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6 - 2012 Deutsche Polizei 1 Wer sich heute in der Polizeiland- schaft bewegt, könnte meinen, dass es zurzeit innerhalb der Polizei nur ein Thema gibt – die Polizei- strukturreform. Doch dem ist bei Weitem nicht so. Zweifelsfrei ist die Strukturreform DAS Thema, weil viele noch nicht so richtig erkennen können, in welche Rich- tung sich die Reform entwickelt und was zum Schluss tatsächlich herauskommt. Da ist die Angst vor der eigenen Zukunft, vor der Lebensplanung, die teilweise völ- lig auf den Kopf gestellt wird, vor der zu- künftigen Tätigkeit und vor der zukünfti- gen Arbeits- bzw. Dienststelle. Dies wirft natürlich Fragen auf, die zurzeit noch niemand richtig beantwor- ten kann. Wir als Gewerkschaft der Poli- zei (GdP) greifen diese Fragen auf, versu- chen Ängste zu nehmen und sorgen für Antworten, dort wo es schon möglich ist und wo es Sinn macht. Trotz allem bewegen uns auch andere Themen Offensichtlich befindet sich die Polizei des Landes in einer finanziellen Schiefla- ge. Die Schuld liegt angeblich wieder mal bei den Kolleginnen und Kollegen, die rücksichtslos und viel zu viel fahren, Un- fälle bauen und sich kaum um betriebs- wirtschaftliche Vorgaben kümmern. Dies sorgt bei den Medienkonsumenten na- türlich für ein Schmunzeln, rückt die Kol- leginnen und Kollegen in ein schlechtes Licht und geht wieder mal am wirklichen Leben vorbei. Denn das Finanzproblem bei der Polizei gibt es (mit einigen Aus- nahmen) schon jahrelang, doch bisher hat es immer irgendwie geklappt. Bisher konnten finanzielle Engpässe immer wie- der ausgeglichen werden. Die Erfahrung zeigt, dass polizeiliche Arbeit eben nicht bis ins letzte Detail plan- und berechen- bar ist. Ein unvorhergesehener Großein- satz, ein aufwendiges Ermittlungsverfah- ren oder ein paar Schäden zu viel und schon kippt der Haushalt. Sicherlich sind viele Faktoren beeinflussbar, aber ob Fußstreifen und Kilometerbegrenzungen in einer Flächendienststelle wirklich Sinn machen, wage nicht nur ich zu bezwei- feln. Sicher ist es leicht zu kritisieren, aber angeordnete Funkstille in der Nacht und das Abstempeln der Kolleginnen und Kollegen zeugt wirklich nicht von großem Einfallsreichtum. Fakt ist, dass selbst die politisch Ver- antwortlichen festgestellt haben, dass diese, unsere Polizei strukturell unterfi- nanziert ist und dass jetzt wohl ein Punkt erreicht ist, an dem man sagt: Schluss! Schluss mit ständig weiteren Kürzun- gen, Schluss mit unsinnigen Vorgaben aber auch Schluss mit nicht nachvollzieh- baren Haushaltsführungen einzelner Dienststellen. Wann und wie kommt der Einstieg in die Zweigeteilte Laufbahn? Diese Frage brennt ebenso unter den Nägeln der Kolleginnen und Kollegen wie die Strukturreform und Finanzpro- bleme. Hartnäckig halten sich Gerüchte – hauptsächlich von denen, die schon im- mer gegen die Zweigeteilte Laufbahn waren – dass dieser Einstieg nie kommen wird. Wir, die Gewerkschaft der Polizei (GdP), haben uns das Thema Zweigeteil- te Laufbahn und den Einstieg in dieses Programm auf die Fahne geschrieben und ständig auf der Tagesordnung. Kein politisches Gespräch, kein Schreiben, kein Telefonat, in dem nicht darauf hin- gewiesen wird. Zurzeit wird allenthalben gerechnet und berechnet, Szenarien durchgespielt und Machbarkeitsstudien erarbeitet. Trotzdem scheint es immer noch „Gegner“ der Zweigeteilten Lauf- bahn zu geben, die es nicht eilig haben mit dem Rechnen und Planen. Gerade deshalb wird von uns jede Möglichkeit genutzt, dieses Thema anzusprechen. Der Doppelhaushalt 2013/14 wird zeigen, ob die Regierung ihren Koalitionsvertrag ernst nimmt. Bisher hatte die Landesre- gierung ja lediglich einen Nachtragshaus- halt erstellt, von dem man sich wohl keine Weichenstellungen erwarten konnte. So wie wir aus tiefster Überzeugung für die Zweigeteilte Laufbahn stehen, so wie wir Hilfsmodelle um nicht zu sagen Krücken, die dann doch nicht umgesetzt wurden, immer wieder abgelehnt haben, so fest werden wir um den Einstieg in ei- ne echte Zweigeteilte Laufbahn ringen. Wir wollen keinen Austausch von Dienstgradabzeichen, nein wir wollen ei- ne gerechte Bewertung und Bezahlung und dazu brauchen wir ein Programm mit Perspektive und Verlässlichkeit. Das Gleiche gilt auch für den Tarifbereich und die/den Polizeifachangestellte/n. Auch hier gibt es immer wieder Ver- lautbarungen, dass dies nicht ganz oben auf der Agenda stehen würde bzw. erst in der nächsten Legislaturperiode in An- griff genommen werden soll. Ob es jetzt an Platz 3 oder 7 in der Hitliste steht, ist aber völlig unerheblich. Wichtig ist, dass es nicht in Vergessenheit gerät bzw. nicht totgeredet wird. Diese Totprediger, die wie fahrendes Volk bei uns im Land un- terwegs sind, haben keine Ahnung, wie schwer es ist, mit den mickrigen Löhnen im Tarifbereich einen Monat über die Runde zu kommen. Sie wissen nicht, wie es ist, in einer Vergütungsgruppe einge- stellt zu werden und genau zu wissen, die Chancen nach „Beförderungen“ gehen gegen null. Deshalb steht diese Forde- rung der Gewerkschaft der Polizei eben- Was uns bewegt … LANDES J OURNAL NICHT NUR POLIZEISTRUKTURREFORM IST THEMA Rüdiger Seidenspinner, GdP-Landesvorsitzender Fortsetzung auf Seite 2

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6 - 2012 Deutsche Polizei 1

Wer sich heute in der Polizeiland-schaft bewegt, könnte meinen,dass es zurzeit innerhalb der Polizeinur ein Thema gibt – die Polizei-strukturreform. Doch dem ist beiWeitem nicht so.

