmt und lässt seinenWorten Taten folgen. Auch des-halb wurde er 2011 zum neuenSprecher der Bundes-ARGE er -koren. Eine gute Wahl: Bis heutehat er den Mund nie zu vollgenommen, hat seine Nah- undFernziele klar benannt und derenDurchsetzungs möglich keitenimmer realistisch eingeschätzt. b

Manfred Engelhardt

Recht haben heißt Rechtbekommen

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Daniel Koster

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vierteljährlich jährlich

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Datum/Unterschrift Kontoinhaber/in

oder im Lohn-/Gehaltsabzugsverfahren* monatlich bei meinem Arbeitgeber einzu-ziehen. *(nur möglich in ausgewählten Unternehmen)

Personalnummer (nur für Lohn-/Gehaltsabzugsverfahren

Ich war Mitglied der Gewerkschaft:

von: bis: Monat/Jahr Monat/Jahr

Monatsbeitrag: Euro

Der Mitgliedsbeitrag beträgt nach § 14 der ver.di-Sat-zung pro Monat 1% des regelmäßigen monatli chen Bruttoverdienstes. Für Rentner/innen, Pensionär/innen, Vorruheständler/innen, Krankengeldbezieher/innen und Erwerbslose beträgt der Monatsbeitrag 0,5% des regelmäßigen Bruttoeinkommens. Der Mindest-beitrag beträgt € 2,50 monatlich. Für Hausfrauen/Hausmänner, Schüler/innen, Studierende, Wehr-, Zivil-dienstleistende, Erziehungsgeldempfänger/innen und Sozialhilfeempfänger/innen be trägt der Beitrag € 2,50 monatlich. Jedem Mitglied steht es frei, höhere Beiträge zu zahlen.

DatenschutzIch erkläre mich gemäß § 4a Abs. 1 und 3 BDSG ein-verstanden, dass meine mein Beschäftigungs- und Mitgliedschaftsverhältnis betreffenden Da ten, deren Änderungen und Ergänzungen, im Rahmen der Zweckbestimmung meiner Gewerkschaftsmitglied-schaft und der Wahrnehmung gewerkschafts-politischer Aufgaben elektronisch verarbeitet und genutzt werden.Ergänzend gelten die Regelungen des Bundes-datenschutzgesetzes in der jeweiligen Fassung.

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