Zweifelsfrei ist die StrukturreformDAS Thema, weil viele noch nicht sorichtig erkennen können, in welche Rich-tung sich die Reform entwickelt und waszum Schluss tatsächlich herauskommt.Da ist die Angst vor der eigenen Zukunft,vor der Lebensplanung, die teilweise völ-lig auf den Kopf gestellt wird, vor der zu-künftigen Tätigkeit und vor der zukünfti-gen Arbeits- bzw. Dienststelle.

Dies wirft natürlich Fragen auf, diezurzeit noch niemand richtig beantwor-ten kann. Wir als Gewerkschaft der Poli-zei (GdP) greifen diese Fragen auf, versu-chen Ängste zu nehmen und sorgen fürAntworten, dort wo es schon möglich istund wo es Sinn macht.

Trotz allem bewegen uns auch andereThemen

Offensichtlich befindet sich die Polizeides Landes in einer finanziellen Schiefla-ge. Die Schuld liegt angeblich wieder malbei den Kolleginnen und Kollegen, dierücksichtslos und viel zu viel fahren, Un-fälle bauen und sich kaum um betriebs-wirtschaftliche Vorgaben kümmern. Diessorgt bei den Medienkonsumenten na-türlich für ein Schmunzeln, rückt die Kol-leginnen und Kollegen in ein schlechtesLicht und geht wieder mal am wirklichenLeben vorbei. Denn das Finanzproblembei der Polizei gibt es (mit einigen Aus-nahmen) schon jahrelang, doch bisherhat es immer irgendwie geklappt. Bisherkonnten finanzielle Engpässe immer wie-der ausgeglichen werden. Die Erfahrungzeigt, dass polizeiliche Arbeit eben nichtbis ins letzte Detail plan- und berechen-bar ist. Ein unvorhergesehener Großein-satz, ein aufwendiges Ermittlungsverfah-ren oder ein paar Schäden zu viel undschon kippt der Haushalt. Sicherlich sindviele Faktoren beeinflussbar, aber obFußstreifen und Kilometerbegrenzungen

in einer Flächendienststelle wirklich Sinnmachen, wage nicht nur ich zu bezwei-feln. Sicher ist es leicht zu kritisieren,aber angeordnete Funkstille in der Nachtund das Abstempeln der Kolleginnenund Kollegen zeugt wirklich nicht vongroßem Einfallsreichtum.

Fakt ist, dass selbst die politisch Ver-antwortlichen festgestellt haben, dassdiese, unsere Polizei strukturell unterfi-nanziert ist und dass jetzt wohl ein Punkterreicht ist, an dem man sagt: Schluss!

Schluss mit ständig weiteren Kürzun-gen, Schluss mit unsinnigen Vorgabenaber auch Schluss mit nicht nachvollzieh-baren Haushaltsführungen einzelnerDienststellen.

Wann und wie kommt der Einstieg indie Zweigeteilte Laufbahn?

Diese Frage brennt ebenso unter denNägeln der Kolleginnen und Kollegenwie die Strukturreform und Finanzpro-bleme. Hartnäckig halten sich Gerüchte –hauptsächlich von denen, die schon im-mer gegen die Zweigeteilte Laufbahnwaren – dass dieser Einstieg nie kommenwird. Wir, die Gewerkschaft der Polizei(GdP), haben uns das Thema Zweigeteil-te Laufbahn und den Einstieg in diesesProgramm auf die Fahne geschriebenund ständig auf der Tagesordnung. Keinpolitisches Gespräch, kein Schreiben,kein Telefonat, in dem nicht darauf hin-gewiesen wird. Zurzeit wird allenthalbengerechnet und berechnet, Szenariendurchgespielt und Machbarkeitsstudienerarbeitet. Trotzdem scheint es immernoch „Gegner“ der Zweigeteilten Lauf-bahn zu geben, die es nicht eilig habenmit dem Rechnen und Planen. Geradedeshalb wird von uns jede Möglichkeitgenutzt, dieses Thema anzusprechen.Der Doppelhaushalt 2013/14 wird zeigen,ob die Regierung ihren Koalitionsvertragernst nimmt. Bisher hatte die Landesre-gierung ja lediglich einen Nachtragshaus-halt erstellt, von dem man sich wohl keineWeichenstellungen erwarten konnte.

So wie wir aus tiefster Überzeugungfür die Zweigeteilte Laufbahn stehen, sowie wir Hilfsmodelle um nicht zu sagenKrücken, die dann doch nicht umgesetzt

wurden, immer wieder abgelehnt haben,so fest werden wir um den Einstieg in ei-ne echte Zweigeteilte Laufbahn ringen.Wir wollen keinen Austausch vonDienstgradabzeichen, nein wir wollen ei-ne gerechte Bewertung und Bezahlungund dazu brauchen wir ein Programm mitPerspektive und Verlässlichkeit. DasGleiche gilt auch für den Tarifbereichund die/den Polizeifachangestellte/n.

Auch hier gibt es immer wieder Ver-lautbarungen, dass dies nicht ganz obenauf der Agenda stehen würde bzw. erst inder nächsten Legislaturperiode in An-griff genommen werden soll. Ob es jetztan Platz 3 oder 7 in der Hitliste steht, istaber völlig unerheblich. Wichtig ist, dasses nicht in Vergessenheit gerät bzw. nichttotgeredet wird. Diese Totprediger, diewie fahrendes Volk bei uns im Land un-terwegs sind, haben keine Ahnung, wieschwer es ist, mit den mickrigen Löhnenim Tarifbereich einen Monat über dieRunde zu kommen. Sie wissen nicht, wiees ist, in einer Vergütungsgruppe einge-stellt zu werden und genau zu wissen, dieChancen nach „Beförderungen“ gehengegen null. Deshalb steht diese Forde-rung der Gewerkschaft der Polizei eben-

Was uns bewegt …

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Rüdiger Seidenspinner,GdP-Landesvorsitzender

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falls auf unserer Liste – und zwar ganzoben. Gerechtigkeit sieht nämlich andersaus!

Eine weitere Baustelle ist die Arbeits-zeit.

Es muss schon ein Jahrhundertwerkgeben, was da demnächst aus dem LPPauf uns zukommt, denn man sagt ja be-kanntlich: Was lange währt, wird endlichgut. Doch irgendwie traue ich diesemSprichwort, bezogen auf die Arbeitszeitder Polizei, nicht so richtig. Ich habe viel-mehr das Gefühl, als weiß man nicht sorichtig, wie man mit den rechtlichen Vor-gaben und unseren Forderungen umge-hen soll. Unsere Vorschläge zur Reduzie-rung der Wochenarbeitszeit und zu denZeitzuschlägen liegen auf dem Tisch. Daskostet zugegebenermaßen Geld, wirftaber wieder die Frage auf: Was ist die Ge-sundheit eines Menschen eigentlichWert? Kann Gesundheit überhaupt ge-

oder verkauft werden? Mit welchem Fak-tor wird Gesundheit im Alter und Beein-trächtigung der Lebensqualität, aberauch Attraktivität und Fürsorge denn ei-gentlich berechnet? Vielleicht wird eslangsam Zeit (nach über 19 Jahren), die-ses Thema endlich von dieser Seite anzu-gehen. Eine Anpassung der Rechtslagean die Haushaltslage spart zwar kurzfris-tig Geld, wird sich aber aufgrund derLangzeitwirkung nicht rechnen und be-deutet den Abschied von der Fürsorge-pflicht.

Zum Schluss noch ein Thema, welchesvermeintlich nur einige von uns trifft,nämlich die Personalräte. Das neue Lan-despersonalvertretungsgesetz. Auch hierhat die Landesregierung zugesagt, einbesseres, zukunftsweisendes Landesper-sonalvertretungsgesetz für Baden-Würt-temberg zu schaffen.

Doch zunächst möchte ich mit dem Irr-glauben aufräumen, dieses Gesetz treffenur auf einige von uns zu, denn das Lan-despersonalvertretungsgesetz regelt dieMitsprache aller Beschäftigten bei der

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Fortsetzung von Seite 1

AUS DER REDAKTION

Gestaltung ihrer eigenen Zukunft. Diegewählten Personalvertreter sind dannallerdings beauftragt, die Interessen derBeschäftigten zu vertreten und die Ein-haltung dieser Gesetze zu überwachen –auch wenn man bei manchen nicht immerso den Eindruck hat. Betroffen sind alsoalle.

Zurzeit ist der erste Entwurf in der Ab-stimmungsphase. Entwurf und Ausge-staltung haben Fahrt aufgenommen. Biszur Fertigstellung werden jedoch noch ei-nige Monate ins Land gehen, denn so einGesetz bastelt man nun nicht mal soeben. Aber auch daran werden wir dieLandesregierung messen, wie ernst sie esmit einer breiten Beteiligung meint.

Es gäbe noch eine Menge zu berichten,was sich auf der „Großbaustelle Baden-Württemberg“ noch oder noch nicht be-wegt, was noch in Planung ist und was be-reits wieder verworfen wurde.

Ich wollte lediglich euren Blick daraufrichten, was uns neben dem Überthema„Polizeistruktur“ sonst noch alles be-schäftigt. Euer Rüdiger Seidenspinner

Wolfgang Kircher Thomas Mohr

Die Landesredaktion ist unter der E-Mail-Adresse [email protected] erreichen.

Bitte alle Artikel, die in der Deutschen Polizei, Landesjournal, oder in derGdP digit@l veröffentlicht werden sollen, an diese E-Mail-Adresse senden.

In dringenden Fällen erreicht Ihr uns auch unter der GdP-Mobile-Nr.0 15 25/4 11 10 58.

Der Redaktionsschluss für die Juli-Ausgabe 2012 des Landesjournals Ba-den-Württemberg ist Freitag, der 8. Juni 2012, und für die August-Ausgabe2012 Freitag, der 6. Juli 2012.

Nicht rechtzeitig zum Redaktionsschluss eingesandte Artikel können vonuns leider nicht mehr berücksichtigt werden. Zur einfacheren Bearbeitungbitten wir um Übersendung von unformatierten Texten ohne Fotos, diese bit-te separat zusenden. WKi

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Die GdP fordert einen Individuellen,an den Aufgabenschwerpunkten sowieden geografischen und strukturellen Be-sonderheiten ausgerichteten Zuschnitt.

Dabei gilt es Aufgaben zu hinterfragenund klar zu definieren, Mindeststandardsund Mindeststärken festzulegen und An-forderungsprofile zu erstellen. Einedurchgängige Stellenbewertung kannStellenklarheit schaffen.

Um die polizeispezifisch strategischeAusrichtung und Führung auch zukünftigzu garantieren ist die Funktion des/derPolizeipräsidenten/-in zwingend mit ei-ner/m Polizeivollzugsbeamten zu beset-zen.

Die Stellvertretung ist offensichtlichgeregelt, allerdings erschließt sich uns

nicht, warum der Leiter der Verkehrspo-lizeidirektion nicht zugleich Polizeivize-präsident sein kann. Dem Polizeipräsi-denten ist in einer starken Rechtsabtei-lung ein Jurist sowie eine sach- und fach-gerechte Verwaltung zur Seite zu stellen.Dabei ist eine dislozierte, aufgabenorien-tierte Verwaltung zu prüfen.

Auf Ebene der Personalvertretung,Schwerbehindertenvertretung und BfCist zukünftig auch der/die Beauftrage fürgleichgeschlechtliche Lebenspartner-schaften anzubinden.

Ein Hauptaugenmerk der Aufgaben-kritik muss auf unsinnigem Meldewesen,

Datenerfassen und -speichern liegen.Mit den Zielen Arbeitsentlastung undStelleneinsparung sind insbesondere„Datenfriedhöfe“ zu prüfen, die keiner-lei oder nur wenig Steuerungsrelevanzhaben. Der Mensch muss wieder imMittelpunkt stehen und nicht Kennzah-len bzw. „rote, gelbe oder grüne Am-peln“.

Der Führungs- und Einsatzstab ist per-sonell so schlank wie möglich aber tech-nisch und personell so auszustatten, dasser das Gros der Arbeit der bisherigenStäbe auf Direktions- und LPD-Ebeneauffangen kann.

Eine Verdrängung nach unten sowieteilweise deutlich überdimensionierteFührungsstäbe wie bisher darf es nichtgeben.

Die Führungs- und Einsatzstäbe müs-sen Servicedienststellen für die zukünfti-

gen Direktionen und der ihnen nachge-ordneten Dienststellen sein. Bei der per-sonellen Ausstattung muss die Qualifi-zierung und Beschäftigung von Tarifper-sonal im Vordergrund stehen. Der Poli-zeivollzugsdienst ist von vollzugsinad-äquaten Tätigkeiten zu befreien.

Im Zuge der Zentralisierung geht er-fahrungsgemäß Orts- und Personen-kenntnis verloren. Dies kann sich insbe-sondere bei den neu zu schaffenden Not-rufzentralen negativ auswirken. DieserVerlust kann zumindest teilweise durchentsprechende Sachausstattung aufge-fangen werden.

Bei der Zentralisierung von Aufgabenund Dienststellen, wie Kriminalpolizei,Verkehrsdienst, Diensthundeführer,Verwaltung etc., ist besonderes Augen-merk auf den Unterstützungsbedarf derBasisdienststellen zu legen. Wenn zu-künftig mehr Zeit für die Anfahrt als fürdie Dienstleistung benötigt wird, läuft diegewünschte Verstärkung der Basis insLeere.

Die jeweiligen Interventionszeitenmüssen sich an den bereits gültigen Vor-gaben orientieren.

Direktionen

Die einzelnen Direktionen eines Präsi-diums sind aufgaben-, lage- und sachori-entiert innerhalb des neuen Präsidiumszu installieren. Häufung bzw. Zentralisie-rung ist grundsätzlich zu vermeiden. Einedislozierte Aufstellung unterstützt dieForderung nach einer sozialverträglichenUmsetzung.

Für die Führungsgruppen der Direk-tionen gelten grundsätzlich die gleichenVorgaben wie für den Führungs- undEinsatzstab der Präsidien, jedoch müssensie sich noch mehr als Servicedienststellefür die ihnen nachgeordneten Bereicheverstehen. Die Operativen Einheitensind grundsätzlich von administrativenTätigkeiten zu entlasten.

Polizeireviere

Die Zahl der nachgeordneten Polizei-reviere sollte zehn nicht unter- und 15grundsätzlich nicht überschreiten. DieLage der Reviere und Polizeiposten so-wie der dreigliedrige Aufbau in Streifen-und Bezirksdienst und Polizeiposten ha-ben sich in der Vergangenheit bewährtund sollten zunächst nicht angetastet, al-lerdings zeitnah personell verstärkt wer-den.

Zur kurzfristigen Entlastung könnenStellen im Überhang beitragen, die imZuge der natürlichen Fluktuation wiederausgeglichen werden.

Zur Führungsunterstützung und füradministrative Tätigkeiten vor Ort, wiez. B. Postein- und -ausgang, Aktenhal-tung und -verwaltung, Vorgangsverwal-tung, Stundenberechnung, Urlaubs- undEinsatzabrechnungen, Versicherungsan-fragen aber auch Einsatzvorbereitungen

Polizeipräsidien

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POLIZEISTRUKTURREFORM

Fortsetzung auf Seite 4

Schlüsselübergabe: Wo wird künftig Dienst gemacht?

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wie Alarmierungen, Verständigungen,Koordination und nicht zuletzt Vertre-tung des RL bei repräsentativen Tätig-keiten muss eine Lösung gefunden wer-den, die nicht zu Lasten der operativenEinheiten gehen darf.

Hier ist u. a. an qualifiziertes Tarifper-sonal zu denken.

Polizeihundestaffel

Polizeihundestaffeln sind zukünftigzentral in funktionsfähiger Stärke als Un-terstützung für die operativen Einheitenvorzuhalten. Bis dahin ist eine dislozierteUnterbringung an den bisherigen Stand-orten denkbar.

Einsatzeinheiten

Der Einsatzwert von Einsatzeinheitenvor Ort ist unverkennbar und hat sich be-währt. Als Einsatzreserve vor Ort, z. B.in Zugstärke, können sie kleinere Einsät-

ze abdecken und die Dienststellen bei dertäglichen Arbeit, z. B. Konzeptionsein-sätze, Fahndungen, Ermittlungsgruppenetc. unterstützen. Die Aufstellung darfnicht zur Schwächung der Streifen- oderErmittlungsdienste führen, sondern wäreu. a. als „sozialverträgliches Auffangbe-cken“ für Angehörige der Einsatzabtei-lungen der Bereitschaftspolizeien denk-bar. Je weiter die zukünftigen Einsatzein-heiten entfernt sind, desto eher böte sicheine derartige Lösung an.

Kriminalpolizeidirektionen

Die Gewerkschaft der Polizei unter-stützt grundsätzlich den einheitlichen Or-ganisationsaufbau der Kriminalpolizeidi-

rektionen, also auch die Gliederung inacht Kriminalinspektionen.

Der für uns im Eckpunktepapier bei-spielhaft dargelegte Aufgabenzuschnittder Inspektionen muss jedoch flexibel ge-staltbar sein. Beispielhaft sei hier die dieVP-Führung genannt, die nach unsererErfahrung organisatorisch besser bei derKI4 (Org. Kriminalität, BtM-Kriminali-tät) als bei der KI7 angesiedelt wäre.

Im Einzelnen werden folgende Forde-rungen erhoben• Die endgültige detaillierte Gliederung

muss sich an den geografischen Gege-benheiten und den örtlichen Schwer-punkten orientieren.

• Nicht alle Ermittlungsbereiche eignensich für eine Zentralisierung. Bis zurendgültigen Klärung der Unterbrin-gung muss eine dislozierte Organisationund Aufgabenstellung, bei den bisheri-gen Kripostandorten, möglich sein.

• Die Kriminalpolizeiliche Präsenz in derFläche muss erhalten werden. Auf Kri-minalitätsschwerpunkte muss regionalreagiert werden können.

• Der Aufgabenzuschnitt innerhalb derKriminaldirektionen und Inspektionenmuss flexibel aber personal- und sach-orientierter bei grundsätzlicher Beibe-haltung der vorgeschlagenen Struktur(acht Inspektionen) erfolgen.

• Die Personalstärken der künftigen In-spektionen, Kommissariate und Krimi-naldauerdienste müssen lokal und be-darfsorientiert festgestellt werden.

• Die Notwendigkeit einer weiteren De-zernierung wird zwar grundsätzlichnicht gesehen, sollte aber im Einzelfallmöglich sein. Zur Koordination der Er-mittlungsarbeit sehen wir die Notwen-digkeit der Einrichtung von „Fachbe-reichsleitern“ im g. D. (ohne eigenePersonalhoheit).

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POLIZEISTRUKTURREFORM

Fortsetzung von Seite 3Kastanienfest inGöppingen

Bereits jetzt schon vormerken!Das Kastanienfest in der Bereit-

schaftspolizei in Göppingen findet amDienstag, dem 3. Juli 2012, Beginn 17.00Uhr, statt. Es ist wieder ein umfang-reiches und interessantes Programm inVorbereitung. Wie jedes Jahr wird auchwieder für das leibliche Wohl gesorgt.

Alle interessierten Kolleginnen undKollegen sind herzlich eingeladen.

VORANKÜNDIGUNG

Die GdPgratuliert herzlich

Zur Beförderung zum/zur:Polizeihauptkommissar A 12Karlsruhe PP: Axel Schweitzer.Polizeihauptkommissar A 11Freiburg PD: Dirk Albrecht. Rottweil:Jürgen Bächle. Zollernalbkreis: An-dreas Herbst.Polizeioberkommissar/-inFreiburg PD: Jens Grau. KarlsruhePP: Martin Antoni, Rolf Hammer.Stuttgart PP: Heike Körber, ChristianSchwager.KriminaloberkommissarFreiburg PD: Kyllikki Bergmann.PolizeikommissarBepo-Göppingen: Jürgen Kuhn.Polizeihauptmeister mit ZulageStuttgart PP: Stefan Heid.Polizeihauptmeister/-inBöblingen PD: Petra Kienzle, CarolaBechtle. Stuttgart PP: Marco Pfeffer,Dennis Gaff, Nicole Heidi Kaupp,Markus Elmer, Steffen Mack.PolizeiobermeisterBöblingen PD: Izidora Semialjac. Ess-lingen: Martina Stephanie Meitner.Stuttgart PP: Bianca Flinspach.Es traten in den Ruhestand:Esslingen: Klaus Altenburger. Ostalb-kreis: Winfried Beißwenger, FranzSchaupp. Pforzheim: Edmund Jung.Sigmaringen: Gebhard Riegger. Vil-lingen-Schwenningen: Helfried Schrö-der.

(zusammengestellt v. A. Burckhardt)

MITTEILUNGEN

Beginnt nun das Tauziehen um die Polizeibeschäftigten?

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• Es darf keine „Zweiklassenkripo“ ge-ben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterund deren Arbeit in den künftigen Kri-minalkommissariaten dürfen nicht ab-qualifiziert werden. Die Äußerungenim Eckpunktepapier im Hinblick aufdie zukünftigen Tätigkeitsfelder (nurBearbeitung einfach gelagerter Sach-verhalte usw.) lehnen wir ab. Vielmehrmuss sich der Aufgabenzuschnitt an derlandesweiten Zuständigkeitsregelung,der für die gesamte Kriminalpolizei gilt,orientieren.

• Die Arbeit bei der Kriminalpolizeimuss attraktiv bleiben bzw. wieder at-traktiv werden. Schon jetzt fällt esschwer, geeigneten Nach-wuchs für die Krimi-nalpolizei zu gewin-nen. Wir forderndaher die seitder ReOrgfestgeschrie-benen„Sachbear-beiterkar-riere“ mitPerspekti-ve A 13 fürdie ganzePolizei aberauch oder ins-besondere fürdie Kripo umzu-setzen. Hierzu ver-weisen wir auf unsereForderung nach einer Stel-lenbeschreibung und -bewertung.

• Zur Attraktivität der Kriminalpolizeigehört auch eine professionell struktu-rierte Ausbildung und Nachwuchsge-winnung und der Aufbau einer nach-haltigen Personalstruktur.

• Die geplante Einführung des landes-weiten Kriminaldauerdienstes wirdgrundsätzlich begrüßt. Sie kann sich aufPersonalgewinnung und praktischeAusbildung durchaus positiv auswir-ken. Zur wirksamen und nachhaltigenUmsetzung erwarten wir

– eine solide Bedarfsberechnung– ein ausgewogenes flexibles Personal-

programm– eine angemessene Sachmittelausstat-

tung– eine an den europäischen Arbeitszeit-

und Arbeitsschutzrichtlinien ausgerich-tete sozialverträgliche Ausgestaltungund Umsetzung.

Verkehrspolizeidirektion

Für die Leitung, Führungsgruppe undzentrale Aufgaben gelten hier dieselben

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POLIZEISTRUKTURREFORM

Verabschiedungvon

Judith KlotzbachAnlässlich der GdP-Landesvorstands-

sitzung am 2. Mai verabschiedete derGdP-Landesvorsitzende Rüdiger Sei-denspinner die Rechtsassessorin JudithKlotzbach, die während des Erziehungs-urlaubs von Sandra Damm die Rechts-schutzabteilung der GdP-Geschäftsstellegeführt hatte. So manches was JudithKlotzbach in dieser Vertretungszeit ge-macht hat und auch nicht in ihrem eigent-lichen Aufgabengebiet lag, konnte siesich vor ihrer Zeit bei der GdP nicht vor-stellen. Sie bedankte sich für die gute Zu-sammenarbeit mit der GdP-Geschäfts-stelle und den GdP-Gremien, aber auchmit allen Kolleginnen und Kollegen, mitdenen sie zu tun hatte. Ihr habe die Ar-beit bei der GdP Spaß gemacht. Judith,auch wir bedanken uns bei dir für deinehervorragende Arbeit und wünschen dirfür die Zukunft alles Gute. WKi

GdP-GESCHÄFTSSTELLE

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Die Bereiche Verkehrsüberwachungund die Verkehrsunfallaufnahmegrup-pen sind zukünftig technisch und perso-nell so auszustatten, dass eine effektiveUnterstützung der Polizeireviere mög-lich ist. Bezüglich der Interventionszeitengelten die bereits genannten Forderun-gen. Bis dahin ist eine dislozierte Unter-bringung denkbar.

Autobahnpolizeireviere und BAB-Fahndung

Die Autobahnpolizeireviere unddie BAB-Fahndung unter-

liegen einem ganz spe-ziellen Anforde-

rungsprofil undAufgabenfeld.

Eine zu-künftig dis-lozierteEinbin-dung indie Flä-chenpoli-zeipräsi-

dien dürftediesen An-

forderungennicht genügen.

Vielmehr bedin-gen insbesondere

die länderübergreifen-den zukünftigen Herausfor-

derungen des internationalen Straßen-verkehrs einer zentralen Einrichtung.

Als eigenständige Direktion im Poli-zeipräsidium Einsatz, ähnlich der Was-serschutzpolizeidirektion, ist die Auto-bahnpolizei leichter und zielführenderauf zukünftige Herausforderungen aus-zurichten. Ähnlich wie die Straftäter hal-ten sich auch die Probleme des Straßen-verkehrs, insbesondere des internationa-len Schwerlastverkehrs, nicht an Kreis-oder Stadtgrenzen.

Bereits jetzt ist abzusehen, dass sowohldie Bedeutung als auch die Belastung Ba-den-Württembergs als europäischer Ver-kehrsschnittpunkt noch deutlich zuneh-men werden. Dafür gilt es gewappnet zusein.

Die Einrichtung von Verkehrspolizei-direktionen dürfte aufgrund ihrer he-rausragenden Bedeutung und ihrer spezi-fischen Aufgaben auch ohne Autobahn-polizeireviere zukünftig unverzichtbarsein.

6 6 - 2012 Deutsche Polizei

Unter diesem Motto hatte im März imLandtag von Baden-Württemberg eineVeranstaltung von Bündnis 90/Die Grü-nen stattgefunden. (Wir berichtetenschon kurz über das Streitgespräch zurKennzeichnung von PolizeibeamtInnenin der Ausgabe Mai im Bundesteil derDeutschen Polizei unter der Rubrik„Kurz berichtet“)

Referenten zu diesem Thema warenunter anderen der Innenminister von Ba-den-Württemberg, Reinhold Gall, derStuttgarter Polizeipräsident ThomasZüfle, der Vorsitzendes der LAG derGrünen, Tobias Heiler, und Rüdiger Sei-denspinner, Landesvorsitzender der Ge-werkschaft der Polizei.

Sehr geehrter Herr Innenminister,meine sehr geehrten Damen und Herren,liebe Kolleginnen und Kollegen,

„Im Vorfeld dieser Veranstaltung derLandtagsfraktion der Grünen habe ichmal nachgeschaut, wer alles ein Leitbildfür eine bürgernahe Polizei haben möch-te, dafür eintritt oder eines fordert. Es isthochinteressant.

Was ist eigentlich ein Leitbild. Die Un-ternehmensberatung hat hier eine guteFormulierung parat:

„Ein Leitbild ist eine schriftliche Er-klärung einer Organisation über ihrSelbstverständnis und ihre Grundprinzi-pien. Es formuliert einen Zielzustand.

Nach innen soll es ein Leitbild Orien-tierung geben und somit handlungslei-tend und motivierend für die Organisati-on als Ganzes und die einzelnen Beschäf-tigten wirken.

Nach außen soll es deutlich machen,für was eine Organisation steht. Es ist Ba-sis für die Corporate Identity einer Orga-nisation. Ein Leitbild beschreibt die Mis-sion und Vision einer Organisation sowiedie angestrebte Organisationskultur“.Zitat Ende.

Weiter stellen viele Unternehmensbe-rater fest, dass die Einführung eines Leit-bilds keine greifbare positive Wirkunggehabt hätte. Das läge, so die Unterneh-mensberater, weder am Mangel gutenWillens noch an groben handwerklichenFehlern. Sondern es liegt einfach daran,dass auch die sorgfältigste Beschreibung,wie man die Welt gerne hätte, nicht be-wirkt, dass die Welt so wird.

Was ist aber eine bürgernahe Polizeioder besser andersherum gefragt, wienah möchte der Bürger die Polizei eigent-lich haben.

Aus dem jeweiligen Blickwinkel wirddiese Frage oft ganz unterschiedlich be-antwortet.

Das täglich polizeiliche „Geschäft“der Polizei besteht darin, für den Bürgerda zu sein und zwar so schnell wie mög-lich, wenn es denn sein muss!

Dazu gehören u. a. Unfallaufnahmen,Aufnahme von Einbrüchen, Ladendieb-stählen, Sachbeschädigungen und Strei-tigkeiten usw. Das sind alles Tätigkeiten,bei deren Eintritt der Bürger die Polizeisehr nahe und auch sehr schnell nah ha-ben möchte – was auch verständlich ist.

Es gibt dann wieder Dinge im Leben,da will man uns nicht so nahe haben, z. B.als Autofahrer bei Verkehrskontrollen,wenn die Polizei maßregelnd ahndendauftritt.

Wer sich mal die Entwicklung der Poli-zei anschaut und dies nicht nur über einpaar Jahre, der kann erkennen, dass sichdie Polizei total geändert hat. Besondersauffällig wird dies, wenn man bis zu denAnfängern nach dem 2. Weltkrieg zu-rückschaut. In einem sehr interessantenWerk „Meine Zeitreise“ nimmt unsReinhold Mikuteit – der erste Inspekteurder Polizei – ein Stück mit auf diesemWeg. Dabei wird sehr schnell deutlich,dass sich die Polizei mehr als einmal ge-dreht hat.

Wenn man sich meine Ausbildung inder Vergangenheit anschaut und mit derheutigen Ausbildung vergleicht, stelltman fest: da hat sich was getan, woranviele Kräfte, u. a. auch die GdP, und nichtzu vergessen, der Zeitgeist – was auch im-mer man darunter versteht – ihren Anteil

haben. Es ist uns nicht alles in den Schoßgefallen, aber der Weg vom militärischenüber das Zivilere hin zu einer bürgerori-entierten Polizei, war lang aber richtig.

Ob wir schon da angekommen sind, wowir hinwollen, ist offen.

Vor allem aber stellt sich die spannen-de Frage, wer definiert eigentlich wohinwir als Polizei wollen oder sollen?

Die Polizeibeschäftigten, die Parla-mentarier, „die“ im Innenministeriumoder gar die Bürgerinnen und Bürger?

Dies ist nicht nur eine spannende Fra-ge, sondern auch die jeweiligen Antwor-ten könnten hochinteressant sein.

Ich behaupte – ohne die zurückliegen-de Arbeit der Polizei, die in einer ande-ren Zeit stattfand, zu schmälern – so bür-gernah wie heute war die Polizei nochnie, auch wenn hier und da Fehler ge-macht wurden.

Die Polizei hat versucht, die Angsträu-me der Bürgerinnen und Bürgern zu er-fahren und sich an den Ergebnissen zuorientieren. Da hat es dann nicht amWollen der Polizei gefehlt, sondern invielen Fällen am Machbaren, weil die Po-litik sich nicht so sehr am Bürgerwillenorientiert hat, sondern mehr an den Fi-nanzen. Die Bürger wollten den Polizei-posten in ihrem Ort erhalten, die Polizis-tinnen und Polizisten wollten dies auch,aber trotzdem wurden 2005/2006 insge-samt 212 Polizeiposten geschlossen. Daswaren fast 40% der 578 Polizeipostenund hat ebenso wenig mit Bürgernähe zutun, wie ein steigender Aufgabenzuwachsgekoppelt mit Stellenstreichungen. Dawaren natürlich auch Posten dabei, die

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Rüdiger Seidenspinner und Innenminister Reinhold Gall

6 - 2012 Deutsche Polizei 7

aus einem oder zwei Mann bestanden,aber es fehlte und fehlt das Personal umsie aufzustocken.

Stellenabbau, gepaart mit Personal-verlust auf Grund des Alters und Bürger-nähe passen nicht zusammen und sind einWiderspruch in sich. Alles andere sindMärchen. Warum gab es denn bei der Po-lizei ein Talsohlenprogramm?

Zugegeben, es fehlt der Schutzmannan der Ecke, doch ist das wirklich das, wasdie Bürgerinnen und Bürger wollen?

Sollten wir aber nicht auch mal versu-chen als Gesellschaft den umgekehrten,aber nicht unwichtigen Weg zu gehen?Nämlich in einer polizeifreundlicherenGesellschaft:

Wir reden über den Weg zu einer bür-gernahen Polizei, aber vergessen, dassdie Medaille zwei Seiten hat.

Der Respekt, die Achtung Polizistin-nen und Polizisten gegenüber, ist in denletzten Jahren ganz schön gesunken.

Verbale wie körperliche Gewalt sindleider schon normal und gerade jungeKolleginnen und Kollegen müssen sichhier innerhalb einer kurzen Zeit ein di-ckes Fell zulegen, sonst haben sie ernst-hafte Probleme.

Wenn wir uns über Bürgernähe derPolizei Gedanken machen, müssen wirauch in die andere Richtung denken,denn bürgernahe Polizistinnen und Poli-zisten sind keine Blitzableiter für allenÄrger, den manche Mitbürger mit wemauch immer haben.

Wer schützt eigentlich Polizistinnenund Polizisten? Wäre hier nicht der Ar-beitgeber mehr in der Pflicht?

Die Bürgerinnen und Bürger diesesLandes erwarten zu Recht, dass, wenn siedie Polizei benötigen, diese auch in einerangemessenen Zeit bei ihnen ist.

Sie erwarten, dass die Polizei in der La-ge ist, dafür zu sorgen, dass das alles wasihnen wichtig ist auch unversehrt bleibt.

Die Bürgerinnen und Bürger erwartenaber auch, dass die Polizistinnen undPolizisten geschützt werden und heißensolche Anfeindungen und Angriffe inkeiner Weise für gut.

Welche Gefahr besteht, wenn in be-stimmten Situationen der Begriff „bür-gernahe Polizei“ überstrapaziert wird, er-kennt man, wenn man sich Diskussionenin der jüngeren Vergangenheit anschaut:Sehr schnell wird der Begriff der „bürger-nahen Polizei“ in „Bürgerpolizei“ ge-dreht. Das ist in vielen Artikeln so ge-schehen, die sich u. a. mit den Vorfällenauf bzw. in Bahnhöfen zugetragen haben.

Man könnte zwar – wenn man wollte –erkennen, warum dies so geschehen istund die nach unserer Meinung erforderli-

chen und nötigen Schritte einleiten, abernein, solche Diskussionen gehen und gin-gen trotzdem oft in eine ganz andereRichtung, nämlich dem Sparen und demHaushaltssanieren.

Hier muss man sehr vorsichtig sein undauch wir in Baden-Württemberg warenauf einem, aus unserer Sicht, völlig fal-schen Weg in diese Richtung.

„Der Freiwillige Polizeidienst ist Bin-deglied zwischen Staat und Bürger.“ Die-ser Satz klingt für viele Polizistinnen undPolizisten wie Hohn, denn sie sind zwardie sichtbaren Vertreter des Staates, abersie sind keine Bürger?

Kann es eine bürgernahe Polizei ge-ben, wenn den Polizistinnen und Polizis-ten ein Bindeglied zur Seite gestellt wer-den muss?

Alleine dieser Satz und solche Aussa-gen zeigen deutlich, dass die Politik vorJahren gar nicht so sehr von einer bürger-nahen Polizei ausgegangen ist, sie u. U.gar nicht so gewollt hat bzw. sich nichtvorstellen konnte, dass sich die Polizeihierzu entwickelt hat.

Es gab in unserem Land eine Diskussi-on bei der Bundeswehr über den Bürgerin Uniform und zwar zu einer Zeit, alssich auch das Bild der Polizei geänderthat. Dies wird gerne vergessen bzw. über-sehen.

Dass die Polizei nun mal nicht immerlächelnd auf einen Bürger zugehen kann,liegt in der Natur der Sache. Es ist halt lei-der so, dass das Zusammenleben vielerMenschen ohne Spielregeln nicht funk-tioniert und es dann Menschen braucht,die auf die Einhaltung dieser Spielregelnachten.

Dies ist dann nicht immer im Interessealler Beteiligten angenehm. Hier pralltdie gemalte Welt auf die wirkliche Welt.

Wenn in Baden-Württemberg überbürgernahe Polizei geredet wird, kommtman seit dem 30. September 2010 auchsehr schnell auf die Ereignisse imSchlosspark. Was damals passiert undfalschgelaufen ist schönzureden, wärevöllig abwegig.

Dennoch ist eine Konzentration aufdieses Datum im Zusammenhang mit ei-nem umfassenden Polizeibild viel zukurzgesprungen und verdächtig einseitig!

Warum reden dann die gleichen Leutenicht von einem Nato-Gipfel oder demPapsteinsatz?

Oder warum reden sie nicht über das,was Samstag für Samstag meinen Kolle-ginnen und Kollegen entgegenschlägt,nämlich Hass, und dies bei der angeblichschönsten Sache der Welt, nämlich beimFußball. Eine bürgernahe Polizei mussein Teil der Gesellschaft und kein Staat

im Staate sein, sie muss anerkannt und re-spektiert werden und nicht gefürchtet!

In diesem Zusammenhang fällt mir dieStudie über die beliebtesten Berufe ein:Wir Polizistinnen und Polizisten kom-men nach der Feuerwehr und den Ärztenmit 86% auf Platz drei und ja ich kommezu dem Politiker, aber vorher gehe ich zuden Gewerkschaftern, die bei 59% liegenund jetzt zu den 14% der Politiker.

Es kann festgehalten werden, dass diegesamte Ausbildung der Polizei und esgab noch nie eine bessere – was nicht be-deutet, dass wir hier und da nicht nochbesser werden können – eine Polizei bil-det im Sinne von Bildung, die manchmalmehr auf den Bürger schaut als auf die ei-genen Beschäftigten, die wiederum auchBürger sind.

Wer aber meint, mit unschönen Ein-sätzen – da gibt es nicht nur den 30. Sep-tember 2010, sondern auch solche wieden 1. Mai in Berlin, im HamburgerSchanzenviertel oder viele Fußballein-sätze um nur mal die gängigsten zu nen-nen – und einer Diskussion über Kenn-zeichnungspflicht für Polizistinnen undPolizisten, eine bürgerferne Polizei be-gründen bzw. herbeireden zu müssen,macht einen gewaltigen Fehler.

Warum fragt man uns nicht einfach?Warum überlässt man die Entscheidungnicht jedem Einzelnen? Gibt es keinRecht auf informelle Selbstbestimmungfür Polizeibeamte? Was ist mit unserenBürgerrechten?

Die Polizei ist – ob wir wollen odernicht – ein Spiegelbild unserer Gesell-schaft und das ist gut so. Es gibt vieles,was verbesserungsfähig ist, daran arbei-tet die Polizei, aber man muss sie seitensder Politik auch lassen.

Die Polizei in Baden-Württemberg –und darauf bin ich stolz – ist mit allenEcken und Kanten eine bürgernahe Poli-zei.

Rüdiger SeidenspinnerLandesvorsitzender

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